Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

FAUST


von Josef Maria Mayer


DER TRAGÖDIE ERSTER TEIL


PROLOG IM HIMMEL

(Der Herr Zebaoth, die himmlischen Heere. Später Asmodäus. Die drei Erzengel Sankt Michael, Sankt Gabriel und Sankt Raphael erscheinen.)

SANKT RAPHAEL
Die Sonne singt in alter Weise
In heiliger Geschwister Chor,
Bei ihrer großen Sphärenreise
Oft kommen Donnerschläge vor.
Die Engel stehn, sich zu ergötzen,
Ein jeder Engel, wie er mag.
Das Spiel nach ewigen Gesetzen
Ist lustig wie am ersten Tag.
SANKT GABRIEL
Du kannst das Beste doch nicht fassen,
Wie Mutter Erde sich bewegt,
Mal von der Sonne übergossen,
Mal samtnes Schwarz sich niederlegt.
Da bäumt sich auf die See mit Schäumen
Und spritzt aus tiefem Felsenspalt
Und geistig Wassernymphen träumen,
Die Erde leidet die Gewalt!
SANKT MICHAEL
Und wilde Stürme, immer reger,
Von Land zu See, von See zu Land,
Die wilde Jagd, der wilde Jäger,
Der Jäger steckt das Haus in Brand.
Ein Blitz, ein Schlag vom Donnerhammer,
Der Hammer donnert immerzu.
Dein Sklave, Gott, in seiner Kammer
Liegt da in schönster Seelenruh.
DIE DREI
Die Engel stehn, sich zu ergötzen,
Ein jeder Engel, wie er mag.
Das Spiel nach ewigen Gesetzen
Ist lustig wie am ersten Tag.
ASMODÄUS
Herr, wieder gibst du eine Audienz,
Willst hören, ob wir sind mit dir zufrieden.
Sonst gnädig auch, mein Gott in Evidenz,
Bescheiden hab ich mich zu dir beschieden.
Alexandriner auf Franzosenweise
Kann ich nicht machen, wie der Franke macht,
Doch sollst du lächeln, Gottheit, lieblich leise,
Hat Jesus doch mit Kindern auch gelacht!
Vom Universum weiß ich nicht zu reden,
Von Adam doch und Eva nackt in Eden,
Und jeder Mann behauptet, er hab Recht,
Er sei ein Mann vom göttlichen Geschlecht!
Doch ist es wie beim ersten Sündenfall
Gleich nach des Weltalls allererstem Knall,
Da Adam pflückte sich die Feige weg:
Auf Evas linker Brust den Schönheitsfleck!
Der Mann doch lebte glücklich seine Brunft,
Wenn du ihm nicht gegeben die Vernunft.
Ja, graut dir nicht, siehst du das Affentier?
Von hinten auf die Kuh dringt ein der Stier.
Bei Tieren wohl geschieht das dann und wann,
Wenn aber viehisch sich verhält der Mann,
Wenn er es nicht gesteht dem Ohrenpriester,
So ist er bestialischer als Biester.
O Majestät, geschehe Euer Wille!
Der Mann erscheint mir ähnlich einer Grille,
Die vor der Pforte der Geliebten zirpt,
Ums Plätzchen an dem warmen Ofen wirbt,
Allmorgentlich in feuchten Nebelschwaden
Süß zirpt wie die französischen Zikaden,
Meint, seine Stimme sei wie Orpheus stark,
Hüpft einfach in den allerersten Quark!
HERR ZEBAOTH
Was läuft dir sonst noch über deine Galle?
Verklagst du nicht die Menschensöhne alle?
Bist du mit dem, was weise ich beschieden,
Mit meiner Liebesgunst denn nie zufrieden?
ASMODÄUS
Nein, Donnerer, mit deinem Donnerhammer,
Mich jammert so des armen Menschen Jammer
Und ich kann nur noch lamentieren, klagen!
Frau Armut selber wag ich nicht zu plagen!
HERR ZEBAOTH
Kennst du den Doktor Johann Faustus recht?
Der Dulder Hiob ist mein bester Knecht!
ASMODÄIS
Der Doktor Mysticus der Kabbala?
Mein Drittes Auge ihn heut morgen sah,
Wie geistig seinen Esel er geritten,
Beflügelt ist ins Paradies geglitten.
Vom Himmel will er Lämmerwolken pflücken
Und auf der Erde weiche Weiber ficken.
Herr! Bleibe hart bei solcherlei Begehren,
Sollst ewig eine Vulva ihm verwehren,
Er wäre nach dem Akte schlaff und matt
Und all sein Liebeshunger doch nicht satt,
Denn wie nach den Mätressen einst die Fürsten,
Ist in ihm ewig-ewigliches Dürsten!
HERR ZEBAOTH
Geht er auch in der Gottesfinsternis,
Will dringen er in jeglichen Abyss,
Einst wird entschleiern sich die Gotteswahrheit,
Er schaut die Gottheit dann in bloßer Klarheit!
Und liebt und hofft er, weiß er auch zu schweigen,
Die Ewigkeit einst schenkt ihm ihre Feigen!
ASMODÄUS
Ha! Majestät, ich packe Euren Knecht,
Den Faust, an seinem göttlichen Geschlecht,
Versuche ihn mit Geld und Macht und Sex,
So ist er bald der lieben Gottheit Ex!
HERR ZEBAOTH
Geh, Asmodäus, prüfe meinen Knecht,
Ich aber sprech aus Gnade ihn gerecht.
Versuche ihn mit Unzucht, ob er fehle,
Doch Mein bleibt seine gottgeweihte Seele!
ASMODÄUS
Wohlan, ich geh wie andre Gottesboten,
Versuchen kann ich ja nicht mehr die Toten,
Versuchen will ich jene, die noch leben,
Die Männer, die vor Weiberbrüsten beben!
Die Toten, Herr, die kann ich nicht mehr packen,
Die Lebenden jedoch mit prallen Backen!
Was soll mir in dem Grabe das Skelett?
Die leben, lock ich in der Unzucht Bett!
HERR ZEBAOTH
Gut, Asmodäus, Doktor Faust sei dein,
Versuche ihn, ob er die Quelle rein
Der Liebe, dieser Herrscherin von Sternen,
Verlassen wird für schmutzige Zisternen?
Und wenn vergebens meine Gnade quölle,
Kommt er zum Teufel in die Feuerhölle!
Doch, Dämon, sei beschämt, musst du bekennen:
Allein muß ich im Pfuhl aus Feuer brennen,
Der Wahre Mensch ist mir zur Last geworden,
Zur Last – und nicht zur Lust im Wollust-Orden!
ASMODÄUS
Gut, geh ich zu den Dornen und den Nesteln,
Ich will ihn mit dem Nesselhemde fesseln,
Versuch ihn, nichts als Lust um Lust zu suchen,
Mit geilen Huren will ich ihn versuchen,
Und will es mir mit Huren nicht gelingen,
Die schon so manchen freien Christen fingen,
Ich Dämon bleibe dennoch unverzagt,
Versuche ihn mit einer frommen Magd!
Er buhlt mir noch um ihre Apfelwangen!
Verflucht ist er wie andre kluge Schlangen,
Soll wie die Schlange und wie andre Lurche
Mir kriechen durch die schwarze Ackerfurche!
HERR ZEBAOTH
Du hast den freien Willen, freier Geist,
Ob du auch unrein bist und Dämon heißt,
Zur Erde geh hinab von Zions Hügel,
Sei einsichtsvoll und klug wie Eulenspiegel.
Der Mann, ich rufe ihn, sich aufzuraffen,
Mit seiner Schöpferkraft ein Werk zu schaffen,
Und sehnt er sich nach absoluter Ruh,
Geselle ich ihm einen Bruder zu.
Der Freund und Bruder, das ist ohne Zweifel
Sein Schatten oder auch sein eigner Teufel.
Ihr aber, meine gottgetreuen Engel,
Gehorsam ihr der Jungfrau ohne Mängel,
Den Menschen führt ins Land von Seim und Butter,
Gott liebt den Menschen ja wie eine Mutter!
So soll der Mann in seines Gottes Namen
Zur Engelsernte säen seinen Samen.

(Der Himmel schließt sich.)

ASMODÄUS
So ab und an hör ich doch gern den Vater,
In Uranos den liebevollen Pater.
Ich möcht mit meinem Gott und Herrn nicht brechen,
Der menschlich mit Dämonen weiß zu sprechen.


NACHT. FAUST IN SEINER ZELLE.

FAUST
Ich las so manchen Philosophen,
Gold aus der Weisheit Feuerofen,
Doch fand ich nicht die Dame Chockmah.
Ich kenn der Theologen Dogma
Und auch die Politik der Staaten
Und leider, ach, die Advokaten!
So steh ich nun als Tor der Toren,
Als hätt ich den Verstand verloren!
Geworden bin ich ein Magister,
Ein Doktor auch wie die Geschwister.
Seit sieben Jahren bin ich Lehrer
Und mach es meinen Schülern schwerer
Und schwerer Jahr um Jahr, sie müssen
Erkennen, dass sie gar nichts wissen,
Ob sie es auch nicht wollen leiden,
Doch sollen bleiben sie bescheiden.
Ich aber bin nicht wie die Affen,
Die Wissenschaftler und die Pfaffen.
Ich lob mir schöpferischen Zweifel
Und habe keine Angst vorm Teufel.
Doch seit ich Weisheit zu mir nahm
Mit Löffeln, fühl ich Gram, nur Gram,
Seit ich geheime Einsicht seh,
Ich fühle in der Seele Weh.
O Demut! Dies ist einzusehen:
Ich kann die Gottheit nicht verstehen!
Ich habe mich des Amts entledigt,
Ich hab schon lang nicht mehr gepredigt
Und allen Weisheit angeboten,
Ich gleiche mehr den Idioten,
Bei all der Vielgelehrten Tanz
Bin ich der Doktor Ignoranz!
Frau Armut hält mich jetzt besetzt,
Das Geld, das alle Welt ergötzt,
Das rinnt mir nur durch meine Finger,
Ich bin nicht Mammons treuer Jünger.
Auch bin ich schön nicht von Gestalt,
Der Bart ist grau, jetzt bin ich alt,
Und faulig dampft mein Atemhauch
Und vor mir her trag ich den Bauch
Und hab im Hirne manche Grille
Und vor den Augen eine Brille.
Durch meine Seele geht ein Messer!
Da geht es jeder Hündin besser,
Die, wenn die jämmerliche jault,
Von ihrem Frauchen wird gekrault!
So! Jetzt studier ich die Magie,
Erforsch geheime Sympathie
Der Zwillingsseelen und der Geister
Und lerne Zauberwort der Meister
Und gurre wie ein Turteltauber,
Ein Psalm ist mir ein Liebeszauber,
Mit Salomo ich tue kund,
Wie eng der Hindin Muttermund,
Frau Weisheit will ich nicht vertauschen,
An ihren Brüsten mich berauschen!
Doch in dem Dunkel meiner Nächte
Ich suche jene Macht der Mächte,
Die in dem ganzen Weltgetriebe
Die Energeia ist, Frau Liebe!
Komm nur ins Offene, mein Freund!
Schau, ob die Sonne heiter scheint?
Mit des okkulten Philosophen
Agrippa aus dem Feuerofen
Der heiligen Magia geh
Ich durch die Sphären, ob ich seh
Geschrieben dort das Zauberwort:
Verkehrtes Wesen, fliege fort!
Die Unverschleierte, Frau Wahrheit,
Will schauen ich in bloßer Klarheit,
Die Unverschleierte erreichen!
O, Pentagramm – okkultes Zeichen!

(Er schlägt das Buch der Okkulten Philosophie auf.)

Was ist das für ein Pentagramm?
Ein Drache kommt und nicht ein Lamm?
Der Mutter Erde Seele will
Beschwören magisch ich und still.
Der Mutter Erde Seele seh
Als Lebewesen ich, als Fee.
Jetzt fühl ich Grünkraft, Lebenskraft,
Vitalität voll Lebenssaft!
Die Schlange steigt mir durch den Sexus
Und aufwärts durch den Solarplexus
Und löst den Knoten in der Kehle!
Erleuchte meine Gottesseele,
Mein Drittes Auge in der Stirne,
Du Gott im eigenen Gehirne!
Nun geht zu Bett die junge Luna,
Aurora lächelt als Fortuna!
Ich fühle neues Liebesleben!
Von oben fallen Spinneweben,
Mir in das Haupthaar fällt die Spinne,
Vor Angst mir schwinden meine Sinne!
Weg, Geist der Angst, ich will dich bannen,
Nicht weibisch zagen, mich ermannen!
Ich sehe dich, o Mutter Erde,
O Göttin, schrecklicher Gebärde,
Nicht eben wie Madonna edel,
An deiner Brust ein Totenschädel,
Ein Rosenkranz von Totenschädeln!
Die Haare dir wie Schlangen wedeln!
Ha! Aber dir will ich mich schenken,
In deinen Schoß mich tief versenken!
Und ob die Göttin auch mich quäle –
Dir, Elfe, weih ich meine Seele!

(Er spricht ein orphisches Gebet an die Göttin Gäa. Die elfengleiche Seele der Mutter Erde erscheint.)

SEELE DER MUTTER ERDE
Da bin ich! Du hast mich beschworen.
FAUST
Ich Narr der Narren, Tor der Toren!
Nun hör ich deine Seele brausen,
Sanft säuselnd sausen, fühl ich Grausen!
SEELE DER MUTTER ERDE
Dein Wort hat mich zitiert, berufen,
Ich kam herauf die Treppenstufen.
Was möchtest du von mir, mein Faust?
FAUST
O Mutter Erde, wie mir graust!
SEELE DER MUTTER ERDE
Du riefest mich mit deinem Leben,
Mit heimlich magischen Geweben.
Was soll ich geben meinem Toren,
Der mich mit seinem Wort beschworen?
Wie? Nun du machst dir in die Hose,
Da ich erschein als rote Rose?
Ein echter Übermensch bist du!
Ein Weiser ohne Seelenruh!
FAUST
Hier stehe ich wie Doktor Luther,
Ich kann nicht anders, Große Mutter!
SEELE DER MUTTER ERDE
In allem Lebensdrang der Triebe
Ich wehe geistig voller Liebe
Von Alpha bis nach Omega
Im Namen Gottes: Ich bin da!
Das Leben, prall von Wollust-Wut,
Das Leben gleicht der wilden Flut!
Die Ebbe in dem Abendrot,
Das leise Fliehen, ist der Tod!
Ich bin die Weberin und webe,
Ich nur an meinem Webstuhl lebe,
Denn Gottes Kleid ist die Natur,
Ein transparentes Kleidchen nur!
FAUST
Dein sanftes Sausen ohne Fehle,
Das fühle ich, du Weltenseele,
Dein sanft verschwebend Säuseln sacht,
Weltseele, fühl dich in der Nacht!
Die Täubchen gehn in ihre Nester –
Weltseele, du bist meine Schwester!
SEELE DER MUTTER ERDE
In meinem gottgehauchten Wesen
Kannst du in Wahrheit gar nicht lesen.
Doch zeig ich dir mein schönes Scheinen.
Faust, bleibe du mit deinen Beinen
Nur sicher auf der Erde stehn.
Ein Mann wird Gott doch nie verstehn!

(Die Seele der Mutter Erde wird wieder unsichtbar.)

FAUST
Ich Übermensch! Ich bin kein Gott?
O Weltenseele, welch ein Spott!
Gott schuf den Mann nach seinem Bilde,
Zumeist die Frau, so sanft und milde!
Von Elfenbein ist Sie ein Turm –
Ich aber zucke wie ein Wurm!

(Es klingelt an der Tür.)

O Bruder Tod! Das ist wohl der Student
Der Alchemie? Beim fünften Element!
Bei allen Göttinnen, die um mich werben,
Der Hanswurst wird mir alle Lust verderben!

(Detlev Wagner im Schlafrock und in Pantoffeln tritt ein.)

DETLEV WAGNER
Du deklamiertest wie Rhapsoden laut.
Wer kriegt in der Komödie denn die Braut?
Wie? Oder sprichst du tragisches Theater,
Wo Ödipus Rival war seinem Vater?
Von dem Theater unsrer alten Griechen
Ist viel zu lernen. Ihnen nachzukriechen
Schien Nyssos’ Gregor wert und auch Sankt Paul.
Wie tragisch ist der Selbstmord doch von Saul!
Auch das Theater scheint mir wie geschaffen
Für das Sakraltheater unsrer Pfaffen.
FAUST
Wenn nur der Pfaffe nicht mit großem Durst
In der Komödie spielt nur den Hanswurst!
WAGNER
Ach, ist ein Pfaffe doch kein Philosoph! Ah,
Er sitzt gemütlich sonntags auf dem Sofa
Und tut sich des Gebets entledigen
Und kann nur Ungesalznes predigen.
Wer nicht hinaustritt in das Weltgetriebe
Und nie besessen war von heißer Liebe
Und tat auch nie ein schönes Weib begehren,
Was soll der gute Mann die Männer lehren?
FAUST
Man liest in Büchern alter Kirchenväter
Und hört den Vater in dem Dom Sankt Peter.
Wenn aber Gott ist nicht erlitten worden,
Dem hilft auch nicht der Mönche Mystik-Orden!
In deinem Innern suche deinen Gott,
Sonst wird dir selbst die Bibel nur zum Spott!
Doch plappre nach den Katechismus nur,
Fühlst du nicht, wie der Herr gen Himmel fuhr
Als Feuerphönix aus der heißen Asche,
Dann weiter nicht nach Luftgespinsten hasche.
Dann, Wissenschaftler vor dem Tuch der Tücher,
Dann schreibe lieber Kinderfabelbücher.
Ein wahrer Gaudi ist ein Kinderbuch!
Doch wer nie roch der Rose Wohlgeruch,
Der kann auch plappern nächtlicher Vigilien
Von kühler Keuschheit rauhreifweißer Lilien!
Wer Gott erfahren nicht in Todesschmerzen,
Der rührt auch nie die schönen Frauenherzen!
WAGNER
Ein Prediger zu sein gelehrter Predigt,
Der sich der Bibelwissenschaft entledigt,
Rhetorik braucht es mehr als Fanatismus,
Historisch-kritisch sei der Biblizismus.
Denn wenn die Schwärmer sterben ihren Göttern,
Wir Prediger, wir lehren nach den Lettern.
FAUST
Ja, lesen muss man können, das hilft viel,
Am allermeisten bei dem Kartenspiel,
Und wer nicht rechnen kann wie Mammonas,
Herzdame er verwechselt mit Pik-As.
Doch Freundschaft – ach die Freundschaft! – oder Liebe –
Da braucht es heißes Blut und Lebenstriebe!
Es lehrt dich doch kein Buch das rechte Rammeln!
Du glühe nur, dann strömt dir schon dein Stammeln!
WAGNER
Ach, vieles will ich wissen von der Welt,
Will kennen Papst und König, Narr und Held,
Weltwissen steht in Büchern, die sind dick,
All das zu lesen, das ist mein Geschick.
Ach, manchmal brennen mich auch heiße Lüste,
Passionen mir durchwühlen meine Brüste,
Doch Arbeit kühlt mich ab! Das ist perfekt,
Den Eros treibt nur aus der Intellekt!
Bevor du Blutschweiß schwitzt von Eros heiß,
Verdiene Geld in Angesichtes Schweiß!
FAUST
Der rationale Intellekt befriedigt
Den Busen dir? O Mann, wie du erniedrigt
Durch deine Arbeit bist, durch den Verstand!
Ah, meine Seele lodert stets im Brand!
WAGNER
Man muss doch bei den biblischen Geschichten
Und was die Hagiographen alles dichten
Bedenken der Historie Fundament.
Wenn man wie ich so gut die Bibel kennt,
Berührt dich weiter nicht das Hohelied,
Das allegorisch man zu sehr bemüht.
FAUST
Ja, steige in die Lettern, tret das Pflaster
Der Bibelwissenschaft! „Ich bin der Aster“,
So sagt der Herr. Der Herr sich offenbarte
In diesem Wort als göttliche Astarte!
WAGNER
Die Wissenschaft ist rational und kühl,
Denn allzu heiß scheint mir das Liebesspiel.
Bevor ich selbst verbrenne an der Liebe,
Von Liebeskunst ich lieber Bücher schriebe!
FAUST
Ach, alle Weisen müssen mystisch schweigen!
Wer je sich pflückte der Erkenntnis Feigen,
Der schweige von der Gottheit höchstem Reize,
Sonst findet er sich wieder an dem Kreuze!
Am Kreuze aber findet er nur Hohn:
Du hältst dich selber wohl für Gottes Sohn?
Doch es ist spät, mein lieber Freund und Bruder,
Die Nacht ist schwarz und Laila ist ein Luder!
WAGNER
Tiefsinnigster Genosse meines Lebens,
Wie inspirierst du meines Wissenstrebens
Gewissenhaften Fleiß! Ich hätt die Nacht
Noch gern mit dir beim Glase Wein verbracht.
Ist morgen doch der Ostersonntag! Siehe,
Ich bin schon wach vorm Morgenrote frühe.
Nach einer Flasche Rotwein übernachte,
Weil ich nach meinem Ostersonntag schmachte!

(Wagner ab.)

FAUST
Ah weh! Mir ist zum Heulen und zum Schreien!
In seinem Kopf nur Spiegelfechtereien!
Er gräbt ein Loch, als ob er Gott ergründet,
Ist froh schon, wenn er nackte Würmer findet!



OSTERSPAZIERGANG

(Johann Faust und Detlev Wagner.)

FAUST
Von Eis befreit ist nun der klare Bach,
Der Zephyr bläst die kleinen Hügel wach.
In Wiesen grün die Gräser sind voll Saft,
Dem Winter ist erschlafft die scharfe Kraft,
Der Winter schleicht an seinem Stocke fort,
Noch kommt des Hagelschlages böser Mord,
Auch das Spektakel geht doch bald vorbei,
Die weißen Tropfen auf dem grünen Mai.
Die Sonne strahlt im heitern Herzen schön!
Die Knospe auch mit seufzendem Gestöhn
Leis öffnet ihre Lippen Taues Tropfen,
Die Falter, sich mit Nektar vollzustopfen,
Umflattern allerschönste Blumen heute
Und freundlich sind die wundervollen Leute.
Von Berg zu Stadt die Menschen voller Ruhe
Dem Tor entquellen, gürten ihre Schuhe.
Die Kleinen und die Großen fröhlich blicken,
Schön sind die Schlanken, schön sind auch die Dicken.
Und alle tragen ihren Sonntagsstaat,
Als ob der Tag der Auferstehung naht,
Der Auferstandne kommt aus seinem Grab
Und segnet Magdalena mit dem Stab.
Aus guter Stube zu dem roten Staube
Das Menschenvolk wie eine pralle Traube,
Dort tanzen sie im lüsternen Getümmel,
Der Frauen Tanz, das ist der Männer Himmel.
Und jeder fühlt die Liebe Gottes rein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich menschlich sein!
WAGNER
Mit dir, mein Doktor Faust, spazierengehn,
Mit deinen Augen die Natur zu sehn,
Ist pure Poesie. Was ich nicht lobe,
Das Allzumenschliche, das Stofflichgrobe!
Ich nur allein wär sicherlich nicht hier.
Der Mann in seiner Lust brüllt wie ein Stier.
Ihr Hörnerblasen und ihr schrilles Geigen
Ist nicht so schön wie meiner Zelle Schweigen.
Und dieses Stöhnen zu der Trommeln Klang,
Die Eselsschreie nennt man dann Gesang!

(Tanz lustiger Dirnen! Der alte Bauer Georg mit einem breiten Becher Wein tritt zu Faust.)

BAUER GEORG
Mein lieber Doktor, Freund und Kupferstecher,
Vergessen hat uns nicht der große Zecher!
Daß so ein tiefgelehrter Weiser heute
Auch freundlich denkt an seine kleinen Leute!
Hier wie ein Becken reich ich dir den Becher,
Den breiten Becher sauge leer der Zecher!
Und hast du diesen Becher leergetrunken,
Noch einmal füllt der Becher sich mit Funken,
Wie aus dem Becher rote Tropfen rinnen,
So mögest du Frau Ewigkeit gewinnen!
FAUST
Ja, Dank für dieser Liebe Feuerregen!
Die Liebe Gottes spende dir den Segen!

(Er setzt den breiten Becher an die Lippen und schlürft bacchantisch-genüsslich.)

BAUER GEORG
Gut, dass du kommst, um kräftig zu genießen,
Weil deiner Nächstenliebe Gnaden fließen
Doch allezeit zu Krüppeln, Seelenkranken,
Die todgeweihten Kinder kommen danken!
Du warest Retter in der schwersten Stunde,
Nun küss den Becher auch mit heißem Munde!
Dein Vater Konrad half uns, als die Pest
Auf Erden hielt ihr großes Totenfest,
Du, noch ein junger Mann, um uns zu retten,
Du hieltest Wache an den Krankenbetten.
Wen gestern tat das Leben lustig laben,
Den haben heut die Pfaffen schon begraben.
Du warest unser Retter, so als sei
Der Heiland mit dir, Christus stand uns bei!
VOLK
Gesundheit dir am Leib und an der Seele,
Daß nie uns deine starke Hilfe fehle!
FAUST
Der Hilfe Gottes sei allein die Ehre,
Daß uns die Hilfe hilft und uns bekehre!

(Johann Faust und Detlev Wagner gehen weiter.)

