von Josef Maria Mayer
1
Lass uns spazieren gehn, o Geist, in
einem Traum,
Zu Kali gehen wir, der goldnen Wünsche
Baum.
Darunter sammeln wir die Früchte neuen
Lebens,
Und meine beiden Fraun dort such ich
nicht vergebens,
Die Gattin Apathie, die Gattin
Weltlichkeit.
Die Gattin Apathie zu kommen ist
bereit,
Sie kommt mit mir zum Baum voll goldner
Wünsche Klarheit.
Und mit ihr kommt der Sohn, Herr Demut,
zu der Wahrheit.
Wann lernst zu liegen du, o Geist der
Ewigkeit,
Wann lernst zu liegen du im Haus der
Seligkeit?
Da herrscht die Sauberkeit, der Ruhm
auf allen Seiten.
Erst wenn den Weg ich fand, den
schmalen, nicht den breiten,
Zufrieden mache ich die beiden Fraun
enorm,
Dann werde schauen ich der Großen
Mutter Form!
Und Ignoranz und Ich sind Mutter mir
und Vater,
Ich banne sie sofort aus meinem
Welttheater.
Und will Enttäuschung mich verlocken
in ihr Loch,
Dann mannhaft an dem Pfahl des Dulders
steh ich doch!
Gefühllos bind ich an das Laster und
die Tugend,
Das wilde Zicken-Paar in Rebellion der
Jugend,
Und rebellieren sie, behaupt ich meinen
Wert
Und töt die Rebellion mit meiner
Weisheit Schwert!
Die Frucht der Weltlichkeit, die meine
erste Gattin,
Die Kinderlein entfern im Namen ich der
Göttin,
Und wenn die Kinderlein nicht wollen
hören mehr,
Ertränk die Kinder ich in meiner
Weisheit Meer!
Denn Mayer predigt so: Ich tu auch, was
ich sage,
Bericht erstatten will ich und des
Lebens Klage
Dem König sag ich an, der herrscht im
Totenreich,
Der ist zufrieden gleich und nennt mich
Liebling gleich.
2
Wer ist die eine starke Krieger-Frau?
Wie schrecklich tönt ihr Kriegsschrei,
hör und schau,
Auf dieses Universums Schlachtfeld
reichlich!
O weibliches Prinzip, ganz
unvergleichlich!
Betrachte ihre ewige Natur,
Die Leidenschaft besitzt der Kreatur,
Die löst sich voller Freude auf wie
Tau.
Wie unzugänglich ist die
Weisheits-Frau!
Des weichen süßen Leibs Lebendigkeit
Erfordert sehende Aufmerksamkeit.
Sie leuchtet an des Himmels Heiligtume
Wie eine leuchtend blaue Lotosblume.
Des Wissens Auge strahlt auf ihrer
Stirn,
Der Mond so leuchtet überm
Gletscherfirn,
Ihr Mondenschein verschlingt noch
selbst die Sonne.
Geheimnisvolle Göttin, meine Wonne,
Sie ist ja ewig siebzehn Jahre jung!
O nackige Brillanz – Begeisterung,
O transparenter Einblick offenbar!
Kaskadenflut von seidenschwarzem Haar,
Die Haare strömen über ihren Rücken,
Vor Last der Brüste muss die Frau sich
bücken,
Die Haare tanzen, fallen zu den Füßen.
Perfekte Weisheits-Frau, ich will sie
grüßen,
Genau weiß sie, wie Krieg zu führen
ist,
Schatzkammer, die der Gaben nie
vermisst,
Schatzkammer sie von jeder Exzellenz,
Durch ihre Gnade kommt der Menschheit
Lenz!
Mit unerschütterlicher Sicherheit
Der Dichter preist die Frau der
Ewigkeit.
Wer lebt bewusst in Gegenwart der
leisen
Gebieterin, Frau Weisheit, der
Allweisen,
Erobert sich den Tod im Trommelschlag:
Wer Mama ruft an seinem Todestag!
3
Ich trinke keinen ordinären Wein,
Der Wein des Himmels will getrunken
sein,
Der Wein der ewigen Glückseligkeit!
Ich singe meiner Mutter benedeit,
Ich singe meiner Mutter Kali Namen,
Berauschend ist die Schönste aller
Damen,
Ich bin berauscht von dieser
Turteltaube,
Dass ich betrunken bin, die Menschheit
glaube.
Der Meister gibt die Trauben für den
Wein,
Und meine Sehnsucht soll die Gärung
sein.
Die Weisheit ist die Kellnerin des
Weines,
Durch ihre Arbeit wird das Trinken
meines.
