Von Josef Maria Mayer
ERSTES
LIED
Es war am Abend und da ward Fortunas Gunst
Zuteil den Fremden durch des jungen Helden Kunst:
Denn Horand sang so lieblich, dass mit Wohlgefallen
Denn Horand sang so lieblich, dass mit Wohlgefallen
Die Hörer lauschten. Vögel hörten auf zu schallen.
Dem König war es Trost und manchem starken Mann,
So dass der Däne Horand manchen Freund gewann.
Auch war zur Königin sein Lied empor gedrungen,
Sie lauschte mit den Fraun, den alten und den jungen.
Da sprach die schöne Hilde: „Was für ein Gesang!
Die schönste Melodie, die je ins Ohr mir drang
Auf schwarzer Mutter Erde, hab ich jetzt vernommen.
Ach wären meine Sänger ebenso vollkommen!“
Und Hagens Ritter sprachen: „Herr, meinst du nicht auch,
So krank ist keiner, dass nicht solchen Liedes Hauch,
Wie seinem Mund entströmt, ihm stillte Weh und Klagen.“
„Ach könnt ich selbst so trostreich singen“, sagte Hagen.
Der Hirsch im grünen Wald ließ seine Aue stehn,
Die Käfer in dem Grase mochten nicht mehr gehn,
Die Fische, die so gerne durch die Bäche schießen,
Sie blieben still. Sie wollten Horands Kunst genießen.
Dem Sänger sagen ließ das junge Mädchen fein,
Doch vor dem strengen Vater heimlich sollt es sein,
Auch ihre Mutter sollte hören nicht die Märe,
Dass er zu Abend Gast in ihrer Kammer wäre.
Er setzte sich. Das junge Mädchen nun begann:
„Das Lied, das ich gehört, aufs Neue stimm es an!
Dein Sang ist mein Verlangen. Deines Mundes Töne
Sind Krone aller Lust, ein Schmuck von höchster Schöne.“
„O Jungfrau! Dürfte ich nur ohne Angst und Scheu,
Dass mir dein Vater schlägt den Kopf vom Rumpf, aufs neu
Ein Lied dir singen, würde ich sehr freudig eilen.
Ach sähe ich dich nur bei meinem Herrn verweilen!“
„Wer ist dein Herr?“ sprach sie, „und wie wird er genannt?
Trägt er die Königskrone und besitzt er Land?
Ich habe ihn schon gern, allein um deinetwegen.“
Der Däne sprach: „Kein König ist ihm überlegen.
Verrät uns keiner, Hilde, sage ich dir gern,
O Jungfrau, sag dir gern von meinem lieben Herrn,
Dass er hierher uns sandte nur um deinetwillen,
Du sollst ihm seiner Liebessehnsucht Wehmut stillen.“
Sie sagte: „Hören lass, was mir dein Herr entbeut
Als Gruß aus seinem Land. Und wenn es mich erfreut,
So will ich, eh du gehst, dir meine Meinung sagen.“
Doch Angst vor Hagen schuf dem Sänger Unbehagen.
Zur Jungfrau sagte er: „Es tut mein Herr dir kund,
Dass er dich zärtlich liebt aus tiefstem Seelengrund.
So lass ihn, Jungfrau, nun genießen deine Güte!
Lebt keine andre Frau in Herz ihm und Gemüte.“
Sie sprach: „Weil so voll Huld dein lieber Herrscher ist,
So lass ich nicht von seiner Huld, zu keiner Frist.
Ich lohne ihm, dass ich allein sein ganzes Sinnen.
Hätt ich nur Mut, ich zöge froh mit euch von hinnen.“
Er sprach: „Wir nehmen Abschied jetzt von diesem Reich,
Drum bitte deinen königlichen Vater gleich.
Wie wär es, hohe Frau, wenn Ihr bereit ihn machtet,
Dass er den Abschied unsrer Schiffe froh betrachtet?“
Nun ging er fort und gab dem alten Wate kund,
Die Jungfrau liebe auch aus tiefstem Seelengrund
Herrn Hetel, diesen Herrn der Friesen-Hegelingen.
Sie dachten, wie die Frau sei sicher heimzubringen.
Verborgen blieb dem Iren-Volk der stolze Plan,
Was nötig war zur Abfahrt, heimlich ward getan,
Sie sagten’s denen nur, die in den Schiffen lagen.
Die freuten sich, denn Nichtstun war ihr Unbehagen.
ZWEITES LIED
Fürs erste schweigen wir von Hartmuts Liebes-Harm.
Dem Fürsten Herwig auch – sehr kräftig war sein Arm –
Im Herzen wehe war nach Gudruns süßer Minne,
Und er begehrte sehr, dass er die Frau gewinne.
Doch Hetel ihm verbot, zu werben um sein Kind.
Da sagte Herwig ihm – sein Zorn war gar nicht lind –
Bald solle er ihn sehn mit manchem Waffenschilde,
Zum Leiden auch der Königin, der Mutter Hilde.
Als König Hetel hörte, dass mit seiner Schar
Schon Herwig unverzagt auf seinem Wege war,
Er sprach zu seiner Frau und seinen starken Helden:
„Es nahen Gäste unserm Hause, hör ich melden.“
Sprach Herrin Hilde: „Wahrlich, das ist recht und gut,
Man lobt den Ritter sehr, der solches schafft und tut,
Sei’s Freude oder Leid, was man in Ehren preise,
Es wird gelingen ihm, er ist so stark und weise.“
Der König und die Ritter säumten allzu lang,
Schon Herwig kam heran, der seine Waffe schwang.
Im ersten Morgenrot stand er schon vor der Feste,
Und bald erwies er sich als schlimmster aller Gäste.
Noch schliefen alle in des Königs Rittersaal,
Da rief der Wächter von dem Turm herab ins Tal:
„Empor aus eurem Bett! Gekommen sind die Gäste!
Viel Helme glänzen schon am Burgtor auf das beste!“
Sie sprangen aus den Betten, keiner säumte mehr,
Sie waren arm und niedrig oder hoch und hehr,
Es ging um Ehre, ging um Schutz und Schirm des Leibes,
Begehrte Herwig stürmisch doch den Kranz des Weibes!
Bewaffnet drinnen waren hundert oder mehr,
Der Herr griff selber auch zu Waffen und zur Wehr,
Das Volk war stark, doch war vergebens all sein Ringen,
So Herwig sah man Schaden über Hetel bringen.
Wie schlug aus seinem Helm – sein Schwert pfiff wie der
Wind –
Der Ritter Funken! Gudrun sah, des Königs Kind,
Die schöne Gudrun schaute ihre Augenweide,
Der Held war stark, ihr Herz schwoll an vor Lust und
Leide!
Den Rittern stürmten beide Könige voraus
Und Hetel kämpfte gegen Herwig in dem Strauß,
Die Waffen blitzten, die sie mit den Fäusten deckten.
Wie sich die beiden Könige so zärtlich neckten!
Die schöne Gudrun sah, sie hörte wilden Schall,
Fortuna gleicht der Kugel, rollend wie ein Ball,
Die Jungfrau konnte sich im Kampfe nicht entscheiden,
Sie wünschte Hetel Sieg und Herwig Sieg, den beiden.
Sie rief mit lauter Stimme durch den weiten Saal:
„O Vater Hetel, Herr, es strömen schon im Tal
Die Bäche Blut, es rinnt herab von allen Wänden,
Denn Herwig bringt uns bösen Gruß mit vollen Händen.
Ich wünsche nur allein, befriedigt euren Streit
Und gönnt den Herzen und den Gliedern eine Zeit
Der Ruhe von dem Kampf. Ich möchte Herwig fragen,
Wo er zuhause ist mit Männern und mit Wagen.“
Da sprach der Ritter Herwig: „Friede herrsche schön,
Darf ohne Waffen ich vor deinem Antlitz stehn.
Gern sag ich dir, o Frau, von Männern und von Wagen,
Gönnt man mir Ruhe, sollst du was du willst mich fragen.“
Mit hundert Rittern trat er vor die Jungfrau hin,
Die Jungfrau war gespalten in des Herzens Sinn,
Empfing den starken Mann, umringt von ihren Frauen.
Der Ritter mochte noch dem Frieden nicht ganz trauen.
Er sprach zu ihr: „Man hat vor kurzem mir gesagt
(Doch wegen meinem Schwert hast du’s wohl schon beklagt)
Du hättest mich verschmäht als zu gering von Blute.
Beim Armen Unterschlupf kam manchem schon zugute.“
Sie sprach: „Wo wär die Frau, die solchen Mann verschmäht?
Die solchem Minnedienst mit Hass entgegensteht?
Nein“, sagte Gudrun stolz, „wie sollt ich dich verachten?
Sahst du je Augen, die so liebevoll dir lachten?
Und will es die Familie, willigt sie nur drein,
So will ich, wie du willst, für immer bei dir sein.“
Er sah ins Auge ihr mit seines Herzens Neigen,
Sie trug im Herzen ihn und konnt es nicht verschweigen.
„Und willst du lieben mich, du schönes Mädchen mein,
Mit allen Sinnen will ich dir ergeben sein,
Und alle meine Burgen, alle meine Helden,
Die sollten dienen dir, das will ich allen melden.“
Nach dem Familienrat hob König Hetel an,
Zu fragen Gudrun, ob sie diesen guten Mann
Zum Gatten wünsche, diesen Helden reich an Ehren.
