Von Josef Maria Mayer
MILTONS
EVA
1
Schau nun das
Paradies des Gartens Eden,
Das
Wonneparadies mit grünem Ring,
Gekrönt mit
Fruchtbarkeit, mit einem Wall,
Mit eines
hohen Berges steiler Klippe,
Mit einem
Dschungeldickicht, überwuchert,
Der Eingang
rau verwehrt mit spitzen Stacheln
Und
unbesiegbar steil die hohen Türme
Der Zedern
und Zypressen, Pinien, Palmen,
Die reihen
Schatten über Schatten sich
Wie Galerien
eines Waldtheaters.
Hoch auf dem
Gipfel dieses Paradieses
Der Ahn des
menschlichen Geschlechtes schaute
Hernieder in
die Niederung von Eden.
Da war ein
Kranz von auserlesnen Bäumen,
Beladen mit
den saftig-süßen Früchten,
Die Blüten
und die Früchte voller Schimmer
Erglänzten
fruchtbar in der gleichen Zeit,
So heiter war
das Farbenspiel im Garten,
Da Gottes
Sonne voller Herrlichkeit
Verschönte
das poetische Gemälde
Wie bei der
Abendröte Farbenzauber
Und wie bei
der Magie der bunten Iris,
Die feucht
sich biegt, wenn Gott der Vater regnet
Und
überschüttet schwer die Mutter Erde,
So schön
erschien die Landschaft ihm, da rein
Die reinen
Lüfte lustvoll lispelten
Und süße
Lenzlust in dem Herzen aufsprang
Und Wonnen
quollen auf, die mächtig sind,
Die Trauer
der Verzweiflung zu vertreiben!
Die leichten
Lüftchen trugen Edens Düfte,
Berauschende
Parfüme auf den Schwingen,
So nahten sie
und hauchten leise flüsternd,
Woher die
Beute der Balsamen stammt.
Wer segelt um
das Kap der Guten Hoffnung
Und ist auch
schon an
Mozambique vorüber,
Dem wird der
Wind auf hoher Wogensee
Sabäischen
Geruch entgegen blasen
Der
glücklichen Arabia. Und so
Lässt
solches sich ein Seemann wohl gefallen.
Da wird
Okeanos, der alte Vater,
Behaglich
lächelnd sich ergötzen wohl
An solchen
süßen angenehmen Düften.
Der
aromatische Geruch des Fisches
Vertrieb den
Buhldämonen Asmodeus,
Als Tobits
Sohn erkoren seine Braut,
Vertrieben
wurden alle Buhldämonen
Bis an das
Schilfmeer in Ägypten, so
Sankt Raphael
den Buhldämonen bannte!
2
Nun schaue
doch mit jugendlichem Staunen
Auf engem
Raum liebreizend hingebreitet
Den
Menschensinnen solche Herrlichkeit
Und solche
Fülle der Natur, ah, diesen Himmel
Auf Erden,
denn das Wonneparadies
War Gottes
Garten, war von Gott gepflanzt
Im Orient.
Der Garten Eden reichte
Von Haran zu
den hocherhabnen Türmen
Des
Seleuzidenreiches in dem Osten,
Wo
Griechenfürsten sie erbaut, wo weiland
Die Kinder
Edens in Telessar wohnten.
Auf diesem
wunderschönen Erdenflecken
Bestellte
seinen schönsten Garten Gott.
Der Mutter
Erde Fruchtbarkeit gebar
Aus Gottes
Kraft die allerbesten Bäume,
Von schlankem
Wuchs, berauschenden Parfümen
Und
leckerstem Geschmack der süßen Früchte.
Inmitten all
der Bäume stand der Baum
Des Lebens,
dieser war der höchste Baum,
Wie Nektar
und Ambrosia die Früchte
Des Lebens,
wie aus Grünkraft reines Gold.
Und dicht
beim Baum des Lebens stand der Baum,
Der tödliche
Erkenntnis uns beschert,
Erkenntnis
von der allerhöchsten Güte,
Gewonnen
durch Erkenntnisse des Bösen.
Im Süden
floss
ein breiter Strom dahin
Und
schlängelte durch Eden seinen Gang
Und ward
verschluckt von eines Berges Schoß.
Es hatte Gott
empor gebaut den Berg
Am reißenden
Gewässer, welches durstig
Aus Poren
hoch getrieben ward und oben
Als frische
Quelle sich ergoss
und vielmals
Befeuchtete
das Gartenparadies
Mit feuchtem
Rinnsal, bis es nieder troff
Die tiefe
Schlucht und sich dem nassen Wasser
Des dunklen
Abgrunds neu hinzu gesellt,
Wie Arme,
Arme voller Macht und Stärke,
Durchschlängelte
das grüne Edenreich
Und
schlängelte durch manche Sagenländer,
Wovon die
Mythe lange schon verstummt,
Obwohl die
Poesie doch singen möchte,
Wie aus der
klaren Quelle quillt der Bach
Im
Schimmerglanz von Perlentropfen, über
Das
Silberwatt, und süßen Nektar schenkt,
Da dem
Mäander gleich die Feuchtigkeit
Erfrischend
wälzt sich unter milden Schatten
Und jedes
Grün und jede Blume tränkt
Und Blüten,
die des Paradieses würdig,
Besucht und
die Natürlichkeit der Kunst
In
Gartenbeeten, da die sanfte Schöpfung
Verstreut
sich von den Bergen in das Tal,
In Fluten
ausgeschüttet, wo die Glut
Der
Morgensonne schwül das offne Feld
Mit Frieden
grüßt und wo die frischen Schatten
Zu Mittag
dämmern in der Gartenlaube.
Der Ort war
ein glückseliger Bezirk
Der
Ländlichkeit im Reichtum seiner Schönheit.
Von Bäumen
tropfte Harz balsamengleich,
Als ob die
Bäume Salbentropfen weinten,
Die goldnen
Früchte hingen liebevoll
Wie in dem
Mythos von den Hesperiden
Und diese
Früchte schmeckten deliziös.
