Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

MYSTISCHER JESUS



Ein Hoheslied von Josef Maria Mayer
 


PROLOG


Wolkenschwer ist der Himmel,
Schwarz von Efeu ist der Wald,
Bang ist Jesus in der dunklen Nacht,
Darum führe du ihn nach Hause, Maria!
Jesus und Magdalena begaben sich als Paar
Zur Laube, nah am Weg.
Lobpreis sei der Liebe von Jesus
Und Maria Magdalena
Am Ufer des Jordan!

Durch das Wort Gottes
Das Gebäude des Geistes schmückend,
Rose zu seinen Füßen,
Der Pilger Führer,
Den Bericht von Jesu Liebe verfassend
Schreibt hier Josef Maria Mayer sein Gedicht.

Wenn es dich entzückt,
An den Herrn zu denken,
Höre, wie lieblich und anmutig schön
Josef Maria Mayers Muse
Vers an Vers reiht wie eine Perlenschnur.

Vom Jenseits redet weise Dante,
Von Weisheit redet Goethe,
Vom irdischen Paradiese sang Milton,
Und Klopstock sang von Jehowah.


ERSTER GESANG


In der Sintflut hat einer das Wort gerettet,
Unversehrt die Weisheit in der Arche,
Der du den Weinberg gebaut hast,
Noah, du Tröster!

Tief versunken in den Fluten des Todes,
Die Meereswogen drückten dich nieder,
Als du vom Wal verschlungen wurdest,
Jona, du Sohn der Taube!

Von dem wilden Eber getötet,
Aphrodites Geliebter Adonis,
Bist du auferstanden
Als Adonisrose im Adonisgarten!
O tot Adonis!

Brüllend von den Baschanbergen
Bist du ein Löwe, Junges einer Löwin,
Sieger von Zion, König David,
Löwe von Juda!

Du hast die Erde fest gegründet
Auf sicheren Fundamenten
Und hast die Erde, unser aller Mutter,
Aufgehängt im Nichts,
O Herr der Welten!

Du hast die Erde überflutet
Und die Sünder ertränkt
Und eine neue Menschheit gegründet
Auf dem Berge Ararat,
O Herr, du Vater der Götter und Menschen!

Du bist siegreich in allen Kriegen
Und hast dich selbst geopfert
Als Opferlamm auf dem Altar,
O Herr, in Jesus inkarniert,
O Heiland und Retter der Menschen!

Du verlangst keine Opfer von Lämmern,
Von Stieren und Kühen, Ziegen und Tauben,
Sondern gabst dich selbst zum Opfer
Und erneuerst dein Opfer täglich in Brot und Wein,
O Jesus, eucharistischer Christus!

Du weidest die Völker
Mit eisernem Zepter
Und wirst die Heiden zerschlagen
Wie irdenes Tongeschirr,
Du apokalyptischer Herrscher!

Höre Josef Maria Mayers Gedicht,
Das seine Muse ihm eingegeben
In berauschenden Träumen!
Möge sein Lobpreis steigen
Wie Weihrauch zu deinem Thron,
Mein Herr und mein Gott!

Der du die heilige Schrift erfüllst,
Der du den Satan niedergeworfen hast,
Du Friedefürst, du starker Gott,
Du König der Könige, Herr der Herren,
Gott der Götter, Lobpreis sing ich dir, Jesus Christus!


ZWEITER GESANG


Blumenketten trägst du um den Hals
Und goldene Ohrringe an den Ohren,
Trägst den Wald des Libanon, seine Zedern,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Geschmückt bist du von lichten Juwelen
Und zerreißt die Fesseln der Sünde!
Schwan bist du auf dem See der Weisheit,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Des giftigen Satan Vernichter,
Du Dieb der Menschenherzen,
Sonne bist du für die Rose von Jericho,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Die gewundene Schlange, die flüchtige Schlange,
Den feuerroten Drachen zertrittst du,
Auf Adelers Fittichen schwebst du,
Grund für den Tanz der Engel du,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Mit Narzissenaugen lachst du,
Frei vom ewigen Tode machst du die Deinen,
Zentrales Feuer bist du des Universums,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Maria Magdalena zur Freude strahlst du,
Die Sünde hast du überwunden,
Fesselst mit ehernen Ketten den Satan,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Schön bist du wie Wolken vor dem Gewitter,
Des Zionberges Fundament bist du,
Du bist der Adler, der schaut des Vaters Antlitz,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Wir werfen uns zu deinen Füßen nieder,
Vergiss uns nicht, wenn du in dein Reich kommst!
Spende Gnaden denen, die beten,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Verse von Josef Maria Mayer,
Segen erbitten seine Verse dem Leser,
Segen soll es bringen, liest man dies Lied,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

An Marias Brüste gebettet
Verblieb sein Abdruck an ihrer Brust,
Der Abdruck seines heiligen Herzens,
Des Todesüberwinders,
Von Liebe gezeichnet,
Von Eros erschöpft,
Schenk er euch allen das überwallende Maß der Wonne!

*

Im Frühling mit lilienweißen Gliedern
Durch die Scharonwiesen irrte sie,
Jesus nachfolgend edler Art und Weise,
Verwirrt von Liebe und dem Fieber der Liebe,
Ratlos stand Maria Magdalena,
Da spricht mit sanfter Stimme die Freundin Susanna:


DRITTER GESANG


Wo süßer Nektarduft schmeichelt
Herab vom Hermon-Gebirge,
Wo beim Libanon-Waldhaus
Die Nachtigall von der Rose flötet
Und Honigbienen summen,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Wo der wandernden Jüngerinnen Murmeln
Wie Liebesseufzer erklingt,
Wo die Blüten der Magnolienbäume
Von Honigbienen umsummt sind,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Wo berauscht von den Düften
Die Feigenbäume erste Knospen treiben,
Die jungen Männer die Frühfeigen pflücken,
Von Eros und seinen Pfeilen verwundet,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Wo wie das brennende Herz des Eros
Sich die rote Rose öffnet,
Wo wie die Stacheln der Hummeln
Die Pfeile des Eros wüten,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Das Schamgefühl verschwindet in der Welt,
Da die Narzissen ihre Glockenhäupter schaukeln,
Wo die Luft ist heiß und trocken
Wie die Dornen an der brennenden Rose,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Wo die Myrrhe schwitzt
Und der Gummibaum Gummi tropft,
Wo selbst der Weisen Gemüt verwirrt ist
Von dem Flöten der Nachtigall,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Wo die Ulme zärtlich grünt,
Von den Ranken des Rebstocks umschlungen,
In dem Jabbok-Wildbachtal,
Von den Wassern des Jabbok benetzt,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

So erhebt sich die Stimme von Josef Maria Mayer,
Der seinen Geist auf die durchbohrten Füße Jesu richtet.
Seine Verse schildern den Garten Eden im Frühling,
Wenn Eros durch den Garten Eden spaziert.
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Wie in den prallen Rebenzweigen Trauben,
So beben die Brüste der Jungfraun.
Glut glüht in der Seele den Geliebten
Wie das Feuer im Dornbusch des Sinai.
Liebespfeile versendet der Südwind.

Krokosblumen auf der grünen Gartenwiese,
Von summenden Honigbienen umschwärmt,
Sie bieten ihren Nektar für Honig an.
Es schluchzt die Nachtigall vor Sehnsucht
Und wer es hört, den befällt das Fieber der Liebe,
Er fürchtet, dass sein Atem stockt,
Dass sein Arm nicht finde die Umarmung.
So überlebt die Tage der lachenden Erde
Der Pilger nur mit großer Not!

*
Betört von dem Verlangen,
Mehr als nur Eine Jungfrau zu umarmen,
Verlangt der Geliebte mit bebenden Gliedern,
Mit den betörten Jungfraun allen zu tanzen.
Auf Jesus wies mit klugem Wink
Susanna, die Freundin Marias, und sprach:


VIERTER GESANG


Mit Salböl gesalbt sein bräunlicher Leib,
Geschmückt mit Blumenkränzen,
Lächelnd, an den Ohren den Schmuck von Juwelen,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Schwer sind die üppigen Brüste der Frau,
Die den Herrn voll Sehnsucht umarmt.
Eine Hirtin singt ihm ein Lied
Und es klingt des Brautpaares Brautgesang,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Eine Frau mit blühenden Augen,
Feuer des Eros in ihren Blicken,
Die süße Frau träumt von den Rosenlippen des Herrn,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Eine Frau schmiegt sich an Jesu Wange
Und spricht ein Wort in sein Muschelohr,
Eine Frau mit breitem Becken
Küsst den Geliebten unter Freudenschauern,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Eine Frau ist auf lustige Spiele bedacht
Und hat den Gottessohn aus dem Jordan gezogen,
Als er stand im rauschenden Schilf,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Weil auf das Klingeln der Spangen einer Frau
Des Meisters Flöte Antwort gab,
Fröhlich tanzend im Schleiertanz
Sang der Herr das Lob einer Tänzerin,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Eine Frau umarmt er, eine Frau küsst er,
Eines Wonneweibes Wollust erweckt er,
Blickt auf eine mit lieblichstem Lächeln
Und geht mit einer andern gedankenvoll,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

So wie es Josef Maria Mayer gesungen,
Dies Geheimnis von Jesu Liebe,
Wie man es singt im Libanonwalde,
Das Lied soll euch Freude spenden,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Allen Freundinnen schön bereitet Freude der Herr,
So dass sie überfließen von Wonne,
Wie irre Lilien seine Glieder,
Führt er ein Fest auf für Gott,
Von wunderschönen Frauen umgeben
Und geliebkost von Kopf bis Fuß,
Er, der leibhaftige Gott, o Freundin,
Es scherzt der Herr im Frühling.

