Heiligenlegende
für Kinder
von
Josef Maria Mayer
ERSTES
KAPITEL
Lieber
Michael,
ich
schreibe dir jetzt ein kleines Kinderbuch. Ich bin ja Papas Freund,
der Bücherschreiber. Ich hatte die Idee dir vom heiligen Franziskus
zu erzählen. Es soll nicht zu lang werden, weil ich bald ins Bett
muss.
Franziskus
war der Sohn eines reichen Kaufmanns. Der Vater liebte das Geld.
Franziskus aber liebte Gott und die Natur. Hast du vielleicht schon
einmal gehört, dass der heilige Franziskus mit den Vögeln
gesprochen hat? Man sagt ja auch von dem weisen König Salomo, dem
König von Israel, dass er die Vogelsprache verstand. Ich glaube, die
Vögel singen immer: Piep, Piep, Piep, wir hab'n uns alle lieb!
Der
heilige Franziskus liebte in seiner Jugend die tollsten Partys.
Später aber hat er als ein Bettelmönch mit den Armen gelebt. Wie
kam es dazu?
Der
heilige Franziskus ist ungefähr 1200 Jahre nach Jesus geboren. Man
nennt ihn auch den zweiten Jesus. Er ist im schönen Italien geboren.
Seine Mutter hieß Pica, sie gab ihrem Sohn den Namen Giovanni, das
heißt Johannes oder Hans oder Jan. Aber sein Vater hatte viel Handel
getrieben in Südfrankreich. Und er liebte Frankreich so sehr, dass
er seinen Sohn Francesco nennen wollte, das heißt Franz oder
Fränzchen, der kleine Franzose. Ich war auch mal in Südfrankreich,
es ist da wirklich fast so schön wie im Paradies.
Als
Kind liebte Franziskus die Natur, die Olivenbäume und die Büsche
mit den Weintrauben. Er spielte mit kleinen Steinchen und freute sich
über die Vögel im Garten.
Der
Vater des heiligen Franziskus war ein reicher Kaufmann, ein Händler,
der viel gereist ist, um überall Kleider zu verkaufen. So hat er
viel Geld verdient. Das ist ja nicht schlimm, wenn man Geld verdient,
aber man soll das Geld nicht so sehr lieb haben. Der Vater dachte
sich: Mein Söhnchen wird sicher auch mal ein reicher Kaufmann! Dann
steht er im Kaufmannsladen und verkauft Kleider und verdient viel
Geld und wird reich!
Franziskus
lebte im Mittelalter. Das war die Zeit der Ritter.Die Ritter
befreiten Jungfrauen von schrecklichen Drachen. Viele Ritter konnten
auch sehr schöne Musik machen. Dann schrieben sie Gedichte. Sie
verehrten die schönen Damen und sagten immer zu der schönen Dame: O
meine Herrin, Ihr seid die Allerschönste! Das hat Franziskus später
auch gemacht. Aber welche schöne Dame liebte er? Frau Armut war
seine Herrin, die Herrin Armut war seine Braut!
Die
Ritter und die Könige sprachen alle französisch. Die Mama vom
heiligen Franziskus stammte auch aus Frankreich. Sie hat ihm immer
französische Kinderlieder vorgesungen. Ich kenne auch ein
französisches Kinderlied, ich weiß zwar nicht, ob ich es richtig
schreibe, aber hier ist es:
La
fontaine est morte,
Il
n'y as pas du feu.
Ouvre
moi la porte
Pour
l'amour de Dieu!
So
konnte der kleine heilige Franziskus gut einschlafen. Seine Mama las
ihm auch Ritterbücher vor. Franziskus war auch ein kleiner Ritter,
er befreite arme Jungfrauen von dem schrecklichen Drachen und ritt
durch Italien und rief: Für Gott und meine Herrin Armut!
Franziskus
lebte als Kind ohne Sorgen. Er musste keinen Hunger leiden. Sein
Vater hatte ja Geld genug.Er wusste nicht, das gar nicht weit
entfernt, die Armen und ihre Kinder schrecklichen Hunger hatten.
Franziskus wurde von seiner Mutter behütet und fühlte sich
glücklich wie ein Taubenküken im Nest.
Franziskus
war ein liebes Kind und alle hatten ihn lieb, weil er so nett war.
Wenn er mal am Straßenrand einen Bettler sah, legte er immer eine
kleine Mütze in die kleine Schale des Bettlers.Aber nicht nur gab er
eine Mütze, sondern er lachte den Bettler freundlich an und sagte
was Nettes zu ihm. Er hatte einfach alle Menschen gern.