Sie sprach: „Wie könnt ich einen bessern Freund begehren?“
Dem Ritter ward verlobt das schöne Frauenbild,
Der sie im Ehebund zu krönen war gewillt.
Doch Leid und Trübsal sollte ihm daraus entsprießen,
Bald sah man Ströme Bluts aus Ritterwunden fließen.
DRITTES LIED
Es war ein breiter Werder, der hieß Wülpensand.
Normannen hatten da aus König Ludwigs Land
Den Rossen und sich selber süße Rast bereitet.
Erfahren sollten sie, wie rasch die Rache schreitet!
Die edlen Geiseln aus dem freien Friesenland
Sie hatten dort geborgen auf dem wüsten Strand.
Rings sah man Feuer an dem Strand, die flammend lohten.
Sie meinten, dass der Ruhe nicht Gefahren drohten.
Des Morgens sah der Steuermann, der auf der Hut,
Ein Schiff mit vollen Segeln schaukeln auf der Flut.
Dem König ließ er’s melden. Hartmut und die Seinen,
Die riefen: “Pilger sinds! Wir sehn das Kreuz erscheinen!“
Da sahen sie drei große Schiffe voll und schwer,
Dazu neun Boote, die da fuhren auf dem Meer,
Mit manchem Ritter, dessen Rock noch gar zu selten
Das Kreuz des Herrn geführt. Sie kamen zum Vergelten.
Sie kamen nun so nah, dass man der Helme Glut
Sah blitzen von den Schiffen. Nun war ausgeruht,
Nun kam ein schlimmer Krieg zu Ludwig und den Seinen.
Und Hartmut rief: „Sie kommen, die es böse meinen!“
Sie strebten an den Strand. Geführt von manchem Mann
Im Sande knirschten laut die Ruder ab und an.
Die standen an dem Strand, die Alten und die Jungen,
Die staunten sehr, doch kamen sie zum Kampf gesprungen.
Und König Ludwig lauthals rief die Männer an
(Es war nur Kinderspiel, was er bisher getan):
„Heut gilts zum ersten Mal, mit Helden sich zu messen!
Folgt meiner Fahne, dann will ich euch nicht vergessen.“
Die Fahne Ritter Hartmuts trug man an das Meer.
Die Schiffe waren nah, so dass man mit dem Speer
Vom weißen Uferrand sie schon berühren konnte.
Der alte Wate seinen Schild nicht müßig sonnte.
Nie wehrte man so heftig einem Feind das Land.
Die freien Friesen drängten machtvoll an den Strand.
Mit Speer und Lanze da begann ein wildes Zielen,
Schneeflocken sah man niemals je so fleißig spielen.
Die Waffen dröhnten und die Stunde währte lang,
Bis sie das Küstenland gewannen. Wate sprang
Voll Ingrimm in die Feinde, die da um ihn standen,
Die seines Zornes Eifer ziemlich heftig fanden.
Und König Ludwig rannte gegen Wate an,
Mit scharfem Eisenspeere schoss er nach dem Mann,
Des Schaftes Stücke sausten hin in alle Winde.
Da kam heran auch Wates starkes Heergesinde.
Auf Ludwigs Helm tat Wate solchen schweren Schwang,
Dass seines Schwertes Schneide bis aufs Haupt ihm drang,
Und hätte er getragen nicht ein Hemd von Seiden,
So hätt er müssen hier am Strand den Tod erleiden.
Mit knapper Not entkam er und in rascher Hast
Den Platz er musste räumen, denn ein böser Gast
War Wate, der sich Ruhm erstrebte zu erwerben.
Man sah durch ihn gar manchen starken Ritter sterben.
Irold und Hartmut stürzten aufeinander los,
Von beider Schwert und Helm der Schall war laut und groß,
Ihn konnten hören auch die allerfernsten Scharen.
Irold tat Kraft und Hartmut tat nicht Kühnheit sparen.
Der Seelandsritter konnte voll von heißem Mut
Den Strand erreichen nicht, da sprang er in die Flut,
Dort bis zu seinen Achseln stand er in den Wogen.
Um schweren Frauendienst war Herwig nicht betrogen.
Den alten Helden wollten Feinde nun im Meer
Erschlagen und ersäufen. Mancher harte Speer
Ward da an ihm zerbrochen. Er trat schnell zum Strande,
Dem Feind entgegen, der es büßte in dem Sande.
Ein böses Werben das um Ufersaum und Flut!
Ein rasches Sterben das! Schon purpurrot wie Blut
Sah man die Meereswogen an dem Strande fließen,
Das Meer schien durstig Blut der Helden zu genießen.
In schweren Kämpfen ward (wem ward ein gleiches kund?)
Getaucht so mancher Ritter auf den Meeresgrund.
Das wär das Volk wohl eines Landes, die da starben,
Von Freund und Feinden, die zusammen da verdarben.
Vom Morgen bis zum Abend war der Schlachttag lang,
Da jeder Ruhm begehrte voll von heißem Drang!
Doch manchem Ritter sollt sein Streben hier zerrinnen,
Wo Hetel seine Tochter wieder wollt gewinnen.
Schon sank der Abend. Und da wuchs des Königs Leid,
Denn Ludwigs Männer sind zu jeder Tat bereit,
Sie konnten kaum noch hoffen, heimlich zu entweichen,
Drum schützten Gudrun sie mit doppelt schweren Streichen.
Nun König Hetel drang auf König Ludwig ein,
In beiden Händen blitzt des Schwertes goldner Schein,
Ein jeder fand am andern, welch ein Held er wäre.
Und König Hetel starb! O jammervolle Märe!
Der wilde Wate sah des Königs Hetel Tod,
Da brüllt er wie ein Eber. Gleich dem Abendrot
Sah man die Helme glühn von seinen schweren Schlägen.
Man sah ihn sich zur Rache voller Ingrimm regen.
Auch Ortwin wollte rächen seines Vaters Blut,
Auch Horand kam heran mit Männern voller Mut.
Der Kampf begann aufs neu, es war ein wildes Schlachten.
Der Tag zu Gnaden ging und es hob an zu nachten.
Und Herwigs Stimme klang: „Hier waltet böser Mord!
Seit tiefes Dunkel lagert an des Ufers Bord,
Erschlagen wir einander, Freund und Feind daneben,
Geht das so weiter, dann wird keiner bald mehr leben.“
Die Männer ließen ungern nur von Kampf und Streit,
Sie schieden müde und sie gingen still beiseit,
Doch ruhten sie so nah beinander von den Mühen,
Die Feuer brannten und sie sahn die Helme glühen.
Voll List sprach Ludwig da: „Nun legt ihr Männer all
Das Haupt auf euern Schild und macht nur lauten Schall,
Das ahnen sie doch nicht, die Friesen-Hegelingen,
Dass ich es plane, euch von hier hinweg zu bringen.“
Dem Rat des Königs folgten alle Männer schnell.
Posaunen tönten, Trommeln dröhnten plötzlich hell,
Als ob sie Sieger wären und das Land ihr eigen.
Des Königs List begann sich voller Macht zu zeigen.
Doch ward an allen Enden auch geweint, geklagt,
Den kleinen Kindern ward das Weinen untersagt,
Und hören sie nicht auf, so wird man sie ertränken,
Bei kleinstem Jammerlaute sie im Meer versenken.
Die Habe trugen alle Männer still an Bord,
Doch die Erschlagenen, die Toten ließ man dort.
Mit bittren Leiden sie vermissten da so viele,
Drum blieb von Mannschaft leer so mancher ihrer Kiele.
Mit solchen Listen sie gelangten auf die See.
Und Gudrun und den Frauen war im Herzen weh,
Dass ihren Sippen sie die Flucht verbergen mussten,
Die schliefen an dem Strand, die nicht vom Plane wussten.
Doch eh der Morgen kam, trug jene schon die Flut,
Mit denen Kampf ersehnt der Dänen Kriegermut.
Und Wate stand und rief, der Bläser blasen sollte,
Dieweil er schwere Wunden Feinden spenden wollte.
Da kam die ganze Schar vom freien Friesenland
Zu Fuß und auch geritten an den weißen Strand.
Sie dürsteten nach Ludwig und nach seinen Mannen,
O weh, da waren alle Feinde schon von dannen.
Nur leere Schiffe noch und lediges Gewand,
Das lag zerstreut, zerrissen an dem weißen Strand.
Nie sah man solche Menge herrenloser Waffen.
Wie sollte man denn jetzt noch Rache sich verschaffen?
In wildem Zorn und Jammer klagte Hetels Sohn,
Die Feinde sind entwichen ohne rechten Lohn.
„Auf, Helden, ob wir unsre Feinde noch ereilen,
Sie mögen wohl noch nahe am Gestade weilen.“
Gern hätt der alte Wate ihnen nachgesetzt,
Doch Frute prüfte Luft und Wind am Meere jetzt.
Er sagte zu den Rittern: „Nichts hilft uns das Eilen,
Die Feinde sind schon fern, ich schätze dreißig Meilen.
Auch haben wir der Männer hier nicht mehr genug,
Um sie zu überwinden. Das wär Selbstbetrug.
So hört, was ich euch sag, es soll euch nicht verdrießen,
Es wäre besser, dass wir alles Reden ließen.