Vom schmerzhaften Biss der Schlange verwundet
Flieht der Wind von den Balsambergen,
Wo der Schnee liegt auf Zedern,
Flieht er nach Zion, zum Gottesberg.
Die Nachtigall sieht kaum die Rose blühen,
Bülbül, Bülbül, klingt schon ihr Lied.

*

Schwindlig vom wilden Bauchtanz die Freundinnen schön
Stehen am Rand, da umarmt voll Liebe
Maria, blind vor Liebe, den Messias.
Voll Himmelsbrot ist dein Mund, Wort Gottes,
Spricht sie und preist im Lobpreis den König,
Der gnädig darüber lächelt.
Herr Jesus Christus segne euch alle!

*

Der Herr war im Libanonwalde
Und war gnädig allen Jüngerinnen,
Aber seine geliebteste Jüngerin,
Magdalena, war eifersüchtig und floh.
Honigbienen schwärmten
Durch den Garten Eden,
Da sprach voll Trauer Magdalena
Zu ihrer sanften Freundin Susanna:


FÜNFTER GESANG


Er bläst so schön die Flöte
Mit seinen Rosenlippen
Und seine Augen schauen alle Seelen an
Und an seinen Ohren klingen Juwelen.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Seine Augen sind wie Monde
Und im Haar trägt er die Pfauenfeder,
Seine Haare sind wie Gewitterwolken,
Seine Augen wie Blitze Gottes.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Er ist erfüllt von brennender Liebe,
Die Jüngerinnen zu küssen mit dem Kuss des Friedens,
Seine beiden Lippen sind süße Zwillingsbrüder,
Sein Lächeln ist lieblich und leuchtend.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Härchen sind auf seinem Arm,
Mit dem er die Jüngerinnen umarmt,
Seine Brust ist wie ein Karfunkelstein,
Sein heiliges Herz strahlt auch im Dunkeln.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Die strahlende Stirn, die im Dunkeln leuchtet,
Beschämt den weißen Vollmond.
Er presst sich an hohe üppige Brüste,
Sein offenes Herz scheint mir verschlossen.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Schön geschmückt sind seine Muschelohren
Mit silbernen Ringen und rosigen Perlen,
Um ihn scharen sich Sünderinnen und Büßer,
Dämonen zittern vor ihm und Engel beten ihn an.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Tritt er an das schilfige Ufer des Jordan
Und denkt, die Zeit der Sünde zu überwinden,
Mit dem göttlichen Eros im Blick,
Sogar mich erfreut er, mich, die Sünderin.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Verse von Josef Maria Mayer,
Er singt von Jesu heiligem Antlitz,
Er denkt an die verwundeten Füße Christi
Und seine Verdienste, erworben am Kreuz.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Alle Vorzüge sind in ihm versammelt,
Er prüft den Wankelmut und den Wahnsinn,
Aber zufrieden ist er mit den Betern
Und nimmt vom Kreuz unsre Kreuze von uns,
Es drängt sich Christi Liebe zu allen Jüngerinnen,
Aber ich hab ihn dreimal verleugnet,
Doch jetzt sing ich dem Todesüberwinder wieder:
Du weißt alles, du weißt auch, dass ich dich liebe!


SECHSTER GESANG


Wenn ich zum Libanonwaldhaus kam,
Wo Jesus wachte, verborgen im Frühling,
Wo ich zitternd mit glühenden Augen
Und überwältigt von Freude lachte –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Von der ersten Vereinigung glühte ich noch,
Da scherzte Jesus mit mir,
Wir sprachen in Liebe, in süßer Liebe,
Und er löste mir zärtlich den Lendenschurz –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der still all unser Liebesverlangen!

Wenn ich hinsah auf den Boden des Waldes,
Dann sank er an meine üppigen Brüste,
Und wenn ich ihm meine Küsse anbot,
Dann stillte er mich mit dem Wein des Bundes –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Wenn ich in Müdigkeit meine Augen schloss
Und sich mir die Haare im Nacken sträubten,
Mein Körper schwitzte blutigen Schweiß
Und ich war aufgewühlt von heiliger Lust –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Ich flötete wie die Nachtigall
Und war Meisterin in den Künsten des Eros,
In der langen Mähne trug ich Hennablüten
Und seine Nägel ließen Spuren zurück auf meiner Brust –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Wenn die Kettchen an meinen Füßen klirrten
Und ich erfüllt war vom Übermaß der Liebe,
Wenn mein Liebreizgürtel sich löste
Und er meine langen schwarzen Haare strich –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Von der Liebesbegegnung erschöpft,
Hab ich geschlossen die Narzissenaugen,
Und es sank vor Erschöpfung mein Körper nieder,
Matt vom Kampf mit den Dämonen –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Dies sind Josef Maria Mayers Verse,
Erfüllt von dem Frieden des Todesüberwinders,
Wie Magdalena voll Sehnsucht sang,
Wer dies liest, erfahre die himmlische Freude!
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Ihm glitt die lustige Flöte aus der Hand
Und es trafen ihn die brennenden Blicke
Der Jüngerinnen, versammelt im Schwarm,
Da schwitzte blutigen Schweiß seine Stirn,
Keuscher Liebe blickte er zu Maria,
Süß wie Engelsspeise seines Mundes Lächeln,
Maria schaut Jesus in der Schar der Jüngerinnen
Und Magdalena erschaudert vor Wonne.

Seh ich die Knospen der roten Rose
Am Teich im Garten Eden erblühen,
Umsummt von den schwärmenden Hummeln,
Und Apfelbäume blühen im grünen Garten,
O Susanna, kann der Garten Eden
Maria Magdalena befriedigen ganz?

*

Maria und Susanna lächeln still,
Strähnchen kringeln sich an ihren Wangen,
Sie heben die Arme und zeigen die Achseln
Und es dringen die Brüste aus dem Kleid,
Ruhig schaut Jesus die Jüngerinnen an
Und lange denkt der Allweise über sie nach
Und ist so rein und freudig wie ein Kind,
Jesus Christus, der sorglose Jüngling Gottes!
Von allen Sorgen befreie euch Gott!

*

Satans Feind, der sich die Fessel ums Herz geschlungen,
Mirjam von Magdala, Fessel der Liebe,
Jesus riss sich von allen Jüngerinnen los
Und eilte einzig Mirjam von Magdala nach,
Eilte hier hin und eilte dort hin,
Zerfleischt im Leib vom Pfeile des Eros,
Von Sehnsucht befallen nach Mirjam,
Im Libanonwalde zu Boden sank Jesus.


SIEBENTER GESANG


Fortgegangen ist Mirjam von Magdala,
Weil sie mich mit den anderen Frauen gesehen,
Sie floh vor meiner allgemeinen Liebe
Und floh aus Angst und zitternder Scheu.

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,
Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Was wird sie jetzt tun, was wird sie jetzt reden?
Wird sie bald zu mir zurückkehren?
Was nützt mir der Himmelspalast,
Was nützt mir Israel, was mein Leben?

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,
Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Ich denke an ihr Mondgesicht,
Seh ich sie fragend die Brauen erheben,
Ich sehe die Honigbienen schwirren
Über den rosenroten Rosenkelchen.

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,
Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Ich trage sie Tag und Nacht in meinem Herzen,
Der ich sie mit Intimität verwöhnte!
Ach, was nützt es doch, dass ich sie verfolge,
Daß ich für sie Liebeslieder singe?

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,
Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Schönes Mädchen, mir scheint, dein Herz
Ist aus Bitterkeit in Stücke gebrochen!
Wo du hingegangen bist, weiß ich nicht,
Und wollte dich so gerne versöhnen!

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,
Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Ich sehe dich im Geiste vor mir,
Sehe dein Kommen und dein Gehen.
Soll ich dich denn jetzt nicht mehr umarmen
Und dich pressen innig an mein Herz?

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,
Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Mirjam, sei mir wieder wohlgesonnen!
Ich will dir solche Schmerzen nicht mehr antun!
Tu doch mir zuliebe etwas Gutes,
Denn vor Sehnsucht nach dir vergeh ich!