Bald
musste Franziskus auch in die Schule gehen. Er kam in die christliche
Sankt-Georgs-Schule. Da erzählte ihm der Lehrer viel vom heiligen
Georg. Es war nämlich einmal ein Königreich, da lebte ein König
mit sieben Prinzessinnen. Aber in dem großen See lebte ein
fürchterlicher Drache, der wollte die Prinzessinnen fressen. Jedes
Jahr einmal musste der König eine seiner Prinzessinnen opfern, und
der Drache fraß sie auf. Sechs Prinzessinnen waren schon tot. Nun
wollte der Drache die siebte Prinzessin verschlingen. Das hörte der
heilige Georg. Die siebte Prinzessin war der Liebling des Königs.
Sie war nun sein einziges Kind und sollte später Königin werden.
Und nun kam der heilige Georg auf einem weißen Pferd vom Himmel, er
trug eine silberne Ritterrüstung und ein goldenes Schwert. Der
heilige Georg tötete den Drachen und erlöste die schöne
Prinzessin.
Franziskus
wollte auch Ritter werden, wollte Drachen töten und schöne
Prinzessinnen befreien. Aber wo sollte er die Rüstung her bekommen?
Sein Vater verkaufte ja nur Purpurmäntel für die Fürsten und
Seidenkleider für die reichen Frauen.
Seine
Seele hat keine Angst. Er will Ritter sein! Aber kann denn er, der
Sohn eines reichen Kaufmanns, Ritter werden? Na, es wird schon gehen.
Da wurde er glücklich und rief: Freude, Freude, Tochter Gottes, ich
werde Ritter! Ich werde schöne Prinzessinnen befreien und rote
Drachen töten! Und wenn Franziskus froh und glücklich war, dann
sang er Lieder. Er sang:
„Froh
zu sein, bedarf es wenig,
Und
wer froh ist, ist ein König!“
Franziskus
begann nun zu arbeiten. Er wurde Kleiderverkäufer in dem Geschäft
seines Vaters. Da sagte er: Edle Dame, fühlt diesen feinen
Seidenstoff, er ist wie geschaffen für Eure Schönheit! Der Vater
freute sich: Aus dem Jungen wird noch mal was, der wird noch reich
und angesehen!
Franziskus
ist froh und glücklich. Er liebt das Leben, er liebt die Menschen.
Die Leute der Stadt mögen seine Fröhlichkeit. Wenn sie betrübt
sind, macht ihnen seine Heiterkeit neuen Lebensmut. Franziskus ist
reich geworden. Er trägt nur teure Kleider. Er benimmt sich wie ein
junger Prinz. Alle Leute in der Stadt kennen ihn. Wenn die
Nachbarinnen mit seiner Mutter über Franziskus sprechen, sagen die
Frauen: „Das ist ja ein lustiger Bursche! Er ist ja ein richtiger
Bruder Lustig!“ Dann sagte seine Mutter: „Mein Sohn ist ein
Liebling Gottes!“
Franziskus
ist jetzt ein junger Mann von fünfzehn Jahren. Er ist zusammen mit
den jungen Adligen. Er kleidet sich ganz nach der Mode in Samt und
Seide. Er ist der Mittelpunkt seines Freundeskreises. Er singt
Liebeslieder für die schönen Damen. Die ganze Nacht, bis der Morgen
kommt, trinkt er mit seinen Freunden Wein. Die Freunde ziehen durch
die Straßen der Stadt und genießen das Leben und die Jugend.
Nachts
singt Franziskus seine Liebeslieder an die schöne Dame, die er
liebt. Er schlägt dazu das Tamburin. Er tanzt in den Straßen und
singt dem Mond seine Liebeslieder vor. Der Mond und die Sterne
lauschen seinen Liebesliedern.
Aber
dann begann ein Krieg zwischen seiner Heimatstadt Assisi und der
Nachbarstadt Perugia. Franziskus wollte ja Ritter werden. Nun wurde
er ein Krieger und kämpfte in dem Krieg für seine Heimatstadt.
Viele Krieger starben in dem Krieg. Franziskus wurde gefangen
genommen von den Feinden. In der Gefangenschaft wurde er sehr krank.
Nur das Geld seines Vaters konnte ihn freikaufen. So kam er wieder
nach Hause. Langsam wurde er wieder gesund. Er musste an einem Stock
gehen. So humpelte er hinaus in Gottes schöne Natur.
