Von
Josef Maria Mayer
Diese
Texte waren vom Dichter in zorniger Übereilung vernichtet worden,
fanden sich aber später wieder, da sie aufbewahrt worden waren von
des Dichters Freund, einem liberalen Pietisten.
CATULLS
LIEBESGEDICHTE
1
S’ ist
willkommen, wie einst dem raschen Mädchen
War der
goldene Apfel, der, so heißt es,
Lang
verschlossenen
Gürtel ihr gelöst hat...
2
Sperling,
köstliche Wonne meines Mädchens,
Gerne spielt
sie mit dir, hält dich am Busen,
Reicht die
Spitze des Fingers dir zum Angriff,
Reizt zu
heftigen Bissen dich. Gefällt es
Meiner
strahlenden Liebsten, Scherz zu treiben –
Kleine
Tröstung für ihre Schmerzen – glaub ich,
Wird die
heftige Glut von dir beschwichtigt.
Könnt ich
spielen mit dir wie die Geliebte,
Ach, und
lindern des Herzens dunklen Kummer!
3
Charitinnen,
weint, weint, Eroten, trauert,
Zartbesaitete
Menschen alle, trauert!
Nämlich
meiner Geliebten Sperling, wehe,
Meines
Mädchens Beglückung,
ist gestorben,
Den sie mehr
noch als ihre Augen liebte!
Er war
lieblich und kannte seine Herrin
Als wie meine
Geliebte ihre Mutter.
Nimmer floh
er von ihrem Schoße, sondern
Hüpfte
hierhin und dorthin, sprang und hüpfte,
Immer
zwitscherte er vor seiner Herrin.
Jetzt die
düsteren Pfade geht er, dorthin,
Woher
niemand, so heißt’s, zurückgekommen.
Fluch dir,
finsterer Hades, du Verderber
Alles
Schönen, so schönen Sperlings Dieb du!
Ach,
unseliger Sperling du des Unglücks,
Du bist
schuld, dass jetzt meines Mädchens Augen
Rot
geschwollen von heißvergossnen Tränen!
4
Leben wollen
wir, Lesbia, uns lieben!
All das
Murren der allzu strengen Greise
Gilt uns mehr
nicht als Nichts und Eitelkeiten.
Sonnen sinken
und auferstehen, aber
Wir, ist
einmal erloschen unsres Lebens
Flamme,
schlafen im Dunkel ohne Ende.
Gib mir
zehntausend Küsse, dann noch tausend,
Hundert,
abermals tausend und zehntausend!
Sind
Millionen beisammen, o Geliebte,
Sei vergessen
die Zahl der
Küsse, also
Dass
kein Neider mit bösem Blick behexe
Jemals uns,
wenn er wüsst die Zahl der Küsse.
5
Wie viel
Küsse von dir genug sind, fragst du,
Liebe Lesbia,
oder je genügen?
Nenn des
libyschen Sandes Zahl, Geliebte,
Beim Orakel
des glutgeplagten Jove
Und dem
heiligen Grab des alten Battus
In Kyrene,
und sag die Zahl der Sterne,
Soviel Küsse,
Geliebte, sollst du küssen!
S’ wär dem
Wahnsinn Catulls genug, so reichlich,
Dass
Neugierige sie nicht zählen können,
Böse Zungen
uns nicht verhexen möchten!
6
Gib,
Catullus, die Torheit auf, du Armer,
Was verloren
ist, gib du auch verloren!
Einstmals
leuchteten lichte Sonnentage,
Als du
gingest, wohin dein Mädchen lockte,
Die Geliebte,
wie keine je geliebt ward!
Da geschahen
so süße Minnescherze,
Die
willkommenen, gern gesehn vom Mädchen,
Damals
leuchteten lichte Sonnentage!
Doch jetzt
will sie nicht mehr! – So woll du nimmer
(Wenn’s
gelänge) und jag nicht nach dem Mädchen!
Trag mit
männlichem Sinn und steh mit Stärke!
Lebe wohl
denn, Geliebte! Schau, Catullus
Wird dich
nimmer mehr suchen und umwerben!
Du wirst
Schmerzen empfinden, unumworben!
Weh dir,
Schreckliche! Welches Leben bleibt dir?
Wer bemüht
sich um dich? Wem bist du Schönste?
Wessen
Liebste wirst du genannt? Wen lieben?
Wenn dann
küssen und wem die Lippen beißen?
Ha, Catullus,
steh männlich deinem Schicksal!
