Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

EVISCHE EPIGRAMME



Von Josef Maria Mayer


1

Sie, die die Stadt in Flammen setzt, Evi, die heilige Hure,
   Deren Atem nach Gold duftet. Mein innigster Wunsch
Lag ihr nackt bei in meinem Traum die Stille der Nacht lang,
   Bis die Dämmerung kam, da ward alles zu Nichts.
Nicht mehr werde ich in dem Loch der grausamen Schönheit
   Mich beweinen, der Schlaf hat mir ja alles gewährt.

2

Angebrochen der Tag, o Evi, zur steigenden Frühe
   Lauthals krähte der Hahn. Neidisch der Dämmerung Fluch
Komme auf dich von den neidischen Hühnern, o krähender Gockel,
   Denn du treibest mich weg von dem gemütlichen Haus
Auf das unermüdliche Schnattern der Hühner hin, Gockel.
   Alt geworden bist du, Tithonus, oder warum
Jagst du deine Gemahlin Eos so früh aus dem Bette?
   Warum bleibst du denn nicht bei der Geliebten im Bett?

3

O mein Sklave, berausch mich mit dem Öle der Lampe,
   Sie ist stumm und vertraut mit dem Geschehen der Nacht,
Und dann geh, denn Eros liebt keine lebenden Zeugen,
   Und, mein Sklave, dann schließ hinter dir leise die Tür.
Dann, geliebte Evi... Lernen sollst du in meinem
   Bett der Liebenden Kunst, Kypris’ Mysterienkult!

4

Josef Mayer kaufte mich, diese silberne Lampe,
   Die vertrauliche Magd heimlicher Liebe zur Nacht,
Und jetzt bleib ich an ihrem Bette, mit Blick auf die Unzucht
   Abgefallenen Weibs. Aber du, Josef, du bleibst
Besser wach, geplagt von der grausam schlechten Behandlung,
   Und wir brennen, wir zwei, weit voneinander entfernt.

5

Liebe Lampe, dreimal schwor Josef der lieblichen Evi,
   Der hier anwesenden Frau, zu ihr zu kommen zur Nacht,
Liebe Lampe, du verlöschst. Ein Gott nehm den Lichtschein
   Dem betrügenden Weib, die einen andern umarmt.
Wenn sie mit einem Freund zu Hause treibt Spiele der Liebe,
   Soll ihr nicht scheinen das Licht, sondern soll Finsternis sein.

6

Ich, dein Josef, wünsch alle Freuden der süßesten Evi,
   Wenn sie Freude und Lust von mir empfangen denn mag.
Deine Augen unterstützen nicht mehr diese Trennung
   Und mein einsames Bett, ohne dich mag es nicht sein.
Schon in Tränen gebadet, geh ich zum Tempel der Jungfrau
   Artemis, morgen wird mich wieder empfangen die Stadt,
Und ich werde dem Licht deiner Augen zufliegen, Evi,
   Tausend Segnungen dann ruf ich der Reizenden zu.

7

Warum  greift Eros nicht an mit seiner Gottheit die Tiere,
   Sondern immer den Pfeil bohrt in mein menschliches Herz?
Welch ein Gewinn für einen Gott, zu verbrennen den Menschen,
   Oder was für ein Preis wird bei dem Sieg ihm zuteil?

8

Aphrodite, wenn du denen hilfst auf dem Meere,
   Rette mich, Göttin, am Land liegt mein vernichtetes Schiff.

9

Lass uns baden, Evi, mit Kränzen auf unseren Köpfen,
   Trinken wir reinen Wein, heben den heiligen Kelch!
Kurz ist die Jugendzeit der Wollust! Das weisere Alter
   Uns dann alles versagt, ach, und zuletzt kommt der Tod!

10

Evi hat vollendet fünfzig Jahre, doch ist die
   Masse der Haare noch schwarz, wie in der Jugend es war,
Und noch sind die Marmorkugeln der Brüste sehr standhaft!
   Faltenlos ist die Haut und von Ambrosia-Duft
Und betaut von einer großen Faszination und
   Tausender Grazien Gunst! Alle ihr Liebhaber, ihr,
Deren heftige Wünsche nicht schrumpfen, ihr kommt zur Geliebten
   Trotz des fünften Jahrzehnts, denkt nicht wie alt sie schon ist.

11

Evis Kuss ist süß, gehts um den Machtbereich ihrer
   Lippen, wenn sie nur leicht schmecken des Liebhabers Mund.
Aber sie berührt nicht mit dem Rande der Lippen,
   Mit der Spalte des Munds saugt sie die Seele mir aus!

12

Wo ist Praxiteles, wo sind die Hände Poliklets, welche
    Leben gaben der Kunst? Wer kann gestalten die Form,
Welche Evis Locken bilden, oder von ihrem
   Feurig blitzenden Aug oder vom schwellenden Mund?
Wo sind die Bildhauer, wo die Schnitzer in Stein? Solche Schönheit
   Wie einer Göttin Bild hat einen Tempel verdient!

13

Golden-gehörnter Mond und all ihr funkelnden Sterne,
   Leuchtend strahlt ihr herum, sinkt in des Ozeans Schoß,
Schaut doch her, denn die parfümierte Evi ist fort und
   Hat mich verlassen, schon lang such ich vergeblich die Frau.
Aber wir werden sie unbeschadet einfangen wieder,
   Aphrodites Hund schicke ich ihr auf die Spur.

