Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

SANKT MARGARETHE VON CORTONA



Von Josef Maria Mayer


Es war in der Toskana, da geboren
Ward Margarethe von Cortona, weiland
Die Tage warens Konradins und Manfreds,

Der Guelfen und der Ghibellinen, welche
Besungen in Terzinen hatte Dante,
Und darum sing ich dieses in Terzinen.

Es war die Zeit der heißen Leidenschaften
Und wilder Sünder, schöner Sünderinnen
Und großer Heiliger und großer Dichter.

Die Menschen lebten in Extremen zwischen
Der hohen Heiligkeit und heißen Sünde
Und Dichter waren fromm und Frauen reizend.

Als Margarethe von Cortona lebte,
Da ward gekrönt und war zurückgetreten
Der Papst mit Namen Cölestin der Fünfte,

Sein Leben und sein Sterben sind lebendig
Ein Kommentar zu jenen wilden Geistern,
Die tobten in dem menschlichen Geschlechte.

Es war die Zeit des Engelgleichen Thomas
An der Sorbonne in Paris, von Dante,
Dem Dichtergott, dem Sänger Beatrices,

Es war die Zeit von Cimabue und Giotto,
Die Zeit der großen Universitäten
Und Kathedralen, die gen Himmel strebten.

In der Toskana kamen jetzt und gingen
Des Kaisers Heere und des Papstes Heere,
Das Land war ruhelos, das Volk voll Ängsten.

Als Margarethe von Cortona Kind war,
Da gab es in der Heimat-Diözese
Chiusi die Reliquie des Ringes

Der Lieben Frau Maria, jenes Ringes,
Den Unsre Liebe Frau getragen hatte,
Seit sie mit Josef lebte in der Ehe.

Ein Augustiner-Mönch bekam den Goldring
Und trug ihn nach Perugia, dies führte
Zum Kriege zwischen beiden Diözesen.

Chiusi kämpfte um den Ring Mariens
Und auch Perugia begann zu kämpfen,
Perugia gewann den Krieg des Ringes.

Das war der Geist der Zeit, der Geist der Menschen,
Als Margarethe von Cortona aufwuchs,
Sie hörte damals von dem Ring Mariens.

Es war die Zeit der großen Reformierung
Der Kirche durch der Bettelorden Demut,
Dominikus kam mit dem Rosenkranze,

Franziskus kam mit seiner Herrin Armut.
Franziskus hatte auf dem Berg Alverno
Die Stigmata empfangen, Jesu Wunden,

Der Berg Alverno war ganz in der Nähe
Des Orts, wo Margarethe ward geboren,
Sie hörte von den Stigmata Franziskus’,

Sankt Klara starb nicht weit entfernt, die hatte
Aus Sankt Franziskus’ Busen Milch gesogen,
Vier Jahre alt war eben Margarethe.

Es gab auch andere Extreme damals,
Enthusiasten, welche Ketzer waren,
Es wurde die Begeisterung häretisch,

Als Margarethe von Cortona zehn war,
Entstand in ihrem eigenen Bezirke
Die Häresie der wüsten Flagellanten,

Die zogen hin in Prozessionen, nackend
Der Männer Oberkörper und der Frauen,
Die geißeln sich bis auf das Blut die Brüste!

Das war für Margarethe von Cortona
Und ihre jugendlichen Weggenossen
Ein Anblick, den sie oft gesehen haben.

Sankt Margarethe wurde in Laviano
Geboren, in der Diözese Chiusi,
Die Eltern Proletarier des Ortes.

Ihr Kind war schön, sie war ein Wonneproppen,
Sie hatte keine anderen Geschwister,
Die Eltern so verwöhnten ihre Tochter,

Und so ward sie verzärtelt und verdorben.
So Margarethe wurde eigensinnig,
Sie war voll Ungeduld und unzufrieden.

So sind ja immer die verwöhnten Kinder,
Besonders auch die Einzelkinder oftmals,
Begehren maßlos, sind voll Langeweile.

Sehr bald zu klein ward ihr das Haus der Eltern,
Sie brauchte Weggenossen, Kameraden,
Sie fand mehr Lebensspannung auf den Straßen,

Im Lauf der Zeit ward auch das Heimatstädtchen
Zu eng für sie, da gab es jenseits Welten
Von großen Städten, die versprachen Leben

Und Abenteuer und die süße Liebe,
Und Margarethe sehnte sich nach Liebe
Und Abenteuern und des Lebens Fülle.