WAGNER
Das strömt dir doch wie Wein durch deine Kehle,
Wirst du so hoch gelobt, du feine Seele!
Durch dich die Gnaden zu den Kranken fließen,
Nun darfst du auch ihr Dankeschön genießen!
FAUST
Komm, setzen wir uns hier auf diese Bank,
Hier wollen wir von allem Rennen rasten.
Hier, als die Menschen von dem Pesthauch krank,
Hier saß ich oft zu beten und zu fasten.
Hier wagte ich, und keiner konnt mich dämpfen,
Wie Jakob selber mit dem Herrn zu kämpfen!
Wie Jakob tat ich mit dem Engel ringen,
Der Krankheit Ende rasch herbei zu zwingen!
Was soll der Toren Lob, der Toren Tadel,
Was der Gesang von meinem Seelenadel?
Ich kenne meines Vaters Konrad Plan,
Adept der Alchemie, ein Scharlatan,
Mit Elixieren und geheimen Pillen
Gott aufzuzwingen seinen eignen Willen
Und mit der Energie der Nervenbahnen
Des ganzen Universums Heil zu planen,
Aus Sonnenstrahlen wollt er saugen Geister,
Bezaubern Kranke wie ein Zaubermeister,
Wie weise Magier vom Morgenland
Zu heilen durch die Segnung seiner Hand,
Zu heilen jede seelische Psychose
Durch die Magie bezaubernder Hypnose,
Zu rufen die Dämonen wie Schamanen,
Weltseelenpriester gleich den Scharlatanen,
Und doch zu sein vorm großen Gott ein Spötter,
Sich selbst zu sehn als höchsten Gott der Götter!
WAGNER
Ein junger Mann soll von dem Alten lernen,
Der wanderte durch weltenweite Fernen,
An Vater Konrad denk ich noch in Wehmut.
Ein Alleswisser! Doch ihm fehlte Demut!
FAUST
Glückselig ist der Mann, der sich erlösen,
Befreien kann aus aller Macht des Bösen.
Mein Glück ist sicher nicht von dieser Welt,
Was meine Seele in den Händen hält,
Das will ich nicht, das ist nur meine Pflicht,
Was ich begehre, das bekomm ich nicht,
Was ich nicht haben darf, das ist das Beste
Und machte erst mein Leben mir zum Feste.
Doch muß ich mich ja meinem Schicksal fügen
Und ist auch grenzenlos mein Ungenügen!
Tarnkappe auf des starken Siegfried Haupt –
So hat er die Brunhilde sich geraubt!
Die Siebenmeilenstiefel an den Füßen,
So möcht ich wohl den Garten Gottes grüßen.
Auf einem Teppich wollt ich fliegen können,
Prinzessinnen von Hindostan mir gönnen.
Möcht auf dem Flügelross wie Mohammed
Zum Huri-Himmel, wo die Latte steht!
Mit Pegasos vom Schoße der Meduse
Ich wollte reiten wohl zum Kuss der Muse!
Die Wirklichkeit jedoch behält den Sieg,
Das lehren mich Doktoren der Physik.
WAGNER
Ach, fliegen kann ich selbst in Träumen nicht,
Und flattern Schmetterlinge in dem Licht,
Beneid ich nicht der Schmetterlinge Flügel.
Wohl wallt ich gerne über kleine Hügel,
Doch mehr noch als der Rose Wohlgeruch
Lieb ich in langer Winternacht ein Buch,
Wo Männer streuen ihre Geistessamen
Und schön und liebevoll sind alle Damen.
FAUST
Du willst nur weise werden durchs Studieren,
Ich will mich in der Lebenslust verlieren!
Di-Psychos bin ich, Doktor Schizophrenus,
Will Sapientia und auch die Venus!
Ich will hinan zur höchsten Gottesliebe
Und auch befriedigen die heißen Triebe!
Will, dass mein Geist der Gottheit Antlitz schaut
Und will im Bette willig meine Braut!
Ach wenn ich zaubern könnte, Gott beschwören
Und durch Magie das schönste Weib betören,
Ich gäbe für ein Weibchen, willig, weich,
Für ihren Schoß dahin das Himmelreich!
WAGNER
Ich las, des Weibes Wollust sei erlabend.
Doch lass uns gehn. Wie kühl ist doch der Abend.

(Sie gehen)

FAUST
Siehst du die schwarze Hündin auf der Wiese,
Die schwarze Hündin mit dem schwarzen Vliese?
WAGNER
Läuft brünstig um wie eine junge Hindin!
FAUST
Was hältst du von der jungen schwarzen Hündin?
WAGNER
Was soll ich mir bei einer Hündin denken?
Den Berna-Sennen-Hund lass ich mir schenken,
Am Abend nach der Arbeit zu spazieren.
Ich gehe gerne um mit schönen Tieren.
Ein Tier vermag uns nicht das Herz zu brechen
Und nicht wie Frauen stets zu widersprechen!
FAUST
Doch siehst du nicht? Das Auge einer Lüchsin,
Die Gier der Wölfin und die List der Füchsin,
Umkreist sie uns in Kreisen der Magie.
WAGNER
Ich seh nur eine schwarze Hündin, die
Nach einem Herrchen sucht, das ihr befehle.
FAUST
Sie kommt heran! Bei meiner armen Seele!
Sie hat wohl großen Hungern nach was Leckerm?
Siehst du die Zunge an der Schnauze schleckern?
Die schwarze Hündin – Dämon, will mir scheinen –
Ist mit der Schnauze zwischen meinen Beinen!
WAGNER
Ich weiß, dass du der Teufel Namen kennst,
Doch dies ist eine Hündin, kein Gespenst.
FAUST
Ach, leider, ja, ganz hündische Natur,
Kein Geist! Ist alles nichts als nur Dressur!



DIE ZELLE DES WEISEN

FAUST
Verlassen habe ich den Garten,
Die liebe stille Nacht ist da.
Was Weise mir doch offenbarten,
Ich selbst mit eignen Augen sah.
Doch nehm ich jetzt die liebste Bibel,
Ist alles andre nur von Übel.
Still, Hündin, belle nicht so laut,
Frau Weisheit ist jetzt da, die Braut!
Was hat die Hündin doch für Launen!
Was hör ich doch die Winde raunen?
Ach, wem nur in der eignen Kammer
Die Lampe wieder ruhig brennt,
Dahin ist aller Elendsjammer
Der Seele, die sich selber kennt.
Still, Hündin, nicht so laut gebellt,
Ich bin im Offenbarungszelt!
Was von der lieben Bibel weht
Und sanft durch meine Seele geht
Wie Geisthauch über Chaoswellen,
Da passt mir nicht der Hündin Bellen.
Frau Welt, Frau Welt, beim Friedefürsten,
Du kannst mir stillen nicht mein Dürsten.
Steht, was mir in der Seele brennt,
Doch längst im Neuen Testament!
Will ich die Koine einmal lesen,
Studieren das geheime Wesen,
Und schaun, wie man die Griechenzunge
Verdolmetscht deutsch. Mein lieber Junge!
Des Evangeliums Ergötzen
Ist schwer in Deutsch zu übersetzen.

(Er schlägt den Urtext der Bibel auf.)

Im Anbeginne war das Wort,
Das Wort war Gottheit fort und fort.
Das Wort? Das kann ich nicht verstehn.
Das Wort? Das finde ich nicht schön.
Ah, bei der Inbrunst meiner Brunft:
Am Anfang war die Allvernunft!
Doch denke nach. Nur keine Eile.
Gut Ding will haben lange Weile.
Ist das Vernunft, die alles schafft?
Am Anfang war die Lebens-Kraft!
Doch kann ich dieses Wort nicht lieben:
Private Gründe. Drum geschrieben
Sei diese Weisheit als ein Fakt:
Am Anbeginne stand der Akt!

(Er lächelt.)

Ha, biblizistische Gesellen!
He, Hündin, lass dein lautes Bellen!
Halt deine Schnauze, Hündin, still,
Ich dir den Hintern prügeln will!
Was seh ich da im Lampenscheine?
Was, Hündin, bist denn du für eine?
Aus dieser Hündin schwarzem Vliese
Aufsteigt ein roter Geistesriese!
Das ist nicht hündische Gestalt,
Das ist dämonische Gewalt!
Jetzt ist er größer als ein Ochse!
Der Dämon da, der orthodoxe,
Er spiegelt sich in meinem Fenster
Als Urgespenst der Nachtgespenster!
Wer bist du, schrecklicher Geselle,
Du Junker aus der Feuerhölle?
Zur Feige ich die Finger spreiz
Und schlage mit der Hand das Kreuz!

(Aus einer Rauchwolke tritt Asmodäus hervor.)

ASMODÄUS
Was sollen diese Frömmeleien nun?
Was kann ich jetzt für meinen Meister tun?
FAUST
Das also war der schwarzen Hündin Wesen?
ASMODÄUS
Ich bin so froh wie eine Magd mit Besen!
Ich grüße meinen Meister sehr gewitzt,
Wie hab ich doch für meinen Herrn geschwitzt!
FAUST
Mir deinen eigentlichen Namen sage!
ASMODÄUS
Mein Freund, was ist denn das für eine Frage
Für einen, der das Wort so sehr verschmäht?
FAUST
Wer bist du? Sag, wohin dein Leben geht!
ASMODÄUS
Mein Name ist des Bösen Geistes Kraft,
Die Böses will, notwendig Gutes schafft.
FAUST
Der Böse auch muss dienen Gottes Segen?
Das Wort will ich im Herzen oft bewegen.
ASMODÄUS
Ich heiße Kraft, der ewige Rivale
Des Guten! In dem Namen aller Baale,
Ich will, was fließet aus des Ursprungs Schlunde,
Zu Leere werde, Nichts und geh zugrunde!
Was ist, wär besser, wenn es gar nicht wäre!
Ich liebe nur die Absolute Leere!
Und was ihr Unzucht nennt, Begierde, Sünde,
Das ist die Höchste Lust, die ich verkünde,
Wonach die Seelen insgeheim doch jagen,
Ich weiß, auch du! Wir werden uns vertragen.
Um deine Doktorgrillen wegzufegen,
Komm ich als Hausknecht dir doch ganz gelegen.
Ich komm zu dir in allerfeinstem Mantel,
Komm, weltlich sei gesinnt dein Erdenwandel!

(Er kokettiert mit seinem teuren Mantel.)

O Stoff, wie Spitzenseide von Brabant!
Bin ich gekleidet nicht sehr elegant?
Die Hahnenfeder sieh am Hute stehen,
Der Degen an der Hüfte ist zu sehen.
Herr Doktor, willst du froh dein Leben treiben,
So musst du dich bekleiden und beleiben.
FAUST
Ich kann aus dieses Tränentals Verließ
Mich nicht erlösen durch ein Goldnes Vlies.
Ich bin zu alt zu frohem Kinderspiel,
Zu jung und heiß, zu opfern mein Gefühl!
ASMODÄUS
Ach, was du Mystik nennst, ist Unzucht auch,
Du schmachtest brünstig nach der Gottheit Hauch,
Daß Elohim dem Adam in die Nase
Das Ewig-Leben in der Fülle blase!
Tu unter schönen Weibern nicht so keusch,
Der liebe Gott weiß wohl, du bist vom Fleisch!
Ich spaße! Will ich aus der Mystik Nebel
Dich jagen nicht zum ordinären Pöbel,
Dein Feuer will ich zünden, altes Haus,
Die Lust am Leben, alter Bruder Klaus,
Nicht so in deiner hohlen Zelle lunger
Um alte Pergamente. Liebeshunger!
Den Liebeshunger werde ich dir stillen
Und dich mit allerhöchster Wollust füllen!
Fort aus der Drangsal, Trübsal und Bedrängnis,
Geist, fliehe aus dem Kerker und Gefängnis,
Zu Diensten stehen dir Dämonengeister
Wie einst dem weisen Salomo. Mein Meister
Und Herr bist du, o Faust, so ist es recht,
Du bist der Herr und ich bin nur der Knecht.
FAUST
Was willst du denn von mir für all dein Werben?
ASMODÄUS
Ach Doktor, heute sollst du noch nicht sterben.
FAUST
Ach, Luzifer, der ist ein Egomane,
Tut ohne Geld doch gar nichts der Schamane,
Du dienst mir, du, ein Fürst im Höllenthron,
So sag nur offen: Was soll sein dein Lohn?
ASMODÄUS
Die Erde mach ich dir zum Garten Eden,
Im Jenseits sollst du Luzifer anbeten.
FAUST
Was kümmert mich die geistige Verbindung
Mit Jenseitsgeistern? Jenseits ist Erfindung
Der klerikalen Reaktion: Erlösten
Sie malen Himmelslust, sie zu vertrösten.
Mein Motto sei ein Carpe diem tüchtig,
Bis ich im Hades Schatten werde flüchtig.
Und schaffst du es, den Kopf mir zu verdrehen,
Kann ich der Lebenslust nicht widerstehen,
Soll zum Genießer ich der Erde werden,
Daß ich nicht lassen will die Lust auf Erden,
Daß ich mir selbst gefalle, mir gefällt
Die Lady Vanity der schönen Welt,
Daß ich mich kann an Vanitas erlaben,
Dann sollst du jenseits meine Seele haben.
ASMODÄUS
Die Weihe gilt, geschlossen ist der Pakt.
FAUST
Sag ich, mit Lady Vanitas im Akt,
Daß diese Welt auf Erden mir gefalle,
Ich alsogleich in die Gehenna walle.
ASMODÄUS
Ich steh zu Diensten! Doch ich bin durchtrieben,
Erst werde dieses Schriftstück unterschrieben.
FAUST
Ein Mann – ein Wort! Ich hab mein Wort gegeben.
ASMODÄUS
Der Satan ist ein Bürokrat im Leben,
Und amtlich muss es sein mit Brief und Siegel,
Sonst öffnet Hedoné nicht ihren Riegel!
FAUST
Ich tauch die Feder in das Tintenfass!
Das Himmelreich für Lady Vanitas!
Das ist ein Schnäppchen. Ha, ich fühl mich gut.
ASMODÄUS
Nicht Tinte, pfui! Du unterschreibst mit Blut!
In deinem Blut ist deine Lebens-Kraft,
Die Lebens-Kraft von ganz besondrem Saft!

(Johann Faust unterschreibt bürokratisch den Pakt.)

FAUST
Ich werde meinen Treuebund nicht brechen,
Ich halt der Hölle treulich mein Versprechen.
ASMODÄUS
Nun Schluss mit den gelehrten Spinnereien,
Der Mystik Unzucht mit den Innereien!
Das allerschönste Leben wartet draußen,
Komm, Reiter, lass uns auf den Hengsten brausen!
Ja, wiehern wie die Hengste nach den Stuten!
Da warten sie im Grünen schon, die Guten!
Ein Mann, der sich ergibt der Theorie,
Ist wie ein Hengst in einer Wüste, sieh,
Ob er auch schnaubend Atem schnaube, blase,
Vergeblich wiehert er in trockner Wüste,
In Nachbarschaft, da wartet die Oase,
Daß er der Stute feuchte Schnauze küsste!
FAUST
Was tun wir jetzt, du Teufel voller Kraft?
ASMODÄUS
Besuchen wir des Lebens Nachbarschaft!


IN DER SCHENKE ZUM JUNGEN FUCHS

(Jugendliche Säufer.)

VOLKER
Wollt ihr nicht saufen? Noch einen Kurzen!
Die Böcke stinken, die Hexen furzen!
Ihr seid mir heute wie nasses Heu!
Ihr wollt nicht brennen! Evoe! Eu!
WERNER
Erzähle doch einen versauten Witz:
Die Ehefrau erschlug der Blitz...
VOLKER
(schüttet dem Werner Wein auf den Kopf)
Empfange so deine Feuertaufe!
WERNER
Du Schweinehund! Saufe, Genosse, saufe!
VOLKER
Na, endlich feierst du deine Genossen!
Wir haben doch all alle Weiber genossen!
THOMAS
Ich hab den Jungfraunberg bestiegen!
SONJA
Ich lache, dass sich die Balken biegen!
VOLKER
Lirum-Larum-Löffelstiel,
Wer nicht trinkt, der wird nicht viel.
THOMAS
Der Träumer aber, der gar nichts wird,
Wird eben freizügiger Thekenwirt.
VOLKER
Freizügiger oder Freigebiger? Hatem,
Ich lob mir betrunken die Jubelflöte!
THOMAS
Deutschland, einig Vaterland!
Ihr bringt mich noch um den Verstand!
WERNER
Nichts von Politik! Bei Beelzebul:
Wie findet ihr den Neuen in Peters Stuhl?
VOLKER
Was reimt sich denn auf Benedikt?
THOMAS
Der Papst, der Papst, von Maria ge—schickt!
ERICH
(singt)
Ich hatte eine Geliebte, Anette,
Die war wie eine Zigarette,
Die ich jetzt liebe, mit Venus-Augen,
Ist wie an der Meerschaumpfeife zu saugen!

(Johann Faust und Asmodäus erscheinen in der Tür.)

ASMODÄUS
Faust, wenn dir so was Wonne macht,
Das kannst du haben jede Nacht.
FAUST
Moin, Brüder, Freunde und Genossen!
ALLE
Die Theke ist noch nicht geschlossen!
Komm nur herein, bei Babels Leben,
Uns allen einen auszugeben!
THOMAS
Was für nichtswürdige Figuren!
Sie kommen wohl vom Haus der Huren?
VOLKER
Sie halten sich für Geniusse
Von Gnaden Ihro Musenkusse!
WERNER
Ne, ne, das sind nur Harlekine.
SONJA
Und wo ist denn die Colombine?
VOLKER
Ich zieh es ihnen aus der Nase,
Woher der Sturm die Herren blase.

(Volker tritt zu Faust und Asmodäus.)

Kamst du von Hamburg lange Strecken?
FAUST
Wie, Hamburg? Von den Pfeffersäcken?
Gott Brahma reitet auf dem Hansa,
Auf seinem Esel Sancho Pansa.
VOLKER
Seid ihr denn von der Heilsarmee
Und reitet brünstig, wie ich seh,
Fielt auch wie Saulus von dem Gaul
Und missioniert jetzt in Sankt Paul,
Wo Huren frieren in dem Winter,
Wie Paul die Huren der Korinther?
FAUST
Apostelfürsten Paul und Kefa!
Wir alle kommen doch von Eva!
THOMAS
Hat Gott den Adamas geschaffen?
Sprich! Oder stamm ich ab vom Affen?
FAUST
Der Affe kennt sich seinen Trost.
WERNER
Nastrowje, lieben Brüder, Prost!

(Faust und Asmodäus setzen sich, alle trinken.)

VOLKER
Nun sollst du uns ein Ständchen bringen.
FAUST
Ich kann doch nicht nach Noten singen.
ASMODÄUS
Ich kann! Ich kann! Ich kann es immer!
Nur kein elegisches Gewimmer!
(singt)
Ich komme aus Arabiens Wüste,
Ich habe Nachtigallenbrüste,
Dort sang ich allen den Suleiken
Von süßen Paradiesesfeigen!
THOMAS
Ha, Bruder, das wird ein Genuss!
SONYA
Hier – hast du deinen Musenkuss!

(Sonja küsst Asmodäus auf die Nase.)

ASMODÄUS
(singt)
Es war eine Hure in Korinth,
Wo allerlieblichste Huren sind.
Man nannte die Hure Jungfrau Floh,
Sie knackte die Flöhe auf dem Klo!
Die Flöhe juckten in meiner Scham!
So juckt es der Huren Bräutigam!
THOMAS
Der reine Wahnsinn! Sing doch weiter!
Ich steig noch auf die Himmelsleiter,
Die ganze Arche auszumessen!
ASMODÄUS
Wie’s weiter geht, hab ich vergessen.
VOLKER
Vergessen! Bestes der Gebete!
Ich saufe leer die ganze Lethe!
FAUST
Genossen, Freunde, lieben Brüder!
Trinkt ihr denn Essig immer wieder?
Den Messwein habt ihr wohl vergessen?
Trinkt Satansblut in Schwarzen Messen?
WERNER
Er scherzt, uns einen auszugeben!
THOMAS
Er lebe hoch! Hoch soll er leben!
SONJA
Ich trinke Wodka nackt im Schnee,
Ich mag nicht Hagebuttentee!
THOMAS
Weinrosentee von Hagebutten,
Sankt Pauli trinkt es mit den Nutten.
FAUST
Bei meiner Herrin Vanitas,
Die rund ist wie ein dickes Fass,
Ich ziehe jetzt den dicken Pfropfen,
Euch allen euer Maul zu stopfen!
WERNER
Ja, darf ich noch? Kann ich noch stehen?
Ich sehe alles rings sich drehen!
Ich sehe alle Dinge doppelt,
Dort schon die Mausfamilie hoppelt!
Doch nicht geklagt die süßen Schwächen,
Denn Männer können immer – zechen!
FAUST
Gebt einen Korkenzieher! Schaut,
So bohr ich euch die rote Braut,
Mit Feuer euren Geist zu taufen!
Was, lieben Brüder, wollt ihr saufen?
THOMAS
Nacktärscherl diese gute Stunde!
Denn soff ich einst bei Kunigunde.

(Faust bohrt mit dem Korkenzieher in den Thekentresen, und weißer Nacktärscherl-Süßwein fließt hervor.)

FAUST
Nacktärscherl ist für dich. Und was willst du?
WERNER
Der Dompfaff raubt mir meine Ruh!
Der Dompfaff mahnt mir mein Gewissen,
Das ist das beste Ruhekissen!

(Faust bohrt ihm den Dompfaff an.)

FAUST
Das ist der Dompfaff. Aber nun?
VOLKER
Liebfrauenmilch! Dann kann ich ruhn!
Liebfrauenmilch ist meine Lust
Von Unsrer Lieben Frauen Brust!
FAUST
Liebfrauenmilch! Und du, dein Traum?
SONJA
Rotkäppchensekt mit rosa Schaum!
Rotkäppchen lieb ich, Schaum des Sekts,
So bet ich täglich meine Sext.
FAUST
Der letzte nun? Sprich, bei Don Bosco!
ERICH
Den süßen Perlenwein Lambrusco!

(Alle saufen ihren Lieblingsfusel.)

THOMAS
So große Gnade, ohne Zweifel,
Das kann nur kommen von dem Teufel.
ERICH
Ja, Wein, das war sein letztes Wort,
Dann trugen ihn die Teufel fort.
ALLE
(singen)
Wir kommen alle in die Hölle!
Ah Hölle, Hölle, Hölle, Hölle!
ERICH
He, Sonja! Deine Brüste – Trauben!
An solche Trauben will ich glauben!
Ich bin der Weinstock, du die Rebe,
Nur immer innig an mir klebe!
VOLKER
He, tut doch nicht so aufgeblasen!
Fasst euch doch an die eignen Nasen!
SONJA
Ich hab euch lang genug erlitten!
Die Nasen werden abgeschnitten!
ERICH
Die Nase lass ich mir nicht rauben!
Die Nase steck ich in die Trauben!
SONJA
Wir alle miteinander machen
Der Freien Liebe schönste Sachen!

(Asmodäus wirft Feuer in die Schenke zum Jungen Fuchs.)

FAUST
Genossen! Heil der Mitternacht!

(Faust und Asmodäus ab.)

ERICH
Ich schaute sie die Himmelsleiter
Gen Himmel reiten, Schimmelreiter!
SONJA
Ich sah die beiden als Vampir!
VOLKER
Genossen! Vorwärts! Weg von hier!



NACHDURST-GASSE

(Faust. Röschen geht nah an ihm vorüber, er spürt ihre Nähe.)

FAUST
O liebe süße Frau, darf ich es wagen,
Als Kavalier der Frau mich anzutragen?
RÖSCHEN
Bin keine Göttin und kein Überweib
Und auch nicht schön, ach, sterblich ist mein Leib.

(Sie geht weiter.)

FAUST
Ich suchte ja nur süßen Zeitvertreib.
Ach, die ist doch ein wahres Wonne-Weib!
Wie fein ironisch! Grimmig, dennoch gütig!
Wie wär sie denn erst, wär sie liebeswütig?
In meinem Leben sah ich nie solch Schätzchen
Wie diese Muschi, dieses schwarze Kätzchen!
O Sanftmut, Demut! Niedliche und Nette!
Ach läg ich mal bei ihr in ihrem Bette!

(Asmodäus kommt.)

ASMODÄUS
Mein Herr, wie kann ich heut dir dienen?
FAUST
Oh, jene Miene aller Mienen:
Dies Weibchen sollst du mir besorgen!
Ach wär ich doch in ihrem Schoß geborgen!
ASMODÄUS
Du hast kein anderes Problem?
Von wem denn redest du, von wem?
FAUST
Sie ist mir eben erst erschienen!
Ihr möchte ich in Liebe dienen!
Besuchen will ich sie heut abend!
Wie ist mir der Gedanke labend!
ASMODÄUS
Ach die! Kommt eben von der Beichte,
Doch ihre Schuld war keine feuchte,
Die Sünde lässlich, lästig, lässig,
Sie war fürwahr nicht übermäßig,
Es ist ein sanftes Ruhekissen
Ihr feingesponnenes Gewissen.
Ja, diese Röschen ist ein Engel,
Ein Sternenwesen ohne Mängel,
Mit ihren grünen Mandelaugen
Kann sie zur Himmelsvenus taugen!
Hat nichts Besonderes zu beichten,
Dämonen all von ihr entweichten.
Geläutert ihr Gewissen, hold,
Der Engel ist so rein wie Gold.
FAUST
Doch will ich ihren Jungfernkranz!
ASMODÄUS
Du bist ein geiler Eselsschwanz!
Willst alle Jungfraun deflorieren,
Womit sie ihre Zierrat zieren?
FAUST
Verschone mich mit deiner Ethik!
Vom Eros stammt doch die Poetik!
Gehorche! Mir besorg das Weib,
Den Engel in der Venus Leib!
Die schwarze Muschi, sie mein Schätzchen,
Dies samtne schwarze Schmusekätzchen!
Wenn ich sie heute Nacht nur hätte
Zum Liebesspiel in meinem Bette!
ASMODÄUS
Nicht vierzehn Jahre sollst du warten,
Wie Jakob einst auf seine Rachel,
In vierzehn Tagen in dem Garten
Die Blume sticht der Bienenstachel!
FAUST
Nicht vierzehn Tage! Ich will lieben
Die liebste Frau in sechs, in sieben!
Hätt ich nur sieben Tage Zeit,
Da fänd ich schon Gelegenheit,
Sie zu verführen, ohne Zweifel,
Dafür ich brauche nicht den Teufel.
ASMODÄUS
Wir gehn mal eben in ihr Zimmer.
FAUST
Ihr Bett zu sehn im Lampenschimmer?
ASMODÄUS
Ja, eben leert die Kaffee-Kanne
Sie bei der Busenfreundin Anne.
Jetzt eben wär Gelegenheit,
So einen Hauch von Ewigkeit
An ihrem leeren Bett zu riechen,
Auch unters Laken schnell zu kriechen
Und dann mit heißen schwülen Küssen
Sich zu ergießen in dem Kissen!
Das wird noch was mit euch, ihr Lieben,
Die ihr es schon im Geist getrieben!
FAUST
Geht es an diesen Himmelsort
Jetzt, auf der Stelle, gleich, sofort?
ASMODÄUS
Den Hengst, den zügle mit Geduld,
Bald schenkt die Frau dir ihre Huld.
FAUST
Oh, bei dem Gürtel ihre Taille!
Kauf eine silberne Medaille
Mit ihrer Schutzpatronin drauf
Und Rosenöl und Seide kauf!
ASMODÄIS
Was die erhitzten Freier denken!
Von all den brünstigen Geschenken
Macht selbst der Mammonas bankrott!
Das liebe Geld! Mein lieber Gott!



