Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

PUSCHKINS GABRIELIADE



Übersetzt und nachgedichtet von Josef Maria Mayer



Fürwahr, fürwahr, ein junges Judenweib,
Sie ist das Heil für Seele mir und Leib,
Komm zu mir, lieber Engel, allerwegen,
Und akzeptiere meines Friedens Segen.
Ich will der Erde Schönheit retten so!
O Lippen kusslich, Lippen lächelnd froh,
Der Himmelskönig, Heiland Jesus Christ
Zur frommen Harfe frommer Sänger ist.
In Demut Saitenspiele können wieder
Mich faszinieren und die Kirchenlieder,
Kommt Heilig Geist herab aufs Jungfraunherz,
Der dachte königlich vom reinen Herz.
O sechzehn Jahre junge Unschuld, Demut,
Die Augenbrauen dunkel, voller Wehmut,
Zwei unberührte Hügel unter Seide,
Mach Liebe mit der Zähne Perlgeschmeide!
Ach warum, Jüdin, die mich lächelnd tötet,
Ach warum bist du im Gesicht errötet?
Nein, du hast recht, mein Liebling, mich zu täuschen.
Ich sing nicht dir, - Maria nur, der keuschen!
In fernen Wüsten von Jerusalem,
(Das Ausland ist mir Wonne angenehm,
Wo Bürokraten gelten als Dämonen)
Herrscht Schönheit unsichtbar in heißen Zonen,
Die ruhig lebt, nicht in der Launen Bann.
Ihr Gatte ist ein ehrenwerter Mann,
Ein alter Mann, ein armer Zimmermann,
Der einzig sah die Göttin Luna an.
Und Tag und Nacht war er sehr viel beschäftigt,
Dazu er hat die Gläubigen bekräftigt,
Dann schlug er mit der Axt, er sah nicht viel
Auf seiner Gattin reizvoll Linienspiel,
Auf das Geheimnis des Errötens, sehr
Bewahrte sie der Jungfrau keusche Ehr
Und ließ des Lilienstängels Blüte sprießen.
Der faule Ehemann, sie zu begießen
Zu faul, am Morgen ward sie nicht bewässert,
Der Vater hat sein Kindchen nicht gebessert,
So lebte mit der Jüdin Unschuld er
Und fütterte das Kind und tat nicht mehr.
Des Himmels Herr ihr seine Gnade zeigte
Und der Allmächtige die Augen neigte
Vor ihrer schmalen Taille, ihrem Schoß -
Die göttliche Begeisterung war groß,
Der Herrin Weisheit ist der Herr begegnet,
Der diesen schönen Weinberg reich gesegnet,
Den Weinberg einsam, reich mit Licht beladen,
Gesegnet mit geheimnisvollen Gnaden.
Das Feld umfasste schon die stille Nacht,
Maria war schon eingeschlafen. Sacht
Das junge Mädchen hatte einen Traum:
Es tat sich auf der hohe Himmelsraum,
In Glanz und Herrlichkeit wie junge Morgen,
Die dunklen Engel voll von schweren Sorgen,
Die Seraphim in ihren weißen Kutten,
Zu Saitenspielen singen nackte Putten,
Erzengel sitzen auf den stillen Hügeln
Mit ihren Köpfen auf türkisnen Flügeln.
Und über Wolken auf dem Thron der Herr!
Und siehe, plötzlich hell empört war Er!
Und alle fielen nieder in dem Traum.
Die Harfe klang. Maria atmet kaum,
Sie zittert, hört die Stimme Gottes: Werde
Gesegnet, Schönheitstochter du der Erde,
Schau an das Feuer meiner Ewigkeit
Und kommuniziere meine Herrlichkeit!
Bereit zu deinem Schicksal sei! Es tagt!
Der Bräutigam, er kommt zu seiner Magd!
