nach Theokrit
Von
Josef Maria Mayer
ERSTE
EKLOGE
THYRSIS
Wie lieblich,
Ziegenhirte, das Geflöte
Am Felsquell
dort, wie lieblich tönt die Flöte,
Pan flötet
so und so auch flötest du.
Pan sich
erwarb den Bock, du dir die Zicke,
Wenn Pan
erwarb die Zicke, du das Zicklein,
Süß ist das
Zicklein, bis du melkst die Zicke!
ZIEGENHIRT
O Hirte,
lieblich tönt mir deine Flöte
Vom Felsen in
das Tal am klaren Fluss.
Die Musen
führen Lämmer fort zum Lobpreis,
Nimm dir das
süßeste der kleinen Lämmer,
Die Musen
wählen sich das reine Lamm,
Du aber wähle
dir das Mutterschäfchen.
THYRSIS
Bei all den
Nymphen, Ziegenhirte,
Setz du dich
an den Hügel voller Pinien
Und blase
deine Flöte, Ziegenhirte,
Ich gebe acht
dieweil auf deine Zicken!
ZIEGENHIRTE
Ja nicht um
Mittag, Hirt, die Flöte blasen!
Wir fürchten
Pan, am Mittag seinen Schrecken!
Pan macht am
Mittag immer Mittagsschlaf,
Beständig
schnaubt der Zorn aus seiner Nase.
Du, Thyrsis,
weißt von der Passion des Daphnis,
In der Ekloge
bist du doch der Meister.
Komm, lass
uns nieder sitzen bei der Ulme,
Dem
Phallusgott von Hartholz gegenüber,
Im Angesicht
der Grazien und Nymphen,
Wo Hirten
ruhen auf den Gartenbänken
Im
Eichenschatten. Singe mir doch einmal,
Wie du mit
Theokrit im Wettstreit sangest
Um eine Zicke
und um Zwillingszicklein,
Du wolltest
dreimal melken diese Zicke,
Die säugt
die jungen Böcke an dem Euter
Und füllt
den Krug mit schäumend warmer Milch.
Sei auch ein
Becher dein, umkränzt von Efeu,
Sei Milch
darin, versüßt mit Bienenhonig,
Nein, Trauben
seien drin, das Blut der Trauben.
Sei eines
Weibes Bild auf deinem Becher,
Gehüllt in
lange leuchtende Gewänder,
Ein Stirnband
an der Stirn der Priesterin,
Zwei Männer
stehen neben jener Frau
Und streiten,
doch es rührt ihr nicht das Herz.
Jetzt schaut
sie liebevoll zum einen Mann,
Neigt gleich
die Stirn gedankenvoll zum andern.
In Liebe aber
brennen beide Männer,
Ereifern
sich, doch mühen sich umsonst!
Auch seh ich
einen Fischer auf dem Felsen,
Er wirft die
Netze aus, die er geflickt.
Die
Zornesader schwillt ihm an der Stirne,
Sein Bart ist
weiß, doch seine Muskeln kräftig.
Nah diesem
alten Vater ist ein Weinberg,
Mit
Purpurtrauben fruchtbar überladen,
Bewacht von
einem kleinen lieben Knaben.
Zwei kleine
Füchse seh ich auf dem Weinberg,
Der eine
Fuchs die süßen Trauben nascht,
Der andre aus
des Knaben Tasche nascht.
Im Grase
fleißig ist ein Grillenfänger.
Die Fichten
und die Pinien ringsumher
Umhegen das
Gehege dieses Weinbergs.
Dem Schäfer
heb ich eine Zicke auf
Und einen
leckern Käse für das Frühstück,
Von Milch der
Zicke ist der leckre Käse,
Oliven speise
du dazu und Brot.
Mit meinen
Lippen hab ich nicht berührt
Den leckern
Käse aus der Milch der Zicke.
Dir schenke
ich mit Freuden alles dieses,
Wenn du mich
deine Lieder hören lässt.
Ich scherze
nicht. Beginne jetzt dein Lied.
