Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

HERMES TRISMEGISTOS - CORPUS HERMETICUM



Herausgegeben von Josef Maria Mayer

 

 

ERSTES KAPITEL

PÖMANDER

HERMES
Einst, da ich die wesentlichen Dinge beschaute und meine Seele sich erhob, da schliefen die Sinne meines Körpers ein, wie einer, der von Speise überfüllt oder von Arbeit erschöpft, vom Schlaf überfallen wird. Und es kam mir so vor, als ob ich jemanden schaute, der sehr groß war und von einer unendlichen Länge, der nannte meinen Namen und sprach zu mir:
PÖMANDER
Was willst du hören und was willst du sehen und was ist das, was du in deiner Seele lernen und erkennen willst?
HERMES
Ich sprach zu ihm: Wer bist du?
PÖMANDER
Er sprach: Ich bin Pömander, die Seele des von sich selbst aus bestehenden Wesens, ich weiß, was du willst, und ich bin überall mit dir.
HERMES
Ich sprach: Ich begehre, die wesentlichen Dinge kennen zu lernen, ihre Natur zu verstehen und sie zu erkennen.
PÖMANDER
Aber wie?
HERMES
Ich sprach: Ich will es hören.
PÖMANDER
Daraufhin sprach er: Halte mich fest in deiner Seele, dann will ich dich lehren das, was du untersuchen willst.
HERMES
Nachdem er das gesagt hatte, verwandelte er seine Gestalt, und in dem Augenblick wurde mir alles in einem Blitz erschlossen, und ich sah eine unendliche Vision: Es wurde alles zu einem Licht, das lieblich und freudenreich war, und ich erfreute mich im Anschauen des Lichts. Kurz darauf entstand in einem Teil eine Dunkelheit, die sich nach unten trennte, sie war schrecklich und trübselig, die sich in einer Krümmung abschloss, dabei schien mir im Anschauen, dass die Dunkelheit sich veränderte in eine unaussprechlich wirre Natur, die einen Rauch wie vom Feuer und ein unaussprechlich betrübtes Geräusch von sich gab. Danach brach aus der feuchten Natur eine unklare Stimme hervor, die ich für die Stimme des Lichts hielt. Aus dem Lichte stieg noch ein heiliges Wort auf die Natur herab, und das reine Licht erhob sich aus der feuchten Natur in die Höhe, das Licht war leicht, allesdurchdringend und machtvoll. Die Luft, die leicht war, folgte dem Geist und stieg auf von der Erde und dem Wasser und stieg bis ans Feuer heran, so dass es war, als ob sie über das Feuer hinweggehe. Die Erde und das Wasser blieben miteinander vermischt, so dass die Erde wegen des Wassers nicht gesehen werden konnte, und beide wurden bewegt durch das geistliche Wort, das oben über ihnen schwebte.
PÖMANDER
Da sagte Pömander zu mir: Hast du die Vision verstanden und was sie bedeutet?
HERMES
Ich sprach: Ich will über sie nachdenken.
PÖMANDER
Das Licht (sprach er) bin ich, die Seele, dein Gott, der aus der feuchten Natur ist, die aus der Finsternis erschienen ist. Das aus der Seele leuchtende Wort ist der Sohn Gottes.
HERMES
Ich sprach: Was soll ich dazu sagen?
PÖMANDER
Verstehe das so: Das, was in dir ist und hört, das ist das Wort des Herrn, die Seele aber ist Gott der Vater, sie sind von einander nicht unterschieden, denn der beiden Vereinigung ist das Leben.
HERMES
Ich sprach. Ich danke dir.
PÖMANDER
Aber ergreife mit der Seele das Licht und erkenne das Licht.
HERMES
Nachdem er das gesagt hatte, haben wir einander eine Zeit lang angeschaut, und ich zitterte vor seiner Gestalt. Aber da er mich auch anschaute, sah ich in meiner Seele ein Licht von unermesslichen Kräften und eine in Wahrheit unermessliche Welt und dass das Feuer mit großer Macht geschlossen und versammelt und in Ordnung gebracht wurde. Das erkannte ich, da ich das Wort Pömanders geschaut habe, über das ich bestürzt war, da sprach er zu mir.
PÖMANDER
Hast du nun in der Seele geschaut die ursprüngliche Gestalt, die vorm Anfang eines unendlichen Anfangs ist? Das sprach Pömander zu mir.
HERMES
Ich sprach: Woraus sind die Elemente der Natur zusammengesetzt?