Tragt die Verwundeten nur auf ein Schiff geschwind,
Die Toten sammelt, die uns hier erschlagen sind,
Hier an dem wüsten Strande sollt ihr sie begraben,
Die Unsrigen, sie sollen ihre Ruhe haben.“
„Verschmerzen könnt ich wohl“, fiel Morung seufzend ein,
„Was wir erlitten selbst an schwerer Herzenspein,
Doch was soll sein, wenn Hilde bringen wir die Kunde,
Dass Hetel ist gestorben! O die Herzenswunde!“
Nun suchte man die Toten auf dem weißen Sand,
So viel man an dem Strande Christenleiber fand,
Die Leichen ließ man zueinander alle tragen
Und sie begraben unter lauten Weheklagen.
Der Ritter Ortwin rief: „Begraben wir sie hier,
Dann sorgen auch für ihres Namens Nachruhm wir,
Die Toten hier noch preise lang nach ihrem Ende
Ein Kloster Unsrer Frau, zu dem ich selber spende.“
Nun hatten Muße sie nach all der schweren Not,
Den König sie begruben, der den Heldentod
Aus Liebe zu der Tochter Gudrun starb im Sande,
Sie stellten auf ein Kreuz am weißen Meeresstrande.
VIERTES LIED
Die Schiffe fuhren in des Königs Ludwig Land,
Die Scharen der Normannen. Froh ward es erkannt,
Sie freuten sich am Gruß von ihren Fraun und Kindern.
Vorbei die Angst, es werde Tod die Heimkehr hindern.
Als Ludwig frohen Herzens seine Burgen sah,
Zur wunderschönen Gudrun sprach der König da:
„Siehst du die Burgen, Frau? Du darfst auf Freude zählen,
Zeigst du uns Gnade, soll es dir an Land nicht fehlen.“
Da sprach voll tiefer Traurigkeit das Mädchen fein:
„Wem könnt ich gnädig sein? Der Gnade lichter Schein
Ist weit von mir gewichen, kehrt wohl niemals wieder.
Des klag ich immer. Leid belastet meine Lider.“
Und Ludwig sprach erneut: „Lass allen Gram, o Kind,
Schenk Hartmut deine Liebe, der dir wohlgesinnt.
Das was wir haben, wollen gerne wir dir geben,
Du sollst mit Hartmut stolz in Glück und Wonne leben.“
Da sagte Hildes Tochter: „Lass, das schafft mir Not,
Denn eher noch als Hartmut wählte ich den Tod.
Gibt ihm sein Vater denn ein Recht auf meine Minne?
Ich sterbe lieber, eh ich ihn zum Freund gewinne.“
Inzwischen landeten die Schiffe in der Bucht,
Getragen ward an Land der Beute reiche Frucht.
Wie fröhlich setzten sie den Fuß auf das Gestade!
Nur Gudrun schritt bekümmert auf dem Uferpfade.
Kam Hartmuts Schwester an in zweier Herrn Geleit,
Frau Gudrun zu empfangen war die Frau bereit.
Und Gudrun küsste gleich mit Tränen, brennend heißen,
Frau Ortrud. Diese nahm sie bei der Hand, der weißen.
Als Gudrun nun, die Jungfrau, in der Hochburg saß,
Da diente Hartmut ihr, der keine Pflicht vergaß.
Und allen er gebot – bald trage sie die Krone –
Dass sie ihr eifrig dienten, was sie sicher lohne.
Da sprach Gerlind, die Mutter – Zaudern war ihr Qual –
„Wann wird die wunderschöne Gudrun den Gemahl,
Den reichen Königssohn, in ihre Arme schließen?
Von Adel er wie sie, es wird sie nicht verdrießen.“
Als Gudrun dies vernahm, sprach sie voll Traurigkeit:
„Dir selber, Frau Gelinde, schafft es sicher Leid,
Wenn man dich zwingen wollt, als Gattin den zu pflegen,
Der deinen Vater tötete um deinetwegen.“
„Zu ändern ist das nicht“, sprach Königin Gerlind,
„Man endet das mit Huld, schenk ihm dein Herz, o Kind!
Ich schwör bei meinem Kopf, dass ich dir ewig lohne.
Sei Königin! Ich ziere dich mit meiner Krone.“
Sprach Gudrun voller Trauer: „Niemals trag ich die!
Mit all dem reichen Gold gewinnst du doch mich nie!
Ich werde niemals Ritter Hartmut herzlich minnen!
Mich ekelt dieses Land, ich sehne mich von hinnen!“
Da sprach zu ihrem Sohn die böse Frau Gerlind:
„Erziehen doch die Alten klug ein dummes Kind,
So sei es dir auch recht, dass ich sie dir erziehe,
So schaff ich schon, dass sie den Stolz in Zukunft
fliehe.“
„Was immer mir geschieht“, so sprach der Mann mit Wucht,
„Ich bin zufrieden. Gönne du ihr deine Zucht.
Doch wahre du dabei der Jungfrau Adels-Ehre,
Sie ist hier fremd, drum, Mutter, gnädig sie belehre.“
Und Hartmut ging davon. Der Held war noch nicht weit,
Gerlinde sprach: „Wer Lust verschmäht, der erntet Leid!
Schau überall dich um, wer deine Trübsal wende!
Mein Zimmer heize, schüre meines Ofens Brände.“
Die Jungfrau Gudrun sprach: „Ich tauge wohl dazu,
Dass ich nach deiner Weisung alles schaff und tu,
Bis mir der Herr vom Himmel meine Trübsal wende.
Doch schürte ich noch selten eines Ofens Brände.“
Rasch ging zum Männersaal voll Zornes Frau Gerlind,
Sie sprach zu ihrem Sohne: „Hetels böses Kind
Wagt dich, mein Sohn, in Stolz und Hochmut zu verschmähen!
Ach müssten meine Augen sie nicht länger sehen!“
Ach müssten meine Augen sie nicht länger sehen!“
Und Hartmut sprach zur Mutter: „Wie sie sich gebart,
Doch bitt ich, Mutter Königin, mit ihr verfahrt
In sanfter Weise, dass mich einst der Dank nicht reue.
Sie litt, wen wundert, dass sie meine Liebe scheue?“
Gerlinde sprach: „Was wer der Frau auch Liebes tut,
Sie achtet niemals das, voll Hochmut ist ihr Mut.
Bricht man den Stolz nicht streng, sie gibt sich dir zum
Weibe
Wohl niemals, wenn ich ihren Stolz nicht hintertreibe.“
Da sagte Hartmut: „Mutter Königin, jetzt zeigt,
Ob Ihr mir noch in Liebesgnade zugeneigt!
Erzieh das Mädchen so, dass unter aller Plage
Das Kind zumindest mir die Freundschaft nicht versage.“
Voll Zornes ging Gerlinde, diese Teufelin,
Ging zu der armen Gudrun Dienerinnen hin.
Sie sprach: “Ihr faulen Mägde sollt euch rascher regen!
Was ich euch sage, tut, und seid nicht so verwegen.“
Getrennt nun wurden Gudruns Dienerinnen fein,
Schwer sollten fühlen sie der langen Trennung Pein.
Sie waren Fürstinnen in Adelspracht gewesen,
Nun hieß es spinnen, nur zu Schmach und Gram erlesen.
So taten niedriger und schwerer Werke Graun
Drei Jahre lang die armen fremden Edelfraun,
Bis heim aus Kriegen Ritter Hartmut war gekommen,
Der Frauen Arbeit hatt kein Ende noch genommen.
Wie sehnte sich der Prinz, die schöne Frau zu sehn!
Bei ihrem Anblick aber musst er sich gestehn,
Gegönnt war ihr nur wenig Ruh und gute Speise,
Man strafte hart sie für die edle Lebensweise.
Als sie vor ihm erschien, da sprach der junge Held:
„Wie war es, Frau, mit deinem Schicksal hier bestellt,
Seit ich geschieden bin von meinem Heimatlande?“
„Ich musste dienen, dir zur Sünde, mir zur Schande.“
Und Hartmut sprach zur Mutter: „Was hast du getan,
Gerlinde, Königin? So wars ein irrer Wahn,
Als ich das Kind dir zur Erziehung übergeben?
Getröstet werden sollt ihr schwer bedrücktes Leben.“
„Ich will von Tag zu Tag“, so sprach die Wölfin da,
Sie immer tiefer trösten.“ Doch der Ritter sah
Es nicht voraus, dass sie ward Gudrun immer böser.
Und wo für Gudrun war der Retter und Erlöser?
Als sie mit Jungfrau Gudrun sich allein befand,
Die Mutter sprach zur schönen Frau aus Friesenland:
„Und willst du, schöne Jungfrau, ändern nicht dein Denken,
Mit deinem Haar feg Staub von Tischen und von Bänken.
Und meine eigne Kammer – das sei dir gesagt –
Die sollst du dreimal täglich – wenn’s auch nicht behagt –
Mir sauber putzen und im Herd das Feuer schüren.“
„Das tu ich wohl, doch werd nicht untreu meinen Schwüren.“
So tat sie fleißig, was man nur sie leisten hieß,
Es war kein Dienst so schlecht, dass sie ihn unterließ.