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,
Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Die Worte des Herrn hier wiederzugeben,
Spann Josef Maria Mayer diese Verse,
Marias Schatz ist doch Jesus,
Der aus den Wassern der Taufe aufgetaucht!

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,
Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Am Herzen hat der Herr einen Rosenkranz,
Der stammt wahrlich nicht von der Schlange!
Am Hals trägt Jesus eine Perlenschnur,
Die stammt wahrlich nicht vom Drachen!
Salböl der Freude – nicht Asche der Buße!
Ach, da Mirjam von Magdala vor mir floh,
Trifft mich tödlich der Pfeil des Eros!
Eros, Eros, was hast du es denn so eilig?

Lege mir nicht den giftigen Pfeil in die Hand
Und spanne nicht den ehernen Bogen, Eros!
Triffst du mich in meiner tödlichen Ohnmacht,
Herrscher Eros, ist das eine Heldentat?
Eros, Eros, dies Mädchen, diese Gazelle,
Sie durchbohrt mich mit ihren glühenden Blicken!
Ihre Blicke waren wie Pfeile des Eros!
Die Liebe ist ein loderndes Feuer Gottes!

Ihre Augenbrauen der Bogen des Eros,
Ihre Wimpern sind die Pfeile des Eros!
Ich bin Gottmensch und Triumphator,
Aber der göttliche Eros hat mich überwältigt!
Aber Eros hat seine allgewaltigen Pfeile
Mir als blutiges Testament hinterlassen!

Da die Wimpern über den Augen strahlten,
Durchbohrte Eros mir das Knochenmark!
Die Strähne ihres Haares knüpfte
Mir den Strang, an dem ich gehangen!
Deine Lippen, rot wie Granatapfelwein,
Sie schenkten mir den dunkelsten Wahnsinn ein!
Makellos sind deine runden Brüste –
Warum spielt Eros mit meinem Leben?

Ich denke: So hat sie mich berührt,
So hat sie mich angeschaut aus frommen Augen,
So hat sie geduftet, wie Weihrauch geduftet,
Dies war ihre Stimme, wie ein Saitenspiel,
Dies die Süßigkeit ihrer Lippen, wie Granatapfelwein,
Und ich denke: Hängt an Frauen so sehr mein Herz?
Alle meine Gedanken sind tief in ihr!
Weh mir, weh mir! Woher der Schmerz?
Diese abgrundtiefe Verlassenheit! Wehe!

*

Jesus beugte seinen Nacken, bewegte sein Haupt,
Seine Ohrringe glänzten, die Flöte erscholl,
Von zehntausend Jungfraun umrahmt seine Liebe,
Er dehnte sich weit voll brennender Sehnsucht
Zum Mondgesichte Mirjam von Magdala!
Sei eurer Seele ein ewiger Gewinn
Ein einziger Blick vom Todesüberwinder!

*

Als am schilfigen Ufer des Jordan
Müde Jesus lag und träumte,
Erschöpft von der Last der Sehnsucht,
Sprach Maria Magdalenas Freundin
Susanna diese Worte zum Herrn:


ACHTER GESANG


Über das Salböl ärgert sich Magdalena,
Als Qual empfindet sie den Mondschein,
Vom Südwind meint sie,
Gift aus Nattern-Nestern zu empfangen.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Vor den häufig hagelnden Pfeilen des Eros
Schützt sie ihr Herz mit einer Dornenhecke,
Schützt sie ihr Herz, um dich zu schützen,
Der du lebst in ihrem innersten Herzen.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Kissen bereitet sie aus Magnolienblüten
Und bereitet euch ein Bett im grünen Gras,
Ein Bett für eure Liebesumarmung,
So erfüllt sie ihr heiliges Keuschheitsgelübde.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Schwere Tropfen regnen aus ihren Augen,
Diesen Augen, die wie Narzissen glühen,
Ihr Antlitz ist wie der Mond, der weint
Den Nachttau auf den Garten der Liebe.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Heimlich malt sie dich mit Henna
Als Herrn der Liebe auf ihre Wangen,
Malt dich, wie du in Händen hältst
Den Honigpfeil des göttlichen Eros.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Tief in der Kontemplation, da bist du ihr nah,
O Gott, der in unzugänglichem Lichte wohnt,
Sie plappert, sie kichert, sie lacht, sie eilt
Und sendet in die Welt ihre glühende Liebe!
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Sie spricht nur dies: Ich fall dir zu Füßen,
O mein Herr und mein Gott, mein König,
Schaust du mich nicht an in Gnade,
So verbrennt der Südwind meine Glieder.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Sollen diese Verse Josef Maria Mayers
Noch der Nachwelt im Herzen tönen,
So lest sie als die Worte Marias,
Die Worte der schmachtenden Magdalena.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Wie der Libanonwald erscheint ihr Zelt,
Wie ein Fischernetz der Freundinnen Schwarm,
Die Glut der Seufzer Magdalenas
Erscheint wie ein Waldbrand im Sommer.
O Jesus, seit du Magdalena so fehlst,
Ist sie ganz zur verzärtelten Gazelle geworden.
Und Eros gibt sich ihr als ein seliger Tod
Und kommt zu ihr wie ein schwarzer Panther!


NEUNTER GESANG


Auf ihrem Busen die Perlenschnur
Fühlt die sich verzehrende Christin als Last,
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Salböl von Myrrhe, sonst erquickend,
Erscheint ihr wie Gift in die Poren zu dringen,
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Unbeschreiblich, wie die Seufzer wüten!
Wie vom Wein des Wahnsinns ist sie betört!
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Tautropfen streut sie wie Samen aus,
Tautropfen von den Narzissenblüten,
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Den Kopf stützt sie traurig auf die Hand,
Ihr Kopf ist Neumond in dunkler Nacht,
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Sie weidet die Augen am grünen Bett des Gartens
Und meint, es wäre ein Ganzbrandopferaltar,
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Herr, Herr, so flüstert sie voll Sehnsucht,
Als sei die Trennung ein Liebestod,
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Dies Lied von Josef Maria Mayer erfreu dich
Und erfreue die durchbohrten Füße Christi!
O Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Es sträuben sich ihr die Härchen im Nacken,
Sie stöhnt, sie faselt Unsinn, sie zittert,
Sie ist bang in der Nacht und liegt am Boden,
Sie ist tot wie vom Fieber des Eros,
Und nur der Blutwein Christi könnte sie stärken,
Wenn du, o Jahwe-Rapha, du göttlicher Arzt,
Dich erbarmtest, sonst ist kein Retter da!

O Gott, du Arzt, o heile die Liebeskranke,
Heile sie durch deines Fleisches Vereinigung!
Maria von Bethanien, wenn du sie nicht erlöst,
Herr, so bist du hart wie ein Donnerhammer!

Krank von des heillosen Eros Fieber,
Schon lange wecken die Violen ihre Schmerzen,
Sie ruft deinen mystischen Körper, o Christus,
Bräutigam ihrer Seele, den allein sie liebt,
Sie sieht dich mit den Augen ihrer Seele,
Obgleich sie fast zu Tode erschöpft ist.

Die Trennung kann sie nicht ertragen,
Ein einziger Blick hat sie gebrochen,
Jetzt seufzt sie, sieht sie die Violen blühen,
Jetzt jammert sie in tödlicher Einsamkeit!

*

Jesus hielt den Schirm und Schutz
Über die Herde seiner Schäfchen,
Seine Freundinnen küssten ihn alle,
Die roten Lippen, rot wie Granatapfelwein,
Die roten Lippen küssten den göttlichen Freund.
Jesus ist der fleischgewordene Satansüberwinder,
Möge sein göttlicher Finger euch Freuden bereiten!

*

Jesus spricht: Ich bleibe
Im Garten Gethsemane!
Ich sende dich, Susanna,
Zu meiner Freundin Magdalena,
Führe sie zu mir! –
Und Susanna sprach zur Freundin Maria:


ZEHNTER GESANG


Regt sich der Südwind,
Trägt er Jesu glühende Sehnsucht,
Es blühen die Rosen im Garten,
Doch Jesus ist verlassen und zerschlagen!
Weil du ihm fern bist, o Freundin,
Liegt liebeskrank der Dorngekrönte!

Bescheint ihn des Mondes dunkles Licht,
Erlebt er die Todesstunde!
Ihn trifft der Liebespfeil,
Seine offene Wunde blutet!
Weil du ihm fern bist, o Freundin,
Liegt liebeskrank der Dorngekrönte!

Summen die Honigbienen,
Lauscht er ihrem Summen,
Sein Herz ist einsam!
Er bleibt erwählt den Leiden!
Weil du ihm fern bist, o Freundin,
Liegt liebeskrank der Dorngekrönte!