PÖMANDER
Darauf antwortete er: Der Ratschlag Gottes, der das Wort empfangen hat und die schöne Welt angeschaut, der hat dies nachgeahmt und so durch sein eigenes Element und die Emanation der Seelen die Welt geschaffen. Aber die Seele, also Gott, der Mann und Frau, Leben und Licht ist, der hat durch das Wort eine andere wirksame Natur geboren, die, des Feuers und des Geistes Gott, sieben Herrscher gemacht hat, die die empfindsame Welt in Kreisen umfassen, deren Herrschaft Schicksal genannt wird. Von der Zeit an ist aus den heruntergesunkenen Elementen Gottes das Wort Gottes zu einem reinen Werk der Natur hervorgekommen, das mit der wirksamen Seele vereinigt worden ist, da er doch mit der selben Seele eines Wesens war. Und die heruntergesunkenen Elemente der Natur wurden ohne Vernunft gelassen, so dass sie die Materie wurden. Aber die wirkende Seele zusammen mit dem Wort, das die Kreise umfasst und mächtig voran treibt, das hat sein Wirken kreisend gemacht und bestimmt, dass der Kreis der Welt vom Anfang ohne Anfang bis ans Ende ohne Ende umgetrieben wird, dann fangen sie alle allzeit an, wo sie enden. Die Drehung der Werke hat nach dem Willen der Seelen aus den heruntergesunkenen Elementen die unvernünftigen Tiere gezeugt, denn sie selbst hatten keine Vernunft. Die Luft hat die geflügelten Geschöpfe hervorgebracht und das Wasser die schwimmenden Geschöpfe, und das Wasser und die Erde sind von einander geschieden, so wie es die Seele gewollt hat. Die Erde hat die Tiere, die sie gehabt hat, von sich gegeben, nämlich vierfüßige, kriechende, wilde und zahme. Aber der Vater aller Dinge (die Seele ist Leben und Licht) hat den Menschen sich gleich geboren, und den Menschen geliebt als seine eigene Geburt, denn der Mensch war herrlich und hatte in sich des Vaters Ebenbild, sicher, Gott hat seine eigne Gestalt geliebt und alle seine Werke dem Menschen übergeben. Aber als der Mensch die Schöpfung des Werkmeisters in ihrem ganzen Wesen sich zu Gemüt geführt hat, da wollte der Mensch selbst auch Werkmeister sein: darum wurde er vom Vater geschieden und in den wirksamen Kreisen eingeschlossen. Und da er alle Macht hatte, bemerkte er die Werke der sieben Herrscher, die ihn nun liebten, und jeder Herrscher hat ihn seiner Ordnung teilhaftig gemacht. Nachdem er ihr Wesen erkannt hatte und ihrer Natur teilhaftig geworden war, wollte er den Umlauf der Kreise ergründen und die Macht der Gewalt, die über dem Feuer ist, mit der Vernunft begreifen. Und nachdem er über die sterblichen und unvernünftigen Tiere der Welt alle Macht hatte, durch die Erforschung der Harmonie der Dinge, wollte er auch die Kraft der Kreise durchbrechen, da sah er tief die Harmonie aller Wesen und bewies, dass die heruntergesunkene Natur ein schönes Bild Gottes ist. Als er die schöne Natur gesehen hatte, die in sich selbst unersättliche Schönheit, alle Wirkung der Herrscher und das Bild Gottes hatte und aus Liebe lachte, da sie das Bildnis der allerherrlichsten Gestalt des Menschen im Wasser sah und dessen Schatten auf der Erde. Und da er seine gleichförmige Gestalt in sich selbst sah, im Wasser, verliebte  er sich in sie und begehrte, mit ihr zu schlafen, da war von der Zeit an der Wille durch das Werk geschehen, und es ward ein unvernünftiges Bild geboren. Die Natur hat ihren Geliebten umfangen und sich ganz und gar in ihn ergeben und beide sind miteinander vermischt worden, da sie einer den andern lieb gewonnen hatten. Und darum ist der Mensch über allen andern Geschöpfen auf Erden zweifältig, sterblich dem Körper nach und unsterblich nach dem wesentlichen inneren Menschen. Denn obwohl er unsterblich ist und die Macht über alle Dinge hat, leidet er dennoch an den sterblichen Dingen, die dem Schicksal unterworfen sind, und obwohl er vornehmer ist als die Harmonie der Welt, ist er doch ein Knecht der Welt geworden, aber als Mann und Frau, aus dem himmlischen Vater, der Mann und Frau ist, und der herrscht ohne Schlaf in dem, der ohne Schlaf ist.