Wohl sieben Jahre sie ertrug in fremden Reichen
Die Schmach. Wo tat man je Prinzessinnen dergleichen?
Und als das neunte Jahr der Schmach zu nahn begann,
Da dachte Ritter Hartmut, jetzt gereift zum Mann,
Dass ihm es wäre eine bitterliche Schande,
Wenn er noch nicht die Krone trüg in seinem Lande.
Da rieten die Genossen, ob es lieb sei oder leid
Der strengen Mutter mit des Herzens Härtigkeit,
Die Jungfrau solle er zu seinem Wunsche zwingen!
Mit ihr zu leben würd ihm manche Wonne bringen.
Nach der Genossen Rat ging ohne viel Verstand
Zu Gudruns Kammer er und nahm sie bei der Hand:
“Nun schenk mir deine Liebe! Nimm dafür zum Lohne
“Nun schenk mir deine Liebe! Nimm dafür zum Lohne
Die Dienste meiner Ritter und der Herrschaft Krone!“
Da sprach die Jungfrau: „Danach steht mir nicht der Mut,
Weil doch Gerlinde mir so vieles Böse tut.
Wie sollte mich gelüsten da nach deiner Minne?
Ich bin euch ewig feind mit jedem meiner Sinne.“
„Das tut mir leid“, sprach er, „doch weiß ich guten Rat:
Was Königin Gerlinde dir zu Leide tat,
Was Königin Gerlinde dir zu Leide tat,
Das will ich sühnen, Frau, zu unser beider Ehren.“
Die Jungfrau sprach: „Wie könnt ich meinem Zorne wehren?“
Da sprach der junge König vom Normannenland:
“Ich denke doch, o Frau, es wäre dir bekannt,
“Ich denke doch, o Frau, es wäre dir bekannt,
Dies alles ist mein eigen, Burgen, Land und Leute,
Ich mach dich ungestraft zu meines Wunsches Beute!“
Und Hetels Tochter sprach: „Das nenn ich Übeltat!
Das ist noch nie geschehen mir, in keinem Staat.
Was sprächen Fürsten wohl zu solcher bösen Märe,
Wenn ich von dir zur Hure gar erniedrigt wäre!“
„Was kümmern mich die Fürsten?“ sprach der Mann das Wort,
„Wenn dir es nur gefiele, Herrin, fort und fort
Du solltest Herrin sein und Hartmut König werden.“
„Nein, Gudruns Liebe wird dich wählen nicht auf Erden.
Ich sollte denken, Hartmut, dies sei dir bekannt,
Wie ich zu deiner Liebe stehe. Deine Hand
Nahm mich gefangen und du führtest mich von dannen,
Ihr tötetet den Vater, jagtet fort die Mannen.
Das ist dir ja bekannt – mein Leid ist mir genug –
Dass König Ludwig meinen Vater mir erschlug!
Er darf sich ohne Waffen mir nicht sehen lassen!
Wie könnte ich dich da mit meinem Arm umfassen?“
Im Zorn sprach Hartmut: „Das ist mir nun gleich,
Was man in Zukunft antut dir in meinem Reich,
Weil du mich stolz verschmähst, mein Land und meine Krone.
Man reicht dann täglich neues Leiden dir zum Lohne.“
„Ich leide weiter, wie ich es bisher getan,
Wie deine Ritter mich nur ihnen dienen sahn,
Dazu der Mutter Frauen – Gott hat mich vergessen! –
Das duld ich still. Nur Kummer ward mir zugemessen!“
FÜNFTES LIED
Nun kam die nächste Prüfung. Hartmut ließ alsbald
Die Schwester Ortrud rufe, diese Wohlgestalt.
„Du helfe mir, dass Hetels Tochter bald, die Hehre,
Ihr Leid vergisst, auf dass ich dir den Wohlstand mehre.“
Und Ortrud sprach darauf, das schöne Königskind:
„Ich diene Gudrun gern, ich, und auch mein Gesind,
Dass sie ihr Leid vergisst! Wir wollen vor ihr neigen
Das Haupt und wollen sein der hohen Frau zu eigen.“
Und Gudrun dankte ihr, das Mädchen voller Leid:
„Dass du mich sähest gern an König Hartmuts Seit
Im Glanz der Krone gehn, geschmückt mit Ruhm und Ehren,
Hab Dank, doch meinem Heimweh kann ich niemals wehren.“
Nun Ortrud bat vom Stuhle Gudrun aufzustehn,
Getrost mit ihr von hinnen in den Saal zu gehn.
Nun dürfe Gudrun sich am roten Weine laben!
„Doch, Ortrud, nie wirst du zur Königin mich haben.“
„Du weißt es wohl, o Hartmut“, Gudrun sprach im Saal,
„Versprochen bin ich einem König zum Gemahl
Mit festem Eid. Und darum lass von deinem Werben.
Ich bin nicht frei. Es müsste mein Verlobter sterben.“
Und König Hartmut sprach: „Du sorgst dich ohne Not,
Von dir mich scheidet nichts, es sei denn Bruder Tod!
Du sollst in Reinheit treu bei meiner Schwester weilen,
Sie wird mit treuer Huld dir deinen Kummer heilen.“
Denn Hartmut dachte wohl, dass Gudruns hoher Mut
Erweichen lasse sich in Ortruds sanfter Hut.
Die tat ihr Gutes an mit dienstbereitem Sinne.
Er hoffte doch, dass er die Jungfrau noch gewinne.
Sie blieb beim strengen Nein. Das traf den König schwer:
“O Herrin Gudrun, adlig bin ich auch wie er,
“O Herrin Gudrun, adlig bin ich auch wie er,
Ich messe mich mit ihm. Was über alle Ehren
Denn Herwig schätzen, doch mein Herz mit Spott versehren?“
Zu neuer Glut ward Frau Gerlindes Rache nun,
Sie ließ die Jungfrau Gudrun nur noch selten ruhn.
Die wär bei Fürstentöchtern sonst mit allem Rechte,
Die musste hausen bei gemeinem Frongeschlechte.
Es sprach die Wölfin hart mit hasserfülltem Mut:
„Ich will, dass jeden Dienst mir Hildes Tochter tut.
Da höhnisch Gudrun sich mit ihrer Treue blähte,
Soll tun sie, was aus eigner Lust sie niemals täte.“
Da sprach die Jungfrau Gudrun: „Was ich nur vermag
Mit Eifer und Geschick, das soll bei Nacht und Tag
Mit Fleiß geschehen auch, ich ruhe keine Stunde.
Das Unglück riss mich aus der Liebsten trautem Bunde!“
Da sprach Gerlinde hart: „Nun sollst du mein Gewand
An jedem Morgen tragen an den Meeresstrand
Und sollst es waschen dort für mich und mein Gesinde,
Und hüte dich, dass man dich jemals müßig finde!“
Da sprach die Jungfrau Gudrun: „Herrin hoch und hehr,
So unterweise mich. Das Lernen fällt nicht schwer
Bei gradem Herzenssinn. Dann wasch ich deine Kleider.
Mich flohen Lust und Wonne! Ich bin einsam leider!“
Und einer Waschfrau ward geboten, das Gewand
(Die Lehre nun begann) zu tragen an den Strand.
Sehr weh tat Gudruns Schicksal allen ihren Frauen,
Die hohe Frau zu solchem Leid verdammt zu schauen.
Da rief im treuen Herzen Hildburg, weiß wie Schnee:
„Wir alle leiden mit - Gott schaue auf dein Weh –
Die man dereinst geschleppt mit dir zu diesem Lande.
Nun steht die Herrin selber waschend an dem Strande.“
„Du sollst – bei Gott dem Herrn“, so sprach sie zu
Gerlind,
„Allein sie lassen nicht, sie ist ein Königskind.
Mein Vater war ein König auch. Mich solls nicht reuen,
Ich helfe ihr. Wir wollen was da kommt nicht scheuen.“
Da sprach Gerlind: „Das tue dir noch oftmals weh!
Wie streng der Winter ist, du sollst auf Eis und Schnee
Noch waschen mein Gewand, trotz strengen scharfen Winden.
Du wolltest lieber dich am warmen Ofen finden.“
Erwarten konnt sie kaum des Abends Dämmerung,
Da ging in Gudruns Kammer Hildburg, frisch und jung.
Dort über all die Mühsal klagten herzlich beide,
Der Dulderin schuf das ein wenig Trost im Leide.
Und Hildburg nun begann mit neuem Weh und Ach:
„Mich schmerzt so innig, hohe Frau, dein Ungemach.
Ich bat die Wölfin, du sollst waschen nicht alleine,
Nun tragen wir die schwere Mühsal im Vereine.“
Da sprach die Heimatlose: „Lohn dir Jesus Christ,
Dass du mit meinem schwere Leid voll Mitleid bist!
Willst waschen du mit mir, das kürzt die Langeweile,
Dass Freude unserm trüben Mut gereicht zum Heile.“
SECHSTES LIED
O Muse, hilf du mir! – Ich tu dir weiter kund,
Wie so erbärmlich es um beide Frauen stund,
Die einst zur Lust geboren in dem Vaterlande.
Sie wuschen Tag für Tag am fremden Meeresstrande.
Es war zur Mittagszeit an einem Fasten-Tag.
