Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

DIE QUELLE DER SELBSTLIEBE




Von Josef Maria Mayer


Ein satirisches Schauspiel


Personen


Egozentrika – Eine Selbstverliebte
Anäis – Eine verhurte Schönheit
Frau Torheit – Eine dummdreiste Schwätzerin
Hedoniste – Ein Weltliebhaber
Phantastix – Ein Irrer
Diabolo – Ein Bruder Satansbraten
Agathon – Ein Philosoph
Echo – Eine unsichtbare Nymphe
Eros – Ein himmlischer Knabe
Sirrah – Sein Zwilling


Ort: Die Provence, in einem Weinbergtal, an der Quelle der Selbstliebe.


ERSTER AKT



ERSTE SZENE



EROS
Es ist doch eine schlimme Häresie,
Häretiker sind die Poeten, die
Den Namen Eros nicht in Hymnen preisen!
Was aber fabelten die alten Griechen
Von Venus? Nichts als nur absurden Unsinn!
Der Vater in dem Himmel mit dem Phallus,
Der Sohn des Vaters mit der scharfen Sichel,
Des Vaters abgeschnittner Phallus schäumt
Und aus dem Schaum geboren wird die Venus.
Die Venus hatte einen Ehegatten,
Doch liebte sie vielmehr die andern Götter.
Sie brach die Ehe mit Dionysos
Und des verbotnen Beischlafs Leibesfrucht
Priapus war, der Phallus als ein Gott,
Ein Phallusgott, geschnitzt aus Feigenholz!
Erneut brach Venus ihre Ehe, schlief
Mit Hermes, aus verbotnem Beischlaf kam
Ein Zwitterwesen, weder Mann noch Weib.
Berühmt ist auch der Ehebruch der Venus
Mit Mars, da mussten lachen alle Götter.
Wie unersättlich war die geile Venus,
Das war ihr nicht genug, mit allen Göttern
Zu brechen ihre Ehe mit dem Gatten,
Sie schlief auch mit Adonis, mit dem Schönling,
Und schlief auch mit Anchises auf dem Ida
Und wurde Mutter so des Gründers Roms.
Ist solche Ehebrecherin denn Gottheit?
Nein, Venus gibt es nicht in Wirklichkeit!
Die Marmorvenus ist sehr schön gebildet,
Wo nahm der Künstler sein Modell nur her?
Er holte das Modell aus dem Bordell,
Die schönste Hure nahm er zum Modell,
So meißelte er seine Marmorschöne
Und Griechenland anbetete die Hure!
War Venus nun die Göttin aller Huren,
Ja, die Platonische Idee der Hure –
Das ist ein Gottesdienst, der euch gefällt,
Wenn eure Kirche ist ein Hurenhaus
Und Gottesdienst ist Beischlaf mit der Hure!
Die Liebesgöttin nennt ihr diese Venus?
Sie ist die Große Hure Babylon!
Die Heiden beten an die Hure Babel!
ECHO
Abel...
EROS
Ach, Echo! Hör ich wieder deine Stimme?
Erscheine wieder, unsichtbare Nymphe!



ZWEITE SZENE



EROS
Ach Echo, Echo, wenn ich an dich denke,
Dann will ich dich mit meinen Augen sehen.
ECHO
Ich bin doch unsichtbar. Du willst mich sehen?
So öffne weit die Augen deines Herzens!
EROS
Ich sehe dich, du wohnst in einer Hütte
Am Felsenhang des Seitenarms der Rhone,
An der berauschenden Ardeche, o Nymphe,
Ich sehe dich im langen weißen Kleid
Mit einem weißen Schleier auf dem Haupt
Und einem goldnen Gürtel um die Brust.
ECHO
Doch ich bin traurig, ich muss immer weinen,
Es gibt doch keine Liebe mehr auf Erden,
Die Herzen sind verschlossen und verriegelt,
Die Herzen sind so hart wie Felsenbrocken.
EROS
Wie füllen deine Augen sich mit Tränen!
Beweinst du denn die Menschheit auf der Erde,
O Nymphe, oder weinst du über einen
Geliebten, der von dir das Herz abwendet?
ECHO
Ich liebe sehr den schönen Mann Narziss,
Er aber predigt immer den Narzissmus
Und alle seine Philosophie ist Auto-
Erotik, wenn der Mensch sich selber liebt,
Die spirituelle Selbstbefriedigung
Ist seine Philosophie der Eigenliebe.
EROS
Und wenn ich lehre, Gott zuerst zu lieben
Und gleicherweis den Nächsten wie sich selber?
ECHO
So lächelt nur der schöne Mann Narziss
Und zieht aus deiner Weisheit nur die Lehre,
Sich selbst zu lieben, das allein ist wichtig.
EROS
Ist dein Narziss denn glücklich mit sich selber?
ECHO
Narziss ging immer zu dem Wasserspiegel
Und schaute staunend in den Wasserspiegel
Und zupfte ordnend an den langen Locken
Und prüfte seine Schönheit in dem Spiegel,
Und wenn er sich im Spiegel angeschaut,
So sagte er zu seinem eignen Bild:
Sohn Gottes, du mein ganzes Wohlgefallen!
EROS
Dich liebt er nicht, der Gottessohn Narziss?
ECHO
Ich darf nur heimlich küssen seinen Schatten,
Berühren nur sein Spiegelbild im Wasser.
EROS
Wo ist Narziss, dass ich ihn Glauben lehre!
ECHO
Narziss geworden ist zur Osterglocke!
Ach, schmelzen will ich wie des Winters Flocke,
Ich kann die Wunde mir nicht selber stopfen,
Die Tränen immer aus den Augen tropfen,
Weil nun Narziss mit seiner schönen Locke
Geworden ist zu einer Osterglocke!



