Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

SELBSTLOB DER GNOSTISCHEN GÖTTIN SOPHIA


Nach dem Nag-Hammadi-Text „Die reine Geistigkeit“ oder „die Göttin Barbelo“

Von Josef Maria Mayer



Ich wurde von der Kraft gesandt.

Ich kam zu meinen treuen Jüngern,
Die kontemplieren über mich.
Gefunden wurde ich von denen,
Die suchen mich mit Leidenschaft.
O schaut euch meine Schönheit an,
Die ihr nachdenklich mich betrachtet!
Wer Ohren hat, der höre mich.
Ihr wartet voll Geduld auf mich?
So nehmt mich mit dem Herzen auf.
Verbannt mich nicht aus eurer Schau
Und redet hässlich nicht von mir
Und hört auf keine Blasphemie!
Seid auch nicht ignorant und taub,
Seid wachsam, seid nicht ignorant!

Ich bin die Erste und die Letzte,
Bin die Verehrte, die Verschmähte,
Ich bin die Heilige, die Hure,
Ich bin die Gattin und die Jungfrau,
Ich bin die Mutter und die Tochter,
Ich bin die Schwangere voll Hoffnung
Und habe viele kleine Knaben.
Wie herrlich ist doch meine Hochzeit!
Ich habe keinen Ehemann,
Ich bin die unfruchtbare Frau,
Ich bin die gattenlose Witwe,
Ich leide meiner Wehen Schmerzen,
Ich bin die Braut und der Gemahl,
Mein Bräutigam empfängt mich täglich,
Ich bin die Mutter meines Vaters,
Ich bin die Schwester meines Gatten,
Der Ewigvater ist mein Ursprung,
Ich bin die Sklavin meines Schöpfers,
Ich bin die Herrin meines Ursprungs,
Er zeugte mich vor der Empfängnis,
Er zeugte mich vor aller Zeit
Und meine Vollmacht ist von Ihm,
Ich bin der Hirtenstab der Kraft,
Gott ist die Rute meines Alters
Und was auch immer er mir sein will.

Ich bin die abgrundtiefe Stille
Und die Idee der reinen Schönheit,
Ich bin die Stimme schönen Klanges
Und bin das Wort, das oft erscheint,
Ich bin das Sprechen meines Namens.

Ihr, die ihr mich von Herzen hasst,
Sagt, warum liebt ihr mich denn nicht?
Was hasst ihr jene, die mich lieben?
Ihr, die ihr mich bekennen solltet,
Wie oft verleugnet ihr mich doch!
Ihr, die ihr Wahrheit von mir redet,
Was locken euch die Lügen an?
Ihr, die ihr Lügen von mir redet,
Sagt, wann bekehrt ihr euch zur Wahrheit?
Ihr, die ihr mich zutiefst erkannt habt,
Ihr wisst, wie wenig ihr erst wisst!
Und jenen, die mich nicht erkennen,
Gebt ihnen weiter keine Kunde!

Denn ich bin Weisheit und bin Torheit,
Das Wissen und die Ignoranz,
Bin makellos und bin beschämt,
Bin voller Kraft und voller Angst,
Ich bin der Krieg und bin der Frieden,
Ich bin, die keine Gnade fand
Und bin die große Gnadenvolle.

So gebt auf meine Armut acht
Und gebt auf meinen Reichtum acht.
Werd ich geworfen auf die Erde,
Dann findet ihr mich in der Zukunft.
Schaut mich nicht an in diesem Kot!
Bleibt hier und lasst mich nicht allein!
Ihr findet mich im Königreich.
Und schaut nicht die Verworfne an
Bei den Verworfnen dieser Erde
An Orten voller Staub und Kot!
Und lacht nicht über meine Torheit!

Seid wachsam Tag und Nacht, seid nüchtern
Und seid gehorsam meinen Worten!
Und liebt die keusche Selbstbeherrschung!
Verlasst mich nicht in meiner Schwäche
Und fürchtet meine Allmacht nicht!
Verachtet meine Ehrfurcht nicht
Und seid nicht voller Stolz und Hochmut!
Ich existiere in der Angst
Und meine Kraft ist im Verzagten,
Ich bin die Armut und die Schwäche
Und mir ist wohl an schönen Orten.
Ich bin verrückt und ich bin weise.

Was hasst ihr mich in euren Sekten?
Ich soll wohl still sein mit den Stillen?
Ich will erscheinen, ich will sprechen!
Was habt ihr mich gehasst, ihr Griechen?
Bin ich Barbarin bei Barbaren?
Ich bin der alten Griechen Weisheit
Und die Erkenntnis der Barbaren.
Ich bin die Richterin der Griechen
Und der Barbaren Richterin.
Ich bin die Isis von Ägypten
Und bin die Ishtar der Chaldäer.
Ich werde überall gehasst,
Ich werde überall geliebt.
Ich bins, die man das Leben nennt
Und ich bin auch des Todes Schwester.
Ich bin es, die man nennt Torah
Und bin die Freiheit vom Gesetz.
Ich bins, die ihr verschwendet habt,
Ich bins, die ihr gesammelt habt.
Ich bins, vor mir müsst ihr euch schämen,
Ich bins, ihr aber seid so schamlos.
Ich bin auf keinem Festival,
Ich bin das Festival der Jugend.
Ich bins, und ich bin gottverlassen,
Ich bins, und groß ist Gott der Herr.
Ich bin der Inhalt eures Denkens,
Ich bins, und doch verfolgt ihr mich.
Ich bin die Frau, die ihr verschmäht,
Und dennoch denkt ihr stets an mich.
Ich bins, vor der ihr euch versteckt,
Ich bins, und ihr erscheint vor mir.
Auch wenn ihr euch vor mir versteckt,
Ich werde dennoch euch erscheinen.
Doch immer dann, wenn ihr erscheint,
Dann will ich mich vor euch verbergen.

