Nachgedichtet von Josef Maria
Mayer
ERSTER GESANG
EMPEDOKLES
Höre, Pausanias, höre, du Sohn des
Weisen Anchitos!
Wenige Möglichkeiten sind nur zu
wissen den Menschen.
Alles zu wissen ist Lüge. Und
überrascht wird so mancher,
Stillt die Seele und lebhafte Wünsche.
Nachdem sie gesehen
Ihren winzigen Anteil am Leben, das
kürzere Schicksal,
Werden wie Rauch sie hoch gehoben und
huschen von dannen.
Meinen sie doch, sie seien voll
Chancen, gesegnet vom Zufall,
Werden nur hin und her getrieben. Aber
sie rühmen
Ihre große Vision des Ganzen, des
ewigen Weltalls.
Aber auf diese Weise werden die Dinge
erkannt nicht,
Nie von Menschen gehört, noch von den
Geistern ergriffen.
Du nun, der hierher gekommen, sollst
lernen, mein Lieber,
Aber nicht mehr lernen als ein
Sterblicher je kann erkennen.
Du bewahr diese Lehren in deinem
hörenden Herzen.
Aber nehmt den Wahnsinn von der Zunge
mir, Götter,
Segnet die heiligen Lippen mit der
Klarheit der Quelle!
Vielumworbene, weiß erstrahlend
jungfräuliche Muse,
Dir will ich mich nähern. O eile und
komme doch zu mir
Und mit milder Frömmigkeit zügle den
Wagen des Liedes,
Dass es rechtmäßig werde, dass die
Menschen es hören,
Deren Leben nur währt einen Tag. Es
soll mich die Lust nicht
Treiben nach dem Lorbeer des Ruhmes,
Gesänge zu zupfen
Und sich unter die irrenden Menschen
töricht zu wagen.
Sprich über heilige Dinge in
gebundener Rede,
Banne die Profanen von der Zinne der
Wahrheit.
Aber komm, o Muse, jeder Weise will
wissen,
Wie sich alles offenbart. Und mit
sehenden Augen
Wollen wir sehen und wollen hören mit
hörenden Ohren,
Schmecken, wie gut die Wahrheit ist,
und mit der Zunge verkosten.
Überprüf die Beweise aller Glieder
des Ordens,
Weise hin auf die Offenbarung jeglichen
Dinges.
Aber die Niedern misstrauen stets dem
Hohen und Starken,
Dennoch kennen sie die Zusagen unserer
Muse,
Wenn ihre Worte einmal gesiebt werden
durch deine Seele.
Und nun höre die vierfache Wurzel
aller der Dinge.
Weißglänzend leuchtet Zeus, und Hades
bringt Leben der Erde,
Und der Nestis Tränen betauen die
sterblichen Menschen.
Elemente! Ich nenn sie die
unerschaffenen Kräfte.
Mehr will ich dir nicht sagen. Es gibt
doch keinen Geburtstag
Für die sterblichen Dinge und keinen
Ruin in dem Tode,
Aber Vermischung gibt es und Austausch
von Mischungen gibt es,
Und Geburt ist ihr Name bei den
Menschen der Erde.
Aber wenn im Menschen, im Tier, im
Vogel, im Busche
Diese Elemente vermischen sich, so sie
gelangen
In das Reich des Lichts, Geburt nennens
törichte Menschen,
Wenn sie vergehen, nennen sie's
Schicksal des Todes, obwohl doch
Das nicht das Rechte ist, ich werde
nicht zustimmen solchem.
Narren! Ihre Gedanken brüteten kurz
über Eiern,
Die darauf vertrauen, das Nichts sei je
Etwas geworden
Oder ein Etwas wäre, das je ganz zu
Nichts sei geworden.
Denn aus Nicht-Seiendem kann nicht
Seiendes werden, also
Kann das Seiende nicht zerstört
werden, dass es zu Nichts wird.
Nein, kein Auge kanns sehen und kein
Ohr kann es hören,
Körper werden es sein, wo immer sie
stehen und gehen.
Und das All ist nicht Überfülle und
ist auch nicht Leere.
Nämlich in dem All gibt es keine
Leere, woher denn
Käme irgend ein Etwas, das nähert
sich unseren Sinnen?
Nein, kein weiser Mann träumt Torheit
im wissenden Herzen,
Dass nur während des Lebens, was man
Leben nennt menschlich,
Wir unser Sein besitzen und gut sind
oder sind elend,
Und noch ehe wir als Sterbliche werden
verdichtet
Und nachdem wir aufgelöst wurden als
sterbliche Menschen,
Seien wir reines Nichts gewesen, sagen
die Narren.
Nämlich Liebe und Hass waren stark von
jeher und immer,
Diese bleiben auch in den folgenden
Zeiten, ich denke,
Niemals werden die Zeitalter dieser
beiden entleert sein.
Ich will aber nun dir eine zweifache
Wahrheit berichten.
Einmal kommt aus dem Vielerlei das Eine
ins Leben,
Einmal aus dem vergehenden Einen kommen
die Vielen.
Zwiefach die Geburt ist und doppelt der
Tod ist der Dinge,
Nämlich einmal wird die Versammlung
bringen das Viele
In Geburt und Tod, und dann, was auch
immer gewachsen
Durch die Teilung, fliegt es
auseinander im Sterben.
Diese lange Reihe von Austausch niemals
wird enden.
Ist es im Einen nun, dann ist es
vereint durch die Liebe,
Ist es das Viele, ist es durch
Unfrieden, Hass und Zerstreuung.
Und soweit es das Eine noch ist,
vereint durch die Liebe,
Und soweit die Vielen wieder wachsen
zur Einheit,
So sie entspringen aus der urzeitlichen
Streuung des Einen,
Haben sie eine Geburt und haben ein
Datum des Todes.
Und soweit die lange Reihe des
Austausches nimmer
Endet, soweit wie die ewigen Götter
und Göttinnen droben
Um den Kreis der Welt sie sich ewig im
Wechsel bewegen.
Aber komm! Und hör meine Worte!
Erkenntnisse bilden
Dich und machen stark deine Seele.
Bevor ich gesprochen,
Ich benannte das rechte Ziel meiner
wissenden Worte.
Jetzt will ich dir aber eine zweifache
Wahrheit berichten,
Nämlich jetzt kommt von Vielem das
einige Eine ins Leben,
Jetzt aber aus dem vergehenden Einen
kommen die Vielen.
Feuer und Wasser und Erde und die Höhe
der Lüfte!