Dem Hades des
Vergessens sparest du
Gewiss
nicht die Eklogen deiner Flöte!
THYRSIS
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
Ich bin es,
Thyrsis, hört auf meine Stimme!
Als Daphnis
schmachtete, wo wart ihr Nymphen?
Wart ihr im
Tempel oder an dem Fluss?
Nicht an dem
Fluss
und nicht auf dem Gebirge?
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
Schakale
jammerten und Wölfe heulten
Und Löwinnen
beweinten Daphnis’ Leiden.
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
Die Kühe
muhten, ruhend in den Wiesen,
Die Ochsen
brüllten und die Kälber spielten.
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
Der Gott der
Weisheit kam von dem Gebirge:
Ach Daphnis,
wem zuliebe schmachtest du?
Wer quält
dich, dass du so vergehst vor Liebe?
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
Der
Lämmerhirte kam, der Rinderhirte,
Der
Ziegenhirte, alle fragten Daphnis:
Wie geht es
dir? Und auch der Phallusgott
Kam: Ach was
schmachtest du? Die Dirne schlüpft
Jetzt durch
die Wälder, badet in der Quelle!
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
O Tor, du
bist ein Tor in deiner Liebe!
Wie
unbeholfen bist du doch in deiner Torheit!
Du meinst, du
bist ein Hirte kleiner Kälber?
Du bist der
Böcke und der Zicken Hirte!
Wenn sich die
Zicke fügt der Brunst des Bockes,
Zerschmilzt
dein Auge: Ach wär ich der Bock!
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
Und siehst
du, wie die Mädchen kichernd scherzen,
Du weinst:
Die Mädchen tanzen nicht mit mir!
Doch Daphnis
schweigt. Im Herzen trägt er Liebe,
Die Liebe
quält ihn bis zu seinem Tod!
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
Ach Daphnis,
sprach sie, Eros willst du fesseln?
Doch Eros hat
dich selber ja gefesselt!
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
Doch Daphnis
sprach: Ah weh mir, Aphrodite,
Wie grausam
ist die Macht der Schönen Liebe!
Ist mir die
letzte Sonne schon versunken?
Im Jenseits
wird mich Eros ewig martern!
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
Ach schöne
Aphrodite, weißt du noch,
Wie du
geliebt den jungen Menschensohn?
Geh wieder zu
dem Mann und liebe ihn!
Dein Liebling
weidet die Kaninchen dort.
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
Ach schöne
Aphrodite, tritt zum Helden
Und sag zum
Helden: Ich bin Aphrodite,
Besiegerin
des armen Hirten Daphnis!
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
Schakale an
den Klippen, Wolf und Bär,
Lebt wohl!
Ich bin nicht mehr im Fichtenwald,
Lebt wohl,
ihr starken Eichen mit den Eicheln!
Leb wohl, du
Fluss
und du kristallner See!
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
Ich bin es
noch, der kleinen Kälber Hirte,
Der ich die
Kühe zu der Quelle führte.
Singt, Musen,
singt die Lieder frommer Hirten!
O Pan, wo du
jetzt weilst, auf welchem Berge,
Verlass die
Klippen und verlass das Grabmal
Des Mannes,
der zum Hades ging hinunter!
Schweigt,
Musen, schweigt von frommer Hirten Liedern!
Vergissmeinnicht
und Brombeerbusch und Nesseln,
Ach, blühen
möge an der Heckenrose
Die
selbstverliebte strahlende Narzisse!
Ach, an der
Pinie hänge mir die Pflaume!
Ach, Daphnis
stirbt! Die Hindin jagt den Jagdhund,
Der Uhu
streitet mit der Nachtigall!
Schweigt,
Musen, schweigt von frommer Hirten Liedern!
Ach, da
verstummte Daphnis! Ihn zu trösten,
Mit Küssen
kam die süße Aphrodite.
Ach Daphnis
tot! Er überschritt die Lethe!
Er war der
Vielgeliebte aller Musen!