14

Hüterin der wellenschlagenden Ufer, o Kypris,
  Siehe, ich sende dir dieses geröstete Brot
Als ein schlichtes Geschenk zum Opfer. Morgen befahr ich
   Das Ionische Meer, eile in Evelins Schoß.
Gnade gib für die Lage meiner brennenden Liebe,
   Strandes Königin du, Königin schäumenden Meers.

15

Wir, die wir keine Freude haben an teuren Intrigen,
   Wir sind lieber nicht Knecht reicher und vornehmer Fraun,
Diese riechen nach Parfüm und geben sich Düfte
   Ihres besitzenden Stands, sind bei dem Treffen stets kühl.
Duft und Charme einer Herrin ist ihnen eigen, ihr Bett ist
   Aber niemals bereit. Ich ahme Phyrrus nach, Sohn
Des Achilles, der nicht die reiche Andromache liebte,
  Sondern Hermine mehr liebte, die einfache Magd.

16

Ich hab behauptet, von reinen Knaben noch immer zu schwärmen,
  Doch jetzt bin ich verrückt nach den erwachsenen Fraun.
Statt der Rassel des Knaben lieb ich das Loch eines Weibes.
   Statt des Knaben Teint seh ich jetzt weibliches Rouge.
Nun der Delphin ist zu füttern im erymanthischen Walde
   Und zu füttern der Hirsch ist in der gräulichen See.

17

Nein, ich will nicht ein junges Mädchen, die unreife Jungfrau,
  Sondern will einen Bund mit der gereifteren Frau.
Unreife Trauben und Rosinen habe ich nicht, doch
   Schönheit, reif fürs Gemach und für die Freuden des Betts.

18

Habe ich dir nicht gesagt, o Evi, wir werden alt, und
   Hab ich vorhergesagt nicht, dass die Zerstörung bald kommt
Jugendlicher Liebe? Jetzt sind die Falten da und das
   Schwarze Haar wurde grau und auch der Leib wurde welk
Und dem strengeren Mund fehlt all sein früherer Zauber.
   Fleht jetzt jemand noch an all deiner Liebreize Stolz?
Nein, ich liebe eine andere, weisere Weise:
   In dem Schoße des Grabs leben wir beide vereint...

19

Eros, der gute Geber der süßen Gnadengeschenke,
   Gab mich, Evelin, dir als gehorsamen Knecht,
Brav im Joch zu gehen, das Joch auf duldsamem Nacken,
   Eros bog sich vor Lust, hat meinen Willen gebeugt.
Allen meinen eignen Wünschen musst ich entsagen,
   Nun bin ich arm und ein Knecht, frage nach Freiheit nicht mehr,
Nie, meine Liebe, mehr frei, bis ich alt und grau bin geworden.
   Möge kein Böser Blick je schaun auf unseren Bund.

20

Mögest du so schlafen, Evi, wie du mich schlafen
   Lässt vor dem kalten Portal, schlafe so grausam du auch,
Wie du jenen wegschicktest, welcher gern mit dir schliefe!
   Nicht von Mitleid ein Hauch hat dich barmherzig berührt!
Ach, die Nachbarn hatten Mitleid mit mir und Erbarmen,,
   Aber du keinen Hauch hattest von Mitleid mit mir.
Eines Tages werden dir werden grau deine Haare,
   Dann erinnere ich dich wie so grausam du warst.

21

Meine Seele warnt mich, vor Eros und Evi zu fliehen,
   Denn die Tränen kenn gut ich, die Eifersucht auch.
Eros gebietet, aber ich hab nicht die Stärke zu fliehen,
   Denn das schamlose Weib sagt mir: Verlasse mich doch!
Aber während sie mir sagt, ich soll sie verlassen,
   Küsst sie mit Leidenschaft mich auf den durstigen Mund.

22

Immer, wenn ich in Evis Armen liege, am Tage
   Oder waghalsiger noch tief in der Schwüle der Nacht,
Weiß ich, dass ich geh meinen Weg am Rande des Abgrunds,
   Rücksichtslos jedes Mal ich dies mein Leben vergeud.
Aber was nützt es mir das zu wissen? Mein Herz ist so voll und
   Wenn mich Eros führt, dann kennt mein Herz keine Angst.

23

Ob ich dich sehe, Herrin, mit glänzenden Locken der Raben
   Oder auch hennarot, immer derselbige Charme
Leuchtet um deinen Kopf. Denn wahrlich, Eros erhebt sich
   Herrlich in deinem Haar, sind auch die Strähnen schon grau!

24

Wo ist jetzt der bewunderte Glanz deiner ruhmreichen Schönheit?
   Wo ist die stolze Stirn, wo der verächtliche Sinn,
Wo dein schlanker Hals, wo der Füße Goldkettchen? Jetzt ist
   Ungepflegt, schmucklos dein Haar, du gehst in Lumpen umher.

25

Nun, ich bin derart von ihrer Gnade begünstigt,
   Sie wünscht mir Guten Tag, jetzt wo das marmorne Weiß
Weg von den Wangen, jetzt albert sie mir mit, wo die Locken
   Ausgefallen sind, die sonst so stolz warf den Hals.
Komm mir nicht zu nahe, triff mich nicht, Spötterin Evi!
   Rosen wollte ich, Brombeeren wollte ich nicht.

26

Süßigkeiten sind süß, wer leugnet das? Aber wer Geld will,
   Macht die Süßigkeit bitter wie Tabakgestank.

27

Alles was Homer sagt ist gut gesagt, aber am besten,
   Wenn er Kypris die Goldene nennt. Denn, mein Freund,
Wenn du die Münzen bringst, dann gibt’s keinen wehrenden Pförtner,
   Und es wird nicht der Hund widerlich bellen am Tor.
Aber wenn du ohne Geld kommst zu der Geliebten,
   Vor der verschlossenen Tür bellt dich der Höllenhund an.