Bricht ihr geschlossener Kreis
auseinander, die tödliche Streitmacht
Sie zerstreut, und doch bleibt in ihrer
Mitte die Liebe,
In der Länge und Breite und Höhe und
Tiefe die Liebe!
Seht sie mit der Vernunft und seht sie
nicht mit den Augen
Staunend, denn angeboren ist die ewige
Liebe
Und bleibt in den Gliedern der Menschen
für immer gegründet.
Durch die Liebe denken die Menschen
Gedanken der Liebe,
Perfektionieren sie die künstlichen
Werke der Einsicht,
Nennen sie Göttin Aphrodite, Wonne der
Wonnen!
In den Elementen mit Geschwindigkeit
läuft sie,
Aber kein sterblicher Mann hat jemals
die Liebe ergründet.
Aber nun höre meine Beweise, die
unwiderlegbar.
Siehe, die Elemente besitzen die einige
Stärke
Und den selben Ursprung, jedes regiert
seinen Pflichtkreis,
Jedes Element waltet nach dem Modus ihm
eigen,
Herrschend erobern sie im Laufe der
kreisenden Zeiten.
Und für diese gibt es keine Geburt und
kein Ende,
Denn sie waren immer und gehen nimmer
verloren.
Wenn sie nicht waren, wie ward dann das
ewige Weltall?
Wie aber könnten jemals sie ruiniert
werden, nichtig,
Da von den Elementen nichts
Existierendes leer ist?
Nein, sie sind Alles, und jetzt sind
sie natürlich zusammen,
Miteinander sind sie jetzt dieses,
jetzt jenes, geboren
Und so immer und ewig fort in Ewigkeit
drunten.
Fest umklammere du die Lieblichkeit
ewiger Liebe!
Liebe und Hass regieren in den
organischen Welten.
Und der weltweite Krieg der ewigen Zwei
ist erkennbar
Auch in der Masse der menschlichen
Glieder, ich will es dir zeigen:
Wenn zwei Menschen sich zu Einem in
Liebe vereinen,
Nehmen die sterblichen Glieder an die
leiblichen Formen,
Und das Leben ist eine Frühlingsblume.
Verwelkend,
Durch den perversen Hass werden
leibliche Glieder vernichtet.
Aber sie wandern weit und breit und
nach oben und unten
An den Stränden, an den schrecklichen
Ufern des Lebens.
So ist es auch mit Dickicht und Bäumen
und schwimmenden Fischen,
Die da leben in den kristallenen
Wassern der Tiefe,
Und so ist es auch mit dem Vieh, das
auf Berghängen weidet,
Und mit Wasservögeln, die baden im
bläulichen Meere.
Aus den Elementen ist alles, was Augen
erblicken.
Aber komm, meine Worte sollen lieblich
erklingen,
Wenn dein breiter Haufen über allem
vergessen
Sollte, was geziemt den elementaren
Gebilden.
Siehe, da ist die Sonne, die warme, die
Helligkeit spendet,
Siehe die ewigen Sterne, für immer
durchtränkt von dem Lichte
Und der flüssigen Wärme und der
Ausstrahlung droben,
Siehe den Regen in Strömen schauern,
den dunklen und kalten,
Wie von der Erde ausströmt aller
Fruchtbarkeit Grünkraft.
All dies wird durch den Zorn an Formen
vielfältig gespalten,
Aber durch Liebe nähert man sich und
sehnt sich nach einem.
Denn aus den Elementen ist alles Knospe
geworden,
Alles was war oder ist oder sein wird
im ewigen Weltall,
Alle Bäume und Männer und Frauen und
Tiere und Vögel
Und die Fische, die nähren sich in den
tiefen Gewässern,
Götter haben sie ausgezeichnet mit
Leben und Würde.
Diese leben alle, und da sie natürlich
zusammen
Sind und miteinander, empfangen sie
neue Gesichter
Durch Vermischung und dauerhafter
Veränderung Wandel.
Bernsteinfarbene Sonne und Meer und
Erde und Himmel
Jedem sind freundlich mit allen
einzelnen Teilen, die Pfeile
Werden fern gejagt und zerstreut in der
Sterblichen Weltkreis,
So auch die Dinge, die die meisten
versuchen zu mischen,
Sind von Aphrodites und Eros' Gnaden
vereinigt.
Aber feindlich sind die Dinge, welche
die meisten
Voneinander unterscheiden, in der
Geburt und
Auch in ihrer Vermischung und wenn in
den Formen der Form sie
Wollen sich nicht vermischen, sie
bleiben einsam und elend,
Bleiben so nach dem Ratschlag ihres
Vaters, des Hasses.
Künstler, also die Männer, die ihr
Handwerk verstehen,
Bilden durch die Vernunft mit schönen
Formen und Farben
Lichte Tempelfiguren, und mit den
Händen ergreifen
Pinsel und Palette sie mit Rotton und
Goldton
Und sie mischen die Farben harmonisch,
mal besser, mal schlechter,
Und so bilden sie unzählige
Mode-Modelle
Und mit allen Dingen bevölkern sie
künstliche Welten
Und mit Bäumen und Männern und Frauen
und Tieren und Vögeln
Und mit Fischen, die sich nähren in
tiefen Gewässern
Und mit ewiglebenden Göttern zu
Lobpreis und Ehre.
Dereart, und lass in deinen Busen die
Torheit nicht kommen,
Derart ist die Erschaffung aller der
sterblichen Dinge
Durch die himmlischen Mächte geboren
und sichtbar den Menschen.
O bewahre gut diese Weisheit, du hast
sie vernommen,
Hör in meinem Lied die Göttin und
ihre Geschichte.
Lass uns gemeinsam besteigen die Gipfel
des Denkens
Und vollkommen wandeln den Weg, den
noch keiner gegangen.
Was gesagt werden muss, das muss man
ein zweites Mal sagen.
In dem Gegenzuge die Zyklen erobern die
Zeiten
Und es schwinden die anderen immer
noch, Wachs gleich zerschmelzend
Ist der eine, der andre ist von
ältestem Schicksal,
Diese leben alle, und da sie natürlich
zusammen
Sind und miteinander, die Menschen
werden, die beiden,
Werden zahllose Völkerstämme haariger
Biester.
Während des Schönen Auftrag der Liebe
alle vereinigt,
Durch den Hass des Krieges wird alles
Schöne zerrissen.
Und soweit das Eine kommt von den
vielerlei Dingen
Und die Vielen wachsen wieder zusammen
zu Einem,
Die entsprungen sind der urzeitlichen
Streuung des Einen,
Soweit haben sie eine Geburt und ein
Datum des Todes.