In Wolken nun gehüllt der Gottesthron,
Wie Rosen duftend lieblich die Legion,
Sie hört den Harfenklang an allen Enden.
Sie tat das Mündchen auf, mit frommen Händen,
Maria ward die himmlische Vision.
Was ist so spannend und verlockt sie schon
Mit aufmerksamer Mandelaugen Enge?
Wer war das dort in schöner Knaben Menge,
Wer war der Jüngling dort voll Herrlichkeit?
Mit Flügelhelm, in reichem Luxus-Kleid,
Die Augen schmachtend, himmelblau und scheu.
Maria schweigt. Der Himmel schweigt aufs neu.
Er ist so süß! Er ist so strahlend hell!
Wer war der stolze Jüngling? Gabriel!
Das Kind nicht achtet Strafen oder Wunden,
Auf Leinwand er als Schatten war verschwunden,
Geboren in Laterna Magica.
Im Morgenlicht erwacht die Schönheit da,
Lag faul im Bette in Bequemlichkeit.
Der schöne Traum von Engelsherrlichkeit
Kam ihr nicht aus dem Sinn, Sankt Gabriel.
O König du des Himmels, denkt sie schnell,
Des Königs Worte haben ihr gefallen,
Verehrung hört sie noch im Innern schallen.
Sankt Gabriel erschien ihr groß zu sein.
Der Ehemann ist manchmal allgemein,
Doch manchmal auch verführt der Adjutant.
Der Ignorant stimmt zu und der Pedant,
So ists des Schicksals schaffender Beruf.
(Hier, Freund, ists not, dass ich die Muse ruf!)
In jenen Tagen, da das Aug voll Glut,
Begeisterung wir spürten in dem Blut,
Als heiße Sehnsuchtswünsche uns verführten,
Die Seele als Beschwernis wir verspürten,
Wir nur gepresst, gequält, die Seele weiden
An Qualgedanken und an Liebesleiden -
In Scharen jugendlicher Mädchensünden
Den Einen Busen suchen wir und finden,
Die Stimme ists geheimer Leidenschaft,
Begeisterung, die Worte voller Kraft,
Wenn wir die Seele auf dem Flug belauscht,
Im himmlischen Moment beschwingt, berauscht,
Und Liebeslüste auf dem Sofa, Stöhnen,
Verschämt zuneigen sich die jungen Schönen,
Zu leben wir vergessen und zu leiden
Und wollen uns an nichts auf Erden weiden -
Erinnerung an jüngere Gestalten,
Mein Freund, die Jugend soll uns unterhalten.
Und du, o Herr, warst liebend wie ein Kind,
Verbranntest uns, oh Gott, so wie wir sind!
Der Schöpfer vor der ganzen Schöpfung steht,
Gelangweilt nur vom himmlischen Gebet,
Er komponierte Lieder seiner Liebe
Und sang: Ich liebe dich, Marie, ich liebe!
Ich lieb Marie in Liebesewigkeit,
Lieb in den Nächten der Unsterblichkeit!
Flieg zu Marie, zum Minne-Abenteuer,
Und drück der Schönheit Brüste voller Feuer!
Und stets so fort und fort. Er sprach noch viel.
Der Schöpfer liebt des Ostens bunten Stil.
Dann drängte Gabriel, im Kleide rosa,
Der seine Liebe auch erklärt, in Prosa.
Wir sprechen mit Ecclesia verborgen,
Sankt Lukas falsch schrieb von dem Weltenmorgen,
Die Kirche von Armenien weiß es nur,
Dass Gott zum Engel sich erwählt Merkur,
Erzengel wurde er und Gottesbote,
Voll Geist und stets gekleidet nach der Mode.
Am Abend zu Maria ward geschickt
Erzengel Gabriel, der hochbeglückt,
War glücklich über Gottes Botschaft, heiter,
Schriebs ins Notizbuch auf der Himmelsleiter,
War stolz, dass er gesandt zum Weltenmorgen.