Ruht er im Garten Gethsemane,
Verlässt er die Davidsburg,
Muss er sich wälzen im Staub,
Oft seufzt er deinen Namen.
Weil du ihm fern bist, o Freundin,
Liegt liebeskrank der Dorngekrönte!

Es spricht der Dichter Josef Maria Mayer
Von den tödlichen Schmerzen der Trennung.
Möge Jesu Herz, von Leiden durchbohrt,
Auferstehen in göttlicher Freude!
Weil du ihm fern bist, o Freundin,
Liegt liebeskrank der Dorngekrönte!

Magdalena, mit dem König der Liebe
Lebtest du sonst in Vereinigung!
Im Garten Gethsemane denkt nun
Jesus an dich in der dunklen Nacht!
Er lallt die Gebetsschnur für dich
Und wünscht sich von den Bechern
Deiner üppigen Brüste, den Wein der Liebe
Und der Vereinigung Lust zu trinken!


ELFTER GESANG


Ewige Liebe zu verschenken,
Zog Jesus nach Jerusalem.
O Magdalena mit dem breiten Becken,
Vereinige dich mit dem Bräutigam!
Die Engel zu Geführten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Christus, deinen Namen trägt die Christin,
Jesus, der du die Flöte bläst,
Den Corpus Christi betet sie an
Und liebt noch den Schatten deines Leibes.
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Es rauschen die Flügel, es rauscht das Laub,
Jesus sehnt sich nach dir, Geliebte!
Er bereitet schon das Bett der Vereinigung
Und schaut, ob du zu ihm kommst.
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Löse die silbernen Kettchen von den Füßen,
Die silbernen Kettchen mit den silbernen Glöckchen,
Freundin, steige den Karmel hinan
Und umarme Jesus im Purpurmantel!
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Du ruhst an Jesu Herzen, Freundin,
Die Perlenschnur zwischen deinen Brüsten,
Maria, schön wie ein goldener Engel
Sollst du strahlen in der Umarmung!
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Den nackten Arm aus dem Kleid erhebe
Und schling ihn Jesus um den Hals
Und mit der Augen glühenden Narzissen
Schaue voll Liebe zu deinem Schatz!
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Der Herr ist unermesslich groß,
Die dunkle Nacht ging dem Ende entgegen.
Folge meiner Unterweisung, Freundin,
Und tröste Jesus, der dürstet nach Liebe!
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Josef Maria Mayers freie Verse
Preisen den Herrn mit großer Freude.
Werft euch nieder vor den Füßen des Herrn,
Der euch alle Gnaden geschenkt!
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Seufzer fließen von Jesu Lippen,
Voller Hoffnung schaut er in die Zukunft,
Bald birgt er sich in der dunklen Nacht,
Bald schweigt er in ruhender Stille,
Bald bereitet er das Bett der Hochzeit,
Bald blickt er voller Schmerzen sich um,
Von glühender Sehnsucht überwunden,
Windet sich dein Bräutigam dort im Staub!

Die Zeit, da du dich ihm verwehrt,
Die Zeit verging wie ein Sonnenuntergang.
Wie das Liebesverlangen in Jesu Herzen
Ward unermesslich tief die dunkle Nacht.
Wie der Singschwäne tödliches Lied,
So singe ich dir, Maria Magdalena:
Rasch, schöne Närrin, eile zum Freund,
Es ist die Stunde des Liebestreffens gekommen.

Wenn Jesus und Magdalena sich herzen,
Wenn sie tauschen den Kuss der Liebe,
Wenn der göttliche Eros aufgewacht ist
Und sie werden verrückt vor Liebe,
Wenn sie schließlich sich vereinigen liebend,
Die sich an dem Wort erkannten, die beiden,
Was blüht dem Bräutigam da für Wonne
In der dunklen Nacht, vermischt mit Schmerzen!

Ängstlich zitternd bist du gekommen,
Die Augen geheftet auf den engen Weg,
Bei jeder Zypresse bliebst du stehen,
Langsam setztest du Schritt vor Schritt,
Du bist genaht mit allen deinen Nöten,
Der göttliche Eros glühte auf deinen Wangen,
O schöne Geliebte, so schaut dich Jesus,
So krönt sich Jesus mit ewiger Wonne!

*

Der als Schmetterling gesogen
An Marias Rosenmund,
Der in der Dreifaltigkeit thront
Als Menschensohn aus Saphir,
Der dem ewigen Tod ein Ende setzte,
Der allen seinen Jüngerinnen
Die Seele beseligt in der Gnadenzeit,
Satans göttlicher Überwinder
Sei dir gnädig, Evas Tochter!

*

Als Susanna im Brautgemach
Die verliebte Magdalena sah,
Sprach Susanna zu Jesus Christus
Von der sehnsuchtsgequälten Freundin.


ZWÖLFTER GESANG


Sie blickt sich in alle Himmelsrichtungen um
Und sieht dich in ihrem Geist,
Wie den Honig du aus der Rose saugst
Ihrer rosenroten Lippen.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Sie möchte gerne zu dir gehen
Und alles drängt sie zu dir,
Aber sie ist zu schwach zum Gehen,
Die Füße versagen ihr den Dienst.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Sie umarmt sich selbst mit den Armen,
Mit ihren weißen Lilienarmen,
Sie lebt nur noch von Wahngedanken,
Wie ihr früher glücklich zusammen wart.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Manchmal, wenn sie daran denkt,
Wie sie sich für Jesus schön gemacht,
Denkt sie gar in ihrem Wahnsinn:
Ich bin selbst der gekreuzigte Christus!
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Warum, denkt sie, hat Jesus mich verlassen?
Warum kommt er nicht zum Liebestreffen?
So klagt sie ihrer Freundin ohne Ende
Die Leiden ihrer trostlosen Gottverlassenheit.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Jetzt stöhnt sie: Der Herr ist da!
Und sie umarmt die dunkle Nacht
Mit ihren schneeweißen Lilienarmen
Wie eine gewitterschwangere Wolke.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Wenn du nicht zu ihr kommst, Jesus,
Dann verliert sie alle ihre Scham
Und stammelt Worte des Wahnsinns
Und weint, wenn sie dir das Lager bereitet.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Josef Maria Mayer ersann dies Lied,
Es möge euch Trost und Freude bringen.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Ihre Härchen auf den Armen sträuben sich,
Ein Seufzer jagt den nächsten Seufzer,
Wie Quellen sind ihre Augen voll Tränen
Und es steigen die Schluchzer in ihr Gebet.
O Jesus, an dir ernährt sie ihre Sehnsucht
Und in Fluten der Trauer versinkt
Maria Magdalena, Judäas Gazelle.

Wieder und wieder schmückt sie sich,
Und regt ein Windhauch nur ein Eichenblatt,
So denkt sie: Er ist es, er kommt!
Dann sitzt sie lang und denkt nach.
Sie ordnet Schmuck und Schminke
Und ordnet immer wieder das Bett
Und denkt an alle Gedichte des Wahnsinns,
Die schöne Maria Magdalena,
Und keine Nacht der Seele lebt sie ohne Jesus.

*

Aber Petrus spricht: Wo bist du, Herr,
Da Magdalena auf dich wartet
In den Schlangenlocken ihrer Mähne,
Sie wartet unterm Feigenbaum auf dich,
Mein Freund und mein Bruder Jesus Christus,
Geh doch nach Magdala in Galiläa!
So sprach Simon Petrus zu Jesus Christus
Und Jesus bereitete sich schon darauf vor,
Die schöne Maria zu grüßen und zu segnen.

*

Der keusche Mond, als träfe ihn die Sünde
Unkeuscher Frauen, zeigend seine Pracht,
Mit Strahlen scheint auf den Libanonwald,
Das Monden-Antlitz der Himmelskönigin.

Es nahte schon der himmlische Stier,
Doch fern blieb Jesus seiner Freundin,
Die Gekränkte ließ ein irres Lachen hören
Und stöhnte vor quälerischer Sehnsucht.