Und es endet nicht dieser lange
Austausch und Wechsel,
Endet nicht, so weit die Götter den
Weltkreis bewegen.
Zwar man kann erkennen die raschen
Glieder der Sonne
Und die Kraft der zottigen Erde, die
Brüste des Meeres,
Aber siehst du, wie alles vertieft in
harmonischer Einheit?
Fest gegründet steht die gerundete
Kugel des Weltalls
Freudenreich in der umliegenden
Einsamkeit endloser Leere.
Weder Fraktion noch Kampf ist
unziemlich kosmischen Gliedern.
Jene Kugel des Weltalls an allen Seiten
ist endlos,
Freudenreich in der umliegenden
Einsamkeit endloser Leere.
Von der Rückseite dieser Kugel
schwingen nicht Arme,
Sie hat keine Füße und Schenkel,
nicht Form und Gestaltung
Nährender Glieder, auf allen Seiten
Kugel, und liebt sich.
Doch nach schrecklichem Streit kamen
wieder wächserne große
Glieder innerhalb jener Kugel, blühende
Rosen
Blühten zu ihrem eigenen Ruhm, als die
Zeiten gekommen
Nach dem schrecklichen Streit, wieder
Zeiten kamen der Liebe,
Von der Liebe kommen Gelübde und alle
Gebote.
Siehe, eins nach dem andern erbebten
die Glieder der Gottheit.
Die Union bindet zwei verschiedene
Wesen zusammen.
Es ist, wie wenn der Lab des süßen
Feigenbaumsaftes
Bald gerinnt zu weißer Milch und eilig
sich bindet.
Also binde du deine Mahlzeit mit
kochendem Wasser.
Aber eile zurück, ich will nun
zurückkehren, Bruder,
Auf den Weg des festlichen Lieds, wie
ich früher gesagt hab,
Will mich entleeren jeden Ausflusses
meiner Gedanken.
Wenn nun unten der letzte Abgrund zu
hassen begonnen
Und die Lieblichkeit schöner Liebe
ward nicht gewonnen
In dem wirbelnden Zentrum der Masse,
siehe, dann sammeln
Alle Dinge ums Zentrum herum erneut
sich zur Einheit,
Plötzlich und willig, alle Bereiche
vereint und verbunden,
Und aus ihrer Vermischung wird in die
Fremde ergossen
Eine Vielzahl von Völkerstämmen
sterblicher Dinge.
Doch viel Ungemischtes bleibt noch
unterm Gemischten,
So wie der Hass sich noch in der
Scheune hält in der Höhe.
Denn nicht alle sind schuldlos des
Hasses Beute und Opfer
Drüben in den Kreisen des All an den
äußersten Grenzen,
Aber zur Hälfte abgetrennt im Inneren
blieb er,
Halb war er bereits entfernt aus den
Gliedern des Weltalls.
Immer mehr schlich er weg und floh, und
kam immer näher,
Innen bedrückend die
Zärtlichgesinnten, voll göttlicher Sehnsucht
Nach untadelig schöner Lieblichkeit.
Dort wuchsen eilig
Alle sterblichen Dinge, die ehmals zu
sein pflegten ewig
Und unsterblich, und das einzig Reine
und Pure
Wurde gemischt im Austausch der Wege
erneuerten Lebens,
Und aus ihrer Vermischung ward in die
Fremde ergossen
Eine Vielzahl von Völkerstämmen
sterblicher Dinge,
Die in allen Formen gestrickt, ein
Wunder zu schauen.
Und als die Dinge zusammen kamen,
begann nun der Vater
Hass seinen Sitz in der Höh auf der
äußersten Kante zu nehmen.
Erde durch Erde vergrößert die Form
und Äther durch Äther.
Komm, ich werde dir nun die vier
Urzeitlichen nennen,
Daraus stieg die Erscheinung der Dinge,
die jetzt wir gewahren,
Nämlich Erde und feuchte Lüfte und
rauschende Meere
Und im Äther Helios, der den Globus
erleuchtet.
Dass die schwarzen Tiefen der Erde
endlos, dass voll sei,
Übervoll der weiße Äther, das
schwatzen die Zungen
Einiger wenig denkender Toren mit
plappernden Mäulern,
Narren, die doch vom Weltall haben nur
wenig gesehen.
Herrlich strahlend ist Helios und
Selene glänzt zärtlich.
Siehe, die Flammen der Sonne, die
gesammelten, schieben
Sich umrundend durch die gewaltigen
Räume des Himmels.
Und die Strahlen der Sonne erleuchten
den zärtlichen Vollmond
Und es dunkelt unter dem Monde die
Erde, die große,
Wie aber ist die Breite der
silberäugigen Mondin?
Lichtstrahlen fallen auf die breite
Scheibe des Mondes.
Gegen den Olympos zurück schleudert
Helios Strahlen,
Furchtlos ist das Antlitz des herrlich
strahlenden Titan.
Rund um die Erde dreht sich die Scheibe
voll fremdestem Lichte.
Selbst als kreise ein Schiff, so ist
die äußerste Runde.
Denn in Richtung der herrlichen Kreise
des Herrn, ihres Gottes,
Schaut die mütterliche Erde von
Antlitz zu Antlitz.
Aber Nacht wirds auf Erden von Strahlen
sinkender Sonne.
Mutter Nacht, du Einsame mit den
erblindeten Augen!
Iris vom Meere bringt Sturmwinde oder
mächtigen Regen.
Feuer sprang nach oben mit einer
zerreißenden Eile.
Manch ein loderndes Feuer brennt unten
unter der Erde.
Manchmal sind die Lüfte erfüllt und
manchmal sind leer sie.
In die Erde versank der Äther mit
mächtigen Wurzeln.
Und der Mutter Erde Schweiß sind des
Ozeans Wasser.
Salz wuchs solide, aufgezogen durch
Strahlen der Sonne.
Leider sah ich auch Köpfe ohne Hälse
gewachsen,
Arme fielen von den Schultern, kahl
nackte Arme,
Durch die Stirn sah ich dringen starre
glotzende Augen.
Und in Isolation die Glieder wanderten
einsam,
Hin und her, um gerecht zu werden
ersehntem Vereine.
Aber jetzt, wie Gott mit Göttin sich
mischt und vereinigt,
Diese Glieder fielen zusammen, wo sie
sich trafen,
Manche Geburt ward daneben gezeugt von
hässlichen Zeugern
In der endlosen Reihe von stets
variierendem Leben.
Kreaturen mit unzähligen Händen und
Füßen!
