Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

DAS VERBRANNTE BUCH




Von Josef Maria Mayer


Diese Texte waren vom Dichter in zorniger Übereilung vernichtet worden, fanden sich aber später wieder, da sie aufbewahrt worden waren von des Dichters Freund, einem liberalen Pietisten.




CATULLS LIEBESGEDICHTE


1


S’ ist willkommen, wie einst dem raschen Mädchen
War der goldene Apfel, der, so heißt es,
Lang verschlossenen Gürtel ihr gelöst hat...


2


Sperling, köstliche Wonne meines Mädchens,
Gerne spielt sie mit dir, hält dich am Busen,
Reicht die Spitze des Fingers dir zum Angriff,
Reizt zu heftigen Bissen dich. Gefällt es
Meiner strahlenden Liebsten, Scherz zu treiben –
Kleine Tröstung für ihre Schmerzen – glaub ich,
Wird die heftige Glut von dir beschwichtigt.
Könnt ich spielen mit dir wie die Geliebte,
Ach, und lindern des Herzens dunklen Kummer!


3


Charitinnen, weint, weint, Eroten, trauert,
Zartbesaitete Menschen alle, trauert!
Nämlich meiner Geliebten Sperling, wehe,
Meines Mädchens Beglückung, ist gestorben,
Den sie mehr noch als ihre Augen liebte!
Er war lieblich und kannte seine Herrin
Als wie meine Geliebte ihre Mutter.
Nimmer floh er von ihrem Schoße, sondern
Hüpfte hierhin und dorthin, sprang und hüpfte,
Immer zwitscherte er vor seiner Herrin.
Jetzt die düsteren Pfade geht er, dorthin,
Woher niemand, so heißt’s, zurückgekommen.
Fluch dir, finsterer Hades, du Verderber
Alles Schönen, so schönen Sperlings Dieb du!
Ach, unseliger Sperling du des Unglücks,
Du bist schuld, dass jetzt meines Mädchens Augen
Rot geschwollen von heißvergossnen Tränen!


4


Leben wollen wir, Lesbia, uns lieben!
All das Murren der allzu strengen Greise
Gilt uns mehr nicht als Nichts und Eitelkeiten.
Sonnen sinken und auferstehen, aber
Wir, ist einmal erloschen unsres Lebens
Flamme, schlafen im Dunkel ohne Ende.
Gib mir zehntausend Küsse, dann noch tausend,
Hundert, abermals tausend und zehntausend!
Sind Millionen beisammen, o Geliebte,
Sei vergessen die Zahl der Küsse, also
Dass kein Neider mit bösem Blick behexe
Jemals uns, wenn er wüsst die Zahl der Küsse.


5


Wie viel Küsse von dir genug sind, fragst du,
Liebe Lesbia, oder je genügen?
Nenn des libyschen Sandes Zahl, Geliebte,
Beim Orakel des glutgeplagten Jove
Und dem heiligen Grab des alten Battus
In Kyrene, und sag die Zahl der Sterne,
Soviel Küsse, Geliebte, sollst du küssen!
S’ wär dem Wahnsinn Catulls genug, so reichlich,
Dass Neugierige sie nicht zählen können,
Böse Zungen uns nicht verhexen möchten!


6


Gib, Catullus, die Torheit auf, du Armer,
Was verloren ist, gib du auch verloren!
Einstmals leuchteten lichte Sonnentage,
Als du gingest, wohin dein Mädchen lockte,
Die Geliebte, wie keine je geliebt ward!
Da geschahen so süße Minnescherze,
Die willkommenen, gern gesehn vom Mädchen,
Damals leuchteten lichte Sonnentage!
Doch jetzt will sie nicht mehr! – So woll du nimmer
(Wenn’s gelänge) und jag nicht nach dem Mädchen!
Trag mit männlichem Sinn und steh mit Stärke!
Lebe wohl denn, Geliebte! Schau, Catullus
Wird dich nimmer mehr suchen und umwerben!
Du wirst Schmerzen empfinden, unumworben!
Weh dir, Schreckliche! Welches Leben bleibt dir?
Wer bemüht sich um dich? Wem bist du Schönste?
Wessen Liebste wirst du genannt? Wen lieben?
Wenn dann küssen und wem die Lippen beißen?
Ha, Catullus, steh männlich deinem Schicksal!