DREIZEHNTER GESANG


Die Stunde des Liebestreffens ist da,
Doch Jesus kam nicht zum Libanonwald.
Ist meiner Jungfräulichkeit Blüte
Mir abhanden gekommen, Herr?
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Bei Nacht bin ich durch den Wald gewandert,
Mich in der Nacht mit Jesus zu vereinigen,
Aber statt dessen trafen mich Pfeile
Und durchbohrten mir das Herz in der Brust!
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Ach, ich wäre lieber tot und im Himmel,
Nachdem ich hier vergebens Liebe gesucht!
Warum muss ich diese Trennung erleiden
Und warum wurde meine Vernunft verrückt?
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Ach, Verdruss nur bringt mir der Frühling,
Vergeblich leuchtet mir die süße Sonne,
Ob wohl eine andere Jüngerin
Jesus genießt mit lachender Freude?
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Weinen kann ich nur über die Kleider
Und den schönen Schmuck und die Schminke,
Ich entbehre Jesus, das muss ich leiden,
Und täte gern so vieles ihm zuliebe!
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Zart wie Violen ward mein Körper
Und wie die schmerzenden Pfeile des Eros
Stechen mich die Dornen des Rosenkranzes.
Ist denn Gottes Liebe ungleich verteilt?
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Hier im dunklen Walde will ich bleiben,
Ich zähle die Zweige im Walde nicht.
Mag sich der Satanüberwinder
Denn gar nicht mehr an mich erinnern?
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Dies Gedicht ist von Josef Maria Mayer,
Er liegt seiner Zuflucht Jesus zu Füßen.
O Jesus, wohne im Herzen der Freundin
Und schmiege dich dicht an die Frau!
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Lief Jesus einer liebenden Christin in den Arm?
Ob ihn mit geschickten Redekünsten
Seine Brüder und Freunde fesselten gar?
Verirrte sich Jesus in der dunklen Nacht?
Ist der Geliebte krank vor Liebe
Und zu schwach, den Weg zu gehen zu ihr,
Dass nicht einmal ein Ton seiner Flöte
Zu ihr gedrungen in den Libanonwald?

Als Magdalena sah, wie Susanna
Ohne Jesus Christus wieder zu ihr kam,
Schwieg Magdalena vor Verzweiflung.
Ach, liebt denn Jesus andre Frauen mehr
Und vergnügt sich mit einer andern Frau?
So sprach Maria Magdalena voll Eifersucht:


VIERZEHNTER GESANG


In prangendem Liebreiz,
Wie es ihrer Sehnsucht entspricht,
Sterne streuend
Aus ihrer blonden Lockenmähne,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

Von der Umarmung Christi
In wallender Wollust,
Ihre Perlenschnüre tanzen
Auf den Bechern ihrer Brüste,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

Von goldener Lockenmähne
Die Antlitz-Sonne umflossen,
Von der Macht seines Weines
Und seinen Küssen berauscht,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

An ihren Muschelohren
Hängen die silbernen Ohrringe glänzend,
Mit strahlendem Liebreizgürtel
Gegürtet ist ihre schlanke Hüfte,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

Unter den Blicken des Geliebten
Mit strahlendem Lachen steht sie,
Sie girrt wie eine Turteltaube
Und flötet wie eine Nachtigall,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

Ihre Nackenhärchen sträuben sich,
Ihr Wonnekörper bebt,
Die strahlenden Augen sind offen,
Sie ist erblüht in Wollust,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

Von Schweißtropfen perlen
Ihre lilienweißen Glieder,
In großer Liebe fällt sie
An Jesu heiliges Herz,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

In diesem Gedicht von Josef Maria Mayer
Wird besungen in der Gnadenzeit
Christi Vereinigung mit der Seele,
Die durch Schmerzen geläutert wird,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

Blass vor Sehnsucht
Ist Jesu heiliges Antlitz,
Es strahlt wie der Mond,
Der lilienweiße Vollmond,
Der Herr erleichtert sich ein wenig
Seiner quälenden Schmerzen
Und breitet sein heiliges Antlitz
Über das liebende Herz der Freundin,
Das erfüllt ist von göttlichem Eros
Und vom Kreuz der heiligen Liebe!


FÜNFZEHNTER GESANG


Im liebeglühenden Antlitz
Der Liebenden mit den Lippen,
Die lachend Küsse verlangen,
Ein Schönheitsmal
Trägt sie auf ihrer Brust.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

Ihre sonnengoldenen langen Locken,
Er spielt mit den Locken,
Die umfließen das lachende Antlitz,
Er schmückt ihr Haar mit Hennablüten,
Sie ist schön wie die Antilope
Im Wildpark des Vielgeliebten.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

Perlenschnüre der Gebete
Hängt Jesus zwischen ihre Brüste,
Die von Milch strotzenden Brüste,
Unterm Sternbild ihrer Brüste
Ruht Jesus wie unterm Vollmond.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

Auf die nackten weichen Arme,
Die schneeweißen Lilienarme,
Legt Jesus goldene Spangen,
Golden wie Honig der Bienen.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

Im Freudenhaus der Wonne,
Beim Schwenken der Hüften,
Beim weißen Thron des Eros,
Gürtet Jesus die Geliebte
Mit dem zaubernden Liebreizgürtel
Und führt sie in seine Wohnung.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

Die tanzenden Füße der Schönen
Sind mit Henna rot gefärbt,
Sie ruht an Jesu heiligem Herzen,
Während er vor Liebeskummer
Seine Wunden bluten lässt.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

Beglückt ist der Menschensohn,
Der Freund und Bruder des Hirten,
Er beglückt die Geliebte,
Die Schöne mit den Gazellenaugen.
O Magdalena, warum
Wartest du vergeblich
Im Libanonwald auf Jesus?
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

In geistreichen Versen,
Den Herrn zu preisen,
In des Meisters Diensten
Spricht Josef Maria Mayer,
In der großen Gnadenzeit
Der göttlichen Barmherzigkeit
Ist er ein Muster jüngeren Dichtern.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

O Magdalena, lässt dich Jesus allein,
Was betrübst du dich, schöne Seele?
Jesus vergnügt sich mit anderen Frauen,
Aber geschieht dir etwa Unrecht?
Siehe, um mit dem Bräutigam eins zu werden,
Von des Geliebten Schönheit hingerissen,
Von der Schwermut der Sehnsucht gequält,
Verliert Maria Magdalena den Verstand!


SECHZEHNTER GESANG


Ihre Augen wie Lotos-Nymphäa,
Ihre beiden lachenden Augen!
Sie muss im grünen Frühlingsbett
Kein Leiden der Liebe leiden!
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Ihre purpurnen Lippen,
Die feucht sich scheiden!
Von Eros glühendem Pfeil
Wird ihr das Herz durchbohrt!
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Honigsüße Töne flötet sie
Und Segensworte singt sie!
Sie fiebert vom Liebesfieber
Im Südwind aus dem Südland!
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Ihre tanzenden Füße,
Weiße Lilien erblassen vor Neid!
Der Mond strahlt in der Nacht
Und sie wacht vor Liebe!
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Das Glänzen des lichten Mondes
Erhellt die dunkle Nacht.
Keinen Verlust erleidet sie,
Kein Schmerz wühlt in ihren Eingeweiden.
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Ihr leichtes seidiges Kleidchen
Schimmert wie Gold vom Stein der Weisen.
Lachend sieht sie die anderen Frauen
Ohne Neid und Eifersucht.
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Jesus, dem kein Jüngling vergleichbar,
Kein Mann ist vergleichbar dem Herrn,
Er lässt Salome nicht leiden,
Sondern erbarmt sich der Geliebten.
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Diese Verse Josef Maria Mayers
Sollen Engel dem Messias singen!
Möge Jesus einkehren sanft
In das Herz seiner Freundin!
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

O du göttlicher Seligmacher,
O du duftender Gummi-Wind,
Blase in den Garten, Südwind,
Weiche, frostiger Nordwind,
Atem Gottes, wehe den Messias herbei!
Ich bin atemlos vor Bewunderung!

Magdalena aber fühlt
Der Freundinnen Nähe
Wie einen Erzrivalen.
Wie ein tödlicher Pfeil
Fühlt sich der Schnee
Vom Hermongebirge an.
Der milde Strahl des Mondes
Scheint Gift einer Hexe zu sein.
Magdalenas Herz brennt
Gewaltig für Jesu Herz!
Magdalena mit den Gazellenaugen,
Dich bändigt und überwältigt
Der unbändige göttliche Eros!

Wirf Magdalena zu Boden,
Du heißer Wind aus der Wüste!
Eros, Eros, nimm ihr den Atem!
Zu Hause will sie nicht mehr bleiben.
O Schwester Todin, was soll dein Erbarmen?
Gott, nimm mir aus meinem Fleisch
Die verzehrende Glut der Leidenschaft!

*

Den Purpurmantel umgeworfen,
Sieht Jesus in der Morgenröte
Maria Magdalena zittern,
Während die Freundinnen tanzen,
Jesus schaut aus seinen Taubenaugen
Zärtlich auf Maria Magdalena,
Süßes Lächeln um die Lippen.
Sei der ganzen Menschheit zur Wonne,
Jesus Christus, Mutter Marias Sohn!

