Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

SAPPHOS ODEN


Deutsch von Josef Maria Mayer


1

AN APHRODITE

Ah! Im Goldthron inthronisierte unsterbliche Aphrodite,
Tochter des Zeus, durch schlaue List mächtig,
Göttin, die ich verehre, zu dir bete ich:
Meine Seele unterwerfe, den Kummer zerstreue!

Und komm hierher, wenn du je
Meine ferne Stimme gehört hast,
Verlasse deines Vaters Haus von Gold,
Wenn je du kamst zu mir in alter Zeit.

Auf deinem strahlenden Wagen komm,
Den ziehen deine schönen Spatzen, die über der Erde streiten,
Geführt vom Himmel hoch herab,
Und eifrig ihre Flügel spreizen.

Kaum bist du gegangen, o Göttin, durch der Erde breites Portal,
Als du mit lächelnden Antlitz unsterblich schautest,
Hattest Fragen bezüglich meiner Not,
Was für ein Unglück mich unterdrückt:

“Warum sagst du mir nicht, wie die alles verzehrende Leidenschaft
Dich verzehrt? Die Göttin der Überredungskünste,
Wen soll sie zwingen, dir zu Willen zu sein?
Wer, Sappho, ist es, die es wagt, dich zu kränken?

Obwohl sie jetzt dich verschmäht, bald wird sie dir Freundschaft kredenzen;
Geschenke, die sie nun verweigert, bald wird sie dir anbieten;
Obwohl sie nun deine Liebe verschmäht in ihrem Seitensprung,
Bald wird sie gegen ihren Willen dich lieben, sie wird zu dir kommen.“

Und jetzt komm wieder zu mir, die Sorgen zu zerstreuen,
Meine Seele von stürmisch feuriger Leidenschaft ist niedergeschlagen!
Meinen Herzenswunsch mir erfülle,
Und sei meine Freundin und Verbündete.


2

ÜBER EINE GELIEBTE JUNGFRAU

Der Mann, der vor deinem Antlitz sitzt,
Gott gleich scheint er mir.
Er hört deine Worte, die süße charmante Gnade,
Deine freudige Unterhaltung.

Du lachst ein Lachen reiner Freude;
Aber in meinem Busen mein Herz
Heftig flattert vor deinen Augen,
Kein Ton erhebt sich von mir.

Meine Zunge ist gelähmt, ein Feuer
Meine Glieder komplett verzehrt;
Meine Augen sehen nichts, es rumort tief
Und es spielt das Chaos in meinen Ohren.

Heißer Schweiß sinkt an mir herab,
Und Zittern ergreift mich.
Ich bin leichenblass, mein Herzblut stockt,
Nah dem Tode schein ich.


3

EINE VISION VON HERA

Deine schöne Gestalt vor mir, es hat den Anschein,
Erschien mir, o Herrin Hera, in einem Traum,
Als erstes wurdest du in brünstigen Gebeten genannt
Von Atreus’ königlichen Söhnen.

Denn wenn sie Ares’ Arbeit abgeschlossen hatten,
Von dort, wo die Ströme des Skamander beschleunigt fließen,
Sie begannen hierher in ihre Heimat zu kommen,
Aber zuerst nach Argos konnten sie nicht kommen,

Bis sie beteten zu dir und Zeus, deinem Herrn,
Und auch Thyone, das liebliche Kind, flehte
Mit Weihrauch-Opfern schon jetzt,
Deren Bürger halten ihre alten Gelübde.


4

TOD IST ALLES WAS ICH MIR FÜR MICH WÜNSCHE

Ein Gott hat uns bezaubert, Gongyle!
Die Kinder sahen ihn sichtlich:
Hermes selbst ist zu mir kommen.

Ich sah ihn nicht, aber sagte: Ah, Herr!
Kein Vergnügen kann mein Reichtum gewähren
Mit der gesegneten Herrin meiner Heimat.