7
Furius und
Aurelius, ihr bleibt Catullus’
Freunde, ist
in Indien er, wo morgens
Schlägt die
Woge laut an die weithin wider-
Hallende
Küste,
Oder bei
Hyrkanern er oder Sakern
Oder zwischen
Arabern oder pfeilbewehrten
Parthern, an
dem Meere, das färbt der sieben-
Armige Nilus,
Oder auf den
schneeigen Alpen, singend
Ruhmestaten
Cäsars, an Galliens Rheine,
Sieht die See
er oder Britannien an dem
Schneeweißen
Küsten,
Ihr seid
stets bereit, meine Freunde, alles
Zu bestehen,
was auch das Schicksal bringe!
Also meldet
Lesbia meine Worte,
Worte des Zornes.
Leben soll
sie wohl mit den vielen Freiern
In den Armen!
Dreihundert Nebenbuhler!
Keinen liebt
sie wirklich, doch allen saugt sie
Saft aus den
Lenden!
Nimmer soll
sie rechnen mit meiner Liebe,
Die durch
ihre Sünde dahingesunken,
Wie am
Wiesenrande geknickt vom Pflug die
Welkende
Rose!
8
Gute Speise
erwartet dich, Fabullus,
Schon in
wenigen Tagen (Gott sei gnädig),
Wenn du
reichliches Essen mitbringst, Lieber,
Und vergiss
nicht: ein strahlend schönes Mädchen!
Wein und Salz
nicht vergiss
und gute Laune!
Wenn du
solcherlei mitbringst, Liebenswerter,
Wirst du
speisen vorzüglich. Denn der Beutel
Von Catullus
ist voller Spinnenweben.
Doch als
Gegengeschenk empfängst du Freundschaft,
Unverwässerte!
Oder, was noch schöner,
Ein Parfüm
will ich reichen, welches Lesbia
Venus
schenkten und Amor! Wenn das duftet,
Götter,
wandelt mich ganz in eine Nase!
9
Narren,
Narren, ich werd das Maul euch stopfen,
Dir, dem
Strichjungen, dir dem Kissenvögler,
Weil aus
zärtlichen Versen ihr zu lesen
Wagtet, ich
sei ein Lustmolch! Anstand ziemet
Dem Poeten,
betreffs der Lebensweise,
Doch die
Liederlein brauchen etwas Unzucht,
Anmut wird
von den Zärtlichkeiten kommen
Und
gepfeffertem Sexus! Nicht den Knaben,
Sondern
Bärtigen mit den steifen Lenden
Ist es schön!
Doch ihr lest von tausend Küssen,
Meint,
unmännlicher Mann sei ich, Catullus?
Vögler,
Schnabel und Loch werd ich euch stopfen!
10
Schenke,
alten Falerner fülle, Knabe,
In den
Becher! Posthumias Befehlen
Folg, der
Herrin der Feier, selber trunken,
Volle
Weinbeere sie! Doch Wasserfluten,
Weinverderber,
hinweg zu Ernst und Freunden!
Das
Dionysosblut wird hier getrunken!
11
Bitte, bitte,
du süße Ipsitilla,
Meine Wonne,
mein Glück, lass
mich heut Mittag
Auf ein
Schläfchen zu dir, du Süße, kommen,
Wenns dein
Wille und Wunsch, und bleib zuhause
Und beschenke
mich ohne Unterbrechung
Dann mit
seligen Seligkeiten sieben!
Rasch nur,
lass
mich sofort ins Zimmer kommen,
Denn ich habe
gespeist zu Mittag, liege
Auf dem
Rücken, durchstoße Hemd und Mantel!
12
Sag, Papyrus,
ich bitt, dem sanften Dichter,
Dem Gefährten
Cäcilius, er soll kommen
Nach Verona,
den Wall von Novum Comum
Und die
larischen Haine rasch verlassen.
Möchte ich
ihm doch einige Gedanken
Seines
Freundes und meines Freundes sagen.
Also wird er,
ist er verständig, eilig
Sich bewegen,
wenn auch ein schönes Mädchen
Ihn beim
Aufbruch zurückruft tausendmale
Und ihn
bittet zu bleiben, ihn umhalsend.
Sie
verschmachtet (berichtet man die Wahrheit)
Jetzt vor
heftiger Liebe zu dem Dichter.
Seit sie
seine Gedichte von der Göttin
Mutter Kybele
las, verzehren Gluten
Bis ins
innerste Mark die Allerärmste.
Ich vergebe
dir, schönes Mädchen! Weise
Wie die Muse
der Sappho bist du: Lieblich
Ist Cäcilius’
Sang der Magna Mater!
