Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

SANKT ANNA UND LUTHER



von Josef Maria Mayer


1

Bin ich doch der Martin Luther,
Der bekannt ist bei den Freunden
Wegen großen Weingenusses,
Frauendienst und Liedersingen.

Denn ich hab dem Volk aufs Maul,
Aufs genäschige geschaut,
Und das Volk hat mir gesagt,
Dass ein Tor bleibt immerdar,

Wer nicht liebt den roten Wein
Und die schönen jungen Mädchen
Und die himmlische Musik,
Also bleiben diese drei.

Lustig ist die Jugendzeit!
Bin ich einmal alt und grau,
Wein ich in Erinnerung
An die wilde Jugendzeit.

In der Jugend spar ich nicht
Meine liebe Jugend auf,
Schließ sie nicht in den Tresor,
Spare sie nicht auf der Bank.

Frisch geliebt ein schönes Weib!
Liebe bringt mir einen Reim:
Einmal liebte ich ein Käthchen,
War ein honigsüßes Mädchen!

Wer in seiner Jugend nicht
Diente einem schönen Mädchen,
Der ist niemals jung gewesen,
Was im Alter er bereut.

O gestrenge Herrin Weisheit!
Heute will ich lustig sein
Und ein Narr in Christo sein,
Später folge ich der Weisheit.

Wenn man will ins Kloster gehen,
Was ich wirklich gar nicht will,
Muss man süße Sünden sammeln,
Dass man was zu büßen hat.

Aber in das Kloster will
Ich nicht gehen, denn nur Männer
Bitten um Barmherzigkeit
In dem düstern Männerkloster.

Wenn schon Klosterleben, dann
Möchte ich ein Glöckner sein
Im belebten Frauenkloster,
Junge Nonnen zu verführen.

Aber nun genug geschwätzt
Von dem jungen Mädchenvolk,
Kichern sie doch töricht nur,
Keine Weisheit ist bei ihnen.

Wer kein junges Mädchen küsst,
Der soll küssen seinen Becher
Mit dem Purpurtraubenblut.
Jesus Christus ist der Wein!

Jesus Christus ist der Wein,
Der soll strömen mir im Blut!
Ja, mein Blut sei Jesu Wein,
Aber bitte kein Verschnitt!

Schenkt mir keinen Essig ein,
Mischt auch keine Galle drunter!
Der französische Messias
Soll mir strömen in das Blut!

Wenn ich dann vom Wein betrunken,
Lieb ich Donna Musica,
Höre gern mir Opern an
Und gemeine Gassenhauer.

Auf den Sternen gibt’s Musik,
So sagt schon Pythagoras,
Und im Himmel gibt’s Musik,
Engel singen dort Choräle.

Die Musik berauscht mein Herz,
Wie der Rotwein mich berauscht,
Wie ein junges schönes Mädchen
Mit der Schönheit mich berauscht.

Paulus glaubte an die Dreiheit,
An den Glauben, an die Hoffnung,
An die Liebe, diese drei,
Doch die Liebe ist die Schönste.

Martin Luther auch wie Paulus
Preist die Dreiheit: Junge Mädchen
Und der Wein vom Frankenreich
Und berauschende Musik.

Also schließ ich meinen Psalm
Von der süßen Lebenslust
Und den Wonnen meiner Jugend
Und ich singe Sela drauf.


2

Ich hab leider nun studiert
Jura. Fluch den Advokaten,
Bösen Winkeladvokaten,
Die verkaufen arme Kinder!

Was die Witwe hat zu leiden,
Der man ihre Enkel nahm,
Kümmert nicht die Advokaten,
Sie verhöhnen alte Witwen!

Was die Waisenkinder leiden,
Denen Vater starb und Mutter,
Kümmert nicht die Advokaten,
Sie verschachern Waisenkinder!

Die Verbrecher lieben sie,
Sie verteidigen die Mörder,
Schuld und Unschuld ist egal,
Wichtig nur der Sieg im Streit.

