Verdolmetscht
und kommentiert von Josef Maria Mayer
ÜBERSETZUNG
ERSTES
KAPITEL
1
In den Tagen, da die Richter regierten, war eine Hungersnot im Lande.
Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog fort, er, seine Frau und seine
beiden Söhne, um in den Ebenen von Moab zu leben.
2
Der Mann hieß Elimelech (Mein Gott ist König), seine Frau Naomi
(Die Süße) und ihre beiden Söhne Mahlon (Krankheit) und Kiljon
(Schwindsucht); sie waren aus Ephratha, aus Bethlehem (Haus des
Brotes) in Juda. Sie gingen in die Ebenen von Moab, dort ließen sie
sich nieder.
3
Elimelech, Naomis Mann, starb, und sie und ihre beiden Söhne blieben
dort.
4
Die Söhne heirateten Moabiterinnen: die eine wurde Orpah (Nacken)
und die andere Ruth (Freundin) genannt. Sie lebten dort für etwa
zehn Jahre.
5
Mahlon und Kiljon starben auch, und Naomi war beraubt ihrer beiden
Söhne und ihres Mannes.
6
Sie beschloss, zurückzukehren von den Ebenen von Moab mit ihren
Schwiegertöchtern, nachdem sie in den Ebenen von Moab gehört, dass
Gott sein Volk heimgesucht und ihnen Essen gegeben.
7
Also, mit ihren Schwiegertöchtern verließ sie den Ort, wo sie
lebte, und nahm den Weg zurück nach Juda.
8
Naomi sagte zu ihren zwei Schwiegertöchtern: "Geht zurück,
jede von euch in das Haus ihrer Mutter.
9
Möge Jahwe euch seine treue Liebe zeigen, wie ihr sie denen, die
gestorben sind, und mir gezeigt habt. Jahwe möge euch segnen, dass
jede von euch das Glück hat, wieder einen Mann zu finden!" Sie
küssten sie, aber dann begannen sie laut zu weinen
10
und sagten: "Nein, wir wollen mit dir gehen als deine
Dienerinnen."
11
„Geht nach Hause, meine Töchter", antwortete Naomi. „Warum
wollt ihr mit mir kommen? Habe ich noch mehr Söhne in meinem Schoß,
um Ehemänner für euch zu gebären?
12
Geht heim, meine Töchter, geht, denn ich bin jetzt zu alt, um noch
einmal zu heiraten. Auch wenn ich sagte: Ich habe immer noch eine
Hoffnung: Ich werde einen Mann in dieser Nacht nehmen und weitere
Söhne in meinem Schoße tragen,
13
wärt ihr denn bereit, auf sie zu warten, bis sie erwachsen sind?
Möchtet ihr euch weigern bis dahin, noch einmal zu heiraten? Nein,
Töchter, ich bin bitter vor Leid um euretwillen, da die Hand des
Herrn wider mich erhoben ist."
14
Sie begannen alle, laut zu weinen, immer wieder; Orpah küsste ihre
Schwiegermutter und ging zurück zu ihrem Volk. Aber Ruth blieb bei
ihr.
15
Naomi sagte: "Schau, deine Schwester ist zu ihrem Volk und zu
ihrem Gott gegangen. Geh du auch nach Hause, folge deiner Schwester."
16
Aber Ruth sagte: "Bedränge mich nicht, dich zu verlassen und
nicht mit dir zu gehen, denn wohin du gehst, will ich auch gehen, wo
du lebst, will ich auch leben. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott
ist mein Gott.
17
Wo du stirbst, will ich auch sterben, und dort will ich begraben
werden. Lasse Jahwe unermessliche Übel über mich bringen und noch
schlimmere Übel, doch nur der Tod soll mich von dir scheiden!"
18
Als sie sah, dass Ruth entschlossen war, mit ihr zu gehen, sagte
Naomi nichts mehr.
19
Die beiden gingen weiter, bis sie nach Bethlehem kamen. Ihre Ankunft
brachte die ganze Stadt auf die Beine, und die Frauen sagten: "Kann
das Naomi sein?"
20
Dazu sagte sie: "Nennt mich nicht mehr Naomi, die Süße,
sondern nennt mich Mara, die Bittere, denn Shaddai hat mein Schicksal
bitter gemacht!
21
Ich ging voll aus, und der Herr hat mich leer nach Hause gebracht.
Warum nennt ihr mich also Naomi, da der Herr sich gegen mich
ausgesprochen und Shaddai mich elend gemacht?“
22
Dies war, wie Naomi nach Hause kam mit ihrer Schwiegertochter, der
Moabiterin Ruth, bei der Rückkehr von den Ebenen von Moab. Sie kamen
in Bethlehem an zu Beginn der Gerstenernte.
ZWEITES
KAPITEL
1
Naomi hatte einen Verwandten von der Seite ihres Mannes, wohlhabend
und von Elimelechs Clan. Sein Name war Boas (In ihm ist Kraft).
2
Ruth, die Moabiterin, sprach zu Naomi: "Lass mich in die Felder
gehen und Ähren lesen in den Fußstapfen eines Mannes, der mich mit
Wohlwollen ansehen wird." Sie antwortete: "Geh, meine
Tochter."
3
So zog sie aus und ging in den Feldern, hinter den Schnittern her
aufzulesen. Der Zufall führte sie zu einem Grundstück des Boas von
Elimelechs Clan.
4
Boas war gerade aus Bethlehem gekommen. "Jahwe sei mit euch!"
sagte er zu den Schnittern. "Der Herr segne dich!"
antworteten sie.
5
Boas sagte zu einem seiner Diener, der über die Schnitter eingesetzt
war: "Zu wem gehört diese junge Frau?"
6
Und der Knecht, der über die Schnitter eingesetzt war, antwortete:
"Das Mädchen ist die Moabiterin, die mit Naomi aus den Ebenen
von Moab kam.
7
Sie sagte: Bitte lass mich doch auflesen und mitnehmen, was von den
Garben hinter den Schnittern abfällt. - So kam sie, und hier blieb
sie und machte kaum eine Pause von morgens bis jetzt."
8
Boas sagte zu Ruth: "Hör mir zu, Tochter. Du sollst nicht zur
Nachlese in irgendeinen anderen Bereich gehen. Du sollst nicht von
hier weggehen. Bleibe nah bei meinen Arbeiterinnen.
9
Halte die Augen gerichtet, auf welchem Teil des Feldes sie ernten,
und folge ihnen. Ich habe meinen Männern verboten, dich zu
belästigen. Und wenn du durstig bist, geh zu den Krügen und trinke,
was die Knechte schöpfen."
10
Ruth fiel nieder auf ihr Angesicht, warf sich nieder und sagte: "Wie
habe ich gewonnen deine Gnade, denn du hast mich beachtet, die ich
nur eine Ausländer bin?“
11
Boas antwortete: "Ich habe alles gehört über die Art, wie du
dich seit dem Tod deines Mannes bei deiner Schwiegermutter benommen
hast und wie du von deinem eigenen Vater und Mutter und dem Land, wo
du geboren wurdest, zu einem Volk gekommen bist, von dem du vorher
nichts wusstest.
12
Möge Jahwe dir alles vergelten, was du getan hast, mögest du
reichlich von Jahwe, dem Gott Israels, belohnt werden, die du unter
seinen Flügeln Zuflucht genommen hast!"
13
Sie sagte: "Mein Herr, ich hoffe, du wirst immer auf mich
schauen mit Wohlgefallen! Du hast mich getröstet und ermutigt,
obwohl ich nicht einmal gleich bin einer deiner Arbeiterinnen."
14
Als es Zeit war zu essen, sagte Boas zu ihr: "Komm und iss etwas
von diesem Brot und tauche dein Stück in den Essig." Ruth
setzte sich neben die Schnitter, und Boas machten einen Haufen von
gerösteten Getreide für sie; und sie aß, bis ihr Hunger gestillt
war, und sie ließ einiges übrig.
15
Als sie wieder sammeln gingen, gab Boas Aufträge seinen Arbeitern:
"Lasst sie zwischen den Garben auflesen. Belästigt sie nicht!
16
Und ihr werdet sicher ein paar Ähren von den Bündeln zupfen und
fallen lassen. Lasst sie das dann aufzulesen, und schimpft nicht mit
ihr."
17
So las sie auf dem Gebiet bis zum Abend. Dann drosch sie, was sie
aufgelesen hatte, und es war etwa ein Scheffel Gerste.
18
Da ging sie zurück in die Stadt. Ihre Schwiegermutter sah, was sie
aufgelesen hatte. Ruth nahm auch, was sie nach dem Essen behalten
hatte, und gab es ihr.
19
Ihre Schwiegermutter sagte: "Wo hast du heute Nachlese gehalten?
Wo hast du gearbeitet? Gesegnet sei der Mann, der Notiz nahm von
dir!" Ruth erzählte ihrer Schwiegermutter, in wessen Bereich
sie tätig gewesen war. „Der Name des Mannes, bei dem ich
gearbeitet habe", sagte sie, „ist Boas."
20
Naomi sagte ihrer Schwiegertochter: "Möge er von Jahwe gesegnet
werden, der seine treue Liebe den Lebenden und Toten nicht
vorenthalten hat! Dieser Mann", fügte Naomi hinzu, "steht
in einer engen Beziehung mit uns. Er ist einer von denen, die das
Recht der Lösung über uns haben."
21
Ruth, die Moabiterin, sagte zu ihrer Schwiegermutter: "Er sagte
auch: Bleib bei meinen Arbeitern, bis sie meine ganze Ernte beendet
haben.“
22
Naomi sagte zu Ruth, ihrer Schwiegertochter: "Es ist besser für
dich, Tochter, mit seinen Arbeiterinnen zu gehen, als zu einem
anderen Feld zu gehen, wo du vielleicht schlecht behandelt würdest."
23
So blieb sie bei den Arbeiterinnen des Boas und las auf, bis die
Gersten- und Weizenernte fertig war. Und sie lebte mit ihrer
Schwiegermutter zusammen.
DRITTES
KAPITEL
1
Ihre Schwiegermutter sagte dann: „Tochter, ist es nicht meine
Pflicht, dich glücklich zu machen?
2
Boas, der Mann, mit dessen Arbeiterinnen du warst, ist er nicht unser
Verwandter? Heute Abend wird er die Gerste dreschen auf der Tenne.
3
So wasche dich und parfümiere dich, lege den Mantel um und geh auf
die Tenne. Lass ihn dich nicht erkennen, während er noch isst und
trinkt.
4
Aber wenn er sich hinlegt, beachte, wo er liegt, dann geh und hebe
die Decke zu seinen Füßen und lege dich selber zu ihm. Er wird dir
sagen, was du tun sollst."
5
Ruth sagte: „Ich werde alles tun, was du mir gesagt hast."
6
So ging sie auf die Tenne und tat alles, was ihre Schwiegermutter ihr
gesagt hatte.
7
Als Boas fertig gegessen und getrunken hatte, ging er glücklich hin
und legte sich neben den Haufen von Gerste. Ruth ging dann leise zu
ihm, hob die Decke zu seinen Füßen und legte sich zu ihm.
8
In der Mitte der Nacht wachte er mit einem Schock auf und sah sich
um; und zu seinen Füßen lag eine Frau.
9
„Wer bist du?“ sagte er; und sie antwortete: "Ich bin deine
Magd Ruth. breite den Zipfel deines Mantels über deine Magd, denn du
hast das Recht der Lösung."
10
„Der Herr segne dich, Tochter", sagte er, "denn dieser
zweite Akt der treuen Liebe, den du tust, ist größer als der erste,
da du nicht jungen Männern hinterher läufst, sie seien arm oder
reich.
