Von Josef Maria Mayer
Pelagia war schön! O solche Schönheit
Und solche Anmut, solcher Liebreizzauber
Auf Erden würde Schönheitswettbewerbe
Gewinnen als die Königin der Schönheit!
Versammelt seht die Heiligen des Himmels,
Seht all die wunderschönen Büßerinnen
Und seht die wunderschönen reinen Jungfraun
Und seht den ganzen Himmel voller Schönheit
Und seht dann Sankt Pelagia euch nahen
Nackt, nur bekleidet mit dem Hauch der Keuschheit!
Auf Erden aber ihre rücksichtslosen
Und wüsten Eskapaden ohne Skrupel
In allen Zeitungen geschrieben standen,
Die süffisantesten Skandalgeschichten,
Denn sie war eine öffentliche Hure,
Ihr Ruf der einer stadtbekannten Dirne,
Die nahzu nackig auf der Bühne tanzte,
Buhllieder sang mit schmachtendem Gestöhne
Und alle Männer mit den Reizen reizte,
Die Damen fanden sie nur ordinär.
Dreihundert Jahre nach des Herrn Geburt
Verliebte sie sich in den Mann am Kreuz,
Den nackten jungen Gott des Christentums,
Nackt wie ein Sklave hing er an dem Kreuz,
Bekleidet nur mit einer Dornenkrone
Und mit der Lanze in der Herzenswunde!
Das Liebesleid des Bräutigams der Seele
Eroberte Pelagias Gemüt,
In allen ihren tiefsten Seelenschmerzen
Und ihren jammervollen Herzenswunden
Erkannte sie die göttliche Passion
Des Herrn am Kreuz, des Seelenbräutigams.
Ausschweifungen und Üppigkeit der Wollust
War ihre Jugend, sexuelle Sünden,
Dann aber wandte sie sich zu dem Retter
Und bat demütig um ihr Seelenheil.
Pelagias Geschichte ist die gleiche,
Wie die Geschichte andrer Büßerinnen,
Die lebten früher unter Satans Herrschaft
Und riefen dann den Herrn um Rettung an.
Wie imposant ist ihre Heiligkeit,
Wie tief war ihre radikale Buße!
In ihrer Jugend tat sie schlechte Dinge
Und wandelte den breiten Weg des Bösen,
Dann aber übte sie die Frömmigkeit
Und ward identisch mit dem Christus Jesus.
In den Geschichten aller Heiligen
Pelagia steht einzigartig dar
Als eine wunderschöne femme fatale,
Die Männer irritiert durch sex-appeal,
Dann aber in der Gnade überwunden
Den heißen sex-appeal der femme fatale,
Versuchungen der sexuellen Sünden
In Gnade überwunden durch die Reinheit,
Die Ehelosigkeit um Jesu willen
Und mystische Vereinigung mit Gott.
Geboren war sie im immensen Reichtum
Von Antiochien in Syrien.
Sie lebte in der herrschaftlichen Klasse
Von Epikuräern und von Hedonisten.
Die Göttin Hedone, die Göttin Lust,
Galt diesen Leuten als das Höchste Gut.
Für diese Leute existierte Gott nicht,
Für sie der Sinn des Lebens war der Spaß.
Sie lebten alle sexuellen Sünden
Und logen und betrogen um das Geld.
Die Leibesfrüchte wurden abgetrieben,
Sie praktizierten künstliche Verhütung.
Die Männer schauten gern die Huren an,
Die Weiber spreizten jedem ihre Beine.
Die alten Frauen in der Kirche sprachen
Sehr schlecht von dieser stadtbekannten Dirne,
Von Satan habe sie den sex-appeal,
Von Luzifer die sündige Erotik.
Bei ihrer ungesunden Lebensweise
Durchtanzter Nächte, Alkohol und Drogen,
Schien es ein Wunder, dass die höchste Schönheit
Pelagias ward gar nicht ruiniert,
Und dieses Schönheitswunder wirkte Satan,
Mit dem die Dirne einen Pakt geschlossen,
Dass sie dem Satan weihte ihre Seele,
Schenkt er ihr sex-appeal der femme fatale.
So sprachen alte Frauen in der Kirche
Und angewidert wandten sie sich ab.