*

Magdalena ist durch die Nacht gegangen
Und ist erschüttert von Eros’ Pfeilgeschossen
Und in der Morgenröte spricht sie zu Jesus,
Der voller Versöhnung vor Magdalena kniet,
Und redet zu Jesus eifersüchtige Worte:


SIEBZEHNTER GESANG


Von der durchwachten Nacht glühend,
Von Liebesleidenschaft glänzend,
Glüht dein Auge von genossener Liebe,
Getaucht in das Meer der lustvollen Liebe.
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Dein Mund hat die grünen Augen geküsst,
Die grünen Augen mit goldener Wimpernschminke,
Deine weißen Zähne, o Christus,
Gleichen deinem Leib, der weiß wie Brot ist.
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Nach dem Treffen im Geist des Eros
Trägt dein Leib noch die Spuren der Nägel,
Wie in Jaspis geprägt die Inschrift
Und die Bundesurkunde göttlicher Liebe.
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Hier ist dein blutrotes Herz,
Bemalt mit dem Henna ihrer Zehen,
Alles ist offenbar, wie du genossen
Den Feigenbaum der Liebesumarmung.
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

In deinen Lippen die Spuren der Bisse,
Das brennt in meinen Eingeweiden!
Kann ich jetzt deinen Leib, so weiß wie Brot,
Kann ich jetzt noch deinen Leib genießen?
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Dein Leib ist wie weißes Brot
Und wie Brot ist auch dein Wort.
Warum verlässt du deine Freundin,
Die von Eros’ Pfeil gequält wird?
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Warum schweifst du durch die dunkle Nacht,
Um Frauen zu verschlingen wie Brot?
Hast du nicht schon als göttlicher Knabe
Mit deinen Freunden spöttisch gespielt?
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Dies ist das Lied von Josef Maria Mayer
Über das gedankenlose Plaudern der Frauen,
Die enttäuscht und verbittert sind von der Liebe.
Gott, so höre du die klagenden Frauen!
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Seh ich die Glut deiner Sehnsucht von dir fließen,
Gemischt mit dem Hennarot der Zehen der Freundin,
Warum brachest du die Bundestreue, Herr?
Spielst du mit dem Glück wie mit dem Schicksal?
Dein Antlitz zu sehen, macht mir Kummer,
Aber schließlich schäm ich mich meiner Tränen.

*

Jesus bewegt sein göttliches Haupt
Und pflückt vom Magnolienbaume Blüten,
Für Magdalena mit den Gazellenaugen
Ist das ein Zauber erneuerter Liebe,
Jesus, der sieben Dämonen aus ihr austrieb,
Jesus segne Magdalena mit seiner Flöte!

*

Zur betäubten Magdalena,
Zur freudeberaubten, verzweifelten Frau,
Von Jesus Christus enttäuschten,
Von ihm scheidenden Magdalena
Spricht die Freundin Susanna dies:


ACHTZEHNTER GESANG


Der Herr kommt im Frühling
Mit dem süßen Frühlingswind.
Was willst du schönere Freude
In deinem Hause finden?
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

Schwerer als Granatäpfel,
Von süßem Safte feucht,
Was lässt du unfruchtbar sein
Die Becher deiner Brüste?
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

Wie oft vernahmst du nicht den Vers,
Den wunderschön klingenden Vers:
Bleibe nicht fern vom Herrn,
Öffne dem Herrn dein Herz!
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

Warum heulst du so verzweifelt
Und bist den Schmerzen verfallen?
Nur spotten werden über dich
Die andern Christinnen alle.
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

Auf deinem Bett erblicke,
Auf dem die Violenblüten liegen,
Den Herrn und lass seine Augen
Deine reifen Feigen pflücken!
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

Was lässt du in deinen Gedanken
Die bittere Seelenwunde bluten?
Was lässt du den schweren Gram
Dir deine Seele umnachten?
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

In Josef Maria Mayers Gedicht,
Das so überaus schön geraten ist,
Sollen geistreiche Leser lesen
Von den Wunderwerken des Herrn.
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

Bist du grob, wo Jesus sanft ist,
Bist du stolz, wo Jesus demütig ist,
Setzt du seiner glühenden Liebe
Nur kalte Gleichgültigkeit entgegen,
Entziehst dich seinem Auge,
Wenn Jesus dich liebevoll anschaut,
Dann geschieht dir recht
In deinem verkehrten Sinn,
Dass dir das Nardenöl
Als Gift in die Poren dringt
Und dass das keusche Mondlicht
Dir wie verzehrende Glut erscheint
Und dass der Schnee vom Hermon
Dir wie ein Opferfeuer erscheint
Und dass der heitere Scherz der Liebe
Dich quält wie Pein des Todes!

*

Der Herr, dem die Pilger huldigen huldvoll,
Er neigt seine Stirn mit dem Dornenkranz,
Er ist süß wie Bienenhonig
Und ist verschwenderisch mit Gaben
Und ist blendend wie die Sonne!
Lobpreis den durchbohrten Füßen Jesu!
Dass der Tod und der Teufel besiegt sind,
Verkündet das Evangelium!

*

Zorn erfüllte die arme Magdalena,
Der Seufzer müde war ihr Mund.
Der Freundin mit den Rosenlippen nahend,
Die schamhaft zu Susanna schaute,
Mit liebesstammelnder Rede sprach
Am Ende des Tages Jesus zu Magdalena:


NEUNZEHNTER GESANG


Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!
Nimm von den Elfenbeinzähnen den Grimm!
Möge der Rotwein deiner Rosenlippen
Die Seele deines Freundes berauschen!
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Bist du denn wirklich böse auf mich?
Nägel sollen durch Hände und Füße mir dringen!
Umarme mich mit deinen Lilienarmen,
Rechtfertigung soll aus meiner Sehnsucht entspringen!
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Du bist doch mein goldenes Schmuckstück,
Du bist die Seele meiner Seele,
Du bist der Schatz im Acker meines Lebens,
Dich begehre ich selbst noch am Kreuz!
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Wie grüne Jade leuchten deine Augen,
Schlank bist du wie eine Palme von Tamar,
Lässt du von Liebesschmerz Jesu Herz bluten,
Wird er es freudig für dich erleiden!
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Deine Brüste sind breite Becher,
Es tanzen dazwischen die Perlenschnüre,
Es schimmert um deine Lenden der Liebreizgürtel,
Die Gebote des göttlichen Eros verkündend.
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Wie Lotossprossen sind deine Füße,
Die erhöht sind auf der Bühne des Tanzes,
Zu süßen Tönen tanzen deine Füße,
Ich will dir die Zehen röten mit Henna.
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Die verzehrende Glut der Leidenschaft zu löschen,
Leg mir auf die Schultern deine Füße,
Glühen sollst du von Liebesfieber,
Ich will dir die Wunde deiner Seele heilen!
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Es wirbt um dich der Teufelsüberwinder,
Es wendet sich Gottes Wort an Magdalena.
Es siege im Sänger-Wettstreit Josef Maria Mayer,
Allen frommen Frauen Seligkeit kündend!
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Gequälte Seele, lass ab vom Zweifel!
Immer seh ich vor mir deine schwellenden Brüste
Und deine schlanke Hüfte seh ich im Traum,
Keine andre ist für mich so schön wie du,
Selig herrscht in meinem heiligen Herzen
Der göttliche Eros allein, der Gott der Liebe!
Neige dich zu mir, du schöne Frau,
Der Anfang unsrer Umarmung gewähre
Volle Erfüllung aller unserer Hoffnung!

Süßes Mädchen, gönne doch dem Herrn
Die Bisse deiner Elfenbeinzähne!
Lass Armlianen mich fesseln!
Lass Brüste mich wie Sterne überwölben!
Erhöhe, feurige Frau, die Wollust noch
Und lass von des schrecklichen Eros Speer
Alle meine fünf Wunden bluten!

Du sonniges Antlitz! Wie fein deine Brauen!
Du betörst das Denken des sehenden Mannes,
Die du bist schillernd wie eine bunte Schlange,
Und um die Furcht vor der Schlange zu bannen,
Bleibt dem Jüngling Jesus nur der Zauber,
Den der Rotwein deiner Rosenlippen spendet.

Ach, mich verzehrt dein Schweigen, du Schöne,
Lass doch deine Liebeslieder wieder tönen,
Du Schlanke, mit süßem seufzendem Schmachten!
Mit lachenden Blicken deiner heiteren Liebe
Die verzehrende Glut der Leidenschaft lösche!
Du mit dem schönen Antlitz, wende dein Antlitz nicht ab
Und tröste mich wieder nach meiner Passion!
Du verliebtes Mädchen, hier bin ich, dein Bräutigam!

Wie Zwillingsblüten einer roten Rose
Sind deine feuchten schimmernden Lippen!
Rötlich von Liebesfieber glüht deine Wange!
Wie grüne Jade des Himmels leuchten deine Augen!
Deine Nase ist wie ein Elfenbeinturm!
Deine weißen Zähne lachen wie Jasmin!
Über deinem Antlitz ist Eros ausgegossen,
Eros, der die Sonnen und Sterne lenkt!

Deine Blicke sind trunken von Glück!
Dein Antlitz leuchtet heller als die Sonne!
Dein Tanz betört die jungen Männer alle!
Deine Schenkel sind gebogne Juwelenspangen!
Deine Wollust ist deine große Kunst!
Deine Brauen sind feine gebogne Linien!
Ach, du bist jung wie die Engel im Himmel!
Schlanke Schönheit, du mein Himmel auf Erden!