11
Fürchte dich nicht, Tochter, ich werde alles tun, was du bittest, da
die Leute am Tor meiner Stadt alle wissen, dass du eine Frau von
großer Würde bist.
12
Aber, obwohl es wahr ist, dass ich das Recht der Lösung habe, hast
du doch noch einen näheren Verwandten als mich.
13.
Bleib hier heute Abend und am Morgen, und wenn er sein Recht auf dich
ausüben will, gut, dann soll er dich lösen. Aber wenn er es nicht
wünscht, so zu tun, dann, so wahr der Herr lebt, werde ich dich
lösen. Lege dich hier hin bis zum Morgen."
14
So lag sie zu seinen Füßen bis zum Morgen, stand aber auf vor der
Stunde, da ein Mensch einen anderen erkennen kann, denn Boas dachte:
"Es muss nicht bekannt werden, dass diese Frau auf die Tenne
kam.“
15
Dann sagte er: "Breite den Mantel, den du trägst, und halte ihn
mir hin!" Sie hielt ihn hin, während er sechs Maß Gerste
hinein legte, und dann lud er ihr alles auf; und sie ging in die
Stadt.
16
Als Ruth nach Hause kam, fragte ihre Schwiegermutter sie: "Wie
ging es mit dir, Tochter?" Sie erzählte ihr alles, was der Mann
für sie getan hatte.
17
„Er gab mir diese sechs Maß Gerste und sagte: Du sollst nicht mit
leeren Händen nach Hause zu deiner Schwiegermutter gehen."
18
Naomi sagte: "Tu nichts, Tochter, bis du siehst, wie die Dinge
sich entwickeln. Ich bin sicher, er wird nicht ruhen, bis die
Angelegenheit noch heute erledigt ist."
VIERTES
KAPITEL
1
Boas war inzwischen bis zum Tor gegangen und setzte sich, und der
Verwandte, von dem er gesprochen hatte, kam herbei. Boas sprach zu
ihm: "Hier, mein Freund, komm und setze dich“; da kam der Mann
und setzte sich.
2
Boas wählte anschließend zehn Älteste der Stadt und sagte: "Setzt
euch hierher“; und sie setzten sich.
3
Boas sagte dann zu dem Mann, der das Recht der Lösung hatte: "Naomi,
die wiedergekommen ist aus den Ebenen von Moab, will ein Stück Land
verkaufen, das unserem Bruder Elimelech gehörte.
4
Ich dachte, ich sollte dir davon erzählen. Kaufe es in Anwesenheit
der Männer, die hier in der Gegenwart der Ältesten meines Volkes
sitzen. Wenn du dein Recht der Lösung verwenden möchtest, löse das
Land. Wenn du es aber nicht willst, sag es mir, damit ich es weiß,
denn ich bin die einzige Person, die neben dir zu lösen das Recht
hat, und ich komme nach dir.“
5
Boas sagte dann: "An dem Tag, da du das Feld von Naomi erwirbst,
erwirbst du auch Ruth, die Moabiterin, die Frau des Mannes, der
gestorben ist, um so den Namen des Toten in seinem Erbe zu
verewigen."
6
Der Mann mit dem Recht der Lösung sagte dann: "Ich kann mein
Recht auf Lösung nicht verwenden, ohne dabei meinem eigenen Erbe zu
schaden. Ich würde ja etwas kaufen, was später nicht bei meiner
Familie verbliebe."
7
Nun, in früheren Zeiten war es Brauch in Israel, bei einer
Transaktion im Bereich des Kaufs oder der Erbschaft, da gab einer
seinen Schuh dem anderen und bestätigte so den Vertrag. Dies war die
Art, wie Vereinbarungen in Israel ratifiziert wurden.
8
Also, als der Mann mit dem Recht der Lösung sagte zu Boas: „Erwirb
du es selbst“, und er gab ihm seine Sandale.
9
Boas sagte zu den Ältesten und allen Leute da: "Heute seid ihr
Zeugen, dass ich von Naomi erworben alles, was Elimelech gehörte,
und alles, was zu Mahlon und Kiljon gehörte,
10
und dass ich auch Ruth, die Moabiterin, Mahlons Witwe, erworben, dass
sie meine Frau werde, um den Namen des Toten in seinem Erbteil zu
erhalten, so dass der Name des Toten nicht unter seinen Brüdern und
am Tor seiner Stadt verloren geht. Heute seid ihr Zeugen."
11
Alle Menschen an der Pforte sagten: "Wir sind Zeugen"; und
die Ältesten sagten: "Möge Jahwe die Frau machen wie Rahel und
Lea, die beide das Haus Israel gebaut haben. Werdet mächtig in
Ephrata, in Bethlehem werdet berühmt!
12
Und durch die Kinder, die der Herr dir von dieser jungen Frau geben
wird, möge deine Familie wie die Familie des Perez werden, den die
Tamar dem Juda gebar."
13
Also nahm Boas Ruth, und sie wurde seine Frau. Und als sie sich
vereinigten, schwängerte sie der Herr, und sie gebar einen Sohn.
14
Da sagten die Frauen zu Naomi: "Gepriesen sei der Herr, der dich
nicht verlassen hat, der dich erlöst hat. Sein Name soll in Israel
gepriesen werden!
15
Das Kind wird ein Trost für dich sein und die Stütze deines Alters,
denn er wurde geboren von deiner Schwiegertochter, die dich liebt und
für dich mehr wert ist als sieben Söhne."
16
Und Naomi nahm das Kind und legte ihn an ihre Brust; und sie war es,
die nach ihm sah.
17
Und die Frauen der Nachbarschaft gaben ihm einen Namen. "Ein
Sohn", sagten sie, "ist der Naomi geboren worden", und
sie nannten ihn Obed (Knecht). Dieser war der Vater von Jesse, dem
Vater von David (dem Geliebten).
18
Das sind die Nachkommen von Perez: Perez zeugte Hezron,
19
Hezron zeugte Ram, Ram zeugte Amminadab,
20
Amminadab zeugte Nachschon, Nachschon zeuge Salmon,
21
Salmon zeugte Boas, Boas zeugte Obed,
22
Obed zeugte Jesse, Jesse zeugte David.
KOMMENTAR
ERSTES
KAPITEL
Das
Buch Ruth schildert eine landwirtschaftliche Lebensweise des Volkes
Israel im Heiligen Land zur Zeit der sogenannten Richter. Die Zeit
der Richter liegt zwischen dem Auszug der Kinder Israel aus Ägypten
und der Königszeit, etwa 1300 vor Christi Geburt. Gott führte die
Kinder Israel durch die Richter, die so etwas wie Bürgermeister
waren. Das Buch Ruth wird in der jüdischen Liturgie als Festrolle
zum jüdischen Wochenfest gelesen, das zur Gerstenernte stattfindet
und der Vorläufer des christlichen Pfingsten ist. Der Verfasser des
Buches Ruth ist anonym geblieben, allerdings vermuten die jüdischen
Rabbinen den Seher Samuel als Autor des Buches. Das Buch ist keine
poetische Erfindung, sondern ein geschichtliches Buch. Allerdings
darf man bei seiner Auslegung nicht an historischen Fakten kleben
bleiben, sondern muss durch die Allegorie den geistlichen Sinn
erschließen.
1,
1 In den Tagen, da die Richter regierten, war eine Hungersnot im
Land. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog fort, er, seine Frau und
seine beiden Söhne, um in den Ebenen von Moab zu leben.
Bethlehem
in Juda ist das Haus des Brotes, wie sein Name sagt. Auch die Kirche
ist das Haus des Brotes, denn die Kirche ist das Haus Christi, und
Christus ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wenn die Familie,
der Mann und die Frau und die Söhne, Bethlehem in Juda verlassen, um
in das heidnische Moab auszuwandern, ist es dasselbe, als wenn eine
christliche Familie die Kirche Gottes verlässt und in das Heidentum
zurück sinkt.
1,
2 Der Mann hieß Elimelech (Mein Gott ist
König), seine Frau Naomi (Die Süße) und ihre beiden Söhne Mahlon
(Krankheit) und Kiljon (Schwindsucht); sie waren aus Ephratha, aus
Bethlehem (Haus des Brotes) in Juda. Sie gingen in die Ebenen von
Moab, dort ließen sie sich nieder.
Hier
wird die Familie beschrieben, die eine Kirche im Kleinen oder eine
Hauskirche ist. Der Vater ist Gott der König. Die Mutter, was die
Protestanten vergessen, ist die Süße, die Liebliche. Die Kinder
heißen Krankheit und Schwindsucht oder anders gesagt: Schwächlich
und Gebrechlich, denn die Kinder der Kirche sind Sünder. Die Kirche
stammt aus Bethlehem in Juda, denn mit der Geburt des Sohnes Gottes
aus der Jungfrau Maria nahm die Kirche im Stall von Bethlehem ihren
Anfang, da die jüdischen Hirten und die heidnischen Magier das
göttliche Kind auf dem Schoß der süßen und lieblichen Mutter
anbeteten. Ein Abfall vom Glauben ist es, den Stall von Bethlehem zu
verlassen und in die Ebenen der Heiden auszuwandern. Wir leben in
einer Zeit des massiven Glaubensabfalls und einer Flut des
Neuheidentums.
1,
3 Elimelech, Naomis Mann, starb, und sie und ihre beiden Söhne
blieben dort.
Elimelech,
also mein Gott ist König, starb, wie Jesus Christus am Kreuze starb,
und Naomi, die Liebliche, blieb mit ihren Kindern zurück, wie Jesus
am Kreuz als sein Testament der Mutter Jesu die Jünger und
Jüngerinnen Jesu als ihre Kinder anvertraut hat. Die liebenswürdige
Maria ist die Mutter der Kinder Gottes.
1,
4 Die Söhne heirateten Moabiterinnen: die
eine wurde Orpah (Nacken) und die andere Ruth (Freundin) genannt. Sie
lebten dort für etwa zehn Jahre.
Die
jüdischen Söhne heirateten heidnische Mädchen. Davor warnt das
Wort Gottes im allgemeinen. Der Schriftgelehrte und Priester Ezra
löste feierlich alle Mischehen auf. Der weise König Salomo ward
durch seine heidnischen Konkubinen zur Verehrung der Göttin Astarte
verführt. Der Name der beiden Mädchen ist Orpah und Ruth, das sind
sprechende Namen. Denn Orpah bedeutet Nacken oder: Die den Rücken
zuwendet. Und Ruth bedeutet Freundin oder Freundschaft. Orpah ist die
Heidin, die dem Gott Israels den Rücken zukehrt. Ruth ist die
Heidin, die zur Freundin Gottes wird. Die Rabbinen sagen, die beiden
seien Prinzessinnen gewesen, Töchter des Königs von Moab. Sie waren
von ihrer heidnischen Herkunft her Verehrerinnen des moabitischen
Götterpantheons, dessen Hauptgott der Kriegs- und Todesgott Kemosch
war, den die Septuaginta-Bibel mit dem griechischen Kriegsgott Ares
identifiziert. Die Rabbinen sagen: So wie Ruth die Stammmutter Davids
geworden, so ist Orpah als Stammmutter Goliaths anzusehen.
1,
5 Mahlon und Kiljon starben auch, und Naomi war beraubt ihrer beiden
Söhne und ihres Mannes.
Naomi
war nun eine Witwe und kinderlos. Wenn die christliche Seele sich von
ihrem Gott und Bräutigam los sagt, wenn sie ins Heidentum
zurückfällt, wird sie eine kinderlose Witwe, eine einsame Seele.