Pelagia am Sonntagmorgen
Lag faul gemütlich auf dem weichen Sofa
Und aß ein wenig Brot mit Quark und Honig
Und strich mit ihrer Hand die Lyra müßig,
Dann zog sie aus das Negligée der Nacht
Und zog sich an das transparente Kleidchen,
Das war von transparenter bunter Seide
Und reichte eben zu den Oberschenkeln,
Und durch die transparente Seide drückten
Brustspitzen sich der niedlich süßen Brüste,
Sie trug um ihre Brüste auch kein Brusttuch,
Die Brüste hüpften ohne Büstenhalter,
Und wenn Pelagia sich beugt nach vorne,
Dann konnt man ihre nackten Brüste sehen.
Dann stieg sie in die Kutsche, in die schwarze,
Voll Feuer waren ihre schwarzen Hengste,
Es waren wilde Araber der Wüste
Und jedem Hengste schäumte heiß das Hengstmaul.
Und alle Männer waren auch wie Hengste,
Ihr Same floss wie Samen aus dem Hengstglied,
Und brünstig wieherten die heißen Hengste,
Sahn sie Pelagia, die Stute, reiten.
Die frommen alten Damen grauer Haare
Und fromme Idioten aus der Stadt
Am Morgen sich versammeln in der Messe
Und opfern Jesus Christus Gott dem Vater.
In jenen Zeiten war noch nicht die Predigt
Nur zehn Minuten kurz, nein, eine Stunde
Sprach voller Witz und Weisheit Bischof Nonnos,
Der war nicht lau wie heute mancher Bischof,
Schlafmütze war er nicht, der Bischof Nonnos,
Er war erfüllt von Weisheit und vom Geist
Und was er lehrte sonntags in der Predigt,
Das kam von oben, von dem Geiste Gottes.
Pelagia sah vor der Kathedrale
Die Menge, die den Bischof hören wollte,
Als sie auf ihrer Lustfahrt eben so
Zufällig kam vorbei der Kathedrale.
Sie hörte Männer die Posaunen blasen
Und Frauenstimmen singen: Halleluja,
Sie sangen: Halleluja, meine Seele,
So singe, meine Seele, Gott dem Herrn,
Ja, tanze, meine Seele, vor dem König,
Wir wollen lachen, wenn der König kommt!
Da dachte sich Pelagia voll Neugier:
Ich schau mir einmal einen Gottesdienst an.
So trat sie ein mit rotgeschminkten Lippen
Und kunstreich hochfrisierten schwarzen Löckchen
Und hörte Bischof Nonnos in der Predigt
Von Jesus und der Samariterin
Voll Geistes lehren, wie der Meister sprach
Zur Samariterin am Jakobsbrunnen:
Nun geh und rufe deinen Ehemann!
Sie sprach: Ich habe keinen Ehemann!
Der Meister sprach: Du hattest viele Männer,
Auch jetzt lebst du mit einem Mann zusammen,
Doch lebst du nicht im ehelichen Bund.
Sie sprach: Ich sehe, du bist ein Prophet!
Pelagia im Inneren des Herzens
Erkannte durch den Geist Messias Jesus,
Der eben hatte selbst zu ihr gesprochen,
Da mit den roten Lippen ihres Herzens
Sie jäh begann, den Christus anzubeten:
Du Gott der Güte und du Gott der Wahrheit,
Du Gott der Schönheit und du Gott der Liebe!
Da ward sie neugeborn als eine Christin,
Da Jesus sich ihr offenbart im Geist
Und ihr von oben Glauben eingegossen.
Verzichtend auf die reißerische Art
Des Sündenlebens der Vergangenheit,
Begann Pelagia ein neues Leben.
Sie trennte sich von allen schlechten Freunden,
Begann zu lesen in der Bibel Gottes,
Begann ein immerwährendes Gebet,
Entschied sich für die Ehelosigkeit
Und Keuschheit um des Himmelreiches willen,
Und sie entsagte weltlichem Besitz
Und legte ab den letzten Fetzen Sünde
Und trug nicht mehr das weiche Kleid des Reichtums,
Das weiße Schafsfell, das die Wölfe kleidet,
Sie trug nun einen schlichten Bauernkittel,
Das grobe blaue Linnenkleid der Armen.
Sie sagte los sich von der Freizeit-Klasse
Der Epikuräer und der Hedonisten,
Der Spaß war ihr nicht mehr der Gott des Lebens,
Sie diente nur noch ihrer Herrin Buße.
Die Spaßgesellschaft war ja ihr Ruin
Und Hedonismus war ihr Untergang.