Ihn hassten
nicht die Grazien und Nymphen!
Schweigt,
Musen, schweigt von frommer Hirten Liedern!
Gib mir den
Becher, gib mir auch die Zicke,
Der Zicke
Euter will ich dreimal melken,
Ich sprenge
dann die Milch zum Dank den Musen.
Heil, Musen,
Heil! Ich sing euch süßer noch.
ZIEGENHIRTE
Seim,
Thyrsis, fülle dir den trunknen Mund,
Seim, süßer
Wabenseim! Die Feige schmecke!
Du singst ja
süßer als Zikaden zirpen!
Hier, Freund,
der Becher! Riech mit deiner Nase,
Gewaschen in
der Horen reinem Bad!
Komm, schöne
Hirtin, melke mit der Hand!
He, Zicken,
lasst doch eure Possenspiele,
He, Zicken,
euch wird noch der Bock besteigen!
ZWEITE EKLOGE
Wo ist der
Wein? Wo, Freundin, ist der Lorbeer?
Die
Poppie-Blume schlinge um den Becher!
Den Mann will
ich bezaubern, der mich quält!
Ach, sieben
Tage sinds, seit er nicht kommt,
Ja, er weiß
nicht, ob tot ich oder lebend!
Nicht vor der
Pforte lacht mir mehr der Narr!
Zeigt Eros
ihm ein andres schönes Weib?
Doch morgen
will ich zu ihm und ihm sagen,
Wie grausam
er mich quält mit seiner Kälte!
Doch jetzt
beschwör ich ihn mit Zauberei.
O Göttin,
ich besinge dich, o Herrin!
Zur Göttin
rufe ich, der Hunde Schrecken,
Zieht hoch
die Göttin übers Totenreich!
Heil,
Himmlische, hilf mir bei meinem Zauber!
Du
Zauberschnur, zieh mir ins Haus den Mann!
Das Mehl
verbrenne ich auf dem Altare.
O Freundin,
wo ist dein Verstand geblieben?
Hier streu
ich die Gebeine meines Delphis!
Du
Zauberschnur, zieh mir ins Haus den Mann!
Wie quälte
Delphis meine arme Seele!
Den Lorbeer
ich verbrenn auf dem Altare!
Wie jetzt der
Rauch aufsteigt, zurückbleibt Asche,
Verzehren
soll die Liebesflamme Delphis!
Du
Zauberschnur, zieh mir ins Haus den Mann!
Dies
Wachsbild schmelz ich mit der Göttin Hilfe,
Zerschmelzen
soll vor Glut der Liebe Delphis!
Und so wie
sich das Rad des Lebens dreht
Durch
Aphrodite, durch die Macht der Liebe,
So wende
Delphis sich zu meiner Pforte!
Du
Zauberschnur, zieh in mein Haus den Mann!
O Freundin,
horch, die Hunde bellen draußen!
Hoch überm
Kreuzweg strahlt die Himmelsgöttin!
Das Becken
schallen lass, die Zimbel schallen!
Du
Zauberschnur, zieh in mein Haus den Mann!
Still, still!
Es schweigt das Meer, es schweigt der Wind,
In meinem
Busen schweigt mir nicht der Kummer!
Er will mich
nehmen nicht zur Ehefrau,
Er will mich
nehmen nur als Konkubine,
Nur meines
Hymens keusche Blüte pflücken!
Ich schütte
dreimal aus den Becher Wein,
Dreifaltigkeit!
Ich ruf dich dreimal an!
Liegt jetzt
ein junges Mädchen ihm zur Seite?
Liegt jetzt
ein Knabe still in seinem Bett?
Vergessen
Ariadne ward von Theseus!
Du
Zauberschnur, zieh in mein Haus den Mann!
Ich kenn das
Kraut, das macht die Pferde irre,
Mein Delphis
stürme zu mir wie ein Irrer!
Du
Zauberschnur, zieh in mein Haus den Mann!