Dazwischen
war ein weiter grüner Rasen
Und sanft
gewellt die Hügel auf der Flur,
Da Rehe äsen
auf der Kräuterwiese.
Die Palme mit
den Fächern ihrer Wedel
Und Blüten
in dem süß benetzten Tal
Die Schätze
streuten aus, den Blumenschmuck,
Die rote Rose
ohne scharfe Dornen.
Auch Grotten
waren da mit kühlem Schatten
Und kühl
erfrischend süße Wonnebuchten
Und
purpurtraubentragend Rebenranken
Am üppigen
Gewächs des fruchtbarn Weinstocks.
Und an dem
Bergeshang der frische Bach
Leis murmelnd
schlängelt in des Tales Schoß
Und Wasser
sammeln sich zu einem Teich
Mit
heidelbeerbekränztem Ufersaum,
Mit reinen
Spiegels leuchtendem Kristall.
Gevögel
singt im Chor und Lüfte lenzlich
Die Düfte
atmen ein von Feld und Wald
Und Laub
erzittert von der Lüfte Rauschen.
Pan führt im
Tanz der makellosen Horen
Und sittlich
schönen Grazien in dem Frühling,
Führt in die
Lenzlust, welche ewig währt!
Selbst das
Gefilde, wo Proserpina,
Die Schönste,
ihre schönen Blüten pflückte,
Wo sie von
Hades vergewaltigt wurde
Und so
Demeter ihre Leiden brachte,
Selbst dies
Gefilde konnte sich nicht messen
Mit Edens
Paradies, nicht Daphnes Hain
Und nicht die
Quelle von Kastalien
Und nicht wo
Bacchus in der Jugend lebte
Und nicht
Äthiopien am Quell des Nil,
Dies alles
war nicht gleich dem Garten Eden.
Hier jede Art
lebendigen Geschöpfs
Entzückend
war und neu und ungewohnt.
Zwei Wesen
waren hier von Gottes Adel,
Die in
Gestalt und Wesen edel waren,
Die aufrecht
standen, aufrecht, Göttern ähnlich,
Im
Ruhmeskleid der angebornen Nacktheit,
In angeborner
Blöße Majestät,
Die königlich
regierten die Geschöpfe,
Die ihres
Königtumes würdig, weil
In ihren
Augen strahlte Gottes Bild,
In ihren
Augen glänzte Gottes Weisheit,
Die Wahrheit
und die ernste Heiligkeit
(Gestrenge
Heiligkeit und dennoch frei,
Freimütig
wie des lieben Gottes Kinder!)
Denn aus der
Ebenbildlichkeit mit Gott
Die Vollmacht
stammte dieser beiden Menschen.
Doch wie ihr
Sex nicht gleich geschaffen war,
So waren Mann
und Frau nicht gleich geschaffen.
Geschaffen er
für Tatkraft und Gedanken,
Geschaffen
sie für Liebreiz und für Sanftmut,
Er war für
Gott unmittelbar geschaffen
Und sie
geschaffen war für Gott in ihm.
Sein
Strahlenauge, seine klare Stirn
Verkündeten
die königliche Macht.
Er trug die
hyazinthnen Locken lang
Vom Scheitel
auf die Schultern männlich breit,
Sie trug bis
zu der schlanken Leibesmitte
Wie einen
Schleier ihre langen Flechten,
Die
ungebunden und in Ringellocken
Gekräuselt
flossen hin in losen Wellen,
Wie Reben
ihre langen Ranken winden,
Zum Zeichen
ihrer Untergebenheit,
Von milder
Überlegenheit gefordert,
Von ihr
geleistet und von ihm empfangen
Als Gabe, die
sie in der guten Ordnung
Von Gott
erzogen ihm ergeben gibt
In stolzer
Demut und nach kurzer Zeit
Verliebten
Widerstrebens einer Frau.
Geheimnisvolle
Genitalien auch
Verbargen
jene nicht, es gab noch kein
Gefühl von
falscher Scham. Verlogne Scham
Vor
gottgebildeter Natürlichkeit,
Unsittlich
ist die Sittsamkeit der Sünder,
Die trüben
nur das pure Menschenbild
Mit
Eitelkeit, voll Tugend zu erscheinen,
Die nur
verbannen aus dem Menschenleben
Die höchste
Glücklichkeit im Menschenleben,
Des Ursprungs
Einfalt und die nackte Unschuld!
So schritten
sie umher und schauten an
In ihrer
Nacktheit Gottes Angesicht
Und
Engels-Augen, dachten sich nichts Böses
Und gingen
Hand in Hand, das schönste Paar,
Das je in
Liebe sich umfangen hielt.
Der
Mächtigste der Männer Adam war
Und Eva war
die Schönste aller Frauen.
Und unterm
Schatten grünen Laubes saßen
Sie bei dem
frischen Wasser auf der Wiese
Und nach der
leichten Arbeit in dem Garten
Erquickten
sie der Zephyr und die Aura
Und angenehm
war die Bequemlichkeit
Und Durst und
Appetit nach guter Speise
Erlangten die
Befriedigung des Mundes,
Da lustvoll
boten sich die Früchte an,
Die
Nektaräpfel in der Dämmerung,
Von Zweigen
leicht geschüttelt, leicht gefallen,
Da lagen sie
auf weichem Blumenteppich.
Sie speisten
mit dem Mund der Früchte Fleisch
Und stillten
ihren Durst mit reinem Trank.
O wie
umwarben sich die beiden süß,
O welcher
Liebreiz liebevollen Lächelns,
O welche
jugendlichen Liebesspiele!
Ein
angetrautes schönes Liebespaar
Verhält sich
so zu recht im süßen Bund
In ihrer
liebevollen Zweisamkeit.
Und um sie
spielten Tiere dieser Erde,
Der Löwe
spielte da mit einer Zicke
Und hielt sie
liebevoll mit seinen Pranken,
Der Tiger und
das schwarze Pantherweibchen,
Der Elefant
hob seinen langen Rüssel,
Die Schlange
nahm den Schwanz ins Schlangenmaul,
Die
Mutterkühe ruhten auf der Wiese
Und schauten
mütterlich aus sanften Augen.
