Von Josef Maria Mayer
ERSTER TEIL
DIE HEILIGE CHRISTINE
1
Die heil’ge Christine
Ist im Libanon geboren
Und im Jahre 307
Für Jesus gestorben
In dem schönen Italien.
Ihr Name bedeutet
Die Christin, oder
Der weibliche Christus!
2
Die heil’ge Christine
War die Tochter
Vornehmer Eltern,
Aber die Eltern
Glaubten nicht
An den lebendigen Gott,
Sondern an steinerne Götter.
Aber eine alte Amme
Erzählte der heil’gen Christine
Vom liebenden Gott
Und so glaubte die heil’ge Christine
An den lieben Vater im Himmel.
3
Ihr Vater auf Erden aber
Glaubte an die goldenen Götter
Und wollte die heil’ge Christine
Und ihre zwölf Dienerinnen
Zwingen, den Göttern zu dienen,
Und darum schloss er sie ein
In einem Turm,
Der an einem See stand.
Die heil’ge Christine aber
Warf die toten Götter
In den See,
Nur das Gold behielt sie,
Um es den Armen zu schenken.
4
Da wurde ihr Vater wütend
Und kam mit zwölf starken Männern,
Die schlugen die heil’ge Christine,
Bis sie nicht mehr konnten.
Die heil’ge Christine
Lachte die Männer aus.
Ihr wütender Vater aber
Warf sie ins Gefängnis.
Da kam ihre Mutter
Zu ihr ins Gefängnis
Und bettelte laut sie an:
Verrate doch den Gott im Himmel
Verrate doch den Gott im Himmel
Und glaub an die steinernen Götter!
Aber die heil’ge Christine
Lachte nur und sagte:
Ich liebe Gott
Ich liebe Gott
Und Gott liebt mich!
5
Der Vater wurde immer wütender,
Er verfolgte alle Christen,
Die an Jesus glauben.
Der heil’gen Christine
Ließ der eigene Vater
Die Arme brechen!
Ihre Haut ließ er abreißen
Mit scharfen Zangen.
Aber die heil’ge Christine
Warf dem wütenden Vater
Ihre Hautfetzen ins Gesicht!
Dann ließ der Vater
Die heil’ge Christine
An ein Rad binden
Und darunter wurde ein Feuer angezündet.
Die heil’ge Christine betete:
Heiliger Gott im Himmel!
Da schlugen die Flammen aus
Und töteten tausend Leute,
Die da standen
Und zugucken wollten,
Wie die heil’ge Christine starb.
6
Da wurde die heil’ge Christine angeklagt:
Du bist eine böse Zauberin!
Du übst Magie!
Aber die heil’ge Christine sagte:
Nein, niemals Magie,
Du bist eine böse Zauberin!
Du übst Magie!
Aber die heil’ge Christine sagte:
Nein, niemals Magie,
Aber immer Gebet zu Gott!
Da warfen die Bösen
Die heil’ge Christine
Wieder ins Gefängnis.
In der dunklen Nacht
Wurde die heil’ge Christine
Auf eine Steinplatte gebunden
Und in den See geworfen!
Sie sollte ertrinken!
Sie sollte ertrinken!
Aber ihr Schutzengel
Hielt die heil’ge Christine
Über Wasser.
Da kam Jesus vom Himmel,
Stark und schön und leuchtend,
Er zeigte auf sein brennendes Herz
Und sagte leise:
Ich liebe dich, Christine!
Ich liebe dich, Christine!
Ich liebe dich, Christine!
Ich liebe dich, Christine!
Und ich gebe dir einen Kuss!
Und ich gebe dir einen Kuss!
Dann taufte Jesus
Die heil’ge Christine.
Nun war sie die Tochter Gottes!
Dann übergab Jesus
Die heil’ge Christine
Dem Erzengel Michael,
Dem starken Krieger Gottes,
Dem großen Drachentöter.
Und der Erzengel Michael
Trug die heil’ge Christine
Wieder an Land.
7
Nun wurde die heil’ge Christine
Wieder angeklagt:
Du bist eine Hexe!
Du bist eine Hexe!
Du hast magische Kräfte!
Wir werden dich köpfen!
In deinem blonden Kopf
Stecken nämlich Dämonen!
So brüllten die Bösen.
Da fand man den Vater
Der heil’gen Christine
Tot im Staube liegen.
Da gab man die Schuld
Am Tod des Vaters
Nur der heil’gen Christine.
Nun sollte sie wieder gequält werden.