Manche wurden mit zweierlei Stirn und
Busen geboren,
Einige mit des Mannes Gesicht auf dem
Körper des Ochsen,
Einige mit der Gestalt des Mannes, den
Köpfen von Ochsen,
Mischformen des Zusammenseins von
tiefem Geheimnis,
Manchmal wie Männer, manchmal wie
busenwuchernde Weiber.
Aber jetzt komm, jetzt höre wie die
lodernden Feuer
Keime ins Leben geführt, die wölbten
sich erst in den Nächten,
Wurden von Männern und Frauen voll
Mitleid beweint und bejammert,
Ach das ist nur ein Märchen, das sieht
und kennt seine Spuren.
Erst stiegen bloße Erdklumpen mit
unhöflichem Eindruck,
Erdklumpen, die ihren Anteil hatten von
Wärme und Wasser.
Diese wurden durchs Feuer (Im
Aufwärts-Eifer erreichten
Sie die verwandten Feuer im Himmel) zur
Höhe geschossen,
Wenn sie auch noch nicht die Formen
enthüllt hatten ihrer
Reizenden Glieder, darum soll ein
Mensch doch nicht weinen
Über diese geheimen Glieder, gemeinsam
den Männchen.
Separat ist die Geburt der menschlichen
Glieder,
Teilweise männliche Glieder und
teilweise weibliche Glieder.
Liebessehnsucht kommt, den Sehenden
dran zu erinnern.
In die sauberen Leiber werden die Samen
ergossen,
Sind es kalte Samen, dann werden
Mädchen geboren,
Sind es heiße Samen, dann werden
Knaben geboren.
O hinein in der Aphrodite gespaltene
Wiese!
Wärmere Leiber aber mit wärmeren
Bäuchen geworden
Mütter von Knaben sind, und dass die
Männer sind dunkel,
Kommen weitere handfeste Männer und
zottige Männer.
Und am zehnten Tage des achten Monats
des Zyklus
Wird das Blut des Weibes weißlich wie
flüssiger Eiter.
Zweimal er bestieg das Lager auf
weichlichem Lammfell.
Manchem fehlt des Glaubens Mark, da
sind immer noch Zweifel,
Wie aus der Elemente liebevollen
Vermischung
Kommen von Erde und Wasser, von der
Luft und der Sonne
Viele Formen und viele Farben der
sterblichen Dinge
Und so sind sie geworden, sind ins
Dasein gekommen,
Jedes gestrickt und gerahmt von
Aphrodites Betörung.
Lob den hohen Bäumen, den Fischen in
salzigen Fluten!
Aphrodite, nach des Regens Erguss auf
die Erde,
Eifrig erwärmt die Erde, dann gibt sie
der Erde das schnelle
Feuer, dass die wachsende Erde fest
werden könne.
Kypris führt auch die stummen Schwärme
von laichenden Fischen.
Und die Tiere, im Innern kompakt und im
Äußeren lose,
In der Aphrodite Händen die Formen
bekommend,
Sie erhielten ihre Schwammigkeit nur
durch die Liebe.
So ist es mit den Muscheln an den
schweren Gestaden,
Den Bewohnern des Ozeans, des von
Muscheln gekränzten,
Oder mit den steinharten Schildkröten,
da kannst du merken,
Hart ist die äußere Kruste, weich
sind die inneren Teile.
Bäume trugen ausdauernd Obst und
ausdauernd Blätter,
Überladen mit Früchten alle
kreisenden Jahre,
Seit dem Tag, da sie angeblasen
fruchtbare Lüfte.
Große Olivenbäume legen grünliche
Eier.
Dann auch sehen wir langsam die roten
Granatäpfel reifen
Und es wachsen die Äpfel, die an
Apfelsaft reichen.
Aber der edle Wein ist Wasser, im Holze
gegoren,
Viele Fragen strömen aus der Rinde des
Rebstocks.
Auf dem gleichen Stoff auf stabilen
Gliedmaßen wachsen
Haare, Laub, und Schuppen von Fischen
und Federn von Vögeln,
Steife Haare, scharf durchbohrende,
Borsten des Schweines.
Denk dir einen Mann, im Begriff, eine
Lampe zu zünden
Flammenden Feuers gegen die Winterkälte
der Nächte,
Seine geile Laterne schirmend vor
stürmischen Winden,
Und obwohl er sie schützt vor dem
Blasen des wehenden Windes,
Ihre Strahlen pfeilen nach außen, die
dünnen und feinen,
Und mit unermüdlichen Strahlen
leuchtet der Himmel.
So war es auch, als das urzeitliche
Feuer verborgen
Lag in der Runde der Pupille des Auges,
geschlossen,
Lag in hauchdünnem Schleier, göttliche
Poren durchbohrend,
Und so hielt es uns weit entfernt von
den Tiefen des Wassers,
Während das Feuer brach nach außen,
das dünne und feine.
Jene sanfte Flamme des Auges schuf uns
der Zufall,
Wenig nur hat sie von den irdischen
Teilen des Menschen.
Nämlich den Menschen hat Aphrodite,
die göttliche Liebe,
Anerschaffen die schönen unermüdlichen
Augen.
Aphrodite schmiedet mit den Schrauben
der Liebe.
Eine Vision wird immer von zwei Augen
geboren.
Wisse, alle Dinge sind aus
Emanationen.
Süßes ergriff das Süße und Bittres
flog auf das Bittre,
Saures ist dem Sauren entsprungen und
Hitze ritt Hitze.
Wasser wird sich gut mit dem roten
Weine verbinden,
Aber mit Öl will sich das keusche
Wasser nicht mischen.
Aphrodite ist wie wenn man Zinn mit dem
Kupfer vermischte.
Mit dem Flachs ist vermischt der
silbrige ältere Samen.
Und die schwarze Farbe der Tiefe des
Flusses kommt alles
Aus dem Schatten, man kann das auch
sehen im Hohlraum der Höhle.
Mit den Händen Aphrodite formte
Gebilde
Und zum ersten Mal fingen sie an,
zusammen zu wachsen.
Siehe die Erde mit den breiten
Schmelztöpfen, Mutter,
Von acht Teilen bekam sie zwei von der
leuchtenden Nestis,
Von Hephästos vier. Von dort kamen
weißliche Knochen,
Glücklich durch Klebstoff der Harmonie
und Schönheit verbunden.
Und nachdem die Erde lag im
vollkommenen Hafen
Aphrodites verankert, traf sie der rote
Hephästos,
Und der Regen und der Äther,
allgnädige Mächte,
Wenn auch Teile der Erde manchmal
weniger waren,
Manchmal ein wenig mehr als die
ihrigen, kamen aus diesen
Unser menschliches Blut und alle Formen
des Fleisches.