Denn der Tod ist alles, was ich mir wünsche,
Die taufrischen Lotus-Felder zu sehen,
Die Wiesen von Elysium!


5

WILLKOMMEN

Du bist gekommen, du bist gekommen, zu meiner großen Freude;
Denn ich habe mich nach deinem willkommenen Anblick gesehnt.
In meinem Herzen hast du wieder die Flamme der Liebe entzündet,
Die brannte schon, bevor du kamst.
So wünsche ich dir ein herzlich Willkommen und begrüße dich einmal mehr,
Und ich wünschte, dich begrüßen zu dürfen immer wieder,
So lange war die Zeit, da du abwesend warst.


6

ZURECHTWEISUNG

Mir zu zeigen Dankbarkeit, verweigerst du;
Von schönen Worten, mit siebensaitigen Leiern verbündet,
Von edlen Worten fernzuhalten deine Freunde wähltest du,
Und mich vorwurfsvoll anzugreifen.

Nun, so ist es eben! Von Unverschämtheit willst du satt werden.
Du darfst ermöglichen deiner Wut, in deinem Herzen anzuschwellen.
Aber meine Verachtung kann niemals nachgelassen werden
Wegen dem Zorn, den ich von dir fürchten muss.


7

CHARAXUS UND DORICHA

Kypris! Fand er dich nur allzu bitter,
Und hat er einen lauten Spott verdient?
Ihn hat Doricha nun einmal gefesselt,
Und sie ist seine Liebe, nach der er sich sehnt.


8

GEBET UM DIE RÜCKKEHR VON CHARAXUS

Ihr Nereiden, ihr verehrten Nymphen, mein Bruder,
Ich bitte euch, lasst ihn sicher zurückkehren.
Gewährt ihr auch keine Wünsche anderer,
Gewährt doch all das, wonach sein Herz sich sehnt.

Mögen alle seine alten Schwächen ihn verlassen.
Eine Freude für seine Freunde soll er sein,
Ein Schrecken für die, die um ihn trauern,
Nicht mehr traurig will ich sein!

Seine Schwester zu ehren, sei er bereit,
Dass sie mit Trauer nicht erfüllt werde,
Jetzt meine schändlichen Leiden stillt mir,
Mit denen er mein Herz gedämpft.

Denn seine Schande ist eingedrungen
Von weit in mich, meine Seele zu vernichten:
Zu sehen bei den begeisterten Bürgern
Den schwatzhaften Klatsch voll Boshaftigkeit.

Aber wenn mein Lied begeisterte je
Dein Herz, o Göttin, so höre mein Gebet:
Vom Kummer, vom Bösen uns befreie;
Trage sie ins Dunkel hinweg.


9

SAPPHOS TOCHTER KLEIS

Für mich ist sie ein hübsches Kind, behaupte ich,
Mit Formen wie Blumen aus Gold.
Geliebte Kleis ist ihr Name,
Bewundert von jung und alt.
Waren schön die Lydias, alle meine eigenen,
Sie konnten nicht für ihren Verlust mir sühnen.


10

DAS SCHÖNSTE DING IN DER SCHÖPFUNG

Einige denken, das schönste, was in der ganzen Schöpfung ist,
Sei zu Pferde oder zu Fuß in Waffen sich zu bewegen;
Schlacht-Schiffe haben bei einigen meiste Bewunderung,
Aber mein Herz schätzt vor allem, sich geliebt zu wissen!

Und es ist nicht schwer für mich, jeder zu folgen;
Denn die königliche Helena, Schönste der Schönen,
Obwohl vermessen waren sterbliche Schönheiten viele,
War vor allem berühmt für ihres Liebhabers Pflege.

Vergessen hatte sie die lieben Eltern und ihre Tochter,
Sie folgte ihm, die das glorreiche Troja zerstörte.
Weit weg von ihren Freunden und der Heimat brachte er sie,
Von Eitelkeit und leidenschaftlicher Liebe verlockt.