Ein Vogel schwamm heran. Die schöne Gudrun sprach:
“O schöner Vogel, weh! Wie seh ich mit Erbarmen
“O schöner Vogel, weh! Wie seh ich mit Erbarmen
Die kalte Flut so bitter tränken dich, den armen!“
Mit Menschenstimme sprach der Vogel: „Frau, nur Mut!
Ein Glück wird kommen, was man dir auch Böses tut.
Willst du befragen mich nach deinem Vaterlande:
Gott schickte mich als Engel her zu diesem Strande.“
Die arme Gudrun sprach: „Hat Jesus dich gesandt
Uns heimatlosen Fraun zum Trost im fremden Land,
Gut, lieber Engel, mögest du mir Antwort geben:
Die liebe Mutter mein, ist Hilde noch am Leben?“
Da sprach der Engel: „Gerne gebe ich dir kund:
Die Herrin Hilde, deine Mutter, ist gesund.
Die Herrin Hilde, deine Mutter, ist gesund.
Sie schickte hierher, dich zu retten, Ritterscharen,
Die sind auf ihrer Frauen Ruf gern ausgefahren.“
Die Jungfrau Gudrun sprach: „O Engel hoch und hehr,
Verdrießen lass dichs nicht, gern frag ich dich noch mehr:
Der junge Königssohn, lebt Ortwin noch zur Stunde?
Und Herwig, mein Verlobter? Engel, gib mir Kunde!“
Da sprach der Engel: „Dieses sei dir gleichfalls kund:
Dass Ortwin ist und Herwig ist noch ganz gesund.
Ich sah auf Meereswogen Bräutigam und Bruder,
Im gleichen Takt die Ritter schwangen da die Ruder.“
Sie sprach: „Auch wüsst ich gern, wenn du’s vernommen
hast:
Kommt auch der Däne Horand, der mein Seelengast?
Kommt er mit allen, die mich jüngst in Not verließen?
Kommt er mit allen, die mich jüngst in Not verließen?
Ich weiß, wie stark er ist. Ich möcht ihn gern genießen!“
„Auch Ritter Horand kommt, Poet von Dänemark,
Er kommt zum Rachekrieg. Sein Ritterheer ist stark.
In seinen Händen trägt er deiner Mutter Zeichen,
So meldet er sich an in König Hartmuts Reichen.“
Und Jungfrau Gudrun sprach: „Ist dir noch dies bekannt:
Lebt Wate noch? Mein Kummer wär von mir gewandt.
Auch freute ich mich sehr, wenn dieses noch geschähe,
Dass ich den Frute noch mit Hildes Zeichen sähe.“
Der gute Engel sprach: „Bald kommt in dieses Land
Der alte Wate auch, der führt in seiner Hand
Das Steuer Eines Schiffes mit dem Ritter Frute,
Die beiden Freunde nahn, so sei dir wohl zumute.“
Von Gudrun scheiden musste Gottes Engel nun,
Nicht weitre Fragen durfte Jungfrau Gudrun tun,
So dass in Lust und Sehnsucht ihre Pulse pochten,
Ob wohl zur Rettung bald die Ritter nahen mochten.
Zu Ende ging der Tag, da von dem Meeresbord
Die zwei nach Hause gingen. Wie empfing sie dort
Mit strenger Strafe Wort die böse Frau Gerlinde!
Nie unterließ sie es, zu strafen das Gesinde.
Sie zankte laut: „Von wem der Rat denn stammt,
So lässig mir zu waschen Linnenkleid und Samt?
Auch meine feine Seide bleicht ihr allzu träge.
Nur Weh wird der, die lässig ihre Werke pflege.“
Die Jungfrau Hildburg sprach: „Wir tun nach unser Macht,
Sei du auch deiner Pflichten gegen uns bedacht.
Uns arme Frauen friert oft bis ins Herz der Seele!
Bei Wärme wüschen wir mit Eifer nach Befehle.“
Gerlinde wieder sprach mit Zorn dies böse Wort:
„Was soll die Wärme? Lasst die Faulheit nur hinfort!
Ob frühe oder spät, so wascht mir nur mein Linnen,
Am Morgen frühe macht euch aus dem Haus von hinnen.
Schon naht das Osterfest. Und ihr vernahm es ja,
Bald kommen Gäste her, Palmsonntag ist schon nah,
Besorgt ihr meinen Rittern schneeig weiße Kleider,
Sonst geht es schlimm den faulen Wäscherinnen leider.“
Die Jungfraun gingen fort. Ganz nass war ihr Gewand.
Was man als schlechte Kleidung ihnen zugestand,
War nur ein grobes Hemd, das nenn ich reich bedenken,
Sie musste ohne Kissen ruhn auf harten Bänken.
Wie unsanft da und kalt die arme Gudrun lag!
Sie schliefen beide nicht. Sie konnten kaum den Tag
Erwarten, die voll Sehnsucht träumten, will ich meinen,
Wann Gottes Engel lässt die Rettung wohl erscheinen?
SIEBENTES LIED
Als kaum der Morgen kam, da eilte Hildburg sacht,
Die keinen Schlaf genossen in der ganzen Nacht,
Ans Fenster trat sie hin und guckte durch die Scharte:
Schnee! Das schuf beiden Frauen Not, als sie’s gewahrte.
Schnee! Das schuf beiden Frauen Not, als sie’s gewahrte.
Die Heimatlose sprach: „Wir sollen waschen gehn?
So schlimm ist, wie ich seh, das Wetter anzusehn.
Wir werden beide wohl noch vor des Abends Stunden,
Wenn wir heut barfuß gehn, am Ufer tot gefunden.“
Da sagte Gudrun: „O Gespielin, bitte du
Gerlind bescheiden um Erlaubnis, dass wir Schuh
Am Meer heut tragen dürfen. Sie muss selbst gestehen,
Dass wir versterben, wenn wir barfuß waschen gehen.“
Sie traten zu der Kammer, wo Gerlinde schlief,
Sie hörte, halb erwachend, ihre Not und rief:
„Was eilt ihr faulen Mägde nicht zum Meeresstrande
Und spült nicht, dass das Wasser fließe vom Gewande?“
„Ich weiß nicht“, Gudrun sprach, „wohin ich gehen soll.
Denn Schnee fiel in der Nacht, von Schnee ist alles voll.
Wenn du nichts tust, wir müssens mit dem Tode büßen,
Wir sterben, tragen wir nicht Schuhe an den Füßen.“
Die Wölfin rief: „So schnell wird das wohl nicht geschehn,
Auf, mag es übel euch nun oder wohl ergehn!
Wascht ohne Widerstand, sonst geht’s an eure Leiber!
Was geht mich an der Frost?“ Da weinten laut die Weiber.
Die Kleider nahmen sie und gingen beide fort.
Sprach Gudrun: „Einst erinnr’ ich dich an dieses Wort.“
Sie mussten durch den Schnee mit nackten Füßen waten.
Noch nie sind Fürstinnen in solche Not geraten.
Von neuem standen sie am wilden Meeresstrand
Und wuschen nach Gewohnheit Linnen und Gewand
Und schauten übers Meer mit sehnsuchtsvollen Blicken:
Wird Mutter Hilde aus der Heimat Rettung schicken?
Wird Mutter Hilde aus der Heimat Rettung schicken?
Da sahen plötzlich sie zwei Männer aufrecht stehn
In einem kleinen Boot, sonst war kein Mensch zu sehn.
Und Hildburg freudig sprach zu Gudrun, zu der bleichen:
„Zwei Männer dort! Die mögen deinen Rettern gleichen!“
Die arme Gudrun sprach: „O weh, was soll ich tun?
O treue Freundin Hildburg, rate du mir nun!
Geh ich davon? Lass ich mich hier in Schande finden?
Wie könnte je ich solche Schande überwinden?“
Die Frauen kehrten um und flohen von dem Strand,
Die Männer waren da schon nah am Uferrand.
Am Ufer sahen sie die schönen Wäscherinnen
Und dass im Stich sie ließen das Gewand und Linnen.
Sie sprangen aus dem Boot und riefen ihnen nach:
„Ihr schönen Wäscherinnen, bleibt doch, nur gemach!
Wir sind von fremdem Volk, das ist doch klar zu sehen.
Lasst doch nicht euren Linnenschatz verloren gehen!“
Als ob sie nichts gehört, so liefen sie landein,
Doch muss wohl an ihr Ohr der Gruß gedrungen sein,
Denn laut erklungen war ja König Herwigs Mahnen.
Dass Gudrun er so nah, das konnt er selbst nicht ahnen.
Da rief der Herr vom Seeland: „Wunderschöne Fraun,
Wem dieses Kleid zu eigen, sollt ihr mir vertraun,
Bei Unsrer Frauen Ruhm, wir bitten euch in Treuen,
Kehrt um zum Strand, ihr braucht euch nicht vor uns zu
scheuen.“
In ihren feuchten Kleidern kehrten sie zurück.
Die Edeldamen waren reicher einst an Glück,
Wie zitterte vor Frost jetzt sehr das Hausgesinde,
Denn dünn nur war das Hemd und scharf der Hauch der Winde.
Der gute Herwig bot dem heimatlosen Paar
Den Morgengruß. Wie fremd der Segensgruß ihm war
Bei dieser Magd! Doch Guten Morgen, Guten Abend,
Ein solcher Segensgruß den Frauen war erlabend.