Nur nicht nach leeren Luftgespinsten
hasche,
Den Wein ich trinke aus des Mantra
Flasche,
Das Mantra murmelt stets der Mutter
Namen,
Grüßt hundertfach die Schönste aller
Damen.
Trink diesen Wein der Weisheit, predigt
Mayer,
Das Leben wird dir dann zur
Hochzeitsfeier.
4
Was könnte ich im Weltall fürchten,
wisst,
Da meine Mutter Matriarchin ist!
Ich lebe mit vollkommner Leichtigkeit
Auf ihrem Land, in freier Seligkeit.
Ich bin ihr Mieter, meine Herrin sie,
Und ich bin frei von aller Hierarchie.
Die Miete ist umsonst für diesen
Tempel,
Die mystische Union, das ist sein
Stempel,
Sein Wert wird nicht geschätzt vom
Menschengeist.
Auch wird er nicht verkauft, und wie es
heißt,
Er ist kein Eigentum und kein Besitz.
Der Manager der Mutter in dem Sitz
Ist Gott, der transzendiert die
Konzeption
Und transzendiert auch jede
Transaktion.
Und hier ist keine Ungerechtigkeit
Und keine Trennung, Trennung, die
entzweit.
Die Mutter fordert keine hohe Steuer
Von religiöser Pflicht und Opferfeuer.
Verwalten muss ich nur die stille
Wohnung,
Die Kali mir geschenkt aus großer
Schonung.
Voll Wahnsinn sind die wilden
Dichter-Freier
Geboren von der Mutter mit dem
Schleier.
Nach einem Wunsch allein die Freier
laufen:
Den goldnen Schatz im Paradies zu
kaufen!
Und diesen grenzenlosen Schatz der
Liebe
Sie schenken allen aus dem tiefsten
Triebe.
5
So lieb sie, Geist! Du fährst in aller
Not
Auf weiten Meeren von Geburt und Tod.
Die Steuer muss man auf dem Markt
bezahlen,
Doch Reichtum und Familie wird nicht
allen.
Hast du denn die Vergangenheit
vergessen?
Wo warst du? Woher kommst du?
Unermessen
Und tief verborgen ist des Lebens Sinn.
Wes Geistes Kind bist du? Wo gehst du
hin?
Du trägst ja nichts als das Kostüm
der Welt.
Die Zauberin in ihrem Himmelszelt
Ist eine Illusion, ein Tanz, o Fürst,
Ein Tanz, den du mit Kali tanzen wirst.
Du sitzt auf ihrem Mutterschoße süß
Und deine Seele trauert im Verließ.
Und Ichsucht, Lust und Hass,
Anhänglichkeit
An leere Dinge in der Sterblichkeit,
Was sammelst du denn diese Aktien
gleich,
So sag mir das, o Mensch, in deinem
Reich?
Was du getan, dich kann man doch nicht
retten.
Vorbei der Tag, du musst in Nacht dich
betten.
Auf der Juwelen-Insel ein und aus
Geht Shiva, und er sitzt in Shivas
Haus.
Betrachte stets das Deine. Mayer
predigt:
Der Mutter Name uns von Schuld
entledigt.
So wiederhol ihn ohne Unterlass,
Sei deine Zunge stets vom Nektar nass.
6
Oh Mama, du bist in mir die Gestalt!
Wer sagt zu mir: O Mayer, Abstand halt?
Du bist ein hartes Mädchen, Iluusion,
Hast viele Kleider, wie ich schaute
schon.
Verschiedene Methoden gibts zu beten,
Die Meister von den sieben Formen
reden.
Erkennt dann jemand in der rechten
Meinung,
Dass eins sie sind in mystischer
Vereinung,
Dann gibt es kein Entkommen aus der
Klarheit.
Und die Erkenntnis absoluter Wahrheit
Verführt mich nicht zum Dienst an
Truggestalten.
Du musst mich immer fest in Armen
halten,
Und musst du niesen, musst du dich
nicht schämen,
Und schäm dich nicht, die Last mir
abzunehmen.
Und wenn erkennt der Mann den Wert des
Goldes,
Erscheint ihm dann noch Glas als etwas
Holdes?
Drum Mayer sagt: Mein Herz ist makellos
Wie eine Lotosblume fleckenlos.
Ich schaue dich, o Göttin mein im
Glanze,
Mir geistige Beherrscherin. Nun tanze!
7
Du mögest über Kali meditieren.
Dann sollst du dich nicht sorgen, dich
nicht zieren.
Vorbei die Nacht des Wahns, des Wehs,
der Sorgen.
Gekommen ist bereits der neue Morgen.