Sie merkte auch, sie konnte alles haben,
Was sie begehrte, große Lust des Lebens
Und Liebe, wenn sie nur von Herzen wollte.

Die Männer haben gerne sie gesehen,
Nicht nur die Männerschar aus ihrer Heimat
Und die aus ihrer näheren Umgebung.

Denn Margarethe von Cortona konnte
Sie alle unter ihren Willen beugen,
Die allen aufzwang ihren eignen Willen.

Und große Männer, reiche Männer kamen
Von außerhalb und fuhren durch das Städtchen,
Sie wollten schauen ihren schönen Körper,

Den schönen Körper und das schöne Antlitz.
Sie würden wieder kommen, sie zu schauen,
Zu schaun den schönen Körper und das Antlitz,

Sie waren froh, dass sie sie kennen durften,
Und suchten, ihre Gnade zu gewinnen
Durch viele Schmeicheleien und Geschenke.

Und Margarethe lernte von den Männern,
Dass sie nur lächelnd zu befehlen brauchte
Und alle Männer taten ihren Willen.

Und während Margarethe noch sehr jung war,
Sie zählte eben volle sieben Jahre,
Da war gestorben ihre arme Mutter,

Die Mutter war die einzige gewesen,
Die konnte noch in Schach die Tochter halten,
Die Mutter lehrte beten Margarethe:

O Jesus, Herr, ich bitte dich von Herzen
Für alle die, für die ich heute bete,
Gewähre ihren Seelen Heil und Gnade!

Doch nicht allein die Mutter war gestorben,
Auch nahm der Vater sich ein neues Weibchen,
Von Stimmungsschwankungen bestimmt der Vater,

War einmal schwach, nachsichtig, scheu und schüchtern,
Dann wieder überschüssig zornig wütend,
Doch war im Vater vieles liebenswürdig.

Doch die Stiefmutter konnte Margarethe
Nicht leiden, sie war nur schockiert von wegen
Der Eigenwilligkeit des jungen Mädchens

Und ihrer Unabhängigkeit. Und dieser
Stiefmutter herzlose Behandlung leider
War ganz fatal für dieses wilde Mädchen.

Die Leute in der näheren Umgebung
Von Margarethe waren solche Leute,
Die leben oberflächlich nur und weltlich,

Sie zwangen Margarethe, oberflächlich
Zu lieben äußere Erscheinung, Dinge,
Sie mehrten ihre Schwäche des Charakters.

Sie war ja von Natur aus solch ein Mädchen,
Solch eine Frau, die nach Zuneigung dürstet,
Die dürstet sehr nach Sympathie und Liebe.

Geliebt zu werden, war ihr Sinn des Lebens
Und die Notwendigkeit des Erdenlebens
War ihr der Durst nach Freundschaft und nach Liebe.

Sie musste lieben, dass die Seele frei wird,
Zuhause aber fand sie keine Liebe,
Stiefmütterchen war frostig, Vater zornig.

Und wäre Margarethe schwach gewesen,
So hätte sie, ergeben in ihr Schicksal,
Die Liebesarmut dieser Welt erduldet,

Und hätte nach des Vaters Wahl und Ratschlag
Sich einen Ehemann genommen, hätte
Geboren Söhne, Töchter ihrem Manne,

Und hätte vegetiert dahin auf Erden
In einer kalten Welt der Liebesarmut.
Sie aber war bestimmt zur großen Liebe!

Und immer eigensinniger und sturer
Sie wurde, rücksichtslos und ohne Skrupel,
Und gab es Glück nicht in dem Vaterhause,

So gab es Lust vielleicht doch in der Fremde,
Ja, Lust und Lebensspaß, so viel sie wollte.
Ihr Ruf war in der Stadt der Ruf der Dirne.

Nun war sie siebzehn Jahre alt, die Schöne,
Sie nahm nicht Rücksicht auf die eigne Seele,
Sie lebte lustvoll, komme was da wolle.