7


Furius und Aurelius, ihr bleibt Catullus’
Freunde, ist in Indien er, wo morgens
Schlägt die Woge laut an die weithin wider-
Hallende Küste,


Oder bei Hyrkanern er oder Sakern
Oder zwischen Arabern oder pfeilbewehrten
Parthern, an dem Meere, das färbt der sieben-
Armige Nilus,


Oder auf den schneeigen Alpen, singend
Ruhmestaten Cäsars, an Galliens Rheine,
Sieht die See er oder Britannien an dem
Schneeweißen Küsten,


Ihr seid stets bereit, meine Freunde, alles
Zu bestehen, was auch das Schicksal bringe!
Also meldet Lesbia meine Worte,
Worte des Zornes.


Leben soll sie wohl mit den vielen Freiern
In den Armen! Dreihundert Nebenbuhler!
Keinen liebt sie wirklich, doch allen saugt sie
Saft aus den Lenden!


Nimmer soll sie rechnen mit meiner Liebe,
Die durch ihre Sünde dahingesunken,
Wie am Wiesenrande geknickt vom Pflug die
Welkende Rose!


8


Gute Speise erwartet dich, Fabullus,
Schon in wenigen Tagen (Gott sei gnädig),
Wenn du reichliches Essen mitbringst, Lieber,
Und vergiss nicht: ein strahlend schönes Mädchen!
Wein und Salz nicht vergiss und gute Laune!
Wenn du solcherlei mitbringst, Liebenswerter,
Wirst du speisen vorzüglich. Denn der Beutel
Von Catullus ist voller Spinnenweben.
Doch als Gegengeschenk empfängst du Freundschaft,
Unverwässerte! Oder, was noch schöner,
Ein Parfüm will ich reichen, welches Lesbia
Venus schenkten und Amor! Wenn das duftet,
Götter, wandelt mich ganz in eine Nase!


9


Narren, Narren, ich werd das Maul euch stopfen,
Dir, dem Strichjungen, dir dem Kissenvögler,
Weil aus zärtlichen Versen ihr zu lesen
Wagtet, ich sei ein Lustmolch! Anstand ziemet
Dem Poeten, betreffs der Lebensweise,
Doch die Liederlein brauchen etwas Unzucht,
Anmut wird von den Zärtlichkeiten kommen
Und gepfeffertem Sexus! Nicht den Knaben,
Sondern Bärtigen mit den steifen Lenden
Ist es schön! Doch ihr lest von tausend Küssen,
Meint, unmännlicher Mann sei ich, Catullus?
Vögler, Schnabel und Loch werd ich euch stopfen!


10


Schenke, alten Falerner fülle, Knabe,
In den Becher! Posthumias Befehlen
Folg, der Herrin der Feier, selber trunken,
Volle Weinbeere sie! Doch Wasserfluten,
Weinverderber, hinweg zu Ernst und Freunden!
Das Dionysosblut wird hier getrunken!


11


Bitte, bitte, du süße Ipsitilla,
Meine Wonne, mein Glück, lass mich heut Mittag
Auf ein Schläfchen zu dir, du Süße, kommen,
Wenns dein Wille und Wunsch, und bleib zuhause
Und beschenke mich ohne Unterbrechung
Dann mit seligen Seligkeiten sieben!
Rasch nur, lass mich sofort ins Zimmer kommen,
Denn ich habe gespeist zu Mittag, liege
Auf dem Rücken, durchstoße Hemd und Mantel!


12


Sag, Papyrus, ich bitt, dem sanften Dichter,
Dem Gefährten Cäcilius, er soll kommen
Nach Verona, den Wall von Novum Comum
Und die larischen Haine rasch verlassen.
Möchte ich ihm doch einige Gedanken
Seines Freundes und meines Freundes sagen.
Also wird er, ist er verständig, eilig
Sich bewegen, wenn auch ein schönes Mädchen
Ihn beim Aufbruch zurückruft tausendmale
Und ihn bittet zu bleiben, ihn umhalsend.
Sie verschmachtet (berichtet man die Wahrheit)
Jetzt vor heftiger Liebe zu dem Dichter.
Seit sie seine Gedichte von der Göttin
Mutter Kybele las, verzehren Gluten
Bis ins innerste Mark die Allerärmste.
Ich vergebe dir, schönes Mädchen! Weise
Wie die Muse der Sappho bist du: Lieblich
Ist Cäcilius’ Sang der Magna Mater!