Das Stückchen
Stoff ist von dem Hemde Delphis’,
Verbrennen
will den Stoff ich in dem Feuer!
Ah weh mir,
Eros! Was wie ein Vampir
Hängst du an
meinem Hals und saugst mich aus?
Du
Zauberschnur, zieh in mein Haus den Mann!
Zerquetschen
will ich eine Strumpfbandnatter
Und morgen
bring ich Delphis Schlangengift!
O Freundin,
nimm du diese Zauberkräuter,
Bestreiche du
die Schwelle dieses Mannes!
Gefesselt bin
ich an des Mannes Schwelle,
Doch wehe,
wehe, er hat mich vergessen!
Geh,
Freundin, spucke auf des Mannes Schwelle!
Du
Zauberschnur, zieh in mein Haus den Mann!
Ich bin
allein, beweine meine Liebe!
Schau,
Göttin, wie die Liebe mir gekommen!
Die Nachbarin
und Amme, ruh sie selig,
Beschwor
mich, anzuschaun die Schar der Männer,
So ging ich
in der schönsten Muschelseide,
Ein kleines
Mäntelchen leicht umgeworfen.
Schau,
Göttin, wie die Liebe mir gekommen!
Da sah ich
Delphis mit dem Freunde gehen,
Das Antlitz
bartlos, dunkelblond das Haar,
Sie glänzten
beide lichter als der Mond.
Schau,
Göttin, wie die Liebe mir gekommen!
Ah weh mir,
als ich Delphis angeschaut,
Durchzuckten
heiße Blitze mein Gebein
Und mir
verbrannte von der Lust mein Herz
Und meine
Schönheit ist zugleich verfallen.
Wie ich nach
Hause kam, das weiß ich nicht,
Von
Liebesfieber war mein Geist verstört.
Drei Tage lag
ich liebeskrank im Bett,
Drei Nächte
lang verseufzt ich meine Seele.
Schau,
Göttin, wie die Liebe mir gekommen!
Mir sind
sogar die Haare ausgefallen,
Ich fastete,
war nur noch Haut und Knochen.
Wer stand mir
bei, wer war mir eine Hilfe?
Stand eine
weise alte Frau mir bei
Und flößte
mir Vergessen in die Seele?
Nein, keine
Linderung hab ich gefunden.
Schau,
Göttin, wie die Liebe mir gekommen!
Gestehen
konnt ich meinen Liebeswahnsinn
Nur meiner
Freundin: Freundin, steh mir bei,
Sei Beistand
mir in diesen Liebesqualen!
Besessen bin
ich von dem Vielgeliebten,
Versklavt bin
ich und völlig unterworfen.
O Freundin,
geh zu ihm und ruf ihn her.
Schau,
Göttin, wie die Liebe mir gekommen!
O Freundin,
wenn du meinen Delphis triffst,
So sag zu
ihm: Samantha will dich sehen!
Die Freundin
ging und brachte mir den Mann,
Sie brachte
mir den Lieben in mein Haus.
Wie herrlich
sprang er über meine Schwelle,
Wie lustig
kam er durch die Tür ins Haus,
Wie strich er
durch den Flur in mein Gemach
Und stand
dann stark und stolz in meinem Zimmer,
Da tropfte
mir der Schweiß von allen Gliedern,
Ich stammelte
und lallte wie ein Kind,
War wie ein
Säugling, der die Brust begehrt,
Der saugen
will am prallen Mutterbusen,
Mein schöner
Körper wurde hart wie Marmor!
Schau,
Göttin, wie die Liebe mir gekommen!
Da schlug der
liebe Mann die Augen nieder
Und sprach:
Samantha, du hast mich gerufen,
Sonst wär
ich selbst gekommen, dionysisch
Berauscht vom
roten Rebenblut, erotisch
Entflammt,
wie ein Vulkan entbrannt mein Herz!
Wenn du mich
abgewiesen hättest, Schöne,
Ich hätte
deine Pforte aufgebrochen,
Die
Feuerfackel in dein Haus geworfen.