Ihr Ruf war ruiniert in Laviano,
Sie galt als stadtbekannte Dirne, also
Sie musste fort von ihrem Vaterhause.

Ein Edelmann aus Montepulciano
Bedurfte einer Magd in seinem Schlosse.
Und Margarethe wählte diese Stellung.

Wenn auch nur Magd sie eines Edelmannes,
Stiefmutter musste sie nun nicht mehr sehen
Und ihren Vater, der sie wenig liebte.

Nun konnte sie, zwar in gewissen Grenzen,
Doch leben so, wie sie es gerne wollte,
Es war ein erster Vorgeschmack der Freiheit.

Ihr Herr war jung und war dazu sehr sportlich,
Doch auch nicht besser als die andern Männer.
Er konnte gar nicht anders, als zu sehen,

Wie reizend war die Magd in seinem Hause,
Da hob er ihren Kopf, sie sollt verachten
Die schlechten Meinungen der dummen Narren.

Sie solle unabhängig sein und stolz sein
Und frei sein von den Meinungen der Menschen,
Der Leute, die sie eine Dirne nannten.

Er war sehr aufmerksam auf ihre Schönheit
Und machte ihr viel schmeichelnde Geschenke
Und überhäufte sie mit Freundlichkeiten.

Und Margarethe wusste, wie man Männer
Beherrscht mit großer Macht der Frauenreize
Und wie man Männer unterwirft der Schönheit.

So hatte sie zuhause schon geboten
Den jungen Männern mit der Macht der Reize
Und mit dem Sex-appeal sie unterworfen!

Sie wusste, dass der Mann sie sehr begehrte,
Dass er verliebt war in die junge Schöne,
Und sie war auch verliebt in ihren Meister.

Der Mann war hier ja ohne Konkurrenten,
War nicht ein andrer da, sie abzulenken,
So war er ihre einzige Begierde.

Es war auch keine fromme Mutter da, zu warnen
Und an das Heil der Seele zu erinnern
Und zu erinnern ans Gebet zu Jesus.

Stiefmutter war auch fern, die kalte Schlange,
Sie konnte Margarethe jetzt nicht länger
Missbrauchen durch den Frost des toten Herzens.

Nun bald war Margarethe in dem Schlosse
Fest engagiert, nicht als die Frau des Meisters,
Das wäre nicht gemäß dem Stand gewesen,

Doch als des Meisters heimliche Geliebte,
Als Konkubine oder Bettgenossin,
Das wurde auch geduldet von dem Adel.

Der Meister hatte ihr schon oft versprochen,
Dass er einmal die Ehe mit ihr schließe,
Doch er erfüllte niemals dies Versprechen.

Doch kam der Tag, da sie ein Kind geboren,
Ein Sohn ward ihr geschenkt, ein Kind geboren,
Geliebter Bastard einer Konkubine.

Geduldig trug sie nun ihr Los, das Kindlein,
Die Frucht der Sünde, wuchs von Tag zu Tage
Und führte ihr vor Augen ihre Unzucht.

Es war ein böses Leben, das sie führte,
Sie lebte in der Sklaverei, nicht Freiheit,
Die sie doch so sehr ihre Freiheit liebte.

Die ruhelosen frühen Jugendtage
In Laviano schienen ihr so schlimm nicht,
Wie sie gedacht, war nun das Unglück größer.

Die Armut und Bescheidenheit der Hütte
Des Vaters, eines einfachen Proleten,
Schien liebevoller als der goldne Käfig

Des Schlosses, darin sie nun war gefangen,
Gefesselt war sie nun mit goldnen Fesseln
Und hatte Luxus, aber keine Liebe!

Nun war sie oft allein und schrecklich einsam
Im Innern ihrer Seele und sie dachte
Voll Wehmut an die tote fromme Mutter,

Dann barg sie das Gesicht in ihren Händen
Und weinte heiße bitterliche Tränen
Und sehnte sich nach dem Gebet der Mutter.

Nun kam auch das Bewusstsein ihrer Sünde,
Dass sie in letzter Zeit getrotzt der Tugend,
Sie sah, wie rücksichtslos sie sich verhalten

Und wurde traurig, und die eigne Sünde
Kam wie ein Spukgespenst vor ihre Augen,
Ein liederliches Spukgespenst der Unzucht.