Ohren, die fleischlichen Zweige,
gleichen den Glocken des Tempels.
Alles wird einatmen, alles wird
ausatmen. Und über alle
Ebenen Flächen der unblutigen Rohre
des Körpers
Wird sich das Fleisch erstrecken, und
an den offenen Rissen
Werden sich unzählig viele entlang der
äußersten Rinde
Langweilen, aber das lebendige Blut
bleibt im Innern,
Für die Luft ist frei geschnitten
worden ein Durchgang,
Und von hier aus kommt aus den dünnen
Blutrückwärtsströmen
Jene Luft mit dem Rauschen einer
brüllenden Düne,
Aber wenn sie dann wieder weiter leitet
die Ströme
Und die Luft im Gegenzug ausatmet, ists
wie ein kleines
Mädchen, spielend mit der Flöte von
glänzender Bronze.
Denn solange immer die Öffmung der
länglichen Rohre
Werden durch ihre hübschen Finger
gehalten, verschlossen,
So stürzt dann auch innerhalb der
nachgiebigen Masse
Silbriges Wasser, und das kann dann die
Welt nicht bewahren
In dem Gefäße. Aber der Lüfte
Eigengewichte
Fallen im Inneren tief in die
unzähligen Löcher,
Halten die Lüfte in Schach, bis dann
das kindliche Mädchen
Aufdeckt die verdickten Lüfte und
freispricht die Sätze,
Wie wenn einer die Wahrheit des Wassers
verschüttet bestimmend
Und in die Führung ruft, wenn nachgibt
die Luft. Und so ist es,
Wenn in dem schlanken Bauch von des
Mädchens eherner Flöte
Wasser liegen und die Fingerspitzen des
Mädchens
Führen das Rohr und den Schlauch. Und
dann die Lüfte von außen
Kommen nach innen, gedrückt, sie
halten zurück dann das Wasser
Über des gurgelnden Halses weithin
offenen Torweg,
Wenn das hübsche Mädchen besitzt die
Spitze der Flöte,
Bis sie dann wieder lockert ihr
schlankes niedliches Händchen,
Ganz im Gegenteil, um Platz zu machen
und weise
Auszugießen das untere Wasser, die
Luft sinkt nach unten.
So ists auch mit dem dünnen Blut, das
treibt unsre Glieder,
Wenn die Ströme eilen zurück nach
innen, dann rauschen
Luftströme auf, und wenn weiter
geleitet die Sprünge, die Luft dann
Atmet im Gegenzug aus entlang der
selbigen Weise.
Schnüffelnd mit Nüstern von wilder
Tiere Gliedmaßen, zärtlich
Streifend mit schlanken Füßen entlang
den zärtlichen Gräsern:
So bekamen die Dinge Anteil von Düften
und Atem.
Alle Dinge denken, allein durch den
Zufall des Willens.
Und die Leichtesten noch im Stürzen
schlagen zusammen.
Mit dem strömenden Blute, springend
zurück zu dem Herzen,
So das Herz wird genährt, so herrscht
die Allmacht des Herzens
Über die Männer rufenden Denkens,
denn siehe, das Blut regt
An und das Herz allein kontrolliert die
Gedanken der Männer.
Denn mit der Männer Sparsamkeit wächst
die Vernunft ihres Denkens,
Nach der körpereigenen Sparsamkeit und
nach dem Staate.
Denn von Aphrodite vermischt sind alle
die Dinge,
Und durch Charis die Männer denken,
sind froh oder traurig.
Und soweit die Sterblichen sich
verändern am Tage,
So in der Nacht ihres Denkens kommt die
Veränderung gleichfalls.
Durch die Mutter Erde ists, dass die
Sterblichen da sind,
Und durch den himmlischen Vater Äther,
den strahlenden Äther,
Und durch das keusche Wasser und durch
das verzehrende Feuer,
Und durch die göttliche Liebe und die
dämonischen Kriege.
Wenn auf einem Geiste ruht das feste
Vertrauen,
Wird er immer voll Neigung sein und
Fleiß des Bestrebens.
Du wirst an ihnen sehen, dass all diese
Dinge gehören
Dir und sind für immer dein, des
Dieners. Zudem auch
Sollst du von manchem eine erfüllte
Zunahme machen,
Weil sie schon für sich selbst allein
im Kerne gewachsen
Nach der Natur eines jedem Menschen,
dem Wesen entsprechend.
Aber wenn du für die anderen schauen
wirst, wirst du
Nur erreichen leere Schätze, gemein
und unzählig.
Wie die Menschen auch sein mögen, die
für immer und ewig
Blähen die Seelen auf mit lebhaften
Wünschen, o diese
Werden dich zügig verlassen mit den
kreisenden Jahren.
Aber bei aller Sehnsucht sei auch eilig
die Rückkehr
Zu der Menschen eignem urzeitlichen
Bette. Denn wisse,
Alle Dinge sind vorsätzlich, haben
Anteil am Denken.
Du sollst Meister werden jeden
Medikamentes,
Welches jemals erschaffen wurde zur
Heilung des Kranken
Und des Alters. Für dich allein kommt
alle Erfüllung,
Du wirst stillen die Macht der
unermüdlichen Stürme,
Beben der Erde und das verderbliche
Beben des Meeres,
Ja, und wenn du willst, sollst du
erwecken die Kräfte
Und beobachten ihre Rache, die wilde
und schrille,
Ehe du dich zu ihnen gesellst. Bewirke
den Wechsel
Schwarzer Trockenheit, sind die
Jahreszeiten dem Volk gut,
Und die lange Trockenheit in der Hitze
des Sommers,
Du sollst ernähren auch die Bäume auf
dem Gebirge,
Wenn sie unten den Äther einatmen. Du
sollst im Hades
Liebevoll winken der Macht der
umgekommenen Menschen.
O ihr treuen Freunde, die in der
mächtigen Stadt wohnt
Längs der gelben Akragas in der
Akropolis, Freunde,
Ihr Verwalter der guten Werke und Taten
der Liebe,
Ehrwürdig-freundlich gebt ihr Zuflucht
geflüchteten Fremden,
Alle begrüßend. O ihr Freunde! Aber
zu ihr geh ich selig
Als ein unsterblicher Gott jetzt, nicht
mehr ein sterbliches Männchen,
Allen genehm und gut geehrt von
jeglicher Seite
Und gekrönt mit goldener Krone und
blühendem Kranze.