HERMES
Danach sprach meine Seele: Ich liebe diese Rede.
PÖMANDER
Aber Pömander sagte: Das ist bis auf diesen Tag ein verborgenes Geheimnis, denn als die Natur sich mit dem Menschen vermischt hatte, hat sie ein Wunder über alle Wunder zum Vorschein gebracht. Denn als der Mensch die Zusammenstimmung der sieben Herrscher hatte, von dem, den ich genannt habe, nämlich vom Feuer und vom Geist, da blieb die Natur nicht still, sondern gebar von der Zeit an sieben Menschen nach der Natur der sieben Herrscher, die Mann und Frau waren und sehr erhaben.
HERMES
Da sagte ich: O Pömander! Ich habe große Lust und begehre zu hören, mache doch keinen Umweg.
PÖMANDER
Aber Pömander sprach: Schweig still, denn ich habe die erste Rede noch nicht zu Ende geführt.
HERMES
Ich sprach: Siehe, ich schweige still.
PÖMANDER
Die Geburt der sieben Menschen, wie ich gesagt habe, ist auf so Weise geschehen: Die weibliche Luft und das schwebende Wasser haben aus dem Feuer die Reife und aus der reinen Luft den Geist genommen, und die Natur hat zu dem Bilde des Menschen den Körper hervorgebracht. Aber der Mensch ist aus dem Leben und aus dem Licht zur Seele und zur Vernunft geworden, aus dem Leben zu einer Seele und aus dem Licht zu einer Vernunft, und er wurde so über alle Glieder der empfindsamen Welt bis ans Ende des Weltkreises herrschend und zeugend. Nun höre auf die Rede, die du gerne hören wolltest: Nachdem der Weltkreis angefüllt war, wurde nach dem Ratschlag Gottes mit allen Dingen der Bund gelöst, denn alle Tiere, die männlich und weiblich sind, wurden zugleich mit dem Menschen aufgelöst, und das eine Teil wurde männlich und das andere Teil weiblich. Und Gott sprach durch sein heiliges Wort: Von nun an wachst im Wachstum und vermehrt euch in der Vermehrung, all ihr Geschöpfe und Werke, und der die Vernunft in sich hat oder den Verstand, der erkenne sich selbst, dass er unsterblich ist und wisse, dass die Liebe zu dem Fleisch die Ursache des Todes ist und erkenne alle Eigenschaften. Und als Gott dies gesprochen hatte, hat die Vorsehung durch das Schicksal und die Harmonie der Dinge die Vermischung eingeführt und das Gebären eingesetzt, und alle Dinge sind in ihrem Geschlecht vermehrt worden, und der sich selbst erkannt hat, der ist in das Gute, das über allem Guten ist, hinein gekommen, aber der aus Verblendung der Liebe das Fleisch geliebt hat, der bleibt in der Finsternis irrend und leidet empfindlicher Weise das, was der Tod ist.
HERMES
Ich sprach: Was haben die Narren so schwer verschuldet, dass sie der Unsterblichkeit beraubt werden?
PÖMANDER
O du Narr! Es scheint, dass du das nicht verstanden hast, was du gehört hast.
HERMES
Ich habe dir zwar nicht gesagt, dass ich es verstehe, aber ich verstehe es dennoch und erinnere mich daran.
PÖMANDER
Glücklich bist du, wenn du es verstanden hast.
HERMES
O mein Lieber, sag mir, warum sind diese Narren des Todes würdig, die in dem Tod sind. Ist es darum, weil vor dem Fleisch eine trübselige Finsternis vorhergeht, aus der die feuchte Natur und aus dieser der Leib in der empfindamen Welt gemacht ist, woraus der Tod entsteht?
PÖMANDER
Das hast du nun recht verstanden: Aber wie kommt der zu Gott, der sich selbst erkennt, wovon das Wort Gottes spricht?
HERMES
Ich sagte: Weil der Vater aller Dinge, aus welchem der Mensch gemacht ist, aus Licht und Leben besteht.
PÖMANDER
Wieso sprichst du so? Gott der Vater, aus welchem der Mensch geboren ist, ist Licht und Leben: Wenn du deshalb erkennen wirst, wie du aus Licht und Leben bestehst, so wirst du wieder in das Leben eingehen, sprach Pömander.
HERMES
Aber sage mir trotzdem (sprach ich) wie soll ich in das Leben eingehen? O meine Seele! Denn Gott sprach: Der Mensch, der die geistige Seele hat, erkenne sich selbst! Haben denn nicht alle Menschen die geistige Seele?