ABENDDÄMMERUNG. RÖSCHENS SCHLAFZIMMER.

RÖSCHEN
(vor dem Spiegel ihre Haare frisierend)

Wenn ich nur wüsste, wer der Mann heut war.
Sein Wort war glühend, Liebe offenbar!
Wohl nicht von schlechten Eltern, wohlerzogen,
Die Augenbrauen fast wie Amors Bogen,
In seinem Angesicht erhabner Geist!
Ich fand ihn aber übermäßig dreist!

(Sie geht aus dem Haus. – Faust und Asmodäus schleichen sich ein.)

ASMODÄUS
Komm, heimlich in ihr Schlafgemach!
FAUST
O Brautgemach des Himmels! Ach!
Geh, Dämon, lass mich hier allein!
ASMODÖUS
Wie fein ist alles hier! Fein, fein!

(Asmodäus ab.)

FAUST
Ja, brenne, nackte Lampenbirne,
Ein Feuer lodert mir im Hirne,
Ein Schmerz ist in mein Herz gefallen!
Was soll das Stottern, Stammeln, Lallen?
Ihr Atem! Ein Gefühl von Ruhe!
Vorm Bette hier die schwarzen Schuhe!
Bescheidenheit ist ihr beschieden,
Hier ist man doch sogleich zufrieden.
Ach, ach, und dieses Bettes Fläche!
Da überkommt mich eine Schwäche!
Wie zuckt es mir in meiner Hand!
Ach, ich verliere den Verstand!

(Asmodäus ist plötzlich wieder da.)

ASMODÄUS
Verlasse jetzt dies Himmelsglück,
Das süße Weibchen kommt zurück.

(Asmodäus reicht dem Faust eine Handvoll Schmuck. Faust verstreut den Schmuck auf Röschens Bett.)

FAUST
Soll ich den ganzen Schmuck ihr weihen?
ASMODÄUS
Willst du sie nun als Freier freien?
Ich habe alles das besorgt,
Hab mehr gestohlen als geborgt.
Mit diesem Glitzer-Glitter-Haufen
Kannst du Prinzessinnen dir kaufen.
Die Zeit geht flöten! Rasch gesputet!
Was hast du mir nicht zugemutet?
Die Arme wirst du wohl erringen
Mit diesen goldnen Silberdingen,
Mit diesen Muscheln, diesen Perlen!
Als sprächest du mit deinen Kerlen
Im Hörsaal physisch-metaphysisch,
So stehst du da, du Freier mystisch!
Ich hör der Pforte Flügel, rums!
Nur Fidibums, nur Fidibums!

(Beide ab. Röschen erscheint wieder.)

RÖSCHEN
Hier ist es feucht und dampfend-schwül!
Zwar draußen ist es klar und kühl,
Doch in dem Innern ist mir bange
Als schlich sich durch mich eine Schlange.
Wär Mütterchen Elfriede nur
Zurück, die Seele der Natur!
Ein Schauer zückt mir durch den Leib!
Ach, sterblich bin ich schwaches Weib!

(Indem sie sich auszieht – singt sie ein Lied)

Der König von Thule – sein Leben,
Das war ein breiter Becher,
Den ihm seine Freundin gegeben,
Dem ewig betrunkenen Zecher!

Er nahm es als Testamente
Und hat allnächtlich gesoffen
Bis an sein seliges Ende
In Glauben und Lieben und Hoffen!

Und als es ging an ein fröhliches Sterben,
Das Testament verfasste der Zecher,
Vermachte alles den gierigen Erben,
Doch nicht der Geliebten Becher!

Am Abend die Brüder ihn grüßen,
Schneeflöckchen-Weißröckchen auf allen Bäumen,
Das letzte Abendmahl zu genießen,
Die Meerflut stöhnte mit spritzenden Schäumen!

Der König erhob sich, der wankende Zecher,
Betrunken vom Himmel zu träumen,
Mit der Hand er schleuderte lachend den Becher,
Versenkte ihn ins feuchte Schäumen!

Die Nixen den Becher entgegennahmen,
Der Todesengel kam schüchtern,
Der König stöhnte: Ja und Amen –
Und starb! Da war er zum ersten Mal nüchtern!

(Jetzt erblickt sie ihr durchwühltes Bett und den Schmuck darauf.)

Wie kommt der Schmuck denn auf die Decke?
Da seh ich perlenvolle Säcke!
Die Engel flüstern, Engel tuscheln,
Da, Venusmuscheln, Pilgermuscheln,
Ein Armband, eine Perlenkette,
Verstreute Perlen auf dem Bette,
Ein Liebreizgürtel für die Taille,
Dort eine heilige Medaille,
Wie schön ist alles anzublicken!
Ich will mich einmal damit schmücken!

(Röschen schmückt sich vor dem Spiegel.)

Woher sind all die Herrlichkeiten?
Wer wollt mir solchen Schatz bereiten?
Schön von Natur sind zwar die Ricken,
Doch Frauen lieben’s, sich zu schmücken!
Zwar von Natur die Augen blinken,
Doch schön, die Wimpern auch zu schminken!
Am Munde auch der Lippenstift
Ist doch kein Zahn voll Schlangengift!
Zwar, wahre Schönheit kommt von innen,
Doch Männer lieben mit den Sinnen!
Wer hässlich ist, der trägt sein Kreuz –
Die Schöne triumphiert durch Reiz!


ALLEE

(Faust in Gedanken wandelnd. Zu ihm tritt Asmodäus.)

ASMODÄIS
Der Herr verdamm mich in den Feuerpfuhl,
In heiße Höllenglut mit Beelzebul!
Für solch ein Weib ist das geringste Wort
Zu gut. Ich bin hier nicht am rechten Ort.
FAUST
Was machst du Satan deine Reverenz?
Schau nicht so trübe drein in diesem Lenz!
ASMODÄUS
Ich möchte mich dem Teufel übergeben,
Wär ich nicht selber doch der Teufel eben.
FAUST
Was ist denn? Hör doch auf, so wild zu toben!
ASMODÄUS
Da soll ich doch die Mutter Kirche loben!
Den schönen Schmuck, den Röschen ich beschaffen,
Den haben jetzt die alten faulen Pfaffen!
Denn Röschens Mutter ward mit einmal bange,
Der schöne Schmuck vielleicht käm von der Schlange?
Sie hat so eine Katholiken-Nase
Und riecht des Teufels Angstschweiß leicht. Ich spaße,
Obwohl mir nicht zum Spaß zumute ist.
Die Mutter, die das Beten nie vergisst
Und immer ausstreckt sich zum Unerreichten,
Die schickt das arme Röschen: Geh du beichten!
Und Röschen, die so fromm und die so hold,
Sie bringt dem alten Pfaffen all mein Gold,
Die Muschelperlen, all die Augenweide.
FAUST
Und auch den Unterrock von schwarzer Seide?
ASMODÄUS
Da sprach der Pfaffe: Du sollst nicht begehren –
Und unrecht Gut kann nicht auf Dauer währen,
Und wollt sie sich des Höchsten Tochter nennen,
Die schwarze Seide solle sie verbrennen!
FAUST
Verbrennen soll man alte Zauberbücher,
Jedoch nicht solch ein feines Tuch der Tücher!
ASMODÄUS
Was wissen schon von Seide diese Pfaffen?
FAUST
Du musst ein neues Tüchlein mir beschaffen!
Doch diesmal soll es haben an den Kanten
So einen feinsten Saum mit Diamanten.
ASMODÄUS
Du tust, als wenn das etwas Spielzeug wäre,
Ein kleines Kriegerpüppchen mit Gewehre,
Doch solche Seide, o beim Höllenfeuer,
Ist selbst für Satans Portemonnaie zu teuer.
FAUST
Lass ab vom Geiz! Ich scheiß auf Satanas
Und seinen alten Geizhals Mammonas!
Ich sage dir: Schaff meiner Augenweide
Umgehend schöne schwarze Spitzenseide!
ASMODÄUS
Ja, Mond und Sonne und die Sterne all
Und alle Galaxien im Weltenall,
Die hättst du als Raketen rasch verpufft
Für Röschen – Puff! Fliegt alles in die Luft!


IN DER WOHNUNG VON RÖSCHENS BUSENFREUNDIN
ANNE SCHEIDLEIN

ANNE
Erbarmen habe Gott mit meinem Mann,
Er tat mein Leben lang mir Leiden an,
Er schreitet in die große Welt hinein
Und lässt mich liegen in dem Bett allein.
Was hat ihn nur so sehr an mir betrübt?
Wie haben wir uns doch geliebt, geliebt!
Am Ende ist gar tot mein Tor, ach mein,
Ach hätte ich doch nur den Totenschein.

(Röschen kommt.)

RÖSCHEN
Ach Anne, meine Busenfreundin Anne,
Ich träum so viel von jenem seltnen Manne!
ANNE
Wie geht es dir? Wie fühlst du dich, mein Röschen?
RÖSCHEN
Schau dieses schwarze Spitzenunterhöschen,
Das Säckchen hier mit Perlen und mit Muscheln!
Was werden da die lieben Nachbarn tuscheln?
Viel schöner diese als die erste Seide,
Der schwarze Schlüpfer eine Augenweide!
ANNE
Bewahre das vor deiner Mutter Gaffen
Und lass das wissen nicht den dicken Pfaffen!
RÖSCHEN
Verstreut die Perlen all auf meinem Bette!
ANNE
Ach Evastochter, Niedliche und Nette!
RÖSCHEN
Ich darf mich leider damit in den Gassen
Und in dem Gotteshaus nicht sehen lassen!
ANNE
Komm manchmal abends her zu mir, du Fesche,
Dann trägst du diese schwarze Unterwäsche!
Wenn so dich sehen könnte jener Mann!
Da lassen wir den Gottesmann nicht ran!
So nach und nach, da wählst du eine Perle
Und schmückst dich schön, das merken wohl die Kerle,
Das Armband legst du an von Süßmeermuscheln,
Da hör ich leis die heißen Männer tuscheln,
So trittst du schön geschmückt ins Licht des Lichts,
Davon merkt deine alte Mutter nichts.

(Asmodäus tritt einfach unangemeldet durch die offene Tür in Anne Scheidleins Wohnung.)

ASMODÄUS
Verehrte Damen, lieben Frauen, Frommen,
Ich bin so dreist zu euch hereingekommen.

(Er verneigt sich tief vor Röschen.)

Frau Anne Scheidlein komm ich zu verehren.
ANNE
Wie? Das bin ich! Was ist denn dein Begehren?
ASMODÄUS
Du hast Besuch? Da möchte ich nicht stören,
Ich lass mich morgen Mittag wieder hören.
ANNE
(zu Röschen)
Hör, Schwesterchen, so wahr ich Schwester bin,
Der dort hält dich für eine Königin!
RÖSCHEN
Ich tadle selbst mich oft mit strengem Tadel.
ASMODÄUS
Du bist von göttergleichem Seelenadel!
Du hast so etwas – ach, wie sag ich’s doch?
So etwas, ach, Gewisses! Lebe hoch!

ANNE
Was führt dich her? Was möchtest du berichten?
ASMODÄUS
Das gäbe doch unendliche Geschichten.
Unnütze Worte möchte ich nicht büßen.
Ich soll von deinem toten Mann dich grüßen!
ANNE
Mein Göttergatte tot? Der Liebste tot?
Ah weh, ah weh! Ich bin in tiefer Not!
RÖSCHEN
Ach Annchen mein, was kann ich für dich tun?
ASMODÄUS
Es möge seine Arme Seele ruhn!
ANNE
Ach hätt ich das zuvor voraus gewusst,
Wie mich das schmerzen wird! Ach, all die Lust!
ASMODÄUS
Die Liebeslust verschafft ein Liebesleid,
Die Leiden suchen neue Lustigkeit!
ANNE
Oft träum ich noch von unsern Liebesspielen.
Dahin sind all die Wonnen nun, die vielen!
ASMODÄUS
Sein Grab ist in Assisi, dort sein Kranz,
Wo Vögeln einst gepredigt hatte Franz.
ANNE
Sonst nichts? Und hatte er mich nicht vergessen?
ASMODÄUS
Er bittet seine Frau um Seelenmessen,
Ihn zu befreien aus dem Fegefeuer!
Vom Gelde weiß ich nichts. Das Grab war teuer.
ANNE
Kein Angedenken? Nichts? Kein kleinstes Ding?
Nicht einmal einen schwarzen Freundschaftsring?
ASMODÄUS
Er sprach zuletzt: Daß Jesus sich erbarm,
Ich hatte meine Sünden und war arm!
RÖSCHEN
Wollt Gott, er wäre in Jerusalem!
Ich will ihm singen schön das Requiem.
ASMODÄUS
Du bist so gütig, Röschen! Deine Nähe
Beglücke einen Mann im Bett der Ehe!
RÖSCHEN
Vom Sakrament der Ehe weiß ich nichts.
ASMODÄUS
O keusche Unschuld deines Angesichts!
Soll dich der Ehemann noch nicht beglücken,
Lass gnädig oft den Hausfreund dich erblicken!
RÖSCHEN
Ein Hausfreund soll zuhause mich erblicken?
Das würde sich nicht schicken, ach, nicht schicken!
ASMODÄUS
Ob sich das schickt, sich nicht schickt, ach,
Oft steht ein Hausfreund in dem Schlafgemach.
ANNE
Erzähle! Hat er viel zum Schluß gelitten?
ASMODÄUS
Ich bin zum Sterbebette hingeschritten,
Da lag er da in seinem Exkrement,
Jedoch: Er starb mit Christi Sakrament!
Er seufzte: Soll ich werden Überwinder?
Muß ich verlassen meine Frau und Kinder?
Ich habe meine Lebenssünden über,
Barmherzigkeit von Jesus hätt ich lieber!
ANNE
Ich habe ihm auch alles schon vergeben!
ASMODÄUS
Allein, er sprach: Sie hinderte mein Streben!
ANNE
Was? Lüge! Immer reicht ich ihm die Hand!
ASMODÄUS
Kurz vor dem Tod verlor er den Verstand
Und war in seiner Todesangst von Sinnen
Und tat wie Spinnen Spinnenweben spinnen:
Wie hat sie mich so sehr doch ausgenutzt!
Ich hab den Kindern ihren Po geputzt,
Dieweil sie lag gemütlich faul im Bette!
Wenn ich ins Bette nur gedurft doch hätte!
Allein, der Herr erlöse uns vom Übel,
Ich musste schleppen ihren Abfallkübel!
ANNE
Was? Was? Hat er vergessen meine Brüste
Und wie ich ihm bereitet höchste Lüste?
ASMODÄUS
Bewahre Gott! Er dachte daran immer!
An jene Kammer, jenes kleine Zimmer,
Darin nichts stand als jenes Bett und, ach,
Und ach, wie du geliebt im Schlafgemach!
ANNE
So bleib ich in Erinnerung? Der geile
Genosse geh verlustig seinem Heile!
ASMODÄUS
Er ist gestorben, das ist offenbar.
So traure du ein ganzes Trauerjahr,
Dann schaue dich nach einem Neuen um.
ANNE
Ach, du bist dumm, du bist unglaublich dumm,
Wie jener Mann wird keiner sich mir gatten!
Vielleicht kommt er zu mir nach Art der Schatten?
Ach, denk ich an den guten Mann, den harten!
Nur, all der Wein! Und immer diese Karten!
War allzeit auch bereit, sich umzuschauen
Und nachzuschauen allen jungen Frauen!
ASMODÄUS
Du warest auch nicht von den Immertreuen
Und tatest an so manchem dich erfreuen.
Lässt nur die Frau dem Manne manchen Flirt,
Lässt er der Frau den ihren ungestört.
Bei solcher freien Liebe, will ich meinen,
Ich möcht fast selber gern mich dir vereinen.
ANNE
Du liebst mich nicht! Du denkst nur mit dem Schwanz!
Nicht Liebe willst du, nur der Lüste Kranz!
ASMODÄUS
Gefährlich ist des Wonnebusens Nähe!
Die finge selbst den Luzifer zur Ehe!

(zu Röschen)

Wie steht es denn bei dir mit einer Heirat?
Steh zur Verfügung dir mit Rat und Beirat.
RÖSCHEN
Ich weiß es nicht. Ich denke nicht an das.
ASMODÄUS
O Sankt Simplicitas! Simplicitas!
Nun muß ich scheiden, meine lieben Frauen,
Euch voller Sehnsucht ewig nachzuschauen!
ANNE
Noch eins! Kann einer seinen Tod bezeugen?
ASMODÄUS
Ich weiß, wer da geeignet ist zum Zeugen!
Ich bring ihn mit, er dient als Zeuge schlicht,
Zu zeugen vor dem höchsten Weltgericht!
ANNE
So finde ich vielleicht die Seelenruhe.
RÖSCHEN
Ich bins nicht wert, zu wichsen ihm die Schuhe!
ASMODÄUS
Du bist die schönste aller Badenixen
Und wert, dem Papst selbst seinen Schuh zu wichsen!
ANNE
Kommt beide morgen in den Rosengarten,
Wir werden wirklich willig auf euch warten!


IM ROSENGARTEN DER ANNE SCHEIDLEIN

(Röschen Seite an Seite mit Faust. Asmodäus und Anne, die Arme untergehakt. Die Paare wandeln auf und ab.)

RÖSCHEN
Ach, warum liebst du mich so sehr?
Mein Leben ist oft öd und leer!
Du konntest doch schon viele Frauen
Und schönere auf Erden schauen?
FAUST
Geheimnisvoll ein Wort von dir,
Ein süßes Lächeln, ach, ist mir
Mehr wert als Fürstin und Prinzess,
Du meine wandelnde Zypress!

(Er küsst ihr zärtlich die Hand.)

RÖSCHEN
Ach, Freund, ach, küss nicht meine Hand,
Wie oft ich schon im Hause stand
Und hielt in meiner Hand den Besen,
Zu fegen fort des Staubes Wesen.
FAUST
Nein, diese Hand ist ohne Mängel,
Mit solchen Händen segnen Engel!
RÖSCHEN
Bisher ist meiner Arbeitshand
Das Segenszeichen unbekannt.

(Sie wandeln vorüber.)

ANNE
Und du, mein Freund, bist weit gereist?
ASMODÄIS
Fand wenig Nahrung für den Geist
Auf allen meinen weiten Reisen,
Die Welt selbst ist nicht gut zu speisen.
Ach, immer weiter, weiter treiben!
Daheim ich sollte lieber bleiben.
ANNE
Das Reisen gut ist in der Jugend,
Das ist des Wandervogels Tugend.
Man denkt, die Liebe liebt das Wandern,
Sie will von einem zu dem andern.
Doch kalt wird dann dem Philosophen,
Er sehnt sich nach dem warmen Ofen,
Nach all dem lustigen Geschwärme
Ein trautes Heim wär schön voll Wärme.
ASMODÄUS
Wie einsam werd ich sein im Alter!
Im Winter geht es schlecht dem Falter!
ANNE
Drum, weitgereister weiser Mann,
Beizeiten schließ dich freundlich an.

(Sie wandeln vorüber.)

RÖSCHEN
Ach, aus den Augen, aus dem Sinn!
Jetzt deinen Augen schön ich bin,
Doch hast du ja in der Gemeinde
Noch andre allerbeste Freunde,
Die mehr verstehn von deiner Weisheit
Als ich mit meines Flüsterns Leisheit.
FAUST
Ach, was die Freunde Klugheit nennen
Und von dem großen Gott erkennen,
Ist auch nur Eitelkeit der Welt!
Gott mir in deinem Bild gefällt!
RÖSCHEN
Bin noch erleuchtet nicht vom Licht.
FAUST
Du, Demut, kennst dich selber nicht!
RÖSCHEN
Ach, denkst du auch sehr oft an mich?
Ich sprech mit Anne über dich.
FAUST
Und denkst an mich in Einsamkeit?
RÖSCHEN
Bin gern allein in stiller Zeit.
Ach, Zeit zu beten und zu fasten!
Doch Arbeit lässt mich immer hasten,
Muß kochen, fegen, Wäsche waschen,
Ist wenig Zeit, nach Wind zu haschen.
Genug des Brotes ist zuhaus,
Auch Bier geht bei uns ein und aus.
Vom Vater habe ich das Erbe,
Das Gartenhaus, in dem ich sterbe.
Mein junger Bruder ist Soldat,
Der Mutter bald das Ende naht.
Mein kleines Schwesterchen ist tot!
Ich hab mein eigen Kreuz und Not.
Der toten Schwester Zwillings-Blagen,
Die nahm ich auf, tat gern mich plagen.
FAUST
Du Engelin an diesem Ort!
Ich will dich lieben fort und fort!
RÖSCHEN
Ich hab wie eine Kuh gebuttert,
Der Schwester Zwillinge bemuttert,
In meinem Arm, auf meinem Schoß
Die Zwillingsknaben wurden groß.
FAUST
Und hast darin dein Glück gefunden?
RÖSCHEN
Ach, leider, viele schwere Stunden!
Nachts wacht ich immer an den Wiegen,
Ob sie vielleicht das Fieber kriegen,
Stets wollten sie auch was zu naschen
Und täglich musst ich Wäsche waschen,
Ihr Leid hat mir das Herz gebrochen,
Musst dennoch täglich Essen kochen
Und war aktiv von morgens an
Und nachts war schlecht der Schlummer dann,
So ging es täglich, immerzu,
Wie gerne hatt ich da die Ruh,
Und hat der Herr ein wenig Gnade,
So schenke er mir Schokolade.

(Sie wandeln vorüber.)

ANNE
Hast du noch keine Frau gefunden,
Die Wärme schenkt in stillen Stunden?
ASMODÄUS
Der Weise sagt: Der eigne Herd,
Das eigne Weib ist Perlen wert!
ANNE
Hast du nicht Lust, nicht Lust zu scherzen?
ASMODÄUS
Ich fand bei manchen offne Herzen.
ANNE
Wars einmal ernst in Herzenssachen?
ASMODÄUS
Will Frauen keinen Kummer machen.
ANNE
Mein Freund, du kannst mich nicht verstehn!
ASMODÄUS
Das tut mir leid, mein Tausendschön,
Und doch, vernimm du mein Bekenntnis,
Ich weiß: Du sprichst von der – Erkenntnis!

(Sie wandeln vorüber.)

FAUST
Hast du mich gleich erkannt, du Fromme,
So gleich ich in den Garten komme?
RÖSCHEN
Hast du erkannt nicht meine Gnaden?
Ich selber hab dich eingeladen!
FAUST
Und war mir böse nie dein Geist,
Daß ich so frech war und so dreist?
RÖSCHEN
Ich hab mich nur gefragt im Herzen:
Lud ich dich ein zu solchen Scherzen?
War da in meinem frommen Wesen
So eine Frechheit auch zu lesen?
Ich sagte mir: Ihr guten Geister,
Was will von mir der weise Meister?
Da war ich böse mir allein,
Dir mochte ich nicht böse sein.
FAUST
Ach, mehr als Zucker süße Frau!
RÖSCHEN
Lass! – Dieses Gänseblümchen schau!

(Sie pflückt einzeln die Blütenblätter des Gänseblümchens ab.)

Er liebt mich – liebt mich nicht – er liebt mich –
FAUST
Die Blume redet wahr: Er liebt dich!
Ich liebe dich von tiefstem Herzen
Und kostet es auch Todesschmerzen!
RÖSCHEN
Ein Schauer läuft mir übern Rücken!
FAUST
Du mein entsetzliches Entzücken!

(Röschen läuft eilig davon, Faust erstarrt, dann eilt er ihr hinterher.)

ANNE
Jetzt bricht herein die dunkle Nacht!
ASMODÄUS
Wir wollen gehen, sanft und sacht.
ANNE
Ach, könntest du noch etwas bleiben!
Was sollen da die Leute sagen?
Wie die es da gar heimlich treiben!
So würden sie uns doch verklagen,
Die superfrommen Nachbarsfraun
Stets spionieren durch den Zaun
Und sehn sie Schatten hinterm Fenster
In Liebe zärtlich, Nachtgespenster,
Dann reden diese Weiber dreist:
Begonnen habt ihr es im Geist
Und rein wie Ideale keusch
Und wollt vollenden es im Fleisch!
Wo aber sind denn Faust und Röschen?
ASMODÄUS
Der Schminkstift liegt im offnen Döschen.
ANNE
Ich weiß, ich weiß, er mag sie leiden!
ASMODÄUS
Und sie, die Demut selbst, bescheiden,
Sie hat ihn auch von Herzen lieb,
Wie es kein Dichter je beschrieb.
Die Liebe ist nicht auszusagen!
Nach Liebeswonnen kommen Klagen!


IM CHINESISCHEN GARTENPAVILLON

RÖSCHEN
(Sie schlüpft in den Pavillon, spioniert durchs Schlüsselloch)
Er kommt! Ich muss nicht länger harren!
FAUST
Vor Liebe werde ich zum Narren!

(Er küsst sie zärtlich auf die Wange.)

RÖSCHEN
(Seine Hüfte umfassend und ihn zärtlich auf den Hals küssend)
Wir beiden Narren Christi, sag,
Ich möcht dich haben jeden Tag!

(Es klopft jemand von draußen an die Tür.)

FAUST
Wer pocht von draußen an die Pforte?
ASMODÄUS
Nun fort von diesem trauten Horte!

(Asmodäus tritt mit Anne ein.)

ANNE
Verzeihung, wenn ich stören muss.
FAUST
Ach Röschen! Noch so einen Kuss!
RÖSCHEN
Was soll da meine Mutter sagen?
FAUST
Könnt ich der Mutter Hallo sagen.
RÖSCHEN
Nun, gute Nacht und schlaf recht süß
Und schau im Traum das Paradies!
ANNE
Wünsch guten Schlaf im warmen Bette!
FAUST
Ach Röschen, Niedliche und Nette,
Ich hab dich lieb, du bist so süß!
Adieu, Geliebte! Röschen, Tschüß!

(Faust und Asmodäus ab.)

RÖSCHEN
Du lieber Gott! Er ist so weise,
Was sucht er nur in meinem Kreise?
Ich arme Frau von schlichter Sorte,
Ich höre alle seine Worte
Und wie ich lausch den Worten, da
Will ich nur immer sagen: Ja!
Ich bin nicht weise, bin nicht schön,
Was will sein seufzendes Gestöhn?


RÖSCHENS SCHLAFZIMMER

(Sie legt Wäsche zusammen.)

Dahin ist meine Ruhe,
Wie bin ich doch von Sinnen,
Ich find nicht Ruhe draußen,
Ich find nicht Ruhe drinnen!