„Ihr Mädchen, sträubt euch nicht, ja nehmt nur unser Gold,
Vier goldne Spangen seien euer Lohn und Sold,
Die geben wir euch gern, wollt ihr uns jetzt nur sagen,
Wonach wir Fremden euch, die Jungfraun, gerne fragen.“
„Es mögen diese Spangen euch zum Segen sein,
Wir nehmen nichts zum Lohn“, sprach Gudrun sanft und fein,
„Doch fragt, was ihr nur fragen wollt. Wir müssen
scheiden.
Bereuen müsst ich’s, sähe wer uns mit euch beiden.“
„Wem ist zu eigen dieses Volk und dieses Land,
Dazu die Burgen auch? Wie wird der Mann genannt,
Der kein Gewand euch gönnt und solchen Dienst begehrte?
Zur Schmach sei’s ihm, dass er so wenig euch nur ehrte!“
„Herr Hartmut wird der eine von den zwein genannt,
Dem dienen diese Burgen und das weite Land,
Der andre heißt Herr Ludwig, Herrscher vieler Helden,
Von beider Herrschermacht ist manches Wort zu melden.“
„Wir sprächen diese gerne“, fiel nun Ortwin ein,
„Könnt ihr uns sagen, junge schöne Mädchen rein,
Wo man die beiden Herrscher in dem Lande finde?
Wir sind gesandt als eines Königs Hofgesinde.“
Zur Antwort gab den Rittern Jungfrau Gudrun dies:
„Als ich im schönen Morgenrot die Burg verließ,
Sie lagen noch im Bett, dazu die tausend Helden,
Ob sie schon ausgeritten, kann ich euch nicht melden.“
Als Herwig beide Fraun vor Kälte zittern sah,
Es sprach in Milde sanft der gute König da:
„O Mädchen, scheint es euch nicht etwa eine Schande,
In unsre Mäntel hüllt die Leiber hier am Strande.“
Da sagte Gudrun: „Jesus segne gnadenvoll
Die milde Gabe! Doch an meinem Leibe soll
Kein Menschenauge jemals Männerkleidung sehen.“
Ach wäre das Erkennen doch nur schon geschehen!
Und Herwig sah erneut die fremde Jungfrau an,
Sie schien so gutgebaut, so süß dem stolzen Mann,
Dass mancher Seufzer schwer im Herzen ihm erwachte.
Sie glich doch der, an die er oft in Liebe dachte!
Der junge Königssohn Herr Ortwin fiel nun ein:
„Ists euch bekannt, so sagt, ihr Mädchen jung und rein,
Ob kriegsgefangne Frauen einst ins Land gekommen?
Habt ihr von einer Gudrun je ein Wort vernommen?“
Da sprach die Jungfrau Gudrun: „Das ist mir bekannt,
Vor langen Jahren kamen sie in dieses Land.
Im Kriege hatten Ritter ihre Schar gefangen.
Den Heimatlosen ist es hier sehr schlimm ergangen.“
Und König Herwig sprach zu Ortwin nun gewandt:
„Ist deine Schwester Gudrun noch in einem Land
Auf dieser schwarzen Erde, Ortwin, wohl am Leben,
So ist es sie! So ähnlich kann es keine geben.“
Und König Ortwin sprach: „Sie ist von Angesicht
Sehr schön, doch meiner schönen Schwester gleicht sie
nicht.
Ich denk der Jugend noch und unsrer Jugend Zeiten,
Da sie die Schönste war in Mutter Erde Weiten.“
So war bekannt geworden, dass der junge Mann
Mit Namen Ortwin hieß. Drum sah genau ihn an
Die Jungfrau Gudrun, denn sie wollte gern erfahren:
Ist er der Bruder, der vor Not sie wird bewahren?
Ist er der Bruder, der vor Not sie wird bewahren?
„Wie du auch heißt, du bist des Lobes wert fürwahr,
Einst kannt ich einen, dem du gleich bist auf das Haar,
Der König Herwig hieß, das Seeland war sein eigen,
Und wenn er käm, er brächte diese Not zum Schweigen.
Auch ich bin eine, die des König Hartmuts Heer
Als Kriegsgefangne führte übers weite Meer.
Ihr, sucht ihr Gudrun, geht umsonst auf diesen Wegen,
Die Jungfrau Gudrun ist schon ihrer Qual erlegen.“
Aus Ortwins blauen Augen floss ein Tränenquell,
Dazu auch weinte König Herwig, sein Gesell.
Sie hörten doch, dass Gudrun schon gestorben wäre!
Ach, was für Pein schuf ihnen diese Jammer-Märe!
Als sie die beiden Ritter vor sich weinen sah,
Erfüllt von Leid und Liebe sprach die Jungfrau da:
„Ihr zeigt mir ein Verhalten wegen dieser Märe,
Als ob mit euch verwandt die Jungfrau Gudrun wäre.“
Da sagte König Herwig: „Weh um ihren Leib!
Bis an mein Lebensende klag ich um mein Weib!
Sie war versprochen mir zur Braut mit festen Eiden,
Und nun soll Ludwig sie für immer von mir scheiden?“
„Ihr wollt mich täuschen“, sagte Gudrun sehr verzagt,
„Denn Herwigs Tod ward mir schon lange angesagt,
Wär er am Leben noch, ich würde Glück gewinnen,
Mit seinem starken Arm er führte mich von hinnen.“
Da sprach der Edelmann: „So schau auf meine Hand
Und sieh den goldnen Ring. Ist er dir wohl bekannt?
Verlobt ward ich mit Gudrun einst durch dieses Zeichen,
Und bist es du, so führ ich dich aus diesen Reichen.“
Glückselig lächelnd sprach die Jungfrau Gudrun rein:
„Ja, ich erkenn den Ring, der war doch früher mein.
Nun sieh du auch den Ring, den mir mein Liebster schenkte,
Als in der Heimat noch kein Weh das Herz mir kränkte.“
Er sah auf ihre Hand. Als er den Ring erblickt,
Da sagte Herwig zu der Jungfrau hochbeglückt:
„Dich konnte nur der Schoß der reinsten Mutter tragen!
Gegrüßt sei meine Lust nach langen Leidenstagen!“
Er zog die wunderschöne Jungfrau an die Brust.
Was sie gehört, schuf beiden Liebesleid und Lust.
Er küsste sie – wie oft, wer könnte das wohl sagen? –
Und küsste Hildburg, die mit Gudrun Leid getragen.
Da sprach der edle Held: „Wir dürfen wohl gestehn,
Dass uns auf unsrer Fahrt ist großes Glück geschehn.
Wer konnte hoffen, dass es würde so gelingen?
Nun rasch, dass wir dich aus der Haft nach Hause bringen!“
Doch Ortwin sprach: „Das tu ich jetzt nicht, tu ich nie,
Und hätt ich hundert Schwestern, sterben ließ ich sie,
Eh ich die listenreiche Hilfe täte wählen,
Sie ohne Rache heimlich aus dem Land zu stehlen.“
Doch König Herwig sprach: „Wo bleibt dein weiser Sinn?
Mein Liebchen führe ich zu unsern Freunden hin.
So gut es geht wir retten dann die andern Frauen.“
Sprach Ortwin: „Eher lass ich mich in Stücke hauen!“
Und Gudrun sprach voll Weh: „Was hab ich dir getan,
Mein lieber Bruder Ortwin? Denn es ist kein Wahn,
Nie mein Verhalten gab dir einen Grund zum Schelten.
Was denn für eine Schuld, mein Herr, soll ich entgelten?“
„Ich tu es, liebe Schwester, nicht aus Hass zu dir,
Die Rettung deiner Fraun glückt so uns besser hier,
Auch kann ich nur in
Ehren dich von hinnen führen.
Doch deines Mannes freust du bald dich nach Gebühren.“
Die stolzen Ritter eilten weg vom Strande, ach,
Die Heimatlose rief dem Vielgeliebten nach:
„Einst war ich dir die Erste, nun bin ich die Letzte?
Wer bleibt, auf den ich Waise meine Hoffnung setzte?“
„Die Letzte bist du nicht, die Erste sollst du sein!
Doch meine Fahrt behalte du für dich allein.
Noch vor der Morgenröte steh ich vor den Toren,
Vertraue nur, mit vielen Rittern auserkoren.“
Sie fuhren schnell davon und ließen beide Fraun,
So harte Scheidung müssen manche Lieben schaun,
So hart, wie zwischen Freunden es noch nie geschehen.
Sie schauten ihnen nach, solang sie noch zu sehen.
Zuerst besann sich Hildburg aus der Iren Land:
„Lässt du noch immer, Herrin, Linnen und Gewand
Hier ungewaschen liegen, ohne dich zu regen?
Merkt es Gerlinde, lohnt sie dich und mich mit Schlägen.“
Die Jungfrau Gudrun sprach: „Ich bin zu hoch und hehr,
Für Frau Gerlinde wasche ich nicht Wäsche mehr.
So niedrer Dienst wird mir nun nicht mehr abgerungen,
Mein vielgeliebter König hat mich doch umschlungen!“
Das Mädchen Hildburg sprach: „Mein Rat steht dir bereit,
Wir waschen lieber doch das Linnen und das Kleid,
Anstatt zurück sie schmutzig in die Burg zu tragen,
Sonst wird man uns den Rücken wund mit Ruten schlagen!“
Doch Jungfrau Gudrun sprach: „Vergangen ist die Müh!