Die Sonne
eilte zu den Meeresinseln,
Am Himmel
zeigten sich des Himmels Boten.
3
Und Eva
sprach zu Adam: O mein Mann,
Aus dem ich
meine Form empfing für dich,
Als
Menschenfleisch von deinem Menschenfleisch,
Und ohne den
ich nicht die Richtung finde,
Mein Haupt
und Führer, gut hast du gesprochen.
Wir schulden
Gott ja täglich Dank und Lob,
Besonders
ich, die ich mich so erfreue
An meines
Schicksals Gunst, weil ich mich freue
An dir, der
du mir überlegen bist,
Der du doch
keinen deinesgleichen findest
Zum Freunde.
Oft gedenk ich jenes Tages,
Da ich zum
erstenmal vom Schlaf erwacht,
Da ich auf
Blumen unter Schatten lag
Und um mich
sah und nicht begreifen konnte,
Woher ich kam
und wer und was ich sei.
Ganz in der
Nähe quoll aus einer Grotte
Ein Wasser
leise flüsternd und verlief sich
In glatter
Flüssigkeit, dem Äther gleich.
Da ging ich
hin mit unerfahrnen Sinnen
Und schaute
in dem Licht des Wasserspiegels
Ein Wesen,
welches schaute aus nach mir.
Ich wich
zurück, zurück wich dieses Wesen.
Ich kehrte
freudig wieder an das Wasser,
Das Wesen
kehrte ebenfalls zurück,
Das Wesen
schaute auch mich an mit Blicken
Voll
Mitgefühl und Sympathie und Liebe.
Ich stünde
heute noch vorm Wasserspiegel
Wie
festgebannt in leerer Sehnsuchtsqual,
Was du dort
schaust, liebreizendes Geschöpf,
Das bist du
selber nur im Wasserspiegel.
Doch folge
mir, ich bringe dich dorthin,
Wo dich nicht
eitle Schattenspiele täuschen
Und wo dir
die Umarmung nichts verwehrt!
Den, dessen
Ebenbild du bist, genieße,
Genieße
unzertrennlich seine Liebe,
Gebären
sollst du Menschenkinder ihm
Und sollst
die Mutter alles Lebens heißen!
Da konnte ich
nicht anders als zu folgen.
Da sah ich
Adam in der Wohlgestalt,
Du ruhtest
unter den Platanenzweigen.
Doch dacht
ich: Dieser Mann ist nicht so schön
Wie jenes
Schattenbild im Wasserspiegel.
Da kehrte ich
zurück zum Wasserspiegel.
Du aber
riefest: Komm, geliebtes Evchen!
Vor wem denn
fliehst du? Dieser, den du fliehst,
Dem bist du
Fleisch von Fleisch und Bein von Bein.
Auf dass du
werden mögest, was du bist,
Gab ich dir
aus der Seite meines Herzens
Den
Lebensstoff, um dich an meiner Seite
Als
liebevolle Trösterin zu haben,
Als eine
Tröstung, die ich nie verliere,
Auf dass auf
immer bleibe mir der Trost.
So strebe ich
nach dir, geliebtes Evchen,
Als meiner
Seele Seele und ich will dich
Als meine
andre Hälfte, liebes Evchen!
Und Adams
Hände fassten Evas Hände
Und ich ergab
mich und ich sehe ein,
Wie
Frauenschönheit übertroffen wird
Von eines
Mannes Weisheit, nämlich Weisheit
Des Mannes
ist des Mannes Seelenschönheit.
So sprach die
Mutter aller Menschenkinder,
Mit Blicken
lockte sie den Vielgeliebten,
Unangefochten
seine Frau allein,
Ergeben
lehnte sie sich sanft an Adam,
Den Ahn des
ganzen menschlichen Geschlechts.
Die schöne
Brust, die nackt und schwellend war,
Verschleiert
von den ungebundnen Flechten,
Berührte
Adams Brust, er lächelte,
Von ihrer
Schönheit Reizen hoch entzückt,
In Liebe
stark, wie Göttervater Jovis
Zu Juno sah,
der Himmelskönigin.
Und mit den
Küssen seines Mundes Adam
Die femininen
Lippen Evas küsste!
4
Und Adam
wandte sich an seine Eva:
Geliebte
Braut, die Nacht gemahnt uns nun
Und alle
Wesen, die zur Ruhe gehen,
Zum süßen
Schlaf. Denn Gott gab uns die Ruhe
Zur schönen
Arbeit wie zum Tag die Nacht,
Eins nach dem
andern. O des Schlafes Tau
Fällt
liebesmüde auf die Augenlider.
Geschöpfe
treiben sich in Muße um
Und brauchen
wenig Ruhe, wenig Schlaf,
Wir Menschen
aber haben
unsre Arbeit,
Die
körperliche oder die des Geistes,
Und das ist
unsre Würde und beweist,
Der Vater
achtet unser Werk auf Erden.
Wenn Wesen
schweifen ohne gute Taten,
So rechnet
ihnen Gott ihr Tun nicht an.
Der Orient
wird morgen sich erfrischen
Mit erstem
Pinselstrich der Morgenröte,
Da machen wir
uns an das Liebeswerk
Und reinigen
die blumenreiche Laube,
Den grünen
Rasen, unseren Spazierweg
Zur
Mittagszeit in üppiger Belaubung,
So üppig,
dass es unsrer Arbeit spottet,
Das
überwuchert unsre Wandelwege
Und bräuchte
mehr als unser beider Hände,
Die
Fruchtbarkeit zu zähmen. Dort die Blüten
Und dort die
Tropfen Harz vom Pinienstamm,
Verstreut die
Tropfen liegen auf dem Pfad,
Die leichten
Blüten fielen in die Wiese,
So räumen
wir die Wandelwege frei,
Den Weg zu
glätten für die nackten Füße.
Doch jetzt
ruft uns Natur zur Ruh der Nacht!