28

Früher gab es drei Grazien, eine goldene, eine
   Silberne, eine von Erz. Evelin ehrt noch den Mann,
Selbst wenn er alt ist, und sie küsst das eherne Männchen,
   Wendet den Rücken nicht zu auch einem silbernen Mann.
Sie ist eine weise Frau, wie Nestor so weise.
   Zeus brachte Danae einhundert Goldmünzen einst.

29

Du tust alles, o Bine, wie deine Namenspatronin.
  Ja ich weiß das und das geht mir zu Herzen. Dir tropft
Honig von den Lippen, küsst du zärtliche Küsse,
   Bittest du aber um Geld, stichst du als Stachel ins Fleisch.

30

Du hast dich ergossen als ein Goldregen, Vater
   Zeus einst auf Danae, dass sich das reizende Kind
Dir ergeben konnte wegen des goldnen Geschenkes,
   Musste nicht zittern vor Furcht, weil du ein heiliger Gott!

31

Zeus kauft für Goldregen Danae, ich für Goldmünzen Evi,
   Denn ich bin nicht so reich wie der allmächtige Gott.

32

Ich beurteile Reize dreier Weiber, sie selber
    Wählten zum Richter mich aus, zeigten sich splitternackt mir.
Wenn einst Paris, der die drei Göttinnen hatte beurteilt,
   Diese drei Weiber gesehn, wär es nicht Lüge, dass er
Nicht mehr hätte gewünscht, die Göttinnen sichtbar zu sehen,
   Denn die nackigen drei Weiber sind reizender doch.

33

Julia und Karina und Evi strebten mitsammen,
   Wählten zum Richter mich, wie die drei Göttinnen einst,
Hochberühmt für ihre Schönheit, standen sie nackig,
   Wie in Nektar getaucht. Ich aber wusste genau,
Was einst Paris erlitten wegen des Urteils der Schönheit,
   Ich gab den Siegespreis jeder der reizenden drei.

34

Nimm nicht in die Arme die Frau, die hager und mager,
   Noch die Frau, die zu dick, goldene Mitte erwähl.
Denn die erste hat nicht genügend Rundungen weiblich
   Fett ist die zweite. Erwähl Mangel nicht, Überfluss nicht.

35

Eine feine und weitgehend gutgebaute Geliebte,
   Marcus, zieht mich an, ob in der Blüte sie ist
Oder eine reifere Dame. Denn wenn sie jung ist,
   Klammert sie eng sich an einen erwachsenen Mann,
Aber wenn sie reiferen Alters ist, o mein Marcus,
   Treibt sie Fellatio mit mir, so wie ich es mag.

36

Muss ich nicht sterben? Welche Pflege werde ich haben,
   Wenn ich im Hades geh um als ein dürres Skelett?
Ich werde viele haben müssen, die mich dann tragen,
   Denn so schwach bin ich dann dort in des Schattenreichs Nacht.
Wenn es noch geht, so bin ich eben heiter auf Erden
   Und verpasse kein Mahl, keinen berauschenden Trank.

37

Höre nicht auf deine Mutter, Evi, Geliebte,
   Einmal ists Mitternacht, löscht das Laternenlicht aus.
Achte nicht auf solche, die sich belustigen wollen
   Über uns, sondern gib frech eine Antwort dem Pack!
Lass nichts unversucht, du wähle die eigene Wohnung
   Und den eigenen Stil, wenn du ein Schreiben verfasst.
Sag mir, dass es dir gefallen, dass ich dich besuchte,
   Und verhalte dich gut, bleibe der Liebe stets treu.
Wenn du was für die Miete braucht und für einen Mantel,
   Evi, frage mich nur, ich geb dir gerne das Geld.
Wenn du schwanger bist, Geliebte, gebäre den Knaben,
   Einst wird er merken schon, wer heißt da Vater mit Recht.

38

Wer hat dich so geschlagen und drehte sich nackt von dir weg, wer
   Hatte so steinern ein Herz, Augen nicht freundlich zu schaun?
Kam er zur Unzeit und fand sie mit einem Freier beschäftigt?
   Solche Dinge geschehn. Alle die Weiber tun das.
Aber in Zukunft, wenn jemand bei dir drinnen ist, Liebchen,
   Und ist draußen dein Mann, schließe die Türe fest zu.

39

Ich mag nicht das Weibchen, dass zu lüstern und geil ist
   Und nicht die prüde Frau, die doch frigide nur ist.
Denn die erste gibt ihre Zustimmung allzu geschwinde
   Und die zweite gibt allzu unwillig ihr Ja.

40

Hat ein Mann sein Mädchen weggeschickt, nur weil sein Mädchen
   Einen Liebhaber nahm, schuldig geworden ist sie
Doch des Ehebruchs. Könnt er wie Pythagoras schweigen!
   Also, mein liebes Kind, Tränen betaun dein Gesicht.
Wirst du zittern vor Angst vor des Wahnsinnigen Türe?
   Wisch die Tränen ab, hör auf zu weinen, mein Schatz.
Siehe, wir werden finden einen anderen Reichen,
   Der nicht so gut darin ist, uns zu entdecken im Bett.

41

Evi und Karina, die beiden heiligen Huren,
   Reiten hoch zu Ross fort aus dem Hafen. O flieht,
Alle, die ihr jung seid, vor Aphrodites Piraten,
   Wird, wer angreift, versenkt, wird dann verschlungen vom Meer.