Des Sohnes Herrlichkeit war noch verborgen,
Doch Gabriel half gerne Gott dem Herrn,
Er hatte doch den Alten herzlich gern.
Jedoch der Hurenbock voll Perfidie,
Die alte Schlange Satanas schläft nie!
Der Drache taumelte im Lichtglanz hin,
Gott habe eine Judenfrau im Sinn,
Ein schönes Weib, die sollte, rot ihr Mund,
Die Menschheit retten vor dem Höllenschlund,
Verdammen Satanas in große Schmach!
Gott der Allmächtige im Himmel sprach,
Sein Wort war unerschöpflich, unermesslich,
Doch was die Welt betrifft – Gott ist vergesslich.
Und alles kam, wie's kommen musste. Doch
Warum Maria nur und noch und noch
Maria? Und wo war sie nun, die Schlanke,
Die Josefsbraut? Voll Wehmut ihr Gedanke,
In Unschuld ihre Zeit sie still vertreibt.
Was bleibt? Der schöne Traum der Seele bleibt.
Sie träumt vom netten Engel wonneschaurig
Und ihr Gemüt ward von den Träumen traurig.
Im Eichenschatten plaudert kühl der Bach
Und meine wunderschöne Herrin, ach,
Freut sich nicht an der Blumendüfte Schaudern,
Noch an des transparenten Wassers Plaudern.
Und plötzlich sieht sie eine große Schlange,
Die Schuppen lüstern und der Schwanz sehr lange,
In Zweigen über ihr sich wiegend weich,
Sprach: Favoritin du im Himmelreich!
Entlaufe nicht! Ich bin von dir gefangen!
Ists möglich? Wunder über Wunder sprangen
Herauf. Was sprach Maria? Ohne Zweifel,
Die Schlange in dem Baume war der Teufel!
O schöne Schlange bunt! Die Blicke saugen,
Ein heißes Feuer lodert in den Augen.
Maria er begehrte diese Stunde,
Zu ihrer Muße sprach er mit dem Munde,
Des jungen Herzens Nichtstun zu versüßen,
Gefährlich Satanas begann zu grüßen.
Wer bist du, Schlange? Schmeichelei soll taugen
Der Schönheit und dem Glänzen in den Augen?
Ich find heraus, wie Eva es gelungen,
Die Frucht zu pflücken mit den Schlangenzungen
Und all die Neigung zu den Sünden. Schau,
Das tötete die unerfahrne Frau
Und Adam und das menschliche Geschlecht,
Im Abgrund sind versunken wir, sind schlecht.
Soll ich mich schämen nicht, von Evas Orden? -
Die Priester alle sind betrogen worden.
Ich habe Eva nicht in Schuld gebettet,
Vielmehr ich habe Evalein gerettet! -
Bei Jesus Christ! Gerettet denn vor wem? -
Vor Gott! - Der Gegner ist doch angenehm! -
„Er war verliebt in Evalein. - Schau, schau! -
„Er brannte lodernd für die erste Frau. -
„Sei still, du Schlange! - Voller Leidenschaft,
Gefährlich wurde ihr des Vaters Kraft. -
„Du lügst, du alte Schlange! - Nein, ich schwöre. -
„So ist nicht Gott der Vater! - Aber höre... -
Maria dachte da, die Jungfrau rein:
Es ist nicht gut, im Hain allein zu sein.
Man hört die lästerliche Schlangensaat an.
Glaubt heute irgend jemand noch an Satan?
Des Himmels Herr, von mir ist sehr betört er
Und Adonai ist gut und nie zerstört er
Sein Mägdlein. Wegen was? Tat ich denn schlafen?
Der Allerhöchste wird mich schon nicht strafen.
Der Drache ist bescheiden, leuchtet rot.
Was ist denn Schuld und Bosheit? Leere, Kot!
So neige ich mein Ohr dem Schlangentriebe,
Vergesse Gabriel, vergess die Liebe.