Einsamkeit nennt die Bibel nämlich Kinderlosigkeit der Seele. Es ist
ein Zustand der Verzweiflung, der Bitterkeit. Gott wartet jedoch auf
die Umkehr der verlorenen Tochter, um sie sich selbst zu vermählen
und sie geistlich fruchtbar zu machen.
1,
6 Sie beschloss, zurückzukehren von den Ebenen von Moab mit ihren
Schwiegertöchtern, nachdem sie in den Ebenen von Moab gehört, dass
Gott sein Volk heimgesucht und ihnen Essen gegeben.
Hier
tritt die Umkehr der verlorenen Tochter ein. Der verlorene Sohn im
Gleichnis Jesu verprasste sein Erbe bei den Huren, lebte bei den
Schweinen und fraß Schweinefutter, bis er dachte: Ich will umkehren
und heimkehren zu meinem Vater, dort ging es mir besser. Die
verlorene Tochter Naomi verscherzte ihr Segenserbe als Israelitin bei
den moabitischen Schweinen, ihre Söhne heirateten Heidinnen. Aber
nun will sie heimkehren zum Gott Israels, bei dem es Brot in Fülle
gibt. Denn Gott gibt Christi Leib als Brot zur Speise der Seele und
mit und durch und in dem eucharistischen Brot das Leben in Fülle,
das ewige Leben. Die christliche erzogene Seele, die für eine Zeit
die Kirche verlassen hatte und im Heidentum gelebt hatte, dessen
Götzendienst Ehebruch und Hurerei ist, tut Buße und kehrt heim zur
Barmherzigkeit Gottes.
1,
7 Also, mit ihren Schwiegertöchtern verließ sie den Ort, wo sie
lebte, und nahm den Weg zurück nach Juda.
Die
Seele, die sich zu Gott bekehrt, nimmt andere Seelen mit. Genauer
gesagt, sie lädt die Seelen aus dem heidnischen Umfeld ein, sich
gleichfalls zum barmherzigen Gott zu bekehren. Wir sehen gleich, dass
es eine freie Entscheidung der Heidinnen bleibt, denn es gibt zwei
Wege: Orpah wendet dem Gott Israels den Rücken zu, betet den
Kriegsgott Kemosch weiter an, wird Mutter Goliaths, geht die breite
Straße, die in die Verdammnis führt. Ruth wird Freundin Gottes, sie
sieht im barmherzigen Gott Israels ihren allerhöchsten Freund, sie
zieht nach Bethlehem, sie wird Mutter Davids, ja, Mutter des Messias,
sie geht den engen Weg, der ins Paradies führt.
1,
8 Naomi sagte zu ihren zwei Schwiegertöchtern: "Geht zurück,
jede von euch in das Haus ihrer Mutter.“
Naomi
wollte die Schwiegertöchter nicht an sich binden, denn sie konnte
ihnen keine Männer geben. Sie wies sie zurück in das Haus ihrer
Mutter. Maria will uns auch nicht an sich binden, aber auch sie sagt
uns: Kehrt um und geht zurück zur Quelle, ins Haus der Mutter. Auch
im Hohenliede Salomos lädt die Freundin den Geliebten ins Haus ihrer
Mutter ein. Und die Kirchenväter lehrten, die Mutter im Hohenliede
sei Gott der Vater. Zurück zur Quelle! Zurück zur Mutter! Zurück
zu Maria! Zurück zu Gottes mütterlicher Liebe!
1,9
„Möge Jahwe euch seine treue Liebe zeigen, wie ihr sie denen, die
gestorben sind, und mir gezeigt habt. Jahwe möge euch segnen, dass
jede von euch das Glück hat, einen Mann zu finden!" Sie küssten
sie, aber dann begannen sie laut zu weinen.
Die
christliche Seele segnet die Heidinnen in ihrem Umfeld und empfiehlt
sie der treuen Liebe Jahwes. Denn die treue Liebe oder die Gnade
Jahwes gilt allen Völkern und jeder einzelnen Seele. Auch die Frage
des Mädchens, einen Bräutigam zu finden, ist eine Angelegenheit des
Segens Jahwe. Die allerdings Jahwe den Rücken kehrt, wird seinen
Segen über ihre Ehe nicht empfangen, aber die Jahwe ihren höchsten
Freund nennt, wird von Jahwe mit einem frommen und heiligmäßigen
Bräutigam gesegnet, ja, Jahwe, der Freund der Freundin, wird selbst
ihr allerhöchster Bräutigam, und sie wird zur gesegneten Mutter
Davids, Mutter des Messias. Und die beiden heidnischen Mädchen
küssten Naomi, die Liebliche und Süße, ihre Schwiegermutter, oder
wie der Engländer sagt: Ihre Mutter-nach-dem-Gesetz, und weinten. So
sollen auch wir Maria, unsere liebenswürdige Mutter im Gesetz
Christi, küssen, denn sie will uns mitnehmen nach Bethlehem zur
Krippe, mitnehmen zum himmlischen Zion. Und die beiden Heidinnen
weinten. Aber Orpahs Tränen waren von der Traurigkeit der Welt, die
zum Tode führt, dagegen Ruths Tränen waren himmlische Traurigkeit,
die zu Reue und Umkehr führt, zum Leben in Fülle.
1,10
Und sie sagten: "Nein, wir wollen mit dir gehen als deine
Dienerinnen."
Beide,
Orpah und Ruth, wollen mit der Mutter-nach-dem-Gesetz gehen als ihre
Dienerinnen. So sollen die christlichen Seelen mit der Mutter des
Neuen Bundes gehen und ihr dienen. Allerdings ließ Orpath ihren
Worten keine Taten folgen, als der Weg mit der Mutter ein Opfer zu
fordern schien, dagegen Ruth war zum Opfer bereit, bis hin zur
Ehelosigkeit, dem Weißen Martyrium, folgte und diente der Mutter im
Glauben und ließ ihren Worten Taten folgen. Gott ist nicht an bloßen
Lippenbekenntnissen des Glaubens interessiert, sondern erwartet, dass
sich unser Glaube durch die Werke der Liebe als echt und fruchtbar
erweist.
1,11
„Geht nach Hause, meine Töchter", antwortete Naomi. „Warum
wollt ihr mit mir kommen? Habe ich noch mehr Söhne in meinem Leibe,
um Ehemänner für euch zu gebären?“
Es
ist, als fragte die Mutter des Neuen Bundes die Seelen, die kurz vor
der Entscheidung zur Bekehrung stehen: Warum wollt ihr mit mir
kommen? Wenn ihr mir, der Mutter im Gesetz, nach Zion, nach Bethlehem
folgen wollt, müsst ihr bereit zu Verzicht und Opfer sein. Ihr müsst
mir folgen nach Bethlehem, wo mein Sohn in bitterster Kälte und
großer Verlassenheit geboren ist. Ihr müsst mir folgen nach
Golgatha, bis unter das Kreuz. Überlegt es euch, ob ihr nur irdische
Segnungen wollt, oder ob ihr bereit zum Kreuztragen seid. Aber,
flüstert die Mutter des Neuen Bundes, wenn du, o Seele, dich
bekehrst, dann werde ich dir in Bethlehem einen Bräutigam gebären.
Auch wenn es bei der Geburt nicht natürlich zugeht, werde ich doch
mit dem Segen Jahwes, dir, Freundin Gottes, den Bräutigam gebären.
1,12
„Geht heim, meine Töchter, geht, denn ich bin jetzt zu alt, um
noch einmal zu heiraten. Auch wenn ich sagte: Ich habe immer noch
eine Hoffnung: Ich werde einen Mann in dieser Nacht nehmen und
weitere Söhne in meinem Schoße tragen,
1,13
wärt ihr denn bereit, auf sie zu warten, bis sie erwachsen sind?
Möchtet ihr euch weigern bis dahin, noch einmal zu heiraten? Nein,
Töchter, ich bin bitter vor Leid um euretwillen, da die Hand des
Herrn wider mich erhoben ist."
Naomi
ist zu alt, einen Mann zu nehmen und einen Sohn zu gebären. So war
auch Sara zu alt, einen Sohn zu gebären, es ging ihr nicht mehr nach
der Frauen Weise und ihr Leib war erstorben. So galt Elisabeth als
unfruchtbar. Und alle diese haben durch die Macht Gottes geboren.
Naomi bekommt am Ende des Buches Ruth den Sohn der Ruth auf den Schoß
gelegt. Sara gebiert mit neunzig Jahren den Isaak, vom Engel
verkündet. Elisabeth, wie der Erzengel Gabriel ihrem Ehemann
verkündet, gebiert Johannes den Täufer. Alle diese Wunder weisen
hin auf die jungfräuliche Empfängnis Jesu im Schoß der Jungfrau
Maria, des unbesamten Ackers. Und dieser Sohn der Jungfrau ist der
Bräutigam. Seid ihr bereit, auf ihn zu warten? Aber die Jungfrau
Maria, gesegnet mehr als alle Frauen, die Mutter Gottes, musste unter
dem Kreuz die Worte Naomis wiederholen: Töchter, ich bin bitter vor
Leid um euretwillen, da die Hand des Herrn wider mich erhoben ist.
Denn Maria nahm auf einzigartige Weise teil an der Passion Jesu
Christi. Der Schmerz, den sie erlitt, als ihr Sohn gekreuzigt wurde,
dieser Schmerz drang wie ein Schwert in ihre Seele und öffnete ihr
Herz für die Mutterschaft, denn Christus gab sie sterbend uns zur
Mutter. Wer will dieses Testament Jesu nicht annehmen?
1,14
Sie begannen alle, laut zu weinen, immer wieder; Orpath küsste ihre
Schwiegermutter und ging zurück zu ihrem Volk. Aber Ruth blieb bei
ihr.
1,15
Naomi sagte: "Schau, deine Schwester ist zu ihrem Volk und zu
ihrem Gott gegangen. Geh du auch nach Hause, folge deiner Schwester."
1,
16 Aber Ruth sagte: "Bedränge mich nicht, dich zu verlassen und
nicht mit dir zu gehen, denn wohin du gehst, will ich auch gehen, wo
du lebst, will ich auch leben. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott
ist mein Gott.
1,17
Wo du stirbst, will ich auch sterben, und dort will ich begraben
werden. Lasse Jahwe unermessliche Übel über mich bringen und noch
schlimmere Übel, doch nur der Tod soll mich von dir scheiden!"
Hier
haben wir gesehen, was Nachfolge der Mutter im Glauben bedeutet, sie
führt uns unter das Kreuz. Orpah weinte und küsste sie und –
verlässt sie. Ruth weint und küsst sie und – geht mit ihr. Die
Mutter-im-Gesetz will Ruth aber noch einmal prüfen, ob ihre
Bekehrung echt ist, sie fordert eine erneuerte Entscheidung und ein
entschiedenes Bekenntnis. Und hier spricht Ruth eine Formel, ihr
Credo, der oft als Hochzeitstext gewählt wird, aber
interessanterweise hier von Tochter zu Mutter, von Schwiegertochter
zu Schwiegermutter gesprochen wird. Maria, ich will mit dir gehen,
denn wohin du gehst, will ich auch gehen, und sei es unter das Kreuz
oder gar an das Kreuz, denn du führst mich in den Himmel, du führst
mich zu deinem Sohn, dem Bräutigam meiner Seele. Wo du lebst will
ich auch leben. Du lebst im Paradies, und ich will bei dir im
Paradies leben. Dein Volk ist mein Volk, denn dein Volk ist das Volk
Gottes, du bist die Mutter des Volkes Gottes, die Mutter der Kirche,
und deine Kirche ist auch meine Kirche. Und dein Gott ist auch mein
Gott, denn du bist die Tochter Gottes des Vaters und die Mutter
Gottes des Sohnes und die Braut Gottes des Heiligen Geistes, und
meine Gottheit ist die Allerheiligste Dreifaltigkeit.