Sie sah die eigenen Verdorbenheiten
Und hasste alles, was sie sonst begehrte,
Und hasste schließlich auch die eigne Seele

Und wünschte sich: Ach wär ich nie geboren!
Ach hätte Gott die Seele nicht geschaffen,
Ich wäre Nichts und hätte meine Ruhe!

Es war ein Elend, das war unerträglich,
Doch musste sie das Elend ja ertragen,
Sie musste Unerträgliches ertragen!

Sie hatte sich gemacht ihr eignes Bette,
Ein Lotterbett der Sünde und der Unzucht,
Nun musste sie auch in dem Bette liegen!

Sie ging in einsamen Momenten sinnend
Im Wald spazieren, achtend auf den Atem,
Vermischte ihren Atem mit dem Winde.

Da träumte sie von einem andern Leben,
Wie anders es auch hätte kommen können,
Von einem Leben träumte sie der Tugend,

Der guten Werke und der Liebe Gottes.
An ihrem Burgtor würde sie den Armen
Und ihren Kindern gute Gaben geben.

Wenn sie schon selbst nicht glücklich werden könnte,
So wollte sie doch andern hilfreich beistehn,
Wenn nur der Armen Kinder glücklich würden!

So dachte sie auf ihrem Waldspaziergang,
Dann war sie wieder trotzig, kam zum Schlosse
Zurück als eine ungebrochne Fürstin.

Es wusste keiner, nicht ihr Herr, ihr Sohn nicht,
Wie es in Wahrheit aussah in dem Innern,
Sie hat geschwiegen von den Seelenqualen.

Und manchmal kam ein frommer Mensch vorüber
Und mahnte sie, zu denken an die Gnade
Von Gott dem Herrn, zu denken an die Buße!

Schlagfertig aber gab sie dann die Antwort:
Mein frommer Bruder, eines Tages werde
Ich meinen Weg der Heiligung vollenden!

Neun Jahre ging es so, bis Margarethe
War sechsundzwanzig. Plötzlich ein Erwachen,
Es kam von oben zu ihr die Erleuchtung!

Ihr Meister musste fort auf eine Reise,
Doch als die Zeit der Rückkehr war gekommen,
Da kam er nicht zurück zu der Geliebten.

Stattdessen kam zum Schloss die Lieblingshündin,
Die Hündin, die er mitgenommen hatte,
Die Hündin lief sogleich zu Margarethe,

Fing an, vor Margarethe laut zu heulen,
Zu jammern und an ihrem Rock zu zerren,
Als wollte sie sie aus dem Zimmer ziehen.

Erfüllt von Ängsten folgte Margarethe,
Wohin die Hündin sie nur führen wollte,
So Margarethe kam zu einem Walde.

Da fand sie mitten in dem Dorngestrüppe
Den toten Körper ihres Vielgeliebten,
Die Würmer hatten ihn schon angefressen!

Wie er gestorben, das blieb ein Geheimnis.
In dieser Zeit der heißen Leidenschaften
Und der Familienfehden wurden oftmals

Ermordet Menschen. Aber Margarethe
In ihrem Innern spürte, wie der Glaube
Der Kindheit wieder in ihr auferwachte.

Sie dachte an den Tod. Der schöne Körper
Des Vielgeliebten war schon angefressen
Von Würmern und schon angenagt von Maden.

Dahin war nun die Herrlichkeit des Körpers!
Wohin gegangen aber war die Seele?
Des Sünders Seele, war sie in der Hölle?

Die Mörder hatten seinen Leib getötet,
Doch Margarethes Sünde heißer Unzucht
Vielleicht gemordet hatte seine Seele!

Dann dachte Margarethe an ihr eignes
Verscheiden. Alle Schönheit ihres Körpers
Wird enden dann als Häuflein Kot von Maden!

Die Seele Margarethes, die unsterblich,
Wohin wird kommen Margarethes Seele?
Da packte sie die Angst vor der Verdammnis,

Sie stürzte in ein doppelt schweres Elend:
Des Freiers Seele in dem Höllenfeuer
Und sie vorherbestimmt zu der Verdammnis?

Sie kehrte in das Schloss zurück und heulte
Und litt im Innern ihrer Seele Qualen,
Auf Erden schon der Hölle Seelenfolter!