Wenn der Nero nur noch lebte,
Der die Christinnen und Christen
Opferte im großen Circus
Seinen Löwinnen und Löwen,

Da die Römerinnen, Römer
Sahen das Martyrium
Als Vergnügen und als Spaß,
Ja, wenn Nero heut noch lebte,

Wollten wohl die Advokaten
Nero gern verteidigen
Vor dem Richter Jesus Christus,
Und es spricht der Advokat:

Hohes Weltgericht, o Richter,
Richter Ihr von Höchsten Würden,
Kaiser Neros Zahl des Namens
Ist sechshundertsechsundsechzig,

Das ist wahr, der ist ein Teufel
Und ein böser Antichrist,
Aber lasset Ihr, o Richter,
Gnade nur vor Recht ergehen,

Und begnadigt noch den Satan,
Dass er in dem Himmel komme!
Was nun diese Zahl betrifft,
Die Sechshundertsechsundsechzig,

Weise ich nur darauf hin,
Dass der weise Salomo
Rente jeden Monat einnahm
Von sechshundertsechsundsechzig

Silberlingen wie einst Judas,
Doch der arme Teufel Judas
Hatte nicht soviel verdient,
Ach, nur dreißig Silberlinge.

Also, Hohes Weltgericht,
Gnade lasst vor Recht ergehen,
Satan sprecht nur frei und Judas
Und die Advokaten auch.

Also spricht der Advokat.
Aber was für ein Gesicht,
Eine selige Vision,
Ich seh Frau Justitia!

Das ist eine große Frau,
Übermenschlich-riesenhaft!
Das ist wohl die hohe Göttin,
Welche Orpheus einst besang?

Lange schwarze Haare trägt
Diese Göttin-Teufelin,
Und vor ihren bösen Augen
Eine rabenschwarze Binde!

In der frechen Rechten hält
Sie die Waage des Gerichts,
Doch die Linke hält sie auf
Und sie bettelt: Gib mir Geld!

Wie einst Zeus zu Danae
Kam im goldnen Regenstrom,
So erfleht Justitia
Auch des Geldes große Gnade.

Käuflich ist die Göttin-Hure
Und sie breitet ihre Beine,
Dass der Freier in das Höschen
Schiebe einen großen Geldschein.

Diese große Göttin-Hure
Ist des Advokaten Gattin,
Seine mystische Gemahlin,
Unfruchtbar ist ihre Ehe.

Unfruchtbar ist ihre Ehe,
Der Justizrat ist entmannt,
Also klauen sie die Kinder,
Klauen arme Waisenkinder.

Gott erlöse mich vom Hass!
Ach, ich hass Justitia,
Dieses böse Hurenmonstrum,
Hasse sie mit heißem Hass!

Gott, zur Buße meines Hasses
Will ich einen Psalm dir singen
Von der schönen Herrlichkeit
Göttlicher Gerechtigkeit.


3

Einmal gibt es den Prozess,
Eine Akte Martin Luther,
Selig will man mich wohl sprechen,
Vorbild für die deutsche Kirche?

Dann tritt auf in dem Prozess
Laut der Advokat des Teufels,
Und ich höre schon die Rede
Dieses Advokats des Teufels:

Martin Luther ist nicht selig,
Martin Luther ist nicht heilig,
Sondern ein Häretiker,
Feind der Kirche und ein Ketzer.

Martin Luther hat zerrissen
Christi makellosen Leib,
Und die Kirche, Christi Braut,
Ward zerrissen von dem Ketzer.

Martin Luther hat durchbohrt
Mit dem Schwert der Häresie
Jenes makellose Herz
Heiligster Ecclesia.

Und weil Martin Luther hat
Christi schönen Leib zerrissen,
Darum kamen neue Lehren
Auf von neuen Häresien.

Dann wird Gott, das reine Sein,
Gottheit werden der Entwicklung,
Dann wird Gott sich wandeln in
Die Natur und in den Menschen

Und vom Menschen oder mehr noch
Von dem deutschen Philosophen
Als dem menschgewordnen Gott
Wird dann Gott erlöst und wird

Mit der Welt vereinigt Weltgeist.
Und es kommen neue Ketzer,
Welche lehren, die Entwicklung
Braucht nicht mehr den Gott des Werdens,

Sondern die Natur des Menschen
Selbst wird sich entwickeln in
Dialektischen Prozessen
Bis zum Paradies auf Erden.