Jetzt danke
ich der höchsten Aphrodite,
Zunächst der
höchsten Himmelskönigin
Hast du mein
Herz entflammt, verbrannt, Samantha!
Schau,
Göttin, wie die Liebe mir gekommen!
Ach, Delphis
sprach: Die Allgewalt der Liebe
Die Jungfrau
lockt aus ihrem Mädchenzimmer
Und lockt die
Ehefrauen aus dem Bett
Des Gatten in
das Bett des nächsten Besten!
So flüsterte
der liebe Mann, ich lauschte,
Ach, ich
vertraute ihm zu rasch, zu tief,
Genug, um
nicht zu lang zu plaudern, Göttin,
Wir haben
unsre Sehnsuchtsglut befriedigt!
Hab ich mich
ihm zu schnell ergeben, Göttin?
Jetzt höre
ich von meinen Nachbarinnen,
Jetzt hör
ich von den Flötenspielerinnen,
Dass
Delphis offenbar verliebt sei, schwärme
Für irgend
so ein junges hübsches Mädchen,
Vielleicht
verliebt in einen Knaben ist?
Ah weh mir!
Sieben Tage wart ich schon,
Beschwören
muss
ich ihn mit Liebeszauber,
Betören mit
erotischer Magie!
Fürwahr,
fürwahr, beim allerhöchsten Schicksal,
Wenn er nicht
kommt, dann soll der Tod ihn holen!
In diesem
Fläschchen habe ich ein Gift,
Das einst
mich ein Chaldäer mischen lehrte,
Ein
Liebesgift, das tötet meinen Delphis!
O Himmlische,
ich trage meine Leiden,
Geduldig trag
ich meine Liebesleiden,
Adieu,
geliebte Himmelskönigin!
DRITTE EKLOGE
Ich singe
meine Jamben Amaryllis!
Die Lämmer
weiden an den Felsenklippen,
O Freundin,
weide du die lieben Lämmer,
Du führe sie
zum frischen Bad, zur Quelle.
Ach
Amaryllis, mehr als Honig Süße,
Was schaust
du nicht zu mir mehr aus der Grotte,
Nennst mich
nicht den intim vertrauten Freund?
Bist du mir
böse? Bin ich dir zu hässlich?
Ist dir zu
rot die Nase deines Freundes,
Ist dir zu
ungepflegt der Backenbart?
Du ruhst
nicht, bis ich selber mich ermorde!
Hier Feigen
nur für dich! Ich pflückte sie,
Wie du
gewünscht, ich bring dir morgen neue!
Was muss
ich leiden doch für Seelenkummer!
Ach wäre ich
die Biene in dem Sommer,
Ich schlüpfte
durch den
Efeu in die Grotte!
Ich kenne
Eros! O mein Gott ist schrecklich!
Die Löwin
säugt ihn an den Mutterbrüsten,
Die Löwin
des zerklüfteten Gebirges!
Wie lodert
Eros mir in Mark und Bein,
Mein Gott
verzehrt das Mark mir im Gebein!
O süße
Nymphe mit dem schönsten Lächeln,
O
Liebreiz-Nymphe mit dem harten Herzen,
Lass
dich umarmen, Nymphe, lass dich küssen,
Ach schon ein
Küsschen war so heiße Wonne!
Ich reiße
noch entzwei den Rosenkranz,
Wenn du es
willst, wenn du es mir gebietest!
Was soll ich
tun? Ah weh mir armen Seele,
Hast du denn
gar kein Ohr für meine Seufzer?
So werfe ich
den Mantel ab und springe
Ins kalte
Wasser, wo der Fischer fischt
Die leckern
Fische. Ob ich auch nicht sterbe,
Du freust
dich doch an meinem Untergang!
Ob du mich
liebst, ich wollte es erfahren,
Da zählte
ich des Gänseblümchens Blätter.
Ich liebe
dich, ich trage dich im Herzen,
Du aber
trägst mich nicht in deinem Herzen!