13
Geile Kneipe
und geile Kneipengänger,
Glaubt ihr,
ihr denn alleine hättet Schwänze,
Alles
Weibliche zu erquicken, Schwänze,
Dürft die
übrigen Männer Böcke nennen?
Weil ihr
sinnlos in Reihen sitzt zu hundert,
Meint ihr,
ich wagt es nicht, euch hundert Ärschen
Eure Schlünde
zu stopfen! Will die Wände
Ganz mit
männlichen Ruten euch bepinseln!
Denn das
Mädchen, das floh aus meinen Armen,
Die ich
liebte, wie keine je geliebt ward,
Hat sich
niedergelassen in der Schenke!
Alle liebt
ihr sie da in Glück und Wonnen,
Aber Narren
seid alle ihr, Schandflecken!
Felder-,
Wälder- und Wiesen-Freier! Aber
Du vor allem,
mit deinen schwarzen Haaren,
Du
kraushaariger Sohn Kaninchenlandes,
Dein Gebiss
ist geputzt mit deiner Pisse!
14
Gruß dir,
Mädchen, hast keine schöne Nase,
Keine
zierlichen Füße, dunklen Augen,
Keine
kusslichen Lippen, schlanken Finger,
Keine Zunge,
die weise und geschickt wär –
Freundin du
des bankrotten Formiani,
Nun erzählt
die Provinz, du seist Frau Anmut?
Gar mit
Lesbia willst du dich vergleichen?
Weh den
Zeiten so närrisch und geschmacklos!
15
Der scheint
einem Gotte mir gleich und – sag ich’s? –
Göttern
überlegen, der gegenüber
Dir sitzt und
dich immer und immer wieder
Anschaut und
hören
Darf dein
sanftes girrendes Lachen! Ah, mir
Armen raubt
dies all meine Sinne! Siehe,
Kaum erblickt
ich, Lesbia dich, blieb nichts mehr
............,
Es versagt
die Zunge, es brennt wie Flammen
In den
Gliedern, donnert in meinen Ohren,
Meine heißen
Augen bedeckt das Dunkel
Finsterer
Nächte! –
Leiden
schafft die Muße, Catull, die Muße
Lässt dich
übermütig zu viel begehren,
Muße hat die
Fürsten gestürzt und segens-
Blühende
Städte.
16
Sag mir, ist
es dir lästig nicht, erklär mir,
Wo hältst du
dich verborgen? Auf dem Sportplatz
Sucht ich,
suchte im Zirkus, in den Läden,
Wo man
handelt mit Büchern, dich im Tempel
Joves. In des
Pompejus Wandelhallen
Hielt ich
alle sie an, die lieben Frauen,
Sah ich
irgendwo lachende Gesichter,
Gebt Camerius
her, ihr schlimmen Mädchen!
Zwischen
rosigen Brüsten ist sein Bette!
Eine
Herkulesarbeit, dich zu finden!
Was so
hochmütig hältst du dich verborgen?
Sag mir, wo
wirst du sein, und sag es offen,
Sag es mutig,
vertrau es an dem Lichte!
Halten
milchweiße Arme dich des Mädchens?
Wenn
verschlossener Mund die Zunge fesselt,
Schau, dann
bringst du dich um die Frucht der Liebe,
Denn an
wortreichem Plaudern freut sich Venus!
Oder, ist dir
das lieber, halt den Schnabel,
Darf dann ich
dir von meiner Liebsten
reden!
17
Cälius!
Lesbia, meine Eine, Lesbia,
Die Catullus
mehr liebte als sich selber,
Mehr als alle
die Seinen, schröpft am Kreuzweg
Und in
seitlichen Gassen Romas Enkel!
ANTIKE
1
Hermes, der
die Wege schirmt,
Diese
Fruchtbarkeit der Trauben,
Diesen süßen
Feigenkuchen,
Köstlichen
Rosinenkuchen,
Dieses weiße
Opferbrot
Bring ich dir
samt einer Feige,
Welche saftig
ist und reif,
Der Oliven
Gaumenlust,
Bringe weißen
dicken Quark
Und das weiße
Mehl von Kreta,
Harten Käse,
gut gerieben,
Und das
Rebenblut des Bacchus,
Der dich in
der Nacht erquickt.
Möge meine
Göttin Venus
An den Gaben
sich erquicken!
Später weihe
ich am Strande
Eine schwarze
Zicke noch.
2
Dummes
Mädchen, was denn lachst du?
Nicht
Praxiteles erschuf mich,
Nicht die
Hand des Phidias
Hat mich
voller Kunst poliert,
Ich bin aus
dem rohen Holzblock,
Und der Mann,
der mich geschnitzt,
Nennt mich
seinen Gott Priap.