Die Sonne steigt, das dichte Netz
zerriss,
Das dichte Spinnennetz der Finsternis.
Die Lotosblume blüht dank Shivas
Schopf,
Die Lotosblüte blüht auf meinem Kopf.
Staub in die Augen streuen
Veden-Strophen,
Die Augen machen blind die Philosophen.
Planeten nicht erkennen deine Ziele,
Drum unterbreche nicht den Spaß der
Spiele.
Der Lehrer spricht zum Schüler nicht
zur Zeit
Auf diesem Markte der Glückseligkeit.
Schauspieler hast du, hast auch das
Theater,
Du hast der Wahrheit Drama auch, o
Vater,
Doch wer erkennen kann des Dramas
Wahrheit?
Ein starker Jünger kennt des Wesens
Klarheit.
Spricht Mayer: Fort ist meine Illusion!
Und wer kann bündeln Feuerflammen
schon?
8
Neun Monde altes Kind bin ich, o
Mutter!
Ich bang nicht mehr vor deinen Augen,
Mutter!
Dein Lotosfuß ist Reichtum mir und
Lust,
Der Fuß, den Shiva hält an seiner
Brust.
Als ich mein Erbe suchte, fand ich nur
Entschuldigung, Verzögrung auf der
Spur.
Nun hab ich einen Schenkungsbrief im
Herzen
Von deinem Gatten Shiva, Gott der
Schmerzen.
Ich werde dich verklagen, wenn ich
muss,
Und ich gewinn den Streit mit einem
Kuss.
Stellst du dich gegen mich, dann nimm
es hin,
Was ich für einer Mutter Sprößling
bin.
Kampf zwischen Sohn und Mutter? Diese
Leier
Ist alt! Was ist das für ein Sport,
fragt Mayer.
Ich hör nicht auf, o Mutter, dich zu
quälen,
Bis du zur Brust nimmst meine beiden
Seelen!
9
Die Trauer schmerzlich mir betrübt
mein Herz,
O große Mutter, das ist auch dein
Schmerz.
Obwohl ich wach bin, und ich bin
allein,
Es soll ein Dieb in meinem Hause sein.
Ich hab gelobt, dich immer anzubeten,
Doch kommt die Zeit zu heiligen
Gebeten,
Dann wird von dir mein Dankgebet
vermisst.
Doch weiß ich, Mutter, das ist deine
List.
Da du mir nichts gegeben, Licht des
Lichts,
Drum du empfängst als Dankesgabe
nichts.
Bin ich denn schuldig, Mutter, du mein
Leben?
Doch hättest du mir deine Huld
gegeben,
So würdest du auch bald mein Danke
haben.
Ich gebe dir aus deinen eignen Gaben.
Denn Ruhm und Schmach und bitter oder
süß,
Ist alles dein, sind deine Gaben dies.
Die Welt dein Spiel, o Frau im
Himmelszeit,
Warum denn aber du zerreißt die Welt?
So predigt Mayer, der die Mutter
preist:
O große Mutter, du gabst mir den
Geist,
Mit weisem Augenzwinkern deiner Augen
Du lehrtest mich, ich solle tüchtig
taugen,
Ich soll der Welt entfliehn gen
Himmelszelt
Und doch genießen diese schöne Welt.
So geh ich durch die Schöpfung ohne
Glück,
Als säh mich jemand an mit bösem
Blick,
Geh unter Bittern als der Süße,
Klare,
Geh unter den Getäuschten als der
Wahre.
10
O Tod, geh fort! Was soll ich dich
empfangen?
Ich nahm die große Mutter ja gefangen.
Ich tat mit ihren Lotosfüßen scherzen
Und sperrte sie dann ein in meinem
Herzen.
Entfaltet meines Herzens Blume, Diva,
Fixiert ist meine Wissenschaft auf
Shiva,
Mein Herz vermählt der
Kundalini-Schlange,
Nein, sie entkommt mir nicht, der ich
sie fange!
Die Priester dich bewachen auf der
Wacht,
Zum Wächter hab ich mein Gesicht
gemacht.
Vom schicksalhaften Fieber bin benommen
Und hab der Seele Medizin genommen,
Die Pille für die Krankheit, voller
Wehmut.
O Tod, ich lehre deinen Stolz die
Demut,
Ich bin bereit, die Reise zu beginnen,
Spricht Mayer, und ich ruf mit allen
Sinnen
Zur großen Mutter, die vorm Tod mich
rettet,
An ihrer großen Mutterbrust mich
bettet!
11
O Mutter, Wahrheit voller Sympathie,
Kennst du das wilde Mädchen der Magie?