Die schwarze
Zicke mit den Zwillingszicklein
Zog ich für
meine Amaryllis auf.
Ein junges
Mädchen wollt sie gerne haben,
Ich werde sie
dem jungen Mädchen schenken,
Weil du für
mich ja nur Verachtung hast!
Da zuckt mein
Augenlid am linken Auge,
Ach, soll ich
Amaryllis wiedersehen?
Ich will mich
lehnen an die starke Eiche
Und singen
Amaryllis Liebeslieder.
Wie, wenn ihr
Herz doch nicht von Felsen wäre,
Wie, schenkte
sie mir einen süßen Blick?
Hat nicht
auch Aphrodite den Adonis
Gebettet an
den makellosen Brüsten
Und ließ ihn
nicht von ihren bloßen Brüsten,
Selbst als
der Eber mordete den Liebsten?
Glückselig
preise ich Endymion,
Der ruhte in
der dunklen Felsenhöhle,
Da ihn die
Göttin von dem Monde küsste!
Im
Eleusinischen Mysterium
Ein
Menschensohn vereinte sich der Göttin!
Ah wehe mir,
wie pocht es mir im Haupt,
Wie schmerzt
mein Haupt, doch du kennst kein Erbarmen!
Verstummen
will ich, will dich nicht mehr preisen!
Ich bin wie
tot! Und fressen mich die Geier,
Leckst du dir
mit der Zunge deine Lippen,
Als lecktest
du vom Löffel ab den Honig!
VIERTE EKLOGE
Der Hirte
Daphnis und sein Freund Damötas
Die
Mutterkühe und die Kälber weiden.
Der Hirte
Daphnis hatte einen Bart,
Damötas
hatte glattgeschorne Wangen.
Im Sommer
saßen sie zur Mittagsstunde
Und sangen
beide ihre Hirtenlieder.
Als Erster
sang sein Lied der Hirte Daphnis,
Im Wettstreit
wollte er den Preis gewinnen.
DAPHNIS
Schau,
Polyphem, die schöne Galathea
Bewirft mit
Äpfeln deiner Zicken Herde
Und schimpft:
Du stinkst, du Hirte deiner Zicken!
Du siehst die
schöne Galathea nicht,
Du arme
Seele, sondern sitzt allein
Und bläst
die Flöte einsam nur dir selber.
Schau,
Galathea wirft schon wieder Äpfel,
Bewirft den
Hund, den Hüter deiner Herde.
Da bellt der
Hund und blickt zur Silbersee,
Die Nymphen
zeigen ihre schönsten Wogen,
Die Wogen
rauschen liebevoll ans Ufer,
Als Galathea
wandelt auf dem Wasser!
Gib acht,
dass nicht dein Hund die Wade beiße
Und Galatheas
weißes Fleisch zerfleischt!
Wollüstig
läuft die schöne Galathea
Und wandelt
luftig leicht wie Distelflaum,
Wie
Distelflaum durch Sommerhitze fliegt.
Ach Polyphem,
liebst du die Schöne zärtlich
Und
leidenschaftlich, wird sie vor dir fliehen,
Doch bist du
kalt, so wird sie mit dir flirten!
Wenn eine
Schöne liebt, so dünkt ihr schön
Die
Hässlichkeit des Mannes, Polyphem.
So sei
getrost! So sang der Hirte Daphnis.
Damötas übte
nun das Vorspiel, sang.
DAMÖTAS
Bei Pan, ich
sah die schöne Galathea
Die runden
Äpfel werfen nach den Zicken.
Mein süßes
Auge, dieses Eine Auge,
Es schaute
schöne Wahrheit. Soll der Lügen-
Prophet
weissagen Unglück seinen Söhnen!
So ärgern
will ich meine Galathea
Und will sie
übersehen kalten Auges
Und schwärmen
ihr von jungen Mädchen vor.
Wenn sie da
sieht, wie ich mit andern flirte,
Dann wütet
sie und rauft sich ihre Locken.
Dann springt
sie nackig aus dem Wasserbad!