13


Geile Kneipe und geile Kneipengänger,
Glaubt ihr, ihr denn alleine hättet Schwänze,
Alles Weibliche zu erquicken, Schwänze,
Dürft die übrigen Männer Böcke nennen?
Weil ihr sinnlos in Reihen sitzt zu hundert,
Meint ihr, ich wagt es nicht, euch hundert Ärschen
Eure Schlünde zu stopfen! Will die Wände
Ganz mit männlichen Ruten euch bepinseln!
Denn das Mädchen, das floh aus meinen Armen,
Die ich liebte, wie keine je geliebt ward,
Hat sich niedergelassen in der Schenke!
Alle liebt ihr sie da in Glück und Wonnen,
Aber Narren seid alle ihr, Schandflecken!
Felder-, Wälder- und Wiesen-Freier! Aber
Du vor allem, mit deinen schwarzen Haaren,
Du kraushaariger Sohn Kaninchenlandes,
Dein Gebiss ist geputzt mit deiner Pisse!


14


Gruß dir, Mädchen, hast keine schöne Nase,
Keine zierlichen Füße, dunklen Augen,
Keine kusslichen Lippen, schlanken Finger,
Keine Zunge, die weise und geschickt wär –
Freundin du des bankrotten Formiani,
Nun erzählt die Provinz, du seist Frau Anmut?
Gar mit Lesbia willst du dich vergleichen?
Weh den Zeiten so närrisch und geschmacklos!


15


Der scheint einem Gotte mir gleich und – sag ich’s? –
Göttern überlegen, der gegenüber
Dir sitzt und dich immer und immer wieder
Anschaut und hören


Darf dein sanftes girrendes Lachen! Ah, mir
Armen raubt dies all meine Sinne! Siehe,
Kaum erblickt ich, Lesbia dich, blieb nichts mehr
............,


Es versagt die Zunge, es brennt wie Flammen
In den Gliedern, donnert in meinen Ohren,
Meine heißen Augen bedeckt das Dunkel
Finsterer Nächte! –


Leiden schafft die Muße, Catull, die Muße
Lässt dich übermütig zu viel begehren,
Muße hat die Fürsten gestürzt und segens-
Blühende Städte.


16


Sag mir, ist es dir lästig nicht, erklär mir,
Wo hältst du dich verborgen? Auf dem Sportplatz
Sucht ich, suchte im Zirkus, in den Läden,
Wo man handelt mit Büchern, dich im Tempel
Joves. In des Pompejus Wandelhallen
Hielt ich alle sie an, die lieben Frauen,
Sah ich irgendwo lachende Gesichter,
Gebt Camerius her, ihr schlimmen Mädchen!
Zwischen rosigen Brüsten ist sein Bette!
Eine Herkulesarbeit, dich zu finden!
Was so hochmütig hältst du dich verborgen?
Sag mir, wo wirst du sein, und sag es offen,
Sag es mutig, vertrau es an dem Lichte!
Halten milchweiße Arme dich des Mädchens?
Wenn verschlossener Mund die Zunge fesselt,
Schau, dann bringst du dich um die Frucht der Liebe,
Denn an wortreichem Plaudern freut sich Venus!
Oder, ist dir das lieber, halt den Schnabel,
Darf dann ich dir von meiner Liebsten reden!


17


Cälius! Lesbia, meine Eine, Lesbia,
Die Catullus mehr liebte als sich selber,
Mehr als alle die Seinen, schröpft am Kreuzweg
Und in seitlichen Gassen Romas Enkel!



ANTIKE



1


Hermes, der die Wege schirmt,
Diese Fruchtbarkeit der Trauben,
Diesen süßen Feigenkuchen,
Köstlichen Rosinenkuchen,
Dieses weiße Opferbrot
Bring ich dir samt einer Feige,
Welche saftig ist und reif,
Der Oliven Gaumenlust,
Bringe weißen dicken Quark
Und das weiße Mehl von Kreta,
Harten Käse, gut gerieben,
Und das Rebenblut des Bacchus,
Der dich in der Nacht erquickt.
Möge meine Göttin Venus
An den Gaben sich erquicken!
Später weihe ich am Strande
Eine schwarze Zicke noch.