1,18
Als sie sah, dass Ruth entschlossen war, mit ihr zu gehen, sagte
Naomi nichts mehr.
1,19
Die beiden gingen weiter, bis sie nach Bethlehem kamen. Ihre Ankunft
brachte die ganze Stadt auf die Beine, und die Frauen sagten: "Kann
das Naomi sein?"
1,
20 Dazu sagte sie: "Nennt mich nicht mehr Naomi, die Süße,
sondern nennt mich Mara, die Bittere, denn Shaddai hat mein Schicksal
bitter gemacht.
Wenn
die Seele entschieden ist für Gott, dann braucht es nicht vieler
Worte mehr, dann geht es um Taten. Wenn die Vereinigung mit Gott im
Gebet vollzogen ist, dann geht es hinaus in die Welt, Werke der Liebe
zu tun. Wir folgen Maria weiter und hören sie sagen: Nennt mich
nicht mehr Unsere Süßigkeit, sondern nennt mich Mara, das Meer der
Bitterkeit. Eine Spanierin namens Maria sagte mir nach dem Tod ihres
Mannes: Maria heißt die Bittere, denn sie musste Bitteres erleiden.
Ja, Maria, die das Salve Regina unsere Süßigkeit oder unsere Wonne
nennt, dulcis virgo Maria, süße Jungfrau Maria, sie sagte, stehend
unter dem Kreuz: Seht, ob es einen Schmerz wie meinen gibt! Wir
Christen sind alle berufen, Anteil zu haben am erlösenden Leiden
Christi, aber nie hat ein Mensch so sehr mit Jesus gelitten wie seine
Mutter. Maria ahmt Jesus nach: Er war Gott in Herrlichkeit und wurde
um unsertwillen zur Sünde und zum Fluch, und Maria ist unsere Wonne,
die süße Jungfrau Maria, die unseretwillen zum Meer der Bitterkeit
wurde. Eine Christin, die in der Kinderlosigkeit ihrer Seele das
Kreuz Christi zu schmecken bekam, den bitteren Kelch der Leiden, das
Mitgekreuzigtwerden mit Christus, wiederholte diese Worte: Nennt mich
Mara, die Bittere. Hier ist Naomis Anteil an der Passion, ihr Kreuz.
Wie Hiob klagt sie: Die Pfeile Shaddais durchbohren meine Seele! So
drangen sieben Schwerter durch Marias Seele, als die Mutter der
Schmerzen vereint mit dem Sohn der Schmerzen litt. Doch wie Jesu
Passion uns erlöst hat, so ist Maria durch ihr Mitleiden unsere
Mutter geworden, die Süße, die Liebliche, die Liebenswürdige.
1,21
Ich ging voll aus, und der Herr hat mich leer nach Hause gebracht.
Warum nennt ihr mich also Naomi, da der Herr sich gegen mich
ausgesprochen und Shaddai mich elend gemacht?“
1,22
Dies war, wie Naomi nach Hause kam mit ihrer Schwiegertochter, der
Moabiterin Ruth, bei der Rückkehr von den Ebenen von Moab. Sie kamen
in Bethlehem an zu Beginn der Gerstenernte.
Naomi
spricht hier wie ein weiblicher Hiob. Shaddai hat mich elend gemacht.
Dennoch hält sie an Shaddai fest. Sie liebt Shaddai, weil er Gott
ist, nicht wegen seiner Gaben. Sie liebt Shaddai nicht nur in Zeiten
des Halleluja, sondern auch in Zeiten des Wehe. Sie liebt Shaddai
nicht nur im Sonnenschein, sondern auch in der dunklen Nacht der
Seele. Sie hat sich abgewandt von der Welt, das ist die dunkle Nacht
der Sinne. Sie fühlt Gottes Liebe nicht mehr, das ist die dunkle
Nacht der Seele. Sie kann Gott nicht mehr verstehen, das ist die
dunkle Nacht des Geistes. Doch diese dreifache Nacht ist der Weg zur
Vereinigung mit der göttlichen Weisheit. Und so kommt Naomi mit Ruth
in Bethlehem an zur Zeit der Ernte, jetzt kommt die Zeit der
Fruchtbarkeit, jetzt kommt das Brot vom Himmel und die Fülle des
ewigen Lebens. Ruth ist angekommen in Gottes Königreich.
ZWEITES
KAPITEL
2,1
Naomi hatte einen Verwandten von der Seite ihres Mannes, wohlhabend
und von Elimelechs Clan. Sein Name war Boas (In ihm ist Kraft).
Hier
tritt der Löser zum ersten Mal auf. Der Löser war ein familiärer
Beistand. Er kauft die Schulden der Witwen und Waisen auf. Er sichert
das Erbe. Wir fragen uns, inwiefern der Löser des alten Bundes ein
Hinweis auf den Erlöser des neuen und ewigen Bundes ist. Christus
ist seiner Menschheit nach unser Bruder geworden, er hat uns durch
das Lösegeld seines kostbaren Blutes von der Sünde und dem Satan
und dem Tod freigekauft und unser himmlisches Erbe erworben. Der Name
des Lösers ist Kraft. Jesus sagte: Von nun an werdet ihr den
Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft. Kraft ist also ein Name
Gottes des Vaters. Paulus sagte: Gott hat Christus für uns gemacht
zu Gottes Weisheit (Sophia) und Gottes Kraft (Dynamis). Kraft ist
also ein Name Gottes des Sohnes. Auch der Heilige Geist wird Kraft
Gottes genannt, der Kraftwirkungen (Energien) ausstrahlt. Wir glauben
also an die dreifaltige göttliche Kraft. Boas, der Löser, die
Kraft, erscheint in der allegorischen Auslegung als Gott der
Bräutigam, Ruth, die Freundin, ist die christliche Seele, die Braut
Christi.
2,2
Ruth, die Moabiterin, sprach zu Naomi: "Lass mich in die Felder
gehen und Ähren lesen in den Fußstapfen eines Mannes, der mich mit
Wohlwollen ansehen wird." Sie antwortete: "Geh, meine
Tochter."
Ruth
wollte als liebende Schwiegertochter arbeiten, um für sich und ihre
Schwiegermutter das tägliche Brot zu verdienen. Sie wusste nicht
genau, wohin sie gehen sollte. Sie erfüllte einfach ihre Pflicht und
begann mit dem ersten praktischen Schritt. Sie suchte den Acker, wo
sie Gnade finden würde bei dem Herrn des Ackers. Sie suchte Gnade,
sie suchte Gott. Die verschleierte Vorsehung Gottes lenkte ihre
Schritte auf das Feld des Boas. Nicht Ruth hat Boas erwählt, sondern
Gott hat den Boas für Ruth erwählt. Die christliche Seele hat nicht
Jesus erwählt, sondern Jesus hat die Seele erwählt und berufen.
Viele Seelen suchen Gott auf irrigen Wegen, sie suchen einen Gott,
den sie sich selbst ausgedacht haben. Aber der christliche Glaube ist
eine Offenbarung von oben, ein Geschenk Gottes, die Ausgießung einer
Gnade, eine Erwählung.
2,3
So zog sie aus und ging in den Feldern, hinter den Schnittern her
aufzulesen. Der Zufall führte sie zu einem Grundstück des Boas von
Elimelechs Clan.
Der
Zufall führte sie. Albert Schweizer sagte: Zufall ist der Name
Gottes, wenn er ingognito handelt. Wir sehen in diesem Zufall eine
Fügung der göttlichen Vorsehung. Um die Wahl des rechten
Ehepartners muss gebeten werden. Die Ehen werden im Himmel
geschlossen. Der Mensch denkt, Gott lenkt, sagt das Sprichwort. Die
Feministin sagte: Die Frau denkt, der Mann schenkt, und Gott lenkt.
Auch in der Theologie der Schöpfung wäre zu bedenken, dass der
schöpferische Zufall das verborgene Wirken des schöpferischen
Geistes ist. Das christliche Leben besteht darin, sich von Gott
führen zu lassen, zu dem rechten Wirkungsfeld, zu dem rechten
Lebenspartner, zur Vereinigung mit Gott.
2,4
Boas war gerade aus Bethlehem gekommen. "Jahwe sei mit euch!"
sagte er zu den Schnittern. "Der Herr segne dich!"
antworteten sie.
Der
Löser Boas kommt aus Bethlehem. Hier sehen wir wieder das Vorbild
für den Erlöser Christus, der im Stall von Bethlehem geboren wurde,
dem Ort seiner Menschwerdung. Nur durch seine Menschwerdung konnte
Christus unser Erlöser werden, da er als wahrer Mensch die Sünde
der ganzen Menschheit auf sich geladen und in Leiden und Tod gesühnt
hat. Wer aber sind die Schnitter? Jesus spricht im Gleichnis von der
eschatologischen Ernte von den Schnittern als von den Engeln, die das
gute Korn in die Scheune sammeln, die schlechte Spreu aber ins Feuer
werfen. Boas sagt zu den Schnittern: Jahwe sei mit euch! Die
Schnitter antworten: Jahwe segne dich! Die Schnitter sind auch die
Arbeiter des Herrn. Der Herr spricht zu den Aposteln: Der Friede sei
mit euch! Und die Apostel antworten: Und mit deinem Geiste. Jesus
sprach von den Arbeitern im Weinberg, hier sind es die Arbeiter auf
dem Acker. Der Acker ist die Welt, und die Arbeiter des Herrn sind
die Verkündiger des Evangeliums. Das Wort Gottes wird als guter Same
ausgesät, die Arbeiter verkünden das Wort Gottes, die Schnitter
bringen die Ernte ein.
2,5
Boas sagte zu einem seiner Diener, der über die Schnitter eingesetzt
war: "Zu wem gehört diese junge Frau?"
Wem
gehört diese junge Frau? Wem gehörst du, o Seele? Der Sänger sagt:
Du hast einem zu dienen, es mag der Teufel sein oder es mag der Herr
sein, aber du hast einem zu dienen. Papst Franziskus sagte in seiner
Antrittspredigt: Wer nicht den Herrn anbetet, der betet den Teufel
an. Wer ist dein Herr? Ist dein Ego dein Herr? Ist der Sex dein Herr?
Ist der Erfolg dein Herr? Ist das Geld dein Herr? Dann gehörst du
dem Teufel. Ist Jesus Christus dein Herr? Dann gehörst du Gott. Und
wem gehörte die Jungfrau Maria? Sie sagte: Siehe, ich bin die Magd
des Herrn. Sie sagte: doule des Herrn, das bedeutet Leibeigene oder
Sklavin. Die Jungfrau Maria bekennt sich als Sklavin Gottes, Gott ist
ihr Herr.
2,6
Und der Knecht, der über die Schnitter eingesetzt war, antwortete:
"Das Mädchen ist die Moabiterin, die mit Naomi aus den Ebenen
von Moab kam.
2,7
Sie sagte: Bitte lass mich doch auflesen und mitnehmen, was von den
Garben hinter den Schnittern abfällt. - So kam sie, und hier blieb
sie und machte kaum eine Pause von morgens bis jetzt."