Der Richter füllte
Eine eiserne Wiege
Mit Öl und Holz
Und zündete alles an
Und warf die heil’ge Christine
In die brennende Wiege
Und schaukelte sie,
Damit sie noch heftiger brenne.
Aber die heil’ge Christine
Lobte den Gott der Liebe:
Vater im Himmel,
Vater im Himmel,
Ich bin deine geliebte Tochter,
Und nun lieg ich in einer Wiege
Und du schaukelst mich
Wie eine zärtliche Mutter!
Vater im Himmel,
Vater im Himmel,
Du bist so lieb zu mir
Wie eine liebende Mutter!
Und nach diesem Gebet
Stieg die heil’ge Christine
Unverletzt aus der Wiege.
8
Da schnitt der böse Richter
Der heil’gen Christine
Ihre langen goldenen Haare ab!
Dann riss er ihr die Kleider vom Leib
Und schleifte sie nackig
Vor die goldene Statue
Des Sonnengottes.
Und der böse Richter brüllte:
Die Sonne ist Gott!
Die Sonne ist Gott!
Aber die heil’ge Christine rief:
Jesus ist Gott
Jesus ist Gott
Und Jesus ist lichter als die Sonne!
Da zerfiel die Statue
Des goldenen Sonnengottes
Zu Staub und Pulver.
Vor Angst starb der böse Richter.
Aber da gab es
Genügend böse Richter.
Der neue Richter sperrte
Die heil’ge Christine
In einen glühenden Ofen
Für sieben Tage.
Aber mitten im Feuerofen
Tanzte die heil’ge Christine
Mit den tanzenden Engeln
Und sang mit den Engeln
Die fröhlichen Lieder der Engel!
9
Die heil’ge Christine
Trat am siebenten Tag
Aus dem Feuerofen.
Ihre Wangen glühten,
Sie schwitzte,
Denn es war heiß gewesen
In dem Feuerofen.
Da brachte man Schlangen herbei,
Giftschlangen, Würgeschlangen.
Aber die Schlangen
Legten sich um den Nacken
Der heil’gen Christine
Und mit ihren kalten Körpern
Kühlten sie die erhitzte
Heil’ge Christine.
Da rief man einen Magier,
Der sollte die Schlangen reizen,
Dass sie die heil’ge Christine
Beißen und würgen
Und so sie töten!
Aber die Schlangen
Stürzten sich
Auf den Magier
Und töteten ihn!
Da gebot
Die heil’ge Christine
Den Schlangen:
Geht in die Wüste
Geht in die Wüste
Und lasst die Menschen in Ruhe!
Da zogen die Schlangen fort
In die Wüste.
Die heil’ge Christine aber
Erweckte den Magier von dem Tod!
10
Da wurde der böse Richter
Noch böser
Und schnitt die Brüste ab
Der heil’gen Christine!
Aus den Wunden aber
Floss weiße Milch!
Da schnitt der böse Richter
Der heil’gen Christine
Die Zunge ab!
Aber auch ohne Zunge
Konnte sie reden
Und betete laut zu Gott!
Die Zunge aber warf sie
Dem Richter ins Gesicht,
Da wurde der Richter blind!
Da schoss der blinde Richter
Sieben Pfeile
Auf die heil’ge Christine
Und ein Pfeil traf
Ihr Herz!
Und so starb
Die heil’ge Christine.
11
Da kam die heil’ge Christine
Zu Jesus in den Himmel!
Und Jesus sagte voller Liebe:
Ich starb für dich am Kreuz
Ich starb für dich am Kreuz
Und du bist gestorben
Aus Liebe zu mir!
Komm zu meinem ewigen Glück!
Und Gott der Vater im Himmel
Krönte die heil’ge Christine
Im Himmelsparadies
Zur allmächt’gen Prinzessin
Und himmlischen Schutzfrau
Für alle Mädchen auf Erden,
Die Christine heißen.
ZWEITER TEIL
KÖNIGIN CHRISTINE VON SCHWEDEN
1
Christine ward geboren
Im Dezember
Sechzehnhundertsechsundzwanzig
In Stockholm, der Hauptstadt von Schweden,
Und ging heim zum Herrn
Im Alter von dreiundsechzig Jahren,
Da sie starb in dem Ewigen Rom.
Sie war die Tochter
Des schwedischen Königs
Gustav des Zweiten Adolf,
Des Kriegers der Protestanten
Im Dreißigjährigen Krieg,
Und seiner Frau Maria
Eleonora von Brandenburg.