2


Dummes Mädchen, was denn lachst du?
Nicht Praxiteles erschuf mich,
Nicht die Hand des Phidias
Hat mich voller Kunst poliert,
Ich bin aus dem rohen Holzblock,
Und der Mann, der mich geschnitzt,
Nennt mich seinen Gott Priap.
Und du stehst und starrst und kicherst,
Weil du es so lustig findest,
Dass vor meinem Unterleib
Steht ein Pfahl so hocherhaben!


3


Hirte deiner schwarzen Zicken,
Wanderst du den Eichenweg,
Schaust du dort ein Gottesbild,
Ist geschnitzt aus Holz der Feige.
Rinde trägt das Gottesbild,
Aber beide Ohren fehlen,
Doch es hat der Beine drei!
Dieses herrliche Geschlecht
Ist geschickt zum Venusdienst!
Ringsherum der Hain ist heilig,
Von den Hügeln strömt ein Bach,
Plaudert unter Lorbeerbüschen,
Bei den Myrten und Zypressen.
Reben, fruchtbar prall voll Trauben,
Schlingen dort die vollen Ranken.
Frühlingskinder, Amseln flöten,
Zwitschern Lieder durch die Lüfte.
Nachtigallen schmelzen schmachtend,
Süß ihr Sang wie blonder Honig.
Hirte deiner schwarzen Zicken,
Bete du zu Gott Priap,
Dass um meinen süßen Liebling
Stiller werde mir mein Herz!
Opfern werde ich ein Lamm,
Gibt mir Gott Priap den Liebling,
Opfern werde ich ein Lamm,
Wenn mich Gott Priap erhört!


4


Dir, dem diese Felsenklippen
An dem steilen Inselufer
Und das Felsenriff gefallen,
O du großer Gott Priap,
Weihen will ich dir als Fischer
Diese Krabbe, die ich fing,
Der ich mit dem Leckermäulchen
Hab ihr leckres Fleisch vernascht,
Aber ließ die Schale fallen.
Seliger Priap, mein Gott,
Gib mir immer neue Beute,
Stets genügend Fisch ins Netz,
Dass die leckre Meeresfrucht
Dieses Knurren meines Bauches
Mir befriedige, Priap!


5


Nicht um Möwen zu verscheuchen,
Sitz am Meer ich auf der Mole,
Ich, Priap, hab keine Füße,
Habe einen spitzen Kopf!
Söhne eines armen Fischers
Schnitzten mich am steilen Ufer.
Wenn mich aber Fischer rufen
Oder Angler: Heil Priap!
Schwing ich schneller mich als Sturmwind
Und errette meinen Diener,
Denn ich seh im Meer die Fische.
Einen Gott erkennt man nicht
An der äußeren Gestalt,
Sondern durch die Tat der Rettung!


6


Nackt ertrugest du den Frost,
O Priap, die kurzen Tage
Und des Winters lange Nacht,
Nackt erträgst du nun die Hitze,
Steht der Sirius am Himmel.
O mein Knecht, die eitle Jugend
Flieht so rasch, so rasch davon
Und die Zeit kommt nicht mehr wieder,
Ach wie rasch verliert die Rose
Doch ihr scharlachrotes Kleid!
Schau die schlanke Pappel an,
Sie verliert ihr Silberhaar.
Schrecklich ist des Todes Ratschluss!
Nur die Schlange, sie verjüngt sich,
Sie legt ab die alte Haut,
Steigt verjüngt aus ihrer Haut!
Uns wird von der Zeit versagt,
Alle Jahre schön zu sein,
Nur der trunkne Gott des Weines
Und der Dichtergott der Musen
Ewig blühen jung und schön!


7


Jetzt ists Zeit, es rauscht das Schiff,
Schauer trüben nicht die See,
Schon die Schwalben bauen Nester,
Auf der Wiese blüht das Lächeln.
Seemann, roll das Tau zusammen,
Seemann, hol herauf den Anker,
Seemann, lass die Segel flattern!
Ich gebiet es euch, Priap,
Ich, der Sohn des Eviers,
Der im Hafen hier gebietet!


8


Venus treibt den Vater Himmel,
Mutter Erde sich zu nahen,
Trieb ergreift die Mutter Erde,
Vater Himmel zu empfangen.
Aus dem Liebesschlaf des Vaters
Strömt herab der Himmelsregen,
Schwängert fruchtbar Mutter Erde.
Mutter Erde so gebiert
Leckres Futter für die Herde
Und das Brot der blonden Göttin!
Frühlingsblüten an den Bäumen
Reifen durch den Tau des Himmels.
Alles dieses Lebens Urkraft
Ist die unerschaffne Venus!