Und Eva
sprach, Bild allerhöchster Schönheit:
Mein Ursprung
und Gebieter, was du sprichst,
Das will ich
tun, ich will nicht widersprechen.
Gott weist
den Weg, ja, Gott ist dein Gesetz
Und du bist
mein Gesetz. Mehr weiß ich nicht,
Nicht mehr zu
wissen ist des Weibes Glück
Und ist für
alle Zeit der Ruhm der Frau.
In deiner
Nähe flüchtet mir die Zeit
Und mich
ergötzt die Arbeit jeden Tages.
Süß ist der
frische Kuss
der Morgenröte
Und süß der
Morgenröte erster Hauch.
Schön des
Gevögels Sang zur Morgenröte
Und schön
die Sonne, wenn sie auferwacht
Und wenn die
Sonne mit den Strahlen tastet,
Mit ihren
Fühlern tastet nach dem Kraut,
Nach Bäumen,
milden Blüten, süßen Früchten,
Die glitzern
von den feuchten Tropfen Tau.
Wenn süße
Regenschauer sich ergossen,
Dann duftet
süß die fette Mutter Erde.
Wie süß
auch naht die milde Abendstunde
Mit
feierlichen Hymnen des Gevögels
Und oh wie
schön die abendliche Luna
Und an dem
Himmel alle Edelsteine
Und weiten
Wanderungen schöner Sterne.
Was ist mir
das Gezwitscher des Gevögels
Des Morgens,
was ist mir die junge Sonne,
Wenn sie sich
breitet übers grüne Land,
Was ist mir
Kraut und Baum und Frucht und Blüte
Und was ist
mir der Tauestropfen Glitzern
Und was der
fetten Mutter Erde Duft
Nach dem
Erguss
des feuchten Regenschauers
Und was ist
mir die milde Abendstunde
Und was die
stille schwarze Mutter Nacht,
Was des
Gevögels feierliche Hymnen
Und was die
weite Wanderung der Luna?
Das alles ist
nicht herrlich ohne dich!
Ach, ohne
dich ist nichts mir süß auf Erden!
Wenn aber
strahlen jene Sternenmenschen,
Wem gilt die
Schönheit dieser Sternenmenschen,
Sind unsre
Augen in dem Schlaf geschlossen?
Vollkommne
Eva, Gottes erste Tochter,
Vollkommne
Eva, schönste Menschentochter,
Es haben
Sterne um die blaue Erde
Die Bahnen zu
vollenden in der Nacht,
Ihr Licht im
Aufgang und im Untergang
Den
ungebornen Menschen auszuspenden.
Zur Nacht
darf nicht die tiefe Finsternis
Ihr altes
Eigentum zurückgewinnen,
Das Leben
auszulöschen in der Schöpfung,
Die nicht
allein von milden Sternenfeuern
Erleuchtet
wird, auch von der süßen Wärme
Durchflutet
wird, da vielfach ist der Einfluss,
Da Sterne
tröpfeln ihre Sternentugend
Auf alle
Arten irdischer Geschöpfe,
Die, so
bereitet, die Vollkommenheit
Des heilig
größern Sonnenlichts empfangen.
Die Sterne
scheinen nicht umsonst zur Nacht,
Obgleich sie
auch kein Menschenauge sieht.
Doch glaub
nicht, dass nicht Engelsmenschen wären,
Beschauer sie
der Schönheit von dem Himmel,
Die singen
Gott. Millionen Engel wallen
Als geistige
Geschöpfe durch die Welt
Unsichtbar,
wenn wir ruhn und wenn wir wachen.
Die Engel
schauen Gottes Werke an
Und nie
ermüden sie im Lobpreis Gottes.
Wie oft vom
Walde mit der Echo Stimme
Vernehmen wir
in dunkler Mitternacht
Vom Hügel
Himmelsstimmen, Gott zu loben!
Sie halten
oft in Scharen Wache oder
Zum
Sphärenton vollkommener Musik
Voll Harmonie
erfüllen sie die Nacht
Mit Liedern,
die zum Himmel uns begeistern!
So redend
gingen beide Hand in Hand
In
Glücklichkeit zu ihrer grünen Wohnung.
Das war ein
Ort, vom Herrn, dem Gärtner, selbst
Erwählt, der
alle Schöpfungen erschaffen
Zum Nutzen
und zur Freude seiner Menschen.
Das Dach war
eine Laube sanfter Schatten,
Wo Myrte sich
und Lorbeer sich vermählten,
Zur Seite
Büsche voller süßer Düfte,
Da von
Akanthus war die grüne Mauer,
Voll süßer
Blumen, violetter Iris,
Jasmin, die
Rose mit den roten Locken,
Ein
Blumenmosaik, bescheidne Veilchen
Am Boden
dicht und Hyazinth und Krokus
Als bunter
Teppich unter ihren Füßen
Und schöner
als ein Mosaik von Steinen.
Kein anderes
Geschöpf war gegenwärtig,
Insekt und
Wurm und Vieh und Vogel nicht
Getrauten
sich in diese Gartenlaube
Aus scheuer
Reverenz vor Gottes Menschen.
In solcher
süßen schattenreichen Laube
Schlief
niemals Pan, schlief niemals eine Nymphe.
Hier
schmückte Eva, Adam angetraut,
Mit
Blumenkränzen und mit süßem Kraut
Ihr keusches
eheliches Liebeslager!
Der
Himmelsengel Chöre aber sangen
Der schönen
Eva einen Brautgesang,
Als die der
Engel Hymenäus brachte
In ihrer
nackten Schönheit zu dem Mann,
Dem Ahn des
ganzen menschlichen Geschlechts.
So waren sie
im schattigen Gemach
Und wandten
sich zu Gott und beteten
Zu Gott, der
Feuer, Erde, Luft und Meere
Erschaffen,
der erschaffen Lunas Schönheit:
Du machtest
auch die Mutter Nacht, o Schöpfer,
Du machtest
diesen Tag, da glücklich wir
Vollendet
unsre schöpferische Arbeit,
Einander
zugetan in Rat und Tat
Und selig in
dem Bündnis unsrer Liebe,
Da unser
Glück sich kränzt mit unsrer Liebe!