Dann schaut
sie nach der Grotte, nach den Zicken.
Ich jage
selbst den Hund auf ihre Waden!
Als ich
verliebt in Galathea war,
Da winselte
der Hund mit Hundedemut
Und leckte
mit der Zunge ihre Schenkel.
Doch sieht
sie mich mit jungen Mädchen flirten,
Sie wird mir
Botschaft über Botschaft schicken.
Dann schließe
ich die Türe meines Hauses,
Bis sie mir
selber schwört bei allen Göttern,
Dass
sie mir selbst bereitet noch das Brautbett!
So hässlich
bin ich nicht, wie alle sagen,
Ich sah mich
selber an im Wasserspiegel,
Da sah ich in
dem Spiegel meinen Bart
Und auch mein
Auge, o das Eine Auge,
Mir schien,
es strahlte schön vor Licht der Liebe,
Und mein
Gebiss
ist weiß wie edler Marmor.
Dass
ich nicht eitel werde wie ein Schönling,
Hab ich mir
dreimal ins Gesicht gespuckt,
Das lehrte
mich die vielgeliebte Amme.
Damötas
küsste nun den Hirten Daphnis,
Sie tauschten
miteinander ihre Flöten,
Auf grünen
Wiesen hüpften junge Kälber,
Doch in dem
Dichterwettstreit siegte keiner,
Denn beide
Dichter sangen makellos.
FÜNFTE EKLOGE
Die
Liebeskrankheit heilt kein andres Mittel,
Nicht Medizin
und auch kein Priesterspruch,
Als nur die
gottgeweihte Kunst der Muse.
Balsamen
tropfen von der Muse Hand,
Die Kunst
beherrschen Auserwählte nur.
Du kennst die
Therapie der schönen Muse,
Bist du doch
selber Therapeut und Dichter.
So auch
verschaffte der Zyklop sich Ruhe,
Der alte
Bruder des geliebten Landes,
Der glühte
für die schöne Galathea.
Er glühte
schon für sie in seiner Jugend,
Doch schenkte
er ihr keine Rosenkränze,
Er stürmte
hitzig geradezu aufs Ziel
Und alles
andere vergaß er völlig.
Die Lämmer
mussten sich schon selber weiden,
Er nämlich
saß allein am Meeresufer
Und
schmachtete und sang für Galathea,
Er
schmachtete voll sehnsuchtswehem Kummer.
Schon früh
am Morgen litt der Liebeskranke
An dieser
schmerzensreichen Herzenswunde,
Die Aphrodite
selbst ihm zugefügt
Mit ihres
Sohnes scharfen Feuerpfeil
Im Inneren
des Herzens in dem Herzen.
Doch kannte
er den Trost für seinen Kummer,
Und also sang
er zu dem Saitenspiel:
O Galathea,
weiße Galathea,
Wie kannst du
meine Liebe so verschmähen?
Du bist so
weiß wie Milch, wie Quark und Sahne,
Und bist so
schmal gebaut wie die Gazelle,
Doch deine
Brüste prangen wie die Trauben!
Ich schau
dich nur in meinem süßen Schlaf,
Wenn ich
erwache, bist du nicht mehr da,
Du flüchtest
wie ein Lämmchen vor dem Wolf.
Ich liebte
dich ja schon in deiner Jugend,
Du wolltest
damals die Narzissen pflücken,
Ich zeigte
dir den Weg zu den Narzissen.
Seit jener
Jugendzeit begehr ich einzig,
Nur immer
dich zu schauen, anzustaunen!
Wie
unbefriedigt ist mir meine Seele,
Doch du
willst mir Befriedigung nicht schenken,
Bei Gott, du
achtest nicht auf meine Leiden!
Ich weiß
wohl, o mein wunderschönes Mädchen,
Ich weiß
wohl, dass ich dir zu hässlich bin,
Das Eine Auge
mitten auf der Stirn,
Die rote Nase
überm Rachenschlund,
Zu hässlich
bin ich dir, du Wunderschöne.