Und du stehst
und starrst und kicherst,
Weil du es so
lustig findest,
Dass
vor meinem Unterleib
Steht ein
Pfahl so hocherhaben!
3
Hirte deiner
schwarzen Zicken,
Wanderst du
den Eichenweg,
Schaust du
dort ein Gottesbild,
Ist
geschnitzt aus Holz der Feige.
Rinde trägt
das Gottesbild,
Aber beide
Ohren fehlen,
Doch es hat
der Beine drei!
Dieses
herrliche Geschlecht
Ist geschickt
zum Venusdienst!
Ringsherum
der Hain ist heilig,
Von den
Hügeln strömt ein Bach,
Plaudert
unter Lorbeerbüschen,
Bei den
Myrten und Zypressen.
Reben,
fruchtbar prall voll Trauben,
Schlingen
dort die vollen Ranken.
Frühlingskinder,
Amseln flöten,
Zwitschern
Lieder durch die Lüfte.
Nachtigallen
schmelzen schmachtend,
Süß ihr
Sang
wie blonder Honig.
Hirte deiner
schwarzen Zicken,
Bete du zu
Gott Priap,
Dass
um meinen süßen Liebling
Stiller werde
mir mein Herz!
Opfern werde
ich ein Lamm,
Gibt mir Gott
Priap den Liebling,
Opfern werde
ich ein Lamm,
Wenn mich
Gott Priap erhört!
4
Dir, dem
diese Felsenklippen
An dem
steilen Inselufer
Und das
Felsenriff gefallen,
O du großer
Gott Priap,
Weihen will
ich dir als Fischer
Diese Krabbe,
die ich fing,
Der ich mit
dem Leckermäulchen
Hab ihr
leckres Fleisch vernascht,
Aber ließ
die Schale fallen.
Seliger
Priap, mein Gott,
Gib mir immer
neue Beute,
Stets
genügend Fisch ins Netz,
Dass
die leckre Meeresfrucht
Dieses
Knurren meines Bauches
Mir
befriedige, Priap!
5
Nicht um
Möwen zu verscheuchen,
Sitz am Meer
ich auf der Mole,
Ich, Priap,
hab keine Füße,
Habe einen
spitzen Kopf!
Söhne eines
armen Fischers
Schnitzten
mich am steilen Ufer.
Wenn mich
aber Fischer rufen
Oder Angler:
Heil Priap!
Schwing ich
schneller mich als Sturmwind
Und errette
meinen Diener,
Denn ich seh
im Meer die Fische.
Einen Gott
erkennt man nicht
An der
äußeren Gestalt,
Sondern durch
die Tat der Rettung!
6
Nackt
ertrugest du den Frost,
O Priap, die
kurzen Tage
Und des
Winters lange Nacht,
Nackt
erträgst du nun die Hitze,
Steht der
Sirius am Himmel.
O mein
Knecht, die eitle Jugend
Flieht so
rasch, so rasch davon
Und die Zeit
kommt nicht mehr wieder,
Ach wie rasch
verliert die Rose
Doch ihr
scharlachrotes Kleid!
Schau die
schlanke Pappel an,
Sie verliert
ihr Silberhaar.
Schrecklich
ist des Todes Ratschluss!
Nur die
Schlange, sie verjüngt sich,
Sie legt ab
die alte Haut,
Steigt
verjüngt aus ihrer Haut!
Uns wird von
der Zeit versagt,
Alle Jahre
schön zu sein,
Nur der
trunkne Gott des Weines
Und der
Dichtergott der Musen
Ewig blühen
jung und schön!
7
Jetzt ists
Zeit, es rauscht das Schiff,
Schauer
trüben nicht die See,
Schon die
Schwalben bauen Nester,
Auf der Wiese
blüht das Lächeln.
Seemann, roll
das Tau zusammen,
Seemann, hol
herauf den Anker,
Seemann, lass
die Segel flattern!
Ich gebiet es
euch, Priap,
Ich, der Sohn
des Eviers,
Der im Hafen
hier gebietet!
8
Venus treibt
den Vater Himmel,
Mutter Erde
sich zu nahen,
Trieb
ergreift die Mutter Erde,
Vater Himmel
zu empfangen.
Aus dem
Liebesschlaf des Vaters
Strömt herab
der Himmelsregen,
Schwängert
fruchtbar Mutter Erde.
Mutter Erde
so gebiert
Leckres
Futter für die Herde
Und das Brot
der blonden Göttin!