Ach, wenn er mich verließe,
Ah weh, das wär mein Tod,
In meinem Garten blühte
Nie mehr ein Röschen rot!

Auf ihn nur muß ich warten
An diesem trauten Orte,
Nach ihm nur schau ich sehnend
Und öffne meine Pforte.

Dahin ist meine Ruhe,
Wie bin ich doch von Sinnen,
Ich find nicht Ruhe draußen,
Ich find nicht Ruhe drinnen!

Oh seine Mannesstärke!
Sein Lächeln um den Mund!
Gefährlich, ach, gefährlich
Der Augen tiefer Grund!

Sein Wandeln, seine Worte
Und wie er sich erbarmt,
O seine Art, sein Adel
Und wie er mich umarmt!

Ich bin im tiefsten Herzen
Von ihm allein besessen!
Ich habe längst mein Leben,
Mein Ich und Selbst vergessen!

Dahin ist meine Ruhe,
Wie bin ich doch von Sinnen,
Ich find nicht Ruhe draußen,
Ich find nicht Ruhe drinnen!


IN ANNES GARTEN

(Röschen und Faust)

RÖSCHEN
O sag mir doch, o du, o mein Johannes...
FAUST
Was willst du wissen von dem Geist des Mannes?
RÖSCHEN
Wie denkst du über Gott und die Natur?
Du bist ein Weiser und Gelehrter, nur
Mir scheint, du glaubst nicht an des Heilands Blut?
FAUST
Geliebte! Dir bin ich von Herzen gut!
Ich liebe mit der Liebe in dem Blute
Das Wahre und das Schöne und das Gute,
Will keinem seine Überzeugung rauben.
RÖSCHEN
Doch muss man an den Christus Jesus glauben!
FAUST
Was redest du im Glauben denn von Müssen?
Ach, was wir müssen, das ist, uns zu küssen!
RÖSCHEN
Und ehrst du nicht der Liebe Sakrament?
FAUST
Doch! Zu der Liebe sich mein Herz bekennt!
RÖSCHEN
Doch du begehrst nicht, deine Schuld zu beichten!
Wann riefest du zuletzt zum Unerreichten,
Empfingest in der Kirche Christi Leib?
Glaubst du an Gott? Sags einem armen Weib!
FAUST
Geliebte, mancher redet wie ein Spott
Und sagt so leichthin: Ich glaub auch an Gott.
Frag doch die Priester und die Tiefgelehrten,
Frag die Gerechten und frag die Bekehrten,
Nur Phrasen dreschen sie des Biblizismus,
Auswendig lernten sie den Katechismus.
RÖSCHEN
So glaubst du nicht, wie in der Schrift zu lesen?
FAUST
Ich mag von Gottes unnennbarem Wesen
Nicht Phrasen dreschen, Theologen-Phrasen.
Der wert ist der verzückendsten Ekstasen,
Wird abgespeist mit einem Credo nur,
Herabgeleiert. Oh, die Gott-Natur,
Das Höchste Wesen, laß ich mir nicht rauben,
Muß jede Seele an den Gott doch glauben.
Die Welten all aus Gottes Busen stammen,
Die Liebe Gottes hält sie all zusammen.
Die Mutter Erde mit den breiten Brüsten
Gab Gott den Menschen zu des Lebens Lüsten.
Vom Himmel abends grüßt der Abendstern,
Früh morgens segnet uns der Morgenstern.
Die Morgenröte lässt die langen Wimpern
Fein lächelnd über lichten Augen klimpern.
Und unsere Gedanken fliegen ferne
Zu Apfelgärten auf dem Venussterne.
Und unsre Körper bleiben auf dem Boden,
Bis uns zuletzt bedecken grüne Soden.
Der Geist lebt in Vernunft und allen Sinnen
Und Seele webt von außen sich nach innen.
Erfüllt ist doch dein Herz mit Ahnung, Liebe,
Weltseele ahnst du in dem Weltgetriebe,
Die Liebe unaussprechlich lässt dich beben.
So sage: Gottheit! Oder: Ewig Leben!
Die Ew'ge Liebe in dem Seelensamen,
Die Eine Gottheit hat sehr viele Namen.
Fühlst du nicht schon des Ew'gen Lebens Wonne,
Wenn dich am Morgen segnet Gottes Sonne?
RÖSCHEN
So steht das nicht im Katechismus! Zwar
Dein liebendes Bekenntnis lieblich war,
Wenn auch des Priesters Predigt andrer Sorte,
Bekennen Gott doch gleichfalls deine Worte.
FAUST
Schau dich doch um in allen Erdenkreisen,
Wie stammeln und wie lallen nur die Weisen!
So tu ich gleichfalls wie die andern alle:
Von Gott in meiner eignen Sprache lalle!
RÖSCHEN
Doch ich empfinde leider melancholisch,
Dein Glaube ist nicht kirchlich und katholisch.
FAUST
Geliebte! Liebe ist mein Christentum
Und Zärtlichkeit mein Kirchenheiligtum!
So kirchlich-christlich bin ich auch bereit
Zur seligmachenden Liebeszärtlichkeit!
RÖSCHEN
Doch ach, so lange tut es mir schon weh,
In welcher Art Gesellschaft ich dich seh!
FAUST
Wen meinst du mit dem Wort, mein kleiner Christ?
RÖSCHEN
Den Mann, der stets an deiner Seite ist!
Ich mag ihn nicht! In meinem ganzen Leben
Hat nie ein Mensch mir solchen Stich gegeben
Ins Herz, wie diese hässliche Visage!
FAUST
Er kann nichts für die hässliche Visage.
RÖSCHEN
Ich wäre gerne allen Menschen gut,
Doch jener Kerl, der plagt mich bis aufs Blut!
Wie seine seelenlosen Augen schauen
So ohne Liebe, ach, das ist ein Grauen!
Ich halte ihn für einen Hanswurst nur!
Vergebe Gott der schlimmen Kreatur!
FAUST
Er hat so seine Macken, das ist üblich.
RÖSCHEN
Ach, lieber Mann, du aber bist so lieblich!
Mit solchem schlimmen Kerl wollt ich nicht leben,
Wollt ihm in Liebe nicht die Hände geben!
Er ist von jener allerschlimmsten Sorte,
Die allzeit haben nichts als harte Worte.
Mein Herz, bin ich bei dir, in deinem Arm,
Wie ist mir wohl, wie fühlt mein Herz sich warm!
Wenn aber er dazu tritt mit Gewalt,
Ist alles wie der Frost des Winters kalt.
So sehr verehrt und liebt dich meine Seele,
Doch jener Kerl, der schnürt mir zu die Kehle!
FAUST
(leise)
So ahnungsvoll ist diese fromme Frau!
RÖSCHEN
Und wenn ich plötzlich dann den Hanswurst schau
Mit seinen toten Augen, kalt wie Stahl,
Dann denke ich, ich sei dir ganz egal,
Und seh ich ihn an deiner Seite dann,
Frag ich mich gar, ob du ein edler Mann,
Verzeih! Und mein Gebet will mir vergehen,
Muss ich den aufgeblasnen Kraftprotz sehen.
Ach Liebster, meine Seele ganz beseelend,
Warum wird dir bei jenem Kerl nicht elend?
FAUST
Der ist dir einfach unsympathisch nur.
RÖSCHEN
Ich geh! O Mutter heilige Natur!
FAUST
Ach, dürfte ich dich einmal so umfangen
Wie in dem Morgenland die schönen Schlangen
Umschlingen einen süßen Sandelbaum
Und lieben dich – o Gott – ein schöner Traum!
RÖSCHEN
Ja, wenn ich mal allein im Bette liege –
Die Mutter wacht doch immer an der Wiege!
Wenn Mutter wüsste... ach das wär mein Tod!
FAUST
Ich weiß ein Mittel gegen diese Not:
Der Mutter gebe diesen Baldrian,
Dann wird der Schlaf auf samtnen Pfoten nahn,
Dann wird sie tiefer als die Tiefsee schlafen
Und kann uns nicht für unsre Liebe strafen.
RÖSCHEN
Und keine Nebenwirkung, welche schädlich?
FAUST
Nein, meine Medizin ist nichts als redlich.
RÖSCHEN
Geliebter! Seh ich dich – du bist mein Leben!
Ich gab schon viel – ich will dir Alles geben!

(Sie geht fort. – Asmodäus kommt hervor.)

ASMODÄUS
Die schwarze Muschi, schlich sie sich davon?
FAUST
Im Haus der Liebe wieder mal Spion?
ASMODÄUS
Sie fragte dich nach deinem Biblizismus,
Ob du gelesen auch den Katechismus?
Ja, wenn wir folgen ihrer Religion,
So dienen sonst wir auch in ihrer Fron.
Das wollen sie mit ihrem ganzen Reize,
Daß wir vor ihnen kriechen noch zu Kreuze!
FAUST
Du kannst das nicht begreifen, Finsterling!
Nichts andres möchte dieses hübsche Ding,
Als mich für alle Ewigkeit zu retten!
ASMODÄUS
Ja, lieben dich noch in den Himmelsbetten!
Du übersinnlich-sinnlicher Gefährte
Saugst an der Hoffnung Busen, die dich nährte!
FAUST
Du Arsch! Du kannst den Himmel nur verspotten,
Wo uns die Ew'ige Liebe wird vergotten!
ASMODÄUS
Sieht mich mit grünem Aug die schwarze Katze,
So stört an Satan sie die Teufelsfratze!
So schaut doch kein Genie! So schaut ein Teufel!
Und heute Nacht? Ihr liebt euch? Ohne Zweifel?
FAUST
Heut Nacht erweist mir Gnade die Madonne!
ASMODÄUS
Ha, Unzucht ist der freien Liebe Wonne!


AUF DEM MARKTPLATZ

(Röschen und Madel mit Körben voller Möhren, Rüben und Zucchini.)

MADEL
Hast du gehört schon von Susanne heute?
RÖSCHEN
Ich treffe so rein gar nicht mehr die Leute.
MADEL
Susanne ist so ganz und gar verstört,
Wie sich das für die Dirne auch gehört!
RÖSCHEN
Was wissen von Susanne denn die Kenner?
MADEL
Ist Einer nicht genug? Sie braucht zwei Männer!
RÖSCHEN
Sonst war der eine Freier schon ihr schnuppe.
MADEL
Sie tut wie eine Fee, wie eine Puppe,
Will doch die Gurke nur für ihren Topf,
Hat nichts als Kerle in dem hübschen Kopf!
Da stand der eine Mann als Ehrenmann,
Als Kavalier der andre drängte ran,
Da spritzte Schaum des Sekts, man tanzte Tanz,
Ein Hengst der Kavalier mit langem Schwanz,
Kam mit Geschenken, kam mit Schokolade,
Sie ließ ihn ansehn ihre nackte Wade,
Und als der Andre eben weggeblickt,
Hat sie den guten Kavalier gefickt!
RÖSCHEN
Darüber muss mein frommes Seelchen trauern.
MADEL
Mein Schatz, nur kein bigott-frigid Bedauern!
Uns armen Weibern ist das Leben bitter,
Denn nachts bewachen uns die alten Mütter,
Susanne aber schlich wie eine Katze
Und nahm sich, was sie wollte, von dem Schatze.
Den Kavalier, der, ach, so liebeskrank,
Den nahm sie nachts sich auf der Gartenbank!
Nun kann sie bei des Himmelreichs Eunuchen
Barmherzige Vergebung flehend suchen!
RÖSCHEN
Er sich gewiss zum Traualtare schickt.
MADEL
Zum Traualtare? Nein! Zuerst gefickt
Und dann davon gehuscht und sie verlassen!
So etwas sollten Frauen unterlassen!

(Madel ab.)

RÖSCHEN
Wie können sich empören fromme Seelen,
Wenn solche jungen Dinger sich verfehlen!
Die Pharisäer! Die scheinheil'gen Heuchler!
Mag jede Muschi den charmanten Schmeichler,
Der als ihr Kavalier sein Süßholz raspelt,
Und schon sie sich in seinem Netz verhaspelt.
Ich selbst hab auch gelästert und geflucht!
Jetzt aber ward ich selber heimgesucht,
In Sack und Asche meine Sünde büß
Und doch – ach Gott – die Sünde war so süß!


RÖSCHEN IM GEFÄNGNIS

(In einer Nische eine Statue der Gottesmutter. In einer Vase eine rote Rose davor.)

RÖSCHEN

Komm, Jungfrau, komm zu mir,
In all mein Elend hier,
Steh deiner Tochter bei in ihrer Not!
Die Schärfe eines Schwerts
Durchbohrt dein reines Herz,
Du leidest mit dem Gottessohn den Tod!
Zum Himmel auf du blickst,
Gebete weinend schickst
Zum Ewigen, die Tränen blutigrot!

Ach, ob es einer fühlt,
Wie mir das Leiden wühlt
Durch meine Seele und durch meinen Leib?
Wonach mein Herz verlangt,
Verzagt verschmachtend bangt,
Ach, davon weiß kein andres Erdenweib!

Wo immer ich auch bin,
Die Pein ist Königin!
Des Schicksals schwarzen Raben ich erblicke.
Und bin ich ganz allein,
Ich wein und wein und wein,
Mein Herz, mein Herz bricht mir in tausend Stücke!

Aus meinem Auge strömt ein Tränenregen,
Die Trauertränen meiner Herzensnot,
So will ich deine rote Rose pflegen,
Die Rose rot, wie Blut und Feuer rot!

Was kann ich Hoffnungslose jetzt noch hoffen?
Es fällt kein Licht in meine dunkle Kammer!
Allnächtlich habe ich das Auge offen
Und liege wach auf meinem Bett voll Jammer!

O Jungfrau! Steh mir bei in meiner Pein!
Vom Himmel komm herab!
Die Mutter schläft im Grab!
Ich bin allein – Maria – ich bin dein!


KAPELLE. TOTENFEIER FÜR RÖSCHENS MUTTER.

(/Alle Verwandten. Chor.)

FINSTERER ENGEL
(Hinter Röschen)
Anders war es damals, Röschen,
Als du knietest vorm Altare
Und aus dem Gesangbuch sangest,
Was du nicht verstanden hattest,
Halb naiven Kinderglauben,
Halb Gefühl vom Höhern Wesen.
Röschen! Aber was empfindest
Du jetzt in der jungen Seele?
Was willst du in der Kapelle?
Eine Seelenmesse singen
Für die Seele deiner Mutter?
Eingeschlafen ist die Mutter
Von dem Opium des Glaubens,
Das du selber ihr gespendet.
Deine Seele ist voll Sünden!
Und es regt sich unterm Herzen
Dir sogar die Frucht des Leibes,
Die du ehelos empfangen!
RÖSCHEN
Wehe, wehe, wehe, wehe!
Die Gedanken, die mich plagen,
Werde ich nicht los, mich jagen
Hin und her und ohne Ruhe
Die Gedanken meiner Sünden!
Wohin könnte ich noch fliehen?
CHOR
Vater unser in den Himmeln,
Sei dein Name uns geheiligt,
Bring dein Königreich der Himmel,
Und geschehe nur dein Wille
Wie im Himmel so auf Erden!

(Die Orgel schwillt an.)

FINSTERER ENGEL
Wehe, die Posaunen blasen,
Öffnen werden sich die Gräber
Und dein Herz wird aus dem Staube
Auferstehen von den Toten
Und vor deinen Richter treten!
RÖSCHEN
Fort, nur fort aus der Kapelle,
Dieses Orgelspiel des Himmels
Presst zusammen meine Lunge,
Weh mir, ich kann hier nicht atmen!
Diese Lieder, diese Töne,
Wollen lösen meine Zunge,
Alles möchte ich gestehen,
Aber das darf keiner wissen!
CHOR
Vater unser in den Himmeln,
Gib uns täglich unser Manna
Und befrei uns von den Schulden,
Wie wir allen selbst verzeihen.
RÖSCHEN
Wehe mir, mich packt der Wahnsinn!
Diese Kirchenchöre machen
Angst mir vor dem Weltenrichter!
Berge, fallt mir auf den Schädel,
Hügel, mir bedeckt den Körper!
Das Gewölbe der Kapelle
Mich verschließt in einem Sarge!
Luft! Die Lüfte will ich atmen!
CHOR
Vater unser in den Himmeln,
Führe uns aus der Versuchung
Und befrei uns von dem Bösen.
FINSTERER ENGEL
Ja, versteck dich vor dem Richter!
Gottes Zorn wird dich ergreifen!
Nie wird Gott sich dein erbarmen!
Luft und Licht, Natur und Himmel –
Armes Herz, du gehst verloren!
CHOR
Vater unser in den Himmeln,
Dein ist alles Reich der Himmel,
Dein sind Mächte und Gewalten,
Alle Herrlichkeit und Schönheit!
FINSTERER ENGEL
Gottes Engel dich verlassen,
Sie verschmähen deine Seele!
Gottverlassne Seele, weh dir!
CHOR
Vater unser in den Himmeln!
Ewigkeiten – Ja und Amen!
RÖSCHEN
Weihrauch! Weihrauch will ich riechen!

(Röschen fällt in Ohnmacht.)


NACHT. VOR RÖSCHENS HAUS.

(Klaus, Röschens Bruder.)

KLAUS
Wenn ich beim Gelag gesessen
Und zu trinken nicht vergessen,
Wenn dann alle Trankbetreiber
Allzeit schwatzten über Weiber,
Die vertraut mit allen Lüsten
Und auch Kochrezepte wüssten
Und auch sanft und ehrlich wären,
Dacht ich an die Frau der Ehren.
Wer die Frau der Ehren ist?
Röschen ist es, dass ihrs wisst!
Also sprach ich zu den Zechern
Bei dem Süßwein in den Bechern.
Sprach ich: Mag wohl manches Mädchen
Hübsch und niedlich sein im Städtchen,
Tauben hocken sich in Nester,
Aber hold wie meine Schwester
Ist mir keine und so heilig!
So bekannt ich allen eilig.
Meinem Röschen alle Ehre!
Und als ob sie Göttin wäre,
Hoben alle wilden Zecher
Auf mein Röschen ihre Becher.
Die da andrer Meinung waren,
Rauften sich in ihren Haaren,
Fassten sich an ihre Nasen,
Wussten nichts von Tut und Blasen!
Aber nun muss ich mich schämen!
Nach der Heiligkeit Extremen
Sie extreme Sünderin,
Hure sie! Ein Narr ich bin!
Alle heben ihre Humpen,
Lachen laut, die dummen Lumpen,
Lästern lachend: Deine Pure
Ist nur ordinäre Hure,
Deine Hure, deine Hexe,
Packt am Schwanze jede Echse!
Da kommt einer und dabei
Noch ein zweiter, es sind zwei.

(Faust und Asmodäus kommen.)

FAUST
Wie des nachts im Gottesdome
Leuchtet gleich dem Gnadenstrome
Eine Lampe mit Gefunkel,
Flackerlicht im tiefen Dunkel,
Schläft auch tiefen Schlaf der Priester,
Ists in meinem Herzen düster!
ASMODÄUS
Aber ich bin gar nicht müde,
Bin so läufig wie ein Rüde,
Der zu seiner Hündin trachtet
Und inbrünstig-brünftig schmachtet!
Will nicht wie ein Faultier gammeln,
Will wie ein Kaninchen rammeln!
Bald ist ja Walpurgisnacht,
Wo die Hexe Liebe macht,
Wo sie hebt den kurzen Rock
Für den geilen Ziegenbock!

(Er singt zur Gitarre.)

Was willst du, willst du, süßes Mädchen,
Du Buhlerin um Mitternacht?
Gib acht, gib acht, du wildes Käthchen,
Du wildes Käthchen, gib gut acht,
Er stillt dir alles dein Geschmacht!

Nehmt euch in acht, ihr jungen Dinger,
Der Buhler ist ein schlimmer Finger,
Es will ja nichts der Liebesjünger
Als euch zu schwören, euch betören,
Ihr müsstet Einmal ihn erhören!

KLAUS
Was singst du, gottverdammter Sänger,
Du Flötenbläser, Rattenfänger?
Ich erst zerschlag dir die Gitarre
Und dann den Kopf dir, alter Narre!

(Klaus zerschlägt dem Asmodäus die Gitarre. Faust und Klaus fechten. Klaus fällt, zu Tode verwundet.)

VOLK
(herbeieilend)
Da liegt der arme Bruder Klaus,
Ist mausetot wie eine Maus!
RÖSCHEN
O Gott, o Gott! O große Not!
Erbarmen, Herr Gott Zebaoth!
KLAUS
(mit letztem Atem röchelnd)
Mit Einem fängst du an zu huren
Und dann mit Allen Kreaturen!
Ja, wenn man erst ein Dutzend hätte!
Geht mit der ganzen Stadt ins Bette!
RÖSCHEN
Mein kleiner Bruder, sei mir gut!
KLAUS
Wein du nicht wegen meinem Blut!
Verscheidend sage ich dir barsch:
Du liebtest einen dummen Arsch!
Hanswurst vom alten Satans-Orden,
Der tat den Bruder Klaus ermorden!
Ich spotte aller Teufel Spott:
Ach, Röschen, ach – ich geh zu Gott!


FAUST UND ASMODÄUS

FAUST
Im Elende! Von aller Hilfe verlassen, allein im Kerker! Zu den Verbrechern gezählt, in eisernen Ketten, eingeschlossen in ein finsteres Verließ! Ach diese unschuldig-unselige Evastochter! So weit ist es schon! Und mir hast du das verheimlicht? Ja, blitze nur mit deinen eiskalten Augen, du Satansbraten! Ich kann dich leider nicht bannen! Sie, in dunkler Nacht, gefangen zwischen Spinnenweben, allein mit den Mäusen des Kerkers! Vorgeführt dem Pöbel und den ungerechten Justizräten! Du kennst den Jammer und jagst mich dennoch durch die Welt, eine flüchtige Lust zu erhaschen, sprichst kein Wort und lässt die gute Seele ohne Hilfe verlassen sein?
ASMODÄUS
Sie ist die erste nicht, die du so ruiniert hast.
FAUST
Arschloch! Der heiligste Engelsgeist möge dich bannen in die schwarze Hundegestalt, in der du dich heran geschmeichelt hast, dass du winselnd vor mir liegst und ich dich peitsche mit der ledernen Leine! Sie wär die erste nicht, die ich so ruiniert hätte? O Jammer, Jammer! Keine Menschenseele kann meinen Jammer begreifen!
ASMODÄUS
Ach du lieber Harlekin, jetzt bist du am Ende mit deinem Mönchslatein und an der Schwelle des Wahnsinns angelangt! Was gibst du denn den okkulten Dämonen erst die Hand, wenn du doch nicht treu bleiben willst? Erst willst du fliegen in ätherische Sphären und dann wird dir schwindlig! Hab ich mich angebiedert oder hast du dich angeboten?
FAUST
Du kotzt mich an! O heiligster Engelsgeist, du hast dich mir offenbart! Ach, warum muß ich gefesselt sein an diesen okkulten Dämon?
ASMODÄUS
Bist du bald fertig?
FAUST
Befreie sie aus dem Gefängnis!
ASMODÄUS
Ich habe keine Macht, sie zu befreien. Das ist nicht mein Amt, Ketten zu lösen. Befreiung? Wer hat die gute Seele denn so bekümmert, ich oder du?
FAUST
Trage mich zu ihr! Ich will sie erlösen!
ASMODÄUS
Da gibt es noch eine Blutschuld! Auf den Menschenmörder haben noch Rechte die höllischen Geister.
FAUST
Gib nicht immer andern die Schuld! An allem Übel der Welt bist du selber schuld! Bring mich rasch zu der guten Seele, gebiete ich dir!
ASMODÄUS
Sei’s drum. Aber ich habe nicht alle Macht im Himmel und auf Erden. Ich kann allerdings den Wächter einschläfern. Die gute Seele befreien, das musst du schon selber tun. Ich werde die Hengste holen.
FAUST
Auf, reiten wir rasch zu ihr!


NACHT. OFFENES FELD

(Faust und Asmodäus reiten auf schwarzen Rossen.)

FAUST
Ein Nebelschleier überm Hexenhügel!
ASMODÄUS
Die Hexen spreizen ihre Drachenflügel!
FAUST
Mit Schwänzen peitschen dort die Riesenechsen!
ASMODÄUS
Die Schwarze Messe feiern da die Hexen!
FAUST
Wer ist die Frau, die ich dort oben schau?
ASMODÄUS
Die Göttin Lilith - - - Adams erste Frau!



DER HEXENSABBATH

(Ein Gebirge, auf dem sich die Hexen zur Schwarzen Messe am Hexen-Sabbath versammeln. Bischof Theophilus und der Dämon Asmodäus.)