Das
Mädchen wird als eine Heidin bezeichnet, heidnischer Herkunft. Aber
zu ihrer Rechtfertigung wird gesagt, dass sie mit ihrer
Mutter-nach-dem-Gesetz, der Süßen, gekommen sei. Die jüdische
Mutter wird die Fürsprecherin des heidnischen Mädchens. Wenn wir
Seelen aus dem Heidentum vor den Gott Israels treten, dem Richter der
Lebenden und Toten, wollen wir sagen: Ich bin ein heidnisches
Mädchen, aber ich komme mit der Mutter des Neuen Bundes. Ich bin ein
heidnisches Mädchen, aber ich diente meiner Mutter und Herrin, der
Tochter Zion. Dann wird die Mutter Gottes vor dem Richter der
Lebenden und Toten ihre Brüste entblößen und Fürbitte einlegen
und sagen: Mein göttlicher Sohn, bei diesen Brüsten, daran du
gesogen hast, erinnere dich an deine Menschheit und gedenke, dass die
Menschheit schwach ist, dass sie Fleisch ist, und richte sie nicht
wie die reinen Engel, sondern sei eingedenk deiner Barmherzigkeit. -
Und noch etwas wird zur Rechtfertigung des heidnischen Mädchens
gesagt, nämlich dass sie darum bat, nur das aufsammeln zu dürfen,
was von den Schnittern fallen gelassen wird. Wir sehen hier Ruths
Demut. Die Demut ist die Mutter aller Tugenden. Ohne Demut kann man
Gott nicht gefallen. Maria sagte in ihrer Demut: Er hat angeschaut
die Niedrigkeit seiner Magd. Die kanaanäische Frau sagte zu Jesus:
Und doch essen die Hunde von dem, was von ihrer Herren Tisch
herunterfällt. Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, wer
sich in Demut erniedrigt, wird erhöht werden. Der Stolz Adams und
Evas war, sein zu wollen wie Gott, so wurden sie aus dem Paradies
vertrieben. Jesus kam als Knecht Gottes, den Willen des Vaters zu
tun, und ward erhöht zur Rechten Gottes. Maria, das Gegenbild zu
Eva, sagte: Ich bin die Gottesmagd, und so ward sie zur Königin des
Himmels gekrönt. Der Mensch, der aus eigener Kraft Gott werden will,
verfällt der Hölle. Der Mensch, der sich als Sklave Gottes bekennt,
wird von Gott in den Himmel erhoben. Selbsterlösung und
Selbstvergöttlichung ist des Teufels Werk. Erlösung aus Gnade und
Vergöttlichung aus Gnade ist Christi Werk.
2,8
Boas sagte zu Ruth: "Hör mir zu, Tochter. Du sollst nicht zur
Nachlese in irgendeinen anderen Bereich gehen. Du sollst nicht von
hier weggehen. Bleibe nah bei meinen Arbeitern.“
Höre
mir zu, Tochter! Höre, Israel, Jahwe, unser Gott, ist der einzige
Gott! Christus spricht zur Seele: Komm auf meinen Acker und geh nicht
von mir weg. Geh nicht auf den Acker Buddhas, Krishnas, Konfuzius,
Mohammeds oder der Göttin Isis, sondern bleibe auf dem Acker
Christi. Bleibe in der Kirche, die Christus gegründet hat, geh nicht
in die Sekten, die sterbliche Männer gegründet haben. Geh in Gottes
Wort spazieren, in dem Garten der Bibel, und setze nicht an die
Stelle der Bibel die Sutren Buddhas oder die Bhagavadgita oder die
Veden oder das Tao Te King oder die Gespräche des Konfuzius oder die
Hymnen an Isis oder den Koran. Es gibt nur Einen Mittler zwischen
Gott und den Menschen, es gibt nur Einen wahren Gott, nur Einen
wahren Glauben, nur Eine wahre Kirche. Und darum bleibe auf Christi
Acker und bleibe nah seinen Arbeitern, den vollmächtigen Predigern
des Evangeliums.
2,9
„Halte die Augen gerichtet, auf welchem Teil des Feldes sie ernten,
und folge ihnen. Ich habe meinen Männern verboten, dich zu
belästigen. Und wenn du durstig bist, geh zu den Krügen und trinke,
was die Knechte schöpfen."
Folge
den Arbeitern des Herrn, folge den Hirten der Kirche, folge den
Predigern des Evangeliums. So sagt der Erlöser. Boas sagt: Ich habe
meinen Männern verboten, dich zu belästigen. Ruth steht unter dem
Schutz des Boas. Sie ist vorherbestimmt, seine Braut zu werden. Die
anderen Männer sollen sie nicht beflecken. So sagte einst Heinrich
Seuse zur Ewigen Weisheit: Ich habe viele Frauen in Minne verehrt,
aber habe immer nur Dornen und keine Rosen gefunden. Da sprach die
Ewige Weisheit zu Heinrich Seuse: Ich hab es so gefügt, denn ich
wollte dich für mich! Und dann spricht Christus: Wenn du Durst hast,
trinke, was meine Knechte geschöpft haben. Christus spricht im
Evangelium: Wer Durst hat, komme zu mir, und ich gebe ihm lebendiges
Wasser. Wer von diesem Wasser trinkt, wird nie mehr dürsten. So
spricht die Weisheit in Jesus Sirach: Wer von mir trinkt, wird immer
wieder dürsten. Das Wasser, das Christus uns zu trinken gibt, ist
der Heilige Geist. Paulus sagt: Sauft euch nicht voll Wein, sondern
lasst euch vom Heiligen Geist erfüllen. Der Heilige Geist schenkt
die nüchterne Trunkenheit. Der Heilige Geist ist die ausgegossene
Liebe Gottes, wer von dieser Quelle der Liebe trinkt, wer von dieser
Liebe trunken wird, dessen Durst nach Liebe wird von Gott gestillt.
Aber von Gott gestillt zu werden, bewirkt keine Sättigung bis zum
Überdruss, sondern weckt immer neuen Durst nach neuen Ausgießungen
der Liebe. Augustinus beschreibt die Glückseligkeit des Himmels so:
Schauen und Genießen der göttlichen Schönheit, die uns vollkommen
stillt und befriedigt und die zu gleicher Zeit eine unendliche
Sehnsucht, ein Schmachten nach dem Genuss der göttlichen Schönheit
in uns erregt. Und so bleibt das Paradies ein ewig spannendes
Liebesspiel von Schmachten und Befriedigung.
2,10
Ruth fiel nieder auf ihr Angesicht, warf sich nieder und sagte: "Wie
habe ich gewonnen deine Gnade, denn du hast mich beachtet, die ich
doch nur eine Ausländerin bin?“
Wir
erinnern uns bei diesem und den folgenden Versen an den Dialog des
Erzengels Gabriel mit der Jungfrau Maria. Maria hat Gnade gefunden
vor Gott. Der Engel grüßt sie als Gnadenvolle (Kecharitomene).
Viele übersetzen das mit Begnadete, Luther ursprünglich sogar mit
Holdselige. Hieronymus in der Vulgata übersetzt es mit gratia plena,
voll der Gnade. Der Begriff Kecharitomene bedeutet: Mit Gnade bis zum
Überfließen voll erfüllt und dies von jeher. Maria ist voll der
Gnade und darum rein von Sünden, nicht aus eigenem Verdienst,
sondern aus reiner Gnade Gottes, der eine reine Wohnung geschaffen
hat für die Menschwerdung des Sohnes Gottes. Wie hab ich deine Gunst
gewonnen, dass du mich beachtest, fragt Ruth. Maria fragt: Wie soll
ich die Mutter des Sohnes Gottes werden, da ich doch gelobt habe,
keinen Mann zu erkennen? Aber ich bin die Magd des Herrn, mir
geschehe nach Gottes Wort. Wie hab ich deine Gnade gewonnen, dass du
mich beachtest, fragt Ruth. Und Elisabeth fragt: Wie wird mir, dass
die Mutter meines Herrn zu mir kommt!
2,11
Boas antwortete: "Ich habe alles gehört über die Art, wie du
dich seit dem Tod deines Mannes bei deiner Schwiegermutter benommen
hast und wie du von deinem eigenen Vater und Mutter und dem Land, wo
du geboren wurdest, zu einem Volk gekommen bist, von dem du vorher
nichts wusstest.“
Ruth
hat ihr Volk und ihr Vaterhaus verlasse, um dem Gott Israels in
Freundschaft zu begegnen. So heißt es im Buch Genesis bei der
Stiftung der Ehe: Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und
seiner Frau anhangen und sie werden Ein Fleisch sein. Auch Abraham
hat sein Volk und sein Vaterhaus verlassen und ist dem Gott des
Himmels gefolgt im Halbdunkel des Glaubens. Im Psalm 45, dem
Hochzeitspsalm des Messias-Königs, heißt es: Höre, Tochter,
vergiss dein Volk und dein Vaterhaus. Er ist dein Herr, verneige dich
vor ihm. Er verlangt nach deiner Schönheit.
2,12
„Möge Jahwe dir alles vergelten, was du getan hast, mögest du
reichlich von Jahwe, dem Gott Israels, belohnt werden, die du unter
seinen Flügeln Zuflucht genommen hast!"
Der
buddhistische Mönch sagt: Ich nehme meine Zuflucht zum Buddha, ich
nehme meine Zuflucht zum Gesetz der Vergeltung, ich nehme meine
Zuflucht zum Orden. Der christliche Mönch sagt: Ich nehme meine
Zuflucht zu Christus, ich nehme meine Zuflucht zum Evangelium, ich
nehme meine Zuflucht zur universalen Kirche. Ruth nimmt ihre Zuflucht
zu Jahwe, Zuflucht unter seinen Flügeln. Jahwe wird im Alten
Testament des öfteren mit einem Muttervogel verglichen, der seine
Küken unter seinen Flügeln schützt und wärmt. Jesus vergleicht
sich selbst mit einer Glucke und die Kinder Jerusalems nennt er seine
Küken. Wir sehen hier die mütterliche Liebe Gottes, die den kleinen
Seelen Geborgenheit und Zärtlichkeit schenkt. Und dann spricht der
Vers von Vergeltung und Lohn. Alle aufgeopferten Leiden, in
Vereinigung mit Christi Leiden gelitten, alle Gebete, alles Fasten,
alle Werke selbstloser Nächstenliebe, aller Verzicht wird im Himmel
seinen Lohn finden. Sammeln wir nicht Schätze auf Erden, sondern
Schätze im Himmel.
2,13
Sie sagte: "Mein Herr, ich hoffe, du wirst immer auf mich
schauen mit Wohlgefallen! Du hast mich getröstet und ermutigt,
obwohl ich nicht einmal gleich bin einer deiner Arbeiterinnen."
Hier
hören wir erneut die Demut der Jungfrau Maria, die in ihrem
Lobgesang singt: Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein
Geist frohlockt über Gott meinen Retter. Denn er hat auf die
Niedrigkeit seiner Magd gesehen. Großes an mir hat der Herr getan.
Von nun an werden mich seligpreisen alle Generationen. Ich bin die
Magd des Herrn. Diese Demut wird von Gott geliebt. So sagte Petrus zu
Jesus: Herr, geh weg von mir, denn ich bin ein Sünder! So
bezeichnete Paulus sich selbst als Sklaven Jesu Christi, Missgeburt
und Ersten aller Sünder. Es gibt zwei Menschenklassen: Heilige, die
wissen, dass sie Sünder sind, und Sünder, die glauben, dass sie
Heilige sind. Aber nur, wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht
werden. Die Stolzen demütigt der Herr und erniedrigt die in ihrem
Herzen voll Hochmut sind, wie Maria sagt.