Wenn zu den Scharen von Männern und
Frauen ich komme als Heiland,
In die blühenden Städte, werde ich
suchen Gebete,
Tausende folgen, sie fragen mich nach
dem Heilsweg, ersehnen
Meine Orakel, andere hören mein
heilendes Reden,
Suchen heilende Worte gegen die Übel,
die Krankheit,
Allzu lang sind sie alle schon
durchbohrt von den Schmerzen.
Aber warum nicht fordern, was ich geben
kann wahrlich
In den großen Dingen? Übertreffe ich
weit nicht
All die andern sterblichen Männer,
Tote erweckend?
O ihr treuen Freunde! Ich weiß fürwahr
mit dem Worte,
Was ich reden werde, das ist die
göttliche Weisheit,
Aber ohne Ruhe die Menschen sind alle
die Tage
Und sind gewesen in unerbittlichen
Kämpfen des Glaubens,
Bis die ewige Wahrheit ihren Busen
erreichte.
Da ist das Wort des Schicksals, eine
alte Verordnung,
Ewige Götter haben dieses eilig
beschlossen
Und beschworen mit festen Eiden: Wer
immer ein Geist ist,
Der hat von alters eine Lebensdauer
unendlich,
Wenn er sich aber aufgeopfert dem
ewigen Übel
Oder falsch geschworen mit der Lüge
der Zunge,
Muss er wandern müde dreimal
zehntausend Jahre
Weit entfernt von den Heiligen und muss
wieder geboren
Werden in der Zeit in verschiedenen
sterblichen Formen,
Immer sich ändernd auf dem Lebensweg,
unruhig immer,
Denn jetzt die Lüfte jagen ihn weiter
zum schäumenden Meere
Und das tobende Meer speit ihn an den
Sandstrand des Ufers,
Dann die Erde speit ihn aus zu der
strahlenden Sonne,
Daher kommt er wieder zurück in die
wirbelnden Lüfte.
Jeder bekommt vom andern, was sie alle
verabscheun.
Und auch ich bin jetzt gezählt zu der
wandernden Menge,
Bin ein Vagabund und ein Flüchtling
unter dem Himmel,
Bin dem Schicksal gehorsam in den
schwärmenden Kämpfen.
Charis aber verabscheut das
unerträgliche Schicksal.
Ich war schon einmal ein Knabe und war
schon einmal ein Mädchen,
Ich war Blume und Vogel und ein Fisch
in den Wellen.
Ach, ich weinte und jammerte, sehend
die Fremdheit der Orte.
Ach, von welchem Ruhm und von welcher
Glückseligkeit bin ich
Auf die Erde gefallen, mich unterm Volk
zu bewegen!
Und dann kamen wir unters Dach einer
finsteren Höhle.
Und wir kamen leider in öde freudlose
Länder,
Wo die Truppen des Schlachtens und
Krieges herrschten mit Schrecken,
Wo wir geschrumpft von Krankheit und
obszönem Verfaulen,
Wo wir von schwerer Arbeit belastet wie
Becher voll Wasser,
Durch die tristen Fluren bummelnd.
Alles ist sinnlos.
Da gabs die schwarze feuchte Erde, die
heilige Mutter,
Dort erschien mir die Jungfrau in dem
Kleide der Sonne,
Aber auf Erden herrschte der blutige
Krieg bis zum Grabe
Und es gab Chaos und Übel und Hast und
sinnlose Arbeit,
Alle Menschen mit schwarzen Haaren in
großer Verwirrung
Und die süßesten Mädchen waren sich
sicher des Todes.
Und da herrschten Wachsen, Verfaulen,
Schlaf und Erwachen,
Ruhe und Aktivität und Ruhm der
Lorbeergekrönten,
Lärm und Stille, und vorherrschend war
die Sprache der Mutter.
O ihr Sterblichen! O ihr armen Söhne
der Trauer!
Ihr seid aus solchen Bedingungen nur
wie Seufzer entsprungen!
Für die Toren machte Gott die
verschiedenen Formen.
Alles in der Natur ist im Wandel,
umhüllt sind die Seelen
Mit den verschiedenen Tuniken ihres
sterblichen Fleisches.
Aber die würdigste Wohnung für die
Seele des Menschen,
Wenn sie schon leben muss in der Form
eines tierischen Körpers,
Sind die majestätischen Löwen, Tiere,
die schlafen
Formschön auf der Erde an dem Fuße
der Berge.
Aber wenn sie in Form von schön
beblätterten Bäumen
Leben, ist die Eiche die würdigste
Form für die Seele.
In dem goldenen Zeitalter war nicht
Ares der Herrgott,
Auch nicht Zeus, der Vater der Götter,
auch nicht Saturnus,
Auch nicht Poseidon, sondern es
herrschte die Königin Kypris!
Diese haben die Menschen mit heiligen
Opfern beruhigt,
Opferten nur gemalte Bilder lebendiger
Wesen
Oder mit süßem Wohlgeruch die
teuersten Salben
Oder sie brachen das süße Opfer
zerriebener Myrrhe
Oder des duftenden Weihrauchs, gossen
den Wein auf die Erde,
Opferten goldenen Honig, den sie mit
Blut nicht vermischten,
Keine Stiere wurden geschlachtet am
Opferaltare,
Unter den Menschen ward es angesehen
als Übel,
Leben zu töten und ihre köstlichen
Glieder zu essen.
War nun unter den vielen Menschen einer
ein höchster
Mann von ausgedehntem Wissen, mit
reichem Verständnis
Und ein Meister verschiedener Werke der
Kunst und der Weisheit,
Der den ganzen Umfang und die
Reichweite suchte
Der Vernunft, ein solcher gedieh in
seltener Zeit nur.
In dem goldenen Zeitalter waren zahm
alle Dinge
Und voll Sanftmut gegenüber den
sterblichen Menschen,
Alle Tiere und Vögel waren mit
Menschen befreundet
Und die freundliche Flamme brannte
schön für den Menschen.
Du unsterbliche Jungfrau, o Muse, du
könntest geruhen,
Diesen unseren armen menschlichen
Sorgen zu geben
Eine Pforte zu deiner Seele, mehr noch,
o Muse,
O Kalliope mit der schönen lieblichen
Stimme,
Sei mir nah, wenn ich singe Gedanken
der seligen Götter.
Wohl dem Mann, der gesichert hat sein
reiches Vermögen
Göttlichen Denkens! Ach, erbärmlich
der Mann, dessen Pflege
Ist die Finsternis eitler törichter
Spekulationen!
Zwar wir sehn es vielleicht nicht mit
den sterblichen Augen,
Zwar wir können es nicht begreifen mit
menschlichen Händen,
Hände und Augen erkennen es nicht,
doch der Pfad zu der Wahrheit
Kommt allein durch den Glauben in die
Köpfe der Menschen.