Das ist ein wildes Mädchen irren
Blicks,
Zum Wahnsinn treibt sie mich mit ihren
Tricks!
Kennt keiner keinen, wo wir alle
wohnen,
In diesem Jammertal der Illusionen!
Die Tricks sind listig, alles zu
verdrehen,
Wir handeln nur mit dem, was wir auch
sehen.
Und was das Weh betrifft in meinem
Städtchen -
Ist alles einzig wegen diesem Mädchen!
Wer weiß denn wohl bei aller ihrer
List,
Wer sie im Abgrund ihrer Seele ist?
Spricht Mayer: Wenn du dich
entscheidest, Lieber,
Geweiht zu sein, dann geht dies Weh
vorüber.
12
Nun weiter kann mir nützen nichts der
Ganges!
Der Mutter liegt zu Füßen ja der
Ganges!
Ich bade in der See der Seligkeit!
Ich meditier im Herzen Ewigkeit.
Der Mutter Füße – Blumen aller
Sorten,
Darunter liegt der Kreis von
Wallfahrtsorten.
Durch ihren Namen wird die Schuld
gebannt
Wie Wolle wird von Feuersglut
verbrannt.
Ob Männer ohne Köpfe Kopfschmerz
haben?
Sie denken, Schuld entsühnen ihre
Gaben
Und so entsühnen sie der Väter Sünde?
Wer meditiert die Mutter aller Gründe
Und dennoch geht zum Ganges, ist zum
Lachen!
Der Tod wird uns erlösen, selig
machen!
Durch Ganzhingabe neues Leben tagt!
O Geist! Die Allerlösung ist die Magd!
Nirwana aber wird mir immer blasser,
Wo Wasser ewig mischt sich mit dem
Wasser.
Zu werden Zucker, ist nicht
wünschenswert,
Ob auch der Knabe Zucker stets begehrt.
So freu dich, predigt Mayer, an der
Kraft
Der Gnadenmutter voller Leidenschaft
Und denke oft an ihr zerzaustes Haar
Und bring der großen Mutter Gaben dar!
13
Für diesmal hab ich gründlich es
verstanden,
Von einem Weisen hab in diesen Landen
Gelernt ich das Mysterium des Frommen,
Von einem Mann, aus fernem Land
gekommen,
Da gibt es keine Nacht und
Seelenleiden.
Ich kann nicht Tag und Nacht mehr
unterscheiden,
Das Ritual, die Übungen der Orden,
Sind leer und wertlos nun für mich
geworden.
Zerbrochen ist mein Schlaf und aller
Kummer.
Wie kann ich schlummern noch den tiefen
Schlummer?
Schlaflosigkeit und Yoga hält mich
wach.
O Mutter, gib den Yoga-Schlaf mir, ach,
Geschlafen hab ich meinen Schlaf im
Kult
Der großen Mutter, ewig eingelullt.
Und Mayer spricht: Mein Haupt sinkt auf
die Brust,
Ich ehre seelischer Befreiung Lust,
So wisse das Geheimnis ohne Spott:
Die Mutter eins ist mit dem höchsten
Gott.
Ich hab verworfen, rein gleich einem
Kinde,
Verwarf für immer Heiligkeit und
Sünde.
14
Ich sagte: Schlaft ihr nicht, ihr meine
Seelen?
Jetzt habt ihr Zeit und könnt euch
Weisheit stehlen!
Mein Schwert, das ist der Name unsrer
Mutter,
Mein Schild, das ist der Name unsrer
Mutter.
Kann Tod mich überwinden? Hört und
schaut:
Das Horn tönt unsrer Mutter Namen
laut.
Du singe: Mutter, Mutter, wie es
frommt,
Bis früh die junge Morgenröte kommt.
Sie rettet dich aus diesem
Zeitgeist-Orden!
Wie viele Sünder sind gerettet worden!
Ist Mayer, Narrenschellen an dem Helm,
Denn so unrettbar wie ein Tor und
Schelm?
15
Sag, Bruder, was geschieht nach unserm
Sterben?
Darüber werden streiten unsre Erben.
Die einen sagen, du wirst dann ein
Geist,
Die andern, dass man Gott im Himmel
preist,
Du bist bei Gott im seligen Gewimmel,
Die Veden sagen, du wirst selbst ein
Himmel,
Der spiegelt sich in einer Scherbe
Glas,
Zerbrochen wurde von dem Schicksal das.
Ist aber Sünde dir und Tugend nichts,
Du endest in dem absoluten Nichts.
Die Elemente mischten sich im Leibe,
Dass alles sterbend auseinander treibe.