PÖMANDER
Wie sprichst du so dumm! Ich, die geistige Seele, komme allein zu den Heiligen, Guten, Reinen, Barmherzigen und Gottesfürchtigen, und meine Gegenwart ist ihre Hilfe, so dass sie von di4esem Augenblick an alles erkennen und in Liebe den Vater bitten und ihm Dank sagen und ihm Lobpreis singen und ihre Liebe zu ihm allein richten, und ehe sie das Fleisch ihrem eignen Tod übergeben, die Sinnlichkeit hassen, weil die Werke der Sinnlichkeit ihnen bekannt sind. Ja, ich, die geistige Seele, lass es nicht zu, dass verwesende Wirkungen des Fleisches zum Ende gebracht werden: Ich schließe gleich einem Torwächter den Eingang vor den bösen Begierden zu und schneide die Gedanken der schändlichen Werke ab. Aber von den Unverständigen, Bösen, Frevlern, Neidischen, Geizigen, Totschlägern, Unzüchtigen und Gottlosen bin ich weit entfernt, ich übergebe diese dem Strafengel, der sie mit dem scharfen Feuer des Gerichts empfindlich verletzt und zum Chaos noch mehr bewaffnet, wodurch sie noch größere Strafe empfangen und hören doch nicht auf, aus unersättlichen Begierden und Lastern in der Finsternis umherzutappen, und so verdirbt und peinigt er sie mit mehr und mehr Feuer.
HERMES
O Seele! Du hast mich alles wie ich wollte gelehrt: Sage mir nun noch von der Wiederkunft, die nach diesem allem geschieht.
PÖMANDER
Pömander sprach: Zuerst wird in der Auflösung des stofflichen Leibes der Leib selbst der Vernichtung übergeben, und die Gestalt, die er hatte, wird unsichtbar, und die sündigen Sitten werden dem Genius übergeben und die Sinne des Leibes kommen wieder in ihren Ursprung, und wenn sie zu Teilen geworden sind, so werden sie wieder in ihre Wirksamkeit eingesetzt. Der Zorn und die Begierde gehen in die unvernünftige Natur, und so fährt er endlich in die Höhe durch die Harmonie und gibt an den ersten Kreis die wandelhafte Kraft ab. An den zweiten Kreis gibt er die Ausübung des Bösen und den lasterhaften Betrug ab. An den dritten Kreis gibt er die böse Begierde ab. An den vierten Kreis gibt er die Herrschlust ab. An den fünften Kreis gibt er die unheilige Kühnheit und frevelhafte Verwegenheit ab. An den sechsten Kreis gibt er die böse Geldgier ab. An den siebenten Kreis gibt er die Lügen ab. Und dann, wenn er von der Wirkung der Harmonie entkleidet ist, kommt er zu der achten Natur und hat seine eigene Kraft und lobet den Vater mit denen, die da sind und sich auch über seine Ankunft freuen. Und wenn er jenen gleich geworden ist, so hört er auch die Kräfte, die über der achten Natur sind, mit ihren eigenen schönen Stimmen Gott lobsingen. Und dann steigen sie in der Ordnung weiter auf zu dem himmlischen Vater und begeben sich selbst unter die Kräfte, und wenn sie selbst Kräfte geworden sind, kommen sie in das Innere Gottes. Und das ist das gute Ende derjenigen, die Erkenntnis haben, nämlich, dass sie vergottet werden. Aber nachdem du das alles begriffen hast, was wartest du länger, die einzuführen, die es würdig sind? Auf dass das menschliche Geschlecht durch Gott behütet werde!