DRITTE SZENE



DIABOLO
Ich bin ein Wanderer, ich bin im Urlaub,
Ob auch die jungen Mädchen sehr erschrecken
Und nennen Monster mich und Schwefeldrachen,
Weil ich so hässlich bin, weil ich so stinke,
Mein Atem ist den Frauen ganz zuwider,
Nach Pest und Schwefel stink ich aus dem Rachen,
Rhinozeros hat mich ein Weib genannt,
Da dacht ich doch im Geist: Du süßes Hürlein,
Ich hab das Horn auch des Rhinozeros,
Danach das Reich der Mitte so verlangt!
In meiner Seele ist es wie ein Mord!
ECHO
Fort!
DIABOLO
Was winkt sie mir ein scheidendes Adieu?
ECHO
Mon Dieu!
DIABOLO
Bei Gott (ich mein den Gott, dem ich nicht diene),
Die Nymphe war ein wunderschönes Weib,
Perfekt die makellosen weißen Brüste
Und ihre Taille schlank wie bei der Wespe
Und wie ein breiter Becher war ihr Becken
Und dieser Hintern, als sie vor mir floh,
Gewiss die Venus mit dem schönen Hintern!
Doch scheidend mit den bloßen Füßen sie
Berührte jene Quelle dort. Ein Wunder?
Die Probe geht doch übers Studium.
Ah welch ein Schluck! Ein reines klares Wasser!
Sonst preis ich mich als eine große Flasche.
Wenn ich durch eine Wüste wandern müsste
Und hätte vierzig Tage nichts zu trinken
Und käme schließlich ganz erschöpft an eine
Oase und da ist ein Quell mit Wasser
Und nebenbei ein Fass mit rotem Wein,
So söffe ich das Fass mit Rotwein leer!
Noch einen Schluck! Noch einen dritten Schluck!
Ich bin ein großer Held im Becherkrieg!
So kann der Gott des Weines selbst nicht saufen!
Von diesem Wunderwasser werden nicht
Wie von dem Wein die Weiber immer schöner,
Dass du die Hure betest an als Göttin,
Von dieser wunderbaren Quelle werde
Ich selber schöner, werde immer schöner,
Bin herrlich wie der Gott des Morgensterns!
Der schönste Engel aller Engelschöre,
Umflammt von Lapislazuli und Jaspis,
Smaragd, Nephrit, Türkis, Topas und Jade,
Der Herrscher bin ich auf dem Götterberg
Und rühme mich der allerschönsten Weisheit
Ich selbst, Diabolo, ich bin ein Gott!