O dieser
schöne Ort der Seligkeit,
Der reich an
Überfluss,
dass die uns fehlen,
Die mit uns
ernten von dem Überfluss,
So mancher
Same fällt umsonst zur Erde.
Du hast ein
menschliches Geschlecht verheißen
Von
Menschenkindern gleich den Sternen Gottes,
Die füllen
sollen dieser Erde Rundung,
Die so wie
wir lobpreisen deine Güte,
Ob wir nun
wachen oder ob wir schlafen,
Dich bittend
ums Geschenk geliebten Schlafes.
So sprachen
sie, vereint in ihrer Liebe,
Anbeteten und
taten weiter nichts,
Anbetung
ists, was Gott zumeist gefällt.
Dann gingen
sie ins Innerste der Laube
Und hielten
zärtlich sich an ihren Händen,
Frei von den
Hüllen, die wir heute tragen,
So legten sie
sich nackend in das Bett,
Da wandte
Adam sich gewiss
nicht ab!
Die süße
Eva gab sich völlig hin
In
Ganzhingabe ehelicher Liebe!
Was immer
prüd bigotte Heuchler sprechen
Von Tugend,
Keuschheit und Enthaltsamkeit,
Ich möchte
doch als unrein nicht verlästern,
Was Gott
erfunden und als rein erklärt!
Heil eheliche
Liebes-Einigung!
Geheimnis und
Gesetz der Liebe Gottes!
Du reine
Quelle neuer Menschenkinder!
Des
Paradieses schönstes Privileg!
Sonst ist
doch aller Kreatur gemeinsam
Die
Schöpfungsfruchtbarkeit im Garten Eden,
Doch Unzucht
eheschänderischer Wollust
Nahm Gott vom
Menschen, ließ sie nur dem Tier
In seiner
Armut, das sich wahllos gattet.
Jedoch der
Mensch im Geiste wird geadelt
Durch dich,
von Gott du eheliche Liebe,
Ward auch von
der Vernunft geadelt, rein
Und heilig
und gerecht, das Band des Blutes,
Was
liebenswert in den Familienbanden.
Das sei mir
fern, dass ich dich Sünde nenne,
Dass
ich dich im glückseligen Bezirke
Nicht denken
mag, du unerschöpfte Quelle
Des liebenden
Entzückens: O dein Bett,
Dein Bett ist
unbefleckt und rein und heilig,
So gilt es
heute noch den wahren Frommen,
Wie Heiligen
und Patriarchen sonst.
Hier zündet
Eros seinen Feuerpfeil,
Hier zündet
Eros seine heiße Fackel,
Hier spreizt
und breitet Eros seine Schwingen
Und herrscht
und rauscht in der Vereinigung!
Die Liebe ist
nicht in der Käuflichkeit
Der
ungeliebten, freudenlosen Hure.
Die Liebe ist
nicht im Genuss
allein,
Sie ist nicht
in den flüchtigen Affären,
Sie ist nicht
in der Minne Ehebruch
Und nicht in
Sklaverei des Minnesklaven,
Verliebter
Eitelkeit des Minnesängers,
Die Liebe ist
nicht in dem Fest der Nacht
Und nicht im
Karneval und nicht im Tanz.
Doch Adam
schlief mit Eva in Umarmung,
Die
Nachtigall sang süß sie in den Schlaf.
Von oben auf
die schönen nackten Glieder
Ein
Blütenregen Rosenblüten goss.
So schlummre
selig, schönes Liebespaar,
Glückseligstes
der Liebespaare Gottes,
Ermattet von
der Liebe schlaft im Garten,
Bis ihr noch
mehr Glückseligkeit erkennt,
Erkenntnis,
die ihr heute noch nicht ahnt!
HYMNEN AN
GOTT
NACH SANKT
DIONYSIOS AREOPAGITA
ERSTE HYMNE
AN DIE
GÖTTLICHE WEISHEIT
Die liebe
Bibel spricht von meiner Herrin Weisheit,
Dass
sie geheimnisvoll den Mischkrug bietet an
Und heilig
einen Trank ausspende ihren Freiern,
Zuvor jedoch
setzt sie die fromme Speise ein
Und mit
erhobnem Ton der Stimme lädt sie freundlich
Die Gäste zu
sich ein, wer ihres Mahls bedarf.
Die Herrin
Weisheit schenkt so doppelt eine Nahrung,
Die fest und
dauerhaft, die andre flüssig ist.
Im Mischkrug
teilt sie mit vorsorgend ihre Güte.
Der Mischkrug
ist ja rund und offen, so ein Bild
Der Vorsicht
Gottes ist der Mischkrug, allumfassend,
Die Vorsicht
ja durchdringt und auch umschließt das All.
Die Vorsicht
geht hinaus zu den geschaffnen Dingen
Und bleibt
doch in sich selbst, steht in sich selber fest.
So auch der
Mischkrug steht in Festigkeit beharrlich.
Die Herrin
Weisheit baut baumeisterlich ein Haus
Und setzt die
Speise vor, den Becher und den Mischkrug.
Für jeden
Sinnenden, der Göttlichkeit betrachtet,
Ist also
dargestellt, dass Herrin Weisheit ist
Urheberin des
Seins und allen süßen Wohlseins,
Sie geht zu
allen aus, bewegt sich in dem All,
Umgibt die
Dinge all. Und doch ist Herrin Weisheit
Ganz
Selbstheit in sich selbst und ist in keinem Ding,
Getrennt von
allem sie ist in sich ewig seiend,
Die sich
besitzt, die bleibt und stets sich gleich verhält,
Geht nicht
aus sich heraus, verlässt den eignen Sitz nicht,
Die niemals
sie verlässt die eigne Wohnung still
Und ihren
eignen Herd. In ihrer eignen Wohnung
Bleibt ewig
wohnen sie und dort vollbringt sie selbst
Der ganzen
Vorsicht Werk, ganz in sich selbst verharrend,
Geht sie zu
allem aus, die in sich selber steht
Und alles
Sein bewegt, das Wirken ihrer Vorsicht
Wirkt sie,
die sie beharrt, und sie, die sie beharrt,
Bewirkt der
Vorsicht Werk, naturgemäß beharrend,
Ja über die
Natur Beharrungskraft besitzend,
Urheberin des
Werks der Vorsicht in der Welt.