Franziskus
geht wieder in der Natur spazieren. Die Blumen duften so süß! Die
Weintrauben sind so lecker! Es ist so erfrischend kühl und schön
still im Wäldchen! Aber irgendwie kann er sich nicht mehr freuen. Er
sucht die Freude wieder, die ihm verloren gegangen ist.
Franziskus
will immer noch Ritter werden. Eine Armee von Adligen verteidigte den
Papst, den Heiligen Vater in Rom, den obersten Hirten der Christen.
Franziskus wird ein Ritter des Papstes. Sein reicher Vater kauft ihm
eine teure Rüstung, Waffen und ein schönes Pferd. So reitet
Franziskus, der Ritter des Papstes, durch Italien. Da begegnete er
einem Ritter, der saß am Wegesrand. Der arme Ritter war im Krieg zum
Krüppel geworden. Nun musste er betteln. Franziskus schenkte dem
armen Ritter seinen goldenen Mantel und sein Schwert. Der Bettler am
Wegesrand war der Liebe Gott. Da hat der Liebe Gott dem heiligen
Franziskus das Herz wieder froh gemacht.
ZWEITES
KAPITEL
Lieber
Michael,
du
hast mich ja gefragt, wie die Geschichte vom heiligen Franziskus
weitergegangen ist. Dein Papa sagte, mein erstes kleines Büchlein
schreit ja geradezu nach Fortsetzung. Mal sehen, was nun kommt. Ich
glaube, ich hatte dir erzählt, dass der junge Franziskus in einem
Krieg in Gefangenschaft geraten war. Ein Jahr lang war er gefangen
gefangen bei Wasser und Brot! Da gabs keinen Kuchen und keine
Weintrauben. Da ist er auch sehr krank geworden. Er war dann zwar
krank, aber wieder frei und in seiner Heimat Assisi. Langsam wurde er
wieder gesund. Und als er sich wieder stark fühlte, eben als ein
echter Kerl und starker Mann, da hatte er wieder den Wunsch: Ich will
ein weltberühmter Ritter werden! Ich werde Drachen töten und
Jungfrauen erlösen! Und so zog er wieder in einen Krieg. Aber eines
Nachts hatte er einen besonderen Traum. Gott sprach zu ihm im Traum!
Franziskus träumte von einem goldenen Palast, darin befanden sich
die herrlichsten Ritterrüstungen und Waffen. Da hörte er die leise
Stimme von Jesus, und Jesus sagte: Franziskus, Franziskus, wer kann
dir am meisten schenken? Willst du von den Knechten beschenkt werden,
den Kriegsmännern? Oder willst du von Jesus beschenkt werden, dem
König des Weltalls? So träumte Franz. Er musste viel über den
Traum nachdenken. Darum ging er ganz allein an einen einsamen Ort, um
nachzudenken. Und er fragte: Jesus, mein König, was willst du denn
von mir? Was soll ich tun?
Eines
Tages begegnete Franziskus einen todkranken
Bettler. Der hatte eine ansteckende Krankheit. Darum wollte ihm
niemand nahe kommen oder ihn gar anfassen. Das war lebensgefährlich.
Der Kranke stank auch ganz ekelhaft, er
roch gar
nicht so gut wie Mamas Seife. Und der Kranke sah auch sehr hässlich
aus, weil ihm die Haut in Fetzen herunter fiel. Das alles ekelte den
Franz an und er dachte nur: Igittigitt! Aber dann sah er plötzlich:
In dem Kranken versteckte sich ja Jesus. Denn du weißt ja, Michael:
Jesus ist vom Himmel gekommen und ein Mensch wie du und ich geworden.
Und nun steckt Jesus in jedem Kind drin, steckt in jedem armen
Menschen drin, steckt in jedem Kranken drin, steckt in jedem
Sterbenden drin. Und wenn du Jesus was Liebes tun willst, so tu es
einfach einem Kind oder einem Bettler oder einem Kranken. Dann freut
sich Jesus und wird dich dafür reich beschenken. So dachte nun auch
Franz. Später sagte der heilige Franziskus über diesen Moment dies:
Damals hat mein König Jesus dem kleinen Bruder Franziskus das
Geschenk eines neuen Lebens gemacht. Denn zuerst war der Todkranke
sehr bitter für mich, aber Jesus machte ihn süß für
den Körper und süß für die Seele!