VIERTE SZENE



DIABOLO
Wer bist denn du? Ein fahrender Student?
AGATHON
Wer Weisheit lernen will, beginne früh,
Er lernt ja doch sein Leben lang nicht aus.
DIABLOLO
Die Wahrheit liegt im Wein, ist meine Weisheit.
Komm, trink mit mir von diesem edlen Tropfen!
AGATHON
Bist du ein Dichter, willst du Verse schreiben?
DIABOLO
Wie kommst denn darauf, Student im Urlaub?
AGATHON
Die Purpurtraube schenkt den Musenkuss!
DIABOLO
Die Musen schenken Wasser aus der Quelle.
Ich aber bin kein Dichter, doch ich trinke,
Hier dieser scharlachrote Wein Bordeaux,
Ich wette, den hat Baudelaire getrunken,
Als er die Hymne an den Satan schrieb!
PHANTASTIX
Diabolo, du bist ein Teufelskerl,
Sei du mein Freund, du Bruder Satansbraten!
DIABOLO
Du, guter Agathon, mach uns zu Freunden,
Du stifte brüderlichen Freundschaftspakt!
AGATHON
Wer ist denn der, den du zum Freunde willst?
DIABOLO
Phantastix ist sein Name, und sein Vater
War Geldverleiher, doch ein Ehrenmann.
Gestorben ist der Vater des Phantastix,
Doch die Partei der Demokraten rühmte
Den Ehrenmann und auch sein Sportverein.
Die Straße selbst vor seinem Haus ist sauber,
Man weiß nicht, wo lässt man die Zigarette,
Man könnte essen auf der saubern Straße.
PHANTASTIX
Ja, tot mein Vater, aber ich, ich lebe,
Ich lebe und ich ehre dich, mein Freund.
DIABOLO
Du ehrtest mich noch mehr, mein Freund und Bruder,
Wär ich dir eine reizende Französin,
Die liebt dich, wie man auf französisch liebt.
AGATHON
So macht zusammen Urlaub, arme Sünder.
DIABOLO
Phantastix, o wie schön bist du gekleidet,
Wie glänzt poliert dein neuer schwarzer Lackschuh,
Auf deiner schwarzen Hose nicht ein Fleck
Und erst die Mütze! Was für eine Mütze!
PHANTASTIX
Ja, diese Zobelmütze habe ich
Aus Russland, so was trug der Duellant,
Der Puschkin einst die Hörner aufgesetzt!
DIABOLO
So eine Zobelmütze ist in Frankreich
Sehr nützlich, denn sie schützt vorm Sonnenstich.
PHANTASTIX
Was aber willst du dort mit dem Studenten?
Dem steht der Welthass ins Gesicht geschrieben,
So melancholisch und so philosophisch.
DIABOLO
Geh weg, du philosophischer Student!
Phantastix, führen will ich dich viel lieber
Zu einer aphrodisischen Anäis
Und zu dem Wollustschüler Hedoniste!
AGATHON
Der Narr gesellt sich lieber doch zum Narren.
Ihm der Gerechte ist ein Dorn im Auge.
Ihr geltet alle mir als falsche Münzen.
Ihr nämlich spottet über Gottes Weisheit!
PHANTASTIX
So sauer ist des Agathon Gesicht,
Lass sehen mich das Lächeln der Anäis.
DIABOLO
Weltekel soll des Weisen Seele plagen,
Wir aber feiern Lust und Sinnlichkeit!
PHANTASTIX
Mein Vater war ja glücklich auf der Erde
Und fragte nichts nach Buße und Gebet.
DIABOLO
Ja, reißen wir das Kreuz des Christus nieder!
Anbeten Brust und Schoß der Venus Porne
Und schrein zum Phallusgott aus Feigenholz!



FÜNFTE SZENE



AGATHON
O Eitelkeit der Eitelkeiten! Sinnlos!
Ganz sinnlos alles! Nichts als Nichtigkeit!
Ein Haschen nur nach Wind und Luftgespinsten!
Die Torheit herrscht im Regiment der Welt!
Sie alle feiern großen Karneval,
Der Eine trägt die lange rote Nase,
Die Andre trägt den breiten roten Mund!
Sie setzen Wollust in den Gottesthron,
Sie kennen nicht die Seelenliebe, kennen
Allein den sexuellen Appetit!
Das nennen sie dann Liebe, wenn es juckt!
Die Herrscherin ist jetzt die Sinnlichkeit,
Sie fesselt alle mit den Blumenfesseln,
Wo jeder fühlt nur noch die Adern pochen!
Berechne doch den Wert des Körpers nur,
Nur fünfzig Pfennig ist der Körper wert,
Ist nichts als Wasser! Doch die Menschenwürde,
Geistseele und ein Gottesbild zu sein,
Das leugnen sie von früher Jugend an!
Ich sah in einem schwülen Frühlingsgarten
Insekten öffentlich sich schamlos gatten,
Genau so treiben es die neuen Heiden!
Insekten aber können gar nicht anders,
Sie folgen so ja den Geboten Gottes,
Die neuen Heiden aber könnten anders,
Sie haben auch den Geist, den Seelenfunken,
Doch sind sie niedriger als die Insekten,
Denn sie, die Freiheit doch des Willens haben,
Sie werden Sklaven tierischer Begierden!
Was ist der Körper denn? Seht einen Toten:
Was bleibt als Kot, der Schwester Wurm zum Fraß?
Für diese schöngeschminkte Leiche aber
Gebt ihr das Ebenbild der Gottheit auf?
Das Fleisch in aller geilen Fleischeslust
Wird einst im Grabesloch ein Fraß der Maden!
Das Abbild Gottes aber, das ihr leugnet
Und das ihr schändet, steht dann vor dem Richter!
Du Narr, der nach des Weibes großen Brüsten
So dürstet, wie der Mönch nach Jesus dürstet,
Geh an das Grabesloch des nackten Weibes
Und wühle ihren großen Busen aus
Dem Grabesloch und stecke deine Nase
Ins Fleisch der Zitzen! Rieche die Verwesung!
Liebkosen darfst du jetzt die prallen Zitzen!
Verwesung riechst du jetzt statt Rosenöl.
Die Zitzen, die du angebetet hast –
Jetzt wühl dich ein in das verfaulte Aas!