Denn eine leichte Frau versucht doch immer,
Wenn sie es leichtfertig überlegt, was in der Nähe ist.
So auch, o meine Anaktoria, die du dich nie
Erinnerst dich an mich und die heute nicht hier ist.

Aber von deinem schönen Fußfall möchte ich gerne hören,
Wie du ziehst die Helligkeit deiner glänzenden Augen
Von all dem Lärm der Wagen ab und stürztest wie verrückt,
Um der Lydier wegen, der gepanzerten Männer Schlachtruf.

Ich weiß, dass Männer sich nicht der Besten gewähren,
Es ist besser, nicht danach zu fragen,
Die einst die Menge geteilt, um mit diesem zufrieden zu sein,
Vergeblich strebt sie, Höheres zu erreichen, das soll sie vergessen.


11

ABSCHIED VON EINER FREUNDIN

Mein Herz ist gebrochen, o stille mein Leid,
In trauriger Niedergeschlagenheit nach dem Tode sehn ich mich:
Sie weinte traurig, sie machte mich traurig.

Und oft wollte sie mich so anreden:
Ach, ich! Was für ein Elend bedrückt mich!
Dich zu verlassen, meine Sappho, es bricht mir das Herz!

Dann gab ich ihr Antwort, ich streichelte sie:
Gehe hin von mir weg mit meines Herzens Segen.
Erinnere dich an mich bitte, du kennst meine Liebe.

Weit mehr als an den Abschied denke du recht
An die schönen Stunden, die wir zusammen verbracht.
Denk daran, ja, und an die Götter im Himmel.

Denn viele Kränze von Veilchen sind blau,
Basilikum, Thymian, Rosen blühen,
Dein Zeichen der Liebe, das du mir gegeben.

Und duftende Girlanden aus Blumen des Frühlings
Wobest du und brachtest mir oft,
Über mich ranken sie zärtlich.

Und teure Salben der süßen seltenen Düfte,
Und königlichen Balsam, zu salben dein Haar,
Hast du auf deinen Kopf gegossen häufig.


12

DIE BRAUT VON SARDIS

In der Lyder goldenen Stadt, dem strahlenden Sardis,
Mit der schönen Arignota für immer ist mein Herz,
Und Atthis, oft denkt sie an dich.

Sie denkt an uns, wie wir zusammen wohnen,
Wie sie dir göttliche Ehre gegeben,
Sie hörte dein Lied mit größter Freude.

Aber nun zu den Lydern, wo sie wohnt,
Und, wie der Mond in der Nacht, sie schimmert dort,
Ja, wie die rosenfingrige Königin,

Welche erobert alle die Sterne, in Glanz glänzend,
Gegenüber dem salzigen Ozean hell strahlend,
Und über die grüne Blumenwiese.

Erfrischende Tautropfen die Blätter und Blüten bedecken;
Die wunderschönen Rosen und den Honig-Klee,
Hibiskus ist auch jetzt in voller Blüte.

Aber wenn sie denkt an Atthis, das sanfte Mädchen,
Ihr Herz ist mit Sehnsucht und Kummer beladen,
Ängstlich durchstreift sie das Land.

Sie ruft laut nach uns, ihr dorthin zu folgen.
Vergeblich in der Nacht der tausend Ohren kommt hierher
Kein Ton übers Wasser.


13

AN GONGYLE

Ah, Gongyle! Komm her zu mir,
Gekleidet in deinem milchweißen Kleid.
Jetzt liebe ich wieder die Nähe zu dir,
Und alles verkündigt deine Lieblichkeit.

Der bloße Anblick des Glanzes
Deines Gewandes brachte einen Nervenkitzel;
Aber Kypris zu meiner großen Freude
Ist verzweifelt aus Eifersucht.


14

ATTHIS

Es ist sehr, sehr lange her,
Atthis, dass du meine Liebe kanntest.