HERMES
Nachdem Pömander dies alles gesagt hatte, vermischte er sich unter die Kräfte, ich aber dankte dem Vater aller Dinge und lobte ihn, durch den ich kräftig geworden war aufzustehen und gelehrt worden in aller Dinge Art und Natur und auch die große Vision zu erkennen, und ich fing an, die Herrlichkeit der Gottseligkeit und der Erkenntnis mit erhobener Stimme den Menschen zu predigen: O ihr Völker, ihr irdischen Menschen, ihr, die ihr euch selbst zur Trunkenheit, zum Schlaf und zur Unerkenntnis Gottes begeben habt! Seid nüchtern und hört mit dem Prassen doch auf und lasst euch den unvernünftigen Schlaf nicht so sehr gefallen! Da sie das hörten, kamen sie zu mir, und ich sprach weiter: O ihr Irdischgesinnten, warum habt ihr euch selbst in den Tod gegeben? Ihr habt doch Macht, der Unsterblichkeit teilhaftig zu werden! Bekehrt euch, ihr, die ihr vom Irrtum umgeben seid und von der Unwissenheit verfinstert! Flieht die Finsternis, werdet der Unsterblichkeit teilhaftig, verlasst das Verderben! Doch viele von ihnen gingen spottend weg und begaben sich auf den Weg des Todes. Die andern baten mich, dass ich sie lehre und fielen mir zu Füßen, aber ich gebot ihnen aufzustehen und wurde ein Führer des Menschengeschlechts. Ich lehrte sie Mittel und Wege, wie und auf welche Art und Weise sie gerettet erden könnten, ich pflanzte in sie Worte der Weisheit und tränkte sie mit Himmelstau. Aber wie es Abend wurde und die Sonne unterging, gebot ich ihnen, Gott zu danken, und nach vollbrachter Danksagung kehrte ein jeder wieder an seinen eigenen Ort. Ich aber schrieb Pömanders Güte in mich ein, und als ich damit nach meinem Verlangen erfüllt war, hatte ich über die Maßen große Freude, denn des Körpers Schlaf wurde die Nüchternheit der Seele, das Schließen der Augen, das wahrhaftige Schauen, mein Schweigen, die Schwängerung mit dem Guten, das Hervorbrechen der Rede. Dies ist mir widerfahren, so wie ich dies empfangen habe von meiner Seele, so wie ich von Pömander (dem Wort des von sich selbst aus bestehenden Wesens) göttlich angeblasen wurde und der Wahrheit teilhaftig wurde, darum lobe ich Gott den Vater von ganzem Herzen und mit allen Kräften. Heilig ist Gott, der Vater aller Wesen, heilig ist Gott, dessen Ratschlag von seinen eigenen Kräften vollbracht wird. Heilig ist Gott, der erkannt sein will und von den Seinen auch erkannt wird. Heilig bist du, der du durch das Wort alles zusammengesetzt hast. Heilig bist du, dessen Bild die ganze Natur geworden ist. Heilig bist du, der du von der Natur abgebildet wirst. Heilig bist du, der du stärker bist als alle Kräfte. Heilig bist du, der du größer bist als alles. Heilig bist du, der allen Lobpreis übertrifft. Nimm auf das vernünftige und reine Opfer meiner Seele und meines Herzens, die zu dir gerichtet sind, du, der du unaussprechlich bist und allein in der Stille genannt wirst, wir bitten dich, dass wir von der Erkenntnis nicht abirren. Neige dich zu mir, stärke mich und erleuchte auch mit dieser Gnade die, die noch in Unwissenheit sind, nämlich die von meinem Geschlechte, Brüder und Schwestern, doch auch deine Kinder. Darum glaube ich dir und bezeuge es und gehe in das Leben und Licht ein. Hochgebenedeit bist du, Vater, dein Mensch verlangt, zugleich mit dir geheiligt zu werden, gleich wie du ihm alle Macht gegeben hast.


ZWEITES KAPITEL

DIE VERNUNFT UND HERMES


DIE VERNUNFT
Sei still, du großer Hermes, und erinnere dich daran, was gesprochen wurde, was mir eingefallen ist, das will ich dir sofort offenbaren.
HERMES
Obwohl so vieles und so unterschiedliche Sachen von diesem Wesen und von Gott geredet worden ist, hab ich die Wahrheit davon nicht lernen können, erkläre mir doch dies alles, mein Herr, denn dir allein will ich in der Erklärung dieser Dinge glauben.
DIE VERNUNFT
Da sprach die Vernunft: Höre mir zu, mein Sohn, wie sich Gott und das Wesen verhält, Gott, die Ewigkeit, die Welt, die Zeit und die Geburt. Gott schafft die Ewigkeit, die Ewigkeit schafft die Welt, die Welt schafft die Zeit und die Zeit schafft die Geburt. Das Gute, die Herrlichkeit, die Seligkeit, die Weisheit ist das Wesen Gottes. Das Wesen der Ewigkeit ist die Dauer. Das Wesen der Welt ist die Ordnung. Das Wesen der Zeit ist die Wandlung und das Wesen der Geburt ist Leben und Tod. Die Wirkung Gottes ist die Vernunft und die Seele. Die Wirkung der Ewigkeit ist das immerwährende Dauern und die Unsterblichkeit. Die Wirkung der Welt ist das Machen und das Zerstören. Die Wirkung der Zeit ist die Abnahme und die Zunahme. Die Wirkung der Geburt ist die Eigenschaft der Person. Darum ist in Gott die Ewigkeit, in der Ewigkeit die Welt, in der Welt die Zeit und in der Zeit die Geburt. Und die Ewigkeit ist rings um Gott, die Welt wird in der Ewigkeit bewegt, die Zeit wird in der Welt eingeschlossen und die Geburt ist in der Zeit. Der Ursprung aller Dinge ist Gott, das Wesen Gottes ist die Ewigkeit, und von Ewigkeit her ist die Materie der Welt. Die Kraft Gottes ist die Ewigkeit, das Werk der Ewigkeit ist die Welt, die nicht etwa einmal gewesen ist, sondern noch allezeit von Ewigkeit ist, darum wird sie auch nie vergeben, denn die Ewigkeit ist unvergänglich, so wie auch nichts von den Dingen, die in der Welt sind, vergehen wird, da die Ewigkeit die Welt in sich umschließt.