9


Reisen will ich nun nach Zypern,
Auf der Venus Liebesinsel,
Wo die Amoretten wohnen,
Die mich in den Bann geschlagen!


10


Mutter Venus, Genitrix,
Venus, meine Hüterin,
Unterm Firmament der Sterne
Du erfüllst das Große Meer
Und das Land mit Fruchtbarkeit.
Alles Lebende empfängt
Von der Göttin erst das Leben,
Alles was geboren wird
Und das Licht der Welt erblickt.
Göttin, Stürme weichen dir,
Wenn du kommst, o Göttin Venus,
Öffnen sich des Himmels Fenster,
Erde lässt die Blumen sprießen,
Ruhig lächeln Meereswellen
Und vom Himmel strömt das Licht,
Quelle plaudert, Westwind weht,
Das Gevögel in den Lüften
Kündet deine Ankunft, Göttin,
Ihre Vögelherzen hüpfen
Vor der Macht der Liebesgöttin.
Überfluss der Fruchtbarkeit
Lässt das Pantherweibchen springen.
Die Gefangnen deiner Güte
Folgen dir auf allen Wegen,
Über Meere, über Berge,
Durch die Flüsse, durch die Wiesen,
Durch das Grün, wo Tauben girren,
Durch die buntbeblümten Gärten.
Alle Herzen unausweichlich
Fühlen deine Liebe, Göttin!


11


Himmelsvenus, Vielgeliebte,
Vielbesungne Lieblingin,
Venus mit dem süßen Lächeln,
Schaumgeborne, Meerentstiegne,
Alles Lebens Spenderin,
Gönnerin der schönen Feste,
Die wir feiern in den Nächten,
Mächtige der dunklen Nacht,
Majestät der Einigung,
Jeder beugt sich in dein Joch,
Selbst das allerhöchste Schicksal,
Ursprung aller Himmelswesen,
Aller Erdelebewesen,
Aller Meeresfrucht der Tiefe,
Majestätische Genossin
Des berauschten Eviers,
Dessen Wonne Überfluss,
Stifterin der frommen Ehe,
Herrin glühenden Verlangens,
Quelle lüsterner Verführung,
Heimlich Wirkende, nicht sichtbar,
Aber doch von mir geschaut!


12


Komm, wir wollen in den Tempel
Unsre nackten Göttin Venus,
Wollen schauen dort ihr Bild,
Ihre Statue aus Gold.
Eine schöne Venusnonne
Stiftete das Bild dem Tempel,
Von des Frauenkörpers Reizen
Erntete das Weib das Gold.


13


Große nackte Göttin Venus,
Meinen Zehnten will ich spenden,
Alles werde ich dir weihen,
Alles Geld, das ich bekomme.
Gib nur deiner Venusnonne
Oft zu schaffen, reichlich Lohn!


14


Ich, die schönste Venusnonne,
Welche alle Welt bewundert,
Der vor der stets offnen Pforte
Stets ein Schwarm von Freiern stand,
Schenke heute meinen Spiegel
Dir, der nackten Göttin Venus!
Ach, ich will es nicht mehr sehen,
Wie ich jetzt im Alter ausseh!
Wie ich in der Jugend aussah,
Seh ich nicht mehr in dem Spiegel!


15


Freundlich seid ihr, junge Mädchen,
Die ihr seid zum Dienst berufen
An der großen nackten Göttin
In der schönen Hafenstadt,
Blonden Weihrauchs Tränen opfernd,
Dampfen lasst den blonden Weihrauch
Für die nackte Göttin Venus!
Ohne Vorwurf und Beschämung
Euch gewährt die große Mutter,
Dass man in den weichen Betten
Eure Mädchenblüten pflücke!
Willig lasst ihr euch bezwingen!
Wundern soll mich doch das Schmähen
Der gelehrten alten Herrn,
Weil ich dieses Lied erfunden
Beim Getränk des großen Bechers,
Sagen sie: Du bist vulgär,
Buhlst mit den vulgären Weibern!
Doch geläutert ist mein Gold,
Ward geprüft im Feuerofen!
Große nackte Göttin Venus,
Ja, ich komm in deinen Tempel,
Tausend liebreizsüße Mädchen
Warten willig in den Betten!
Hierher führte mich ein Weiser,
Der gelobte dir den Dienst
Und erfüllte sein Gelübde!