Doch Mayer sagt: Dein Ende, lieber
Bruder,
Wird wie dein Anfang sein: der Schoß
der Mutter,
Dann fließt die Seele dir dahin im
Nichts,
Wie Tau im Meer des absoluten Lichts.
16
Ich habe heute dich verzehrt
vollkommen,
Der ich bin unterm bösen Stern
gekommen,
Wer so geboren wird, so sagt man,
frisst
Die eigne Mutter, die ihm Speise ist.
Du musst mich fressen, Mutter, immerzu!
Sonst, Mutter, fress ich dich! Ich oder
du!
Die Hände ich beschmier mit schwarzer
Asche,
Das Antlitz ich beschmier mit schwarzer
Asche,
Den Körper ich beschmier mit schwarzer
Asche,
Den Tod selbst ich beschmier mit
schwarzer Asche!
Und fress ich dich, du Göttin aller
Frauen,
Sag, werde ich die Mutter gut verdauen?
Ich pflanze dich in meines Herzens Land
Und bringe Opfer dir mit dem Verstand.
Man sagt, wenn ich die Mutter fressen
werde,
Fress ich den Gott von Himmel und von
Erde.
Ich fürchte mich vor seinem Zorne
nicht.
Ich preise meiner Mutter Angesicht.
Ich fress die Mutter wie das Fleisch
von Tieren,
Sonst würd ich meine Seligkeit
verlieren!
17
Wer kann in dieser Welt verstehen
Und unsre Mutter deutlich sehen?
Der Philosoph lässts lieber bleiben,
Der Mutter Wahrheit zu beschreiben.
Sie ist das innere Bewusstsein
Des Weisen, sie will seine Lust sein
Am reinen Denken und Erkennen.
Wir können sie das Leben nennen
Im Innern aller Kreatur,
Sie ist die Seele der Natur.
In ihrem Schoß der Makrokosmos,
In ihrem Schoß der Mikrokosmos,
Sie sind im Schoß, der ewig-weiblich.
Doch bleibt die Mutter unbeschreiblich.
Der Yogi möchte sie erzielen
Im Nervenzentrum, im subtilen,
Wo sie ergötzt sich an der Lust
Der Wildnis voller Lotos-Blust
Im unberührten Menschenleibe,
Dort eint sie sich gleich einem Weibe
Mit ihrem göttlichen Gemahl,
Dem weißen Schwan, dem Ideal.
Wenn je ein Narr sie deutlich macht,
Der Dichter dieses Liedes lacht!
Schwimmst du denn, kraftvoll nur im
Wahn,
Durch uferlosen Ozean?
Der Knabe will sich doch versteifen,
Den Mond am Firmament zu greifen.
18
Wer ist die göttergleiche Frau,
Die steht auf Gottes Gliederbau?
Verschwunden ist der Göttin Scham,
Sie spielt mit ihrem Bräutigam,
Sie neigt sich sexuell dem Gast,
Das Gotthaupt an der Spitze fasst.
Erfüllt wird sie von seinen Gluten
Und Wonnen heiß sie überfluten,
Sie neigt das Haupt, die Wimpern
fächeln,
Die Lippen lassen sehn ein Lächeln,
Die Liebe wurde in ihr Leib!
Die Liebe ist ein Götterweib!
Und wenn sich Gott und Göttin einen,
Die Ströme rauschen dann, die reinen,
Frau Weisheit kommt dann voll der
Gnaden,
Um nackt im Gangesstrom zu baden.
Und so erlangst du dein Verdienst,
Wenn heilig du der Herrin dienst.
Der Neumond folgt dem Vollmondhaus
Und Wasser löscht das Feuer aus.
Und dieses lehrt der Dichter Mayer,
Dass Brahman ist der Maya Schleier!
Die Mutter schau mit reinem Herzen,
Dann schwinden Schulden dir und
Schmerzen!
19
Unsicheren Verstandes Lust sein
Wird aufwärts strebendes Bewusstsein.
Sei du der Göttin starker Krieger,
Der zieht mit schöner Macht als Sieger
Durch jede Landschaft seines Leibes.
Der Göttin Aussehn, du beschreib es,
Der schwarzen Wetterwolke Form,
Erhellt vom Sonnenlicht enorm,
So steht ihr makelloser Akt
Vor deinen Geistesaugen nackt!
Das lange Haar fällt wie ein Regen.
In Furcht vor ihrer Gottheit Segen
Ging der Verstand mir schon verloren,
Begreif nicht, die mich auserkoren.