HERMES
Aber wer ist Gottes Weisheit (Sophia)?
DIE VERNUNFT
Das Gute und die Herrlichkeit, die Heilige und die Seligkeit und alle sieben Tugenden und die Ewigkeit. - So spendet also die Ewigkeit der Materie die Unsterblichkeit und das immer, denn die Materie besteht von Ewigkeit, wie die Ewigkeit in Gott besteht. Denn die Geburt und die Zeit im Himmel und auf Erden sind zweierlei Naturen, im Himmel sind sie unveränderlich und unvergänglich, aber auf Erden sind sie veränderlich und vergänglich. Und Gott ist die Seele der Ewigkeit, die Ewigkeit ist die Seele der Welt, der Himmel ist die Seele der Erde. Und Gott ist in der Vernunft, die Vernunft ist in der Seele, die Seele ist in der Materie, und dies alles in Ewigkeit. Und dieser eine Leib, in dem alle Leiber sind, ist voll von Seelen, und die eine Seele ist voll der Geister und voll der Gottheit. Inwendig erfüllt die Seele den Leib, außerhalb umfasst die Seele den Leib und macht das ganze Wesen lebendig, nämlich vom Äußeren die vollkommenen Geschöpfe oder Tiere der Welt und inwendig alle anderen Geschöpfe oder Tiere, und darüber hinaus bleibt sie im Himmel in ihrem Selbst, und unten auf der Erde wandelt sie in den Geburten. Dies alles umfasst die Ewigkeit, es sei nun, wie man denken könnte) durch Notwendigkeit oder durch Vorsehung oder durch Natur oder durch etwas anderes, so ist es doch alles in allem der eine wirkende Gott. Es ist aber die Wirkung Gottes eine über alle Maßen große Kraft, mit der nichts Menschliches noch Himmlisches verglichen werden kann. Darum, lieber Hermes, musst du nicht meinen, dass irgend etwas von den Dingen, die auf Erden, oder etwas von denen, die im Himmel sind, Gott gleich ist, sonst würdest du von der Wahrheit abweichen, denn der Gottheit, die keinen gleichen hat und allein einzeln und eine ist, der Gottheit ist nichts gleich. So musst du auch nicht denken, dass Gott einem andern Wesen in der Kraft weiche, denn wer ist Gott gleich, es sei im Leben, in der Unsterblichkeit, in der Dauer oder Eigenschaft? Denn was sollte Gott sonst machen? Gott ist nicht untätig, denn sonst würden alle Dinge untätig sein, da alle Dinge voll in Gott sind. In der Welt ist auch nirgends eine Untätigkeit oder Unwirksamkeit, denn Untätigkeit ist ein Begriff, der leer oder bloß ist von einem, der da schafft, und leer und bloß ist von etwas, das geschaffen wird. Es müssen also alle Dinge gemacht werden, allezeit und entsprechend der Natur ihres Ortes. Denn der Schöpfer wohnt in allen Dingen und nicht in einem einzigen allein, der Schöpfer macht auch nicht allein ein Einziges, sondern schafft alle Dinge. Denn da Gott eine wirksame Kraft ist, so ist er fähig, alle Dinge zu machen, und die gemacht werden, die sind unter ihm. Schau durch mich diese Welt an, die deinen Augen präsentiert ist, und betrachte genau die Herrlichkeit der Welt, sie ist ein unverweslicher Leib, von dem nichts eher oder älter ist, sie ist immerdar jung und blühend. Schau auch die oben eingesetzten sieben Welten an, die mit ewiger Ordnung geschmückt sind und mit unterschiedlichen Kreisbahnen die Ewigkeit erfüllen, da das All voll Licht ist und ist doch nirgends ein Feuer. Denn