15

EIN KLEINES KIND

Ein kleines Kind schienst du mir zu sein;
In dir konnt ich keine Gnade sehen.


16

ATTHIS UND ANDROMEDA

An mich, Atthis, nicht zu denken, ist abscheulich von dir:
Andromeda huscht jetzt vor dir, du ziehst sie mir vor.


17

HERO

Hero, fahrend auf dem Schiff, ich berichte dir,
Wer von Gyara hierher ward gebracht.


18

ERANNA

Eranna, noch nie, wo immer ich gewesen bin,
Hab ich dich als eine verächtliche Frau gesehen.


19

GYRINNO UND MNESIDICE

Obwohl die schöne Gyrinno sanft ist,
Weit schöner ist doch Mnesidice.


20

AN DICE (MNESIDICE)

Lege, o Dice, einen Kranz auf deine schönen Locken;
Mit deinen zarten Hände winde Anisblüten in den Zopf;
Denn eine blumengeschmückte Magd ist gesegnet von den Grazien
Und wird von ihnen begünstigt, aber die ohne Girlanden hassen sie.


21

AN EINE UNBEKANNTE FREUNDIN

Sachte, sachte darfst du Ruhe finden
Auf den Brüsten deiner lieben Gefährtin.


22

IN DER BLÜTE DER JUGEND

Sie hat jetzt ihre jugendliche Blüte erreicht;
Die Zeit zum Flechten der Kränze ist gekommen.


23

EINE BEGABTE SCHÜLERIN

Von all den Mädchen, für die die Sonne aufgeht,
Jetzt und in den kommenden Zeiten ist keine so klug wie du.


24

EINE VERLORENE SCHÜLERIN

Weit mehr als ich, ist es heute jemand anderes,
Dessen Liebe deinem Herzen Nervenkitzel schenkt.


25

VERGESSEN

Aber ganz und gar
Vergaßest du mich.


26

DER BRÄUTIGAM

Hebt das hohe Dach, um ihm Raum zu geben -
Hymenaeus!
Ihr Arbeiter, wieder hebt das Dach -
O Hymenaeus!

Wie der mächtige Ares jetzt kommt!
Der Bräutigam ist größer als große Männer!


27

DER BRÄUTIGAM

Seine Rivalen übertrifft er mit Leichtigkeit,
Wie von Lesbos die Dichter die in ganz Griechenland.


28

DER BRÄUTIGAM

Mit was, lieber Bräutigam, sollte ich dich am meisten mit Recht vergleichen?
Ich vergleiche dich am besten mit einem schlanken schönen Baum.


29

DIE BRAUT

Wie die süßen Apfel, die röten weit oben im hohen Wipfel,
Oben auf dem höchsten Ast, knapp sich den Sammlern zeigen -
Ihr könnt sie nicht erreichen, obwohl sie leicht zu sehen sind.


30

DIE BRAUT

Deine Form und deine Augen sind voll der Gnade.
Honigsüß ist dein schönes Antlitz,
Von Aphrodite hast du die Liebe empfangen,
Sie hat mit mir von ihrer Gunst gesprochen.


31

DIE BRAUT

In der ganzen Welt würdest du nie entdecken
Ein so schönes Mädchen wie dieses, o Geliebter.


32

DIE BRAUT

Werde ich noch Jungfrau sein?


33

JUNGFRÄULICHKEIT

O Jungfräulichkeit! O Jungfräulichkeit! Wie bist du von mir gegangen? –
Ich komme nimmermehr, nimmermehr, ich komme nie zu dir zurück!


34

DER HOCHZEITSTAG

Die Ehe hast du gewünscht,
Dass sie durchgeführt wird,
O glücklicher Bräutigam;
Die Braut, die hast du bewundert,
Deine eigene ist sie mittlerweile.


35

GLÜCKWUNSCH

Gute Wünsche geben wir der Braut
Und dem Bräutigam an ihrer Seite.