Was sollte sie jetzt tun? Und sie entschied sich,
Zurückzukehren in die Kindheitsheimat.
Ihr Vater war oft zornig zwar gewesen,

Doch immer treu. Er würde sie wohl wieder
Empfangen, wenn auch ihres Vaters Hütte
Blamiert war durch ihr dirnenhaftes Wesen.

Den Vater wollt sie um Verzeihung bitten.
Gekleidet wie sie war mit feinster Seide,
Mit ihrem Kinde, kehrte sie zum Vater.

Sie weinte bitter zu des Vaters Füßen
Und bat, ihr ein Asylum zu gewähren
Im Vaterhaus, in ihrer Kindheit Hütte.

Der Vater sah in ihr noch immer jenes
Verwöhnte Töchterchen, so früh verzärtelt,
Und nahm sie wieder auf in seiner Hütte.

Der Vater wollte nur, dass Margarethe
Im Stillen nun beginnt ein neues Leben
Und ganz normal ein gutes Leben führe.

Doch ihre seelische Natur war anders.
Franziskus predigt öffentlich die Buße
Und Margarethe wollte offen büßen.

Sie ging zur Kirche nun im schlichten Kleide,
Den Strick der Buße umgebunden, offen
Bekannte Margarethe ihre Sünde.

Die frommen Kirchengänger nicht verziehen
Der stadtbekannten Dirne ihre Sünden
Und klatschten übers Flittchen Margarethe.

Das war nun nur noch peinlich ihrem Vater.
Er scheute den Skandal, den Klatsch der Leute.
Aus Groll ward Hass. Er hasste seine Tochter!

Dazu des Vaters neue Gattin hasste
Die skandalöse Dirne, dieses Flittchen,
Die ruinierte ihren Ruf im Städtchen.

Sie hatte ihr vorhergesagt, sie würde
In Schande enden mit dem Lotterleben,
Ihr liederlicher Wandel ende schmählich.

Nun wagte diese dreiste Hure auch noch,
Mit einem Bastard in ihr Haus zu kommen,
So zu betreten ihre saubre Schwelle!

So eines Tages, ohne was zu sagen,
Ward Margarethe mit dem lieben Söhnchen
Vom Vater wieder aus dem Haus geworfen.

Jetzt war sie obdachlos, verschmäht von allen,
Vom eignen Vater aus dem Haus geworfen,
Verlästert von bigotten Kirchengängern!

In Laviano konnte sie nicht länger
Verbleiben und in Montepulciano
Sie hatte nur die alten schlechten Freunde.

Da setzte Margarethe sich verzweifelt
Und einsam unter einen Baum und dachte,
Sie schüttete ihr Herz aus vor dem Retter.

Da hörte sie mit ihrem Ohr der Seele
Die leise Stimme Jesu in ihr flüstern:
„Ich mache dich zu einer reinen Flamme!

An deinem Beispiel sollen Sünder sehen,
Dass ich barmherzig bin und Buße annehm,
Dass ich verzeihe auch die schlimmsten Sünden!“

Da kam ihr in den Sinn, jetzt nach Cortona
Zum Franziskanerkloster hinzugehen.
Wie würden sie die Sünderin empfangen?

Es war der schlechte Ruf der schönen Hure
Auch zu den Franziskanern vorgedrungen.
Ihr Ruf war wirklich ruiniert bei allen.

Der Franziskaner an der Pforte schaute
Ein Weib von einer solchen Überschönheit,
Dass er erschrocken floh vor diesen Reizen!

Dann kam ein alter Abt mit weißem Barte
Und nahm die schöne Dame auf ins Kloster.
Doch alle zweifelten an ihrer Umkehr.

Sie beichtete das ganze Leben, lange
Sie beichtete, der Priester sagte: Komm nun
Ans Ende deiner langen Lebensbeichte.

Der Priester sagte: Alles was du suchtest
War Liebe! Wenn die Männer schon so schön sind,
Wie schön ist Gott dann erst, der Menschen Schöpfer!

Und Margarethe weinte Tränenfluten,
Schier unerschöpflich schienen ihre Tränen,
Sie heulte aus den Wunden ihrer Seele.