Erst fand ich den Kranken
hässlich, so bitter wie gekochten Rosenkohl! Aber als ich Jesus in
dem Bettler sah, da war er mir süß wie Himbeermarmelade und
Zuckerbrot!
Eines
Tages kam der heilige Franziskus nach Damiano. Da sah er die kleine
Kirche, die war ganz kaputt. Er aber ging in die kaputte Kirche rein,
denn da wohnt Gott. Über dem Altar hing ein Kreuz und an dem Kreuz
hing Jesus. Jesus ist ja gestorben, Michael, damit du für immer und
ewig leben kannst! Franz wollte von Jesus was wissen: Mein König
Jesus, welchen Weg soll ich gehen? O lieber Gott, du bist der Größte,
du bist der Schönste! Ich will immer vertrauen, dass du mich wie ein
starker Vater beschützt und wie eine zärtliche Mutter liebst. Ich
will immer hoffen, dass ich nach meinem Tod für immer glücklich im
Paradies bin, wo immer Sommer ist! Und ich will immer den lieben Gott
lieb haben und will auch den Menschen Gutes tun. Lieber Gott, bitte
gib mir schöne Gefühle und große Klugheit. Ich möchte gerne
wissen, was du dir wünschst, denn ich möchte dir eine Freude
machen, lieber Gott. So betete Franz. Und da hörte er, wie der Jesus
am Kreuz zu ihm sprach: Franziskus, Franziskus, ich wünsche mir von
dir, dass du Gottes Haus wieder neu aufbaust. Du siehst doch, dass
Gottes Haus kaputt ist. So sagte Jesus.
Franziskus
dachte über das Wort Gottes nach. Er nahm es ganz wörtlich, denn er
verstand den geheimnisvollen Sinn noch nicht. Und so dachte er: Ich
werde dieses kleine kaputte Kirchlein von Damion ausbessern.
Franziskus nahm das Geld seines reichen Vaters und kaufte Steine. Er
krempelte die Ärmel hoch und schleppte die Steine zum Kirchlein.
Dann arbeitete er wie ein Maurer. So machte er das kleine kaputte
Kirchlein zu einer hübschen neuen Kirche. Sein Vater, der reiche
Kaufmann, schaute seinem Sohn eine Zeitlang zu. Aber dann riss dem
Vater der Geduldsfaden. Da schrie der Vater seinen Sohn an: Du Idiot!
Du bist ja ein Verrückter! Du hast nur
verrückte Ideen im Kopf! Anstatt Geld zu verdienen, gibst du mein
liebes Geld den schmutzigen Armen. Ich habe viel Geld zusammen
gespart, ich war immer geizig,
und du schenkst den Bettlerinnen Kleider und den kleinen
Straßenjungen schenkst du Süßigkeiten! Und in meinem
Kaufmannsladen willst du auch nicht arbeiten, sondern baust wie ein
Maurer an dieser kaputten Kirche rum! Du bist verrückt! Und
Verrückte sperrt man ein! So schrie der Vater und sperrte seinen
Sohn ein. Aber Franziskus haute ab, er wollte lieber ein Verrückter
Gottes sein als ein Liebhaber des Geldes. Und weiter baute der Maurer
Franziskus an seinem Kirchlein, und das Gotteshaus ward immer
schöner. Da sagte sein Vater: Nun, du Dummkopf, wenn du das Geld
nicht liebst, dann wirst du nach meinem Tod auch kein Geld von mir
erben! Lieber nehm ich mein Geld mit ins Grab, als es dir zu geben!
Du würdest ja doch alles den lumpigen Straßenkindern schenken.
Dann
gab es noch einen großen Streit zwischen Franz und seinem Vater. Das
war vor
dem Palast des Bischofs. Da stand Franz vor seinem Vater und schrie
ihn an: Ich will dein verdammtes Geld nicht! Und ich will auch nicht
mehr deine teuren Kleider tragen! Und Franz zog seinen Purpurmantel
aus und warf ihn seinem Vater vor die Füße. Dann zog er sein
Seidenhemd aus und warf es seinem Vater vor die Füße. Dann zog er
seinen Ledergürtel mit silberner Schnalle aus und warf ihn seinem
Vater vor die Füße. Dann zog er seine schwarze Samthose aus und
warf sie seinem Vater vor die Füße. Dann zog er seinem
Lammwollsocken aus und warf sie seinem Vater vor die Füße. Dann zog
er seine seidene Unterhose aus und warf sie seinem Vater vor die
Füße. Da stand nun der heilige Franz nackig da, wie Gott ihn
geschaffen hatte. Der liebe Bischof warf dem heiligen Franziskus
schnell seinen Bischofsmantel um. Dann rief der heilige Franziskus:
Ich habe jetzt keinen Vater mehr! Mein einziger Vater ist nun der
liebe Vater Unser im Himmel! Und dann nahm Franz sich einen einfachen
Umhang eines Bettlers und zog den an. Er wollte auf der eigenen Haut
fühlen, wie sich die Bettler fühlen. Und dann ist Franziskus zum
Heiligen Vater nach Rom gewandert.