Dieses wird erreicht durch Kämpfe
Revolutionären Hasses
Und geleitet von der Garde
Der Partei, der Avantgarde,

Die errichten wird auf Erden
Eine Diktatur der Klasse,
Eine Herrschaft der Partei,
Herrschen wird durch Terrorismus.

Und so wird die halbe Erde
Ein Regime des Terrorismus,
Statt des Erdenparadieses
Haben wir die Erdenhölle.

Dieses alles ist das Werk
Martin Luthers, dieses Ketzers.
Schließt ihn aus vom Seelenheil,
Schließt ihn aus der Kirche aus!

Also reden wird des Teufels
Advokat bei dem Prozess
Meiner Seligsprechung, aber
Reden wird der Geist des Herrn,

Nämlich dieser Geist des Herrn
Ist der Advokat des Christen.
Lobpreis diesem Advokaten,
Diesem höchsten Parakleten,

Diesem Tröster aller Christen,
Der vermählt ist seiner Braut,
Unsrer Lieben Frau Maria,
Unsrer lieben Advokatin.

Ave Advocata nostra!
Unter deinen Sternenmantel
Flieh ich Doktor Martin Luther,
Schirme mich vorm Zorne Gottes!

Denn ich sehe, schau, ich sehe
Jesus Christus an dem Himmel
Mit erhobner Rechten seines
Armes mit dem Kelch des Zornes!

Schrecklich ist der Zorn des Lammes!
Bald wird er die Menschheit strafen!
Kommen werden Katastrophen,
Krieg und Terror, Meeresbeben,

Weil die Menschheit abgefallen
Von dem Glauben an den Herrn,
Drohend ist erhoben Christi
Rechte der Gerechtigkeit.

Und nur Unsre Liebe Frau
Hält die Drohung noch zurück
Und erwirkt Barmherzigkeit
Für die schuldbeladne Menschheit.

Ave Advocata nostra!
Schütze mich vorm Zorn des Lammes!
Selbst der Papst muss sich bekehren,
Sich bekehren Patriarchen,

Und bekehren muss sich noch
Doktor Martin Luther! Jesus,
Bete bitte du für mich
Beim gestrengen Vatergott!


4

Denke ich an meinen Vater,
Der mich zeugte in dem Schoß
Und im Blute meiner Mutter,
Aber Gott die Seele schuf,

Denke ich an meinen Vater,
Denk ich an den kalten Mann,
Dessen Herz ist wie ein Stein,
Der mich oft geschlagen hat.

Ja, ich weiß noch, wie als Kind
Ich die goldne Nuss gestohlen,
Als mein Vater das entdeckte,
Hat er kräftig mich verprügelt.

Vater heißt der Herr im Himmel,
Vater aller Vaterschaft.
Was auf Erden Vater ist,
Ist des Vaters Ebenbild.

Herr, du strenger Vatergott,
Wie viel Buße muss ich leisten,
Deine Liebe zu verdienen?
Wann hab ich genug geleistet?

Wie viel gute Werke muss
Ich den armen Menschen tun?
Nie bist du zufrieden, Vater,
Nie hab ich genug getan.

Deine Liebe kenn ich nicht,
Vater, aber deinen Zorn.
Hoch erhoben ist dein Arm,
Straft die schuldbeladne Menschheit!

Wir sind Sünder, höchster Vater,
Wir sind nichts als Staub vor dir,
Eitelkeit der Eitelkeiten,
Enden einst als Würmerkot.

Aber du bist Gott der Vater,
Du bist Gott der strenge Richter,
Der verdammt der Sünder Seelen
In die ewige Verdammnis!

Bin ich nicht vorherbestimmt
Zu der ewigen Verdammnis?
Reitet nicht der böse Satan
Dreist auf meinem krummen Rücken?