Nun naht mir Trost und Lust! Und wenn bis morgen früh
Mit Ruten man mich schlägt, ich weiß, ich werd nicht
sterben,
Doch eher sollen diese Schurken noch verderben!
Die Kleider trage ich hinunter an die Flut,
Genießen sollen sie“, sprach Mutter Hildes Blut,
„Dass ich nun wieder einer Herrin werde gleichen,
Die Kleider sollen frei durch alle Meere streichen.“
Ob Hildburg warnte, doch die Herrin unentwegt
Die Kleider warf ins Meer, ihr Zorn war so erregt,
Sie warf sie mit den Händen in die Meereswogen,
Ich weiß es nicht, wo sind die Kleider hingezogen.
Es nahte sich die Nacht, das Tageslicht zerrann,
Frau Hildburg ging mit schwerer Last zur Burg hinan,
Sie trug mit manchem Kleide sieben weiße Linnen,
Doch Gudrun schritt ganz ohne eine Last von hinnen.
Schon war es dunkel, als sie endlich an das Tor
Der Burg gekommen. Voll des Zornes stand davor
Die Teufelin Gerlinde, böse war ihr Warten,
Die Fraun begrüßte sie mit Rügen, zornig harten.
„Wer hat euch das erlaubt“, so schrie des Königs Weib,
„Die Strafe sollt ihr tragen selbst am eignen Leib,
Dass ihr so spät zur Nacht noch schlendert an dem Strande.
Euch ist nicht gnädig eine Frau vom Königsstande.
Sag doch, du freche Hure, warum tust du das?
Den Königssohn verschmähst du voller Stolz und Hass
Und plauderst in der Nacht mit ganz gemeinen Knechten?
Das hilft dir nicht zur Fürstenehre, zu der rechten.“
Da sagte Gudrun: „Das ist böse ausgelegt,
Ich Arme habe solche Meinung nie gehegt,
Dass ich mit einem hohen Manne sprechen wollte,
Nur mit den Meinen ungestört ich reden sollte.“
„Schweig, böse Schlangenzunge! Lügen strafst du mich?
Nun möge meine Rache kommen über dich,
Dass deines Jammers Schreie laut wie nie erschallen,
Es soll die Rute oft auf deinen Rücken fallen!“
„Ich rate davon ab“, sprach Gudrun unverzagt,
„Dass ihr den Rücken mir mit euren Ruten schlagt.
Ihr samt den Rittern könnt mit uns euch doch nicht messen,
Die Züchtigungen aber blieben unvergessen!“
Da sprach die wilde Wölfin: „Wo ist mein Gewand,
Dazu mein Linnenkleid, dass nächtlich deine Hand
In deines Kleides Falten müßig liegt geborgen?
Ich will dich lehren, meine Arbeit zu besorgen!“
Die Jungfrau Gudrun sprach: „Dort unten an dem Meer
Ließ alles liegen ich, es war mir halt zu schwer,
Als dass ich in die Burg es mit mir tragen wollte,
Mir gleich, ob es dein Blick nicht wiedersehen sollte.“
„Ah, das bekommt dir schlecht“, so schrie das Teufelsweib,
„Eh ich ins Bett geh, schlag ich dir noch wund den Leib!“
Aus Dornen ließ das böse Weibchen Ruten binden,
Sie wollte sich der Sklavenstrafe unterwinden.
Doch Gudrun sagte schlau: „So sei es dir gesagt,
Wenn ihr mit diesen Ruten wirklich wund mich schlagt,
So später, wenn ich trag die königliche Krone,
Dann zahl ich alles heim mit ganz gerechtem Lohne.
So glaube ich, dass du erlässt die Strafe gern,
Dann wähl ich um so lieber mir zum Eheherrn,
Denn ich bisher verschmäht, und bleib in diesen Reichen.
Tut man mir weh, so üb ich Rache ohnegleichen!“
Gerlinde darauf sprach: „Mein Wüten lass ich sein,
Und büß ich tausend Kleider auch von Linnen ein,
Verschmerzen will ich sie. Dir käm es auch zustatten,
Nähmst du den Hartmut endlich dir zum Ehegatten.“
„Ich habe nachgedacht“, sprach Gudrun, weiß wie Schnee,
„Nicht länger kann ich tragen dieses Seelenweh,
So lasse der Normannen jungen König kommen,
Was er auch will, ich folge ihm zu seinem Frommen.“
Die Knechte hörten das und eilten schleunig fort,
Um Hartmut zu berichten Gudruns schönes Wort.
Der Ritter eben saß bei seines Vaters Mannen,
Er ahnte nicht, was ihm den Kummer sollte bannen.
Der erste Bote rief: „Gib mir das Boten-Brot,
Da Jungfrau Gudrun dir den Gruß der Minne bot,
Komm bald in ihr Gemach, du hast sie schon gewonnen,
Sie meidet dich nicht mehr, hat anders sich besonnen.“
Da sprach der Königssohn: „Die Lüge tut nicht not,
Doch ists die Wahrheit, gebe ich dir Boten-Brot,
Drei Burgen geb ich dir und Felder voller Segen.
Ich aber will die süßen Liebeswonnen pflegen.“
Da sprach der zweite Knecht: „Die Worte hört ich auch,
Ich auch will meinen Teil, so ist es guter Brauch.
Zur Jungfrau geh, sie schenkt dir ihre süße Minne
Und will die Krone tragen, ists in deinem Sinne.“
Der stolze Hartmut sagte beiden Boten Dank.
Wie frisch und froh er auf von seinem Sessel sprang!
Er meinte, Christus helfe wirklich ihm doch immer,
Drum eilte er zu der geliebten Jungfrau Zimmer.
Noch stand im nassen Kleide die Prinzessin da,
Es weinten ihre Augen, als sie Hartmut sah,
Doch still zum Gruß ist sie entgegen ihm gegangen,
So nah war sie, er wollte sie schon heiß umfangen!
„Nicht so“, die Jungfrau sprach, „wie dürfte das geschehn?
Uns tadeln alle, die es hören oder sehn.
Du müsstest dich des armen Mädchens wahrlich schämen.
Nein, es gehört sich nicht, mich so im Sturm zu nehmen!
Doch gern erlaub ich dir, dass dir dein Wunsch gescheh,
Wenn mit der Krone ich vor guten Rittern steh.
Dann bin ich Königin, dann gibt es kein Verdrießen,
Dann darfst du liebend mich in deine Arme schließen.“
In keuscher Tugend trat der Königssohn zurück:
„O allerreinste Jungfrau, du bist all mein Glück!
Ich will dir deine Minne überreich vergelten.
Gebiete nur! Du sollst mich niemals müssen schelten.“
Die reine Jungfrau sprach: „Du bist so sanft und sacht!
Gib du der Gottesmagd die königliche Macht,
Und so gebiete ich: Nach all dem Schmerz und Wehe
Ein Bad mir lasse ein, noch eh ich schlafen gehe.
Hör meines anderen Befehles Schall und Hall:
Man bringe mir zur Stunde meine Frauen all,
Wo sie auch weilen mögen bei Gerlindes Frauen,
In Mägdekammern soll man sie nicht länger schauen.“
„Das alles soll geschehen“, sprach der starke Held,
Und Gudruns Worte wurden jeder Magd bestellt.
Sie kamen an, verwirrten Haars und dünner Hüllen.
Wo sah man je so gut der Frau Gebot erfüllen?
ACHTES LIED
Der freien Friesen Heer kam nun zur Rettung an,
Im wilden Männerkriege kämpfte Mann mit Mann.
Doch zu besingen dieses Schlachtfeld, das konfuse,
Das mag nicht leiden meine friedlich-sanfte Muse.
Zu Hartmut plötzlich drang der Mutter Weheruf.
Was für ein Leiden Ludwigs Tod dem Weibe schuf!
Nun bot sie Reichtum an, wenn man den König rächte
Und Jungfrau Gudrun auch zu jähem Tode brächte!
Da lief ein Mann voll Gier, dem Geld das Höchste Gut,
Zu Gudrun und den Frauen. Da wich alles Blut
Aus ihren Wangen, denn dem schnöden Geld zuliebe
Er wollte alle töten, dass nicht eine bliebe.
Als Jungfrau Gudrun nun die scharfe Waffe sah
In seiner Mörderhand, wie schwer empfand sie da,
Wie gänzlich einsam sie doch war, nicht auszusagen!
Wer hilft? Fast wäre ihr der Kopf vom Rumpf geschlagen.
Was half die Tugend ihr bei solcher Angst und Not?
Sie schrie so laut, als griffe sie der Bruder Tod!
Die Frauen schrieen auch, die da versammelt waren.
Wo sah man je so einen Jammer in Gebaren?
Doch Hartmut hatte Gudruns Stimme gleich erkannt.
Er sah zu ihr voll Staunen: Vor der Jungfrau stand
Ein Schurke mit dem Schwert, bereit, die Frau zu töten!
Laut schrie der Ritter auf, trotz seinen eignen Nöten.
„Wer bist du, schlimmer Schurke? Wer zwingt dich dazu,
Die Jungfrau zu ermorden? Lass die Frau in Ruh!