Wie Herakles am Scheidewege stand
Und wie zwei Göttinnen vor ihm erschienen,
Der Wollust Göttin auf der breiten Straße,
Zwar Rosen streute, doch zur Hölle führte,
Der Tugend Göttin auf dem schmalen Weg,
Zwar Dornen streute, doch zum Himmel führte,
Pelagia entschied sich für die Tugend,
Die zog bekränzt einher im hohen Himmel.
Pelagia trat ein ins Fegefeuer
Auf Erden schon, ins Purgatorium,
Dass ihre Seele ward so rein wie Gold.
Und dass der Satan weicht von ihrer Seele,
Sie weihte sich der makellosen Jungfrau.
Sie legte ab die große Lebensbeichte
Und ward erneut geboren in der Taufe.
Und ihre Paten sangen diese Hymne:
Erwache von dem Schlaf, du arme Seele,
Steh auf vom Tod und dich erleuchtet Christus!
Verkleidet als der Mönch Pelagius
Verkleidet als der Mönch Pelagius
Pelagia verbarg die Frauenschönheit,
Verbarg das strahlende Gesicht der Frau
Und züchtigte den Körper durch Askese,
Verbrachte Nächte wachend im Gebet
Und fastete vom Morgen bis zum Abend
Und wollte einzig dem Erlöser dienen
Und ging und lebte einsam in der Wüste,
Von früh bis spät nur noch mit Gott zu reden
Und gänzlich neu zu formen ihre Seele.
Ganz intensiv studierte sie die Bibel,
Zuerst las sie die Evangelien,
Dann las sie auch den ganzen Pentateuch
Und betete den ganzen Psalter Davids.
Auf hundertfünfzig Perlen an der Schnur
Sie betete die hundertfünfzig Psalmen.
Dann auch studierte sie die Kirchenlehrer,
Die Mystiker und auch die Hymnen-Dichter,
Sie las die Philosophen, deren Lehrer
War Jesus als der wahre Philosoph,
Sie las die Theologen, deren Lehre
War der Vernunft-Disput der Offenbarung.
Dann schrieb sie Liebeslieder auch an Jesus,
Brautmystik wars für Gott den Bräutigam.
Sie wollte wirklich Gnade sich verdienen
In jenen Himmelsaugen des Geliebten.
Sie suchte einzig noch die Akzeptanz
Bei Gott, dem Ewigvater, der sie liebte!
Klar, dass ihr schönes weibliches Gesicht
Klar, dass ihr schönes weibliches Gesicht
In der Gesellschaft frommer alter Frauen
Ganz zu enthüllen, peinlich wär gewesen.
So barg sie ihren Glanz, wie Moses tat.
Pelagia ging in die Einsamkeit,
Allein zu sein mit dem Alleinigen,
Sie wollte sein die Nachbarin von Gott,
Der stets sich in der Wüste offenbarte.
War es ihr schönes weibliches Gesicht,
Das sie bewogen, ganz allein zu leben?
Die Menschenfreunde, Freunde ihrer Schönheit,
Verderben waren sie dem Heil der Seele.
Die Schönheit ihrer weiblichen Gestalt
Gelockt sie hatte auf den Weg zur Hölle.
Nun sollte niemand ihre Schönheit sehen
Als der intime Seelenbräutigam.
Sie rief: Ich lieg vor dir als nackte Seele
In heißer Gier der Liebe, o mein Gott!
Und lange träumte sie vom Weg der Mystik,
Bis Gott sie zog auf den geheimen Pfad:
Da lebte sie die Gottesnacht im Garten
Gethsemane, die
Agonie des Christus!
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Als sie von diesem heiligen Gefilde
Erstanden war, wie schön war ihre Seele!
O schöner noch die Schönheit ihrer Seele
Als je des Körpers Schönheit war gewesen!
Wenn Frauen mit ihr sprachen über Gott,
Wars ihnen, mit der Weisheit selbst zu sprechen,
Und sprachen sie mit ihr vom Paradies,
Sie dachten, dass sie wären schon im Himmel!
Sahn alte Männer ihre Gottesliebe,
So riefen sie: Du bist ja Heilig Geist!
O Jugendschönheit in der Reinheit Aura!
O nackte Seele in dem Hauch von Gott!
Sie starb mit achtundfünfzig Jahren friedlich
Und ward vereinigt mit dem Vielgeliebten.
Nackt war sie einst auf diese Welt gekommen,
Nackt hat sie wieder diese Welt verlassen.