Frühlingsblüten
an den Bäumen
Reifen durch
den Tau des Himmels.
Alles dieses
Lebens Urkraft
Ist die
unerschaffne Venus!
9
Reisen will
ich nun nach Zypern,
Auf der Venus
Liebesinsel,
Wo die
Amoretten wohnen,
Die mich in
den Bann geschlagen!
10
Mutter Venus,
Genitrix,
Venus, meine
Hüterin,
Unterm
Firmament der Sterne
Du erfüllst
das Große Meer
Und das Land
mit Fruchtbarkeit.
Alles Lebende
empfängt
Von der
Göttin erst das Leben,
Alles was
geboren wird
Und das Licht
der Welt erblickt.
Göttin,
Stürme weichen dir,
Wenn du
kommst, o Göttin Venus,
Öffnen sich
des Himmels Fenster,
Erde lässt
die Blumen sprießen,
Ruhig lächeln
Meereswellen
Und vom
Himmel strömt das Licht,
Quelle
plaudert, Westwind weht,
Das Gevögel
in den Lüften
Kündet deine
Ankunft, Göttin,
Ihre
Vögelherzen hüpfen
Vor der Macht
der Liebesgöttin.
Überfluss
der Fruchtbarkeit
Lässt das
Pantherweibchen springen.
Die Gefangnen
deiner Güte
Folgen dir
auf allen Wegen,
Über Meere,
über Berge,
Durch die
Flüsse, durch die Wiesen,
Durch das
Grün, wo Tauben girren,
Durch die
buntbeblümten Gärten.
Alle Herzen
unausweichlich
Fühlen deine
Liebe, Göttin!
11
Himmelsvenus,
Vielgeliebte,
Vielbesungne
Lieblingin,
Venus mit dem
süßen Lächeln,
Schaumgeborne,
Meerentstiegne,
Alles Lebens
Spenderin,
Gönnerin der
schönen Feste,
Die wir
feiern in den Nächten,
Mächtige der
dunklen Nacht,
Majestät der
Einigung,
Jeder beugt
sich in dein Joch,
Selbst das
allerhöchste Schicksal,
Ursprung
aller Himmelswesen,
Aller
Erdelebewesen,
Aller
Meeresfrucht der Tiefe,
Majestätische
Genossin
Des
berauschten Eviers,
Dessen Wonne
Überfluss,
Stifterin der
frommen Ehe,
Herrin
glühenden Verlangens,
Quelle
lüsterner Verführung,
Heimlich
Wirkende, nicht sichtbar,
Aber doch von
mir geschaut!
12
Komm, wir
wollen in den Tempel
Unsre nackten
Göttin Venus,
Wollen
schauen dort ihr Bild,
Ihre Statue
aus Gold.
Eine schöne
Venusnonne
Stiftete das
Bild dem Tempel,
Von des
Frauenkörpers Reizen
Erntete das
Weib das Gold.
13
Große nackte
Göttin Venus,
Meinen
Zehnten will ich spenden,
Alles werde
ich dir weihen,
Alles Geld,
das ich bekomme.
Gib nur
deiner Venusnonne
Oft zu
schaffen, reichlich Lohn!
14
Ich, die
schönste Venusnonne,
Welche alle
Welt bewundert,
Der vor der
stets offnen Pforte
Stets ein
Schwarm von Freiern stand,
Schenke heute
meinen Spiegel
Dir, der
nackten Göttin Venus!
Ach, ich will
es nicht mehr sehen,
Wie ich jetzt
im Alter ausseh!
Wie ich in
der Jugend aussah,
Seh ich nicht
mehr in dem Spiegel!
15
Freundlich
seid ihr, junge Mädchen,
Die ihr seid
zum Dienst berufen
An der großen
nackten Göttin
In der
schönen Hafenstadt,
Blonden
Weihrauchs Tränen opfernd,
Dampfen lasst
den blonden Weihrauch
Für die
nackte Göttin Venus!
Ohne Vorwurf
und Beschämung
Euch gewährt
die große Mutter,
Dass
man in den weichen Betten
Eure
Mädchenblüten pflücke!
Willig lasst
ihr euch bezwingen!
Wundern soll
mich doch das Schmähen
Der gelehrten
alten Herrn,
Weil ich
dieses Lied erfunden
Beim Getränk
des großen Bechers,
Sagen sie: Du
bist vulgär,
Buhlst mit
den vulgären Weibern!
Doch
geläutert ist mein Gold,
Ward geprüft
im Feuerofen!