Einmal
ging Sankt Franziskus in eine Kirche. Er feierte den Gottesdienst
mit. Da wurde aus der Bibel vorgelesen. Jesus sagte: Meine Schüler,
geht von Ort zu Ort, die freudige Botschaft allen Geschöpfen zu
erzählen. Geht, aber nehmt kein Geld mit, keine Tasche mit Brot,
nehmt keinen Wanderstab mit und tragt keine Schuhe an den Füßen.
Als das Wort Gottes vorgelesen wurde, wusste Franz plötzlich: Das
sagt Jesus ja jetzt zu mir! Genau das will ich tun. Ich will alles
genau so machen, wie es in der Bibel steht. So kann ich Jesus zeigen,
dass ich ihn lieb hab. Und nun fand Franz auch neue Freunde. Seine
alten Freunde, die nur das Geld und dumme Späße liebten, hatte er
verlassen. Seine neuen Freunde aber liebten Jesus auch. Sie wollte
zusammen mit Franz allen Geschöpfen von Jesus erzählen. Die neuen
Freunde nannten sich Brüder, denn sie hatten alle denselben Vater,
den Vater Unser im Himmel. Darum waren sie Brüder. Eigentlich hatte
Franz gar nicht eine neue Gemeinschaft von Brüdern gründen wollen.
Er hatte erst gedacht: Ich mach das allein, nur mein Gott und ich.
Aber der liebe Gott führte die neuen Freunde zu Franz. Gott wollte,
dass Franz auf seinem Weg nicht mehr ganz so einsam war. Und die
Gemeinschaft der Brüder sollte genau so leben, wie es in der Bibel
steht. Sie wollten alles genau so machen, wie Jesus es getan hatte.
Franz
las immer in der Bibel über das Leben von Jesus. Und so wollte er
auch leben. Er schrieb auch auf, wie er mit seinen Brüdern in
Gemeinschaft leben wollte. Und eines Nachts lag der Papst, der
Heilige Vater in Rom, in seinem Bett. Was meinst du, Michael, ob der
Papst geschnarcht hat wie dein Papa? Das weiß ich nicht. Aber ich
weiß, dass er einen Traum hatte. Er sah im Traum die große Kirche
des Papstes. Aber die Kirche wäre beinah eingestürzt. Doch da sah
der Papst im Traum einen kleinen Bruder im Bettlerkleid, der den
Einsturz der Papstkirche verhinderte. Da wachte der Papst früh auf
und fragte sich: Wer ist dieser kleine Bruder? Und dann kam der
heilige Franziskus mit seinen Brüdern zum Papst. Da erkannte der
Papst: Der kleine Bruder in meinem Traum, das war ja der heilige
Franziskus! Da sagte der Papst zu Franziskus und seinen kleinen
Brüdern: Jesus schickt euch los! Geht in alle Länder! Erzählt
allen Geschöpfen von der Liebe Gottes! Nun nannte man die kleinen
Brüder des heiligen Franziskus einfach Kleine Brüder oder
Franziskaner. Und die wanderten nun von Land zu Land und erzählten
allen von der Liebe Gottes. Sie arbeiteten mit den Händen, um sich
ihr Brot zu verdienen. Und wenn mal der Arbeitslohn nicht ausgezahlt
wurde, dann gingen sie von Tür zu Tür und baten um eine milde Gabe.
Die
Kleinen Brüder trafen sich alle zusammen in einem leeren Schuppen.
Aber ein böser Bauer verjagte sie mit seiner Mistgabel. Dann bekamen
die kleinen Brüder die Kirche der heiligen Mutter Maria geschenkt.