ZWEITER AKT



ERSTE SZENE


EROS
O Sirrah, rede, wie ein Dichter redet,
Und ahmst du einen weisen Dichter nach,
So tu es frei und witzig und nach Laune
Und klebe nicht als Sklave an den Lettern,
Vielmehr ergreife du den Geist der Weisheit.
SIRRAH
Der Stein der Weisen ist mein Eigentum,
Ich weiß aus Scheiße reines Gold zu machen.
EROS
Die Weisheit ist nicht jedermanns Vergnügen.
SIRRAH
Vorsehung öffnet dir die Augen, Eros,
Vorsehung dir erleuchtet deine Augen,
Du bist nicht blind mehr, hast nicht mehr den Star,
Gott nahm den Schleier dir von deinen Augen.
EROS
Ich bin noch immer blind vor Lustbegier,
Verblendet von Begierden, bin ich blind.
SIRRAH
Und wenn du blind bist, was ist mit der Nymphe,
Der du dich übereignet als ihr Sklave?
EROS
Die stolze Herrin Egozentrika
Nennt mich noch immer ihren kleinen Liebling.
Mein Schatz sagt sie zu mir, mein süßes Schätzchen,
Mein kleiner Liebesgott, mein lieber Engel,
Sie nennt mich ihren wunderschönen Pagen.
SIRRAH
Auch ich bin Page. Püppchen nennt man mich.
EROS
Wer ist der Meister, dem du dienst als Jünger?
SIRRAH
Mein Meister ist der stolze Hedoniste,
Er kennt die Liebeskünste wie ein Affe.
In seinem Badezimmer viele Salben
Ihn parfümieren wie mit Kokosmilch,
Stets glattrasiert ist seine weiche Wange,
Bei Gottes Bart, der Mann ist immer bartlos,
Die Haare sind gekämmt zum Seitenscheitel,
Rechteckig akkurat der Seitenscheitel.
Am Morgen hört er allezeit Musik.
EROS
Ist er ein Musenpriester, ein Poet?
SIRRAH
Berühmte Schreiberlinge schätzt er sehr,
Von Dieben und von Mördern liest er gern,
Doch wahre Poesie ist ihm zuwider.
EROS
Nur zwei Poeten gibt es heut auf Erden,
Der Schreiberlinge Name ist Legion.
SIRRAH
Mein Hedoniste, immer gut gekleidet,
Er kauft sich jede Woche neue Schuhe.
Stets weißer als der Schnee ist seine Kleidung,
Und weißer noch als Schnee ist jene Kleidung,
Die er beim vielgeliebten Tennis trägt.
EROS
Die vielgerühmten weißen Tennissocken?
SIRRAH
Er hat mit seiner Arbeit Geld verdient,
Ein junges Weib zur Gattin sich genommen,
Hat einen Sohn gezeugt, den Rest des Lebens
Hat Tennis er gespielt, dass in sein Grab
Die Freunde legen einen Tennisball.