36

DER BRAUTVATER

Der Vater sprach: Wir geben dir die Jungfrau!


37

DER TORWÄCHTER

Sieben Meter lang, der Torwächter für die Füße
Fünf Ochsen-Häute für seine Schuhe brauchte.
Zehn Schuster arbeiteten, wurden in Anspruch genommen.


38

DIE UNVERMÄHLTEN MÄDCHEN

Genau wie die lila Hyazinthe, deren Blüten auf dem Berge blühen,
Unten auf dem Boden sie mit den Füßen der Hirte heimkehrend trat.


39

VESPER

Hesperus, du bringst alle Dinge, die die glänzende Aurora zerstreut hat,
Die Schafe und die Ziegen bringst du nach Hause;
Du den Sohn zu seiner Mutter lässt kommen.


40-41

ANDROMACHES HOCHZEIT

Jetzt Hector und seine Kameraden nach Hause bringen Andromache,
Die strahlenden Augen der schönen Dame über dem salzigen Meer
Schauen nach ihren Schiffen aus Theben, von sprudelnden Bächen.
Jetzt Gold am Armband, jetzt lila Gewänder glänzend;
Jetzt werden viele Schätze bringen sie von feinen Stickereien,
Und unzählige silberne Gefäße und Tassen und Elfenbein.
Er sprachs, und sein lieber Vater kam in atemloser Hast,
Und durch die große Stadt die Kunde ging schnell.
Schnurstracks ihren Maultieren die Trojaner an Wagen schnell und stark
Legten an das Joch, wie sie bestieg der festlichen Frauen Gedränge.
Die schlankfüßigen Jungfrauen alle folgten, während abseits
Saßen Priamos’ Töchter auf pompösen Wagen.
Die Männer spannten vor den Wagen die Rosse, ja, alles junge Männer;
Und dann, laut schreiend gab der Wagenlenker Befehl.
Die älteren Frauen lärmen, das hat alle laut gefreut,
Und in den süßen klaren Lobgesang die Männer gossen ihre Stimmen.
Sie appellierten an den Fernhintreffer, dessen Leier klingt herrlich,
Um wie Götter Hector und Andromache zu singen.


42

EIN GÖTTLICHES HOCHZEITSFEST

Mit Ambrosia war der Krug bis zum Rand gefüllt.
Mit einem Kelch für die Unsterblichen hat Hermes es ausgegossen,
Und ihnen allen aus ihren Kelchen strömten Trankopfer.
Dem Bräutigam haben sie dargeboten ihre Glückwünsche.


43

DER STURM DES EROS

Wie der Sturm, der auf dem Berg die Eichen fällt,
So Eros rührt unsere Herzen mit heftigen Schlägen!


44

DER ANGRIFF DES EROS

Das bitter-süße Geschöpf, der unbesiegbare Eros,
Meine Glieder lässt zittern, mein Herz bewegt.


45

RUHELOS WEGEN EROS

Nicht mehr, liebe Mutter, kann ich
Es ertragen, am Webstuhl zu arbeiten.
Durch Aphrodite für diesen Knaben
Solche Sehnsucht fühl ich.


46

MITTERNÄCHTLICHE EINSAMKEIT

Der Mond hat die Himmel verlassen;
Die Plejaden haben sich gesetzt;
Und in der Stunde der Mitternacht
In der Einsamkeit lieg ich.


47

AN EINE FREUNDIN

Komm, meine Freundin, vor meine Augen;
Zeige meinen Augen den Einfluss der Gnade.


48

AN ALKEIOS

Wenn du irgendetwas für die Ehre oder für die Gerechtigkeit tust,
Auch durch deine kranke Zunge hattest du es bezwungen,
Auf Bescheidenheit würdest du nicht verzichtet haben,
Aber offen das Rechte hättest du zu sagen gewagt.