16


Salböl in den schwarzen Haaren,
Goldne Spange in dem Haar
Und berauschende Parfüme,
Deren Namen ich nicht kenne,
Statuen der nackten Venus
Legte mit geschickter Hand
Sie an ihre vollen Brüste!
Salböl schimmert in der Sonne,
Blätter zittern an den Bäumen.
Schau, der Fremde ist gekommen
Und sie spreizt für ihn die Beine!
Sei geweiht der nackten Venus!
Salböl glänzt auf ihren Schultern,
Feuchte schimmert auf den Schenkeln!
Wie sie spreizt im Gras die Beine,
Wie sie ihre Wunde öffnet
Unterm heißen Sonnenstrahl!
Nah die Kirchenglocke läutet,
Vor verschlossner Kirchenpforte
Sprach ich mit dem greisen Priester.


DER KÖNIG DER AFFEN


1


Nichtigkeit, das war des Affen Name,
Welcher mit den andern Affen spielte,
Alle ganz anarchisch miteinander,
Orang-Utan, Pavian, Schimpanse.
Ja, wir wollen einen Affenkönig!
Affenkönig aber soll uns werden,
Wer begeht die Regenbogenbrücke
Und durchdringt den Wasserfall des Schleiers
In die Grotte mit der Blauen Blume.
Also Nichtigkeit, der heitre Affe,
Tanzte auf der Regenbogenbrücke
Lachend, singend, mit den Armen wedelnd,
Drang dann durch den Wasserfall des Schleiers
Ohne sich das dunkle Fell zu netzen,
Hüpfte lustig in der dunklen Grotte
Und betrachtete die Blaue Blume
Und erkannte in der Blauen Blume
Lächelnd sie, die Mutter des Erbarmens,
Unsre Himmelskönigin Maria.
So nun trat er wieder zu den Affen.
Heil dir, Nichtigkeit, der Affen König!


2


Michael und Gabriel, die Engel,
Jener mit dem Schwert, der mit der Lilie,
Nahten Nichtigkeit, dem Affenkönig.
Was ist dein Begehr vom Herrn des Himmels,
Was erbittest du von Jesus Christus?
Möchte wohl im Paradies spazieren
Unter Heiligen und klugen Jungfraun
Und die Lebensfrucht vom Lebensbaume
Speisen in der Kommunion des Himmels
Und betrinken mich mit alten Weinen
Auf dem Hochzeitsfest im Himmelreiche.
Michael und Gabriel, die Engel,
Zungenredeten in Engelszunge,
Beteten zum Herrn im dritten Himmel.


3


Schau, Frau Venus auf dem Abendsterne
Ist geschwebt herab zum Affenkönig.
Sanft um Nichtigkeit ein süßes Säuseln
Und ein holder Hauch blies in den Schleier,
Zart gewoben aus des Äthers Seide,
Purpurrot. Frau Venus warf den Schleier
Über Nichtigkeit, den Affenkönig.
Schau, er schwebte auf dem Abendsterne
Sphäre über Sphäre in den Himmel.
Dort im Süden war die Himmelspforte.
Pförtner war der Papst mit seinem Schlüssel.
Aber dieser Papst war ein Verehrer
Universellen Allerbarmens Gottes.


4


Als der Papst Johannes Paul der Große
Einließ Nichtigkeit, den Affenkönig,
Wandelte Frau Venus sich und wurde
Ganz zum Morgenstern des Paradieses,
Garten Edens auf dem Morgensterne,
Ganz zur Himmelssphäre aller Minner,
So wie Goethe sie geschaut und Dante.
Aber Nichtigkeit, der Affenkönig,
Wandelte allein im Garten Eden
Einsam an dem schönen Nachmittage.
Schau, zwei Heilige sind da gewandelt
Leise singend durch den Garten Eden,
Beide trugen leuchtend weißes Linnen,
Aber nackend waren ihre Füße.
Salve, Selige! Sagt eure Namen!
Ich, ich bin Johannes von dem Kreuze,
Meine Seele ist die Sulamithin,
Die den Christus-Salomo gefreit hat!
Ich die Magdeburger Mechthild heiße
Und ich schrie in heißer Gier der Liebe,
Nackte Seele in der Glut der Minne,
Jesus liebe oft mich, lang und heftig!
Und wohin des Weges nun, ihr Geister?
Schau, die Herrin auf dem Venussterne
Ist Maria Magdalena, Fürstin
Aller Liebenden im Himmelreiche.
Unsre Liebesfürstin Magdalena
Lädt die Minner Christi ein zur Feier
Des Agapemahls im Paradiese,
Sprachen sie und wallten selig weiter.