Christine war Königin von Schweden
Und Herzogin von Bremen-Verden.
Als der Papst sie gefirmt,
Erhielt sie den Namen Maria
Alexandra.
Sie starb im Schoß
Der römisch-katholischen Kirche.
2
Christine war fünf Jahre alt,
Als Gustav der Zweite Adolf
Im Krieg gefallen ist
Und Christine den Thron bestieg!
Bis zum Alter von neun Jahren
Lebte Christine bei ihrer Mutter
Eleonora von Brandenburg.
Aber die Mutter war depressiv
Und verantwortungslos,
Darum kam Christine zu ihrer Tante
Katharina Wasa,
Die sie männlich erzog.
Katharina Wasas Sohn
Karl Gustav wurde später
Christines Nachfolger
Auf dem schwedischen Thron.
Christine wurde erzogen
Wie ein männlicher Kronprinz.
Sie lernte reiten und jagen,
Verschmähte weibliche Putzsucht
Und verbrachte die Nächte
Mit ihren geistigen Studien.
Mit achtzehn Jahren übernahm Christine
Die Regierungsgewalt
Und befreite sich von ihrem Vormund.
Den Freund ihrer Jugend,
Karl Gustav, machte Christine
Zum Generalissimus
Der schwedischen Truppen in Deutschland.
Königsberg ward erfolglos besetzt,
Aber Königin Christine gewann
Vorpommern, Rügen und Bremen-Verden
Für die schwedische Krone.
3
Während ihrer Regierungszeit
Führte Königin Christine
Einen Hof voller Pracht,
Ja, den prachtvollsten Hof
Im Europa jener Zeit,
Und so war sie hoch angesehen
Von ihren Zeitgenossen.
Zwei Jahre lang hatte Christine schon
Briefe gewechselt
Mit dem französischen Philosophen
Descartes, bis sie ihn rief
Aus Holland nach Schweden.
Der Philosoph lag am liebsten
Bis Mittags im Bett,
Aber Königin Christine
Bestellte ihn um fünf Uhr Morgens
Zu philosophischen Gesprächen.
Der Philosoph starb
Am Hof der Königin Christine
Und ging zur göttlichen Weisheit ein.
Königin Christine beschenkte
Große Bibliotheken,
Sie sammelte wertvolle Münzen
Und schöne Gemälde.
Sie erbeutete den Schatz
Des Kaisers Rudolf des Zweiten,
Münzen, Statuen, Gemälde, Bücher,
Wissenschaftliche Instrumente
Und reine Kristalle.
Am meisten lag ihr am Herzen
Die Universität von Uppsala,
Die sie ausbaute und beschenkte
Mit alten Büchern.
Königin Christine unterstützte
Die Gelehrten, die studierten
Die Religionsgeschichte
Und die heiligen Kirchenväter
Und griechische und lateinische
Und hebräische Sprache.
Der französische Wissenschaftler
Und katholische Philosoph
Blaise Pascal
Machte der Königin Christine
Aus Ehrerbietung ein Geschenk.
Königin Christine liebte
Das Theater, vor allem
Das französische.
Sie lud ein französisches Ballett
An ihren königlichen Hof
Und einen französischen Violinisten.
Eine französische Sängerin
Wurde Hofsängerin.
Auch liebte Königin Christine
Die italienische komische Oper.
Ein schwedischer Dichter
Schrieb ein Theaterstück für sie
Über Amor, den Gott der Liebe,
Und die jungfräuliche Göttin Diana.
Königin Christine
Trat selber auf
Als Jungfrau-Göttin Diana.
4
Im schwedischen Parlament
Kam es zu Unruhen,
Der Königin Christine
Ward das Regieren schwer gemacht.
Sie erklärte dem Volk:
Ich brauche Ruhe!
Ich brauche Ruhe!
Das schwedische Reich
Braucht einen starken Herrscher,
Ich will abdanken
Und mich den Künsten
Und dem Geiste widmen!
Die Leute des Hofes wollen,
Ich solle heiraten,
Ich aber will mein Leben lang
Jungfräulich leben!
Wenn ich weiter herrschen soll,
Erwarte ich vom Hof,
Mir nie wieder nahe zu legen,
Ich solle heiraten! –
Die Jesuiten,
Die Königin Christine unterrichteten,
Berichteten Rom,
Die Königin wolle konvertieren.
Die Jesuiten arbeiteten zielstrebig
Auf eine Konversion der Königin hin.