Es ist nicht geschmückt mit
menschenähnlichen Kopfe,
Von den Schultern schwingt sich nicht
die Verzweigung der Arme,
Es hat keine Füße und keine Schenkel
und ist nicht
Aus den Elementen gemischt, doch ist es
lebendig,
Ist der heilige Geist, der
unaussprechlich und einzig,
Der durchs Universum pfeilt mit
schnellen Gedanken.
Aber das große Gesetz, dem alle beugen
sich müssen,
Ist das Urteil des Äthers und des
strahlenden Himmels.
Wollt ihr nicht mehr den großen Lärm
der Schlachtung von Tieren?
Wollt ihr denn nicht sehen,
gedankenlos, wie ihr dahin lebt,
Wie ihr einander zerreißt in
Ermangelung jeglicher Weisheit?
Weh euch! Der Vater erhöht für den
Schlag des grausamen Todes
Seinen eigenen Sohn und bringt ihn als
Gabe zum Opfer,
Schlitzt ihm die Kehle auf als Opfer zu
lauten Gebeten,
Ein verblendeter Narr ist der Vater!
Die elenden Opfer
Flehen zu ihrem Zerstörer. Aber taub
ist der Vater
Seinem kläglichen Stöhnen, seinem
elenden Jammern.
Sondern er schlitzt ihm die Kehle auf
und bereitet zuhause
Eine schreckliche Opfermahlzeit. So
greift der Vater
Seinen Sohn und die Mutter schlachtet
die eigenen Kinder
Und die eigene Leibesfrucht, fressen
ihr eigenes Fleisch auf!
Weh mir, dass nicht einst ein
unbarmherziger Tag mir
Hat mein Leben getötet, ehe die Lippen
verkünden
Mussten die monströsen Verbrechen der
Schlachtung der Kinder!
Dummkopf, halte zurück die Hände vom
Lorbeer des Phöbus!
Ihr erbärmlichen Narren, ihr ganz
elenden Toren,
Haltet die Hände zurück von den
Bohnen, dem Wohnsitz der Ahnen!
Weder erfreuen die Sünder die Tempel
des Vaters Kronion
Noch der rächenden Göttin Hekate
heilige Hallen.
Frevler, es kommt von euren bösen
Taten nur Unheil,
Darum sollt ihr das Leben verbringen in
ewigen Schmerzen!
Aber die Seher der Ewigkeit und die
Sänger der Hymnen,
Ärzte der Naturmedizin und die Häupter
der Menschheit
Sollen dahin kehren, woher gekommen die
Götter,
Und dort ausgezeichnet werden in Ehren
vom Himmel.
An dem eigenen Herd und in der
kultischen Feier
Mit den unsterblichen Göttern in
trauter Vereinigung lebend,
Werden die Heiligen schließlich erlöst
von den irdischen Schmerzen.
ZWEITER GESANG
PARMENIDES
Pferde tragen mich immer so weit, als
es wünscht meine Seele,
Und so brachten sie mich und stellten
mich auf den berühmten
Weg der Göttin, die mit eigenen Händen
den Mann führt,
Die aus sich selbst alle Dinge weiß.
So ward ich getragen,
So haben weise Rosse meinen Wagen
gezogen,
Mädchen wiesen den Weg mir. Die Achse
glüht in der Narbe,
Denn es waren runde wirbelnde Räder am
Ende,
Mädchen vermittelten mir ihr Licht,
ließen sinken den Schleier,
Gaben Töne wie Flötentöne, die
Töchter der Sonne.
Ich ging von ihren Gesichtern, verließ
die nächtliche Wohnung.
Dort gibt es Pforten der Möglichkeiten,
Nächte und Tage,
Oben mit einem Türsturz und unten mit
steinerner Schwelle,
Hoch in der Luft, sie werden von
mächtigen Türen geschlossen,
Und die Gerechtigkeit hält die
Schlüssel, diese zu öffnen.
Mädchen bitten mit Überredung und
zärtlichen Worten,
Ohne Einwand den Riegel von den Toren
zu lösen.
Dann, als die Türen wieder waren
verschlossen, sie wiesen
Weit mir den Weg, die dreisten
Scharniere schwangen nach hinten,
Waren mit Nieten und Nägeln befestigt.
Grad durch sie führten
Auf dem breiten Wege die Mädchen
Pferde und Wagen.
Und die Göttin begrüßte mich
freundlich und nahm meine Hände
Freundlich mit ihren Händen und sprach
zu mir diese Worte:
Herzlich willkommen, Knabe, in meiner
himmlischen Wohnung,
Kommst du zu mir mit dem Wagen, gelenkt
vom unsterblichen Führer.
Das ist nicht Zufall, sondern Recht und
Gerechtigkeit ist es,
Die dich schickte auf diesen Weg der
heiligen Reise.
Dieser Weg unterscheidet von
ausgetretenen Pfaden
Törichter Menschen sich. Und so sollst
du alles auch lernen,
Unerschütterlich in dem Herzen die
Wahrheit bezeugen,
Anders als die Meinungen sind der
sterblichen Menschen,
Gibt es in ihnen doch überhaupt keinen
wahrhaftigen Glauben.
Du wirst diese Dinge lernen, beurteilen
musst du
Die Erscheinung der Dinge, den Schein,
den verehren die Leute,
Du aber gehe den Dingen auf den Grund
als ein Pilger.
Komm jetzt, ich möchte dir sagen, und
höre meine Gedanken,
Trage sie weiter. Es gibt zwei
Möglichkeiten des Denkens.
So die erste Überzeugung: Seiendes ist
es
Und unmöglich kann es ein
Nichtseiendes auch sein.
Wahrheit ist dieses Gedankens höchste
Führerin. Aber
Eine andere Überzeugung ist es, dass
Nichts ist,
Dass das Etwas ein Nichts ist,
unglaubwürdigerweise,
Denn zu wissen ein Etwas, das Nichts
ist, unmöglich ist dieses.
Das ist nämlich eins: Was man denken
kann und was sein kann.
Das muss sein, was man denkt und was
ausgesprochen soll werden,
Unmöglich ist es ein Seiendes und ein
Nichts auch. Dies ist es,
Was ich dir sage, denke drüber nach,
mein Geliebter.
Untersuche die eine und die andere
Meinung.
Sterbliche sollen wissen und nicht
spazieren im Zweifel,
Zögernd nicht führen das wandernde
Denken ins Innre des Busens,
Dass sie getragen werden wie taube
erblindete Menschen.