Ich tu Buße, Buße, Buße
Für die Sünden meiner Jugend,
Ja, auf Knieen will ich kriechen
Auf der Pilgerschaft nach Rom.

Auf der frommen Perlenschnur
Will ich zählen Tugendakte
Und den Himmel mir erkaufen
Durch das Gold der guten Werke.

Ablass will ich mir erwerben,
Denn es fürchtet meine Seele
Fast wie ewige Verdammnis
Die Tortur des Fegefeuers!

Vater, strafe meine Seele!
Wen du liebst, o strenger Vater,
Den bestrafst du mit der Rute,
Züchtigst ihn mit Kreuz und Tod!


5

Schau, es sammeln schwarze Wolken
Sich am tiefen Himmelsdach
Und es zittern starke Eichen
Vor dem kommenden Gewitter.

Wie der Schall so schnell der Regen
Und es platzen die Melonen.
Ach hier steh ich armer Sünder
Und ich kann mich nur noch fürchten!

Donner sind des Vaters Sprache,
Blitze sind des Vaters Sprache,
Wetterwinde, Wirbelstürme,
Erdenbeben, Meeresbeben!

Gott kommt donnernd zum Gerichte
Und von seinem Himmelsthron
Dröhnen Donner laut wie Trommeln,
Zücken Blitze grell und schnell.

Gott ist zornig! Seine Blitze
Sind die Fackeln des Gerichts
Und vor seinen Donnerschlägen
Bebt die schuldbefleckte Menschheit!

Vor dem Donner seiner Wut
Flieht die fluchbeladne Menschheit
In den Schutz der starken Eichen,
Doch die starken Eichen stürzen!

Gottes Zorn im lichten Blitz
Spaltet noch die stärkste Eiche!
Wo ist Schutz und Schirm vor Blitzen?
Wer beschützt mich vor dem Herrn?

Santa Anna!

6

Anna, Anna, meine Liebe,
Du der Gottesmutter Mutter,
So Großmutter des Messias,
Anna, das bedeutet Gnade,

Denk ich an dein frommes Leben,
Wie du mit Joachim lebtest,
Wie du kinderlos geblieben
Lange Zeit, dein Schoß verschlossen,

Wie du da im Lorbeerbaum
Sahest eine Nachtigall,
Eine Mutter, Küken fütternd,
Die Natur so mütterlich,

Wie du sprachest zu dem Herrn:
Herr, der Sarah fruchtbar machte,
Schenk mir bitte doch ein Kind!
Wenn du mir ein Kindlein schenkst,

Weihe ich mein Kindlein dir,
So wie Mutter Hanna tat
Mit dem Knaben Samuel,
Den sie auch von Gott erbeten.

Schenkst du einen Knaben mir,
Dann ist er vielleicht der Christus.
Schenkst du eine Tochter mir,
Dann ist sie vielleicht die Christa –

Gott verzeih! Ich mein natürlich:
Dann vielleicht ist meine Tochter
Mutter des Messias Gottes,
Ist vielleicht die Mutter Gottes!

Weihen werde ich mein Kind
Und es in den Tempel geben,
Dass es lerne die Torah
Und den Gottesdienst des Herrn.

Also sprachest du, Sankt Anna,
Und ein Engel kam zu dir,
Gabriel vom Himmel kam:
Sei gegrüßt, o Mutter Anna,

Gottes Antlitz seh ich lächeln
Über dir, Begnadete,
Und du wirst ein Kind gebären,
Eine makellose Tochter,

Unbefleckt ist deine Tochter
Seit der Stunde der Empfängnis
Und sie wird die Mutter Gottes
Durch des Geistes Schöpferkraft.

Also sagte Gabriel.
Anna, also gabst du Antwort:
Ich bin eine Magd des Herrn,
Mir geschehe Gottes Wille.

Und du standest in dem Goldnen
Tore von Jerusalem,
Und Joachim kam, umarmte
Dich und küsste dich sehr keusch.

Und jungfräulich ward empfangen
Mariam, die Makellose,
Mariam, die Mutter Gottes,
Mariam, des Vaters Mutter.