Große nackte
Göttin Venus,
Ja, ich komm
in deinen Tempel,
Tausend
liebreizsüße Mädchen
Warten willig
in den Betten!
Hierher
führte mich ein Weiser,
Der gelobte
dir den Dienst
Und erfüllte
sein Gelübde!
16
Salböl in
den schwarzen Haaren,
Goldne Spange
in dem Haar
Und
berauschende Parfüme,
Deren Namen
ich nicht kenne,
Statuen der
nackten Venus
Legte mit
geschickter Hand
Sie an ihre
vollen Brüste!
Salböl
schimmert in der Sonne,
Blätter
zittern an den Bäumen.
Schau, der
Fremde ist gekommen
Und sie
spreizt für ihn die Beine!
Sei geweiht
der nackten Venus!
Salböl
glänzt auf ihren Schultern,
Feuchte
schimmert auf den Schenkeln!
Wie sie
spreizt im Gras die Beine,
Wie sie ihre
Wunde öffnet
Unterm heißen
Sonnenstrahl!
Nah die
Kirchenglocke läutet,
Vor
verschlossner Kirchenpforte
Sprach ich
mit dem greisen Priester.
DER KÖNIG
DER AFFEN
1
Nichtigkeit,
das war des Affen Name,
Welcher mit
den andern Affen spielte,
Alle ganz
anarchisch miteinander,
Orang-Utan,
Pavian, Schimpanse.
Ja, wir
wollen einen Affenkönig!
Affenkönig
aber soll uns werden,
Wer begeht
die Regenbogenbrücke
Und
durchdringt den Wasserfall des Schleiers
In die Grotte
mit der Blauen Blume.
Also
Nichtigkeit, der heitre Affe,
Tanzte auf
der Regenbogenbrücke
Lachend,
singend, mit den Armen wedelnd,
Drang dann
durch den Wasserfall des Schleiers
Ohne sich das
dunkle Fell zu netzen,
Hüpfte
lustig in der dunklen Grotte
Und
betrachtete die Blaue Blume
Und erkannte
in der Blauen Blume
Lächelnd
sie, die Mutter des Erbarmens,
Unsre
Himmelskönigin Maria.
So nun trat
er wieder zu den Affen.
Heil dir,
Nichtigkeit, der Affen König!
2
Michael und
Gabriel, die Engel,
Jener mit dem
Schwert, der mit der Lilie,
Nahten
Nichtigkeit, dem Affenkönig.
Was ist dein
Begehr vom Herrn des Himmels,
Was erbittest
du von Jesus Christus?
Möchte wohl
im Paradies spazieren
Unter
Heiligen und klugen Jungfraun
Und die
Lebensfrucht vom Lebensbaume
Speisen in
der Kommunion des Himmels
Und betrinken
mich mit alten Weinen
Auf dem
Hochzeitsfest im Himmelreiche.
Michael und
Gabriel, die Engel,
Zungenredeten
in Engelszunge,
Beteten zum
Herrn im dritten Himmel.
3
Schau, Frau
Venus auf dem Abendsterne
Ist geschwebt
herab zum Affenkönig.
Sanft um
Nichtigkeit ein süßes Säuseln
Und ein
holder Hauch blies in den Schleier,
Zart gewoben
aus des Äthers Seide,
Purpurrot.
Frau Venus warf den Schleier
Über
Nichtigkeit, den Affenkönig.
Schau, er
schwebte auf dem Abendsterne
Sphäre über
Sphäre in den Himmel.
Dort im Süden
war die Himmelspforte.
Pförtner war
der Papst mit seinem Schlüssel.
Aber dieser
Papst war ein Verehrer
Universellen
Allerbarmens Gottes.
4
Als der Papst
Johannes Paul der Große
Einließ
Nichtigkeit, den Affenkönig,
Wandelte Frau
Venus sich und wurde
Ganz zum
Morgenstern des Paradieses,
Garten Edens
auf dem Morgensterne,
Ganz zur
Himmelssphäre aller Minner,
So wie Goethe
sie geschaut und Dante.
Aber
Nichtigkeit, der Affenkönig,
Wandelte
allein im Garten Eden
Einsam an dem
schönen Nachmittage.
Schau, zwei
Heilige sind da gewandelt
Leise singend
durch den Garten Eden,
Beide trugen
leuchtend weißes Linnen,
Aber nackend
waren ihre Füße.
Salve,
Selige! Sagt eure Namen!
Ich, ich bin
Johannes von dem Kreuze,
Meine Seele
ist die Sulamithin,
Die den
Christus-Salomo gefreit hat!