*

Spenden möge euch Jesus ewiges Glück,
Der im Kampf den Drachen getötet!
Das Schillern der satanischen Schlange
Erinnerte Jesus an Magdalenas Schillern,
Als er Blutschweiß schwitzte im Garten,
Die Augen schloss für einen Augenblick,
Da scholl schon der Ruf im Ostergarten:
Triumph, Triumph des göttlichen Eros!

*

Da er lange von Versöhnung gepredigt
Der Schönen mit den Gazellenaugen,
In seiner Schönheit ging der Menschensohn
Zum grünen Bett im grünen Garten,
Ging zur glänzenden Freundin,
Ging zu ihr in der Dämmerungsstunde.
Magdalena war nicht mehr bitter.
Zu ihr sprach die Freundin Susanna:


ZWANZIGSTER GESANG


Der dir das göttliche Wort zugewandt,
Der dir die staubigen Füße wäscht,
Der eben ins grüne Bett des Gartens sich legte,
Da die Osterglocken läuten,
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Wie schwer sind doch deine üppigen Brüste,
Wie schlank ist doch deine Hüfte!
Mit silbernen klingelnden Kettchen am Knöchel
Tanze zum Lied des sterbenden Schwanes!
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Höre den zärtlichen Ruf des Teufelsfeindes,
Alle zärtlichen Seelen lieben sein Wort!
Es flogen die Pfeile des Eros,
Da schwärmt die Nachtigall von der Rose.
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Wie Blätter von grünen Bäumen
Sind deine lichten Finger der Hand.
Zeit ists zum Aufbruch, Mädchen,
Wandle mit deinen schlanken Schenkeln!
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Als ob dir zuflüstert Eros:
Den Herrn umarme mit Liebe!
O welchen süßen Rauschtrank trägst du
Doch in den Bechern deiner üppigen Brüste!
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Die Jüngerinnen sehen Jesus kommen,
Dein Leib ist zur Liebe bereit,
Feurige Frau, du schäm dich nicht vor ihm,
Lass klingeln die Schellen deines Liebreizgürtels!
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Tänzelnd gestützt auf Johanna,
Mit deinen rotlackierten Fingernägeln,
Geh zum Herrn und gib dich ihm hin!
Deine göttliche Tugend der Liebe wird gepriesen.
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Josef Maria Mayer singt dies Lied,
Der die Gebete der Perlenschnur schätzt,
Diese Verse sollen tönen in den Kehlen
Frommer Frauen, die Christus lieben!
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Jesus sagt: Sie wird mich schauen,
Worte der Liebe wird sie lallen,
In meinen Armen wird sie ruhen.
Freundin, Jesus schaut nach dir,
Es sträuben sich ihm die Härchen im Nacken,
Er fühlt Liebe und schwitzt im Fieber,
Er geht dir entgegen mit glühender Sehnsucht,
Er sinkt in Ohnmacht in der dunklen Nacht,
Er kommt! Er kommt! Der Bräutigam kommt!

Wimperntusche auf die Wimpern legend,
An die Ohren hängt er dir Mondstein,
Hennablumen schmücken deine Mähne,
Auf deiner Brust sieht er das Schönheitsmal,
O all ihr lieben Jüngerinnen Jesu,
So eilt der Herr zu Magdalena,
Die Mutter Nacht breitet ihren Mantel
Um alle Mädchen mit schönen Augen.

Von goldenen Körpern fortgegangen,
Bedeckt er mit Blüten des Jasmin
Die Nacht, die wie ein Probstein ist,
An dem sich erweist die Reinheit des Goldes.

Von der weißen Perlenschnur beleuchtet
Und vom glitzernden Liebreizgürtel
Und von den goldenen Spangen der Arme,
Ist erleuchtet das grüne Bett des Gartens.
Durch die Pforte tritt Jesus ein
Und zur schamroten Magdalena
Spricht die Busenfreundin Susanna:


EINUNDZWANZIGSTER GESANG


Dort, wo die schöne Liebe thront,
In dem grünen Garten der Liebe,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, du Wonneweib,
Mit lustvoll lachendem Mund!

Dort in dem kostbaren Bett
Aus Zedern und Zypressen,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, die Becher deiner Brüste
Umgeben von frommer Perlenschnur!

Dort in des Brautgemaches
Lustschloss aus transparentem Jaspis,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, du mit dem lilien-
Weißen Leibe aus Licht und Schönheit!

Dort, wo der Südwind der Wüste
Blühen lässt die Apfelbäume,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, du von dem Honigpfeil
Des göttlichen Eros Getroffne!

Dort, wo die schweren Zweige der Reben
Voll sind von saftigen Trauben,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, du mit dem breiten Becken
Und dem kunstvollen Bauchtanz!

Dort, wo trunken von Honig
Goldene Bienen selig summen,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, du vom Honigpfeil
Des göttlichen Eros geöffnetes Herz!

Dort, wo wie Flötenspiel ertönt
Das Schmelzen der Nachtigallen,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, du mit dem Elfenbein
Der Perlenschnur deiner weißen Zähne!

Dort, wo sich die Schmetterlinge sammeln,
Die Glück im Kelch der Narzissen fanden,
O Teufelsfeind, spende den Segen,
Spricht Josef Maria Mayer, Dichter
Aus dem Dichterlande des Dichterfürsten.

Lange trägt Jesus dich schon im Herzen,
Er, vom Feuer der Liebe getrieben,
Ganz beherrscht vom Gott der Liebe,
Trinken will er von den roten Lippen,
Roten Lippen, getaucht in Rotwein!
Auf seinem Schoß genieße die Stunde!
Er wäscht dir deine lilienweißen Füße,
Ein Sklave, gekauft für den Preis
Einer deiner langen seidigen Wimpern!
Warum fürchtest du dich also vor Jesus?

Maria Magdalena, voll Wollust und Wonne,
Die Augen geöffnet zum Antlitz Christi,
Klingelnd die Kettchen der Knöchel der Füße,
So tritt sie ein in das Brautgemach.


ZWEIUNDZWANZIGSTER GESANG


Bei Magdalenas Antlitz fühlte Jesus
Kämpfen in sich Gerechtigkeit und Erbarmen,
Der See von Genezareth war aufgewühlt,
Der Vollmond schien aufs Meer von Tiberias.
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Sein heiliges Herz war der Morgenstern,
Die Perlenschnur der Gebete trug er,
Die Quellen des Jordan strömten vom Hermon
Und das Große Meer der Liebe schwoll an!
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Um Christi brotweißen Körper
Geschlungen der königliche Purpurmantel
Wie eine Rose, den Nektarstempel
Und den Samen der Rose in sich tragend.
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Seiner Augen zärtliche Liebkosung
Weckte die Wollust in ihrer Seele.
Sie waren wie ein Enten-Ehepaar
Auf dem Teich des seligen Lenzes.
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Er berührte ihre Rosenlippen,
Ihre Ohrringe strahlten wie Sonnen,
Seine Lippen schimmerten lächelnd
Und weckten in ihrer Seele die Lust.
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Schön wie der mondbeglänzte Bauch
Der schwarzen Wolke ihre langen Haare,
Makellos ihr Antlitz wie Luna,
Auf der Stirn das Zeichen der Auserwählten.
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Jesus sträubten sich die Haare zu Berge,
So war er erfüllt von Liebesverlangen,
Schön war sein weizenweißer Leib,
Schön wie weiße transparente Jade.
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Josef Maria Mayers Kunst
Lässt doppeltschön dies Lied geraten.
Beugt euch vor dem Herrn, der euch liebt,
Der euch angespornt zu Werken der Liebe!
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Sie verdrehte ihre strahlenden Augen,
Als wollte sie ihre Muschelohren betrachten,
So dass noch lichter ihrer Augensterne glänzten,
Da entströmte der schönen Maria Magdalena
Ein Wasserfall von Freudenströmen,
Da sie mit dem Geliebten zusammen war.

Als sie den Pfosten des Bettes berührte,
Da überkam sie ein lüsternes Jucken,
Mit den Händen verbarg sie ihr Antlitz,
Als sie das heilige Antlitz Christi sah,
Betört von der Allmacht des göttlichen Eros,
Überwand die Lust der Liebe die Scham.

*

Mutter Marias Sohn soll euch lehren,
Langsam, langsam sich der Liebe zu öffnen!
Magdalena schloss er in die Arme
Nach der langen bitteren Trennungszeit.
O dass die üppigen Brüste Magdalenas
Nicht flachgedrückt werden von Jesus!
Und der Bräutigam spricht zu den andern:
Entfernt euch, denn ich kenne euch nicht!

Geehrt durch die herrliche Dornenkrone,
Die ihm geschenkt den Sieg über Satan,
Stellte er sich auf wie ein Kriegselefant,
Der die Tochter Zion vorm Feinde schützt.
Den blutigen Händen des Todesüberwinders
Sei der Lobpreis für ihren Sieg!