49

EINE VERWEIGERUNG

Eine Freundin von dir werde ich immer sein,
Aber gewinne dir selbst eine jüngere Braut.
Mein höheres Alter weigert sich,
Dass ich für immer bei dir bleiben könnte.


50

EINE WEITERE VERWEIGERUNG

Ich heirate nie,
Ich bleibe Jungfrau!


51

SAPPHOS FALSCHE FREUNDE

Diejenigen, denen ich diene mit all meiner Kraft,
Mit einer großen Täuschung vergelten sie’s mir.


52

SAPPHOS FEIND UND RIVALE

Weit davon entfernt, dass auf seinem Kurs ihn der Wind tragen könnte,
Kann er nur unterdrückt werden mit Sorgfalt.


53

ANDROMEDA

Was für ungehobelte Geschöpfe seh ich da,
Mit Pracht ihre Grobheit zu verschleiern,
Warum wissen sie nicht, zu tragen
Den Saum ihres Rockes bis zu den Knöcheln?


54

ANDROMEDA

Eine glorreiche Rückkehr
Hat Andromeda verdient.


55

GORGO

Ihr, der Gorgo, einst Eros
Tat ihr mehr als genug.


56

DAS KIND VON POLYANAX

Wegen dem Kind von Polyanax
Ich biete euch einen herzhaften, langen Abschied.


57

AN EINE REICHE, UNGEBILDETE FRAU

Wenn grimmiger Tod deine Augenlider schließt,
Dann wird niemand um dich trauern;
Denn an der Pieriden Rosen
Hast du versäumt, einen Anteil zu erwerben.

Nein, für dich gibt es keine Klagen:
Ungeliebt und unbekannt
Wirst du gehen in des Hades Wohnung,
Wenn dein Schatten ist nach unten geflogen.


58

SAPPHO AN IHRE LYRA

Komm jetzt, göttliche Schildpatt-Leier,
Klangvolle Mächte der Rede sind dein.


59

AN DIE MUSE

Lehre mich, ich bete, o Muse, die du in Gold thronst,
Erfreuliche Lieder wie die der berühmte alte Sänger,
Der Barde von Teos, sang, dessen Leier
Eine Menge von Frauen hatten inspiriert.


60

SAPPHO ALS DIE SCHÜLERIN DER MUSEN

Mir haben sie gnadenreiche Ehren gebracht;
Sie haben mich ihre himmlische Kunst gelehrt.


61

SAPPHO AN IHREN GENIUS

Es scheint mir, es fehlte nicht viel,
Ich könnte den Himmel berühren.


62

IHRE HOFFNUNG AUF UNSTERBLICHKEIT

In künftigen Zeiten, da bin ich sicher,
Mein Gedächtnis wird immer noch begangen.


63

SAPPHOS GESANG FÜR IHRE JUNGFRÄULICHEN FREUNDINNEN

Für diese Mädchen, denen ich durch Freundschaft verbunden,
Zu ihrer Freude dieses schöne Lied soll erklingen.


64

IHRE LOYALITÄT ZU IHREN FREUNDINNEN

Wessen Ehre je ward als standhaft erfunden,
Euch mit ewigen Banden bin ich verpflichtet.


65

SAPPHOS TEMPERAMENT

Ich habe nicht einen bösen Geist,
Sondern sanft wie ein Kind und freundlich.


66

SAPPHOS TEMPERAMENT

In mir brennt das Feuer
Von Sehnsucht und Verlangen!


67

SAPPHOS GESCHMACK

An zierlichem Luxus erfreu ich mich
Und liebe die schöne Sonne, deren Strahlen licht sind.


68

SAPPHO AUF DEM TOTENBETT – AN IHRE TOCHTER

Nein, ich stieß keine Klagelieder aus zu der Musen Sitz,
Wir leiden nicht wegen dem, das sich nicht erfüllte.


69

HÜTE DEINE ZUNGE!