Der böse Dämon stolz war jedenfalls,
Er schlenkerte den Schwanz, er bog den Hals,
Er lässt sich nieder, er fällt vor ihr nieder,
Es beben ihr die Brüste in dem Mieder.
Er sprach: In dem mosaischen Gedichte
Nicht richtig dargestellt ist die Geschichte.
Er schrieb nur für der Juden Phantasie,
Er log für sie, den Lügen lauschten sie.
Gott gab den Stil und gab den Geist der Geister
Und Moses ward ein weltberühmter Meister,
Doch das Gericht ihm sprechen Theologen,
Sie sagen, der Prophet hat doch gelogen!
Dir sollte eine andre Schönheit taugen.
Berückend ist der Glanz in deinen Augen.
Maria, dich geboren haben Sünder
Zum höchsten Staunen aller Adamskinder,
Du knechte sie mit deiner Lieblichkeit,
Dein Lächeln spende ihnen Seligkeit,
Du sprichst, in Wahnsinn werden sie getrieben,
Wenn du aus einer Laune willst nicht lieben.
Was machst du, Evalein in deiner Jugend?
Intelligent und süß in deiner Tugend,
Doch ohne Liebe in Verzweiflung blühend,
Der Mann, das Mädchen, Aug in Auge glühend
In stiller Unschuld ersten Weltzeitalters.
Ich künde zu dem Saitenspiel des Psalters
Der beiden monotone Langeweile.
Der Bäume Schatten waren nicht zum Heile,
Die frische Jugend und die süße Muße,
Das liebten sie nicht sehr mit frohem Gruße,
Nur immer Hand in Hand spazieren gehen
Und täglich sich bei Trank und Speise sehen,
Am Tage gähnen, gähnen in der Nacht,
Kein Liebesspiel noch Lust an Lebenspracht...
Der ungerechte himmlische Tyrann,
Gott Israels, ward eifersüchtig dann.
Er war verliebt in Adams Ehegattin.
Sie hielt sich selbst für eine Himmelsgöttin...
O welche Ehre, welche Wonne dies!
Im Himmelreich zu leben im Verließ,
Zu seinen Füßen nur Gebet zu raunen,
Vor seiner Herrlichkeit des Himmels staunen,
Kaum wagt man, anzuschaun die andre Sorte,
Mit Engeln wechselnd nur noch heimlich Worte.
Und was kommt dann? Nur Langeweile, Qual.
Der Diakon besingt sie in dem Saal,
Die alten Weiber flehn sie ums Gebet an,
Zur Muse wählt sie der Poet-Prophet dann...
Beneidenswertes Schicksal! Welch ein Spaß!
Leid tat mir Eva, die im Garten saß,
Und ich beschloss, der Schöpfer alles Bösen,
Von Gott die schöne Eva zu erlösen
Und zu zerstören junger Mädchen Traum.
Und was geschah da unter jenem Baum?
Zwei Äpfel hingen an dem schlanken Baum
(Symbol der Liebe, oft geschaut im Traum),
Sie will dem vagen Traum nicht länger wehren
Und äußert ihre Wünsche, ihr Begehren,
Die Schönheit offenbarte sie dem Blick,
Des Herzens Nervenkitzel, Sinnenglück,
Die junge Frau war nackt! O Leidenschaft!
Ich sah sie nackt! Lust, meine Wissenschaft,
Ich sah den guten Anfang aller Lust,
Ich lag im Garten an der nackten Brust,
Ihr Auge irrte, und ihr Händchen nahm...
Und zwischen ihren Beinen eng die Scham!
Begeistert Adam sah das Abenteuer
Und seine Seele war voll heißem Feuer,
Er fragte nach der Quelle dieser Lust
Und er verlor die Seele unbewusst.