42

Siehe, ein junges Mädchen erhöht ihre niedlichen Brüste
   Nicht durch weise Kunst, sondern durch Mutter Natur.

43

„Guten Abend!“ – „Guten Abend auch!“ – „Wie ist dein Name?“ –
   „Wie ist der deine denn?“ – „Sei nicht so neugierig, Weib.“ –
„Dann eben nicht.“ – „Bist du beschäftigt?“ – „Bereit bin ich eben,
   Mich zu beschäftigen mit jedem der willig nur ist.“ –
„Willst du vielleicht zum Abendessen kommen heut Abend?“ –
   „Wenn du gerne es willst?“ – „Was wird es kosten an Geld?“ –
„Gib mir nicht alles im Voraus.“ – „Das ist seltsam.“ – „Du gib nur,
   Was du mir geben willst nach der Vereinigung Akt.“ –
„Das ist gerecht. Wo wohnst du? Ich schicke dir dann die Belohnung.“ –
   „Wo ich wohne, das sag ich dir dann in dem Bett.“ –
„Und wann kommst du?“ – „Zu jeder Zeit, sobald du es möchtest.“ –
   „Jetzt will ich schlafen mit dir.“ – „Gut.“ – „Also gehen wir schnell.“
  
44

Oft hab ich gebetet, Evi, dich in der Nachtzeit
   In meiner Liebe mit heißen Liebkosungen dich
Lieben zu dürfen. Und jetzt bist du mir nahe, nackenden Leibes,
   Und jetzt bin ich ganz matt, ach jetzt ist müde mein Glied.
Elendes Glied! Was ist dir widerfahren? Erwache!
   Oder einige Zeit ich nicht gewähr dir die Lust!

45

Golden die Augen, die Wangen kristallen, die Lippen
   Wie eine Rose rot, schneeweiß wie Marmor der Hals
Und die Brüste poliert, die Füße lichter als Silber,
   Lichter als das Silber des Meers, Thetis, der Göttin des Meers.
Wenn die Brennnessel glänzt inmitten des schwärzlichen Haares,
   Ich beherzige doch nicht die Nachwirkung davon. 

46

Armut und Liebe sind meine beiden irdischen Leiden.
   Armut trage ich leicht, Liebesweh trage ich schwer.

47

Ich verliebte mich, ich küsste, ich wurde begeistert,
   Ich genoss! Bin geliebt! Aber wer bin ich denn, wer?
Und wer ist die Geliebte, die so mich liebt voller Wollust?
   Das weiß Kypris allein, keiner als Kypris weiß das.

48

Eros legten wir ab das Gelübde, verbanden uns eidlich.
   Aber falsch ist das Weib, all ihre Eidschwüre Wind!
Meine Liebe überlebte, doch haben die Götter
   Nicht ihre Macht offenbart. Dies ist ein Hochzeitslied! Weh!
Hymen Hymenäus, sing eine Klage des Todes
  An des Weibes Tür, tadle ihr treuloses Bett!

49

Die gewinnende Evi verletzt mich, lieber Adonis,
   Reiß ihre Brüste du hin auf die Bahre, o Herr!
Wenn sie mir die gleiche Ehre erweisen wird eines
   Tages, wenn ich sterb, nimm mich dann mit auf die Fahrt!

50

Ach, sie machen mich verrückt, die rosigen Lippen,
   Seelenschmelzende Tür ihres ambrosischen Munds,
Und die Augen unter den feinen Brauen der Augen
   Stellen mir ein Netz, legen dem Herz aus das Netz,
Und die milchigen Brüste, kaum verhüllt von dem Kleidchen,
  Voller Charme, gut geformt, schöner als Blüten im Lenz!
Aber warum bin ich wie ein verhärteter Knochen
   Für die hungrige Gier läufiger Hündinnen nur?

51

Eros, wenn du verbrennst meine Seele, die Seele dann auffliegt,
   Sie hat Flügel auch, himmlische Flügel wie du.

52

Eros, verschwendest du auf mich alle Pfeile des Köchers?
   Töte mich, kleiner Gott, töte mich doch mit dem Pfeil!
Wenn du dann auf einen anderen schießen willst, Eros,
   Findest du keinen Pfeil in deinem Köcher dann mehr.

53

Alle sagen, man solle fliehen vorm göttlichen Eros.
   Alle Mühe umsonst! Wie soll ich fliehen vorm Gott,
Wie soll ich fliehen vor diesem mächtig geflügelten Wesen,
   Der mich spürbar in leiblicher Nähe verfolgt?

54

Diese silberfüßige Frau war überaus reizend,
   Wie ein Wasserfall fiel ihr das wallende Haar
Auf die Äpfel der Brüste, weiß wie Milch ihre Brüste
   Und der Hintern so rund und ihr weibliches Fleisch,
Rollte und warf sich herum, wenn sie sich reizend bewegte,
   Und die Hand an der Scham, deckte nicht gänzlich die Scham.

55

Liebesspiele im Bett mit der blaugrünäugigen Evi
   Ließ sie lachen vor Lust, sie hat von Herzen gelacht.
Ich habe dich aufs Bett geworfen, so sagte ich, zwölfmal,
   Morgen werf ich auf Bett öfter als zwölfmal dich noch.
Sie kam am nächsten Morgen und lachend sprach ich zur Liebsten:
   Du warst nachts nicht da,  hab ich’s mir selber besorgt.