7

Anna, preisen will ich dich
Als der Makellosen Mutter,
Mutter du der Unbefleckten,
Makelloser Konzeption.

Denn in deinem Mutterschoße
Ward, in deinem Ei und Blute,
Anna, in dem Uterus
Mariam von Gott erschaffen.

Gott der Vater ist ein Künstler,
Der beschaut sehr gern sein Kunstwerk.
Und es ist der Schöpfung Krone
Eine schöne junge Frau.

Gott betrachtet als ein Künstler
Liebend gern sein Meisterwerk,
Dies ist Unsre Liebe Frau,
Welche Gott in dir erschaffen.

Zwar die Pfaffen Dominiks
Leugnen, dass Maria ist
Makellose Konzeption,
Sie beflecken gern die Frau –

Doch die Jünger von Franziskus
Und vor allen der Duns Scotus
Glauben an die Unbefleckte,
An die makellose Jungfrau.

Christus ist doch der Erlöser
Aller Kreatur auf Erden,
Also Christus ist Marias
Retter auch und ihr Erlöser.

Christus ist die Weisheit Gottes
Und die Weisheit hat für sich
Selbst ein goldnes Haus geschaffen,
Eine makellose Mutter.

So die Weisheit schuf im Hinblick
Auf die Rettung an dem Kreuz
Ihre eigne Jungfrau-Mutter
Und bewahrte sie vor Schuld,

Gottes Weisheit sie bewahrte
Vor der Erbschuld, die wir alle
An uns haben als das Erbe
Evas, seit sie fiel in Sünde.

Nur in deinem Schoß, o Anna,
Nur in Annas Uterus
Lebt die reine Kreatur,
Allerreinstes Abbild Gottes,

Gottes musterhafte Frau,
Gottes Genius der Frau,
Die Idee der Weiblichkeit,
Die mein reinstes Ideal.

Darum preis ich deinen Schoß
Mehr noch als den Garten Eden,
Weil Maria schöner noch
Als die ungefallne Eva!


8

Anna, du bist schön und lieblich,
Denn dein Nomen ist ein Omen,
Anna, das bedeutet Gnade,
Das ist griechisch aber Charis.

Anna, du bist Gottes Charis,
Charis aber beim Homer
Ist die Ehefrau Vulkans,
Ist die Göttin Aphrodite.

Anna, du bist Aphrodite,
Aphrodites Liebreizgürtel
Wird ja Charis auch genannt,
Schwör ich bei dem Liebreizgürtel.

Charis oder Gnade, Anna,
Das bedeutet Charme und Liebreiz,
Anmut, Zauber, Huld und Schönheit,
Freundlichkeit und Lieblichkeit.

Und das ist dein Wesen, Anna,
Und ich seh dich im Gesichte,
Zweiundzwanzig Jahre jung,
Sehe ich dich in der Sonne,

Vor dem Tor Jerusalems,
Stehen vor der Goldnen Pforte,
Vor dem Tempel Salomos,
Vor dem goldnen Haus der Weisheit,

Und dein junger Körper ist
Ganz von Sonnenlicht umflossen,
Und ich seh dein Haar im Licht
Glitzern schön wie goldne Locken,

Und ich seh dein Lachen, Mädchen,
Lachenliebende Geliebte,
Deine weißen Zähne sind
Eine fromme Perlenschnur,

Deine blauen Augen strahlen
Wie der himmlische Azur,
Und du segnest mich, o Mutter:
„Dir dankt Gottes Mutter, Luther.“

Und die himmlische Vision
Deines Körpers in der Sonne,
Deines Angesichtes Licht,
Lässt mich denken an den Namen

Gottes, der Hananja heißt,
Gott ist Charme und Huld und Schönheit,
Gott ist Glanz und Lieblichkeit,
Freundlichkeit und Dank und Liebreiz!

9

Anna, bei der Lichtvision
Deiner Schönheit und bei deinem
Liebreizgürtel schwör ich, Herrin:
Ich will leben ehelos!