5


Nichtigkeit, der Affenkönig, eilte
Eilig in den Magdalenengarten,
Der entgegenschwieg dem Abenddämmer.
Aber in den alten Apfelbäumen
Mit den köstlich süßesten der Äpfel
Saßen Seelen abgetriebner Kinder,
Putti-Engelein mit Falterflügeln,
Naschten von der Süßigkeit der Früchte,
Tranken Apfelsaft, mit Tau gemischten,
Sangen leis vom süßen Paradiese
Ihre ewiglichen Wiegenlieder.
Nichtigkeit sah unter einem Baume
Große Tonnen stehn mit altem Weine,
War der gute Hochzeitswein von Kana,
Besser als Bordeaux, den Mayer liebte.
Nichtigkeit rasch leerte alle Tonnen,
Tonne über Tonne niederstürzend
In den gierig aufgerissnen Rachen.
Taumelnd so vom Wein des Paradieses,
Torkelte der Affenkönig trunken
Durch das Paradies zu einer Hütte,
Eremitenhütte Jakob Böhmes.
Teller waren dort von Zinn und Kolben
Mit Homunculi und mit Alraunen.
Aber was zumeist den Affenkönig
Faszinierte, war die Wunderspeise,
Speise der Unsterblichkeit, Oblaten
Oder Hostien ewiglichen Lebens.
Eine große Schale voller Hostien
Speiste Nichtigkeit, der Affenkönig,
In dem sophianischen Labore
Jakob Böhmes in dem Garten Eden.
Wahrlich, nun war Nichtigkeit unsterblich!
Aber da erschien ihm Magdalena,
Jüngerin Sophias in der Gnosis,
Mit dem treuen Freunde Jakob Böhme,
Und sie beide jagten heilig-zornig
Nichtigkeit aus ihrem Paradiese!


6


Nichtigkeit nun stürzte in die Hölle!
Und er trat vor Satanas und Lilith,
Königin und König in der Hölle.
Und er sprach zum Fürst der Finsternisse
Gebt mir meine Brüder frei, die Affen,
Und die Schwestern auch, die Affenmütter!
Siehe, Satanas und Lilith bebten
Voller Angst und Furcht vorm Affenkönig
Nichtigkeit: Er war noch voll von Hostien!
Zitternd reichten Satanas und Lilith
Nichtigkeit das Buch der Todgeweihten.
Und mit einem raschen Pinselstriche
Strich der Affenkönig aller Affen
Aller Brüder, aller Schwestern Namen
Aus dem Buch des Todes in der Hölle.
Satan aber, der Verkläger, fluchte
Zornig Lästerung zum Herrn des Himmels
Und beschwor bei dem gerechten Zorne
Gottes Christus, Nichtigkeit zu reißen
Aus der Hölle Satanas' und Liliths,
Denn es sei an ihm Geruch von Eden
Und Geschmack des Paradiesesmannas.
Und die Todesengel Gottes rissen
Nichtigkeit heraus aus finstrer Hölle,
Warfen den Erschöpften auf die Erde,
Wo er erst mal schlief für sieben Stunden.


7


Nichtigkeit nun stiftete auf Erden
Eine Monarchie der Affenkinder.
Nichtigkeit war Kaiser aller Äffchen,
Landesvater aller Affenkinder.
Vater, Vater, gib uns mehr Bananen,
Denn es fehlt den Kindern an Bananen,
Machen doch allein Bananen glücklich,
Aber unfruchtbar sind alle Stauden!
Riefen seine kleinen Äffchen also,
Nun, lieb Kinderlein, ich geb euch Zucker,
Weiß doch, kleine Äffchen naschen gerne!
Also, fehlts dem Volke an Bananen,
Öffne ich die Zuckerspeicher allen!