So aber, wie
ich bin, so weide ich
Als Hirte
deine Tiere in den Auen.
Ich selber
melk die Milch vom prallen Euter
Und reib die
Zitze, bis sie spritzt die Milch.
Genügend
Käse habe ich für dich,
Mein Tisch
ist reich gedeckt für dich mit Käse.
Auch blase
ich die Flöte wie kein andrer,
Wenn ich die
Flöte nachts alleine blase
Und singe
dich, erotische Granate,
Und denke
mich dazu an deinen Brüsten!
Ich füttre
deine Rehe, deine Hasen.
Komm, komm zu
mir, es soll dir gut ergehen,
Lass
doch die Silbersee zum Strande schäumen
Und komm zu
mir des Nachts in meine Höhle,
Hier steht
der Lorbeer, hier auch die Zypresse,
Der Efeu
schlingt sich um den Eichenstamm,
Der Weinstock
schwanger ist mit prallen Trauben!
Ein klares
Wasser gibt uns Gott zu trinken.
Wer wählte
da das Meer sich wohl zur Wohnung?
Doch bin ich
dir zu haarig, meine Schöne,
Mit Bimsstein
werde ich mich glatt rasieren.
Ich werde
alles was du willst, ich werde
Verzehren
lassen meine arme Seele
Und nimmst du
mir das Eine Auge auch!
Warum gebar
mich Mama nicht als Aal,
Dann tauchte
ich in deine Meereswogen
Und küsste
zärtlich dir die weißen Hände,
Willst du die
Lippen nicht zum Küssen schenken!
Im Winter
schenke ich dir weiße Lilien,
Im Sommer
scharlachrote Poppie-Blüten!
Jetzt aber
will ich schwimmen lernen, Mädchen,
Ich leide
einmal Schiffbruch, werde stranden
Und wie ein
Wrack an deinem Strande liegen.
Wie süß ist
es für solche Wassernymphen,
Zu wohnen in
der Tiefe, weiß ich dann.
Komm, komm
heraus aus deinem Wasserbad,
O weiße
Galathea, nackig schön,
Und melke du
die Milch aus prallem Euter
Und reibe an
der Zitze, bis die Milch spritzt!
Kein bittres
Lab tu ich in deinen Käse.
Ach, Schuld
ist meine Mutter! Hartes Herz,
O Mutter,
warum sprichst du nie von mir
Was Gutes vor
der schönen Galathea?
Das weiß
doch meine Mutter, wie ich Tag
Für Tag und
Nacht für Nacht ermattet mehr
Und mehr und
vollends bald vergangen bin.
Jetzt aber
pocht und zuckt es mir im Haupt!
Soll meine
Mutter solchen Kummer leiden,
Wie ich mein
ganzes Leben leide Kummer!
Zyklop,
Zyklop, was schwärmst du wie ein Narr?
Geh lieber,
bring den Hasen frische Kräuter,
So würdest
handeln du als weiser Mann.
Der Kuh, die
sich dir willig bietet an,
Der sauge du
die Milch aus vollem Euter,
Die Kuh, die
aber immer vor dir flüchtet,
Die lass und
geh ihr nicht mehr hinterher!
Da sind auch
andre schöne Galatheen,
Ist manche
schöner noch als Galathea!
Es laden mich
ja junge schöne Mädchen
Zu Spielen
ein. Ein junges schönes Mädchen
Hob lachend
ihre nackten weißen Arme
Und lachte:
Bin ich nicht aus nichts als Honig?
Ja, wahrlich,
bei den jungen schönen Mädchen,
Da ist ein
Scherzen, Lachen, ein Gejauchze!
Ich bin doch
wer in diesem unserm Lande!
Sich selbst
befriedigte so Polyphem
Und stillte
so sich seine Liebessehnsucht
Durch den
Gesang, befriedigte sich selbst
Und machte
mit sich selber Seelenfrieden,
Wie ihn kein
Mann mit Geld sich kaufen kann.