Wenn dich Leidenschaft, wütende, lockend, beschlagnahmt,
Ein Stottern der Zunge kann ich nicht ertragen.


70

SCHÖNHEIT

Die Menge ist schön allein den Augen;
Aber schöner sind die Gerechten.


71

WOHLSTAND

Reichtum, mit Tugend nicht verbündet,
Ich würde ihn nicht an meiner Seite begrüßen.


72

LEERER STOLZ

Nicht plustere dich auf wegen einem Ding,
Das nicht mehr wert als ein Ring ist.


73

DER STEINSCHUTT

Den Steinschutt
Lasse du allein.


74

KEIN HONIG FÜR MICH

Kein Honig für mich;
Für mich keine Honig-Biene.


75

ZÄRTLICHE MUTTER

Obwohl die Kinder Gello lieben,
Doch liebt sie die Kinder noch mehr.


76

DER TOD IST EIN ÜBEL

Die Götter haben entschieden: es ist zu sterben.
Wenn es gut wär, würde der Tod nicht vorübergehen.


77

MOND UND STERNE

Der volle Mond hat ein Silber-Gesicht,
Wenn es am hellsten strahlt,
Und wenn seine Kugel ist ganz in Brand,
Die Sterne verbergen ihren Schimmer.


78

DER ABEND-STERN

Von all den Sternen dieser Stern
Am meisten schön ist bei weitem.


79

EIN SCHÖNER ORT

Kühles Wasser rieselt von oben
Durch die Apfelbäume.
Schlummer tropft von ihren Blättern, die sich bewegen
In murmelndem Kinderspiel.


80

KICHERERBSEN

Goldene Kichererbsen, hell leuchtend,
Auf dem sandigen Ufer wuchsen.


81

TAUBEN

Bei Ebbe ist ihr Leben gekühlte Strömung;
Ihre gefiederten Flügel hängen niedrig.


82

DIE NACHTIGALL

Die schöne Vorbotin des Frühlings,
Die Nachtigall süße Läufe singt.


83

DIE SCHWALBE

Was ist die Botschaft, mit der du willst kommen,
O schöne Schwalbe, Tochter des Pandion?


84

SAPPHO LÄDT APHRODITE EIN

Komm, Kypris, zu unserm Bankett,
Mit goldenen Bechern komm hierher;
Gieße den schimmernden Nektar ein,
Bring uns üppigen Jubel!


85

ZU DEINEN ANBETERN KOMM!

Zypern schenke jetzt deine Gegenwart;
Mögen Paphus und Panormus sich dir erhalten.


86

EIN OPFER

Akzeptiere auf deinem Altar eine schneeweiße Ziege von mir.
Darauf ein Trankopfer von Wein will ich für dich gießen.


87

EIN GEBET

O Aphrodite, mit Gold gekrönt,
Darf ich deine Herrlichkeit schauen?


88

HÖRE AUF MEINEN TRAUM!

Du wurdest in Zypern geboren,
In unseren Träumen haben wir dich gesehen.


89

APHRODITE AN SAPPHO

Warum, o Sappho, nennst du immer
Aphrodite deine Segensspenderin?


90

APHRODITE AN SAPPHO

Sappho, es ist nicht nur für dich,
Sondern auch für meinen Knecht Eros.


91

EINE APHRODITE-STATUE

Den lila Schal wirst du nehmen,
Zum Ornamente für dein wallendes Haar;
Die von Phocaea schickte dir ihre Spende,
Ein kostbares Geschenk, ein seltnes, zu dir.


92

APHRODITES MAGD

Aphrodites Magd, siehe,
Strahlend hell wie Gold.


93

ADONIS IST TOT

Der schöne Adonis ist tot!
Kytherea, was sollen wir tun?

Mädchen, schlagt wild eure Brüste,
Und reißt eure Kleider entzwei!


94

AN DIE MUSEN

O Musen, kommt hierher;
Verlasst euer goldenes Haus.