die Freundschaft und die Vermischung von streitbaren und ungleichen Dingen ist ein Licht geworden, das erleuchtet wird von der Wirksamkeit Gottes, dem Erzeuger alles Guten und dem Haupt aller Ordnungen und dem Fürsten der sieben Welten. Schau die Luna, die Vorläuferin aller dieser Welten, das Werkzeug der Natur, die die Materien auf Erden wandelt. Schau die Erde, die in der Mitte des ganzen Wesens ist und als ein Fundament der herrlichen Welten befestigt worden ist, eine Nährmutter und Milch-Amme aller Dinge, die auf Erden sind. Schau die Vielfalt der unsterblichen und der sterblichen Geschöpfe oder Tiere, wie groß die Vielfalt und wie die Luna in der Mitte zwischen beiden, den Sterblichen und Unsterblichen, ihre Kreisbahn läuft. Wie alle Dinge erfüllt sind von Seele und alle Dinge nach ihrer eigenen Art bewegt werden, die einen um den Himmel und die andern um die Erde, und die zur rechten Seite und nicht zur linken, und die zur linken Seite und nicht zu der rechten, und die oben und nicht untern, und jene unten und nicht oben. Dass nun alle diese Dinge geboren sind, lieber Hermes, das brauchst du von mir nicht zu hören, denn es sind ja Körper, die haben eine Seele und werden bewegt. Aber dass diese alle ineinander zusammenwirken können, ohne einen, der diese alle zusammen versammelt, das ist ganz unmöglich, so muss also da einer sein, der das tut und dieser Eine muss ein Einziger sein. Denn da unterschiedliche Bewegungen und unterschiedliche Körper einander nicht gleich sind, aber in allem nur eine einzige Geschwindigkeit angeordnet ist, ist es unmöglich, dass zwei oder mehr  Werkmeister existieren könnten. Denn eine einzige Ordnung allein würde bei vielen Werkmeistern nicht beachtet oder eingehalten, sondern wenn es viele Werkmeister wären, so würde bei den Schwächsten ein Neid entstehen gegen denjenigen, der besser wäre, woraus dann Streit und Ärger entstehen würden. Und wenn ein Anderer der Schöpfer der veränderlichen und sterblichen Geschöpfe oder Tiere, so würde der gleiche Schöpfer auch die unsterblichen schaffen wollen, so wie der Schöpfer der Unsterblichen schaffen wollte auch die Sterblichen. Angenommen, dass da zwei Schöpfer wären, obwohl da nur eine Materie ist, bei welchem von beiden sollte das Amt der Schöpfung sein? In dem Fall, dass es vielleicht bei beiden sein sollte, bei welchem wäre dann das größere Teil? Doch nimm dir dies zu Herzen, dass dieser ganze lebendige Leib der Schöpfung seine Zusammenknüpfung hat aus der Materie und aus der Seele, sowohl das Sterbliche und das Unsterbliche oder Vernünftige. Denn alle lebendigen Leiber sind beseelt, aber die nicht leben, die sind eine bloße Materie, gleicher Gestalt wie die Seele, die ihr vom Schöpfer hinzugefügt wurde, die ist die Ursache des Lebens und auch die Urheberin der Unsterblichkeit. Wie sind denn sonst die sterblichen Tiere voneinander unterschieden? Und wie sollte das, was unsterblich ist und Unsterblichkeit schafft, nicht auch die Tiere machen? Dass also einer ist, der dies alles macht, das ist klar, und dass es nur ein Einziger ist, das ist das Offenbarste, denn es ist nur Eine Seele, nur En Leben, nur Eine Materie.