Und ohne Furcht vor Gottes Zornesglut
Lag Eva ausgestreckt, das junge Blut,
Die Lippe kaum bewegend mit Genuss,
Gibt Adam Antwort ihr mit einem Kuss,
In Liebestränen lag sie mit dem Gatten
Mit lüsternem Gefühl im Palmenschatten.
Die Liebenden die junge Erde deckte.
Die Ehepartnerin den Partner neckte,
Er streichelt sie vom Morgen bis zur Nacht,
Nachts schloss er nicht die Augen vor der Pracht,
Sie lagen lange in intimer Zweiheit
Und tief genossen sie die neue Freiheit!
Gott wollte unterbrechen ihre Wonne,
Vertrieb sie aus des Paradieses Sonne,
Vertrieb sie aus dem schönen Edengarten,
Wo sie fast ewig lebten, diese Zarten,
Und ihre Zeit vertrieben, Lust ihr Wille,
Im Arm der Muße und der tiefen Stille.
Doch sie entdeckten das Geheimnis, das
Ich Liebeswollust nenne, Lebensspaß,
Das Recht des menschlichen verliebten Blicks
Und Lustgefühle, Tränen gar des Glücks,
Und Küsse und verliebte Koseworte
Und Liebesspiele auserlesner Sorte.
Nun sag mir, soll ich ein Verräter sein?
War Adam mit mir unzufrieden? Nein.
Ich weiß jedoch, was ich und dieser Knabe
In meinem Sündenfall verlassen habe.
So sprach der Dämon. Und Maria still
Vernahm es, dachte: Was das heißen will?
Ist das vielleicht der Weisheit Heiligtum?
Die Ehre macht nicht glücklich noch der Ruhm,
Auch glücklich kann nicht machen Geld und Gold.
Ich liebe... Ach, ich bin der Liebe hold,
Doch wie, warum und was ist wahre Liebe?
Nun hatte schon der Jungfrau Seelentriebe
Der Teufel eingefangen ohne Zweifel.
Wie die Geschichte schilderte der Teufel,
Die Tat, der Grund, und kühner Stil der Bilder
(Wir jagen ja nach Bildern immer wilder).
Gedanken machten plötzlich sie benommen,
Und jäh, als ob die Schlange jetzt gekommen -
Nun sah sie einen Jüngling, einen süßen,
Der leidenschaftlich kniet zu ihren Füßen,
Er spricht kein Wort, doch ihre Augen leuchten,
Ein Glänzen in den Augen, in den feuchten,
Und eloquent fleht er um Gunst sie an,
Sie legte eine Blüte hin und dann
Der weiche leichte Stoff der Seide knistert
Und etwas schleicht und etwas leise flüstert
Und Finger schlüpfen unter ihren Rock
Und plötzlich ward die Schlange gar zum Stock
Und das Geheimnis sich ereignet munter...
Ach, für Maria war das wie ein Wunder,
So neu und überraschend, dieses Flöten...
Wie schamhaft doch der jungen Frau Erröten
Auf ihren jugendlichen Backen spielt -
Und träge Hitze seufzend ward gefühlt
Und plötzlich beben heiß Marias Brüste -
Und Stille nun – und nach dem Spiel der Lüste
Sie atmet kaum und nach den Lustekstasen
Schreit Ah der Jüngling und sinkt auf den Rasen.
O Freundin, der ich dir gewidmet habe
Den ersten Traum, die erste Hoffnungsgabe,
O Schönheit, die ich fand im Kreis der Jungen,
Verzeih mir bitte die Erinnerungen,
Die Sünden und die Späße meiner Jugend.
Sitzt abends du mit der Familie, Tugend,
Als Mutter bist du mürrisch dann und streng,
Die heimlich ich gequält, die ich bedräng,
Erleuchtet deiner Schönheit Unschuld fand.
Gehorsam lehrt ich deine schlanke Hand,
Zu winken Abschied, trauervolle Wunden,
Und lehrte dich begeisternd stille Stunden
Der Mädchenjugend, nicht vom Schlaf befangen.