Ursprünglich ihre Lotos-Kraft
Und höchst sublime Leidenschaft,
Die tausendfältig blüht, befeuchtet,
Das reine Licht, das mich erleuchtet,
So ist sie Ur-Glückseligkeit,
Der weiße Schwan der Ewigkeit,
Die Schönheit eines Schwanenweibes,
Schwimmt durch den Ätherstoff des
Leibes.
Starr auf das pralle Herz der Wonne,
Du siehst die Herrin in der Sonne,
Die Matrix aller Phänomene.
Du schaust die Muttergöttin, jene
Entfacht das Feuer deiner Weisheit,
Verbrennt in still bescheidner Leisheit
Der Konventionen dumme Schranken,
Durchdringt den Geist mit Gottgedanken,
Durchdringt der Welten All mit Licht,
Enthüllt ihr schönes Angesicht
Wie einen schönen Blumengarten,
Wo Liebende mit ihrer zarten
Geliebten liebevoll verschmelzen
Und lustvoll sich in Liebe wälzen
Mit ihr, der Herrin aller Reinheit,
Und so erfahren sie die Einheit.
Der leidenschaftliche Poet
Ruft aus, der heilige Prophet
Der Frau, der göttlichen Natur:
Ein jeder Freier sehnt sich nur,
Die Vielgeliebte zu bestaunen,
Von ihrem Angesicht zu raunen:
Was schließt du deiner Augen Glanz?
Warum löst du dich auf in Trance?
20
O Mama, lange Zeit lässt du dich
schaun
Maskiert in dieser bunten Welt als
Clown!
Doch mich bestrafen deine
Geistesblitze,
Ich kann nicht lachen über deine
Witze!
Du Luft, dich atmen wir in dieser Welt,
Doch manchmal bist du in der Unterwelt,
Bist weit entfernt, du bist wie Wasser
dann
Im Meer, du nimmst so viele Formen an!
Ich habe viele Länder schon bereist
Und mancherlei Kostüm trug schon mein
Geist.
Du staunst vor meinem wandelbaren Lauf,
Doch ha! O Göttin! Niemals hör ich
auf.
Spricht Mayer: Mein Verstand ist doch
ein Schuft,
Darum versenkt er sich auch in die
Gruft
Der Wirklichkeit, des Scheins des
Augenblicks!
Wie könnten sonst denn wirken deine
Tricks?
21
Er birgt das Angesicht im Blumenmeer
hienieden,
Der goldne Vogel ist beseligt und
zufrieden,
Streckt seine Glieder aus, mit Liebe,
ohne Lust,
Die Augen öffnet er und schlummert
unbewusst,
Schläft auf der Blume ein in milden
Frühlingswettern,
Und prangt auf ihrem Stiel mit ihren
Blütenblättern.
Tut sich die Knospe auf, regiert das
Mantra Ram,
Du wiederhole stets das selbe Mantra
Ram,
Und schüre rote Glut und für die
Flamme schwärme!
Umgib den weißen Schwan mit sanfter
Seelenwärme,
Die Hindernisse räum beiseit wie einen
Berg!
Auf! An die Arbeit nun! Auf, geh nun
rasch ans Werk!
Denn du bist jung und frisch! Fort mit
dem falschen Schlummer,
Die Stürme dieser Welt bereiten keinen
Kummer.
O Seele, peitsch den Wind, den Vogel
fliegen lass,
Von Blumenschoß zu -schoß ihn ohne
Unterlass!
Von Blumenmatte eilt er hin zu
Blumenmatte
Und so vereinigt er den Blumen sich als
Gatte!
Fünf Elemente sind in dir, du Schelm
und Schuft,
Die Erde, Feuer, Meer, der Äther und
die Luft,
Die lösen all sich auf, und du wirst
frei dich wälzen
Und mit der Ewigkeit in Liebeslust
verschmelzen!
22
Sag mir, wozu dein Geist jetzt tauge,
Dort sitzend mit dem blinden Auge?
Da ist nun wer im eignen Haus,
Du aber schaust nur blind heraus!
Du bist ja gar nicht aufgefallen!
Geheime Pfade kannst du wallen,
Ein kleiner Raum ist da am Ende,
Phantastisch, innerlich! Du wende
Dich zu des innern Raumes Bild:
Das ist ein Sarg, mit Gold gefüllt!
Das ahnen nicht einmal die Frommen.
Auf diesem Pfade ist ein Kommen,
Auf diesem Pfade ist ein Gehen:
Da kannst den Mond du aufgehn sehen!
Spricht Mayer, voll von frohem Hoffen:
Nun halte deine Augen offen,
Du reise den geheimen Pfad
Und du erwachst im Gottesstaat!
23
Was soll ich sagen, wie du wandelst?
Ich bin so sprachlos, wie du handelst.