56

Diese Zeit hat noch nicht deine Schönheit lassen verwelken,
   Noch sind Relikte viel von deinem Frühlinge da.
Noch ist dein Charme nicht veraltet, noch ist die Süße geblieben
   Deiner Apfelbrust oder des rosigen Munds.
Ach, wie viele Herzen hat die Gottheit der Zeit doch
   Schon zu Asche verbrannt, da ihre Schönheit verwelkt.

57

Evi, ich hab geglaubt, du wärst Sizilianerin, aber
   Aus der Griechin ward eine chinesische Frau.

58

Schnee und Hagel hellen die Dunkelheit auf und der Donner
   Schüttelnd die Erde bewegt mit all dem schwarzen Gewölk.
Schlägst du mich nicht, dann werde ich dich zu schlagen auch aufhörn,
   Wenn du mich leben lässt, lasse ich leben auch dich.
Was kann mir geschehen schlimmer als das dass ich singend
   Gehe durch deine Tür, nämlich es zwingt mich der Gott,
Zeus, der dein Meister ist und dessen Opfer du bist, er
   Kam in Strömen von Gold, hat deine Pforte durchbohrt.

59

Zeus kam wie ein Adler als Gott zum Ganymed-Knaben
   Und zu Leda kam er göttlich verkleidet als Schwan.
Das ist verschieden. Der eine mag das, der andre mag jenes.
   Ich mag das reine Kind, mag auch die reizende Frau.

60

Ich fand Evi allein, da bat ich sie, sie hat geöffnet
   Ihrer Schenkel Paar. Hilf dem verlorenen Mann,
Sprach ich, gewähre mir einen kleinen Atemzug, Liebste.
   Als ich das gesagt, weinte ihr zartes Gemüt,
Aber sie wischte sich die Tränen ab mit den Händen
   Und dann schlug sie leicht mich ins erhitzte Gesicht.

61

Schönheit ohne Charme ergötzt, doch kann uns nicht fesseln,
   Wie eine Haken ist das, der ohne Köcher doch schwimmt.

62

Entweder macht man einen Anschlag auf Liebe, o Eros,
   Dass die Liebe wird wieder erwidert von ihr,
Oder man muss versuchen, abzuschaffen die Liebe
   Oder dass Freundschaft die glühende Leidenschaft wird.

63

Als Athene und Hera in ihren goldnen Sandalen
   Meine Evi sahn, riefen die Göttinnen laut:
Nein, wir werden nicht wieder unsere Kleider ablegen,
   Ist doch ein Urteilsspruch leider uns Schande genug.
Denn es sprach der Hirte sein Urteil, dass Charis ist schöner.
   Zweimal verlieren, das ist nicht zu ertragende Schmach!

64

Du hast die Schönheit Aphrodites, den Mund der Verführung,
   Form und Frische der Horen, geflügelten Fraun,
Stimme Kalliopes, Weisheit Athenes und Tugend der Themis,
   Und mit dir, o Weib, sind es der Grazien vier.

65

Dies ist das Leben, nichts anderes ist es, das Leben ist Wonne!
   Alle Sorgen verscheuch, die doch nur langweilig sind.
Kurz sind die Jahre des Menschen. Heute ist unser der Schaumwein
   Und der erotische Tanz, blumige Kränze und Fraun!
Heute möchte ich leben, heute mit dir leben, o Evi,
   Keiner weiß, was bringt morgen die kommende Zeit?

66

Pfahl, ich wusst nicht, dass Evi kommen würde zu mir, mit
   Händen lösend das Haar, dass es ihr fall auf die Brust.
Hab Erbarmen mit mir, meine schöne Königin Evi,
   Sei nicht zornig auf mich, weil ich so lüstern geblickt,
Mit den Augen geschaut auf deine unsterblichen Formen.
   Ja, ich habe erkannt, Göttin der Schönheit bist du,
Evi und nicht Aphrodite! Woher sonst die reizende Schönheit?
   Du hast die Charis wohl gar ihres Gürtels beraubt!

67

Hier, ich sende dir diesen Kranz, o Evi, Geliebte,
   Den ich mit eigener Hand flocht aus den Blumen im Mai.
Da sind Lilien, Rosen, Anemonen, Narzissen
   Und das Vergissmeinnicht, blühend so himmelblau zart.
Trage den Kranz und höre auf, stolz zu sein, Evi, Geliebte,
   Denn wie der Blumen Kranz wirst du verwelken dereinst.

68

Wisse, Aphrodite, das Evi, ein reizendes Weibchen,
   Meine Nachbarin ist, sie warf die Glut mir ins Herz!
Sie selbst wollte nur scherzen mit mir in flüchtiger Freundschaft,
   Als ich die Möglichkeit sah, waghalsig wurde ich da.
Früher errötete schnell sie, doch hat das ihr nicht geholfen,
   Sondern sie fühlte im Herz tief meiner Leidenschaft Stich.
Nur mit großer Mühe gelang es mir, sie zu umarmen,
   Und jetzt ist das Weib schwanger mit Leibesfrucht gar.
Also was soll ich tun, o Göttin, aufhören zu lieben?
   Oder bleib ich verliebt? – Charis, ich bleibe verliebt!

69

O wie war schön der Teint und wie hüpften die rundlichen Brüste
   Und die Füße wie schmal und auch wie denkend die Stirn
Und die wallenden Haare schwarz und fallend zum Busen!
    Aber die Zeit bewirkt Alter, Vergänglichkeit und
Bald ist nicht mehr der Schatten ihres früheren Selbst da,
   Bald Matrone ist sie, faltig die Haut, grau das Haar.