Wie der Heiland Jesus sagt,
Manche sind ja schon verschnitten
Von Geburt und mache sind
Von der Welt verschnitten worden,

Aber manche, die verschneiden
Selber sich fürs Himmelreich.
Und Origenes verstand
Das als wörtlichen Befehl

Und er nahm ein scharfes Messer
Und schnitt ab das Mannesglied,
Wie die Priester einst getan,
Die gedient der Großen Mutter,

Jene Galloi, die beschreibt
Lukian in dem Bericht
Von der Göttin Syriens,
Der Eunuchen-Priester dienten.

Aber ich will nicht entmannt
Ohne Glied die Welt durchwandeln,
Aber wie einst Eliezer
Schwor dem Vater Abraham

Und der Diener seine Hand
Schwörend legte an das Glied
Des geweihten Patriarchen,
Also schwöre ich, o Herrin,

Lege meine Hand zum Schwur
Zwischen deine Beine, Herrin,
Du erbitte mir von Gottes
Heiligkeit das Charisma,

Gottgeweiht und ehelos
Auf dem Erdenkreis zu leben.
Denn wie Paulus der Apostel
Schrieb in einer der Episteln:

Wenn der Mann vermählt mit einer
Ehefrau, dann sorgt er sich,
Der Geliebten zu gefallen,
Ist nicht ungeteilt bei Gott.

Wenn er aber ehelos
Ist wie der Apostel Paulus,
Sorgt er sich ums Himmelreich,
Er ist ungeteilt bei Gott.

Dass ich aber ehelos
Leben kann in dieser Welt,
Da doch selbst die große Rom
Ist ein einziges Bordell,

Darum weih ich meine Keuschheit
Deinem Liebreizgürtel, Anna,
Und im mystischen Verlöbnis
Ich vermähle mich mit dir.


10

O du hochgeliebte Anna,
Ich will von der Welt geschieden
Gottes Wort nur meditieren,
Meister sein im Meditieren.

Doch ich will nicht meditieren
Über die gemeine Leere,
Die erfüllt die innre Seele,
Sondern über Gottes Wort.

Denn die Worte der Torah
Und die Worte der Propheten
Und der ganze Psalter Davids
Und das Evangelium

Sind doch inspiriert vom Geist.
In der Menschen Redeweise
Offenbart der Geist des Herrn
Die Mysterien der Gottheit.

Lectio divina nennt man
Doch der Mönche Bibellese,
Lectio divina will ich
Üben morgens und am Abend.

Wenn ich aufsteh von dem Schlaf,
Will ich Gottes Bibel lesen,
Wenn ich nachts dann schlafen geh,
Les zuletzt ich in der Bibel.

Und ich will die Bibel lesen
In dem selben Geist, in dem sie
Auch geschrieben ist, dem Geist des
Auserwählten Gottesvolkes,

In dem Geiste der Apostel.
In dem Sinne Christi les ich
Auch das Alte Testament,
Dann ist auch das Alte jung.

Ohne Altes Testament
Kann man nicht verstehen das
Neue Testament von Christus,
Eins erleuchtet doch das andre.

Anna, Anna, wie sehr lieb ich
Doch das Alte Testament!
Da wird noch geliebt, gehasst,
Wird gemordet und gezeugt!

Wie ich meditieren will,
Anna, will ich sagen dir:
Wie die Kühe wiederkäuen,
Essen will ich Gottes Wort.

So ein Wort muss man historisch
Sich erklären und moralisch
Deuten und auch allegorisch
Im Zusammenhang der Schrift.

Und so lang ich nicht hebräisch
Lesen kann und auch nicht griechisch,
Nehme ich Hieronymus
Und studiere die Vulgata.

Anna, Anna, preisen will ich
Die Vulgata, die Gemeine,
Die erwähle ich von Herzen
Mir zu meiner Busenfreundin.

Die Vulgata, meine Freundin,
Trägt sehr schöne Seidenkleider,
Das bedeutet, das man wörtlich
Und historisch nimmt die Schrift.

Die Vulgata, meine Freundin,
Ist noch schöner splitternackt,
Das bedeutet, das moralisch
Man den Sinn der Bibel deutet.