ASMOD#US
Willst du auf einem Besen reiten?
Ich wünschte mir in diesen Zeiten,
Zu reiten einen Ziegenbock!
THEOPHILUS
Ich wollte reiten einen Rock!
Doch jetzt genügt der Wanderstab,
Den ich in meiner Rechten hab.
Wie labyrinthisch ist der Wald
In diesen Tälern mannigfalt,
Den Felsen möchte ich besteigen,
Die Quelle mögest du mir zeigen.
Das Wandern ist des Müller Lust!
Den Frühling spür ich in der Brust,
In Spanien und auch in Germanien,
Den Frühling spüren die Kastanien
Und auch die jungen schlanken Birken.
Der Lenz beginnt in mir zu wirken!
ASMODÄUS
Ich fühle nichts von Frühlingslust,
Ich habe Frost in meiner Brust,
Nicht Lenzes süßes Liebesweh,
Ich liebe Frostigkeit und Schnee.
Wie traurig schleicht am Horizont
Die Luna hin, man nennt sie Mond,
Die Luna gibt so matten Schimmer,
Man stößt sich an den Steinen immer.
Hinan, hinan zum Felsenturm!
Die Wege der Johanniswurm
Uns zeige! Ach Johannestrieb,
Der ist den alten Weisen lieb!
He du, Johanniswürmchen da,
Du kleiner Glühwurm, komm nur nah,
Flieg uns voran den Waldeswipfel
Und zeig den Weg hinan zum Gipfel!
JOHANNISWÜRMCHEN
In Ehrfurcht meine Reverenz!
Ich führe euch durch diesen Lenz,
Traut mir als trautet ihr den Engeln,
Wo sich hinan die Pfade schlängeln.
ASMODÄUS
Den Engeln denkst du’s nachzuahmen?
So schlängle dich, in Satans Namen,
Sonst blas ich dir als wie ein Weib
Die Seele aus dem heißen Leib!
JOHANNISWÜRMCHEN
Ich merke wohl, vom Herrn und Meister
Bist einer du der bösen Geister,
Gehorchen will ich meinem Herrn!
Doch Freitag ists, beim Venusstern,
Die Hexen reiten auf dem Besen,
Die Weiber treiben toll ihr Wesen!
THEOPHILUS
In Träume, wie sie träumen Schlangen,
In Träume sind wir eingegangen.
THEOPHILUS UND ASMODÄUS
Johanniswürmchen, durch die Träume
Führ uns durch dunkle leere Räume!
JOHANNISWÜRMCHEN
Wie rasch die Bäume sich verrücken,
Wie sich die Felsenspitzen bücken,
Die Gipfel mit den steilen Nasen,
Die Windsbraut saust, um scharf zu blasen!
THEOPHILUS
Auch die Quelle sprudelt nieder!
Hör ich freche Gassenlieder,
Gassenhauer voller Klage?
Lebt sie heute noch, die Sage,
Von dem Schlüssel Salomonis
Und von Venus und Adonis?
JOHANNISWÜRMCHEN
Uhu! Tödliches Geheule!
Uhu heult und Schleiereule!
THEOPHILUS
Wo wir einer mit dem andern
Durch die dunklen Wälder wandern,
Labyrinthe und Mäander,
Wie im Feuer Salamander!
ASMODÄUS
Und aus Höhle und Gehäuse
Scharenweise weiße Mäuse,
In den Büschen, wie im Schatten,
Huschen hin die fetten Ratten.
Nicht nur Ratten, nicht nur Mäuse,
Auch die Flöhe, auch die Läuse!
THEOPHILUS
Aber ob wir Menschen stehen,
Sich um uns die Welten drehen,
Oder ob wir Menschen wandern,
Stille stehen alle andern?
THEOPHILUS UND ASMODÄIS
Alles scheint um uns zu wanken,
Scheint zu taumeln, scheint zu schwanken,
Tote in den Bäumen baumeln,
Trunkne torkeln, Trunkne taumeln!
ASMODÄIS
Fasse meines Rockes Zipfel,
Schauen wir von diesem Gipfel
Zu dem alten Gott von Ammon,
Zu dem goldnen Gotte Mammon!
THEOPHILUS
Steckt das Gold doch in den Erzen,
Aber mehr noch in den Herzen,
Steckt das Gold in rauen Felsen,
Komme Feuer, Gold zu schmelzen,
Einzig wegen diesem Feuer
Ist das reine Gold uns teuer!
Nur das Purgatorium
Macht das Gold zum Heiligtum!
ASMODÄUS
Vater Mammon hat Gefallen
Hier an diesen offnen Hallen,
Mammon dünkte, Mammon däuchte,
Daß uns Mammons Glanz erleuchte!
O die Feiern, o die Feste!
Wir sind ungebetne Gäste!
THEOPHILUS
O wie scharf die Windsbraut bläht
Ihre Backen, o wie weht
Dort die Windsbraut, mich zu packen,
Hockt sich mir auf meinen Nacken!
ASMODÄUS
Hier an dieser steilen Klippe
Halte fest die alte Rippe!
Sonst wird dich die Windsbraut stürzen
Und das Leben dir verkürzen!
Graue Nebelschleier fließen
Über diese leeren Wiesen!
Wölfe in den Wäldern heulen,
Von den Bäumen schaun die Eulen!
In der Ulme hängen Fische!
Welch ein Blasen, ein Gezische,
Wie sich schlängeln die Lianen,
Wandern Schatten, sinds die Ahnen,
Eichen stürzen, Eichen splittern
In den donnernden Gewittern!
Einsam gurrt der Turteltauber!
Weiber heulen Liebeszauber!
CHOR DER HEXEN
Die Hexen ziehn zur Sabbatfeier,
Es ist doch nur die alte Leier,
Du, Eva, möchtest einen Freier,
Du, nackte Eva, fragst nicht lange,
Du packst am Schwanze gleich die Schlange!
EINE HEXE
Demeter soll uns Göttin sein,
Sie kommt auf einem Mutterschwein!
O große Göttin, Gottheit-Frau,
Wir weihen dir die alte Sau!
CHOR DER HEXEN
Viel Ferkel an der Säue Zitzen!
Wir sehen auf den Säuen sitzen
Demeter, die uns backt das Brot!
Ach, Kore tot, ach, Kore tot!
EINE HEXE
Ich will, dass alle Mütter platzen,
Ich will aus ihren Schößen kratzen
Und reißen aus dem Mutterschoß
Die Leibesfrüchte, Embryos!
DIE MAGIER
Die Frauen stets das Böse spüren,
Drum sollen uns die Frauen führen.
Wir Männer, wahre Frauenkenner,
Den Frauen folgen wir, die Männer.
CHOR DER HEXEN
Lasst nicht die Mutterkühe kalben!
Zum Fluge wollen wir uns salben!
Der Mohn mit seiner Milch ist gut,
Stechapfel schafft uns Übermut,
Tollkirsche schafft uns Todeswut,
Der Schierling schafft die innre Glut!
ASMODÄUS
Wie Besen dort an Besen klappert,
Das Weibchen mit dem Weibchen plappert,
Die Hexe furzt, die Hexe brennt,
Das ist der Weiber Element!
Theophilus, wo bist du jetzt?
THEOPHILUS
Die Hexe da hat mich verletzt!
ASMODÄUS
Gehorche, Hexe, deinem Herrn,
Ich komm vom Meister Luzifern!
THEOPHILUS
Welträtsel will ich alle lösen!
Da! Weiber in der Macht des Bösen!
ASMODÄUS
Wolfsrudel oder Hunderudel,
Die Weiber treiben dort im Strudel,
Nur fort und fort, hinan nach oben,
Zum Bösen drängts, da wird geschoben.
ALTE HEXE VOM FLOHMARKT
Wandrer, schleiche nicht so lahm
Hier vorüber, sieh den Kram,
Altes ist als Neues besser,
Siehe hier die scharfen Messer,
Menschen taten selbst sich töten,
Schaue hier die goldnen Kröten,
Schau, bereit für Gift der Becher,
Mancher Ehemann war Zecher,
Als von seinem Eheweibe
Gift ging ein zu seinem Leibe.
ASMODÄUS
Alte Weiber, breite Spalten!
Alte, weg mit deinem Alten!
An den Engen, an den Neuen
Kann ein Mann sich nur erfreuen!
THEOPHILUS
Bist du nun ein Dämon, Herr,
Oder nur ein Magier?

(Sie sind auf dem Gipfel angekommen.)

STIMMENGEWIRR
Ja, er kommt, der Satan kommt,
Wie es alten Hexen frommt!
Also freut es Hexenmeister,
Kommt der Herr der bösen Geister!

(Hörner werden geblasen. Qualm. Gestank. Satan erscheint auf dem Gipfel. Die Hexen frohlocken.)

SATANSNOVIZE
Satan, der du Meister bist,
Dir allein will ich gefallen,
Zwar ich bin ein Kommunist,
Doch ich küsse dir die Krallen!
ZEREMONIENMEISTER
Sollst nicht nur die Krallen küssen,
Wirst dich tiefer bücken müssen!
NOVIZE
Was verlangt das Ritual?
ZEREMONIENMEISTER
Wenn du ehren willst den Baal,
Musst du tiefer noch dich bücken,
Tiefer noch, bis untern Rücken,
Bis zu Satan leckst den Arsch!
Hexenmeister reden barsch.
NOVIZE
Komme über mich der Zorn!
Doch ich küss ihn auch von vorn!

(Der Satan, der dem Novizen erst den Arsch gezeigt hat, wendet sich um und dreht ihm seinen starrenden Phallus zu.)

Daß ich Satans rote Nase
Küsse, ihm den Phallus blase!
Aber was begehr ich noch
Als in Satans schwarzes Loch,
Mag es noch so übel riechen,
Satan in den Arsch zu kriechen!

(Stille. Plötzlich kreischen alle alten Hexen laut auf vor Entzücken.)

Was will Satan weiter noch?
Will ich doch ins schwarze Loch!
SATAN
Satans Knecht, du bist erprobt,
Wer so gut wie du gelobt
Satans Arschloch, ohne Heucheln,
Dem wird Satan ewig schmeicheln.

(Mitternacht. Satan setzt sich auf seinen Thron.)

Hier in meinem Weltgericht
Böcke mir zur Rechten dicht,
Sollen sich die Böcke schmiegen
An die Zicken, an die Ziegen,
Jede Zicke sage Dank,
Dankt dem Bock den Bocksgestank!
HEXEN
Fallet nieder in den Staub!
Kommt der Dieb doch jetzt zum Raub!
Dürfen wir in unsern Sünden
Satans Tiefen doch ergründen!
SATAN
Seien euch zwei Dinge hold,
Ehrt zumeist das gelbe Gold,
Der Vergänglichkeit zum Trotze,
Ehrt des Weibes feuchte Fotze!
MAGIER
Dürfen wir in unsern Sünden
Gottes Tiefen doch ergründen!
SATAN
Seien euch zwei Dinge hold,
Ehrt zumeist das gelbe Gold,
Dann zum Becken eurer Tänze
Wie die Schlangen ehrt die Schwänze!
HEXEN
Satan, schenke uns Ekstasen,
Wenn wir Männerschwänze blasen!
EINE HEXE
Ah, auch ich in meinen Sünden
Gottes Tiefe darf ergründen!
ASMODÄUS
(zu einem sechzehnjährigen Mädchen)
Was denn fürchtest du, mein Kind?
Warum zagst du? Sags geschwind!
MÄDCHEN
Ach der große Herr und Meister
Und der Gott der freien Geister
Sprach von Fotzen und von Schwänzen,
Das verletzt der Sitte Grenzen!
ASMODÄUS
Junges Mädchen, hübsche Nichte,
Auf die Wollust nicht verzichte,
Greife nach erhitztem Tanz
Deinem Onkel an den Schwanz!
SATAN
Ihr hübschen Mädchen, schönen Frauen,
Wie lasst ihr gerne euch versauen!
Tags Putzfrau auf des Herren Spuren,
Doch Nachts die allergeilsten Huren,
So preisen euch die Frauenkenner,
Die meine Knechte sind, die Männer.

(Orgie. Die Sauforgie geht rasend über in eine Sexorgie.)

THEOPHILUS
Daß ich mich nicht selbst vergesse
Bei der schwarzen Satansmesse!
ASMODÄUS
Komm nur her zum breiten Becher,
Sind wir doch die besten Zecher,
Frauen, Geister im Gehirne,
Frauen, nackt wie eine Dirne,
Schönste Frauen aus dem Städtchen,
Doch am allerliebsten Mädchen!
Wollen wir doch nicht verzichten
Auf die kaum verhüllten Nichten!
THEOPHILUS
Aber wer ist jene Frau?
ASMODÄUS
Die studiere du genau!
Lilith ist des Weibes Name,
Sie ist Adams erste Dame.
Ihre Macht liegt in den Haaren,
In den langen schönen Haaren!
Blitze schleudern ihre Augen,
Dir den Samen auszusaugen,
Will sie in der Nacht nicht säumen,
Saugt an dir in deinen Träumen,
Von dem Samen, den du spendest,
Wenn dich ihrem Mund zuwendest,
Sie gebiert Dämonensöhne!
Lilith, Lilith, wie ich stöhne!
THEOPHILUS
Schaue dort die weiche Mutter
Mit dem Busen weiß wie Butter
Und bei ihr das junge Mädchen,
Schönste Dirne aus dem Städtchen!
Nach der Liebeskünste Regeln
Wissen beide wohl zu vögeln!
ASMODÄUS
Heute gibt es keine Ruh,
Also rasch, wir greifen zu!
THEOPHILUS
(mit dem Mädchen flirtend)
Kürzlich hatt ich einen Traum,
Schaute einen Apfelbaum,
Schöne Äpfel, bei den Göttern,
Wollte ich den Baum beklettern!
MÄDCHEN
Hör von Äpfeln immer reden,
Immer von dem Garten Eden,
Äpfel hüpfen, Äpfel nicken,
Tust du nur die Äpfel pflücken!
ASMODÄUS
(mit der Mutter flirtend)
Weichen Herzens, süße Alte,
Wie ein Baum mit breiter Spalte,
An dem Baume hing die Feige,
Doch was weiter kommt? Ich schweige.
MUTTER
Alter Esel! Aber doch
In dem Baum das breite Loch,
Breite Spalte in den Borken,
Stopfe nur hinein den Korken!

(Das junge Mädchen singt. Ihr Gesang ist wie brünstiges Liebesgestöhn, sich steigernd zu animalischer Brunft. Ihr Tanz gleicht den rhythmischen Bewegungen des Beckens beim Liebesakt – fast kopuliert sie auf öffentlicher Bühne – da reißt sich Theophilus los.)

ASMODÄUS
Was willst du dieses Weib nicht necken?
Willst du denn nicht ihr Becken lecken?
THEOPHILUS
Grad, da ich fast sie schon begatte,
Schlüpft aus dem Mund ihr eine Ratte!
ASMODÄUS
Was solls, wenn Ratten quiekend piepen!
Das Mädchen wollt sich lassen lieben!
THEOPHILUS
Ich sehe, siehe, was ich schau - -

(In der Ferne ist Ann-Marie zu sehen, die Jugendgeliebte des Theophilus. Sie ist nackt.)

ASMODÄUS
Was schaust du? Etwa eine Frau?
THEOPHILUS
Siehst du die nackte Frau dort? Sie
Ist meine Liebe, Ann-Marie!
ASMODÄUS
Du leidest Halluzinationen
Und hältst die Träume für Visionen.
Die Frau dort ist nur ein Phantom,
Ein Schatte nur vom Lethe-Strom.
THEOPHILUS
Nein, das ist meiner Jugend Muse!
ASMODÄUS
Du lasest wohl von der Meduse!
THEOPHILUS
Ich seh die Lippen, rosenrote!
Erbarmen! Ach es ist die Tote!
Das ist die Brust, die ich genoss,
Der Schoß, den ich geliebt, der Schoß!
ASMODÄUS
Nein, du verliebter Turteltauber,
Das ist Magie nur, das ist Zauber,
Wie du sie siehst, die nackte Schöne,
So Paris sah einst die Helene.
THEOPHILUS
Ach welche Reue! Welche Leiden!
Ich will von dieser Frau nicht scheiden!

(Gericht. Ann-Marie steht auf dem Scheiterhaufen. Die Söhne des heiligen Dominikus und die Söhne des heiligen Franziskus begleiten sie bis zum Tode.)

DAS FROMME VOLK
Heiliger Gott! Heiliger starker Gott! Heiliger unsterblicher Gott! Wir opfern dir auf den Leib und das Blut, die Seele und die Gottheit unsres Herrn Jesus Christus, deines Sohnes, um Erbarmen zu erlangen für uns und für die ganze Welt! Herr Jesus, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle! Führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen! Ave Maria!
PATER
Du, Ann-Marie, stehst vor dem Tod,
Schrei du aus allertiefster Not
Zu Jesus Christus voll Erbarmen:
Erbarm dich, Jesus, deiner Armen!
Ich traue dir, mein Jesus Christ,
Der du allein mein Retter bist!
Ich bin ein Weib – ein schlechtes Weib –
Doch, Jesus, schenk mir deinen Leib!
O geh du ein zu meinem Munde,
Mein Gott, in meiner Todesstunde!

(Die Erscheinung verlöscht. Die tiefste Nacht bricht über Theophilus herein.)

THEOPHILUS
(allein)
Erbarme dich, Herr Jesus Christus!



IM TIEFSTEN VERLIESS

(Una Poenitentium, vormals Röschen genannt, in Ketten. Faust vor der Tür mit brennender Fackel und Schlüsselbund.)

FAUST
Es geht ein Messer durch meine Seele! Entsetzlicher Schrecken! Muß ich noch barfuß durch die Hölle pilgern? Doch sammle dich, Seele, ich will mit der Geliebten reden.
UNA POENITENTIUM
(singt)
Meine Mutter, meine Mutter,
Dieses Weib hat mich vergessen,
Ach mein Vater, ach mein Vater,
Ach der hat mich aufgefressen,
Meine Schwester streckt die Beine,
Oh wie möchte ich mich tümmeln,
Fühl mich gleich den jungen Vögeln,
Fliegen will ich in den Himmeln!
FAUST
Geliebte! Freundin!
UNA
Ist das der Engel des Todes?
FAUST
Hab keine Angst! Ich bin’s! Ich komme, dich zu befreien!
UNA
Jetzt schon? Komm doch morgen wieder!
FAUST
Lass mich nur machen.
UNA
Ich will leben, ich will leben! Ach in der Mitte meines Lebens! Ich war doch schön in meiner Jugend, nicht wahr? Ich bin nur ein armes Weib. Ach wie schön die Blumen sind, schau doch mal, die rosa Tulpe. Ach, was hab ich getan! Ich kenne dich nicht. Ich habe mein ganzes Leben lang dich nicht Einmal angeschaut!
FAUST
Sie ist verrückt.
UNA
Sieh doch mein Kind! Ach, ich muß meinem Kindchen die Brust geben! Wo ist mein Kind? Da war der Knabe doch eben noch, da war er doch eben noch! Weh mir, sie haben mir meinen Knaben weggenommen! Sie sagen, ich hätte mein eignes Kind ermordet! Am Ort der Gerechtigkeit herrscht die Ungerechtigkeit! Die Richter lügen!
FAUST
Geliebte, Geliebte!
UNA
Ich hör’s rufen: Geliebte, Geliebte! Ist Er das? In all meiner Todesangst kenn ich Seine Stimme, Er ruft: Geliebte, Geliebte!
FAUST
(hält ihre Hand)
O Freundin! Komm, Geliebte, ich bin’s! Ich bringe dich ins Leben zurück! Komm mit mir in die Freiheit!
UNA
Küss mich!
FAUST
Ich gebe dir tausend Küsse, zehntausend Küsse, aber nicht im Kerker hier, sondern dort in der Freiheit!
UNA
Küss mich! Oh du kannst küssen! Oh wie du küssen kannst! Küss mich, sonst küss ich dich!
(Sie küsst ihn.)
Küsse ich den Engel des Todes?
FAUST
Komm! Zehntausend Küsse, mehr als der Sand am Meer, aber komm, komm in die Freiheit!
UNA
Du löst die Ketten?
FAUST
Komm, komm rasch, Geliebte!
UNA
Meine Mutter ist tot, mein Kind ward mir genommen! Dein Liebling, mein Freund! Lieber Gott im Himmel! Du bist doch kein Traum? Mein Freund, gib mir deine Hand! Ach, ich werde verrückt!
FAUST
Ich sterbe vor Schmerzen!
UNA
Nein, du musst noch leben bleiben! Wer soll denn sonst mein Grab pflegen? Leg mir meinen kleinen Knaben an den Busen! Gib mir deine Hand, mein Freund, du bist mein Ehemann.
FAUST
Siehst du mich? Hörst du mich? Ich bin’s! Ich bin gekommen, dich in die Freiheit zu holen!
UNA
In die Welt? Auf keinen Fall! Ich will in die Ewige Ruh!
FAUST
Die Tür ist offen, komm!
UNA
Da warten welche...
FAUST
Freundin, Geliebte, in die Freiheit komm!
UNA
Siehst du meinen kleinen Liebling? Er weint! Rette meinen Sohn! Rette unsern Liebling! Bring ihn in Sicherheit!
FAUST
Dich will ich retten! Deine Seele!
UNA
Meine Großmutter sitzt im Sessel. Ihr Kopf ist herabgesunken. Ihr Strickzeug liegt in ihrem Schoß. Sie macht die Augen auf und lächelt mich an.
FAUST
Ich sehe die Wimpern der Morgenröte, Geliebte, Freundin!
UNA
Der Morgenstern ist aufgegangen in meinem Herzen. Das ist mein Hochzeitstag! Ach, du warst ja schon in der dunklen Nacht vor dem Hochzeitstag im Schoße deiner Geliebten, bekenn es nur! Ach, ich verlasse dich nicht. Wir werden uns wiedersehen. Die Glocke! Hörst du? Die Glocke läutet die Morgenmesse ein!

(Asmodäus tritt ein.)

ASMODÄUS
Mein Hengst wird unruhig. Mein Hengst wiehert schon brünstig.
UNA
Schick den da weg, schick den Satansbraten weg! O Mütterchen Gottesmutter! Rette mich, Mütterchen Gottesmutter! Adieu, mein Freund!
FAUST
Ich verlasse dich nicht!
UNA
Mütterchen Gottesmutter, ich lege meine Seele in deinen Schoß! Adieu, Geliebter, pass gut auf dich auf!
ASMODÄUS
Sie muß vor den Richter!

(Asmodäus verschwindet mit Faust. Una Poenitentium bleibt allein zurück.)

UNA
(verhallend)
Mein Jesus, Barmherzigkeit...........




DER TRAGÖDIE ZWEITER TEIL

ERSTER AKT

(Szene: Griechenland. Zeit: Antike.)


DIE NYMPHEN
Schwestern, beugt euch und legt eure Ohren
An den grünen Rasen des Fluss-Ufers:
Was ich höre, in die Nähe kommend,
Das ist der Klang von Hufen auf der Erde.
Wenn ich nur wüsste, wer da Nachricht
Bringen will. Schnell, in die Nacht hinein!
FAUST
Für mich scheint der Boden zu klingen
In Anlehnung an einigen schnellen Hengstes Hufe.
Dort, schaut, meine Augen!
Viel Glück ist nah.
Wird sie zu mir kommen, die Gute?
O, frage mich, sie ist ohne Parallele!
Ein Reiter trabt auf mich zu,
Begabt, glänzend mit Geist und Kraft,
Auf einem schneeweißen Pferd...
Ich kenne ihn auch, ich kann nicht falsch liegen,
Es ist der berühmte Sohn der Philyra!
Halt, Chiron! Halt! Höre meine Rede...
DER ZENTAUR CHIRON
Was denn? Wer ist da?
FAUST
Zögere einen Moment!
CHIRON
Ich habe nie Ruhe.
FAUST
Nun, nimm mich mit!
CHIRON
Steig auf! Und ich kann dir die Frage stellen:
Wo willst du hin? Es geht durch den Fluss,
Ich werde dich durch die Flut tragen, mit Vergnügen.
FAUST (steigt auf Chirons Rücken.)
Überallhin, wie du wünschst. Mein Dank gilt dir für immer.
Du, der große Mann, der edle Lehrer,
Für die Erziehung der Rasse der Helden berühmt,
Beim herrlichen Unternehmen der Argonauten Lehrer,
Und aller, die der Dichter Gedanken erbauten.
CHIRON
Alle, die an der richtigen Stelle waren!
Als Mentor wurde Pallas Athene nicht geschätzt:
Am Ende haben sie Dinge getan, sind ihren eigenen Weg gegangen,
Als wären sie nicht von mir erzogen worden.
FAUST
Den Arzt, der die Pflanzen benennen kann
Und die Wurzeln zutiefst versteht,
Der heilt die Kranken und stillt die Wunde,
Hier, stark an Körper und Geist, hab ich ihn gefunden!
CHIRON
Wenn ein Held in meiner Nähe verletzt wurde,
Ich habe das Recht zur Unterstützung und Beratung.
Aber, endlich, meine Kunst ist übergeben, wie du siehst,
An Mönche und Kräuter-sammelnde alte Weiber.
FAUST
Du hast die Fähigkeiten eines wirklich großen Mannes:
Er will sein Lob nicht hören.
Er ist bescheiden, uns zu erhöhen,
Und wird handeln, als ob alle ihm gleich wären.
CHIRON
Du scheinst geschickt in diesen Sachen,
Wie man schmeichelt dem gemeinen Volk und den Fürsten.
FAUST
Aber wenn du heute gestehen müsstest:
Ich sah den größten, aus dem Altertum,
Bereit zu den vornehmsten Taten,
Der lebte das Leben eines Halbgottes.
Unter den großen Helden,
Wer war der beste von allen?
CHIRON
Unter den Argonauten, zu meiner Zeit,
Jeder war würdig, auf seine eigene Weise.
Und von den Mächten, die sie eingeatmet,
Wussten sie genug, wenn andere gescheitert waren.
Kastor und Pollux haben immer gewonnen,
Wenn Jugend und Schönheit geehrt wurden.
Bei der Bestimmung schneller Hilfe für andere
Die Ersten waren Calais und Zetes, sein Bruder,
Nachdenklich, klug, stark, gut beraten,
Jason eroberte, des Frauenvolkes Freude.
Dann Orpheus: sanft, immer brütend,
Spielend die Leier, ziemlich erdrückend schön.
Der scharfäugige Lynkeus, Nacht und Tag,
Lenkte das heilige Schiff vorbei an Riff und Bucht.
Lass sie solchen Gefahren immer als Brüder konfrontiert werden:
Wenn man etwas erreicht, wird man von allen anderen gelobt.
FAUST
Von Herkules ist nichts zu sagen, oder?
CHIRON
Oh! Wecke nicht meine Sehnsucht!
Nie stellt man fest, wie Phöbus,
Ares oder Hermes definiert wurden,
Mit meinen eigenen Augen vor mir sah ich,
Was alle Menschen loben als göttlich!
Er war ein König geboren, nichts anderes,
Eine herrliche Jugend:
Nachgebend seinem älteren Bruder
Und der Schönsten der Frauen.
Der Gaia ist nicht ein zweiter bekannt,
Den Hebe geführt in die Himmelszone:
Vergeblich für ihn singen sie die Lieder,
Vergeblich schnitzen sie für ihn den Stein.
FAUST
Die Bildhauer haben nie seine Form eingefangen,
Doch viele Bilder haben sie gemacht.
Du hast von dem schönsten Mann gesprochen,
Jetzt sprich über das schönste Mädchen!...
CHIRON
Die!... Ich werde nicht von der Schönheit der Frau sprechen,
Es ist so oft eine gefrorene Maske:
Ich kann nur loben die Natur, wahrlich,
Frei fließend und fröhlich.
Schönheit ist sehr oft zufrieden mit sich selbst:
Grazie macht unwiderstehlich,
Wie Helene, die ich getragen habe.
FAUST
Du trugst sie?
CHIRON
Ja auf diesem Rücken trug ich sie zurück.
FAUST
Bin ich nicht ausreichend aufgeweckt?
Ein solcher Sitz! Jetzt muss er mir Glück bringen!
CHIRON
Sie packte mich an der Mähne, ja,
Wie du es tust.
FAUST
Ich bin besiegt, ah,
Komplett! Sag mir, warum war sie hier?
Sie ist mein Ein und Alles, was ich nur wünschen kann!
Du trugst sie von woher wohin?
CHIRON
Das ist leicht zu sagen, da man sich erkundigen kann.
Zu dieser Zeit befreiten die Dioskuren Kastor und Pollux
Ihre Schwester, Helene, aus einem Nest von Räubern.
Die Räuber sind kaum überwunden worden,
Da haben sie wiedergewonnen ihren Mut und jagten weiter.
Die Schwester und die Brüder eilten.
Natürlich wurden sie aufgehalten
Durch all die Sümpfe, die unter Eleusis liegen:
Die Brüder wateten: Ich schwamm schnell:
Dann sprang sie ab und streichelte sanft
Meine nasse Mähne, streichelte mich, dankte mir,
Zuversichtlich, süß und klug waren ihre Fähigkeiten.
Sie war so charmant! Jugend, die das Alter begeistert!
FAUST
Nur zehn Jahre alt?...
CHIRON
Die Philologen täuschen sich,
Ich sehe, dass du dich auch täuschst.
Es ist seltsam mit einer mythologischen Frau,
Poeten verwenden sie, um unsere Aufmerksamkeit anzuziehen,
Sie kann nie älter werden, sie ist nie alt,
In der gleichen Form gegossen verlockend,
Verführerisch, wenn jung, das Alter begeisternd:
Genug, kein Alter beschränkt die Flüge eines Dichters.
FAUST
Dann ließest du sie, als ob sie kein Alter gebunden hat!
Achilles auf Pherä fand sie einmal
Über alle Altersgruppen erhöht. Was für ein seltenes Glück:
Trotz allen Schicksals, ihre Liebe zu gewinnen!
Und soll ich von der Stärke meiner Sehnsucht reden,
Nicht zu ziehen die einzigartige Form an mich, lebendig,
Das ewige Sein, gleich dem Göttlichen,
Groß und noch zart: Von der Art, wie sie erhaben ist.
Sie sah, wie sie einmal schaute: heute habe ich zu ihr gesehen,
Die Schönste in ihrer Attraktion: so schön wie erwünscht.
Jetzt ist meine Seele und mein Wesen stark gebunden:
Wenn ich sie nicht gewinnen kann, werde ich nicht überleben.
CHIRON
Ach, Fremder! Du bist wie die Menschheit hingerissen:
Unter uns Geistern - du scheinst verrückt!
Doch jetzt ist es dein Schicksal, hier erfüllt zu werden:
Obwohl nur für einen Moment jedes Jahr
Ich mir die Zeit nehme, Manto zu rufen,
Des Äskulap Tochter: im stillen Gebet
Flehte sie zu ihrem Vater, seinen Ruhm zu vermehren,
Erleuchte, endlich, des Rückenmarkschwundes Arzt,
Und ihn zu überzeugen, nie mit dem Tode sich wieder zu beschäftigen...
Ich mag sie am liebsten von allen Sibyllen,
Frei von Grimassen, freundlich und großzügig:
Wenn du bei ihr bleiben willst, sie hat die Macht,
Dich völlig zu heilen: mit Kräutern und Wurzeln.
FAUST
Ich brauche keine Heilung: mein Geist ist mit Kraft erfüllt!
CHIRON
Verachte nicht die Heilkraft der edlen Quelle!
Wir haben die Stelle erreicht, schnell, steig ab!
FAUST
Sag mir, wo durch Kiesel Wasser läuft,
In der düsteren Nacht, wohin magst du mich gebracht haben?
CHIRON
Hier Griechenland und Rom trotzten dem Kampf,
Der Olympus auf der linken Seite, auf der rechten der Peneus,
Das größte Reich ward hier verloren im Sand:
Ein König flieht, Bürger und Land zu gewinnen.
Schau dich um! Das berühmte Tempe ist in der Nähe,
Das ewige, dort unter dem mondhellen Himmel.
MANTO (von innen, träumend.)
Hufe der Pferde tönen
Auf heiligem Boden,
Halbgötter sind uns nah.
CHIRON
Sehr richtig!
Nur die Augen öffne!
MANTO (wandelnd)
Herzlich willkommen!
Ich sehe, dass du nicht weggeblieben bist.
CHRON
Und dein Tempel ist immer noch hier.
MANTO
Du willst noch rund umher galoppieren, unermüdlich?
CHIRON
Und du, wie immer, sitzt friedlich da,
Während ich genieße das Kreisen in der Runde.
MANTO
Ich warte, und Zeit umkreist mich, die ich gefunden wurde.
Und der da?
CHIRON
Die schattenhafte Nacht
Hat ihn in unsere Augen gewirbelt.
Helene will er gewinnen,
Helene macht ihn verrückt!
Und er weiß nicht, wo oder wie er es anfangen soll:
Vor allem verdient er deine Heilung.
MANTO
Ich mag die, die unmögliche Dinge wollen.