ZWEITE SZENE


HEDONISTE
Mein Püppchen, ist hier eine schöne Frau?
SIRRAH
Zur Zeit ist nur Anäis in der Nähe.
HEDONISTE
So lehre ich dich schöne Liebesschwüre,
Die ich heut morgen in dem Bett erfunden.
SIRRAH
Beim Stein der Weisen! Welche Liebesschwüre?
HEDONISTE
O Herrscherin, ich schwöre bei dem Tal
Inmitten deiner süßen Doppelhügel!
SIRRAH
Was soll das heißen? Meinst du ihren Busen?
HEDONISTE
Ich schwöre bei dem Läppchen ihres Öhrchens,
Des Öhrchens Läppchen ist so süß wie Kandis.
SIRRAH
So lang du nur mein Ohr in Ruhe lässt!
HEDONISTE
Dann sag ich: Meine Herzenskönigin,
Ich küss die weiße Lilie deiner Hand,
Lass küssen mich des Mundes rote Rose!
SIRRAH
Wenn dann die Herrin Torheit noch dazukommt?
HEDONISTE
Als Patriarch des Alten Testaments
Nehm ich Anäis mir zur Lieblingsfrau,
Frau Torheit nehm ich mir zur Nebenfrau.
SIRRAH
Wie aber preist du dann die Herrin Torheit?
HEDONISTE
Ich preise sie als die perfekte Weisheit!
Sie ist so sehr der Göttin Weisheit gleich,
Als wäre sie des Sokrates Gemahlin!
SIRRAH
Bei Herkules und seiner lieben Frau,
Die angezogen ihm das Nesselhemd!
Kann Herrin Torheit auch ein Essen kochen?
HEDONISTE
Ja, die Kartoffeln weiß sie zu frittieren
Und fettes Schweinefleisch dazu zu legen.
SIRRAH
Bist wieder mit Anäis du allein,
Wie betest du die stolze Herrin an?
HEDONISTE
Ich sage: O du Göttin allen Fleisches,
Wie wollte ich, ich wär dein Stöckelschuh!
Dann mit der Spitze deines Stöckelschuhs
Du trete deinen Sklaven in den Staub!
Ich küsse sterbend deinen nackten Fuß!
SIRRAH
Bist du ihr Stöckelschuh, erhebt sie sich,
Wird stolz wie eine weltberühmte Diva.
HEDONISTE
Ja, schwellen soll des Weibes Brust vor Hochmut!
SIRRAH
Die Bibel sagt: Der Hochmut kommt vorm Fall.
HEDONISTE
Ich bin ihr gern bei ihrem Fall behilflich!
SIRRAH
Was sagst du zu dem frommen Agathon?
HEDONISTE
Ein Träumer, der an einen Traumgott glaubt,
Dem Irrenhaus entlaufner Priester Gottes,
Doch gut zu Spott und Hohn die Witzfigur.
SIRRAH
Und glaubst du gar nicht an den lieben Gott?
HEDONISTE
Ich bete jeden Tag zu meinem Schöpfer
Um einen neuen vollen Beutel Tabak!
EROS
Fürwahr, der Mann ist Sklave meiner Gottheit,
Zu lieben und geliebt zu sein, ist Glück!



