Nachgedichtet von Josef Maria Mayer
1
Dies ists, was wir beginnen wollen mit Zeus unserm Vater,
Der Arete gehörts,
was ich hier wärm wieder auf.
Aber nun, ihr Musen, überlass ich’s den Musen,
Einen Knaben ich
lieb, keusch lieb ich, zärtlich das Kind.
Liebevoll bin ich, nichts weniger will ich als ruhn mit dem
Knaben,
Da ist etwas, mein
Herz, was dich sehr interessiert.
2
Nicht in dieser Sammlung von Liebesliedern such König
Priamos, falle auch
nicht nieder vor Gottes Altar,
Weder Medea findest du hier, ihre magische Trauer,
Auch nicht Niobes
Stein, Itys auch findest du nicht,
Selbst Philomele nicht, die Nachtigall unter den Rosen,
Alles dieses ward
lange von Dichtern bereits
In den Mythen besungen auf vielen beschriebenen Saiten.
Ich lieb den
Gesang, liebe der Grazien Gunst,
Liebe Dionysos! Allzu leichtfertig ist meine Stimme
Für den ernsten
Gesang, Weisheit zu lehren im Lied.
3
(...)
4
Ja, ich mag sie, bis sie zwölf sind, da sind sie noch
lieblich,
Doch im dreizehnten
Jahr hat was Gewisses das Kind.
Zweimal im September, da blüht verfeinert die Liebe,
Und im fünfzehnten
Jahr auch ist der Knabe charmant.
Siebzehn? Nichts für mich! Bewahre ihn Zeus unser Vater!
Zeus war ja selber
verliebt, Ganymed liebte der Herr.
5
Ach, ich liebe Knaben, ist die Hautfarbe blässlich,
Die mit dem braunen
Haar, wie ich die Knaben genieß,
Die mit dem blonden Haar, wie Honig, wie ich sie liebe,
Blaue Augen, noch
mehr ziehen mich bräunliche an.
6
(...)
7
Ach, bei einem Weibchen gibt es schreckliche Qualen,
Sie umgibt dich,
doch gibt nie dir das Weib einen Kuss,
Nicht hat sie den einfachen Duft der Haut wie ein Knabe,
Auch nicht die
Sinnlichkeit, honigseimsüßes Geschwätz,
Nicht die naiven Augen! Wenn das Weibchen gewarnt ist,
Wenn umworben, so
wird gleich sie zu frostigem Eis!
8
Ich sah einen Knaben, der wob die schönsten Girlanden,
Als ich ihn sah,
auf dem Markt wollt er verkaufen das Ding.
Aber ich war erstaunt. Ich sagte leise zum Knaben:
Wie viel willst du
denn für deinen blühenden Kranz?
Einer seiner Sträuße hatte viel rötliche Blüten.
Er aber sagte: Geh,
weil sonst mein Vater dich sieht!
Nun, ich kaufte einen seiner blühenden Kränze.
Wieder zu Hause,
bot ich ihn den Himmlischen an,
Habe gebeten die Himmlischen, mir zu geben den Knaben,
Dieses stilvolle
Kind mit seinem blühenden Kranz.
9
Diodorus, o Schönheit für die sokratische Liebe,
Du bist gereift,
mein Freund. Wenn du denn heiraten willst,
So versuche dein Glück! Doch ists eine leidige Sache,
Unvergessen bist
du, bleibst du vom liebenden Mann.
10
O dein Haar ist schön, es fließt so lockig die Haarflut,
Wunderschön und
blond ist an den Wangen das Haar.
Aber ich möchte darauf hinweisen, o mein Geliebter,
Du bist der Erste,
den ich liebe mit Bart im Gesicht.
11
Philostratus kam heute Abend in meine Gesellschaft,
Doch ich konnte
nichts tun. Mir zwar zuliebe er kam.
Flieht, o Kinder, die Liebe! Und ohne häusliche Sorgen
Seid Astyanax gleicht,
reisend mit mir durch die Welt!
12
Von den ersten Zeiten an der liebliche Ladon
(Schrecklich ist
das für euch, Liebhaber, die ihr schon alt)
Heiß verliebte sich in einen unschuldigen Knaben.