2,14
Als es Zeit war zu essen, sagte Boas zu ihr: "Komm und iss etwas
von diesem Brot und tauche dein Stück in den Essig." Ruth
setzte sich neben die Schnitter, und Boas machten einen Haufen von
gerösteten Getreide für sie; und sie aß, bis ihr Hunger gestillt
war, und sie ließ einiges übrig.
Wir
sehen den Löser die Freundin sättigen. Wir sehen den Erlöser
Christus die Braut Christi sättigen mit dem Brot vom Himmel, dem
Brot der Engel, dem wahren Manna, der Wegzehrung, dem Leib Christi,
dem Sakrament.
2,15
Als sie wieder sammeln gingen, gab Boas Aufträge seinen Arbeitern:
"Lasst sie zwischen den Garben auflesen. Belästigt sie nicht!
2,16
Und ihr werdet sicher ein paar Ähren von den Bündeln zupfen und
fallen lassen. Lasst sie das dann aufzulesen, und schimpft nicht mit
ihr."
2,17
So las sie auf dem Gebiet bis zum Abend. Dann drosch sie, was sie
aufgelesen hatte, und es war etwa ein Scheffel Gerste.
Nach
dem Gesetz war es den Armen erlaubt, den Schnittern zu folgen und
aufzusammeln, was auf den Boden gefallen war. Boas aber geht noch
über das Gesetz hinaus in seiner Gnade und gebietet den Schnittern,
extra noch von den Ähren etwas für Ruth abzuzupfen. Gott ist ein
großzügiger reicher Vater, der seine Gnade nicht karg bemessen
ausspendet, sondern der mit vollen Händen bereit ist, ein Übermaß
von Gnaden auszuspenden. Und gerade in den letzten Zeiten, da die
Sünde übergroß wird, ist Gott bereit, unermessliche Gnaden
auszuschütten. Und so arbeitete Ruth und sammelte die Gnaden des
Lösers auf und am Abend des Tages besah sie sich die Summe. So wirst
auch du, o christliche Seele, am Abend deines Lebens die Summe deiner
Verdienste betrachten. In der Ewigkeit erkennst du, wie viel du durch
deine Mitarbeit mit der göttlichen Gnade an Verdiensten erworben
hast. Diese Verdienste schmücken deine Wohnung im Vaterhaus Gottes.
Hier werden deine Tränen zu Perlen, deine Leiden zu Kronen, deine
Gebete zu Wohlgerüchen, deine Almosen zu Schätzen. Deine Verdienste
bestimmen das Maß deiner Seligkeit. Aber die Rettung erreichen nur
die geistlich arm sind vor Gott und keine Verdienste vorweisen,
sondern allein auf die unermessliche Barmherzigkeit vertrauen.
2,18
Da ging sie zurück in die Stadt. Ihre Schwiegermutter sah, was sie
aufgelesen hatte. Ruth nahm auch, was sie nach dem Essen behalten
hatte, und gab es ihr.
2,
19 Ihre Schwiegermutter sagte: "Wo hast du heute Nachlese
gehalten? Wo hast du gearbeitet? Gesegnet sei der Mann, der Notiz
nahm von dir!" Ruth erzählte ihrer Schwiegermutter, in wessen
Bereich sie tätig gewesen war. „Der Name des Mannes, bei dem ich
gearbeitet habe", sagte sie, „ist Boas."
2,
20 Naomi sagte ihrer Schwiegertochter: "Möge er von Jahwe
gesegnet werden, der seine treue Liebe den Lebenden und Toten nicht
vorenthalten hat! Dieser Mann", fügte Naomi hinzu, "steht
in einer enge Beziehung mit uns. Er ist einer von denen, die das
Recht der Lösung über uns haben."
2,
21 Ruth, die Moabiterin, sagte zu ihrer Schwiegermutter: "Er
sagte auch: Bleib bei meinen Arbeitern, bis sie meine ganze Ernte
beendet haben.“
2,
22 Naomi sagte zu Ruth, ihrer Schwiegertochter: "Es ist besser
für dich, Tochter, mit seinen Arbeiterinnen zu gehen, als zu einem
anderen Feld zu gehen, wo du vielleicht schlecht behandelt würdest."
2,
23 So blieb sie bei den Arbeiterinnen des Boas und las auf, bis die
Gersten- und Weizenernte fertig war. Und sie lebte mit ihrer
Schwiegermutter zusammen.
Die
Mutter lehrt die Tochter, wer der Mann der Gnade ist, der Löser, und
dass sie bei ihm bleiben solle und zu keinem andern gehen. Im Bereich
der Gnade ist Maria die von Gott für uns bestimmte Mutter, und sie
führt uns zu Christus. Was er euch sagt, das tut! So spricht die
Mutter Jesu auf der Hochzeit von Kana. Maria ist die Gussform, in die
der Mensch Jesus gegossen wurde, in der er gebildet wurde. Jesus ist
das Haupt, und wir Christen sind die Glieder seines Leibes. Jesus
Christus als das Haupt und die Kirche als sein Leib bilden den ganzen
Christus, Christus totus. Wie Christus in Maria gebildet wurde, so
muss auch der Christ in Maria gestaltet und geformt werden, bis er
ein alter ego Christi wird, ein Anderer Christus. Die Mutter muss uns
gebären ins ewige Leben. Die Mutter der Gnade nehme uns an die Hand
und bereite uns und führe uns zu unserem Bräutigam Christus, dem
Erlöser des Menschengeschlechts.
DRITTES
KAPITEL
3,1
Ihre Schwiegermutter sagte dann: „Tochter, ist es nicht meine
Pflicht, dich glücklich zu machen?
Ich
machte einmal eine Wallfahrt nach Lourdes, wo die himmlische Dame
gesagt hatte: Ich bin die Unbefleckte Empfängnis. Zu dem
vierzehnjährigen Mädchen Bernhardette sagte die schöne Dame: Ich
kann Ihnen nicht versprechen, Sie in dieser Welt glücklich zu
machen, aber in jener Welt!
3,2
„Boas, der Mann, mit dessen Arbeiterinnen du warst, ist er nicht
unser Verwandter? Heute Abend wird er die Gerste dreschen auf der
Tenne.
3,
3 So wasche dich und parfümiere dich, lege den Mantel um und geh auf
die Tenne. Lass ihn dich nicht erkennen, während er noch isst und
trinkt.
3,
4 Aber wenn er sich hinlegt, beachte, wo er liegt, dann geh und hebe
die Decke zu seinen Füßen und lege dich selber zu ihm. Er wird dir
sagen, was du tun sollst."
Weil
ich oft Depressionen habe, befolge ich den Ratschlag des Philosophen
Thomas von Aquin: Wenn du traurig bist, dann bete die Psalmen, und
wenn das auch nicht hilft, dann nimm ein heißes Bad. So tu ich es
wie Ruth und Boas: Ich bade und salbe mich, ich esse, ich trinke ein
Glas Rotwein, und dann lege ich mich zu Füßen meines gekreuzigten
Bräutigams und bin bereit, in der dunklen Nacht meinem Gott zu
begegnen.
3,
5 Ruth sagte: „Ich werde alles tun, was du mir gesagt hast."
Maria
sagte zu dem Engel: Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach
deinem Wort. Jesus sagte im Garten Gethsemane zu seinem Vater: Nicht
mein Wille geschehe, sondern deiner. Im Vaterunser beten wir: Dein
Wille geschehe. Vom Christen wird Gehorsam gegenüber Gottes Wort
gefordert.
3,
6 So ging sie auf die Tenne und tat alles, was ihre Schwiegermutter
ihr gesagt hatte.
3,
7 Als Boas hatte fertig gegessen und getrunken, ging er glücklich
hin und legte sich neben den Haufen von Gerste. Ruth ging dann leise
zu ihm, hob die Decke zu seinen Füßen und legte sich zu ihm.
Die
Rabbinen zweifelten eine Zeit, ob das Hohelied Salomos in die Heilige
Schrift aufgenommen werden soll, bis sie erkannten, dass die
menschliche Liebe zwischen dem weisen Salomo und der schönen
Sulamith Ausdruck der Brautmystik ist. Gott ist der Bräutigam und
die Jungfrau Israel seine Braut. Origenes sagte: Christus ist der
Bräutigam und die Kirche seine Braut. Bernhard von Clairvaux sagte:
Jesus ist der Bräutigam und die Seele seine Braut. Im Mittelalter
sagten einige auch: Der Heilige Geist ist der Bräutigam und Maria
ist die Braut. Ein protestantischer Theologe sagte sogar: Die
göttliche Weisheit ist die Braut und der Philosoph ist ihr
Bräutigam. Das Evangelium, die Gleichnisse Jesu sind voll vom Reden
über die Hochzeit. Die Apokalypse und damit die ganze Bibel schließt
mit der Hochzeit des Lammes und der Braut (griechisch Nymphe) des
Lammes. In diesem Sinne wollen wir auch die Liebesbegegnung von Boas
und Ruth deuten.
3,8
In der Mitte der Nacht wachte er mit einem Schock auf und sah sich
um; und zu seinen Füßen lag eine Frau.
In
der Mitte der Nacht findet das süße Treffen statt. Die dunkle Nacht
ist bei dem Karmeliten Johannes vom Kreuz poetischer Ausdruck für
das Kreuz. Wir evozieren hier die Ikonen des Gekreuzigten, zu dessen
Füßen seine mystische Braut Maria Magdalena kniet, weinend die Füße
ihres Bräutigams umklammert. Die Braut sagt im Gedicht: Ich nehme
meine Zuflucht zu den Lotosfüßen meines Herrn. Der Schock des
Bräutigams, sein Schrecken, ist sein Kreuz, seine Gottverlassenheit,
darum der Gott Zebaoth auch den Namen Schrecken Isaaks trägt, als
der Vater Abraham seinen Sohn und Liebling Isaak opfern musste, wie
der Vater Jahwe seinen Sohn Jesus opfern musste.
3,9
„Wer bist du?“ sagte er; und sie antwortete: "Ich bin deine
Magd Ruth. breite den Zipfel deines Mantel über deine Magd, denn du
hast das Recht der Lösung."
Wer
bist du? Dies fragt der Heilige Geist meine Seele. Wer bin ich,
fragte sich Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager: die
Mitgefangenen sagen, ich sei immer froh und tröste alle, aber meine
Seele ist voller Angst und Traurigkeit, wer bin ich? wer ich bin,
weiß Gott allein. Die Braut aber sagt: Siehe, ich bin die Magd des
Herrn, wie Maria. Jesus ist der von Jesaja prophezeite Gottesknecht,
Maria ist die Gottesmagd. Paulus ist der Sklave Jesu Christi. Das
Wesen des Heiligen sagt: Ich diene. Dagegen Luzifers Motto ist: Non
servam, ich diene nicht! Jesus ist nicht gekommen zu herrschen,
sondern zu dienen. Was aber bedeutet der Zipfel des Mantels, den der
Bräutigam breiten soll über die Magd? Derselbe Ausdruck kommt beim
Propheten Hesekiel vor und ist wieder auch dort ein Ausdruck der
Brautmystik. Dort ist die Jungfrau Jerusalem ein junges Mädchen, von
allen ungeliebt, ihre Brüste waren voll geworden und ihr Schamhaar
war gewachsen, sie war schön geworden, da kam Jahwe vorüber und
breitete den Zipfel seines Mantels über sie und schloss mit ihr den
Bund, den mystischen Ehebund.