DRITTE SZENE



DIABOLO
Ich weiß, ich bin so hässlich wie die Laus,
Die Frau ist schön wie ein Marienkäfer!
EROS
Wenn du auch hässlich bist wie Sokrates,
Ich lehr dich Liebeskunst wie Diotima.
DIABOLO
So lehre mich die Kunst der Buhlerei.
EROS
Drei Lehren in der Buhlerei beschreibe
Ich dir, drei Stufen auf der Liebesleiter.
Die erste Stufe ist die elementare Lust,
Die zweite ist die Praxis in der Liebe,
Die dritte ist die Kontemplation der Minne.
DIABOLO
Ja, lehre mich die elementare Lust!
EROS
Ich will dich lehren wie ein kleines Kind.
Schau nur die Krokosblume auf der Wiese,
Wie dort die Hummel in die Blume schlüpft.
Die Krokosblume öffnet ihren Kelch,
Im Schoß des Kelches ist der süße Nektar,
Der klebrig ist wie Honigseim und Zucker.
Da ist ein Nektarstempel in dem Kelch,
Im Schoß gesammelt ist der süße Samen.
Die Hummel nun mit ihrem spitzen Stachel
Schlüpft in den offnen Schoß der Krokosblume,
Saugt mit dem Stachel zwischen Blütenlippen
Und saugt den klebrigsüßen Samen ein.
DIABOLO
Vulgär ist die Natur und ordinär!
EROS
Nun sag ich von der Praxis in der Liebe.
Da ist die keusche Brautzeit, wenn ein Paar
Verliebt wie junge Liebesgötter tändelt
Und auf dem Sopha sich bewirft mit Kissen
Und wenn sie heiter scherzen wie die Kinder,
Dann tauschen heimlich die Verlobungsringe
Und taufen heimlich die Verlobungsringe
Mit rotem Wein, den Don Quichott schon trank.
Dann bleiben sie ein Jahr lang keusch verlobt
Und haben mehr nicht von des andern Leib
Als nur erlaubte keusche Zärtlichkeit.
Sie warten auf die Hochzeit in der Kirche,
Die Braut jungfräulich keusch im weißen Schleier
Ist appetitlich wie die Sahnetorte
Und er darf endlich in der Hochzeitsnacht
Vernaschen diese Sahnetortenschnitte!
Dann kommt das erste Kind und dann das zweite
Und dann der Alltag mit der Langeweile,
Mit Lärm und Zank und mit dem kalten Bett
Und schließlich naht das Alter und der Mann
Schaut jungen Mädchen nach, die Gattin keift.
DIABOLO
Das Beste ist daran die Hochzeitsnacht.
EROS
Nun sag ich von der Kontemplation der Minne.
Der Minner schaut in seiner schönen Dame
Der Gottheit Herrlichkeit im Gleichnis an.
Er liebt nicht diese Dame im Konkreten.
Er liebt der Dame Ideal, Idee,
Die Dame, wie sie ist im Bilde Gottes.
Glanz Gottes, Gottes Schönheit ausgegossen
Glänzt an der Dame auf, die Schönheit Gottes
Scheint Fleisch geworden in der schönen Dame.
Und vor dem Tempel ihres schönen Leibes,
Vor der Ikone ihres Angesichts
Der Minner betet an der Schönheit Gottheit!
DIABOLO
Idee, Idee, ich höre nur Idee!
Was ist denn die Idee? Ein bloßer Hauch
Gekleidet in die Leere reinen Nichts!
Was gibt es bei den Frauen denn zu essen?
EROS
Es gibt der Liebesgötter Lieblingsspeise,
Spaghetti, Brokkoli, Tomatensauce.
Selbst Gottes Liebe geht ja durch den Magen…



VIERTE SZENE



FRAU TORHEIT
Halb Zwölf, und keine Freundin ist in Sicht?
SIRRAH
Wer ist denn diese Dame, die da spricht?
EROS
Frau Torheit ists, der Frauen Königin!
Frau Torheit ist so weise und gerecht,
Sie wird sich selbst vertreten vorm Gericht
Am Jüngsten Tag, wo sie den Herrn beschwatzt
Und überreden wird den Weltenrichter,
Ihr ihren Willen sklavisch zu erfüllen!
Sie ist geschickt mit ihrer raschen Zunge
Und ist so wortgewandt in dem Geschwätz
Wie diese preisgekrönten Literaten,
Wie diese Meister der Kritik, die sagen:
Ich habe Goethe doch, was brauch ich Gott?
SIRRAH
Mit einem Wort schlägst du den Narren tot.
EROS
Frau Torheit ist der Meinung, dass Frau Weisheit
In ihrer Jugend Göttin Venus war
Und dass Frau Weisheit inkarnierte in
Der schönen Helena, ich meine nicht
Die schöne Helena vom strengen Sparta,
Nein, jene schöne Helena von Tyrus,
Die Simon Magus fand dort im Bordell!
Frau Torheit hat auch einen schwarzen Hund,
Sein Name ist Monsieur, sie führt ihn immer
Zur jungen Hündin in der Nachbarschaft,
Zu seiner jungen Hündin Mademoiselle.
SIRRAH
Wer aber ist die Schöne, die da kommt?
EROS
Das ist die Herrin Egozentrika!
Sie ist liebreizend und sie weiß es auch,
Sie ist belesen und sie sagt es auch,
Wie eine Königin gibt sie Befehle,
Erzählt gern die Geschichte ihres Lebens,
Geschmackvoll richtet sie die Malerei,
Hat ein gewisses Urteil über Verse.
EGOZENTRIKA
Bin ich denn nicht die Meisterin im Bauchtanz?
Wer lässt das Becken kreisen so wie ich?
Wer kann bezaubern mit den sieben Schleiern
Und Schleier über Schleier fallen lassen
Wie ich, die schöner tanzt als Salome!
FRAU TORHEIT
O Freundin, schön ist deine neue Haarpracht.
EGOZENTRIKA
Ich schaute das Idol der Venus an
Und bat dann den Friseur, die gleiche Haarkunst
Zu flechten auch aus meinem langen Haar.
FRAU TORHEIT
Du bist so schön wie eine Himmelsgöttin!
PHANTASTIX
Trägst du die langen schwarzen Haare offen,
Trägst du das schwarze Haar in einem Knoten,
Trägst du die schwarzen Haare seidenglatt,
Trägst du das hennarote Haar gelockt,
In deinen Spitzen sitzen die Eroten!
FRAU TORHEIT
Phantastix, Freund, von dir hab ich gehört,
Dein Doktor Mediziner sei aus China?
Verkaufst du mir den Doktor Mediziner?
PHANTASTIX
Nicht einmal für Millionen goldner Münzen!
Denn dieser Mediziner ist ein Heiland!
Er weiß aus Yin und Yang die Welt zu mischen,
Den Drachen mit dem Phönix zu vermählen!
Er rührt mich an mit seiner Heilandshand,
Da strömt das Chi gesunder Energie!
Er selbst ist schon einhundert Jahre alt,
Sein Haupthaar und sein Bart ist weiß wie Schnee,
Sein Antlitz frisch wie eine Pfirsichblüte,
Er ist so frisch wie junge sechzehn Jahr!
FRAU TORHEIT
Hat er die Pille der Unsterblichkeit?
PHANTASTIX
Ist ein Geheimnis nur für Eingeweihte...