(Chiron ist schon weit weg.)

Rasch, Mann, komm, hier ist Freude für dich!
Dieser dunkle Weg führt zu Persephone.
Unter dem Olympus
Sie hört geheime, verbotene Grüße.
Ich habe einmal Orpheus hier unten eingeschmuggelt:
Nutze deine Chance besser! Schnell! Sei achtsam!

(Sie steigen hinab.)



ZWEITER AKT

(Szene: Im Mittelmeer.)


DIE SIRENEN
Leicht jetzt und sanft zu gehen,
Rund um die Wagen klingeln die Räder,
Oft weben wir Zeile für Zeile,
Alles ist in Ordnung, rundum schlängelt es,
Nähert euch, aktive Nereiden,
Robuste Frauen, süß und wild,
Bringt die Doriden, inmitten
Galatea, die Tochter der Mutter:
Die am meisten, so wie ihre Göttin, ruht,
Würdig der Unsterblichkeit,
Doch verlockend mit ihrem Charme,
Als menschliche Weiblichkeit.
DIE DORIDEN (im Chor, auf Delphinen reitend, vorbei an Nereus.)
Leihe uns, Luna, Licht und Schatten,
Klarheit für blühende Jugend!
Bezaubernde Freunde zeigen wir hier:
Plädiere für sie bei unserem Vater.

(Zu Nereus.)

Sie sind Knaben, die wir gerettet
Von den verschlingenden Rachen und dann
In dem Schilf und Moos gebettet,
Erwärmten sie wieder zum Leben,
Jetzt mit glühenden Küssen sie
Müssen uns wirklich danken, hier und jetzt:
Schau gütig auf sie herab!
NEREUS
Hier gibt es einen zweiten Preis, finde ich, einen Schatz:
Ihr zeigt Mitgefühl, und es bringt euch Freude.
DIE DORIDEN
Vater, lobe unsre Mission,
Und sanktioniere gern unsere Anfrage,
Umfangen wir sie schnell, unsterblich,
An jeder jungen ewigen Brust!
NEREUS
Seid mit eurem stattlichen Fang glücklich,
Akzeptiert die Knaben hier, wie Männer:
Ich kann selbst nicht gewähren, was ihr bittet,
Allein Zeus möge es möglich machen.
Die Wellen, die sie hieven und schaukeln,
Lassen keinen Platz für die Liebe,
Also, wenn diese Neigung euch verlässt,
Schickt sie getrost zurück an Land.
DIE DORIDEN
Süße Knaben, so lieb sind sie zu uns,
Aber leider müssen wir uns trennen:
Wir erhofften ewige Treue,
Aber die Götter verbieten es und das Schicksal...
DIE KNABEN
Wir sind die tapferen Knaben, Seemänner,
Wenn ihr uns weiter haben möchtet,
Wir hatten es nie so gut
Und wir werden es nie besser haben.

(Galatea nähert sich auf ihrem Muschel-Wagen.)

NEREUS
Du bist mein Liebling!
GALATEA
O Vater! Meine Wonne!
Still, Delphine, ich bin von dem Anblick ergriffen.
NEREUS
Vergangenheit ist bereits Vergangenheit,
Kreisend in Kreisbewegung.
Welche Pflege für die tiefe Emotion des Herzens!
Ach, wenn sie mich mit sich nehmen würden, endlich!
Und doch gibt es hier nur einen einzigen Blick,
Etwas, das ganze Jahre dauern wird.
THALES
Heil! Heil! Erneut Heil!
Wie glücklich ich mich fühle,
Vom Schönen und Wahren durchbohrt...
Alles wurde durch den wässrigen Blick!
Alle Dinge sind durch das Wasser geworden!
Ozean, gib uns dein Reich für immer!
Wenn du nicht zu den Wolken reichtest,
Keine fließenden Bäche gäb es,
Die Flüsse würden nicht brüllen und schreien,
Die Ströme würde niemals Blasen aufwerfen,
Wo würden die Hügel schlicht und die Welt dann sein?
Die Frische des Lebens ist es, was du erhältst.
ECHO (Chor der kollektiven Kreise.)
Die Frische des Lebens fließt wieder von dir, noch einmal.
NEREUS
Treibe, drehe dich, Ort, ändere dich,
Weit weg, nicht mehr von Angesicht zu Angesicht:
In Kreisen erweitert sich die Verknüpfung,
Passend zum Fest
Die zahllosen Gesellschaften weben.
Aber den Thron der Muschel Galateas,
Ich sehe ihn klar, sehe ihn immer noch.
Er glänzt wie ein Stern
Durch die Menge,
Eine Menge, die Geliebte glänzt unter ihnen!
Obwohl nur so weit,
Schimmert sie doch hell und klar,
Immer wahr und in der Nähe.
HOMUNKULUS
In diesem reizvollen Ozean
Ich kann aufleuchten,
Hier ist alles süß und schön.
PROTEUS
In diesem lebendigen Ozean
Leuchtende Bewegung des Lichts,
Erste Ringe in Pracht sind da.
NEREUS
Im Herzen der Menge welche Rätsel
Bieten sich für unsere Augen?
Was glänzt rund um die Muschel, zu Galateas Füßen?
Jetzt erden sie stark, jetzt sanft und süß,
Als ob sie durch die Impulse der Liebe zugeführt wurden.
THALES
Homunkulus, dort von Proteus gezogen...
Das sind die Symptome der herrischen Sehnsucht,
Ich würde jetzt den Klang eines qualvollen Glockenläutens erwarten:
Er wird sich auf den glitzernden Thron setzen:
Er glitzert, er blinkt schon, er geht.
DIE SIRENEN
Welche feurigen Wunder verklären die Wellen dort,
Da einer auf einem anderen funkelt und ruht?
Es blinkt und flackert und hellt sich auf:
Die nächtlichen Spuren der Körper glänzen um uns,
Und alles, was in der Nähe mit Flammen umgeben ist:
Also preisen wir des Eros Regel jetzt: Er hat das Spiel begonnen!
Heil dem Meer! Heil den Wellen!
Eingekreist, jetzt, durch die heilige Flamme!
Heil Wasser! Heil Feuer!
Heil der seltensten süßen Lust!
ALLE IM CHOR
Heil dem sanft fließenden Kinderspiel!
Gegrüßet seist du, versteckte Höhle des Meeres!
Jetzt geehrt werden, von Ewigkeit zu Ewigkeit,
Sie, die vier Elemente!



DRITTER AKT

(Szene: Vor dem Palast des Menelaos in Sparta.)

(Helene tritt mit dem Chor der gefangenen trojanischen Frauen auf. Panthalis ist Führerin des Chores.)

HELENE
Ich, Helene, viel geschmäht und viel bewundert,
Komme von der Küste, wo vor kurzem wir landeten,
Noch mit dem gewaltsamen Schaukeln dieser Wellen benetzt,
Von der phrygischen Höhe auf hochgewölbtem Rücken,
Durch Poseidons Gnade und des Ostwinds Macht,
Die getragen uns hierher an die Küste meiner Heimat.
Dort, unter uns, neben seinen tapfersten Soldaten
König Menelaos, jetzt feiert er seine Rückkehr.
Aber du, heiße mich willkommen, du, das hohe Haus,
Das Tyndareus, mein Vater, gebaut, als er zurückgekehrt,
Schließend durch die Steigung der Pallas-Athene-Hügel:
Hier, wo mit Klytämnestra, der Schwester, ich
Und Kastor und Pollux aufwuchs und gerne gespielt hab:
Sie mehr als alle edel geschmückt, Spartas Häuser.
Von mir gegrüßt, du geehrte Doppeltür!
Einmal, Menelaos, der glänzende Bräutigam, kam
Zu mir durch dein freundliches einladendes Portal,
Ich, herausgegriffen eine unter so vielen.
Öffne mir einmal mehr, so dass ich vielleicht erfülle
Den Befehl des Königs, wahrlich, ich sollte das als eine Frau tun.
Lass mich ein! Und lass alles hinter mir gelassen werden,
Das wütete um mich bis jetzt, so voll von Untergang.
Denn da, im Lichte des Herzens, verließ ich diesen Ort,
Ich suchte den Venus-Tempel, die heilige Pflicht,
Wo stattdessen ein trojanischer Räuber mich entführte,
Viele Dinge sind geschehen, die Männer, weit und breit,
Gerne erzählen, auch wenn sie nicht so froh sind, es zu hören,
Wie die Geschichte wuchs und Mythen gesponnen wurden.
CHOR
O wunderbare Frau, nicht verachte
Die Vererbung der edelsten Häuser!
Denn das höchste Schicksal hat es dir allein gewährt,
Den Ruhm der Schönheit, die über allem thront.
Des Helden Name klingt ihm voraus,
Und er schreitet stolz:
Aber er beugt sich, der hartnäckigste der Menschen,
Vor der erobernden Schönheit, in Geist und Sinn.
HELENE
Genug davon! Ich bin hier zu meinem Mann gebracht,
Ich bin zu ihm geschickt worden, jetzt, in seine Stadt:
Aber was ist der Sinn, ich kann es kaum erraten.
Komme ich als seine Frau? Komme ich als Königin?
Oder als ein Opfer, für eines Fürsten bittere Schmerzen,
Und dass er das Unglück der Griechen lange ausgehalten?
Ich ward erobert: aber bin ich Gefangne? Ich kann es nicht sagen!
Es stimmt, die Unsterblichen ernannten Ruhm und Schicksal,
Die beiden zweideutigen, zweifelhaften Begleiter
Der Schönheit, hier zu stehen an dieser Schwelle mit mir,
Die düstere, bedrohliche Präsenz an meiner Seite.
Auch in dem hohlen Schiff mein Mann nur selten
Blickte mich an oder sprach ein ermutigend Wort.
Er saß vor mir, als ob er in bösen Gedanken wäre.
Aber kaum hatte er vor allem Schiffsbug begrüßt das Land
In dieser tiefen Bucht, die des Eurotas Mündung gemacht hat,
Als er sprach zu mir, als die Götter ihn gedrängt hatten:
"Hier meine Soldaten werden in geordneten Reihen aussteigen,
Ich werde sie aufbringen entlang des Ufers des Ozeans:
Aber du wirst gehen an dem Ufer
Des heiligen Eurotas, glänzend mit hellen Obstgärten,
Führe die Pferde, die im schimmernden Wasser weiden,
Bis deiner schönen Reise, die du machtest, ein Ende wird,
Wo Lacedämon, einst ein reich verbreitet Feld
Durch strenge Berge, wurde erschaffen.
Spaziere durch das hohe Turmhaus der Fürsten
Und beschwöre die alte Magd in der Lage
Zusammen mit den Dienerinnen, die ich zurückgelassen,
Lass sie zeigen den reichen Schatz dir,
Das, was dein Vater verließ und was ich
Hinzugefügt habe, Anhäufungen in Krieg und Frieden.
Du wirst sie alle immer noch in der vollkommenen Ordnung finden:
Es ist ein Privileg, dass es ein Fürst finden sollte,
Das alles ist Loyalität, nach der Rückkehr in sein Haus,
Alles, was er hinter sich ließ, noch an seinem Platz zu finden.
Da kein Sklave die Macht hat, eine Veränderung zu bewirken."
CHOR
Lass diesen Schatz, so fest zusammengezogen!
Bringe Begeisterung, jetzt, den Augen und der Brust!
Denn die Halskette hell und die Krone aus Gold
Ruhten und dunkelten in stolzer Ruhe:
Aber jetzt gebe und behaupte sie alle,
Sie werden schnell reagieren.
Ich liebe es, die Schönheit konkurrieren zu sehen
Mit Gold und Perlen und glitzernden Edelsteinen.
HELENE
So wieder kam da die strenge Rede meines Herrn :
"Wenn man das alles in der richtigen Reihenfolge untersucht hat,
Nimm so viele Gaben, wie du denkst, dass du brauchst,
Und wie viele Schiffe als Opfer erfordern,
Um die Gewohnheiten der heiligen Riten zu erfüllen.
Nimm Kessel und Becken und kreisförmige Schalen:
Das reinste Wasser aus dem heiligen Brunnen
In tiefen Urnen: achte darauf, dass du trockenes Holz hast,
Das schnell Feuer fängt, und halte alles bereit:
Und schließlich nicht zu vergessen ein gut geschliffenes Messer:
Alles andere werde ich deiner Entscheidung überlassen."
Also sprach er in der gleichen Zeit und drängte mich:
Aber nichts Lebendiges bezeichnend befahl er,
Dass es getötet werde, die olympischen Götter zu ehren.
Aber ich werde nicht mehr darüber nachdenken,
Und lasse alles in den Händen der Götter:
Sie erfüllen, was in ihrem Geist zu tun ist,
Ob wir es gut oder böse finden:
In jedem Fall müssen wir Menschen es ertragen.
Oft die schwere Axt des Priesters wurde aufgehoben
Überm gebeugten Hals des Opfers,
Doch konnte er nicht schlachten, behindert
Durch die Feinde in der Nähe oder die Intervention der Götter.
CHOR
Was könnte geschehen, denke nicht an das:
Königin, weiter jetzt, schreite nach innen,
Und sei tapfer!
Gut und böse sind
Unangekündigt der Menschheit:
Obwohl es verkündet ist, werden wir nicht glauben.
Troja war verbrannt, noch haben wir nicht gesehen
Den Tod in unsern Gesichtern, schmachvollen Tod:
Und sind wir nicht hier,
Deine Freunde, gerne dienend?
Siehe die blendende Sonne am Himmel,
Siehe die schönsten Blumen auf der Erde,
Siehe, sind wir nicht von der Art: wir die freudigen?
HELENE
Lasst es sein, wie es will! Was auch immer mich erwartet,
Ich muss gehen, schnell, in dieses Königshaus,
Lange verlassen, oft ersehnt, fast verloren,
Da ist es vor meinen Augen noch einmal: Ich weiß nicht wie?
Meine Füße tragen mich nicht weiter so tapfer jetzt,
Bis diese hohe Stufen übersprungen sind, die ich als Kind betrat.
CHOR
Schmerzhafte Gefangene,
Oh, werft, Schwestern,
All eure Schmerzen in den Wind:
Teilt die Freude eurer Herrin,
Teilt jetzt die Freude mit Helene,
Die zurückkehrt, wirklich spät,
An Heim und Herd ihres Vaters,
Aber mit all dem tut einen Schritt,
Entzückt nähert euch.
Lobt die heiligen Götter,
Die bringen das Glück,
Bringen den Wanderer nach Hause!
Siehe, die Gefangenen befreit
Steigen auf erhobenen Flügeln,
Über harte Felsen, während alles vergeblich,
Die Gefangenen, so voller Sehnsucht,
Die Arme immer noch ausgestreckt
An die Wände ihres Gefängnisses.
Aber ein Gott fing sie auf,
Die weit ins Exil geschickt ward:
Und von Ilions Sturz
Trug er sie noch einmal zurück, nach Hause,
In das alte, aufs neue geschmückte, ihr
Vaterhaus,
Von unaussprechlichen
Leiden und Qualen,
Jetzt wiedergeboren, sich daran zu erinnern,
An die Tage ihrer Kindheit.
PANTHALIS (Führerin des Chores.)
Jetzt lass den Pfad zu deinem freudigen Gesang,
Und wende deine Augen in Richtung der offenen Tür!
Schwestern, was muss ich sehen? Sicherlich die Königin kommt
Aufwachend auf uns zu, wieder mit ängstlichen Schritten?
Was ist es, große Königin? Was magst du getroffen haben
In den Hallen des Hauses, statt Grüßen,
Was dir Zittern verursacht? Du kannst nichts verbergen,
Da ich deine Zurückhaltung auf der Stirn geschrieben sehe,
Und Erstaunen konkurriert mit edlem Zorn.
HELENE (Sie hat die Türen offen gelassen in ihrem Aufruhr.)
Eine Tochter des Zeus wird von keiner gemeinen Angst gerührt,
Keine leicht vorbei streichende Hand des Terrors kann sie berühren:
Nur der Horror, dass der Schoß der alten Nacht
Aus dem Chaos aufgewacht und in seinen vielen Formen geformt,
In leuchtenden Wolken, die schießen nach oben und außen,
In feurigem Rachen, die Brust des Helden zu schütteln.
So, hier heute die stygischen Götter markierten
Den Eingang zu meinem Haus mit Schrecken: und gerne
Ich würde mich weit wegwenden, wie ein Gast gehen,
Weit entfernt von dieser oft betretenen, lang ersehnten Schwelle.
Aber nein! Ich habe mich hier jetzt zurückgezogen, in das Licht,
Und ihr werdet mich nicht weiter drängen, wer
Ihr seid, Mächte. Vielmehr werde ich an eine Weihe denken,
Also das Herdfeuer, gereinigt, grüßt die Frau wie den Herrn.
PANTHALIS
Edle Dame, offenbare deinen Mägden hier,
Die dir zu helfen andächtig sind, was passiert ist.
HELENE
Du wirst sehen, was ich gesehen habe mit eigenen Augen,
Wenn die alte Nacht nicht sofort es verschluckt hat,
Diese Form von ihr: zurückgezogen in Herzenstiefen.
Aber ich werde es dir vorstellen in Worten, so dass du weißt:
Mit der letzten Bestellung im Kopf trat ich
Ernst in den innersten Raum des Schlosses,
Durch die Stille der düsteren Korridore beeindruckt,
Kein Ton der geschäftigen Arbeit grüßte meine Ohren,
Kein Ton von Sorgfalt aufgewandt, welche mein Auge sah,
Keine Schaffnerin erschien und keine Mägde,
Keine Höflichkeit, wie man grüßt in der Regel der Fremde.
Aber als ich mich näherte der Feuerstelle aus Stein
Neben der glühenden Asche, sah ich
Eine verschleierte Frau, großer Form, auf dem Boden sitzend,
Nicht wie eine, die eingeschlafen ist, aber tief in Gedanken.
Ich rief ihr zu, sie solle arbeiten, mit Worten des Befehls,
Denkend, sie sei die Schaffnerin, die mein Mann
Hätte vielleicht angestellt, mit Weitblick, als er ging.
Aber sie saß immer noch da, geduckt und unbeweglich:
Endlich, durch meine Drohung gerührt, hob sie ihren Arm,
Als ob sie mich weg winkte von Herd und Halle.
Ich stellte mich neben sie, wütend, und raste
Und schritt dahin, wo der Thalamos geschmückt
Hoch und dicht neben ihr die Schatzkammer:
Plötzlich die seltsame Form sprang vom Boden auf,
Absehend von meinem Weg, herrisch zeigte sie sich,
Groß und hager, mit hohlem, blutrotem Blick:
Eine Form, so seltsam, dass mein Geist und Auge beunruhigt wurden.
Aber ich rede in den Wind: Worte ermüden selbst
Beim Versuch, Formen zu zaubern, vergeblich wie ein Schöpfer.
Überzeuge dich selbst! Sie traut sich sogar ans Tageslicht!
Hier bin ich Herrin, bis der König, mein Herr, kommen wird.
Phöbus, Freund der Schönheit, treibt die schreckliche Ausgeburt der Nacht
In unterirdische Kavernen oder er bindet sie schnell.

(Phorkyas erscheint auf der Schwelle zwischen den Türpfosten.)