Doch deine Jugend, ach, ist fortgegangen,
Von deinen Lippen schwand des Lächelns Güte
Und all dein Reiz ist nun verwelkte Blüte.
Verzeihst du mir, o Frau, dass du geweint?
Der Sündenvater war, Marias Feind
War da mit allen seinen Sünden gräulich.
Ist auszuschweifen dir denn so erfreulich?
Du liebtest das Verbrechen, sahst die Schau,
Wie Gott der Höchste aufgeklärt die Frau,
Du sahst der kühnen Unschuld Heiligtum,
Sei stolz auf deinen blutbefleckten Ruhm!
Nun alles nachzuholen, Zeit ist da,
Nun ist sie nah, die Stunde ist nun nah!
Die Tage werden bleich mit einem Mal,
Verblasst des Sonnenunterganges Strahl.
Ist alles ruhig. Plötzlich, schnell im Lauf,
Obwohl er müd ist, steigt der Engel auf,
Der Minne Bote, lichter Himmelssohn.
Beim Schauen dieser englischen Vision
Die Schönheit schließt das Augenpaar verzagt.
Der Engel wird vom Dämon nun geplagt.
Der Dämon sagte: Geist der höchsten Klassen,
Wer rief dich? Warum wolltest du verlassen
Das Weltgericht, das Reich der Himmelssonne?
Was störst du unsre heimlich traute Wonne,
Vier Arten der Empfindsamkeit so züchtig?
Doch Gabriel, er schaute eifersüchtig,
Voll Fragen, voller Mut und voll Humor:
Du Feind der Himmelsschönheit, böser Tor,
Du Playboy, dem der Höllenpfuhl gebührt,
Du hast die Schönste aller Fraun verführt,
Jetzt frag ich dich, beschwöre dich beim Ave!
Jetzt tu es, revolutionärer Sklave,
Ich lasse zittern dich vor meinem Licht! -
Der Dämon sprach: Ich bang nicht vorm Gericht,
Du des Erhabnen Diener voller Feuer,
Des Herrn Zuhälter du, des Königs Freier! -
Und den verdammten Feind, wie Flüsse reißend,
Stirnrunzelnd und die schönen Lippen beißend,
Der Engel schlug dem Dämon ins Gesicht.
Ein Schrei, da schwankte Gabriel voll Licht,
Das Knie gebeugt, doch mit des Kampfes Kunst
Er plötzlich sich erhob in heißer Brunst
Und Satan traf er, was dem Dämon reichte.
Genug des Streits. Er keuchte, er erbleichte
Und flatternd er mit seinen Flügeln fliegt.
Der Engel nicht, der Feind ist nicht besiegt.
Sie wirbelten entlang der Wiese hart,
Dem Bösen auf den Busen fällt der Bart,
Mit Füßen kämpfen sie, der Arme Kraft,
Gewalt und listenreicher Wissenschaft,
Und einer will dem andern imponieren
Der eine will den andern inspirieren.
Vielleicht erinnert ihr euch an das Feld,
O Freunde, wo wir in der Frühlingswelt
Verlassen unsre Schule, Nasen blutig,
Und in der Wildnis spielten, kämpften mutig.
Des Kampfes müde waren beide Meister,
Doch kämpften weiter noch die beiden Geister,
Der Gegenkönig suchte allen Streichen
Des wahren Himmelskönigs auszuweichen,
Den Kampf beenden wollte nun der Schelm,
So schlug er an des Engels Flügelhelm,
Griff dann des Engels Glied, das aufrecht stand,
Dann warf er ihn zu Boden mit der Hand.
Maria steht vor ihm, die Augen blau.
Der Engel sieht die junge schöne Frau,
Die für den Engel in der Stille zittert.