Was ist das
feste Brot, was ist im Becher flüssig?
Die Weisheit
spendet ja das Brot und auch den Wein.
Die feste
Speise ist die geistige Vollendung,
Erkenntnis
voller Kraft und Einigkeit mit Gott,
Ist
Anteilhabe an der Göttlichkeit der Gottheit
In reiner
Geistigkeit. Wer solche Speise speist,
Nimmt an der
Weisheit teil wie einst der weise Paulus.
Der Nahrung
Flüssigkeit, das ist die Lehre, die
Zu allen
Menschen strömt, die Schüler mannigfaltig
Entsprechend
ihrem Geist zur Gotterkenntnis führt.
Das Wort, das
geistig ist, die Geistesworte geistlich
Vergleicht
dem Wasser man und lichtem Lebens-Tau
Und Honig,
Milch und Wein, die Lebenskräfte zeugen
Und Wachstum
fördern wie die süße weiße Milch
Und
neubelebend sind wie edler Wein im Becher
Und wirken
Reinigung wie goldner Honig süß.
Die Herrin
Weisheit schenkt den vielgeliebten Freunden
Den großen
Überfluss
an göttlichem Genus,
Denn das
heißt Speise. So erweckt sie Lebenskräfte,
Belebt erneut
den Geist und reinigt und bewahrt.
Die Herrin
Weisheit ist so wahrhaft menschennährend,
Führt zur
Vollkommenheit, zur Göttlichkeit in Gott.
Oh Gottes
Trunkenheit! Das ist die Überfülle,
Denn Gott ist
übervoll an allem wahren Gut,
Ursächlich
ist in Gott des Guten Überfülle,
Eh Gott sie
spendet aus. Von Sinnen ist der Herr,
Ja, trunken
ist der Herr! Das ist das Überragen
Der Gottheit
über das, was je begreift ein Sinn,
Die Sinne
übersteigt die Trunkenheit des Gottes,
Und was man
je erkennt, was nur erkennbar ist,
Dies alles
übersteigt und alles Sein und Wesen
Des Gottes
Trunkenheit, so Gott von Sinnen ist!
Das Fest der
Seligen in Gottes Himmelreiche,
Das ist die
Kommunion der Seelen im Genuss
Der Güte
Gottes und der Fülle alles Guten,
Ist ewiger
Genuss!
Die Ruh der Seligen
Ist Ruh von
aller Müh, ihr Leben unverletzlich,
Ihr Wandel
ist im Licht, im Land der Lebenden,
Da Jesus sie
erfreut, da Jesus ihnen zuweist
Den Platz an
seinem Tisch, da Jesus sie bedient
Und Ruhe
ewiglich und Fülle ihnen spendet
Von allem
wahren Gut in der Glückseligkeit.
Dann aber
schläft der Gott. Was ist das Schlafen Gottes?
Der
Übergottheit Schlaf bedeutet das in Gott,
Was
hocherhaben ist und über allem Wesen
Und was
unmitteilbar ist aller Kreatur,
Die Gottes
Vorsicht lenkt. Und die Vollendung ist
Der Seele
süße Ruh im Schlaf der Übergottheit,
Da süß die
Seele schläft mit Gott in Einem Bett!
ZWEITE HYMNE
AN DIE
GÖTTLICHE SCHÖNHEIT
Der
Platonismus preist als Höchstes Gut die Schönheit.
Das Gute wird
genannt die Schönheit oder auch
Das Schöne.
Und es ist in absoluter Einheit
Der Schönheit
Geist vereint mit allem Schönen. Doch
In dem, was
seiend ist, im Seienden des Daseins,
Da ist das
Schöne das, was an der Schönheit hat
Verschiednen
Anteil. Doch das Überwesentliche
Des Schönen
wird genannt die Schönheit. Diese teilt
Dem Schönen
Schönheit mit, sie gibt dem Schönen Anteil
An ihrer
Schönheit, sie schenkt Ebenmaß und Glanz,
Schenkt
Ordnung, Klarheit, Licht, und ruft, dem Licht vergleichbar,
All das, was
seiend ist, zur Anteilhabe auf
An ihrer
Schönheit Glanz und wendet alles Schöne
Der eignen
Schönheit zu. Wird Schönheit schön genannt,
Ist sie
vollkommen schön, sie ist das Überschöne,
Das immer, je
und je, aufs stets dieselbe Art
Und Weise
wirklich schön, kein Werden und Vergehen
Je mindert
oder mehrt die Schönheit, diese ist
Nicht nur in
Teilen schön, in andern Teilen hässlich,
Nicht nur
bisweilen schön, bisweilen aber nicht,
Nicht im
Verhältnis nur zu einem Andern Schönes,
Doch im
Verhältnis dann zu Anderm Hässlichkeit,
Sie ist nicht
hier nur schön, dort aber ist sie hässlich,
Nicht nur dem
Einen schön, unschön dem Anderen,
Nein, sie ist
in sich ganz, im Einklang mit sich selber,
Einförmig
immer schön, ist immerseiend schön.
Die
Ursprungsschönheit ist der Ursprung alles Schönen,
Ist schön im
Übermaß, geht jeglichem voraus,
Was je wird
schön genannt, ist Ursprung alles Schönen.
Denn alles
Schöne hat in einfacher Natur
Die Schönheit
in sich selbst, die supernaturale
Urschönheit
ist an sich und allem geht voraus.