Die Mönche, die ihr lautes Heulen hörten,
Die standen ratlos da vor solcher Trauer,
Denn unbekannt war ihnen solch ein Leiden.

Sie wurde in dem Kloster aufgenommen
Und fing ein Leben an der tiefen Buße
Und immerwährenden Gebets zu Jesus.

Und eine wohlbegüterte Matrone
Die Büßerin mit Geldern unterstützte,
Und Margarethe dankte der Matrone,

Indem das Heil der Seele sie erflehte
Und einen Thron in Gottes Paradiese,
Ein Lustschloss in dem Himmel der Matrone.

Die Fromme kannte keine halben Sachen.
So wie sie radikal war in der Sünde,
So war sie nun auch radikal im Glauben.

Sie hatte feine Kleidung einst getragen,
Aus Seide transparente Duftgewänder,
Nun wollte nichts sie mehr als Lumpen tragen.

Sie hatte einst auf manchem weichen Sofa
Geschlafen, und nicht immer nur alleine,
Nun wachte sie die Nächte im Gebete.

Die Frauenschönheit war ihr einst der Anlass
Zur sündigen Begierde und zur Unzucht,
Nun wollte sie mit Messern sich verstümmeln!

Die Männer sollten sie nicht mehr begehren,
War doch ihr Untergang das schöne Antlitz,
Den schönen Körper wollte sie entstellten.

Sie wollte gehn nach Montepulciano
Und wie ein Tier mit einem Strick am Halse
Dort schrein: Seht Margarethe an, die Hure!

Es brauchte einen weisen Seelenführer,
Der mahnte sie, den Leib nicht zu zerschneiden,
Nein, lieber Gutes wirken für die Armen.

Und doch war immer noch in ihrer Seele
Der heiße Hunger nach der wilden Liebe
Und die Versuchung blieb ihr ganzes Leben.

Sie kämpfte mit den Lüsten ihres Fleisches,
Und doch blieb sie ihr ganzes Leben lüstern,
In mystischer Vereinigung mit Gott noch.

So Margarethe immer war sehr menschlich,
Und wenn sie auch gezüchtigt die Begierde,
Von sinnlicher Natur blieb sie noch immer.

O Pater, sagte sie zum Seelenführer,
Ich kämpfe täglich mit der Lust des Körpers,
So muss ich kämpfen bis zur Todesstunde.

Die Büßerin tat Gutes für die Armen,
So wie Franziskus uns den Weg gewiesen,
Tat Gutes an den Kranken und den Kindern.

Und ihrer Seele lüsternes Verlangen
Nach der Ekstase grenzenloser Liebe
Ward ihr erfüllt von ihrem Gatten Jesus!

Intime Kenntnis seiner großen Liebe
Und göttlichen Passion, von Gottes Eros,
Befriedigt sie im Innern ihrer Seele.

Sie wusste sich geliebt von dem Geliebten.
Und wenn dich niemand liebt auf dieser Erde,
So sprach sie, Jesus wird dich immer lieben!

Und Margarethe starb mit fünfzig Jahren.
Am Tag vorm Tode sah sie Magdalena,
Die meistgeliebte Braut von Jesus Christus,

Apostelin der heiligen Apostel,
In einem lichten Kleide silberglänzend,
Die eine Krone trug von Edelsteinen,

Umgeben von des Himmels Fürstentümern
Und Seraphinen aus dem dritten Himmel.
In der Ekstase hörte Margarethe

Messias Jesus reden: „Gott mein Vater
Am Jordan sprach: Du bist mein Sohn, Geliebter,
An dem ich ganz mein Wohlgefallen habe.

Und also sage ich zu Magdalena:
Du meine Tochter, meine Vielgeliebte,
An der ich ewig mein Ergötzen habe!“

Und Margarethe kniete weinend nieder
Vor Jesus, ihrem Bräutigam der Seele,
Und küsste voller Leidenschaft die Füße

Des Herrn und bat ihn: Lass mich schaun dein Antlitz!
Und wie du Magdalenas Mund geküsst hast,
O Jesus, küss den Mund von Margarethe!

Sie ward begraben in Cortonas Kirche.
Nach ihrem Tod geschahen viele Wunder
Durch sie. Und siebenhundert Jahre später


Ist unverwest ihr wunderschöner Körper!