So nehmt mich auf in euer Wissen,
So nehmt mich auf in euren Gram,
So nehmt mich bei euch selber auf
In eurer schmutzbefleckten Wohnung.
Und nehmt mich jenen Frevlern weg,
Die mächtig sind in Schlechtigkeit
Und nehmt mich schamlos weg der Scham.
Ich bin verschämt und ich bin schamlos,
So pflanzt mich ein in eure Glieder.
Kommt zu mir, die ihr mich nicht kennt,
Und ihr, die meinen Körper kennt.
Kommt vorwärts! Eilt zurück zur Kindheit!
Verachtet nicht die kleinen Kinder!
Und wendet nicht die Größe ab
Vom Gliederbau der kleinen Kinder!
Die Kleinen sind die wahrhaft Großen.

Was flucht ihr mir und ehrt mich dennoch?
Ihr tut mir weh und seid barmherzig.
Trennt mich nicht vom erkannten Ersten,
Weist keinen ab, verweist auch keinen!
Doch wendet euch vom Menschen ab
Und kennt den bösen Menschen nicht!
Was Meines ist, das ist auch Eures.
Ich kenne ja den Erstbeweger,
Und die ihm folgen, kennen mich.

Ich bin das Denken des Geliebten,
Ich bin die Ruhe des Geliebten
Und die Erkenntnis des Vertrauten.
Ich finde jene, die mich suchen,
Gebiete dem, der nach mir fragt,
Der sucht die Kraft in meiner Weisheit,
Die Weisheit der gesandten Engel,
Das Wort der Göttinnen und Götter
Im Kreislauf ihrer Jahreszeiten,
Erkenntnis auch der Menschengeister,
Der Männer, welche bei mir waren,
Der Frauen, welche in mir wohnten.
Ich bin die Ehre und der Lobpreis,
Ich bin verhöhnt und bin verschmäht.
Ich bin der Friede und der Krieg,
Die Fremde und die Bürgerin,
Ich bin Substanz und Akzidenz.

Die nicht mit mir verbunden sind,
Das sind die dummen Ignoranten.
Wer ist in der Substanz, der kennt mich,
Die mich gekannt, die wurden Narren.
Die Fernen bald erkennen mich.
An jenem Tag, da ich dir nah bin,
Da bist du fern von mir, mein Sohn.
An jenem Tag, da ich dir fern bin,
Da bist du nahe mir, mein Sohn.

Ich bin im Innern der Natur,
Ich bin die Seele der Natur.
Ich bin der Anbeginn der Schöpfung
Der Engel und der Menschengeister.
Ich bin der Ruheort der Seele.
Ich bin die Herrschaft und die Ohnmacht.
Ich bin Vereinigung und Chaos.
Ich bin die Macht, die oben ist,
Sie steigen alle zu mir auf.
Ich bin das Urteil und der Freispruch.
Ich bin die makellose Jungfrau
Und bin die erste Sünderin.
Mein Körper lockt mit süßer Wollust
Und meine Seele ist die Keuschheit.
Ich bin das Ohr, das jedem lauscht,
Das Wort, das keiner je versteht.
Ernst bin ich, stumm, und sage viel.

So hört auf meine Freundlichkeit
Und lernt von meiner rauen Art!
Ich bin die schreit und bin geworfen
Aufs Angesicht der schwarzen Erde.
Ich mahle Korn, ich backe Brot,
Mein Leben ist in jedem Brot.
Ich bin die Kenntnis meines Namens.
Ich bin die ruft und die dir zuhört.
Ich steh vor meinen sieben Spiegeln.
Ich bin die Schutzfrau des Verschmähten.
Ich bin die Wahrheit und die Sünde.

Ihr ehrt mich und ihr lästert mich.
Ihr, die ihr seid verachtet, die,
Die euch verachten, richtet sie,
Bevor sie euch im Zorne richten,
Und so ist das Gericht in euch.
Und werdet ihr verdammt von ihnen,
Wer wird euch retten, ihr Verdammten?
Was innen ist, das ist auch außen.
Und wer da euch beherrscht von außen,
Verdunkelt euer Innenleben.
Was seht ihr draußen, das ist drinnen.
Und sichtbar ists und euer Kleid.

So hört mir zu, ihr meine Hörer,
Und lernt von meinen Worten, Freunde!
Ich bin das Ohr, das allen zuhört,
Das Wort, das keiner je begreift.
Ich bin der Name reinen Schalles
Und bin das Schallen meines Namens.
Der Lettern Zeichen bin ich und
Die Prädestination der Geister.

Ich bin das Licht, das Licht für euch,
O Hörer, ich bin große Kraft,
Ich ändre meinen Namen nicht,
Ich sag ihn dem, der mich geschaffen,
Ich spreche Seinen Namen aus.

Schaut auf sein Wort, schaut in die Schrift,
Schaut an die ganze Büchersammlung.
Gebt acht, seid wachsam, meine Hörer,
Ihr meine Engel und Apostel,
Ihr Geister und ihr Auferstandnen,
Ich bin die Eine, die All-Einheit,
Die existiert allein im All,
Und kein Geschöpf wird je mich richten.

Viel schöne Formen existieren
Mit manchem Reiz in vielen Sünden,
Unfruchtbarkeit und Fleischeslust
Und gnadenlose Leidenschaften
Und Huren, welche Männer kosen,
Bis rein geworden sind die Huren,
Dann gehen aufwärts sie zum Ort
Der Ruhe in der Ewigkeit
Und finden mich im Himmel droben
Und leben werde ich mit ihnen,
Sie leben selig und unsterblich!