Der Dämon aber schmerzlich und erbittert
Der Hölle freut sich, laut zu brüllen, schnell,
Doch der agile Engel Gabriel
Starrt aufs fatale Glied in diesem Krieg
(Wie exzessiv zu jedes Kampfes Sieg),
Sein stolzes Glied dem Teufel widerstand
Er überwand ihn mit der rechten Hand.
Der Dämon nieder fiel, er bat um Gnade
Und in die Hölle fand er kaum die Pfade.
Am Ende dieser Schlacht, die Angst war groß,
Die junge Schönheit starrte atemlos.
Sie schaute seines Sieges Herrlichkeit,
Der Engel fragte sie voll Freundlichkeit,
Da Liebesglut ihr Antlitz übergossen,
Da ihre Seele Zärtlichkeit genossen.
Wie schön die Jüdin war durch Gottes Segen!
Der Bote wurde rot und ward verlegen,
Dann sprach er Gottes Worte unversteckt:
Heil, liebe Frau Maria, unbefleckt!
Gebenedeit die Frucht, die dir entquölle,
Er wird die Menschheit retten vor der Hölle!
Doch ich gestehe meiner Herrin schon:
Ist glücklicher der Vater als der Sohn! -
Und auf die Knie gesunken in dem Land,
Sehr zärtlich er berührte ihre Hand.
Er schlug die Augen nieder, seufzte wie
Ein Hauch, und dann der Engel küsste sie.
Verlegen ward sie rot und sagte nichts,
Da er berührt die Brüste voll des Lichts...
Rühr mich nicht an, Maria flüsterte,
Als nun der Liebesengel lüsterte
Und ward im selben Augenblicke sacht
Mit Küssen zum Verstummen gleich gebracht,
Die Unschuld leise schrie und schmachtend stöhnte...
Was soll ich tun, so sprach die Gottverschönte,
Was soll ich tun? Wird Gott nicht eifersüchtig? -
O klage nicht, o Schönheit rein und züchtig,
Nicht über Frauen klage, die Vertrauten
Der Liebe, die noch stets die Wege schauten,
Wie man betrügen kann den Ehemann,
Du weißt, ich meine deinen Zimmermann,
Wie Frauen wissen mit dem Geist von Kennern,
Wie man entgehen kann den Ehemännern,
Der süßen Sünde zu mit raschem Trab. -
Die Unschuld warf den keuschen Schleier ab...
Die Mutter lehrt die Tochter voller Wehmut
Die Lektion der Niedrigkeit, der Demut
Und wie man spielt mit vorgespielten Schmerzen
Und kokettiert mit Schüchternheit von Herzen,
Und so spielt sie die Rolle in der Nacht.
Am Morgen, wenn sie sich zurecht gemacht,
Will sie spazieren gehen ihren Gang.
Die alte Mutter flüstert: Gott sei Dank!
Der Mann ist aufgeregt, nervös und schwitzend,
Die Alte still bedacht am Fenster sitzend.
Der Engel mit der Freudenbotschaft Glück
Durch alle Himmelssphären fliegt zurück.
Der Engel trifft den Herrn am Horizonte:
Was ist geschehn? - Ich tat, was ich nur konnte,
Ich tat sie auf! - Na und? - Sie ist bereit! -
Des Himmels Herr in seiner Schweigsamkeit
Im Throne hob die weißen Brauen sehr.
Und wie die alten Götter bei Homer,
Die Götter flohen, wenn der Gott gebot,
Ihr Gottessöhne vor dem Vater floht,
Doch Hellas' Glaube wurde immer leiser,
Zeus ist nicht mehr, die Menschen wurden weiser!
Heiß von lebendiger Erinnerung
Maria sitzt in einem Winkel jung
Und von der Lust zerknittert war das Laken.
Die Lust schlug in die Seele ihren Haken,
Ihr wurden Lust und Wonne immer lieber,
Die Brust war voll von Wehmut und von Fieber.