8


Aber von dem Himmel kam Sankt Georg,
Lichter Ritter, reitend auf dem Schimmel,
Sollte Nichtigkeit, den Affenkönig,
Wieder bringen in den Garten Eden.
Aber Nichtigkeit, der Affenkönig,
Hing an der Geliebten, Mutter Erde,
Wie an einem lieben Eheweibe,
Ist das Weib auch eine arme Närrin,
Hat sie doch so schöne große Brüste!
Vor Sankt Georg floh der Affenkönig,
Nahm Gestalt an einer weisen Schlange,
Nahm Gestalt an einer frommen Taube,
Nahm Gestalt an eines klugen Fuchses,
Nahm Gestalt an eines edlen Hirschen,
Nahm Gestalt an eines zarten Falters,
Nahm Gestalt an eines blinden Maulwurfs
Und verkroch sich in der Mutter Erde.
Doch Sankt Georg war ein guter Bauer,
Nahm in Ritterhände seinen Spaten,
Grub den Affenkönig aus der Erde,
Setzte Nichtigkeit auf seinen Schimmel,
Flog mit seinem Flügelross gen Himmel.


9


Frau Maria ließ vom dritten Himmel,
Von dem Himmel aller Himmel nieder
Ihre Perlenschnur des Rosenkranzes,
Fesselte damit den Affenkönig,
So wie eine irdische Geliebte
Den Geliebten fesselt mit der Haarflut,
Zog den Affenkönig in den Himmel
Aller Himmel, Christi Empyreum,
Wo Maria Herrin war des Himmels
Aller Himmel, Empyreums Herrin!


10


Also Nichtigkeit, der Affenkönig,
Trat zum Jade-Thronstuhl Jesu Christi,
Sei gebenedeit, o Jesus Christus!
Jesus Christus sprach: Ich will dein Herr sein!
Aber Nichtigkeit, der Affenkönig,
Sagte: O wie sehr lieb ich die Freiheit!
Ich allein will selbst mein eigner Herr sein!
Wer denn dürfte Herr mir sein, wie müsste
Der denn sein, wie groß, der mir der Herr sei?
Geh spazieren hier im Paradiese,
Wandele von All zu All und wandle
Von Äonen zu Äonen, nimmer,
Du entkommst der Herrschaft Christi nimmer!
Nichtigkeit, der Affenkönig, lachte
Und spazierte durch die Himmelsweiten,
Wie von der Weltseele zu dem Weltgeist,
Durchs Äon der Anastasis, aufwärts
Alle Stufen, Himmel über Himmel,
Durch die schönste Harmonie des Sphäros,
Durch das Empyreum, bis zum Berge
Zion – wo er lustvoll onanierte!
Dann ging er, befriedigt an der Seele,
Wieder zu dem Jade-Thronstuhl Jesu Christi.
Nichtigkeit, in welcher Ferne warst du?
Nichtigkeit berichtete ihm alles
Und gestand dem Christus ohne Schamrot,
Daß er onaniert am Himmelsberge.
Aber Jesus Christus lachte heiter-weise:
Nichtigkeit, mein Vielgeliebter! Siehe,
Meine Hand ist feucht noch von dem Samen,
An der Wurzel meines Mittelfingers
Sind noch Spuren deines Onanierens.
Da sah Nichtigkeit, der Affenkönig,
Dass die Herrschaft Christi nimmer endet!
Er, er hält das All in seinen Händen!
Da sprach Nichtigkeit: Mein Herr ist Jesus!


11


Wonne aller Wonnen! Frau Maria
Herrlich ist erschienen in dem Himmel!
Unbefleckte Jungfrau, rein wie Jade,
Einen Ring an deinen Ehefinger
Tu ich, geb dir einen neuen Namen,
Du sollst Toto heißen, mein Geliebter!
Schau, sie schwebte überm Meer des Himmels
Auf dem Muschelwagen ihrer Schönheit,
Ihre schwarzen Haare fein wie Seide,
Ihre schwarzen Augen Meteore,
Ihr Gewand war lange feine Seide,
Licht umfloss den Leib sie, niederrauschend,
Um die Lenden trug sie einen Gürtel,
Trug sie einen goldnen Zaubergürtel,
Lang fiel ihr die Seide auf die Füße,
Nackte Füße, weiß wie Lotosblüten.
Immer Jungfrau blieb sie, rein wie Jade,
Universellen Allerbarmens Göttin!