DRITTER AKT



ERSTE SZENE


HEDONISTE
Was denkst du über diesen Hurensohn,
Was denkst du über diese Bücherratte?
ANÄIS
Sei nicht so ungeduldig mit dem Narren,
Er hält sich wohl für einen Philosophen
Und ist entlaufen aus dem Irrenhaus.
HEDONISTE
Er hält sich für was Besseres, der Stolze.
Ich aber lache solchen Hochmut aus.
Er ist ja stolz auf seine guten Werke
Und hält uns allesamt für irre Narren,
Doch dabei merkt er gar nicht, wie er selber
Zur lächerlichen Witzfigur geworden,
An der wir alle haben unsern Spaß.
ANÄIS
Er ist ein Träumer, lebt in einem Traum,
Ein Träumer, der an einen Traumgott glaubt,
Er betet noch im Traum zu seinem Traumgott.
Nachts ist er wach und träumt sich einen Tagtraum
Und liest bei schwachem Lampenlicht die Träume,
Die andre Träumer von dem Traumgott träumten.
Am Tage aber in der Wirklichkeit,
Wenn wir das pralle Leben leben, er
Schlafwandelnd schleicht als Schatten unter uns.
HEDONISTE
Am meisten regt mich auf, wie ruhig er
Uns zuhört, wenn wir fluchen und betrügen,
Wenn wir blasphemisch lästern und verleumden.
Er macht dann eine Miene wie aus Stein,
Er lässt von uns sich gar nicht provozieren,
Wenn wir blasphemisch seinen Traumgott lästern
Und uns bekennen zu dem Antichristen
Und wenn wir immer schwören: Weiß der Teufel!
Er aber faltet betend nur die Hände
Und legt die Hände kleinen Kindern auf.
ANÄIS
Und wenn wir feiern frohen Karneval,
Wo jeder mal mit jedem schlafen darf,
Da bleibt er ernst, ein finstrer Inquisitor.
HEDONISTE
Das Aschekreuz malt er auf seine Stirn
Und zieht sich in der öden Fastenzeit
Von uns zurück, mit Gott allein zu sein.
ANÄIS
Ich möchte alles Schlangengift ausgießen
Auf diesen arroganten Philosophen,
Der kalt und frostig auf uns nieder schaut
Mit Blicken eingebildeter Verachtung.
Ich will ihn plagen wie ein Plagegeist,
Er soll nicht mehr zu seiner Ruhe kommen.
Frau Torheit rufe ich zu mir, sie wird
Ihm seine blöde Seelenruhe rauben.
Frau Torheit ist ja Meisterin darin,
Den weisen Mann so lang zu reizen, bis
Ihm seine Ader an der Schläfe platzt
Und er in aufgewühltem Zorne spricht:
Geh weg von mir, verfluchte Satansbraut!
HEDONISTE
Geliebte Lilith, Luzifers Gemahlin!
ANÄIS
Ich will verdammt sein alle Ewigkeit!