3,
10 „Der Herr segne dich, Tochter", sagte er, "denn dieser
zweite Akt der treuen Liebe, den du tust, ist größer als der erste,
da du nicht jungen Männern hinterher läufst, sie seien arm oder
reich.“
Boas
nennt Ruth seine Tochter. Denn Boas ist ein älterer Mann, Ruth ein
junges Mädchen. Denn Gott ist einerseits Vater und die Seele ist
seine Tochter, aber Gott ist auch der Bräutigam und die Seele ist
seine Braut. Gott ist der König und die Seele ist seine schöne
geliebte Prinzessin. So ist Maria die erstgeborene Tochter des
Vaters, aber gewissermaßen auch die Braut Gottes, als der Vater sie
zur Mutter seines Sohnes machte. Und der zweite Akt der treuen Liebe
oder Gnade ist größer als der erste Akt. Der erste Akt ist der
mystische Ehebund Jahwes mit Israel, der zweite größere Akt ist der
mystische Ehebund Jesu mit der ganzen Menschheit.
3,11
„Fürchte dich nicht, Tochter, ich werde alles tun, was du bittest,
da die Leute am Tor meiner Stadt alle wissen, dass du eine Frau von
großer Würde bist.“
Fürchte
dich nicht! Das sagt der Engel zu Maria. Die Leute wissen, dass du
eine Frau von großer Würde bist. Maria sagt: Der Allmächtige hat
Großes an mir getan, von nun an werden mich selig preisen alle
Generationen. Denn die Frau ist eine Frau von großer Würde oder,
wie Luther sagt, von großer Tugend, oder wie andere sagen, eine
tüchtige Frau. Dies erinnert an das Lob der tüchtigen Hausfrau am
Schluss der Sprüche Salomos: Eine tüchtige Frau, wer findet sie?
Eine starke Frau, wem wird sie beschert? Die Würde der Frau stammt
von Gott. Die makellose Jungfrau-Mutter Maria ist die Frau nach dem
Herzen Gottes. Heinrich Seuse, der Minner der Ewigen Weisheit, machte
einmal als Mönch einer Frau den Weg frei, er trat in eine Pfütze,
damit sie ungehindert weitergehen könne.Sie wunderte sich: Du bist
ein Mönch und ehrst so ein Weib? Da sagte er: Meine Minneherrin, die
Himmelskönigin, ist eine Frau. Darum ehre ich jede Frau. Johannes
Paul der Große sprach von der Würde der Frau mit dem schönen
Ausdruck vom Genius der Frau. Die starke Frau, die tüchtige Frau,
die tugendsame Frau, die Frau von großer Würde, die Frau der
Offenbarung ist Maria. Nach dem Sündenfall wird die Frau verkündigt,
deren Samen der Schlange den Kopf zertritt. Bei der Hochzeit von Kana
nennt Jesus Maria Frau, desgleichen am Kreuz: Frau, siehe deinen
Sohn. In der Apokalypse sieht Johannes die Frau in der Sonne.
3,12
„Aber, obwohl es wahr ist, dass ich das Recht der Lösung habe,
hast du doch noch einen näheren Verwandten als mich.“
Boas,
der namentlich erwähnt wird, ist der Löser. Aber es gibt noch einen
anderen Löser, näher verwandt, der nicht namentlich erwähnt wird.
Dieser Löser, wie sich später zeigt, vermag nicht zu lösen. Wir
spekulieren: Der näher verwandte namenlose Löser, der nicht zu
lösen vermag, ist das Gesetz Mose. Der potente Löser Boas ist die
erlösende Gnade. Nicht die Werkgerechtigkeit bringt uns Erlösung,
sondern die Rechtfertigung aus Gnade durch den Glauben an den Namen
des Herrn Jesus Christus.
3,13
„Bleib hier heute Abend und am Morgen, und wenn er sein Recht auf
dich ausüben will, gut, dann soll er dich lösen. Aber wenn er es
nicht wünscht, so zu tun, dann, so wahr der Herr lebt, werde ich
dich lösen. Lege dich hier hin bis zum Morgen."
3,
14 So lag sie zu seinen Füßen bis zum Morgen, stand aber auf vor
der Stunde, da ein Mensch einen anderen erkennen kann, denn Boas
dachte: "Es muss nicht bekannt werden, dass diese Frau auf die
Tenne kam.“
Ein
reifer Mann mit einem jungen Mädchen liegt des Nachts im Frühsommer
im Mondschein im Getreidefeld! Wer erkennt nicht die Erotik dieser
Szene? Die Moabiterinnen galten als besonders schön, exotische
Schönheiten, wie Salomo sie liebte. Dazu war Ruth jung und Jugend
ist graziös. Ein evangelikaler Pastor sagte mir einmal: Die Liebe
Gottes hat viel mit Mutter Teresa von Kalkutta und nichts mit Don
Juan gemein. Das klingt sehr fromm, und doch irrt er sich im
Wesentlichen. Denn er wollte sagen: Gottes Liebe ist Agape oder
Caritas, selbstlos schenkende Liebe, und Gottes Liebe ist nicht Eros
oder Amor, begehrende leidenschaftliche Liebe. Aber Papst Benedikt
schrieb in seiner Enzyklika Deus Caritas Est, dass in Gott auch der
Eros ist. Gott spricht in Jeremia, Hesekiel und Hosea als ein
leidenschaftlich begehrender Bräutigam, der rasch eifersüchtig ist,
der zwei Huren sich zu Frauen genommen hat, die ihre Brüste von den
Heiden betatschen ließen und ihre Beine jedem Hurenbock spreizten.
Es gibt das Lied: Ubi caritas et amor, Deus ibi est: Wo selbstlos
schenkende Liebe und wo leidenschaftlich begehrende Liebe ist, da
wohnt Gott. Der Vater der abendländischen Mystik, Dionysius
Areopagita, ein syrischer Theologe aus dem fünften Jahrhundert
sagte, die Väter hätten erkannt, dass Gott Eros ist, aber weil das
gemeine Volk unter Eros Unzucht versteht, hätten sie das Wissen,
dass Gott Eros ist, geheimgehalten und stattdessen gesagt, Gott ist
Agape. Ein Heiliger rannte am Karfreitag weinend durch die Straßen
und rief: Mein Eros wird gekreuzigt, mein Eros wird gekreuzigt! Aber
wir leben heute im Bereich der Hure Babylon, unsere Kultur ist
geprägt von Unzucht, Ehebruch, Abtreibung, Homosexualität,
Pornographie, Prostitution. Die Bordelle nennen sich Häuser des
Eros. Wie kann man da sagen, Gott sei Eros. Aber der Eros Gottes ist
nicht pervers, der Eros Gottes ist wie im Buch Ruth ganz rein und
lauter, keusch und heilig. Das neuplatonische Märchen Amor und
Psyche schildert, wie der jugendliche Gott Amor vom Himmel kam, um
die wunderschöne Jungfrau Psyche zu freien. Sie musste manche
Prüfung bestehen und erreichte schließlich nur durch die Hilfe der
Mutter des Amor den Himmel, wo Gott Amor mit der Jungfrau Psyche die
Hochzeit feierte. Und so ist es mit Christus, dem Amor Gottes.
3,15
Dann sagte er: "Breite den Mantel, den du trägst, und halte ihn
mir hin!" Sie hielt ihn hin, während er sechs Maß Gerste
hinein legte, und dann lud er ihr alles auf; und sie ging in die
Stadt.
3,16
Als Ruth nach Hause kam, fragte ihre Schwiegermutter sie: "Wie
ging es mit dir, Tochter?" Sie erzählte ihr alles, was der Mann
für sie getan hatte.
3,17
„Er gab mir diese sechs Maß Gerste und sagte: Du sollst nicht mit
leeren Händen nach Hause zu deiner Schwiegermutter gehen."
3,18
Naomi sagte: "Tu nichts, Tochter, bis du siehst, wie die Dinge
sich entwickeln. Ich bin sicher, er wird nicht ruhen, bis die
Angelegenheit noch heute erledigt ist."
Ruth
bekommt sechs Eimer Gerste geschenkt. Jesus verwandelt sechs Fässer
Wasser in Wein. Jesus verwandelt das Brot in sein Fleisch und den
Wein in sein Blut. Gott ist ein Gott der Fülle. Buddha ist ein Götze
der Leere, aber Gott ist ein Gott der Überfülle, des überfließenden
Reichtums, der Fülle des Lebens, des maßlosen Schenkens, der
grenzenlosen Liebe. Gott ist übervoll an Liebe und will all seine
brennende Liebe in deinen Schoß schütten. Öffne dein Herz und
empfange!
VIERTES
KAPITEL
4,1
Boas war inzwischen bis zum Tor gegangen und setzte sich, und der
Verwandte, von dem er gesprochen hatte, kam herbei. Boas sprach zu
ihm: "Hier, mein Freund, komm und setze dich“; da kam der Mann
und setzte sich.
4,2
Boas wählte anschließend zehn Älteste der Stadt und sagte: "Setzt
euch hierher“; und sie setzten sich.
4,3
Boas sagte dann zu dem Mann, der das Recht der Lösung hatte: "Naomi,
die wiedergekommen ist aus den Ebenen von Moab, will ein Stück Land
verkaufen, das unserem Bruder Elimelech gehörte.
4,4
Ich dachte, ich sollte dir davon erzählen. Kaufe es in Anwesenheit
der Männer, die hier in der Gegenwart der Ältesten meines Volkes
sitzen. Wenn du dein Recht der Lösung verwenden möchtest, löse das
Land. Wenn du es aber nicht willst, sag es mir, damit ich es weiß,
denn ich bin die einzige Person, die neben dir zu lösen das Recht
hat, und ich komme nach dir.“
4,5
Boas sagte dann: "An dem Tag, da du das Feld von Naomi erwirbst,
erwirbst du auch Ruth, die Moabiterin, die Frau des Mannes, der
gestorben ist, um so den Namen des Toten in seinem Erbe zu
verewigen."
4,6
Der Mann mit dem Recht der Lösung sagte dann: "Ich kann mein
Recht auf Lösung nicht verwenden, ohne dabei meinem eigenen Erbe zu
schaden. Ich würde ja etwas kaufen, was später nicht bei meiner
Familie verbliebe."
4,7
Nun, in früheren Zeiten war es Brauch in Israel, bei einer
Transaktion im Bereich des Kaufs oder der Erbschaft, da gab einer
seinen Schuh dem anderen und bestätigte so den Vertrag. Dies war die
Art, wie Vereinbarungen in Israel ratifiziert wurden.
4,8
Also, als der Mann mit dem Recht der Lösung zu Boas sagte: „Erwirb
du es selbst“, und er gab ihm seine Sandale.
4,9
Boas sagte zu den Ältesten und allen Leute da: "Heute seid ihr
Zeugen, dass ich von Naomi erworben alles, was Elimelech gehörte,
und alles, was zu Mahlon und Kiljon gehörte,
4,10
und dass ich auch Ruth, die Moabiterin, Mahlons Witwe, erworben, dass
sie meine Frau werde, um den Namen des Toten in seinem Erbteil zu
erhalten, so dass der Name des Toten nicht unter seinen Brüdern und
am Tor seiner Stadt verloren geht. Heute seid ihr Zeugen."