95

AN DIE MUSEN UND DIE GRAZIEN

Schönhaarige Musen, niedliche Grazien,
Hierher kommt, empfangt meinen Lobpreis.


96

AN DIE GRAZIEN

Ihr mit den Waffen der rosigen Blüten,
Schöne Grazien, hierher eilt zu kommen.


97

AN DIE GRAZIEN

Kommt hierher, ihr Grazien, ihr sollt wissen:
Mein Herz flattert seit langer Zeit.


98

MORGENRÖTE

Für mich ist die Morgenröte mit goldnen Sandalen,
Die gerade jetzt ihr herrliches Licht gezeigt hat.


99

LEDA HAT GEFUNDEN

Ein Ei, mit Hyazinthen umschlungen,
Man sagt, dass es von Leda einmal gefunden wurde.


100

ARES UND HEPHAESTUS

Mit eigener Kraft konnte er, sagte Ares,
Leicht tragen Hephaestus in die Ferne.


101

HERMES

Unter den Himmeln fliegt er schleunig,
Mit einem Purpurmantel bekleidet.


102

NÄCHTLICHE ANBETER

Die Frauen, während hell der Vollmond leuchtet,
Um einen Altar im Kreise stehen.


103

KRETISCHE TÄNZE

Rund um den Altar die Jungfraun von Kreta
Zu ihren anmutigen Tänzen schlagen den Takt.


104

EIN TANZ AUF DEM RASEN

Auf die weichen Spitzen des Grases
Und zarte Blüten die Mädchen traten.


105

EIN SCHÖNES KLEINES MÄDCHEN

Ein schönes kleines Mädchen, so schön wie sie nur sein kann,
Eine Versammlung von Blüten ich eines Tages sah.


106

EIN VERGLEICH

Die Harfe kann nie so süß tönen,
Auch Gold kann Gold im Überfluss sein.


107

LYDISCHE STIEFEL

Ihre Füße in feinem Leder, reich gefärbt,
Die Arbeit der Lyder verbarg die Füße.


108

EIN WEICHES KISSEN

Auf einem Kissen samtig
Meine Glieder legte ich müde.


109

FEINE DECKE

Eine Decke, aber eine feine,
Über ihn mit Sorgfalt legte er.


110

DIE DUNKELHEIT DER NACHT

Vor ihren Augen jetzt tat sie steigen,
Die schwarze und schreckliche Dunkelheit der Nacht.


111

ZWEIFEL

Keine Ahnung hab ich, was zu tun ist;
Mein Gehirn ist sicherlich in zwei gespalten...


112

ICH FLATTERE WIE EIN KIND

Wie ein Kind hinter seiner Mutter her,
Trotzdem hab ich jetzt zu flattern Lust.


113

ICH BRAUCHE KEINE RATSCHLÄGE

Das habe ich mir selbst beigebracht,
Mein Wissen bekam ich ohne Hilfe.


114

AETHOPIA

Kinder, wenn jemand fragen sollte,
Zwar sprachlos, sollte ich daher antworten,
Eine unermüdliche Rede steht vor meinen Füßen geschrieben:
Ich bin Leto, das ist mein Mädchenname,
Aethopia, mit Arista verbunden,
Hermoclides’ Kind, des Sohn des Saynaiades.
Sei du, o Herrin der Frauen, ihr günstig, deiner treuen Dienerin!


115

PELAGON

Korb und Ruder von seinem Vater Meniskus wird hier geweiht,
Es zeigt, wie Pelagon lebte, elend wie alle Fischer.


116

DIE TOTE

Dies ist der Staub der Toten, die, bevor sie verheiratet war, gestorben ist,
Und von Persephone wurde sie in ihrer dunklen Kammer aufgenommen;
Aber obwohl sie tot war, wurde sie kürzlich auferweckt,
All ihre Begleiter sahen ihre Haare, eine wahre Augenweide!