O du Schönster aller Menschensöhne!
Dein Leib ist voll der ewigen Wonne!
Magdalenas Seele ist eine Bühne,
Wo sie den mystischen Schleiertanz tanzt!
Freue dich, Jesus, an ihren üppigen Brüsten,
Jesus, der du singst wie ein sterbender Schwan
Auf den hohen Hügeln ihrer üppigen Brüste!
Jesus gewähre allen Kindern der Ewigkeit Glück!

*

Fortgegangen waren die anderen Frauen,
Magdalena war von der Last erlöst,
Von Lust durchströmt ihr Bewusstsein,
Die rosigen Lippen umspielt vom Lächeln.
Voller Freude sah Maria Magdalena
Der Herr und sprach zur Geliebten diese Worte,
Als sie die Augen senkte aufs grüne Bett:


DREIUNDZWANZIGSTER GESANG


Lege auf das grüne Bett im Garten
Deiner Füße weiße Lotossprossen,
Mögen in diesem Garten der Liebe
Deine schlanken Beine siegen!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Mit dem fließenden Salböl meiner Hände
Wasche ich dir die Füße, Geliebte,
Lege nieder in das Bett des Gartens
Die Perlenschnüre deiner Gebete!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Wie vom Rotwein deines Rosenmundes
Fügen sich trunken die Worte der Liebe,
Wie ich dich von der Trennung erlöste,
Will ich erlösen deine Brüste vom Brusttuch!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Es drängt mich zur Liebesumarmung,
Der ich dich erobern wollte,
Presse deine Brüste an meinen Brustkorb
Und lösche die Glut der Leidenschaft!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Rotwein deiner Rosenlippen schenke ein
Und belebe den toten Gottesknecht!
All meinen Geist versenk ich in dich,
Den feurig liebenden Geist des Herrn!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Junges Mädchen mit dem schönen Antlitz,
Lass die Glöckchen deines Gürtels klingen,
Liebkose mit Worten der Liebe meine Ohren,
Die immer lauschen dem Lied der Nachtigall.
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Schau meine fünf heiligen Wunden an,
Verwundet bin ich von der Lanze der Liebe,
Schäme dich nicht, mich anzuschauen,
Den nackten Gott an seinem Kreuz!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Dieses Lied von Josef Maria Mayer
Soll Vers für Vers den Sieger erfreuen,
Möge dies Lied in frommen Hörern
Lust an der Liebe zu Jesus vermehren!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Was stand jetzt noch der Umarmung entgegen?
Sie liebkosten einander mit den Augen.
Von lächelnden Lippen floss das Liebesgespräch.
So begann für die beiden die Liebesbegegnung,
Die von Augenblick zu Augenblick lieblicher wurde.

Von ihren Lilienarmen umarmt,
Von ihren üppigen Brüsten gepresst,
Die Lippen zerbissen von ihren Zähnen,
Ihre Hand an seinem Haupt,
Von ihrer Küsse Rotwein berauscht,
So labte sich der Geliebte an Maria!

Im Zeichen des ewigen Gottes der Liebe
Begann der zärtliche Kampf der Liebe.
Als wollte sie Jesus in die Kniee zwingen,
Fiel Magdalena übermütig über ihn her,
Frohlockend lag der Becher ihres Beckens,
Ihre üppigen Brüste zitterten, bebten,
Die Lider senkten sich auf die Augen,
Sie erlebte die Liebe auf weibliche Art.

Von den rotlackierten Fingernägeln
Blutete Jesu Seitenwunde,
Seine Augen waren wie vom Tod geschlossen,
Ihre blutenden Lippen befeuchteten sanft
Mit dem Wein der Küsse seinen Mund,
Der Dornenkranz war ihm entsunken,
Ihr Liebreizgürtel war aufgegangen,
Liebespfeile durchbohrten Jesu Herz!

Lang floss Magdalenas Mähne hinab,
Ihre Wangen glühten rötlich von Liebesfieber,
Blutrot wie Wunden ihre feuchten Lippen,
Die üppigen Brüste wie Becher des Heils,
Ihre Perlenschnur fiel auf die Brüste,
Der Gürtel hing an ihren Lenden hinab,
Die Brüste und die Scham verbarg sie
Mit der Mähne in den schlanken Händen,
Ihr Blick war keusch und schamhaft,
Ihr Rosenkranz auf dem Haupt war zerzaust,
Bezaubernd stand Maria da,
Bezaubernd die vom Rosenkranz Gekränzte.

Langsam schloss sie die Augen,
Die leuchtenden Augen des Mädchens,
Vom Lenzwind des göttlichen Eros
War sie betört, verrückt geworden,
Ihre purpurnen Lippen schimmerten feucht,
Ihre üppigen Brüste zitterten, bebten,
Ihre Gazellenaugen schauten zärtlich,
Ihr Leib zerschmolz vor Glut der Wonne.

Zu Jesus, der Lust an Magdalena hatte,
Da ihr ermattet waren alle ihre Glieder,
Zu Jesus sprach Maria Magdalena innig,
Zu Jesus Christus, dem seligen Gott der Wonne:


VIERUNDZWANZIGSTER GESANG


Male du mit deiner gesalbten Hand
Mit Schminke mir dein Zeichen auf die Stirn,
O Gottessohn, und male dein Zeichen auf meinen Busen,
Meine Brüste sind Schwestern den Bechern des Eros!
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Süßer als Honig ist dein heiliges Salböl,
Wenn mein Bräutigam Liebespfeile schießt,
Du küsstest mit Küssen deines Mundes meine Augen,
Mein Freund, für dich erstrahlen meine Augen.
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Gib doch meinen lauschenden Muschelohren,
Die neben meinen Gazellenaugen sind,
O du Schmuck meines Lebens, o Jesus,
Gib meinen Ohren Ringe von Mondstein!
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Hier die Mähne, wie Schmetterlinge flatternd,
Diese verlockenden langen Schlangenlocken,
Flechte du sie rings um mein Mondgesicht,
Mit dem ich dich anschau, meine Sonne!
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Male auf meine Stirn dein Zeichen,
Salbe meine Stirn mit Narde und Myrrhe,
O du heiliges Antlitz, salbe meine Stirn,
Nachdem die Erschöpfung von mir gewichen!
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Schlinge in die schimmernde Schlangensträhnen,
Die Fahnen des glühenden Eros sind,
Um die flatternden glatten schwarzen Strähnen
Schlinge mir purpurne Hennablüten!
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Hülle um meine schlanken Hüften,
Der Weide des schönen Hirten,
Hülle um meine Hüften den Liebreizgürtel
Und das seidige Kleidchen und goldenen Schmuck!
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Jesus, neige dich zu Josef Maria Mayer
Und höre mit Wohlgefallen seine Lieder,
Der sich in der Endzeit wendet an Jesus,
An Jesu durchbohrte Hände und Füße.
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Siehe auf meiner linken Brust das Muttermal!
Siehe die rote Schminke auf meinen Wangen!
Siehe den silbern glitzernden Liebreizgürtel
Um meine schlanken Hüften, Geliebter!
Siehe die schwarzen Flechten der schweren Haare!
Siehe an meinen Lilienarmen die Reifen
Und an meinen bloßen Füßen die Silberkettchen!
So sprach Maria Magdalena zu Jesus
Und Jesus tat alles, was sie sich wünschte.


EPILOG


Was Geschicklichkeit ist in seraphischem Sang,
Was Kontemplation über die Gottheit heißt,
Was Minnesang ist und Psalmengesang,
All das verfasste Josef Maria Mayer,
Der nicht mehr selbst lebt, sondern Jesus in ihm,
Den Lobpreis des liebenden Jesus
Sollen fromme Frauen lesen.

Der von seiner Großmutter abstammt,
Paula Margarethe Johanna Mayer,
Das Lied von Josef Maria Mayer
Fülle die Kehle der kommenden Kirche!

Fruchtiger Rotwein vom Berge Karmel,
Keiner denkt mehr an den Rotwein.
Weißer Zucker von dem Zuckerrohr,
Keiner denkt mehr an den weißen Zucker.
Milch von dem prallen Euter der Kuh,
Keiner denkt mehr an die Kuhmilch.
Reife Feige von dem Feigenbaum,
Keiner denkt mehr an die reife Feige.
Der Freundin scharlachrot geschminkter Mund,
Keiner denkt mehr an der Freundin Lippen.
Alle können nur noch denken an das Lied,
Das Josef Maria Mayer für Jesus gesungen!

So am Meer von Tiberias wandelt
Maria Magdalena, ihre Perlenschnur
Fällt ihr auf den frommbezwungenen Schoß.
Nach den prächtigen Granatäpfeln ihrer Brüste
Streckt Jesus die durchbohrten Hände aus.
Der Finger Gottes schenke euch ewige Wonnen!