Da konnten sie Gottesdienst feiern. Daneben war auch ein Haus, in dem
sie miteinander sprechen konnten, zusammen essen, und sich mal
richtig ausschlafen. Neben der Kirche der heiligen Mutter Maria war
ein Wald. Da ging Franz gerne spazieren. Er liebte ja die Natur so
sehr. Er konnte keinem Käfer was zuleide tun. Es roch auch so gut im
Wald. Und alles war so still im Wald. Und eines Tages kam zu Franz
ein junges schönes Mädchen. Sie war eine Fürstin. Sie hieß Klara.
Sie war gerade neunzehn Jahre alt. Und sie war wunderschön. Sagte
ich das schon? Sie war von zuhause abgehauen. Sie wollte nämlich
genau so arm leben wie Franziskus. Sie besuchte Franz in seinem
Zimmer. Und da trank sie Milch aus seinen Brüsten. Ja, ja, so sagt
man. Sie lebte nun genau so arm wie Franz. Und viele Frauen folgten
der heiligen Klara. Die Töchter der heiligen Klara nennt man
Klarissen. Sie singen sehr schön für Gott. Die Klarissen beten und
beten und beten und sind einfach in den lieben Gott verliebt. Die
heilige Klara konnte unsichtbare Dinge sehen. Und darum ist sie die
Schutzheilige des Fernsehens. So hatte der heilige Franziskus nun in
der heiligen Klara eine Freundin gefunden. Aber was meinst du,
Michael, muss unser lieber Franz nicht noch heiraten? Was meinst du,
wen wollte der heilige Franz heiraten? Du ahnst es nicht! Franz war
auch ein Dichter und er war verliebt in Frau Armut! Für Frau Armut
schrieb er Liebesgedichte. Und Frau Armut liebte den kleinen Franz
auch sehr. Und so haben Frau Armut und der heilige Franziskus
geheiratet!
In
der Kirche der heiligen Mutter Maria trafen sich Franziskus und die
Kleinen Brüder einmal im Jahr. Dann erzählte jeder kleine Bruder
von seinen Abenteuern. Jeder sagte, was er noch Tolles für Jesus tun
wollte. Dann zogen sie wieder in die ganze Welt aus. Als Kind wollte
Franziskus ja ein Ritter sein, Drachen töten und Jungfrauen erlösen.
Nun hatte der liebe Gott ihn zu einem ganz andern Ritter gemacht.
Franziskus ritt nicht hoch zu Ross, sondern ging zu Fuß, sogar ohne
Schuhe. Er kämpfte nicht mit dem Schwert, sondern mit der Zunge. Er
führte nicht Krieg, sondern rief alle Menschen zum Frieden auf. Er
tötete keine Drachen, aber er vertrieb den Hass aus den Herzen der
Menschen. Er befreite keine Jungfrauen, aber er rettete Seelen, indem
er sie zum Retter Jesus brachte. Er diente als Ritter keinem stolzen
Burgfräulein, sondern seiner Herrin, der Frau Armut. Franziskus war
nun ein Ritter nach dem Herzen Gottes. Er wollte nun unbedingt nach
Syrien, den Moslems dort von Jesus zu erzählen. Die Moslems in
Syrien waren ein kriegerisches Volk. Sie glaubten, dass Gott will,
man soll Krieg führen und die Feinde töten. Franziskus wollte ihnen
erzählen, dass der liebe Gott der Gott des Friedens ist. Dem lieben
Gott ist das Leben heilig. Leider konnte Franziskus auf dem Schiff
Syrien nicht erreichen. Das Schiff geriet nämlich in einen Sturm und
zerbrach. Franziskus wurde an die Küste von Italien zurück gespült.
Dann wollte Franziskus nach Marokko. Das liegt in Afrika, ganz nahe
bei Spanien. Ich war da mal, da trinken sie gerne Pfefferminztee.
Aber auch das gelang nicht. Franziskus wurde nämlich krank, so
musste er in Spanien umkehren. Ja, Michael, das kennst du vielleicht:
Du willst irgendwas tun, und es gelingt einfach nicht. Aber nie den
Mut verlieren! Beim nächsten Mal klappts vielleicht!
Damals
führten viele christliche Könige und christliche Ritter Krieg mit
den Moslems. Die Moslems hatten das Morgenland militärisch erobert
und auch das Heilige Land, in dem Jesus gelebt hatte. Aber
Franziskus, der Ritter nach dem Herzen Gottes, wollte mit den Moslems
keinen Krieg führen. Er wollte mit den Moslems über Gott sprechen.