CHOR
Viel habe ich gelernt, auch wenn die Strähnchen
Sind jugendlich noch über meinen Schläfen!
Viele der schrecklichen Dinge, die ich gesehen habe,
Der Soldaten Elend, Trojas Brand,
Als es fiel.
Durch die trüben und staubigen Turbulenzen
Der Masse von Kriegern hörte ich die Götter
Rufen schrecklich, hörte das Klingeln
Der Eisen-Stimme der Zwietracht durch das Feld,
Durch die Stadt.
Ah! Sie standen immer noch da, Iliums
Mauern, aber der Schein der Flammen
Bald lief von Nachbar zu Nachbar,
Immer sich verbreitend, hin und her,
Mit dem Atem des Sturms,
In der dunklen Stadt.
Fliehen durch Rauch und Hitze sah ich
Sie unter den Zungen der lodernden Feuer,
In Angst vor der wütenden Präsenz der Götter,
Furchtbar, schreiten diese Mengen
Wie Riesen durch die Dunkelheit,
Das Feuer erleuchtete den Dampf.
Habe ich gesehen die Verwirrung
Oder hat der Angst-Geist mich verbraucht?
Niemals werde ich in der Lage sein,
Es zu sagen, aber ich bin mir wirklich sicher
Darüber, was ich hier sehe, sie,
Monströser Form, in meinen Augen:
Meine Hand konnte sie sogar berühren,
Terror hat mich nicht zurückhalten
Vor der Gefahr.
Welche der Töchter
Von Phorkyas bist du?
Da ich dich vergleiche
Dieser Familie.
Bist du vielleicht eine der Graien,
Ein einziges Auge und ein einzelner Zahn,
Abwechselnd in dir,
Eine der Grauen geboren?
Monster, kannst du es wagen,
Hier, neben der Schönheit,
Dich zu zeigen dem Phöbus
Und seinen Blick zu erdulden?
Denn ihm ist es nicht egal,
Da er nicht anschaut, was hässlich aussieht,
So wie seine heiligen Augen
Noch nie Schatten gesehen haben.
Aber wir Menschen sind gezwungen, ach,
Durch unglücklich düsteres Schicksal,
Zum unsagbar schmerzhaften Anblick
Ihrer, verwerflich, die jemals das Unglück verfolgte,
Provozieren den Liebhaber der Schönheit.
Doch höre mir zu, wenn du mutig
Begegnest uns: höre den Fluch,
Höre die Bedrohung eines jeden Missbrauchs,
Von dem Munde des verurteilen Glücks,
Das die Götter selbst geschaffen haben.
PHORKYAS (Der transformierte Asmodäus.)
Das Sprichwort ist alt, das besagt edel und wahr,
Dass Schönheit und Scham zusammen nie Hand in Hand gehen,
Nie verfolgen den gleichen Weg über die grüne Erde.
Solch alter, tief verwurzelter Hass lebt in beiden,
Dass, wenn sie sich treffen, durch Zufall, auf dem Weg,
Die eine wird immer wieder sich abwenden von ihrer Rivalin.
Dann schnell und heftig jede geht weiter,
Scham niedergeschlagen, aber Schönheit spöttisch im Geist,
Bis am Ende des Orkus Dunkelheit sie empfangen muss,
Wenn das Alter nicht lange zuvor gezähmt hat ihren Stolz.
So, jetzt finde ich dich frech, kommend aus dem Ausland,
Mit Arroganz überfüllt, wie die Kraniche,
Die laut quakenden Reihen hoch oben,
Ihre lange Wolke sendet ihre knarrenden Töne hier unten,
Verlockend den ruhig Reisenden, nach oben zu schauen:
Doch sie verfolgen ihren Weg, während er dem seinen folgt:
Und das ist so, wie es bei uns auch ist.
Was dann seid ihr, wilde Mänaden, Bacchantinnen,
Die es wagen, im großen Königspalast zu wüten?
Wer seid ihr denn, die vor diesem hohen Haus heulen
Wie ein Rudel Hündinnen unter dem Mond?
Glaubt ihr, es ist mir verborgen, welcher Rasse ihr seid?
Ihr grübelt, gezeugt in der Schlacht, bei der Schlachtung erhoben,
Lüstern auf Männer, Verführerinnen und Verführte,
Aussaugend der Soldaten und Bürger Kräfte!
Um euer Publikum zu beobachten, wie ein riesiger Schwarm
Von Heuschrecken lasst ihr euch nieder, verdunkelnd die Felder.
Ihr seid die Verschwenderinnen anderer Arbeit!
Die Zerstörung der reifenden Kulturen von Wohlstand!
Besiegt, getauscht, verkauft auf dem Markt, ihr!
HELENE
Wer schändet die Dienerinnen der Herrin,
Vermessen reißt an den wahren Rechten der Frau?
Nur ihr ist es gegeben, was auch immer das Lob
Lobenswert macht, und zu bestrafen, was Schuld ist.
Ich bin wohl zufrieden mit allen Dienstleistungen,
Die sie darbrachten, als Ilium, die große Macht,
Stand belagert, fiel in Schutt und Asche: nicht weniger,
Wie wir die elende Wanderschaft ertragen
Der Reise, wo oft eine nur an sich denkt,
So, hier habe ich erwartet nun eine glückliche Mannschaft:
Ein Herr fragt, wie Sklaven dienen, nicht, was sie sind.
Also schweige, und nicht mehr verhöhne sie.
Wenn du das Haus des Königs bewacht hast auch bis jetzt
An der Stelle der Herrin, wie es deine Pflicht war:
Aber jetzt, da sie selbst kommt, solltest du dich zurückziehen,
Damit du nicht Strafe statt gerechter Belohnung findest.
PHORKYAS
Disziplinierung der Diener ist ein Vorrecht
Der edlen Frau eines Königs, geliebt von den Göttern,
Sie hat ordnungsgemäß von dem klugen Ermessen der Jahre verdient.
Da sie aufräumte, nimm deinen ehemaligen Ort
Einmal mehr ein, als Königin und Herrin des Hauses,
Die Zügel gelockert wieder, und hier herrsche,
Halte den Schatz in deiner Hand, und uns mit ihm.
Doch zunächst verteidige mich, die ich die ältere bin,
Vor diesem Publikum, die, wenn sie verglichen werden
Mit deiner Schwanen-Schönheit, sind nur gackernde Gänse.



VIETER AKT

(Szene: Landschaft, umgeben von reich verzierten Gebäuden aus dem Mittelalter.)

CHORFÜHRERIN
Geschwätzig und dumm, typisch für die Frauenwelt!
Sie hängen an dem Moment, Spielball jeder Brise,
Jeder Gelegenheit und jeden Unglücks, nie wissend,
Wie man ruhig leidet! Eines ist immer sicher,
Heftig zu den anderen, die anderen ihr widersprechen:
Nur, sie lachen und weinen gleichermaßen, in Freude und Schmerz.
Nun still! Und hört, was unsere hochgesinnte
Herrin wird entscheiden hier, für sich selbst und uns.
HELENE
Pythia, wo bist du? Aber du bist gerufen:
Komm heraus aus den Bögen dieser dunklen Festung.
Wenn du von den wundersamen Herrn und Helden kommst,
Gib mir alles bekannt und einen Sitz zur Rezeption,
Nimm meinen Dank entgegen und führe mich schnell:
Ich wünschte meine Wanderschaft beendet. Ich möchte ruhen.
CHORFÜHRERIN
Königin, vergeblich, schau in alle Richtungen:
Die elende Gestalt ist verschwunden, sie blieb vielleicht
Dort in dem Dampf, aus dessen Tiefe wir kamen,
Ich kann nicht sagen wie, so schnell, ohne Trittschall.
Vielleicht hat sie sich im großen Labyrinth verloren,
Von diesen vielen Burgen wunderbar zusammengeführt zu Einem.
Ich schaue auf und suche den Fürstengruß von ihrem Herrn.
Aber siehe! Eine Menge bewegt sich in Bereitschaft.
Nebenan sind Galerien, vom Fenster, durch die Türen
Kommt eine Schar von Dienern, huschen hin und her:
Sie verkünden einen edlen Empfang für den Gast.
CHOR
Mein Herz ist erleichtert! O, siehe dort,
Wie eine Schar der stattlichen Jugendlichen herankommt
Mit anhaltenden Schritten in würdevoller Ordnung,
Marschierend in Reihen. Wer gab den Befehl,
Um sie zu ordnen, und hat so schnell angeordnet
All diese jungen Scharen von so schöner Rasse?
Was soll ich am meisten bewundern? Sind es die anmutigen Schritte
Oder die Locken der Haare auf den blassesten Stirnen
Oder die runden Wangen mit eines Pfirsichs Rouge?
Ich würde gerne hinein beißen, aber ich habe Angst, es zu versuchen:
Da in einem ähnlichen Fall, und mir graut es zu sagen,
Der Mund war plötzlich gefüllt mit Asche!
Aber der Schönste
Kommt zu uns jetzt:
Was tragen sie?
Stufen zum Thron,
Teppiche und Sitze,
Vorhänge, Vordächer,
Juwelierten Putz:
Winkend über uns
Mit einer Girlande
Über dem Kopf der Königin:
Denn sie ist geladen
Und steigt auf den Adelssitz.
Vorwärts jetzt,
Schritt für Schritt
Feierlich geordnet.
Würdig, würdig, dreifach würdig,
So ein Empfang ist gesegnet!

(Was der Chor beschrieben hat, findet statt. Nachdem die Jünglinge und Knaben in langer Prozession hinab stiegen, erscheint Faust oben an der Spitze der Treppe, in der Tracht der Ritter des Mittelalters, und dann steigt er langsam und mit Würde herab.)

CHORFÜHRERIN (ihn streng beobachtend.)
Wenn in der Tat die Götter nicht, wie sie oft tun,
Nur geliehen diesem Mann die anmutige Form für einen Augenblick,
Ehrfürchtig seine Würde und charmante Präsenz,
Als vorübergehende Handlung, dann was auch immer er tut,
Es wird erfolgreich sein, ob mit kämpfenden Männern
Oder in den weniger schlimmen Kämpfen mit schönen Damen.
Wahrlich, ich bevorzuge ihn, Gastgeber der anderen,
Den meine Augen gesehen haben, den hochgelobten.
Ich sehe den fürstlichen Gang mit langsamen feierlichen Schritten,
Von Ehrfurcht verhalten: Königin, wende dich zu ihm!
FAUST (sich annähernd: ein Mann in Ketten an seiner Seite.)
Statt des üblichen Friedensgrußes,
Statt eines ehrfurchtsvollen Empfangs,
Hier bringe ich ein armes Wesen mit Ketten gebunden,
Der in seiner Aufgabe versagte.
Knie hier nieder, so dass diese edle Dame
Kann ein promptes Geständnis deiner Schuld hören.
Dieser, königliche Herrin, dieser Mann ist auserwählt
Wegen seiner genauen Vision, durch den Blick
Vom hohen Turm, und scharf ausschauend
In Himmelsräume und die Breite der Erde,
Um zu berichten, was hier oder dort sich bewegt,
Von den umgebenden Hügeln, auf der Burg,
Ob eine Wanderung der wolligen Herden
Oder Soldaten: so können wir die ersten schützen,
Greifen die anderen an. Heute aber Fahrlässigkeit!
Sie kam hierher: er hatte nichts zu berichten:
Wir haben versäumt die Rezeption, die sie verdient
Zu Ehren des Gastes. Jetzt verliert er
Sein Leben schuldig und würde sein Blut vergießen
In einem verdienten Tod: aber nur du allein
Sollst ihm verzeihen oder ihn bestrafen, wie du möchtest.
HELENE
Solche große Leistung, die du wähltest, sie mir zu erteilen
Als Richterin, als Herrin auch, obwohl ich vermute,
Du willst es als eine Art Prüfung -
Dennoch werde ich die erste Pflicht einer Richterin üben,
Und gewähre dem Angeklagten eine Anhörung. Sprich frei heraus.
LYNKEUS (der Hüter des Turms)
Lass mich niederknien und lass mich dich sehen,
Lass mich leben oder lass mich sterben,
Schon bin ich dir gewidmet,
Himmlische Dame aus der Höhe.
Wartend auf den Fortschritt der Morgenröte,
Den Blick auf ihr östliches Haus gerichtet,
Plötzlich das Sonnenlicht tanzt,
Wunderschön im Süden!
Angezogen, um das Wunder näher zu sehen,
Statt der Schlucht und Höhe,
Anstelle von Himmel und Erde,
Ich starrte sie an, die einzige Wonne.
Mir war Sehvermögen gewährt
Wie dem Luchs, hoch in dem Baum:
Aber jetzt sah ich in Unentschlossenheit
Wie in einem dunklen und bewölkten Traum.
Was denken? Auch wenn ich dies wünsche?
Mauer und Turm? Verschlossenes Tor?
Nebel stieg und breitete den Schleier aus,
Da kam die Göttin hier im Staat!
Ich ergab mein Herz und Auge,
Trinkend das sanfte Licht:
Die Schönheit war verschleiert, und ich
Ausschließlich durch den Anblick geblendet.
Ich habe die Aufgabe des Wächters
Und die versprochene Posaune:
Drohend jetzt, mich zu zerstören -
Zorn liegt in der Schönheit Bann.
HELENE
Ich kann nicht bestrafen das Böse, das ich gebracht
Mit mir. Weh mir! Was für ein heftiges Schicksal ist es,
Das mich verfolgt, so dass überall, wo ich besitze
Die Herzen der Menschen, sie weder geben
Sich selbst noch sonst etwas von Wert.
Sie stehlen, verführen, kämpfen, hetzen hin und her,
Halbgötter, Helden, Götter, Dämonen selbst
Führten mich in meinen Wanderungen, hier und da.
Allein ich habe die Welt verwirrt, doppelt verwirrt:
Jetzt bring ich dreifach, vierfach Leid auf Leid.
Nimm diesen Unschuldigen weg, lass ihn gehen.
Es ist keine Schande, von den Göttern getäuscht zu werden.
FAUST
O Königin, erstaunt seh ich euch beide zusammen:
Den bestimmten Bogenschützen und das betroffene Opfer:
Ich sehe den Bogen, von dem die Pfeile gelöst wurden,
Sehe, was verwundete ihn. Pfeil um Pfeil,
Jetzt fällt es mir auf. Ich stell mir vor das gefiederte Surren
Von Pfeilen, überquerend jeden Hof und jede Halle.
Wer bin ich jetzt? Meine Mauern machen dich unsicher,
Meine treuesten Diener machst du zu Rebellen,
Schon fürchte ich, meine Armee gehorcht
Einer siegreichen und unbesiegten Dame.
Was bleibt zu tun, als nun auch mich selbst hinzuzufügen,
Und alles, was ich mir vorstelle, ist vergeblich?
Frei und treu, zu deinen Füßen,
Lass mich dich als Herrin anerkennen,
Deren Anwesenheit gewinnt Thron und Eigentum.
LYNKEUS
Königin, einmal will ich vorausschauen!
Der reiche Mann bittet um einen Blick.
Er sieht dich, und auf einen Blick
Er ist ein Bettler und ein Prinz.
Wer bin ich jetzt? Wer war ich einmal?
Was ist zu wollen? Was ist zu tun?
Was nützt dem Auge die klarste Sicht?
Es wirft einen Blick auf die königliche Macht.
Vom Osten drängen wir vor,
Und plötzlich der Westen ist verschwunden.
So breit und lang die Menschen versammelt,
Die Ersten wussten nichts von den Letzten.
Der erste Rang ging, der nächste stand schnell,
Des dritten Ranges Lanzen unübertroffen:
Jeder Mann war wie hundertfach,
Tausende starben, alle unsäglich.
Wir vorne gedrängt: Wir stürmten herauf,
Wir waren Meister, dann waren wir weg:
Und wo ich entschieden, Häuptling heute,
Morgen ausgeraubt, und stahlen sich weg.
Wir haben gesehen und schnell war dieser Blick:
Die schönsten Frauen nahmen wir uns,
Wir haben die Ochsen aus dem Stall geholt,
Wir nahmen die Pferde, nahmen sie alle.
Aber meine Freude war, zu entdecken
Die seltensten Dinge, die ich entdecken konnte:
Und was andere Männer fassen konnten,
Für mich war es nur verdorrtes Gras.
Ich war auf der Spur des Schatzes,
Was auch immer mein scharfes Auge sah,
In jede Tasche konnte ich sehen,
Jede Brust war Glas für mich.
Haufen von Gold waren sie für mich,
Und die edelsten Edelsteine würde ich finden:
Doch jetzt sind die Smaragde allein
Es wert, deinen Thron zu schmücken.
Schwanke jetzt zwischen Ohr und Wange
Die Perlen-Kugel aus tiefem Ozean:
Ein Ort, den Rubine nicht wagten aufzusuchen,
So blass neben deiner rosigen Wange.
Und so sind die Reichtümer, jeder Preis,
Den ich hier einsetze, vor deinen Augen:
Deinen Füßen ich gerne unterwerfe
Die Beute von vielen blutigen Feldern.
Wie viele Kisten hab ich mitgebracht,
Ich habe viele Eisen-Schatullen dazu:
Lass mich deinem Wege folgen
Und deine Schatzkammern füllen.
Du würdest kaum auf den Thron steigen,
Wenn alle sich verneigten vor dir allein,
Weisheit, Reichtum, weltliche Macht
Vor deiner Gnade erlangten zu derselben Stunde.
Ich bekam das alles schnell: das ist wahr,
Aber jetzt ist es gelöst, und alles für dich.
Ich dachte, sein Wert war deutlich zu sehen,
Aber jetzt ist es nicht viel für mich.
Alles, was ich besessen habe, geht vorüber
Wie von mir gemähtes und verdorrtes Gras.
O, gib mir nur einen lichten Blick;
Und das alles ist der Wert deines Tanzes!
FAUST
Schnell, entferne die Haufen, die Kühnheit gewonnen,
Und nimm keine Schuld dafür auf dich, aber suche auch kein Lob.
Alles ist ihres schon, dass es die Burg
Versteckt in ihrem Schoß: Diese paar Dinge bietest du
Vergeblich. Geh und staple Schatz auf Schatz
In der richtigen Reihenfolge. Präsentiere eine feine Auswahl
Von unsichtbarer Pracht! Lass die Gewölbehallen
Glänzen wie den klarsten Himmel, lass Paradiese
Von deiner Toten Existenz geschaffen werden.
Lass blumigen Teppich schnell auf Teppich
Abgerollt werden unter ihrem Fuß: sie wird schreiten
Am weichster Erde, und lass den edlen Blick,
Blendend, wie die Götter, fallen auf die Pracht.
LYNKEUS
Was der Herr befiehlt,
Für die Diener ein bloßes Spielzeug:
Diese Regeln erhabener Schönheit
Gelten in Blut und Geld auch.
Die ganze Armee ist jetzt gezähmt,
Alle Schwerter sind wieder stumpf
In der Nähe dieser Form von edlem Gold,
Die Sonne selbst ist blass und kalt
In der Nähe der Reichtums ihres Gesichts,
Alles ist nur ein leerer Raum.
HELENE (Zu Faust.)
Ich möchte mit dir sprechen, komm
Neben mich! Denn der leere Platz lädt
Seinen Herrn ein, und so sicher ist dieser Ort für mich.
FAUST
Zuerst empfange meine treue Hingabe, bitt ich dich,
Während ich knie, edle Frau: Lass mich küssen
Die gnädige Hand, die mich an deine Seite hebt.
Bestätige mich als Mitregenten von einem Reich
Von unbekannten Grenzen, gewinne nun für dich selbst
Einen Wächter, einen Sklaven, einen Verehrer, alles in einem!
HELENE
So viele Wunder kann ich sehen und hören,
Staunen ergreift mich, es gibt viel, ich würde es wissen.
Aber lehre mich, warum dieser Mann laut sprach
Mit neugieriger Rede, vertraut, aber seltsam.
Jeder Ton schien den Weg zum nächsten freizugeben,
Und wenn ein Wort gab Freude dem Ohr,
Ein anderes kam, wie um den ersten zu streicheln.
FAUST
Wenn die Sprache meines Volkes dir bereits gefällt,
O, du wirst von unserem Gesang begeistert sein:
Er erfüllt das Herz und den Geist vollständig.
Aber um sicher zu sein, üben wir:
Wechselnde Rede lockt und ruft weiter.
HELENE
Du wirst mir sagen, wie man mit schönen Kunst spricht?
FAUST
Es ist einfach, es muss von Herzen kommen.
Und wenn die Brust überläuft, dann mit Sehnsucht zusammen
Man schaut sich um und fragt -
HELENE
Wer auch noch steht in Flammen.
FAUST
Nicht rückwärts, nicht vorwärts geht der Blick der Geistessonne,
Dieser Moment jetzt allein -
HELENE
Ist unsere Wonne.
FAUST
Sie ist Schatz und Engagement, Reichtum und Land:
Welche Bestätigung soll sie geben? -
HELENE
Meine Hand!
CHOR
Wer beleidigt unsere Prinzessin,
Die gewährt dem Meister der Burg
Eine Show der Freundlichkeit?
Lasst uns gestehen, dass wir
Gefangene sind, wie wir es bis jetzt gewesen,
Da der schändliche Sturz
Von Ilion und der ängstliche stattfand,
Traurig, und die labyrinthische Reise.
Frauen, den Männern die Wünsche erfüllend,
Sind nicht besonders.
Sie beherrschen.
Und sie verleihen das gleiche Recht
Mit ihren goldenen Haaren,
Dunkel, Faunen vielleicht geben sie sich,
Wenn sich die Möglichkeit bietet
Mit dem Körper in ihrer Kraft.
Schon sitzen sie näher, dichter,
Zueinander hingezogen,
Schulter an Schulter, Knie an Knie,
Hand in Hand wiegen sie sich,
Auf dem Throne
Weich gepolstert, in Majestät,
Die privaten Schwärmereien
So kühn offenbarend
Den Augen der Menschen.



FÜNFTER AKT

(Helene, Faust, und ihr Kind Euphorion, im griechischen Kostüm.)

EUPHORION
Höre das Lied der Kindheit gesungen,
Seine Freude gehört euch,
Seht mich überspringen die Zeit, jetzt
Lasst mich in die Herzen meiner Eltern springen.
HELENE
Es erfordert zwei edle Herzen,
Aus Liebe zur Menschheit zu segnen,
Aber ein Ding zusammen zu sein,
Sie müssen eine wertvolle Drei sein.
FAUST
Alles, was wir gesucht, wird nun entdeckt:
Ich bin dein, und du bist mein:
Und wir zwei sind aneinander gebunden,
Es gibt kein besseres Schicksal.
CHOR
Sie werden seit vielen Jahren begeistert
In dieses Kindes Toben glühen,
Ah, diese Partnerschaft von Genossen,
Wie die Schönheit mich so sehr bewegt!
EUPHORION
Nun lasst mich springen, oh,
Nun lasst mich Frühling sein!
Hoch in die Luft gehen
Kreisend alle Dinge,
Das ist mein Wunsch,
Das treibt mich an.
FAUST
Doch vorsichtig! Vorsichtig!
Stürze dich nicht in die Gefahr,
Denn der zufällige Sturz
Erwartet den Wilden,
Gründe dich sofort,
Unser süßer Sohn!
EUPHORION
Ich kann nicht kleben
Am Boden mehr:
Lasst meine Hände und
Lasst mein Haar,
Lasst meine Kleider!
Sie sind alle von mir.
HELENE
O denke! Bitte denke,
Wem du angehörst!
Wie wäre es für uns traurig,
Wenn du zerstört würdest,
Deine süße Arbeit,
Deine, seine und meine.
CHOR
Ich fürchte, diese Einheit
Wird sich bald entspannen!
HELENE UND FAUST
Beruhige dich! Um Ruhe
Bitten dich deine Eltern,
Bei deiner zu großen Lebendigkeit,
Impulsiven Gewalt!
In ländlicher Ruhe
Gestalte du die Ebene.
EUPHORION
Wenn es das ist, was ihr wollt, ja,
Ich werde aufhören, ich werde mich zurückhalten.

(Er windet sich, tanzend, durch den Chor und zieht sie fort mit sich.)

Ich werde hier schweben, leicht
Und lebendig die Schar.
Ist das die Melodie,
Die schön zu messen ist?
HELENE
Ja, das ist ordentlich gemacht:
Führe all die Schönen herauf
Durch Komplexität.
FAUST
Wäre es denn nur vorbei!
Solche Unterhaltung
Will mich nicht begeistern.
CHOR (mit Euphorion, flink tanzend und singend, in verschlungenen Reihen.)
Wenn du deine Arme gleichermaßen
Charmant angehoben hast,
Deine Lockenhaare blond
Sind gelöst und verwirrt.
Wenn du mit einem Fuß so leicht
Über der Erde im Flug bist,
Dorthin und wieder zurück,
Schritt auf Schritt, regne du herab,
Dann ist dein Ziel in Sicht,
Schönstes Kind:
Alle unsere Herzen sind betört,
Sich mit dir zu vereinen.

(Pause)

EUPHORION
Du bist wie so viele
Leichtfüßige Kitze:
Jetzt neue Spiele, die wir
Sind schnell wiedergeboren!
Ich werde der Jäger sein,
Sie werden die Beute sein.
CHOR
Wenn du uns fangen würdest,
Wir sind so eifrig, dich nicht zu fangen,
Auch wir sind gespannt,
Wann alles vorbei ist,
Um die Form zu umklammern,
Du bist so süß anzusehen!
EUPHORION
Jetzt durch das Tal!
Über Stock und Stein!
Was ich leicht gewinne,
Ist mühsam zu sehen,
Nur was mit Gewalt
Gewonnen, erfreut mich.
HELENE UND FAUST
Wie wild er jetzt ist! Und wie stur!
Es gibt wenig Hoffnung auf Mäßigung.
Das ist der Klang des Hörnerblasens,
Durch die Wälder und Täler tönend:
Was für ein Lärm und welche Verwirrung!
CHOR (eine nach der anderen, in Eile.)
Er läuft von uns so schnell weg:
Verachtet uns und ist immer spöttisch,
Jetzt zieht er eine von der Masse ab: sie,
Die wildeste von uns allen.
EUPHORION (zieht ein junges Mädchen an sich.)
Hier werde ich die kleine Schelmin an mich ziehen,
Meinen Wunsch ganz durchzusetzen:
Denn meine Freude und mein Wunsch ist es,
Sie vorsätzlich ans Herz zu drücken voll Feuer,
Zu küssen sie dreist auf den Mund
Und auszurufen meinen Willen und meine Kraft.
DAS JUNGE MÄDCHEN
Lass mich gehen! Da gibt es eine Kraft
Beständigen Geistes in diesem Körper:
Mein Wille, wie bei dir, wenn ich mich nicht irre,
Sagt, ich bin nicht leicht zu kriegen.
Du denkst, ich sei in Gefahr?
Waffengewalt ist es, die du behauptest!
Fange mich schnell, du dummer Racker,
Und ich werde dein kleines Spiel mitspielen.

(Sie wird zu einer Flamme und leuchtet in der Luft.)

Folge mir durch die strömende Luft,
Folge mir durch kahle Höhlen,
Fange deine flüchtige Beute wieder!
EUPHORION (abschüttelnd die Flammen.)
Felsen um mich hier,
Tief im Wald die Aussicht,
Gib mir eine Gefangene,
Obwohl ich noch jung und neu bin.
Brisen wehen Düfte,
Jetzt Wellen brechen dort:
Ich höre beide weit weg,
Ich würde heute gerne dort sein.

(Er springt weiter auf den Felsen.)