Die Vulgata, meine Freundin,
Ist vor allem schöne Seele,
Das bedeutet, allegorisch
Legt man aus die Schrift auf Christus.

Die Vulgata, die Geliebte,
Will ich Tag und Nacht durchkämmen,
Bis ich sie so ganz durchdrungen,
Dass wir eins und einig sind.

Dann will ich der Gatte heißen
Der Vulgata, der Gemeinen,
Die nach zwanzig Jahren Ehe
Ist noch immer enge Jungfrau!


11

Anna, Anna, meine Liebe,
Meine Mutter in dem Himmel,
Täglich will ich Messe feiern
Und das Opfer zelebrieren.

Mutter du der Mutter Gottes,
Ist mir doch als höre ich
Deine Stimme zu mir reden
Und mir diese Botschaft geben:

„Du, mein Schatz, sollst dich verlieben
In das Allerheiligste
Sakrament des Hochaltares
Und die Kommunion ersehnen!“

Danke, himmlische Geliebte!
Denken muss ich an Tibull,
Der Frau Delia geliebt hat,
Wie sie der Poet genannt hat,

Die in Wahrheit aber hieß
Hostia, die Vielgeliebte
Hostia war Minneherrin
Dieses römischen Poeten.

Wenn der Priester hebt das Brot,
Ruft er betend: Hostia
Immaculata, makellose
Opfergabe an den Vater!

Also schenk ich alle meine
Liebe dieser Hostia
Immaculata! Hostia
Immaculata ist mein Herzlieb!

Hostia, ich will dich lieben,
Morgens küssen, abends küssen
Will ich Herrin Hostia
Immaculata voller Inbrunst!

Ehelich vereinigen
Will ich mich der Hostia
Immaculata in der Mystik
Der Union mit Gott dem Herrn.

Mystische Union soll sein
Meine eheliche Einung
Mit der Herrin Hostia
Immaculata voll der Gnade!

Anna, Anna, manchmal denk ich,
Wenn ich seh des Heiles Becher:
Das ist nicht das Blut des Christus,
Ach, das ist Marien Milch!

Spricht man von der Eucharistie,
Von der göttlichen Eucharis,
Will ich mich verlieben in
Unsre Liebe Frau Eucharis!

Makellose, Makellose,
Meine Herrscherin Eucharis,
Küss mich mit dem Kuss des Mundes
Und verein dich meinem Leib!

Leibliche Vereinigung
In dem Sakrament der Liebe
Mit der Herrscherin Eucharis
Ich vollzieh im Brautgemach!

Anna, Mutter voll der Gnade,
Bitte du den Christus Jesus:
„Habe du Geduld mit meinem
Armen Doktor Martin Luther,

Wenn er nicht so häufig kommt
Zu dem Sakrament des Leibes,
Wenn er nur im Geiste feiert
Diese mystische Union!“

Also sage du zu Jesus.
Dann durch dein Verdienst, o Anna,
Du ersetze mir vor Christus,
Was mir an Verdiensten fehlt.


12

Anna, meine Quasi-Göttin,
Ich verspreche, viel zu beten.
Denn du stehst auf einem Berg,
Rufend: „Bete, bete, bete!“

Also will ich beten lernen
Von den schönen Psalmen Davids.
Mögen mir Rabbiner singen
Davids Psalmen zu der Harfe.

Lernen will ich, so wie David
Gott die Seele auszuschütten,
Alle Klage, alle Wonne,
Allen Jammer, allen Jubel.

In den Psalmen ist es Gottes
Geist, der uns das Beten lehrt.
Psalmen sind ja Wort des Herrn,
Das uns lehrt, zu Gott zu beten.

Aber nicht nur will ich lesen
Die geschriebenen Gebete,
Sondern mit dem eignen Herzen
Will ich stammeln Lobpreis Gottes.

Gottes Weisheit will ich preisen,
Anfang dies der Gottesfurcht.
Ja, als Sohn des Vaters will ich
Heiligen den Namen Jahwe.

Danken will ich Gott von Herzen
Für die reichen Gnadenströme,
Danken, dass mich liebt der Vater,
Weil ich seinen Christus liebe.