Unwissend ist die Masse der Menschen,
die nämliche Sache
Ist und ist auch nicht in ihren
verschleierten Augen,
So gehn sie in entgegengesetzte
Richtungen immer.
So können nie auch bewiesen werden
nichtseiende Dinge.
Halte zurück dein Denken von dieser
Art der Gedanken,
Auch nicht aus Gewohnheit werfe dein
Auge auf diese
Hinterhältigen Spuren oder die
durstigen Ohren
Oder die herrschende Zunge. Widerlege
die Meinung
Auf subtile Art durch das Wort der
Göttin der Wahrheit.
Aber ein Weg ist da für uns, der
rechte der Wege,
Davon zu sprechen, nämlich vom
Seienden. Darin ist Inhalt,
Seiendes, Unerschaffnes,
Unverwüstliches, Einssein,
Unbeweglichkeit und Vollkommenenheit,
Ewiges, Alles,
Auch wars immer schon da und wird es
immer auch da sein,
Nun ists, alles auf einmal,
kontinuierliches Dasein.
Welchen Ursprung deines Daseins willst
du sonst suchen?
Wie und aus welcher Quelle würde
erhöht sonst dein Leben?
Das lass ich nicht zu und das will ich
dir auch nicht sagen,
Dass du aus dem Nichts gekommen wärest,
das Nichts ist
Nicht, man kann es nicht denken, man
kann vom Nichts auch nicht sprechen.
Falls du aus dem Nichts kämst, wie wär
es notwendig gewesen,
Dass du später entstanden oder früher
entstanden?
Daher ist überhaupt ein Seiendes oder
alles ist nichtig.
Auch wird die Macht der Wahrheit nicht
leiden, dass etwas entstehe
Neben ihr in irgendeiner Weise. Und
darum
Wird die Gerechtigkeit ihre Bande
nimmer verlieren,
Oder nichts mehr werden lassen oder
vergehen.
Ists oder ist es nicht? Gewiss, es ist,
wie es sein muss,
Dass wir den falschen Weg als undenkbar
legen beiseite,
Aber der richtige Weg ist realistisch
und wahrhaft.
Wie also kann auch Seiendes sein in
kommenden Tagen
Oder wie kann es entstehen? Wenn es aus
Nichts ist geworden
Und im Nichts auch vergeht, so ist es
alles nur nichtig.
Aber das Seiende ist nicht teilbar, ist
immer sich gleichend,
Nicht gibts an einem Orte mehr davon
als am andern,
Nicht wirds mehr oder weniger, da doch
alles erfüllt ist.
Darum hält alles zusammen das Seiende,
was in Kontakt ist
Mit dem Sein. Auch ist es unbeweglich
in Banden
Mächtigster Ketten, auch ohne Anfang
und auch ohne Ende,
Seit es Werden und Vergehen gibt,
treibts in der Ferne,
Wahrer Glaube wirft es nicht weg, das
ewige Dasein,
Es ist immer dasselbe und verweilt in
sich selber
Und es liegt in dem Eignen stets an der
selbigen Stelle.
So ists an seiner Stelle bleibend.
Notwendigkeit hält es
In den gewissen Banden der Grenze auf
jeglicher Seite.
Darum ists nicht unendlich, auch
brauchts nichts. Wär es unendlich,
Würde es alles stehen in
Notwendigkeit. Es ist
Eins, was existiert und was gedacht
wird im Denken.
Denn Gedanken können nichts finden,
das nicht ist etwas,
Dem sind sie verlobt. Und wahrlich, es
ist auch nicht anders,
Denn das Schicksal hat es angekettet
ans Ganze,
Unverrückbare. Diese Dinge haben den
Namen,
Darum glauben die Sterblichen, dass die
Dinge auch wahr sind,
Nämlich Werden und Vergehen, Sein oder
Nichtsein,
Wechsel des Ortes oder Änderung
leuchtender Farbe.
Wo also ist die entfernteste Grenze,
ist es vollendet
Und vom Zentrum in alle Richtungen ist
es vollendet
Wie die Masse einer abgerundeten Kugel.
Nicht ists irgendwo kleiner oder größer
woanders,
Denn es ist nicht mehr hier oder
weniger dort, denn
Es ist unverletzlich, sich gleich in
jeglicher Richtung,
Und ist beschränkt auch innerhalb
seiner eigenen Grenzen.
Hier soll ich schließen meine
vertrauenswürdige Rede
Und Gedanken über die Wahrheit. Lerne
nun kennen
Du der Sterblichen Meinungen, leihe
dein Ohr nun dem Irrtum.
Von zwei Formen sprechen in ihren
Köpfen die Toren,
Das ists, wo sie in die Irre gehn von
der Wahrheit.
Nämlich sie weisen entgegengesetzte
Substanzen zu jedem,
Voneinander unterschiedne Markierungen,
nämlich
Auf der einen Seite das Feuer des
Himmels, das leichte,
Dünne, in jeder Richtung das Gleiche,
aber nicht gleich der
Dunklen Nacht, dem kompakten
schwergewichtigen Körper.
Ich aber sage dir die gesamte
Anordnung, Liebling,
Dass kein Sterblicher dich kann
übertreffen in Weisheit.
Jetzt werden alle Dinge benannt nach
Lichtschein und Dunkel.
Und die Dinge stehen unter der Leitung
von einem
Dieser beiden. Alles ist voll von Licht
oder Dunkel.
Aber da hat das eine nichts zu tun mit
dem andern.
Und du kennst den Ursprung von allem,
die heilige Höhe,
Alle Zeichen am Himmel und die
prächtigen Werke
Von der glühenden Sonne klaren
lodernden Fackel
Und woher sie kam, und du sollst
ebenfalls lernen
Über die wandernden Taten des runden
Gesichtes des Mondes
Und die Herkunft des Mondes, sollst
auch kennen den Himmel,
Der uns umgibt, und wie er entstand und
die Grenzen der Sterne.
Lern, wie die Erde, der Mond und die
Sonne, der Himmel entstanden,
Allen gemeinsam, und die Milchstraße
und der Olympus,
Wie entstanden sind die glühenden
Mächte der Sterne.
Engere Kreise, mit ungemischtem Feuer
erfüllte,
Um sie herum die Nacht, und in der
Mitte der Binsen
Ist ihr Anteil an Feuer. In der Mitte
der Kreise
Ist die heilige Gottheit, leitet alle
die Dinge,
Leitet die Zeugung und die Schmerzen
der Wehen nach Regeln,
Treibt das weibliche Wesen in die Arme
des Mannes,
Treibt das männliche Wesen an den
Busen des Weibes.