Ich die
Magdeburger Mechthild heiße
Und ich
schrie in heißer Gier der Liebe,
Nackte Seele
in der Glut der Minne,
Jesus liebe
oft mich, lang und heftig!
Und wohin des
Weges nun, ihr Geister?
Schau, die
Herrin auf dem Venussterne
Ist Maria
Magdalena, Fürstin
Aller
Liebenden im Himmelreiche.
Unsre
Liebesfürstin Magdalena
Lädt die
Minner Christi ein zur Feier
Des
Agapemahls im Paradiese,
Sprachen sie
und wallten selig weiter.
5
Nichtigkeit,
der Affenkönig, eilte
Eilig in den
Magdalenengarten,
Der
entgegenschwieg dem Abenddämmer.
Aber in den
alten Apfelbäumen
Mit den
köstlich süßesten der Äpfel
Saßen Seelen
abgetriebner Kinder,
Putti-Engelein
mit Falterflügeln,
Naschten von
der Süßigkeit der Früchte,
Tranken
Apfelsaft, mit Tau gemischten,
Sangen leis
vom süßen Paradiese
Ihre
ewiglichen Wiegenlieder.
Nichtigkeit
sah unter einem Baume
Große Tonnen
stehn mit altem Weine,
War der gute
Hochzeitswein
von Kana,
Besser als
Bordeaux, den Mayer liebte.
Nichtigkeit
rasch leerte alle Tonnen,
Tonne über
Tonne niederstürzend
In den gierig
aufgerissnen Rachen.
Taumelnd so
vom Wein des Paradieses,
Torkelte der
Affenkönig trunken
Durch das
Paradies zu einer Hütte,
Eremitenhütte
Jakob Böhmes.
Teller waren
dort von Zinn und Kolben
Mit Homunculi
und mit Alraunen.
Aber was
zumeist den Affenkönig
Faszinierte,
war die Wunderspeise,
Speise der
Unsterblichkeit, Oblaten
Oder Hostien
ewiglichen Lebens.
Eine große
Schale voller Hostien
Speiste
Nichtigkeit, der Affenkönig,
In dem
sophianischen Labore
Jakob Böhmes
in dem Garten Eden.
Wahrlich, nun
war Nichtigkeit unsterblich!
Aber da
erschien ihm Magdalena,
Jüngerin
Sophias in der Gnosis,
Mit dem
treuen Freunde Jakob Böhme,
Und sie beide
jagten heilig-zornig
Nichtigkeit
aus ihrem Paradiese!
6
Nichtigkeit
nun stürzte in die Hölle!
Und er trat
vor Satanas
und Lilith,
Königin und
König in der Hölle.
Und er sprach
zum Fürst der Finsternisse
Gebt mir
meine Brüder frei, die Affen,
Und die
Schwestern auch, die Affenmütter!
Siehe,
Satanas
und Lilith
bebten
Voller Angst
und Furcht vorm Affenkönig
Nichtigkeit:
Er war noch voll von Hostien!
Zitternd
reichten Satanas und Lilith
Nichtigkeit
das Buch der Todgeweihten.
Und mit einem
raschen Pinselstriche
Strich der
Affenkönig aller Affen
Aller Brüder,
aller Schwestern Namen
Aus dem Buch
des Todes in der Hölle.
Satan aber,
der Verkläger, fluchte
Zornig
Lästerung zum Herrn des Himmels
Und beschwor
bei dem gerechten Zorne
Gottes
Christus, Nichtigkeit zu reißen
Aus der Hölle
Satanas'
und Liliths,
Denn es sei
an ihm Geruch von Eden
Und Geschmack
des Paradiesesmannas.
Und die
Todesengel Gottes rissen
Nichtigkeit
heraus aus finstrer Hölle,
Warfen den
Erschöpften auf die Erde,
Wo er erst
mal schlief für sieben Stunden.
7
Nichtigkeit
nun stiftete auf Erden
Eine
Monarchie der Affenkinder.
Nichtigkeit
war Kaiser aller Äffchen,
Landesvater
aller Affenkinder.
Vater, Vater,
gib uns mehr Bananen,
Denn es fehlt
den Kindern an Bananen,
Machen doch
allein Bananen glücklich,
Aber
unfruchtbar sind alle Stauden!
Riefen seine
kleinen Äffchen also,
Nun, lieb
Kinderlein, ich geb euch Zucker,
Weiß doch,
kleine Äffchen naschen gerne!
Also, fehlts
dem Volke an Bananen,
Öffne ich
die Zuckerspeicher allen!