Nemesis tut, was
sie tut, ihre Vergeltungen rasch!
13
Ich sah ein paar betrunkne Knaben in leichter Versuchung,
Selbst sich zu
heilen durch die Medikamente allein,
Ein Naturheilmittel. Überrascht bei der Posse,
Sprachen sie:
Still! Ich sprach: Ich will euch stillen das Leid.
14
Wenn der Teenager Demophilus seinem Geliebten
Bietet den
zärtlichen Kuss, wie er gegeben ihn mir,
Nun, er ist zwar noch ein Kind, doch wird seine Mutter
Nie zufrieden sein
mit ihrem lieblichen Kind.
15
In ein Brett hat der Knabe gebissen. Ah! Wenn das Holz schon
So begeistert ist,
was soll dann werden aus mir?
16
Philokrates, verberge nicht deine Liebesgefühle!
Als er trat auf
mein Herz, Eros war mächtig und groß.
Komm und küss mich mit mehr Inbrunst und Leidenschaft!
Siehe,
Einst kommt der
Tag, da du bittest die Freundin und mich.
17
Ich hab im Herzen nicht mehr Geschmack an dem alternden
Weibe,
Nein, für den
Knaben mein Herz zärtlicher Leidenschaft glüht.
Aber auch dieses Feuer ist schrecklich, das Kind wie die
Dame,
Wenn der Knabe auch
stärkerer Liebesbegier
Lebt in dem heimlichen Winkel meiner liebenden Seele.
Ach, die beiden
zugleich tödlich verwunden mein Herz.
18
Unglücklich die, die leben ohne zärtliche Liebe!
Jede Tätigkeit,
alle die Wortschwalle sind
Schmerzhaft, ist die Leidenschaft nicht mehr das Ziel des
Gemütes.
Ich nun hänge
herum, müßig am Tage und faul,
Aber ich sehe ein: Ich muss zu den Himmlischen beten
Und ich gehe
sogleich schnell wie ein Blitz zu dem Freund!
Auch will ich nicht der wundervollen Liebe entlaufen,
Sondern bekenne der Welt: Eros ist Pfahl mir
im Fleisch!
19
Ach, obwohl ich Liebe wünsche, verweigert er Liebe,
Er fragt nicht nach
mir, der ich nach ihm immer frag.
Wenn ich ihn frage, sagt er nur: Nein, ich liebe dich nicht!
Und
Wenn ich ihm sage:
Ich liebe dich! macht er den Punkt.
20
(...)
21
Diese verstohlenen Küsse, diese heimlichen Zeichen,
Mit dezentem Blick
werden sie zärtlich getauscht.
Also, wenn diese Worte schön sind, Worte der Wahrheit,
Ist umsonst diese
Zeit für die zukünftige Zeit?
Jetzt zwar warten wir, doch die Schönheit ist fliehende
Gnade.
Eifersüchtig ist
Phaidon. Doch komm nur, mein Schatz!
Komm zu mir! Denn ich rede schöne Worte der Wahrheit.
Worte, Worte nur.
Aber so wirke auch, Wort!
22
Was für ein unerbittlicher Wilder hat mich genommen
Heute! Solch eine
Glut, ohne dass Kampf ward gekämpft,
Danke! Deine Qualitäten, große und kleine!
Und die Lippen, so
weich, weicher als Cyprias Schoß!
Was für eine Stimme, zu lesen stammelnd die Lettern!
Er ist perfekt und
ich nehme es gern mit ihm auf.
Aber, ach, er sagte: Du schaust, das ist alles, du schaust
nur!
Siehe auch meine
Nacht, sieh, wo ich schüttle die Hand,
Wo ich liefere einen Kampf der heftigen Liebe,
Wie sich Cypria
selbst alles nur vorgestellt hat.
23
Ach, dass einmal ein Knabe liebe meine Familie!
Darum steh ich in
Brand, in der erotischen Glut.
Eros, der Herrscher, führte mich selber zu deiner Adresse,
Hinterfotzige
Weisheit zu lehren mich dort!
EPILOG
Der geflügelte Eros ward im Himmel geboren
Und ward von
Marions Augen erobert, gebannt.