Sie rief den Engel leis mit Herzenspochen,
Denn ihrer Liebe Lust war heiß zum Kochen,
Da das Geschenk der Nacht sie heimlich stillte,
Des Bettes Decke ihren Arm enthüllte,
Zufrieden mit den langen Wimpern fächelnd
Und voller Spannung auf die Zukunft lächelnd,
Sie gern in hübscher Nacktheit splitternackt
Bewundert ihres schönen Körpers Akt.
Doch in der Zwischenzeit in sanftem Traum
Sie leidet, schön und matt, in ihrem Raum,
Trinkt etwas Wasser heiter aus dem Glas.
Ja, lache nur, du böser Satanas!
Mit weißen Flügeln plötzlich fliegt kokett
Ins offne Fenster eine Taube nett,
Sie flattert, dreht sich voller Sympathie
Und flötet eine süße Melodie,
Und plötzlich fliegt sie zu der Jungfrau, guckt
Und schüttelt sich, pickt mit dem Schnabel, ruckt,
Versucht, mit ihrem Schnabel sich zu picken
Und grüßt die Jungfrau mit bescheidnem Nicken.
Sie mag es. Unsre Herrin unaufhaltsam
Die Taube Gottes findet unterhaltsam.
Geschlossen ihre Knie die Jüdin rief,
Sie seufzte leis, begann zu beten tief,
Die Taube feierte Triumph und girrend
In Liebeshitze flatternd und beirrend
Sie schwebte auf der Jungfrau Busenhügeln
Und deckte ihre Blüte mit den Flügeln.
Der Geist entflog. Und Unsre Frau, die weiche,
Maria dachte: Das sind aber Streiche!
Erst eins – dann zwei – dann drei – sind durchgeglitten,
Ich hab im Jungfraunherzen Angst gelitten,
Ich hab an Einem Tage ohne Spott
Geliebt den Feind, den Engel und den Gott! -
Der Vater, der die Taube ja gesandt,
Er hat den Sohn der Jungfrau anerkannt.
Der Engel Gabriel (beneidenswert)
Verriet nicht, was er Gottes Magd beschert.
Und Josef ward getröstet zweifellos,
Er hielt sie weiterhin für makellos,
Den Christus liebt er wie den eignen Sohn,
Der Herr dem Josef gab den Pflegesohn.
So war es. Ist nun fertig die Geschichte?
Zur alten Leier schrieb ich die Gedichte,
Ich sang für Gabriel und hab gebidmet
Und hab der Demut Saitenspiel gewidmet
Und jauchzte einen mystischen Gesang.
Gott höre mein Gebet, ich bin sehr bang,
Doch Jesus ist nicht böse auf den Ketzer,
Ich war der jungen Liebe wilder Hetzer,
Der jugendlichen Göttinnen Verehrer,
Ein Dämon, ein Verräter und ein Lehrer,
Ich ging verräterisch auf Liebeswegen
Und tiefe Reue ist von Gott mein Segen!
Ich hab gesehn die reizende Helene,
Süß wie Madonna, dass ich nun mich sehne!
Bewohne immer meiner Seele Eden,
Füg deinen Liebreiz-Charme zu meinen Reden,
Sag bitte dein Geheimnis meiner Brust,
In deinem Kopf entzünde Liebeslust,
Doch bitte, bete nicht zu Satans Braut!
Die Tage schwinden, schon mein Bart ergraut
Und dünner wird das Haar, wird langsam grau.
O Ehebund mit Unsrer Lieben Frau,
Nun uns vereint der heilige Altar!
O Josefs reines Laken wunderbar!
O Josef, der Gazelle keuscher Hüter,
O segne meine Seele, meine Güter,
O Josef, habe du mit mir Geduld,
Ich bitte dich, erweis mir deine Huld,
Gewähre die Erholung mir im Schlaf,
Der Freundin Freundschaft, die ich heute traf,
Und unserer Familie Seelenfrieden
Und Liebe jedem Menschenkind hienieden.