8
Aber von dem
Himmel kam Sankt Georg,
Lichter
Ritter, reitend auf dem Schimmel,
Sollte
Nichtigkeit, den Affenkönig,
Wieder
bringen in den Garten Eden.
Aber
Nichtigkeit, der Affenkönig,
Hing an der
Geliebten, Mutter Erde,
Wie an einem
lieben Eheweibe,
Ist das Weib
auch eine arme Närrin,
Hat sie doch
so schöne große Brüste!
Vor Sankt
Georg floh der Affenkönig,
Nahm Gestalt
an einer weisen Schlange,
Nahm Gestalt
an einer frommen Taube,
Nahm Gestalt
an eines klugen Fuchses,
Nahm Gestalt
an eines edlen Hirschen,
Nahm Gestalt
an eines zarten Falters,
Nahm Gestalt
an eines blinden Maulwurfs
Und verkroch
sich in der Mutter Erde.
Doch Sankt
Georg war ein guter Bauer,
Nahm in
Ritterhände seinen Spaten,
Grub den
Affenkönig aus der Erde,
Setzte
Nichtigkeit auf seinen Schimmel,
Flog mit
seinem Flügelross
gen Himmel.
9
Frau Maria
ließ vom dritten Himmel,
Von dem
Himmel aller Himmel nieder
Ihre
Perlenschnur des Rosenkranzes,
Fesselte
damit den Affenkönig,
So wie eine
irdische Geliebte
Den Geliebten
fesselt mit der Haarflut,
Zog den
Affenkönig in den Himmel
Aller Himmel,
Christi Empyreum,
Wo Maria
Herrin war des Himmels
Aller Himmel,
Empyreums Herrin!
10
Also
Nichtigkeit, der Affenkönig,
Trat zum
Jade-Thronstuhl Jesu Christi,
Sei
gebenedeit, o Jesus Christus!
Jesus
Christus sprach: Ich will dein Herr sein!
Aber
Nichtigkeit, der Affenkönig,
Sagte: O wie
sehr lieb ich die Freiheit!
Ich allein
will selbst mein eigner Herr sein!
Wer denn
dürfte Herr mir sein, wie müsste
Der denn
sein, wie groß, der mir der Herr sei?
Geh spazieren
hier im Paradiese,
Wandele von
All zu All und wandle
Von Äonen zu
Äonen, nimmer,
Du entkommst
der Herrschaft Christi nimmer!
Nichtigkeit,
der Affenkönig, lachte
Und spazierte
durch die Himmelsweiten,
Wie von der
Weltseele zu dem Weltgeist,
Durchs Äon
der Anastasis, aufwärts
Alle Stufen,
Himmel über Himmel,
Durch die
schönste Harmonie des Sphäros,
Durch das
Empyreum, bis zum Berge
Zion – wo
er lustvoll onanierte!
Dann ging er,
befriedigt an der Seele,
Wieder zu dem
Jade-Thronstuhl Jesu Christi.
Nichtigkeit,
in welcher Ferne warst du?
Nichtigkeit
berichtete ihm alles
Und gestand
dem Christus ohne Schamrot,
Daß er
onaniert
am Himmelsberge.
Aber Jesus
Christus lachte heiter-weise:
Nichtigkeit,
mein Vielgeliebter! Siehe,
Meine Hand
ist feucht noch von
dem Samen,
An der Wurzel
meines Mittelfingers
Sind noch
Spuren deines Onanierens.
Da sah
Nichtigkeit, der Affenkönig,
Dass
die
Herrschaft Christi nimmer endet!
Er, er hält
das All in seinen Händen!
Da sprach
Nichtigkeit: Mein Herr ist Jesus!
11
Wonne aller
Wonnen! Frau Maria
Herrlich ist
erschienen in dem Himmel!
Unbefleckte
Jungfrau, rein wie Jade,
Einen Ring an
deinen Ehefinger
Tu ich, geb
dir einen neuen Namen,
Du sollst
Toto heißen, mein Geliebter!
Schau, sie
schwebte überm Meer des Himmels
Auf dem
Muschelwagen ihrer Schönheit,
Ihre
schwarzen Haare fein wie Seide,
Ihre
schwarzen Augen Meteore,
Ihr Gewand
war lange feine Seide,
Licht umfloss
den Leib sie, niederrauschend,
Um die Lenden
trug sie einen Gürtel,
Trug sie
einen goldnen Zaubergürtel,
Lang fiel ihr
die Seide auf die Füße,
Nackte Füße,
weiß wie Lotosblüten.
Immer
Jungfrau blieb sie, rein wie Jade,
Universellen
Allerbarmens Göttin!