Die Franziskaner erzählten überall von der Liebe Gottes, im schönen
Frankreich, dem Land der Liebe, in Österreich, wo die Menschen so
nett sind, im Spanien, wo schon die Knaben stolz sind, in Ungarn, wo
sie Salami aus Eselsfleisch essen, und dann in Syrien, wo die
Familien riesengroß sind, und dann im Heiligen Land, in Israel und
Palästina, wo
Jesus gelebt hatte, und schließlich auch in Ägypten, wo die großen
Pyramiden stehen.
Und Franziskus fuhr mit einem Schiff voller christlicher Ritter nach
Ägypten. Aber nicht, um dort Krieg zu führen, sondern um mit den
Moslems über Gott zu sprechen. Die Moslems glauben nämlich, dass
Gott ein schrecklich strenger Herrscher sei und wir alle seine
Sklaven. Aber Franziskus wusste, dass Gott ein liebevoller Vater ist,
voller Zärtlichkeit wie eine Mutter, und wir sind Gottes Kinder.
Gott ist kein Gott des Zornes, sondern ein Gott der Liebe. Und Gott
ist kein Gott des Krieges, sondern ein Gott des Friedens. Und Gott
ist kein Gott des Todes, sondern ein Gott des Lebens. Franziskus
wollte endlich, ein für alle Mal, den Krieg zwischen den Christen
und den Moslems beenden.
Im
Krieg besiegten die Moslems die Christen. Jesus hatte den Krieg nicht
gesegnet. Aber Jesus segnete Franziskus. Der ging nämlich zu dem
König von Marokko und sprach mit dem König über Gott. Der König
von Marokko war ein guter Mensch. Er war ein Moslem, aber er sagte:
Allah ist mein Geliebter, aber ich werde nie eins mit ihm werden. Im
Himmel warten auf mich die wunderschönen Mädchen, die darf ich dann
heiraten. Aber Allah ist so fern von den Menschen, ich werde ihn
nicht einmal im Paradies sehen. Und dennoch will ich Allah verehren
und für ihn tanzen! Das fand Franziskus schon recht schön. Aber
Franziskus sagte: Gott ist nicht weit weg von den Menschen. Maria hat
ja Gott geboren. So ist Gott ein Mensch geworden, ein kleines Kind,
um für immer ganz nah bei den Kindern zu sein. Sicher, im Himmel
gibt es Millionen wunderschöne Jungfrauen, aber heiraten werde ich
im Himmel die Allerheiligste Dreifaltigkeit. Und ich werde endlich
die ungeheure Schönheit Gottes sehen! Das wiederum fand der König
von Marokko schön. Sie aßen zusammen Fladenbrot mit Rindfleisch,
Salat und Knoblauchquark. Dann umarmten sie sich. Dann sagte der
König von Marokko zum heiligen Franziskus: Bitte bete für den
Frieden in der Welt. Und so was gefällt Jesus.
Besonders
lieb hatte Franziskus die Mutter Natur. Er sah immer wieder Gottes
Schönheit in der Mutter Natur. Franziskus war so verliebt in die
Liebe Gottes, er sah in jedem Tierchen, in jeder Blume die Schönheit
Gottes. Jesus hatte ja einmal zu seinen Schülern gesagt: Geht und
erzählt allen Geschöpfen von der Liebe Gottes! Und so erzählte
Franziskus den Vögeln von der Liebe Gottes.Die Spatzen und
Sperlinge, Amseln und Rotkehlchen, Tauben und Kraniche blieben ganz
still sitzen, solange Franziskus predigte. Und wenn er sie dann
segnete, dann erst spielten und sangen sie weiter. Einmal war
Franziskus in einer Gegend, wo Hirten mit ihren Schafen lebten. Da
kam oft ein Wolf aus dem Wald, die kleinen Lämmer zu fressen.
Franziskus ging zu dem Wolf in den Wald und sagte zu ihm: Wolf, mein
Bruder, ich will, dass Frieden zwischen Wölfen und Lämmern ist. Ich
bitte dich in Jesu Namen, die Lämmer nicht mehr zu fressen. Und die
Schafe will ich bitten, dass sie dir verzeihen. So sagte Franz. Und
der Wolf war in Zukunft ganz brav. Und einmal sah Franziskus einen
Regenwurm auf der Erde, der krümmte sich. Da sagte Franz: Bruder
Wurm! Jesus hat am Kreuz gesagt: Ich bin kein Mensch mehr, ich bin
ein Wurm! Jesus befreit die ganze Natur vom Tod!