Bitten will ich meinen Gott,
Dass er täglich mir mein Brot gibt,
Alle meine Sorgen wälz ich
Auf die Providentia.

Bitten will ich für das Heil
Der mir anvertrauten Seelen,
Gottes Liebe möge sich
Allen Menschen offenbaren.

Anna, Anna, das Gebet
Ich vergleich mit einem Garten.
Wenn man die Gebete liest,
Schleppt man noch den Wassereimer,

Um den Garten zu bewässern,
Später gräbt man dann Kanäle,
Die den Garten fruchtbar machen,
Wenn man betet mit dem Herzen.

Wenn man dann im Geiste betet,
Kommt der Regen von dem Himmel,
Himmelsregen, Himmelssonne
Machen blühend schön den Garten.

Wenn der Tau des Geistes kommt,
Wachsen Rosen rot der Liebe,
Wachsen Lilien weiß der Reinheit,
Wachsen Veilchen blau der Demut.

Anna, Anna, das Gebet
Ist wie eine Königin,
Junge Mädchenkönigin,
Die zum König Zutritt hat.

Gott der Vater ist der König,
Der die Königin empfängt.
Nicht der Papst hat so viel Großmut
Wie der mütterliche König.

Schließlich will ich Nächte lang
Nur noch Gottes Namen hauchen.
Jahwe, Jahwe, Jahwe hauch ich,
Immer nur den Namen Gottes.

Alle Seufzer meiner Seele
Leg ich in den Herzensruf:
Ach weh mir, ach weh, mein Jahwe,
Herr, o Herr, o Herr, o Gott!


13

Anna, Anna, o Geliebte,
Gottes Jungfrau will ich lieben.
Ward ich doch als Kind getauft
Und Maria stand am Becken.

Hab ich doch als Kind zur Weihnacht
Gottes Mädchen stets besungen,
Sang, wie Mariam und Josef
Beteten zum Gotteskind.

Bis zum Tod in meiner Zelle
Soll das Bild des Mädchens stehen,
Nicht von Menschenhand gemalt,
Von Maria selbst erschaffen!

Keine Heidengöttin ist sie,
Denn die Göttinnen der Heiden
Sind so schwül, lasziv und sinnlich,
Unsre Liebe Frau ist keusch.

Aber ich will auch nicht lästern
Wie Helvetius, der Narr,
Der behauptet, dass die Jungfrau
Söhne, Töchter noch gehabt.

Die vor der Geburt des Herrn
Unberührte Jungfrau war,
Blieb auch bei des Herrn Geburt
Eine unverletzte Jungfrau,

Und nach der Geburt des Herrn
War sie noch intakte Jungfrau.
Christus ist der Gottesknecht,
Unsre Frau die Gottesmagd.

Wenn das Fest von Pfingsten kommt,
Wart ich, dass der Papst verkündet:
„Inkarniert in Unsrer Frau
Ist der Geist der Heiligkeit!“

Makellose Konzeption
Ist der Geist in der Drei-Einheit,
Makellose Konzeption
Ist Maria, Braut des Geistes.

Unsre Frau ist Sakrament
Für des Vaters Mutterliebe.
Anna, Anna, deine Tochter
Ist mein höchstes Ideal!


14

Treu will ich dem Papste sein,
Er soll mir ein Vater sein,
Unter seinem Bischofsmantel
Will ich Gott den Vater lieben.

Die Erneuerung der Kirche
In der Reformation
Durch die Heiligkeit wie weiland
Sankt Franziskus tat, das lieb ich.

Ich will auch die Biblia
Schön ins Deutsche übersetzen,
Dass das deutsche Volk sich nähre
Von dem Wort der Weisheit Gottes.

Und nun, vielgeliebte Anna,
Oder soll ich Manna sagen,
Soll ich Sankt Manna nennen
Meine vielgeliebte Herrin?

Nun, o vielgeliebte Anna,
Weihe ich mein Geist und Fleisch

Deinem liebevollen Herzen!
Führe mich ins Paradies!