70

Hätten die Frauen noch so viel Charme, wenn alles vorbei ist,
    Würden die Männer nicht nachschaun den Mädchen am Markt.

71

Ich bin ein Apfel, ein Liebender wirft mich dir zu, o Geliebte.
   Evi, stimmst du mir zu? Einmal verwesen wir zwei.

72

Sie mit den Rosen, rosig die Grazie! Doch was verkauft sie?
   Ob sie nur Rosen verkauft? Oder sich selber dazu?

73

Evi, was willst du mich baden? Bevor ich mich auszog, Geliebte,
   Steht schon mein männliches Glied herrlich in Flammen von dir!

74

Wär ich der Wind, dass du Haare flattern lässt um die Brüste!
   Nimm mich zum Vorbild doch, blase so lustig wie ich!

75

Wär ich eine Rose, dass deine Rechte mich pflückte
   Und mich steckte, o Weib, zwischen die Brüste so weiß!

76

Evi leugnet, dass sie verliebt ist, aber sie schreit laut,
   Als ob eine Armee Pfeile der Lust sie verletzt!
Wankend ist ihr Schritt und es nimmt ihr den duftenden Atem,
   Schatten violett unter den Augen ihr sind.
Aber ich liebe sie! Denn von Charis entzündet, schreit Evi:
   Ich verbrenne, mein Gott Eros, vergehe vor Lust!

77

Eros, wenn du nicht zwei in Flammen setzen kannst, lösche
   Deine Fackel aus oder setz Evi in Brand!

78

Das ist nicht Liebe, wenn man schweifen lässt seine Augen,
   Eine schöne Maid sich zu erhaschen am Markt.
Aber wer ein seelenvolles schönes Gesicht sieht,
   Der ist vom Pfeil Eros’ in Schnelle durchbohrt.
Angezündet ist die Wut seines Geists. Das ist Liebe!
   Von der Schönheit schwärmt immer der Richter der Form.

79

Evi, ich sende dir süße Düfte, zum Dienst deines Duftes
   Schenk ich dir Rosenöl, die du wie Rosenduft riechst.
So auch der, der Dionysos dienen will mystisch,
   Fließen lässt das Geschenk wilden Dionysos’, Wein!     

80

Siehe, ich habe meine Brust mit Weisheit bewaffnet
   Gegen Eros, er wird nicht erobern mein Herz,
Wenn die sterbliche Leidenschaft gegen die göttliche aufsteht.
   Aber kommt mit ihm, Eros, Dionysos mit,
Ihm zu helfen, mein armes sterbliches Herz zu besiegen,
   Was vermöchte ich denn gegen zwei Götter voll Macht?

81

Du hast Heras Augen, o Evi, die Hände Athenes,
   Aphrodites Brust, du hast der Grazie Fuß.
Selig ist, wer dich schaut, und dreimal gesegnet, der hört dich,
   Halbgott ist, wer dich küsst, wer dich begattet ein Gott!

82

Spanne deinen Bogen, Eros, in müßiger Freizeit
   Finde ein anderes Ziel! Ich bin von Wunden bedeckt!

83

Du siehst Evi, eine Aphrodite mit kleinen
   Brüsten, da gibt es nicht viel, was da noch zwischen uns wär,
Aber ich werden mich stürzen auf ihre niedlichen Brüste
   Und ihrem Herzen so nah sein, am Herzen zu ruhn.

84

Gieße in zehn große Becher ein als Mundschenkin, Evi,
   Und Karina brat mir eine Ente am Herd.
Sie wird sagen: Du liebst ja Evi mehr als Karina!
    Bei Dionysos, den ich hier tropfen lass, ja,
Evi geht auf um zehn Uhr abends wie Luna am Himmel!
   Überstrahlt doch der Mond alle die Sterne im All!

85

Ah, ich liebte! Und wer hat nicht geliebt? Ja, ich schwelgte
   In dem Mysterium tiefer erotischer Glut!
Aber ich war verzweifelt! Warum denn? Wegen der Gottheit!
   Nun schon graues Haar hat mir das blonde ersetzt.
Meine irdische Lebenszeit ist nun nahzu vollendet.
   In der Spielzeit ich spielte als lustiges Kind,
Aber jetzt ist es vorbei mit der fröhlichen Kindheit
   Und ich lebe nur noch mystischer Schau der Idee!

86

Josef, obwohl du jetzt dich wälzt bald linksrum, bald rechtsrum
   In dem leeren Bett – Evelin ist nicht bei dir! –
Also bringt dir dein Wille nach Ruhe nicht heilenden Schlaf, nein,
   Nichts als Müdigkeit, tiefe Erschöpfung dir nur.

87

Scheine, Luna der Nacht, gehörnte schimmernde Luna,
   Du liebst es, schwelgend zu schaun, die du durchs Fensterglas schaust,
Lasse fallen dein Licht auf den Leib der goldenen Evi!
   S’ist einer Göttin erlaubt, Evelin nackend zu schaun!

88

Brust an Brüste! Meine Brust lag ihr an dem Busen,
   Ihren süßen Mund drückte sie auf meinen Mund!
Ich zog Evi an mich, nichts war zwischen uns! Nur die
   Kerze Zeugin war. Aber ich sage nicht mehr.

89

Füße! Beine! Oberschenkel! Ich freiwillig sterbe
   Für die Schenkel gespreizt! Nabel und Schamhaar und Schoß!
Hüften! Schultern! Brüste! Nacken! Arme und Augen!
   Ich bin verrückt vor Lust! Küsse und stöhnender Akt!