Weißt
du eigentlich, Michael, dass der liebe Franziskus das Krippenspiel
erfunden hat? Hast du schon mal in einem Krippenspiel mitgespielt?
Das hat Franziskus erfunden. Er feierte mit armen Bauern auf dem
Land. Da war ein Stall, da gab es Kühe und sogar Esel. Da war eine
Futterkrippe für die Tiere. Und da war Heu. Da war auch die schöne
Tochter eines Bauern, vierzehn Jahre jung, lange blonde Haare, große
Augen, lächelnder Mund, schlanker Körper, Beine wie ein Reh. Die
spielte die süße Jungfrau Maria. Und ein kleines Püppchen legte
Franz in die Krippe. Das war das Christkindchen. Denn Franz wollte
das mit eigenen Augen sehen, in welcher Armut das Christkindchen
geboren ist.
Franziskus
dachte immer an Jesus. Jesus war sein Liebstes. In seinem Herzen
schlug das Herz von Jesus. Die Worte von Jesus hörte er mit den
Ohren und sprach sie mit dem Mund. Die Schönheit Gottes sah er
überall mit den Augen. Mit den Händen berührte er Jesus in den
Kindern und den Kranken und den Armen. An seinen Gliedern war das
Leiden Jesu.
Einmal
hat Franziskus bei Wasser und Brot gefastet. Und zwar von Maria
Himmelfahrt bis zum Fest des Erzengels Michaelel. Der Erzengel
Michaelel ist der Schutzengel von allen Knaben, die Michael heißen.
Sein Fest ist am 29. September, da hast du Namenstag. Das darfst du
ganz groß feiern. Sag das deinen Eltern! Nun, also Franziskus hatte
nur noch trocken Brot gegessen und nichts als Wasser getrunken, einen
Monat lang. Er stand auf einem Berg und betete. Da sah er plötzlich
ein Kreuz aus Licht am Himmel. Und am Kreuz war ein Engel der Liebe.
Der hielt Pfeil und Bogen in den Händen. Ein Pfeil traf den heiligen
Franziskus ins Herz, es war ein feuriger Liebespfeil. Franziskus war
begeistert und rief immer wieder voller Glück: Gott, du bist die
Schönheit! Gott, du bist die Schönheit! Und dann hatte Franziskus
an beiden Händen und an beiden Füßen und an seinem Herzen die
gleichen Wunden wie Jesus. Nun war Franziskus zu einem zweiten Jesus
geworden!
Und
als Franziskus alt wurde, wurde er sehr krank. Er ist auch fast blind
geworden. Da hat er dieses Gedicht geschrieben:
O
lobe Gott, du Bruder Sonne,
Denn
Gott ist lauter Lust und Wonne!
O
lobe Gott, du Schwester Mond,
Weil
Gott im höchsten Lichte wohnt!
O
lobe Gott, du Bruder Feuer,
Dass
Gott die ganz Welt erneuer!
O
lobe Gott, du Schwester Wasser,
Mein
Auge wird mir immer nasser!
O
lobe Gott, du Mutter Erde,
Der
Schafe Herde und die Pferde!
O
lobe Gott, des Menschen Leib,
Du
kluger Mann, du schönes Weib!
O
lobe Gott, du Schwester Tod,
O
lobe Jahwe Zebaoth!
Als
Franziskus sein Ende kommen fühlte, ließ er sich zur Kirche der
heiligen Mutter Maria tragen. Auf dem Weg kam er am Krankenhaus
vorbei. Er segnete die Kranken. Dann saß er mit seinen Freunden noch
am Tisch, er nahm das Brot, brach es und reichte es seinen Brüdern.
Dann sangen die Brüder sein Gedicht. Dann bat Franziskus seinen
besten Freund Johannes, ihm aus der lieben Bibel vorzulesen. Dann
ließ er sich nackt neben der Kirche der heiligen Mutter Maria auf
die Erde legen. Er sagte: O süße Mutter Maria, nackt bin ich als
Baby aus dem Bauch meiner Mama auf die Welt gekommen. Nun sterbe ich.
Nackt lege ich mich in die Mutter Erde. O Mutter von Jesus, du musst
mich jetzt ins Paradies gebären. Dann sagte er noch zu seinen
Brüdern: Ich hab getan, was ich konnte. Nun müsst ihr Jesus fragen,
was ihr tun sollt. Er seufzte noch: Jesus... Jesus... Jesus.. Dann
starb er und ging in das Paradies ein.