ZWEITE SZENE



AGATHON
Ich werde lächeln still wie ein Chinese.
Die armen Narren tun mir wirklich Leid.
Was sollte ich mich sorgen, wenn sie lästern?
Ihr Lästern ist mir eine Ehrenkrone.
So schmähten ihre Väter die Propheten.
Man sagt mir: Weiber lästern über dich!
Der Weiber Schwänze lästern noch viel mehr!
Wenn die verlornen Seelen mich verachten,
So nur, weil sie ja Jesus auch verachten.
Sie wollen mich nicht hören, weil sie nichts
Von Jesus hören wollen, die Verstockten.
Wenn mich ein Mark Aurel im Kaiserthron
Ermahnen würde, meine Sünde schelten,
Ich würde Buße tun in Sack und Asche
Und neue Früchte guter Werke bringen.
Doch sind es Hedoniste und Anäis,
Die mich verlästern mit den Schlangenzungen,
Des Antichristen Jünger ist der Eine,
Die Andere ist Luzifers Gemahlin!
Geil sind sie beide wie die geilen Ratten,
Verlogen-listig wie die falschen Schlangen.
Sie reden schlecht, weil sie nichts Gutes kennen.
Wenn nun ein Irrenarzt den armen Irren
Im Irrenhause schrecklich fluchen hört,
Bewahrt der Irrenarzt die Seelenruhe.
So muss man diese Sünder auch betrachten,
Die Satan infizierte mit dem Wahnsinn.
Was sie vor allem doch begehren, ist
Mir die Geduld zu rauben und die Ruhe,
Sie reizen mich aufs Blut mit ihrer Bosheit!
Doch Gott bewahrt mir meinen Seelenfrieden.
Die bösen Blicke und die bösen Zungen
Vernichten schließlich ihre eignen Seelen.



DRITTE SZENE



DIABOLO
Phantastix; denk an deiner Vielgeliebten
Schlafzimmer, den Palast der Himmelswollust!
PHANTASTIX
Besuchen wollte ich die Vielgeliebte.
DIABOLO
Besuche sie zuerst in deinem Geist,
Imaginiere dir den Inbegriff
Der göttlichsten Ergötzungen der Wollust!
Betörende Parfüme, Reizgewänder,
Ein wollustschwüles Lotterbett des Himmels
Und denk halbseidene Gedankenspiele!
PHANTASTIX
Das alles evozierst du meinem Geist,
Ich glaub, ich sehe schon die Vielgeliebte.
DIABOLO
Begebe dich allein in ihr Gemach
Und zittere in der geheimen Angst,
In dem verbotnen Paradies zu sein,
Nun seufze heimlich deine Seele aus
Und lege deinen Finger auf den Mund!
PHANTASTIX
Wenn aber selbst die Vielgeliebte kommt?
DIABOLO
Dann sage: Allerschönste aller Schönen!
Miss Universum! Schönster Spiegel Gottes!
Wie du auch immer ihrer Schönheit schmeichelst.
PHANTASTIX
Ich sage: Göttliche Arsinoe!
DIABOLO
Arsinoe? Wer ist denn diese Dame?
PHANTASTIX
Ich bin doch Humanist! Arsinoe
War die Gemahlin Königs Ptolemäus
Und galt als Inkarnation der Göttin Isis,
Zugleich als Inkarnation der Göttin Venus!
DIABOLO
Nun also: Göttliche Arsinoe,
Du wirkst mir heute melancholisch,
Bist du allein? Ich leiste dir Gesellschaft.
Phantastix, ich bin nun Arsinoe,
Nun mach du deiner Königin den Hof.
PHANTASTIX
Gottmenschliche Arsinoe, Geliebte!
DIABOLO
Phantastix, sag nicht nur Arsinoe,
Ruf sie als Helena von Sparta an
Und Lady Yang Gue-Fei vom Reich der Mitte!
PHANTASTIX
Du unaussprechlich Schönste aller Schönen,
Du mehr als überschöne Übergöttin!
Ich beug anbetend meine Knie vor dir!
DIABOLO
Mein Freund, doch ich hab heute üble Laune.
PHANTASTIX
O überwesentliche Überschönheit!
DIABOLO
Erröten lässt mich deine Schmeichelei.
Du aber sagst auch gar zu nette Dinge.
PHANTASTIX
Oh, Einen Kuss auf diese Fingerspitze!
DIABOLO
Gut, lieber Freund, nun geh in der Geliebten
Schlafzimmer, den Palast der Himmelswollust!


(Vorhang)