90

Aphrodite, bei deinem majestätischen Busen
   Schwor ich: Ich bleibe fern Evi zwei Nächte lang! Und
Doch hat die Zeit mein Herz getäuscht und du hast gelächelt,
   Göttin, ich will nun deine Hilfe nicht mehr
Für die zweite Nacht. Ich warf den Eid in die Lüfte.
   Lieber wähle ich, statt dass ich gottlos vor dir
Bin um ihretwillen, die meinen Eid hat gebrochen,
   Aphrodite, dass ich sterbe aus Glauben den Tod.

91

Warum bist du so gut gebaut, so langhalsig, Evi,
   Warum kannst du so gut plappern mit lächelndem Mund,
Fröhliche Kellnerin des Dionysos und der Cythere,
   Lieblich lachender Schatz unseres Liebesvereins,
Und warum, wenn ich nüchtern bin, bist du betrunken,
   Und bist nüchtern, wenn ich schwer bin betrunken vom Wein?
Nein, du hältst dich nicht ans Gesetz der Geselligkeit, Evi,
   Sei betrunken, wenn ich auch bin betrunken vom Wein.

92

Lieber Knabe Mundschenke, fülle den goldenen Becher,
   Sage lachend dabei: Evi die Lieblichste ist!
Sprich den süßen Namen aus, der mildert den Rotwein,
   Der den herben versüßt, einzig ihr Name allein.
Gib mir dann, ist sie auch von gestern Nacht, die Girlande,
   Die den lieblichen Duft trägt der Erinnerung an
Evi. Schau, wie die Rose weint, begünstigt von Eros,
   Weil sie Evi sieht heute nicht liegen bei mir.

93

Lieber Knabe Mundschenke, einen Becher voll Rotwein
   Trink ich auf Evelin-Grazie, noch einen Kelch
Trink ich auf Evelin-Muse, trink ich auf Evelin-Kypris,
   Denn ich preise sie, Evi, als Göttin und misch
Ihren geliebten Namen in den heiligen Kelch, um
   Ihren Namen dann, Evi, zu trinken im Wein.

94

Süß ist die Melodie des arkadischen Pan, der die Flöte
   Blasen kann, Evi, wie süß deine Berührungen sind!
Wohin soll ich fliehen vor dir? Denn Eros erfasst mich,
   Du gibst mir keine Zeit, Atem zu holen, o Frau!
Entweder Aphrodite schleudert in mich die Wollust
   Oder die Muse die Lust oder die Grazie Lust
Oder, was soll ich sagen, alle die Göttinnen, Evi,
   Denn ich brenne und steh heiß in der lodernden Glut!

95

Die melodischen Musen geben Geschicklichkeit, Evi,
   Deinen Berührungen und Göttin Athene gibt dir
Weisheit, und Eros führt deine Schönheit, er glaubt ja an Evi,
   Und die Grazien dir ihre drei Gnaden verliehn.

96

Eros, ich schwöre, ich hätte lieber vernommen, wie Evi
   Flüstert mir etwas ins Ohr, als selbst die Harfe Apolls.

97

Ist die Efeu-Girlande des Gottes Dionysos schöner
   Oder die Rose der Göttin Cythere voll Glut?

98

Diese Blüten sind gewunden für Evelins Krone,
   Aber Evi strahlt mehr als der blumige Kranz.

99

Schon stehn die blauen Veilchen in Blüte, die gelben Narzissen,
   Regenliebende, und schneeweiße Lilien auch,
Die die Gärten heimsuchen, schon steht Evi in Blüte,
   Eros’ Lieblingin sie, purpurne Rose der Lust,
Krone der Blüten des Frühlings! Warum lacht ihr so heiter,
   Gärten, die ihr umsonst euch doch mit Evi vergleicht?
Mehr zu bieten hat sie als alle duftenden Gärten,
    Und ich zog immer vor Evi der Mutter Natur!

100

Nun sinds der Grazien vier, denn neben der Grazien Dreiheit
   Aufgerichtet steht noch eine Grazie da,
Die da duftet von Feigenparfüm, die gesegnete Evi,
   Alle anderen Fraun schauen auf Evi voll Neid,
Ohne Evi sind die Grazien Grazien nicht mehr,
   Ihr alleine gebührt göttlicher Grazie Ruhm.

101

Nun will ich in die blauen Veilchen und gelben Narzissen
   Beeren flechten, in lachender Lilien Kranz,
In den Krokus, in die Hyazinthe, die Rose,
   Freude zu haben an Gott Eros in glühender Lust,
Dass der Kranz dann kommt auf Evis Haupt, die Geliebte
   Mit dem duftenden Haar trägt dann den duftenden Kranz.

102

Ich weissage: Die Sonne wird übertroffen von Evi
   Und der Grazien Charme weit noch von Evelins Charme.

103

Wer gab mir Evi, meine weise plaudernde Herrin?
   Der gab die Grazie mir, eine der Grazien mir!
Er hat mir wirklich gegeben eine göttliche Gabe,
   Warf mir gratis zu göttlicher Grazie Charme!

104

Die gefeierte Evi hatte versprochen zu kommen
   Zu mir diese Nacht, schwors bei der Göttin des Korns.
Aber sie kam nicht. Die erste Stunde der Nacht ist vorüber.
   Schwor sie etwa falsch? Dienerin, lösche das Licht!