Aufgrund der
Schönheit selbst sind schön die schönen Dinge,
Denn diese
Schönheit ist des Schönen Seinsgrund selbst,
Der schönen
Dinge Grund. Und durch der Schönheit Schönes
Bestehen
Einklang und Gemeinschaft allen Seins,
Des Seienden
Verein, weil diese Schönheit alles
Durch schöne
Liebe lenkt und leitet hin zu sich.
Zur Schönheit
leitet sie durch Liebe alles Dasein
Und so in
diesem Drang zu diesem schönen Ziel
Die Schönheit
schön vereint des Seienden Bestreben
Und alles
Seiende vereint zum Ziele strebt.
Denn diese
Schönheit ist der Ursprung der Bewegung
Von allem
Seienden und allen Daseins Ziel,
Das Ziel, für
das das All des Seienden entstanden.
So ist die
Schönheit auch dem Guten völlig gleich,
Das Gute ist
es ja, nach dem die Wesen streben,
Und an dem
Guten hat ja Anteil alles das,
Was irgend
gut genannt. Es bleibt jedoch das Gute
Nicht in sich
selbst, vielmehr das Gute wird bewegt
Und fängt zu
wirken an, im Übermaß des Schaffens
Bringt alles
sie hervor, die Güte aus sich selbst.
Was diese
Güte nun bewegt zum Überfließen
Des
Schöpfertums, das ist die Liebe. Liebe ist
Ekstase, denn
sie macht den Liebenden zu eigen
Dem Wesen,
das sie liebt, geht in das Wesen ein.
Jetzt lebe
nicht mehr ich, jetzt lebt in mir der Christus.
So darf man
sagen auch, der Ursprung alles Seins,
Urheber allen
Seins, Urheber aller Dinge,
Gott sei im
Überschwang der glühend liebenden
Und reichen
Güte aus sich selbst herausgeraten,
Gott geht aus
sich heraus, geht nicht aus sich heraus,
Gerät ganz
außer sich, umsorgt mit seiner Vorsicht
Das Seiende,
das All, das Dasein in der Welt.
Der Gott wird
aber auch genannt die Schöne Liebe,
Doch der
Geliebte auch, der vielgeliebte Gott.
Der
vielgeliebte Gott bringt nämlich im Geschaffnen
Die Liebe
selbst hervor, die Liebe zu Sich Selbst,
Die Liebe zu
dem Gott des Ursprungs aller Liebe.
Der Gott
bewegt sich selbst durch Liebe in sich selbst
Und aus sich
selbst heraus, das ist die Schöne Liebe.
Der
vielgeliebte Gott bewegt das ganze Sein
Durch seiner
Liebe Kraft zur Liebe zu dem Gotte.
So Gottes
Liebe ist der Ursprung alles Seins,
So Gottes
Liebe ruft das Sein zurück zur Gottheit.
So Gottes
Liebe ist ein ewiglicher Kreis,
Aus Schönheit
alles wird, aus Schönheit alles da ist,
Zur Schönheit
kehrt zurück das ganze All des Seins.
DRITTE HYMNE
AN DIE
GÖTTLICHE LIEBE
Ich preis die
Liebe nicht im Gegensatz zur Bibel,
Denn
unvernünftig ists und es ist ganz verkehrt,
Wenn sich ein
Mensch nicht hält an Gottes weise Absicht,
Die Kraft,
die alles lenkt, sich nur an Worte hält.
So sind die
Menschen nicht, die Gott erkennen wollen,
So sind die
Leute nur, die Töne hören nur,
Nur hören
mit dem Ohr und wollen gar nicht wissen,
Was dieses
Wort besagt und wie dasselbe Wort
Ersetzt kann
werden durch ein andres Wort, das ähnlich,
Am Buchstab
hängen sie und an der Lettern Blei,
An Sitten und
am Wort, doch dringen Gottes Worte
In ihren
Geist nicht ein, umsummen nur das Ohr
Und plappern
auf dem Mund, als wäre es nicht möglich,
Zu sagen
anstatt Vier auch Zwei mal Zwei, als sei
Es völlig
unerlaubt, die kürzeste der Linien
Als grade
Linie zu bezeichnen, Vaterland
Zu nennen
Mutterland und andre solche Spiele.
Doch der
Vernunft gemäß gebrauchen wir das Wort,
Die Silben
jedes Worts und Buchstab neben Buchstab
Und Lettern
und so fort für unsre Sinnlichkeit,
Um
wahrzunehmen so mit unsern Körpersinnen,
Und wenn die
Seele sie mit geistiger Potenz
Erhebt zum
reinen Geist, zur geistigen Erkenntnis,
Dann wird die
Sinnlichkeit nicht mehr notwendig sein,
Selbst unsre
Geistigkeit wird überflüssig werden,
Wenn unsre
Seele wird gottähnlich in dem Herrn,
Im Aufschwung
augenlos sich aufschwingt zur Beschauung
Des
unzugänglichen, in Gott verborgnen Lichts.
Doch wenn der
Geist sich müht durch Sinnenfälligkeiten,
Sich
aufzuschwingen zur Beschauung in dem Geist,
Vorzüglich
wählt er dann die Sinnenfälligkeiten,
Die da zur
Sinnlichkeit im Widerspruche stehn.
Was Sinne
fassen, das ist Sinnen unerklärlich,
Die Sinne
können selbst dem Geist das Sinnliche
Nicht ganz
erklären. So erkläre ich die Bibel,
Wenn ich den
Eros preis. Wem solches widerstrebt,
Der höre
selbst die Schrift, da sagt die Schöne Liebe:
Die Liebe
liebe du, behüten wird sie dich,
Umzäune sie
und sie wird dich zu Gott erheben,
Die Liebe
ehre nur, umfangen wird sie dich
Und was man
sonst noch preist, die Wissenschaft der Liebe
Kennt Gnaden
ihrer Gunst, da schweigst du nur vor Glück!
Den weisen
Dichtern nun erschien der Name Eros
Gottähnlicher
zu sein als der Agape Wort.
Denn Eros ist
in Gott die Leidenschaft der Gottheit,
Wertschätzung
Gottes ist Agape in dem Herrn.