HELENE, FAUST UND DER CHOR
Eine Gämse willst du nachahmen?
Wir bangen um dein Schicksal.
EUPHORION
Immer höher muss ich klettern.
Immer weiter muss ich sehen.
Jetzt weiß ich, wo ich stehe!
Inmitten dieser Halbinsel,
Inmitten des Pelops Land,
Erde - zum Meer verwandelt.
CHOR
Warum nicht hier leben, in Frieden,
Unter Hügeln und Wäldchen?
Weinstöcke werden wir für dich suchen,
Reben in ihren Reihen.
Reben auf hohen Bergrücken stehen,
Figuren dort und Äpfel-Gold,
Bleibe in diesem schönen Land,
Bleibe, und werde alt!
EUPHORION
Könnt ihr ruhige Tage träumen?
Träumt, was der Träumer träumen kann.
Krieg ist aber meine Parole.
Sieg! Es erklingt so.
CHOR
Er, der in der Zeit des Friedens
Wünscht den Krieg herbei, bald
Sein Zeuge ist der Tod,
Hoffnung und Glück dahin.
EUPHORION
Diejenigen, die dieses Land hat,
Bei Gefahr zur Hand,
Frei und mutig,
Gaben ihr Blut:
Bringen heilige Bedeutung
Diesem Opfer -
Versucht uns zu erobern,
Uns alle, die wir kämpfen!
CHOR
Schaut da oben, wie hoch er klettert!
Doch scheint er uns nicht kleiner:
In seiner Rüstung, wie im Triumph,
Wie er glänzt in Edelstahl und Silber.
EUPHORION
Jeder, der sich nicht mehr bewusst ist
Der hohen Mauer oder der Ruhe:
Eine dauerhafte Festung
Ist des Soldaten Eisen-Brust.
Wenn ihr unbesiegt leben möchtet,
Schnell bewaffnet,
Und im Kampf
Gegen die wirklichen Gegner:
Jede Frau eine Amazone
Und jeder Knabe ein Heros.
CHOR
Heilige Poesie
Klettert und wird himmlisch!
Schimmer gibt sie, der schönste Stern,
Weit dort, und immer noch so weit!
Und doch ist es hier erreicht,
Immer und immer noch hören wir
Freude, wo wir sind.
EUPHORION
Nein, nicht als Kind erschein ich,
Diese Jugend kommt bewaffnet, seht ihr:
Im Geiste ist er schon ein Fürst,
Einer von den starken und kühnen.
Jetzt gehe ich!
Jetzt, und siehe da,
Der Weg zum Ruhm strahlt für mich.
HELENE UND FAUST
Du bist kaum ins Leben gerufen worden,
Kaum zum Schimmer des Tageslichts gekommen,
Und von den Höhen sehnst du dich
Nach dem Ort der Schmerzen, so scheint es.
Sind wir zwei
Nichts für dich?
Ist die süßeste Bindung nur ein Traum?
EUPHORION
Seht ihr nicht die donnernden Wellen?
Durchs Tal das Echo ruft,
Die Heere, in Sand und Schaum,
Schar auf Schar, in banger Ernte,
Verstehen
Den Befehl:
Es ist der Tod jetzt und für alle.
HELENE, FAUST UND DER CHOR
Welcher Horror! Welche Katastrophe!
Ist denn der Tod für dich verordnet?
EUPHORION
Soll ich es aus der Ferne sagen?
Nein! Ich werde eure Probleme teilen.
HELENE,FAUST UND DER CHOR
Schwinge dich hinweg, Gefahr,
Tödliches Schicksal!
EUPHORION
Ja! - Ich bin hier geflügelt,
Ich werde nicht warten!
Vorwärts! Ich muss! Ich muss!
Lasst mich fliegen!

(Er stürzt sich in die Luft: seine Kleider tragen ihn einen Augenblick, sein Kopf ist erleuchtet und ein Lichtstreifen folgt ihm.)

CHOR
Ikarus! Ikarus!
Nicht mehr da! Wir seufzen.

(Ein schöner Jugendlicher fällt zu den Füßen der Eltern. Wir sehen eine bekannte Form in der Leiche, aber der physische Teil verschwindet auf einmal, während eine Aureole wie ein Komet in den Himmel steigt. Das Kleid, der Mantel und die Lyra bleiben auf dem Boden.)

HELENE UND FAUST
Auf einmal folgt der Freude
Der bitterste Schmerz.
EUPHORION (aus der Tiefe)
Mutter! lass mich nicht allein
In der Domäne der Schatten!

(Pause)

CHOR
Nicht allein! - Egal wo ihr seid,
Denn wir glauben über euch folgendes:
Oh! Obwohl der Tag euch scheidet,
Nicht ein Herz wird sich von euch trennen.
Wir wünschen euch kaum, zu trauern, auch
Wir singen voller Neid euer Schicksal:
Euch das hellste Licht des Himmels
Gab Lied und Mut, wahr und groß.
Ah! Ihr wurdet für das irdische Schicksal geboren,
Hoher Abstammung und höchster Macht:
Jugend, leider, während du gingst in die Irre,
Wurde von euch in der ersten Stunde fortgerissen!
Sie sah die Welt, mit klarer Vision,
Sie, die hatte die Sehnsucht des Herzens verstanden,
Die Glut der Leidenschaft für eine schöne Frau,
Und alle singen in seltenster Kunst.
Doch unwiderstehlich, lief er vergebens,
In Netzen der Disziplinlosigkeit: Er
Ist geschieden heftig,
Aus Gewohnheit und nach der Regel:
Bis endlich, durch das Denken tiefer,
Du Mut fandest, mehr Gewicht,
Und wolltest Glanz gewinnen,
Aber das konnte nicht dein Schicksal sein.
Wessen dann? - Die düstere Frage
Das Schicksal selbst verbirgt,
Während in Tagen des Glücks unselig
Stummes Blut gerinnt unsres Volkes.
Aber auch neue Lieder wird er aktualisieren,
Nicht mehr sich beugen auf den Boden,
Die Erde wird ihn noch einmal sehen,
Wie sie ihn einmal zuvor gesehen.

(Eine komplette Pause. Die Musik endet.)

HELENE (Zu Faust.)
Leider erweist sich das alte Wort für mich als wahr:
Freude und Schönheit nie nachhaltig sich vereinen.
Der Faden des Lebens, wie der Faden der Liebe, ist zerrissen:
Schmerzlich beklagen wirs beide, nun muss ich sagen: Abschied,
Und gib mir deine Umarmung noch einmal und dann nicht mehr.
Persephone ists, die mich empfängt und unser Kind!

(Sie umarmt Faust: ihr Körper verschwindet, nur ihr Kleid und Schleier bleiben in seinen Händen.)



DER TRAGÖDIE DRITTER TEIL


DIE HIMMLISCHEN HEERSCHAREN
Boten folgen
Himmlischen Stammes, oh,
Im gemütlichen Flug:
Sünde vergeben sie,
Staub lassen sie leben:
Die Freundschaft, die sie zeigen
Der Natur da unten,
Schwebend werden sie geben,
Wenn sie langsam steigen!
ASMODÄUS
Ich habe gehört Dissonanzen, all das böse Klingeln
Von dort oben, mit dem unwillkommenen Tag:
Es ist immer diese kindische, mädchenhafte Stümperei,
Die der fromme Geschmack liebt zu hören und zu spielen.
Sie kennen uns in verabscheuungswürdigen Momenten,
Sie sehen als Ruine die menschliche Rasse:
Aber die schändlichsten Komplimente
Sind Gebete, eine schlechte Schande.
Diese Dandys kommen, diese Heuchler:
Sie haben Haufen von Seelen entrissen,
Sie nutzen unsere eigenen Waffen:
Sie sind Teufel in Verkleidung, würde ich sagen.
Seelen an diese zu verlieren, ist eine ewige Schande:
Auf zum Grab, Faust, und erneuere deinen Pakt!
DER CHOR DER ENGEL (Rosen streuend)
Rosen, die blendenden,
Balsam spendenden,
Schwimmende, Zitternde,
Heimlich belebende,
Inspirieren uns,
Knospen süß feuern uns an,
Eilig zu blühen!
Hochrote und grüne, hier
Nimm den Frühling an!
Trage den Schlafenden
In Paradies-Gemächer.
ASMODÄUS (zu den Teufeln)
 Warum wie eine Ente abtauchen? Ist das der Hölle Brauch?
Steht ihr immer noch da und verstreut euch?
Jeder gaffe in Kraft und sehe sich nach ihnen um!
Ihr denkt, mit so ein paar blumigen Brocken,
Die Hitze der Teufelsracker abzukühlen:
Der Atem schmilzt und schrumpft wieder.
Jetzt blast ihr Gebläse!... Genug, genug!
Bei eurem Sprudeln verblasst all das Zeug.
Nicht so wild! Schließt Mund und Nase!
Ah, jetzt schon zu heftig mit den Rosen,
Wo ist die Milde, die ihr gelernt haben solltet?
Ihr seid nicht nur schrumpfend: ihr brennt, seid verbrannt!
Ihr schwebt in Flammen, giftig, hell:
Vermeidet es, dicht zusammen zu stehn, ihr drängt euch dicht!
Euer Strom schwindet! Und euer Mut auch!
Die Teufel schnüffeln die seltsam verführerisch Braunen.
DER CHOR DER ENGEL
Blüten der Fröhlichkeit,
Flammen des wahren Glücks,
Liebe strahlen sie aus,
Glück erschaffen sie,
Da nur das Herz es vermag.
Worte, die wahren,
Lüfte, die klaren,
Sammeln sie rund um uns
Den ewigen Tag!
ASMODÄUS
O, verflucht! O Schauer der Scham, dass die Schuppen fallen!
Jeder Satan steht auf dem Kopf,
Die bewegen sich wie Kreisel, in Kurven,
Und stürzen ärschlings nach oben in die Hölle.
Geht und findet die heißen Bäder, die ihr verdient!
Während ich in meinem Beitrag hier noch stehen werde.

(Er schlägt nach den schwebenden Rosen.)

Weg mit den Bündeln, weg! Obwohl ihr brennt,
Gefangen am Ende, ihr seid widerlich stinkend.
Warum flattert ihr hier? Weg, ihr Fliegen!
Ihr klebt wie Teer und Schwefel: schmutzige Sachen.
CHOR DER ENGEL
Was nicht Teil von dir ist,
Su musst es nicht teilen:
Was bedrückt dich innerlich,
Du musst es nicht ertragen.
Sollte es eingeschlossen werden, mit Kraft,
Wir werden seinen Kurs ablenken.
Nur die liebevolle Liebe
Führt zurück zur Quelle!
ASMODÄUS
Mein Kopf und mein Herz verbrannt, meine Leber verbrannt,
Durch das teuflische Element!
Schärfer als die Feuer der Hölle!
Das ist, was euch weinen macht,
Euch, das Pech in der Liebe! Verschmähte,
Köpfe wendeten sich zur Geliebten, spannend.
Meiner auch! Wie ist er nun zur Seite gewendet?
Seid ihr und ich nicht zum ewigen Streit verschworen?
Ich, einst spinnefeind eurer Sicht.
Hat eine fremde Macht mich durchbohrt durch und durch?
Ich tat gerne auf sie blicken, die schönsten Knaben:
Was hält mich zurück, euch zu verfluchen?
Und wenn ich mich betören ließ,
Wer wird den Narren in Zukunft spielen?
Diese luftigen Stipendiaten, die ich hasse,
Wie schön, jetzt erscheinen sie mir alle!
Sie sind süße Knaben, sagt mir dann:
Seid ihr nicht Teil von Luzifers Rasse?
Ihr seid so schön, ich möchte euch küssen, immer wieder,
Es fühlt sich an, als ob dies die richtige Stelle sei.
Es fühlt sich so angenehm an, so natürlich für mich,
Als ob wir uns tausendmal getroffen hätten,
So heimlich katzengleich, so lustvoll:
Die Lieblichkeit mit jedem Blick mehr beschleunigt.
Oh, kommt näher! Oh, nur einen Blick auf mich!
DIE ENGEL
Wir sind schon HIER, warum so vorsichtig?
Wir sind nah, und wenn du kannst, dann bleibe!

(Die Engel kommen vorwärts und besetzen den ganzen Raum.)

ASMODÄUS (ins Proszenium)
Sie verachten uns, die Geister der Verdammten,
Doch du bist das wahre Zeichen der Zauberer:
Sie führen beide, Mann und Frau, in die Irre.
Was für ein elendes Glück, und dringend!
Ist dies das eigene Element der Liebe?
Mein ganzer Körper ist in Feuer getaucht,
Ich fühle kaum, mein Kopf ist so verbrannt.
Sie schwimmen hin und her, nach unten sinken sie,
Bewegen die süßen Glieder mit irdischer List:
Es stimmt, ein Grabesausdruck passt euch,
Aber ich würde euch immer noch gerne sehen, lächelt ein wenig!
Das wäre eine ewige Freude für mich.
Wie der Liebenden gegenseitiger Blick, schaut:
Ein Lächeln um den Mund, wie es gemacht wird,
Dich, den großen Knaben, ich könnte dich lieben,
Die Priester-Pose passt wirklich nicht zu dir,
So zeige ein wenig Lust, und suche mich!
Ihr könntet bescheidener nackt sein,
Statt des Gewandes mit langen Saum, so zurückhaltend -
Sie wenden sich – ich sehe sie von hinten -
Diese Schelme sind nun wirklich zu appetitlich!
CHOR DER ENGEL
Ihr, liebevolle Flammen,
Heller jetzt angefacht,
Rettet die Verdammten
Mit der höheren Wahrheit!
Lasst sie befreit werden
Von bösen Taten
Durch der herrlichen Barmherzigkeit
Ewige Umarmung.
ASMODÄUS (sammelt sich)
Was ist los mit mir! Wie Hiob geht es mir,
Alles läuft darauf hinaus, mich zu erschrecken,
Und doch hab ich gewonnen.
Wie gut, da jetzt meine Prüfung beendet ist
Und mein Vertrauen in mich selbst
Und mein Geschlecht gut aufgestellt ist:
Der Teufel edle Sippe erscheint intakt,
Diese Liebes-Verzauberung ist nur an der Oberfläche:
Die elenden Flammen werden schon erstickt,
Und, wie es richtig ist, verfluche ich euch alle zusammen!
CHOR DER ENGEL
Reine Weißglut!
Wen seine Flammen segnen,
Glückselig mit Güte
Ist seine Existenz.
Versammelt euch,
Steigt auf und singt Lobpreis!
Der Geist kann hier atmen
In reinen Wellen!

(Sie erheben sich und reißen den unsterblichen Teil des Faust hinan.)

ASMODÄUS (blickt zu ihm)
Wie denn? Wohin sind sie verschwunden?
Sie haben mich überrascht, diese Knaben.
Jetzt mit dem, was sie aus dem Grab geborgen haben
Als ihren eignen Gewinn, fliegen sie in den Himmel:
Sie haben einen großen einzigartigen Schatz gestohlen:
Die edle Seele, die mir ihre Freude verpfändet,
Sie haben sie mir entrissen mit List.
Aber an wen könnt ich mich wenden, mich zu beschweren?
Wer würde mir mein wohlverdientes Recht gewähren?
Ich bin in meinem hohen Alter betrogen worden,
Ich hab es verdient, dieses gemeine Elend.
Mit großem Aufwand, beschämend! Und sie ist weg:
Ich habe alles falsch behandelt, schändlich,
Eine gemeine Lust, eine absurde Leidenschaft,
Da schwankte der geprüfte Teufel töricht.
Und wenn Erfahrung war in einem Chaos
Mit all diesen kindisch dummen Dingen,
War es nicht in Wahrheit triviale Torheit,
Die nahm Besitz von ihm am Ende?

(Berg-Schluchten, Wald, Felsen, Wüsten. Heilige Eremiten, in aufsteigenden Ebenen aufgeteilt, zwischen den Schluchten sichtbar.)

CHOR UND ECHO
Wälder, sie winken heran,
Über ihnen Klippen ragen,
Wurzeln klammern sich an felsigen Boden,
Stamm an Stamm gebunden,
Welle auf Welle spritzt auf,
Tiefe Höhlen schützen uns.
Löwen schleichen lautlos,
Umrunden uns, immer noch freundlich,
Ehren den heiligen Raum,
Liebe ist ein heilig Versteck.
PATER ECSTATICUS (schwebend auf und ab)
Ewige Feuer der Glückseligkeit,
Glühend vom Opfer der Liebe,
Schmerz im Herzen, brodelnd,
Begeisterung göttlich, schäumend!
Pfeile, kommt, durchbohrt mich,
Speere, bezwingt mich,
Keulen, erschüttert mich,
Blitz, blinke durch mich durch!
So geht die Nichtigkeit
Von allee Unwirklichkeit,
Und von den dauernden Sternen
Glänzt der Liebe ewiger Kern.
PATER PROFUNDIS (auf niedrigerer Ebene. )
Da dieser felsige Abgrund zu meinen Füßen
Ruht auf einem tieferen Abgrund,
Tausend glitzernder Bäche fließen
Im Abwärts-Zischen der schäumenden Flut,
Wie bei ihrem eigenen starken Impuls, hinüber,
Der Baum gen Himmel hebt sich in die Luft:
Auch so die allmächtige Liebe,
Von ihr werden alle Dinge gepflegt.
Um mich herum gibt es ein wildes Gebrüll,
Als ob die Felsen und Wälder sich bewegten,
Doch voller Liebe das Wasser fließt,
Rauschend reichlich fern,
Geschickt, um das Tal zu bewässern:
Der Blitz, der nach unten blitzt,
Muss die Atmosphäre reinigen
Von giftigen Dämpfen.
Sie sind Boten der Liebe, sie erzählen
Von dem, was um uns herum ewig erschaffen.
Möge es sich mir entzünden innen,
Da mein Geist, kalt und verwirrt,
Quält sich selbst, in den dumpfen Sinnen gebunden,
Von scharfen Zähnen der Fesseln qualvoller Kunst.
Oh, Gott! Beruhige meine Gedanken, beruhige mich,
Und das Licht bring, dessen mein Herz bedarf!
PATER SERAPHICUS (in den mittleren Regionen. )
Was für ein Nebel des Morgens schwebt
Durch der Pinien schwankendes Haar!
Kann ich erraten, was er vielleicht bedeckt?
Eine Schar von Geistern lebt dort.
CHOR DER SELIGEN KNABEN
Sag uns, Vater, wo wir wandern,
Sag uns Kindern, wer wir sind?
Wir freuen uns! Wir rufen es zu
Allen, die weben, allen, die leben.
PATER SERAPHICUS
Die Knaben! Geboren in der Mitternacht Stunde,
Geist und Seele halb enthüllt,
Für Ihre Eltern eine verlorene Mitgift,
Für die Engel gewonnener Gewinn.
Sie wissen, dass derjenige, der liebt das Gefühl,
Ist in ihrer Nähe, wenn sie zu mir kommen:
Doch von den irdischen Wegen und Bewegungen
Sie tragen keine Spuren mehr an sich, glücklich!
Steigt in meine Augen, von denen bekannt ist,
Sie sind die besten Organe des irdischen Lebens,
Sie können eure Augen als ihre eigenen verwenden,
Zu bestaunen all die breiten Räume!

(Er nimmt sie in sich auf.)

Da sind Bäume, da sind Klippen,
Ein Strom von Wasser, rauschende Runde,
Mit riesigen Sprüngen steigt es auf,
Verkürzend seine Reise nach unten.
DIE KNABEN (aus ihm redend.)
Das ist in der Tat eine mächtige Vision,
Aber es ist düster hier, weißt du,
Von Furcht und Angst sind wir alle erschüttert.
Vater der Kinder, lass uns gehen!
PATER SERAPHICUS
Steigt nach oben, in die höchste Sphäre,
Wachst unbemerkt immer dort,
Während in reiner ewiger Weise
Gottes Gegenwart macht euch stärker.
Das ist des Geistes Trankopfer,
Gemischt mit der freiesten Luft:
Ewige Offenbarung der Liebe,
Glückseligkeit ist dort entfaltet.
CHOR DER KNABEN (kreisend rund um die höchsten Gipfel.)
Die Hände jetzt bewegt,
Freudige Runden kreist,
Jubel und Gesang
Mit Klang der schönsten Gefühle!
Von Gott Gelehrter,
Jetzt solltest du vertrauen:
Ihn, den Euer Gnaden gesucht,
Den werdet Ihr endlich schauen.
DIE ENGEL (fliegend in der höchsten Atmosphäre, mit sich führend die Entelechie des Faust.)
Er entkam, dieses edle Glied
Der geistigen Welt, dem Bösen,
Wer immer recht bestrebt war,
Wir können ihn vorm Teufel retten.
Und wenn er in Liebe lebte,
Von oben gewährt,
Das heilige Publikum wird ihn treffen
Mit Willkommen und mit Liebe.
DIE JÜNGEREN ENGEL
Jener erhob sich an der Hand
Der Büßerinnen, liebevoll, heilig,
Sie halfen uns den Sieg zu gewinnen,
Die höchste Arbeit ist abgeschlossen,
Den Schatz dieser Seele haben wir gewonnen.
Der Böse verneigte sich vor den Blüten,
Die Teufel flohen die Schläge, die wir austeilten.
Statt Höllenschmerzen nun
Sie fühlen der Geister Liebesschmerzen:
Wieder von Qualen durchbohrt
Der alte Teufel-Meister war auch hinweg.
Jubel! Alles ist vollendet.
EIN VOLLKOMMENER ENGEL
Zu tragen sterbliche Überreste,
Ist schwer zu ertragen,
Obwohl sie die Flammen überleben,
Sie sind immer noch unrein.
Einmal im großen Geist der Stärke
So dicht gefügt
Alle vier Elemente,
Kein Engel spaltet
Die Doppel-Natur;
Die nach innen verbindlich ist:
Nur der Ewigen Liebe
Bleibt die Auflösung.
DIE JÜNGEREN ENGEL
Auf felsigen Höhen beschlagene,
Jetzt werden wir das Gefühl nicht los,
Kurz vor unserer klarer Sicht
Sind geistige Wesen.
Diese Wolken verschwinden,
Eine Menschenmenge sehen wir,
Heilige junge Männer,
Von ihren irdischen Finsternissen befreit,
Zusammen umkreisend,
Wieder erfreut,
In heller Blüte der Flügel,
In höherer Luft.
Lasst sie dann zusammen sein,
Führt ihn hinauf: hinan gestiegen,
Und es ist perfekt!
DIE KNABEN
Freudig empfangen wir
Ihn als Puppe:
So dass wir jetzt erreichen
Ein Unterpfand unserer Glückseligkeit.
Lasst alle Fäden verlorengehen,
Die ihn jetzt noch umgeben!
Er ist bereits gesegnet,
Die göttliche Liebe hat ihn gefunden!
DOCTOR MARIANUS (der transformierte Faust, in der höchsten reinsten Zelle.)
Hier ist die freie Ansicht,
Der Geist getrieben gen Himmel.
Frauen bewegen sich,
Treiben aufwärts nach oben.
Die Pracht sehe ich
In Girlanden der Sterne,
Dort, aller Himmel Königin
Strahlt aus der Ferne.

(begeistert)

Höchste Königin der ganzen Welt!
Lass mich, im Blauen,
Da aller Himmel Netz entfaltet,
Kennen dein Geheimnis!
Genehmige die ernste Bewunderung,
Rührend das menschliche Herz,
Und mit dem heiligen Segen der Liebe
Hebe höher das Herz, durch deine Kunst.
Unser Mut ist unbesiegbar
Auf deinen hohen Befehl:
Aber unser Schein ist schonender noch,
Wenn du zufrieden bist.
Jungfrau, rein, der schönste Geist,
Mutter, in allem Adel,
Herrin, Herrscherin des All,
Königin unserer Realität!
Solcher Lichtwolken Fragmente
Wehn um sie herum,
Sie sind die Büßerinnen,
Frauen so zart,
Rund um Ihr Knie,
Atmend die Lüfte frei,
In dem Wunsch, Ihre Gnade zu erlangen.
Du bist die Jungfrau-Mutter,
Es ist nicht überraschend,
Gäste zu sehen, die verführten,
Dir gegenüber aufsteigend sind.
Bilder der Schwäche jetzt,
Sie alle waren schwer zu retten:
Wer kann der Kraft widerstehen
Der Wünsche, die uns versklaven?
Wie schnell die Füße gleiten
Auf glattem, abgeschrägtem Boden!
Wer ist von Blick und Lippe unversucht
Oder durch schmeichelnde Töne?

(Die Gottesmutter Maria steigt in den Raum.)
CHOR DER BÜẞERINNEN
Die du steigst, in der Höhe, jetzt,
Auf dem Weg zum ewigen Reich,
Höre unser Flehen,
Du, die unvergleichliche Eine,
Oh, gnädige Einzige!
MARIA MAGDALENA
Bei der Liebe, die den Füßen galt
Deines Sohnes, göttlich, verklärt,
Lass die Tränen wie Balsam fließen,
Trotz der Pharisäer Spott -
Bei dem Öl, das so reich
Verbreitet seinen Duft auf dem Boden,
Bei den Haarlocken, die leise
Getrocknet die heiligen Füße -
DIE SAMARITANISCHE FRAU
Bei dem Gut, wo einst vorzeiten
Abrahams Herden getrieben wurden,
Bei dem Becher, der den Heiland gekühlt,
Den heiligen Lippen gegeben wurde -
Bei dem reinen fließenden Brunnen,
Der ausgegossen sein klares Wasser,
Überquellend, hell und sicher,
Durch alle Welten, immerdar -
MARIA ÄGYPTIACA
Bei dem geweihten Ort,
Wo der Leib des Herrn gelegen,
Mit der Warnung Arm, gegen mein Gesicht,
Der stieß mich weit von der Tür -
Bei meinen vierzig Jahren Reue,
Treu, in diesem Wüstenland:
Bei dem seligen letzten Satz,
Den schrieb ich in den Sand -
ALLE DREI
Da du deine Gegenwart gönnst
Den schlimmsten Sünderinnen,
Der Preis der Buße
Steigt nach oben für immer,
Gönne der verlorenen Seele,
Die einmal übertreten,
Nicht wissend, dass sie fallen könnte,
Unermessliche Vergebung!
RÖSCHEN
Oh, neige,
Du Unvergleichliche,
Du Strahlende,
Dein Angesicht,
In Barmherzigkeit gegenüber meiner Schmach!
Mein wahrer Geliebter,
Nicht mehr getrübt,
Kommt wieder zu mir!
DIE SELIGEN KNABEN (sich nähernd, schwebend im Kreis.)
Mit mächtigen Gliedmaßen
Er war jenseits von uns,
Rückkehrend zu uns, so reich,
Die Frucht unsrer Pflege.
Wir waren früh genommen
Aus des Lebens Chor:
Doch er hat gelernt, so dass er
Zärtlich weise nun uns belehrt.
RÖSCHEN
Sich verändernd, er ist sich kaum bewusst
Der Geister edlen Chor rundum,
Er kennt kaum sein neues Leben,
Schon ist er so wie die heilige Schar.
Siehe, wie er aus jeder Bindung geworfen
Seiner alten erdgebundenen Hülle,
Und seine erste Jugend jetzt ist wieder gefunden,
Es glänzt durch sein ätherisches Kleid.
Erlaube mir, ihn hier zu lehren,
Das neue Licht findet ihn immer noch so blind.
DIE GOTTESMUTTER MARIA
Komm! Aufstieg zu den höheren Sphären!
Gewinne das Bewusstsein für ihn, er wird dir folgen.
DOCTOR MARIANUS (sich verbeugend, in der Anbetung.)
Starrt auf diesen rettenden Blick,
Alle Büßerinnen, ihr zärtlichen,
Um all der glückseligen Weise
Dankt und folgt Ihr nach.
Lasst jeden feineren Sinn, ungesehen,
Ihrem Dienst angeboten werden.
Jungfrau, Mutter und Königin,
Ja Göttin, erweise deine Barmherzigkeit!
DER MYSTISCHE CHOR
Alles Vergängliche
Ist ein Gleichnis nur.
Das Unergründliche
Hier wird zur Realität:
Das Unbeschreibliche
Hier geschieht:
Die ewige Frau
Zieht uns hinauf zu Gott.