Dagegen nannte sie ein Mann des Hofes
Eine böse Jezabel,
Eine abtrünnige Königin,
Die mit der Hure Babel ins Bett ging.
Der Hofmann ward hingerichtet.
Der Arzt der Königin Christine
Riet ihr, nicht so viel zu arbeiten,
Sondern mehr die Künste zu genießen.
Die depressive Mutter Eleonora
Misstraute dem Arzt,
Die Mutter ward verbannt
Nach Schloss Gripsholm.
Königin Christine gründete
Den königlichen Amaranten-Orden,
Alle Ritter des Ordens
Mussten geloben,
Nie eine Ehe einzugehen,
Sondern jungfräulich zu leben.
Im Jahre Sechzehnhundertvierundfünfzig
Dankte Königin Christina ab
Vor dem Reichsrat
Auf dem Schloss von Uppsala.
Ihr Nachfolger auf dem Thron
Ward ihr Vetter,
Karl der Zehnte Gustav von Schweden.
Christine floh
Unter dem Namen Graf von Dohna
Über Münster nach Antwerpen.
Sie nahm mit sich wertvolle Bücher,
Wandteppiche, Statuen und Gemälde.
So kam sie nach Brüssel,
Dort trat sie Weihnachten
In die katholische Kirche ein,
Erst heimlich,
Dann öffentlich
In der Innsbrucker Hofkirche
Mit großer Feierlichkeit.
Zu ihren Ehren
Wurde in Innsbruck
Eine Oper aufgeführt.
Mit dem Beitritt zur Kirche Gottes
Protestierte die Protestantin
Gegen ihre strenge protestantische Erziehung,
Sie trat der Kirche bei,
Die in der Zeit des Barock
Die Schönheit Gottes verherrlichte.
Als Katholikin konnte Christine
Heimisch werden in Italien,
Nach dessen warmem Klima
Es sie sehnlich hinzog.
Für die Kirche Jesu Christi
War die Bekehrung Christines
Ein großer Triumph,
War doch ihr Vater Gustav Adolf
Ein protestantischer Krieger
Im Dreißigjährigen Krieg gewesen.
Nun triumphierte die Schönheit,
Pracht und Herrlichkeit Gottes!
5
Sie lebte nun im Ewigen Rom.
Vergeblich bemühte sie sich
Um die Krone von Neapel
Und später vergeblich
Um die Krone von Polen.
In Frankreich war sie
Nicht erwünschte Person,
Und Schweden verweigerte ihr
Die Einreise in ihre Heimat,
Weil sie in Begleitung
Eines katholischen Priesters war.
In Rom widmete sich Christine
Der Musik, sie spielte selber
Die erste Geige
Und gab auch Kompositionen
Bei Komponisten in Auftrag,
So auch zu Ehren
Der Thronbesteigung
Jakobs des Zweiten von England.
Christine gründete
Das erste Theater in Rom,
Da auch Frauen auftraten
Als Schauspielerinnen
Und Sängerinnen.
Christine liebte
Die erotische Poesie,
Sie kannte die Liebeskunst von Ovid
Und antike erotische Epigramme
Und die Hetärengespräche
Von Pietro Aretino.
Sie hatte eine tiefe Zuneigung
Zu einer ihrer Hofdamen.
Ein Kardinal geriet in Verdacht,
Mit ihr sexuell zu verkehren
Und ward von Papst
Alexander dem Siebten
Zur Rede gestellt.
Der Papst salbte Christine
Und gab ihr den Firmnamen Maria
Alexandra. Sie unterschrieb
Ihre Briefe mit dem Namen
Christine Alexandra.
Sie hatte gute Beziehungen
Zum spanischen Mystiker
Miguel de Molinos,
Ging aber nicht öfter
Als einmal im Jahr
Zum Sakrament der Beichte.
Sie sagte: Ich bin keine Nonne!
Man nannte Christine
Die Göttin Pallas Athene vom Norden.
Sie hatte eine tiefe Stimme,
Trug die Haare kurz
Und trug wie Männer Hosen.
Sie weigerte sich ihr Leben lang,
Einen Mann zu heiraten.
Die Vorstellung einer Ehe
Erregte in ihr
Einen tiefen Widerwillen.
Sie starb als jungfräuliche Königin
Im Alter von dreiundsechzig Jahren
In dem Ewigen Rom
Und wurde begraben
In den Vatikanischen Grotten
Im Dom Sankt Peter.
Jesus empfing
Ihre unsterbliche Seele
Mit Freuden.