Du spielst die Mutterrolle. Leider,
Dein kleiner Sohn hat keine Kleider!
Und schlimmer noch, o Bild des Spottes,
Du Bildnis eines Tänzer-Gottes,
Der auf des Sohnes Leiche tänzelt,
Der wie ein Pfau so eitel schwänzelt,
Vertieft in eigene Gedanken,
Nicht überwindet eigne Schranken!
Ich habe traurig viel zu klagen
Und doch auch weise viel zu sagen,
Denn meine Mutter, Gottes Schall,
Sie ist die Königin des All,
Doch ich muss leben wie ein Kuli
Und mühsam schuften wie ein Muli,
Und schwere Last wird mir gesellt
Hier auf dem Marktplatz dieser Welt.
Du schämst dich nicht für deinen
Erben,
Doch ich, ich muss vor Schande sterben!
Spricht Mayer: Meine Herrin nackt
In ihrem makellosen Akt,
Sie ruiniert mich durch die Schande!
Du hast mir hier in diesem Lande
So viele Schmerzen zugemessen!
Und doch will alles ich vergessen
Und immer nur die Mutter sehen!
Wo sollte ich denn sonst auch stehen?
Ich höre auf zu schmollen bitter,
Bin dein, o Mutter aller Mütter,
Gehöre dir, o Ewig-Junge!
Mit deinem Namen auf der Zunge
Ich sterbe! Du wirst dann dabei sein!
Ich spalt das All und werde frei sein!
24
O meine Liebe, komm du in der Nacht
Geglitten wie der süße Mondschein
sacht!
Dein zärtliches Berühren wird mir
taugen
Und bringt die süßen Träume meinen
Augen.
O meine Liebe, dich will ich genießen,
Ich bin bereit, die Türe
aufzuschließen,
Komm ruhig durch die Türe meines
Herzens,
Erneuere das Spiel des Liebescherzens!
Komm du als Duft von Frühlingsblumen
lind,
Die still sich wiegen in dem Abendwind.
Sing meinen Namen immer wieder sacht,
Wie Liebe kommt zum Vogel in der Nacht!
Als Tränentropfen komm in meine Augen,
Als Flöte sollst du meinen Ohren
taugen,
O komm, für immerdar verlorne Liebe,
Sei du als Scherz in meinem
Seelentriebe!
25
Wer je gesehen meine Mutter,
Kann er noch hassen seinen Bruder?
Sie liebt ja alle in der Welt,
Liebt weinend sie vom Himmelszelt.
In ihrem Herzen, rein vom Fasten,
Gibts keinen Unterschied der Kasten.
Und sieht sie Mayer, ohne Spott,
Sie sieht in ihm den Sohn, den Gott!
Und jeden nimmt sie an die Brüste,
Schenkt jedem ihre Liebeslüste!
Sie ist die große Illusion,
Ist die Natur und Gott ihr Sohn,
Der Vater ist das höchste Ich!
Drum auch erfüllt die Liebe mich,
Ich liebe jede Kreatur.
Wenn du verehrst die Gottnatur,
Die Mutter aller frommen Inder,
Doch aber hassest ihre Kinder,
So hört sie nimmer dein Gebet,
Achtarmig zwar sie vor dir steht,
Doch wird dich dennoch nicht erhören.
Doch wird die Liebe uns betören
Und wir sehn keine Unterschiede,
Dann kommt der großen Mama Friede.
26
Wir sehen wieder uns im Himmelsrachen,
Doch hier vergiss mich nur mit stillem
Lachen.
Was ungesagt blieb, will ich nicht
bezeugen,
Ich sag es nicht, wir wollen davon
schweigen.
Biet ich dir Liebe an, so nimm sie
frei,
Es tut mir wehe, ohne Heuchelei.
Der Traum ist abgebrochen, allzu jung,
Tag wirft die Blüte in die Dämmerung.
Das Herz vertrocknet, doch die Liebe
trifft,
Ambrosia bekam Geschmack von Gift.
Das Herz verzehrt sich in der Agonie,
Wie eilig trennt sich doch die
Sympathie,
Verdorrt der Quell der Liebe, ach zum
Fluchen,
Im Himmelsgarten sollst mein Herz du
suchen.
27
Ich war ein ungezognes Kind,
O Mutter, doch ich bin dein Kind!
Du bist die Königin der Welt,
Ich bin als Bettler aufgestellt.
Ich bin so arm, das ich mich schäme,
Du neigst dich zu mir, Angenehme.
Ich liebe dich, ob ich auch litte,
Ich lieb dich trotzdem, die ich bitte.