Erschlägst du sie, dein Leben wär sogleich verloren,
Dir und den Deinen wär der Galgen zugeschworen!“
Der Mörder eilte weg, von Hartmuts Zorn bedroht,
Fast Hartmut selbst erlitt von Wates Hand den Tod,
Doch voll der treuen Liebe, suchte er dem Bösen
Sie zu entreißen, von dem Tod sie zu erlösen.
Erneut kam Wate gegen Hartmut angestürmt,
Vor ihm war schon ein Berg von Toten aufgetürmt.
Da kam die junge Ortrun an, sie rang die Hände
Und bat, dass Gudruns Seele sich vom Zorne wende.
Sie rief: „Erbarmen! Hab Erbarmen, Königskind!
Du siehst, wie viel der Meinen schon gefallen sind.
Auch deinen Vater schlug man tot vor vielen Tagen,
So fühle mit: Man hat den meinen auch erschlagen!
Und siehe, reine Jungfrau, gleich kommt neue Not:
Mein Vater und die meisten Freunde liegen tot,
Nun Hartmut naht von Wate tödliches Verderben,
Ich wär ja Waise, sollt mir auch der Bruder sterben.
An eines denke, Jungfrau“, Ortrun sprach verzagt,
„Die alle hier, die haben nicht mit dir geklagt,
Nur ich litt mit dir mit, sonst keiner von den Meinen,
Ich musste oftmals wegen deiner Schmerzen weinen!“
„So warst du“, Gudrun sprach, „voll Gnade allezeit,
Wie aber könnte hemmen ich den Männerstreit?
Ich sorgte wohl, wenn ich als Ritter Waffen trüge,
Dass keiner den geliebten Bruder dir erschlüge.“
Allein in Tränen wusste Ortrun sich noch Rat,
Bis Jungfrau Gudrun herrlich an das Fenster trat.
Sie winkte mit der Hand: „Ist aus des Vaters Landen
Ein treuer Ritter hier in dem Gewühl vorhanden?“
Und König Herwig rief, der Ritter unverzagt:
„Wer ist die reine Jungfrau, die uns dies gefragt?“
Sie sagte: „Ich bin Gudrun, Hildes Blut entsprossen.
Einst war ich froh, doch hier ist all mein Glück
zerflossen.“
Er sagte: „Bist du Gudrun, hohe Herrin mein,
So will ich freudig allzeit dir zu Diensten sein!
Denn ich bin König Herwig, der dich einst erkoren,
Getrost, denn deine Not ist bald von mir beschworen.“
Sie sprach: „Willst du mir dienen, Ritter voller Mut,
So halte du mir bitte einen Wunsch zugut:
Mich bittet eine Frau in schwerem Herzeleide,
Dass Wate man im Kampf von König Hartmut scheide.“
„Den Wunsch, geliebte Frau, erfüll ich dir im Nu.“
Laut König Herwig rief dem alten Wate zu:
“O Wate, Ruh gewähre du des Krieges Dröhnen,
“O Wate, Ruh gewähre du des Krieges Dröhnen,
Wie eine reine Jungfrau bittet unter Tränen.“
„Ach lass mich!“ Wate rief es zornentbrannt,
„Denn folgt ich einer Frau, wo bliebe mein Verstand?
Es wäre mir zur Schmach, den Gegner hier zu schonen,
Nein, König Hartmut muss ich seine Sünde lohnen!“
NEUNTES LIED
In Ludwigs Burg war überall verströmt das Blut,
Das nahm den Freunden der Erschlagnen allen Mut.
Zu Gudrun Ortrun kam mit blasser Angstgebärde,
War voller Bangen, dass die Not noch größer werde.
Den Kopf geneigt sah man sie vor der Jungfrau stehn:
„O Herrin Gudrun, lass dir tief zu Herzen gehn
Mein tiefes Weh und Leiden! Lass mich nicht verderben!
Versagst du mir die Gnade, muss ich heute sterben!“
„Ich rette gern dich, steht es nur in meiner Hand,
Da ich dich immer aller Ehren würdig fand.
Sei mit dir Friede! Leid soll dir nicht widerfahren,
Bleib mir zur Seite, du mit deinen Frauenscharen.“
Herbeigelaufen kam die Teufelin Gerlind
Und warf sich nieder auf das Knie vor Hildes Kind:
„Nun rett mich, Königin, vor deinen wilden Mannen!
Kein anderer als du kann mein Verderben bannen.“
Die Jungfrau Gudrun sprach: „Nun hör ich laut dich flehn,
Ich soll dir gnädig sein. Wie könnte das geschehn?
Du warst mir gnädig nie, ich will es nur erwähnen.
Nein, den gerechten Zorn löschst du durch keine Tränen.“
Inzwischen Wate sah der bangen Frauen Schar.
Mit Blitzen in den Augen, Blut in Bart und Haar,
Mit Zähneknirschen tat der Mann sich ihnen nahen,
Die zitterten, die Wate so voll Zornes sahen.
Er war mit Blut besudelt, blutig war sein Kleid,
Zwar Gudrun freute sich, sie fühlte dennoch Leid,
Dass er so wilden Wütens kam herausgegangen,
Dass keine Frau mit liebem Gruße ihn empfangen.
Nur Herrin Gudrun trat dem alten Krieger nah.
Die reine Jungfrau sprach in Furcht und Schmerzen da:
„Sei mir willkommen, Mann! Wie labend deine Nähe,
Wenn nicht so vielen Menschen Leid durch dich geschehe!“
„Ich dank dir, reine Jungfrau! Du bist Hildes Kind?
Sag, wer die Frauen da an deiner Seite sind.“
Da sprach die junge Herrin: „Ortrun heißt die Gute,
Den Frauen allen ist so bang vor dir zumute!
Und jene sind die Frauen, die einst Ludwigs Heer
Mit mir aus Vaters Land geschleppt durchs wüste Meer.
Du bist so rot vom Blut, drum bleib uns bitte ferne,
Dienst du mir später, dann empfange ich das gerne.“
Nun einem Widersacher jagte Wate nach,
Er schaute dann in jedes Zimmer und Gemach,
Ob er die böse Teufelin Gerlinde finde.
„Sie hält sich auf bei Gudrun mit dem Hausgesinde.“
Im Zorne kehrte Wate wieder in den Saal:
„O Jungfrau Gudrun, gib heraus mir allzumal
Gerlinde und die Fraun, die dich zum Waschen zwangen,
Und die, die mordend einst in unsre Lande drangen.“
„Von denen ist hier niemand“, sprach sie sanftgemut.
Doch trat der Krieger näher, heiß entflammt sein Blut:
“Willst du mir nicht sofort die rechten Feinde weisen,
“Willst du mir nicht sofort die rechten Feinde weisen,
So schlag ich alle nieder hier mit meinem Eisen.“
Sie zitterten, die Wate wild und wütend sahn,
Da zeigte eine Magd die wilde Wölfin an,
So kannte er die schlimmste aller Teufelinnen:
“Ha, Frau Gerlinde, willst du jetzt noch Wäscherinnen?“
“Ha, Frau Gerlinde, willst du jetzt noch Wäscherinnen?“
Er packte sie am Arm und zog sie mit sich fort,
Ich glaube, Frau Gerlinde bangte vor dem Mord.
„Ha, Fürstin“, sagte Wate, wütend grimm und grimmer,
„Ich glaube, Gudrun wäscht nun deine Wäsche nimmer.“
Die Frauen schrieen auf in ihrer Seelenqual.
Und Wate kam erneut: „Sind andre noch im Saal
Von der Familie? Die sollt ihr mir alle zeigen,
Sie sollen allesamt das Haupt noch vor mir neigen.“
Da sagte unter Tränen Hildes schönes Kind:
„Verschone alle, die um mich versammelt sind!
Denn im Vertraun auf Huld sind sie zu mir gekommen.
Verschone Ortrud mit den Frauen hier, den frommen.“
Nun ruhten von dem Krieg die Ritter allzumal.
Da kam der König Herwig in den großen Saal
Mit seinen Kriegsgenossen blutbefleckt gegangen,
Von Gudrun wurde er mit Minne-Huld empfangen.
Wie schnell das Schwert er sich von seiner Hüfte band,
Und Schild und Schwert warf er hinweg mit rascher Hand.
Befleckt vom Blute stand er vor den schönen Frauen,
Oft hatte er für sie sich freie Bahn gehauen.
Auch Ortwin kam, der junge Königssohn heran,
Dazu die andern Ritter nahten Mann für Mann,
Sie hoben das Visier, die Jungfraun zu begrüßen,
Das konnt den Jungfraun alles schwere Leid versüßen.
Die Fürsten hielten nun mit ihren Rittern Rat,
Da Ludwigs Burg gefallen war durch Waffentat,
Und mit der stolzen Burg war alles Land bezwungen.
Rief Wate: „Übergebt die Burg den Flammenzungen!“
Da sprach der weise Däne Frute: „Das lasst sein!
Die Burg soll unsrer Herrin Gudrun Wohnung sein!
Sie bietet unsern Rittern Schutz und Schirm im Lande.
Doch tragt die Totenleiber weg vom Mauerrande.“
Man folgte Frutes Rat, der Mann war wirklich klug.
Ach, wie viel tote Ritter man von hinnen trug!
Die Todeswunden klafften weit, die blutig-roten,
In Gottes See begraben wurden alle Toten.