Wir
behandeln diesen Ehekontrakt im allgemeinen. Wir sehen, dass die
Prozedur der Eheschließung bis ins Detail vom Gesetz Gottes
vorgegeben ist. Wie anders erleben wir es doch in unsern weltlichen
Familien, da mancher Zank durch Gottlosigkeit, Materialismus und
Egoismus entsteht. Wir erkennen in dieser Schilderung eines vom
Gesetz geleiteten Ehekontraktes die Empfehlung der Weisheit, in
Fragen der Ehe den Herrn zu Rate zu ziehen. Bei Tolstoi im Roman Anna
Karenina stehen Überlegungen geschrieben, wie junge Leute am besten
die Ehe eingehen. War es in alten Zeiten besser, da die Klugheit der
Eltern den Ehepartner für das Kind wählte? Oder ist die moderne
Sitte besser, da das Kind seinem Herzen folgt und nach der gefühlten
Liebe sich selbst den Ehepartner wählt? Wir sehen allerdings in
unserer heutigen gottlosen Zeit, dass die modernen Jugendlichen
einzig ihren Trieben folgen und ohne an das Gesetz Gottes zu denken,
rein nach dem Diktat ihrer pubertierenden Triebe vorschnell
unzüchtige Vereinigungen eingehen, die ebenso schnell wieder gelöst
werden und tiefe Risse in den Herzen hinterlassen. Eine andere Form
der gottinspirierten Eheschließung sehen wir im apokryphen
Evangelium nach Jakobus, dessen Fakta in die katholische Liturgie
eingegangen sind. Maria wächst als eine gottgeweihte Tempeljungfrau
heran. In der Zeit ihrer Geschlechtsreife erkennt der Priester, dass
die gottgeweihte Jungfrau einen ehelichen Beschützer braucht. Nach
der Weisung des Herrn soll der Bräutigam der Jungfrau aus dem Stamm
Juda, aus dem Haus Davids stammen. Zwölf Freier bewerben sich um die
Jungfrau. Jeder von ihnen legt einen Stab in den Tempel Gottes.
Allein der Stab Josefs schlägt aus und bringt eine Blüte hervor.
Damit ist der vom Heiligen Geist erwählte Bräutigam der Jungfrau
bezeichnet. Die Szene der Vermählung der gottgeweihten Jungfrau mit
dem heiligen Josef ist festgehalten auf dem Gemälde Sposalizio
Mariae von Raffael.
4,11
Alle Menschen an der Pforte sagten: "Wir sind Zeugen"; und
die Ältesten sagten: "Möge Jahwe die Frau machen wie Rahel und
Lea, die beide das Haus Israel gebaut haben. Werdet mächtig in
Ephrata, in Bethlehem werdet berühmt!
4,12
Und durch die Kinder, die der Herr dir von dieser jungen Frau geben
wird, möge deine Familie wie die Familie des Perez werden, den die
Tamar dem Juda gebar."
O
ihr lieben Frauen des Alten Testaments! Heinrich Heine berichtete von
einem holländischen Pietisten-Prediger, der verheiratet war, aber
sehr zum Leidwesen seiner Ehefrau des Nachts immer von den Frauen des
Alten Testaments träumte. So hörte die Ehefrau den Ehemann nachts
im Ehebett im Schlaf reden, wie er entzückt ausrief: O Vashti, ich
liebe dich! Nun, die Sehnsucht der Frauen Israels war es, Mutter des
Messias zu werden. Der Messias Jesus hat ja einen Stammbaum, der bis
zu Eva zurückreicht. Er stammt von Israel ab. Das Zwölfstämmevolk
Israel war von Lea und Rahel, den beiden Frauen Jakobs geboren. Rahel
war Jakobs Favoritin, sie hatte schöne Augen, aber sie war lange
kinderlos. Lea war sehr fruchtbar, aber sie hatte blinde Augen. Rahel
starb in Ephrata bei Bethlehem während der Geburt Ben-Jamins oder
Ben-Onis. Wir wollen auch die beiden Mägde von Jakobs beiden
Ehefrauen nicht vergessen, Bilha und Silpa, die dem Jakob auch Kinder
geboren haben. Tamar war mit Onan verheiratet, aber Onan ließ seinen
Samen lieber zur Erde fallen. Onan starb durch den Zorn des Herrn. Da
setzte sich Tamar als verschleierte Hure an den Straßenrand, da ihr
Schwiegervater Juda vorbeikam, der mit der Hure schlief, und Tamar
ward schwanger von Juda und gebar Zwillinge. Auch Tamar ist eine der
Stammmütter des Messias. Das Evangelium nennt vier Stammmütter Jesu
in Jesu Stammbaum: Rahel, die Hure von Jericho, die mit Salman den
Boas gebar; Tamar, die als Hure von ihrem Schwiegervater schwanger
ward; Ruth, die Moabiterin aus dem Heidentum, die den Großvater
Davids gebar; und Bathseba, die David vom Dach seines Hauses nackt
sich baden sah, mit der er die Ehe brach, deren heidnischen Ehemann
er dem Tod auslieferte, diese ward Mutter Salomos. Wir erkennen, dass
der Messias in eine Menschheit eingetaucht ist in seiner
Menschwerdung, die von Sünde geprägt ist, von Hurerei, Ehebruch und
Götzendienst. Wir meinen aber auch, sagen zu können, dass die
Tatsache, dass die Moabiterin Ruth als Urgroßmutter Davids
Stammmutter des Messias ward, ein Hinweis darauf ist, dass der
Messias auch Ahnen im Heidentum hat. Zwar, wie Jesus selbst sagte,
das Heil kommt von den Juden. Aber schon die frühen Väter der
Kirche sprachen von dem Logos Spermatikos, von den Samenkörnern der
Wahrheit, die im Heidentum enthalten sind. So gibt es bei den
Griechen die Mythen von den gottbefruchteten Menschentöchtern, den
Begriff des Gottessohnes, die Idee eines sterbenden und
auferstehenden Gottes, die Idee eines Gottesmahles im Mysterienkult.
Von Platon wird behauptet, seine Mutter habe ihn jungfräulich
geboren. Die christlichen Theologen haben in der griechischen
Philosophie, zuerst vor allem bei Platon, später mehr bei
Aristoteles, Samenkörner der Wahrheit entdeckt, so sehr, dass einige
meinten, Platon habe seine Philosophie in einer Offenbarung
empfangen, ja so gar bis hin zu der irrigen Auffassung, Jesus von
Nazareth habe die Schriften Platons studiert. So auch, als die
jesuitischen Misionare von Portugal nach China kamen, schätzten sie
sehr die kanonischen Bücher der chinesischen Philosophie und
identifizierten das Tao mit dem Logos Gottes.
4,13
Also nahm Boas Ruth, und sie wurde seine Frau. Und als sie sich
vereinigten, schwängerte sie der Herr, und sie gebar einen Sohn.
Als
sie sich vereinigten, schwängerte sie der Herr. Die Ehe ist kein
weltlich Ding, wie Luther meinte, sondern die Ehe ist ein Mysterium
(Sacramentum) der Liebe Gottes. Der eheliche Bund zwischen Einem Mann
und Einer Frau für das ganze Leben wird besiegelt als Sakrament
wodurch? Nicht durch den Segen des Priesters, nicht durch den
Ehering, sondern durch die sexuelle Vereinigung. In der sexuellen
Vereinigung mystisch gegenwärtig ist die Liebe Gottes. Die sexuelle
Vereinigung von Ehemann und Ehefrau, die offen ist für die Zeugung
des Kindes, ist ein Abbild der Liebesvereinigung in der
Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Die erste Person der Gottheit liebt
die zweite Person, die zweite Person liebt die erste Person, und aus
ihrer wechselseitigen Liebe geht als Frucht der Liebe die dritte
Person der Gottheit hervor. Durch die Zeugung eines Kindes werden die
Ehepartner Mitschöpfer Gottes. Sie erfüllen den Willen Gottes: Seid
fruchtbar und mehret euch. In dem Augenblick der Verschmelzung des
männlichen Samens mit dem weiblichen Ei haucht Gott die aus dem
Nichts geschaffene Seele diesem Keim des menschlichen Körpers als
Lebens- und Entwicklungsprinzip ein, oder wie man poetisch sagen
muss: Gott küsst die Seele in den Leib. Die Lust und Freude, die
Mann und Frau bei der Zeugung des Kindes empfinden, ist ein Ebenbild
der Lust und Freude des Schöpfers. Gott hat Lust an dir! Du bist
Mein geliebtes Kind, an dir hab Ich mein Wohlgefallen! Kinder sind
ein Geschenk Gottes, wie der Psalmist sagt. Gott der Vater zeugt die
Seele aus dem Nichts in Bild und Gleichnis des Sohnes Gottes, darum
ist Christus die Form der Seele, die Seele ist die Form des Leibes.
Da die Seele im Bild Christi geschaffen ist, ist jede Seele von Natur
aus christlich. Die Seele war nicht vor der Empfängnis präexistent
im Ideenhimmel, wie Platon meinte, sondern im Augenblick der
Empfängnis wird die Seele von Gott aus dem Nichts geschaffen:
Creator ex nihilo. Durch das Lebensprinzip der menschlichen
Geistseele ist der Mensch vom Augenblick der Empfängnis an eine
menschliche Person als Ebenbild Gottes. Daher die Abtreibung eines
Fötus Mord an einem Menschen ist. Das millionenfache Blut Abels
schreit laut zu Gott!
4,14
Da sagten die Frauen zu Naomi: "Gepriesen sei der Herr, der dich
nicht verlassen hat, der dich erlöst hat. Sein Name soll in Israel
gepriesen werden!
4,15
Das Kind wird ein Trost für dich sein und die Stütze deines Alters,
denn er wurde geboren von deiner Schwiegertochter, die dich liebt und
für dich mehr wert ist als sieben Söhne."
4,16
Und Naomi nahm das Kind und legte ihn an ihre Brust; und sie war es,
die nach ihm sah.
Naomi
nimmt das Kind bei seiner Geburt auf den Schoß und nimmt es damit
als ihr eigenes Kind an, sie ward seine Wärterin und zog es groß.
Ich muss an meine Kindheit denken: Mein Vater und meine Mutter gingen
der Berufsarbeit nach und mich zog meine Großmutter groß. Ich muss
auch denken an eine liebe Freundin, die drei Söhne gebar, die sie
alle nach ihrer Geburt in meine Arme legte, dass ich sie als meine
Söhne annehme und sie großzöge. Meine geliebte Großmutter und die
geliebte Freundin sind nun tot. Aber die Weisheit unterscheidet nicht
zwischen Lebenden und Toten, ihr leben sie alle, sie unterscheidet
nur zwischen denen, die in Christus sind, und denen, die nicht in
Christus sind. Im Übrigen, wenn die heidnischen Feministinnen der
Bibel Frauenfeindlichkeit unterstellen, sollen sie das Wort bedenken,
dass für Naomi Ruth mehr wert war als sieben Söhne.
4,17
Und die Frauen der Nachbarschaft gaben ihm einen Namen. "Ein
Sohn", sagten sie, "ist der Naomi geboren worden", und
sie nannten ihn Obed (Knecht). Dieser war der Vater von Jesse, dem
Vater von David (dem Geliebten).
4,18
Das sind die Nachkommen von Perez: Perez zeugte Hezron,
4,19
Hezron zeugte Ram, Ram zeugte Amminadab,
4,20
Amminadab zeugte Nachschon, Nachschon zeuge Salmon,
4,21
Salmon zeugte Boas, Boas zeugte Obed,
4,22
Obed zeugte Jesse, Jesse zeugte David.
Hier
sehen wir den Stammbaum des Königs David. Es ist ein Vorschatte des
evangelischen Stammbaums Jesu, des ewigen Messias-Königs. Der Name
Jesu sei gepriesen!
EPILOG
Ich
bin die Magd des Herrn / Ich bin die Freundin Ruth /
Und
Du mein Bräutigam / Erlöser auf dem Blut!