Ignatius
schrieb einst: Mein Eros ist gekreuzigt!
Und Salomo
sprach einst: Liebhaber wurde ich
Der Schönheit
Gottes, der Urschönheit lieber Buhle!
So fürchtet
Eros nicht, den Eros fürchtet nicht,
Und kein
Gerede soll uns irgend bange machen.
Der Theologe
schätzt Agape ebenso
Wie Eros,
aber nur vor der profanen Menge
Der Weise
meidet den Begriff des Eros, preist
Vielmehr
Agape nur, denn voller Vorurteilen
Der üble
Pöbel ist. Doch nicht der Weise nur,
Die Bibel
Gottes auch verehrt den Eros Gottes.
Die Menge
nicht begreift, was Eros Gottes heißt,
Sie denkt nur
körperlich, doch körperliche Liebe
Und die
Erotik in der Sexualität
Ist Abfall
nur von Gott. Doch der profanen Menge
Ist Eros
unbekannt, wie Eros ist in Gott.
Drum der
Profane scheut, wenn Gott man preist als Eros
Und wenn
erotisch man die Weisheit Gottes preist!
Die Weisheit
Gottes ist Erotik Gottes, Amen!
Wer aber
führt das Volk zu der Erkenntnis, wer
Bewahrt vor
Peinlichkeit und vor dem heißen Schamrot?
Verkehrtes
denken sie bei der Erotik nur,
Doch die
Erotik ist der Gottheit angemessen!
Ein Dichter
sagte einst: Wertschätzung Gottes ist
Mir
zugefallen, der Wertschätzung gleich von Frauen!
Wertschätzung
Gottes ist ein Name Gottes auch
Wie die
Erotik auch, die göttliche Erotik.
Das hat die
selbe Kraft, ist Einer Liebe Wort.
Der Name Eros
ist von ganz besondrer Sammlung,
Ist
einheit-stiftend und vermischend Geist mit Geist.
So Eros ist
die Kraft, die da besteht im Schönen,
Von Schönheit
geht sie aus, in Schönheit sie vereint,
Im Schönen
sammelt sie, in Schönheit sie vermischt,
Zur Schönheit
zieht hinan die göttliche Erotik.
Das Höchste
sie bewegt voll Gunst zur Niedrigkeit,
Das Niedre
zieht hinan des Eros Kraft zum Hohen
Und so der
Niedrigkeit gesellt den Hohen Gott.
Ekstase Liebe
ist und Liebe ist Ekstase!
Der Liebende
ist nicht sich selbst mehr Eigentum,
Der Liebende
gehört fortan der Vielgeliebten!
Das Höhere,
es neigt sich zu der Niedrigkeit,
Zur
Niedrigkeit der Magd der Geist strebt aus der Höhe,
Das Niedre
strebt hinan zum Hohen voll Begier.
So sagte
Paulus einst: Ich lebe nicht mehr selber,
In mir lebt
nicht mein Ich, in mir lebt Gottes Sohn.
So spricht
ein Liebender, besessen von der Liebe!
Herausgegangen
ist der Minner aus sich selbst,
Ging in die
Gottheit ein, lebt nicht sein eignes Leben,
Lebt Gottes
Leben nur, das Leben Gottes nur.
So ist die
Weisheit auch: Der Schöpfer aller Dinge,
Durch dessen
Liebesglut geworden Güter sind,
In seinem
Überschwang der liebevollen Güte
Geht Gott aus
sich heraus in Liebe zu der Welt
Und aller
Kreatur. Und Gott, der Hocherhabne,
Emporgehobne
Gott, er lässt sich nun herab
Zu aller
Kreatur. Drum nennen Gott die Weisen
Den Gott voll
Leidenschaft, voll glühender Passion,
Da Gott ist
voll Begier, da Gott ist voll Verlangen
Nach seiner
Kreatur, da Gott ist leidenschaftlich
Verlangend
voll Begier nach seiner Kreatur.
Der Schönheit
Eigentum ist völlig die Geliebte,
Ist ganz die
Kreatur, der Schönheit Eigentum
Die Schöne
Liebe ist, Begehren und Verlangen
Und Gottes
Leidenschaft und glühende Passion,
In Schönheit
alles ist, ist alles aus der Schönheit
Und für die
Schönheit da, die Liebe voller Lust!
Was soll das
heißen nun, heißt Gott die Schöne Liebe,
Ist die Agape
Gott, ist die Erotik Gott,
Ist der
Geliebte Gott, ist Jesus der Geschätzte,
Ist Gott der
liebe Schatz? Der Ursprung ist in Gott,
Der Liebe
Ursprung ist in Gott und der Erzeuger
Der Schönen
Liebesglut. Die Gottheit sich bewegt
Durch Schöne
Liebe selbst, doch Gott als der Geliebte
Bewegt die
Kreatur. Durch Schöne Liebe Gott
Und durch
Erotik Gott bewegt sich in sich selber
Und als
Geliebter-Gott bewegt er alles Sein,
Bewegt das
All zu Gott. Die Weisen nennen also
Die Schöne
Liebe Gott und die Erotik Gott
Als
Schönheit, Höchstes Gut, und nennen Gott Geliebter
Und nennen
Gott den Schatz als Wesen, das bewegt
Das All
zurück zu Gott, Agape ist die Liebe,
Die zieht zu
Gott hinan, hinan zum Höchsten Gut.
Die Liebe
Gottes so ist anfanglos und endlos,
Ein Kreislauf
fort und fort, ein Zyklus je und je.
So aus der
Schönheit kommt das Wesen aller Dinge,
In Schönheit
nur besteht das gottgeschaffne All,
Zur Schönheit
kehrt zurück das All geschaffner Wesen,
Der Schönheit
wegen ist geschaffen alles Sein.
Aus Schönheit
geht hervor das Wesen aller Dinge,
In Schönheit
immer bleibt die ganze Kreatur,
Zur Schönheit
kehrt zurück die Seele und der Kosmos.
So singt auch
mein Poet die Liebespoesie.