Zur Mutter stets das Kindlein läuft,
Ob Tadel es auch überhäuft,
Ob mich gescholten auch dein Blick,
Ich laufe stets zu dir zurück.
Was schicktest du mich fort, o Mutter?
Und bist doch dennoch meine Mutter!
Was stießest du mich von dir weg
Und ließest spielen mich im Dreck?
Ich wär ein gutes Kind geworden,
Wenn da du wärst mit lieben Worten.
Nun, Mutter, bin ich voller Trauer
Und ich muss fort, das sieht der
Schauer,
Ich lebe oder sterbe dort,
O Mutter, aber ich bin fort.
28
Im Garten, Nachtigall, geschickt zum
Loben,
Sollst heut nicht auf dem Blütenstiele
toben,
Die Knospen ruhn im Schlaf, sind müd
vor Kummer,
Sie dösen unzerbrochen tief im
Schlummer.
O wie des Nordens Stürme heute blasen!
Die leeren Zweige biegen sich zum
Rasen.
Abwesend ist des Südwinds Brise jetzt,
Und alle Honigbienen sind entsetzt!
Wann wird die Blumen-Jungfrau voll der
Güte
Denn öffnen und verbreitern ihre
Blüte?
Am Morgen glühn die Wangen der Gestalt
Und es bricht auf der
Schlummer-Aufenthalt.
Lenz weckt die Knospe, sie bricht auf
zur Glut,
Nun endlich kommt die blütenreiche
Flut.
Die Knospe blüht, sie spitzt die
Lippen lange
Zum Kuss und lacht, mit Grübchen in
der Wange.
O Dichter, du vergisst den Duft, den
linden,
Und weißt das ferne Ufer nicht zu
finden?
Die schöne Blume der Vergangenheit
Erfüllte deine Brust mit Lieblichkeit,
Nun überflossen kann sie nicht mehr
taugen,
Liegt in der Flut von tränenreichen
Augen.
29
Der Morgenröte Lauf -
Das Himmelstor geht auf -
Erwache, o Karuna!
Jasmin ruft zu den Reben:
Karuna ist im Leben!
Erwache, o Karuna!
Der liebe Onkel Sonne
Gelaufen kommt voll Wonne
Im purpurroten Schimmer.
So höre nur, der Wächter
Ist auch kein Kostverächter,
Singt Hare Rama immer.
Der Vogel und die Schwester
Verlassen ihre Nester
Und fliegen in den Himmel.
So lausche dem Gewimmer,
Die Vögel singen immer
Im himmlischen Getümmel.
Und ratlos, doch voll Schall,
Die irre Nachtigall
Von Busch zu Blume pfeilt.
Sie öffnet ihre Augen,
Die Blicke können taugen,
Karunas Aug mich heilt!
So lege an das Ruder,
Das Segel hiss, o Bruder,
Das Boot beginnt die Fahrt.
Sie öffnet ihre Augen,
Die Blicke können taugen,
Karuna offenbart!
Die aufsteht in der Frühe,
Die scheut auch keine Mühe,
Sie schaffet früh und spat.
Nachts aber ungewohnt
Der fromme Bruder Mond
Ist ihr ein Telepath.
Sie lachend läuft nach oben,
Wo froh und selig toben
Die Knaben all im Hauf.
Mit heimlich stillem Schaudern
Zu lauschen ihrem Plaudern,
Wer wacht als Erster auf?
So lege ab die Nacht,
Zeig dich in nackter Pracht
Am Morgen, trotz des Spottes!
Mit einem Sang der Minne
Mit mir den Tag beginne
Und mit dem Segen Gottes!
30
Die Mutter auf dem Krematorium
Erwacht und nimmt ihr Kind, das leidet
stumm,
Nimmts in der letzten Stunde auf den
Schoß.
Die feierliche Mutter, sie ist groß,
Sitzt auf dem Scheiterhaufen still am
Morgen,
In ihrem Sari ist die Huld geborgen.
Um ihn auf ihrem Mutterschoß zu
halten,
Verließ den Himmel sie und den
Ur-Alten
Und mit dem Segen Gottes in der Flasche
Macht sie zu ihrer Heimat jene Asche.
Was willst du denn dein Grab mit Angst
begrüßen,
Schläfst du der Mutter ruhig dort zu
Füßen?
Wer stirbt in heißen Flammen dieser
Welt,
Der ruft zur Mutter in dem Himmelszelt:
O komm zu mir mit deiner Brüste Beben!
So wieg dich in den Schlaf, erschöpft
vom Leben,
Die Mama holt dich heim in ihren Schoß
Und stillt dich an den Mutterbrüsten
groß.