105

Ha, ihr schrillen stimmgewaltigen Mücken so schamlos,
   Saugnäpfe, die dem Mann saugen das Lebensblut aus,
Nacht der geflügelten Bestien, lasst doch Evelin schlafen,
   Kommt und lieber fresst meine Gebeine voll Gier.
Aber warum soll ich vergebens flehen, ihr Mücken?
   Unbarmherzig ergötzt selbst sich das schamlose Tier
An der Geliebten nacktem freudespendendem Körper!
   Aber ich warne euch, warn euch verfluchtes Getier,
Seid nicht länger von solcher wilden schamlosen Frechheit
   Oder meine Hand wird euch noch totschlagen, Pack!

106

Evi mit dem süßen Gesicht, von Eroten gebadet,
   Guckt aus dem Fenster heraus, ja, und die Tür ward gesprengt,
Liebste Aphrodite, von der Flamme, die schoss aus
   Josefs Augen, der stand lüstern vor Evelins Tür.

107

Aphrodite gleich taucht sie aus des Ozeans Gischtschaum,
   Und das Leben erweckt sie neuen Frühlings im Land.
Darum heißt sie zu recht auch Evi; Göttliches Leben!
   Mutter des Lebens ist sie, Quell des lebendigen Seins.

108

Eros selber hat geformt mir im innersten Herzen
   Evi, die lieblich spricht, Geist meines Geistes ist sie.

109

O die Eros-liebende Evi, mit strahlenden Augen,
   Überredet die Welt, Eros zu dienen, dem Gott.

110

Eros, wie scharf sind doch die Fingernägel der Liebsten,
   Denn ihr Kratzen reicht mir in das innerste Herz!

111

Einmal spielte ich mit der schönen fesselnden Evi,
   Einen Gürtel sie trug, darauf geschrieben stand dies:
Liebe mich lang und oft und heftig, o Josef, Geliebter,
   Und sei am Herzen nicht wund, lieb einen Anderen ich.

112

Evi mit weißer Haut, hat dich jemand nackt neben Josef
   Liegen gesehen im Bett? Es ist ein Stöhnen in mir!
Ach, es gibt für deinen Geliebten nicht Ruhe am Sabbat,
   Eros schafft und wirkt ja an dem Sabbattag auch!

113

Blumengenährte Biene, was willst du verlassen die Kelche
   Blühender Blumen im Lenz, fliegen auf Evelins Haut?
Ist es, weil du denkst, dass sie beides hat, Süßigkeit und den
   Stachel Eros’, des Herrn, bitter zu machen und krank?
Ja, mir scheint, das sind deine Gedanken, summende Biene.
   Weg mit dir, zurück flieg zu den Kelchen, du Flirt!

114

Mutter der Götter, Mutter Nacht, vernimm, was ich bitte,
   O du heilige Nacht, Wonnegenossin der Lust:
Wenn da einer liegt unter Evis gemütlicher Decke,
   Von ihrem Körper erwärmt, zärtlich von Evi berührt,
Lass du die Lampe ihrer strahlenden Augen verlöschen
   Und den Rivalen lass ruhn wie Endymion tief.

115

Mutter Nacht, o meine glühende Sehnsucht nach Evi,
   Du hältst mich wach mit der Glut bittrer Visionen des Leids,
Bittrer Visionen der Dämmerung voller Tränen und Wollust,
   Ist in ihr noch ein Rest zärtlicher Liebe für mich?
Ist die Erinnerung an meinen Kuss noch warm in der kalten
   Asche der Phantasie? Träumt sie wohl manchmal von mir?
Oder gibt es eine neue andere Liebe,
   Einen flüchtigen Flirt, irgendwer den sie begehrt?
Liebe Lampe, mögest du niemals sehn den Rivalen
    Bei der Geliebten im Bett! Göttin, bewahre sie mir!

116

Nacht war, es regnete, Eros war die dritte Beschwernis,
   Ich war betrunken vom Wein, Nordwind blies, ich war allein,
Aber die schöne Evi überwältigte alles!
   Würde ich wandern so, ohne dass Ruhe ich fänd
Vor der Pforte der Geliebten? Ich stand da im Regen.
    Friede, Zeus, Friede, o Zeus! Ich hab zu lieben gelernt!

117

Süß im Sommer ist für den, der dürstet, ein Schneeball
   Und für den Segler süß ist nach dem Winter der Wind.
Süßer noch, wenn Evis Decke zwei Liebhaber zudeckt,
   Aphrodite empfängt Opfer von beiden voll Huld.

118

Dieser Weinbecher fühlt Genuss und Wonne, er sagt mir,
   Wie der Plaudermund Evelins angesetzt ihn.
Seliger Becher! Würde sie mich doch ansetzen, saugen
   Mir die Kraft aus dem Mark, mir meinen Geist aus dem Leib!

119

Schrecklich ist Eros, schrecklich! Aber was hilfts das zu sagen,
   Immer wieder ich sags: Eros ist schrecklich! Fürwahr,
Dieser göttliche Knabe lacht und freut sich von Herzen,
   Wenn mich Evi verschmäht! Fluche ich, wächst nur der Gott!
Was für ein Wunder, Aphrodite, getaucht aus dem Meere,
   Dass du geboren hast diesen weißglühenden Gott!

121

Nimm deine Netze ab, Evi, deine neckischen Netze,
   Lass nicht schmollen den Mund, o deinen Schmollmund voll Reiz!
Klammert sich doch dein hauchdünnes Kleid an den reizenden Körper,
   All deine Reize sind sichtbar in Durchsichtigkeit!
Ja du könntest auch nackt sein in transparenten Gewändern!
   Scheint dir das amüsant, dieser Durchsichtigkeit Reiz,
Dann, Geliebte, werde ich über mein Mannesglied stülpen

   Reine Transparenz köstlichen Gummis für dich!