HERMES
Aber wer ist dieser Schöpfer
DIE VERNUNFT
Wer sollte es sonst sein als der einzige Gott, denn wo ist jemand sonst, der beseelte Tiere machen könnte als Gott allein, darum ist nur ein einziger Gott. Du sprichst ja das Allerlächerlichste, wenn du bekennst, dass es Eine Welt gibt, nur Eine Sonne, nur Eine Luna, nur Eine Gottheit, ja, willst du denn, dass es mehr als Einen Gott gibt? Er macht doch ja alles  allein in Vielfalt. Sollte es denn Gott schwer fallen, das Leben, die Seele, die Unsterblichkeit und die Veränderung zu machen, da du selbst schon so viele Dinge machst? Denn du siehst, du sprichst, du hörst, du riechst, du schmeckst, du fühlst, du wandelst, du verstehst, du atmest, und es ist doch kein Anderer, der sieht, kein Anderer, der hört, kein Anderer, der spricht, kein Anderer, der fühlt, kein Anderer, der riecht, kein Anderer, der geht, kein Anderer, der versteht, kein Anderer, der Atem holt, sondern nur ein Einziger tut alles das. Auch ist es unmöglich, dass irgendwelche Dinge ohne Gott sein könnten: Denn so wie du, wenn du von diesen Dingen frei bist, nicht mehr ein Tier bist, so auch, wenn Gott von diesen Dingen frei wäre (was zu sagen unerlaubt ist), so wäre er nicht mehr Gott. Denn wenn bewiesen würde, dass er nichts könnte, so würde auch bewiesen sein, dass er kein Gott wär. Denn in dem Fall, das etwas wäre, das er nicht gemacht hätte, so wäre er (das ist auch unerlaubt zu sagen) unvollkommen: Weil er aber gar nicht leer ist, sondern vollkommen, darum schafft er alle Dinge. Lieber Hermes! Höre mir eine Zeit lang zu, dann wirst du leicht verstehen, dass dies alles notwendigerweise das Werk Gottes ist, dass alle Dinge werden, die da werden die entweder schon geworden sind oder zukünftig noch werden sollen. Mein Allerliebster! Dies ist das Leben, dies ist die Herrlichkeit, dies ist das Gute, dies ist in Gott. Wenn du dies verstehen willst, so betrachte das, was dir begegnet, wenn du ein Kind zeugen willst: obwohl dies jenem nicht gleich ist, denn Gott wird von Wollust nicht geleitet und hat auch zu seinem Werk keine andere Hilfe. Denn da er Werkmeister ist, so ist er allezeit wirkend und ist selbst das, was er macht: denn wenn er von dem abgesondert wäre, so müsste notwendigerweise alles einfallen, alles müsste sterben, allein aus dem Grund, weil dabei kein göttliches Leben wäre. Aber weil alles lebt und es dennoch nur ein einziges Leben ist. so ist also auch nur ein einziger Gott, und da alles lebt, was im Himmel und auf Erden ist und trotzdem nur in allem  ein einziges Leben ist, so wird das alles von Gott sein, ja es ist selbst Gott: Darum wird alles von Gott. Das Leben ist eine Vereinigung des Geistes und der Seele: Es ist aber der Tod nicht ein Verderben von zusammengesetzten Dingen, sondern eine Auflösung der Vereinigung. Darum ist die Ewigkeit das Bild Gottes und die Welt das Bild der Ewigkeit, die Sonne das Bild der Welt, der Mensch das Bild der Sonne. Das gewöhnliche Volk nennt nur die Veränderung einen Tod, weil das Leben aufgelöst wird und das Leben in das Verborgene eintritt. Mein allerliebster Hermes! Ich sage aber, wie du hörst, dass die Welt wohl verändert wird, weil täglich ein Teil der Welt ins Verborgene geht, aber nicht so, dass die Welt ganz aufgelöst wird. Und da sind die Passionen oder Leidenschaften der Welt, die Umläufe und die Verbergungen der Umlauf ist die Veränderung und die Verbergung ist die Erneuerung. Die Welt ist ein Bild, nicht dass sie die Gestalt außer sich hat, sondern weil sie ihre Gestalt in sich selbst verwandelt. Nachdem nun die Welt ein Bild ist, wer soll dann der Schöpfer sein? Bildlos kann er nicht sein, ist er also urbildlich, und so muß er der Welt gleich sein, hat er aber denn nur eine Gestalt, so ist er in dieser Hinsicht weniger als die Welt. Was sagen wir nun, wer Gott ist? Auf dass wir nichts Zweifelhaftes reden, denn was man von Gott versteht, ist nicht zweifelhaft. Darüber hinaus hat er nur eine Gestalt, die ihm allein eigen ist, die ihm gleich ist, doch als unkörperlich mit den Augen nicht gesehen wird, aber durch die Körper alle Gestalten ans Licht bringt. Und verwundere dich nicht, dass da eine unkörperliche Gestalt sein soll, denn sie ist gleich wie die Gestalt der Rede und die Ränder der Schriftzüge, die wohl erscheinen, als ob sie hervorragten, aber von Natur aus gleich und eben sind. Doch erwäge auch dies, was noch freier  und doch wahrhaftig gesagt wird: So wie der Mensch ohne das Leben nicht leben kann, so kann auch Gott nicht leben, wenn er nichts Gutes macht, denn dies ist gleichsam das Leben und die Bewegung Gottes, dass er alles bewegt und lebendig macht. Doch manche Dinge, von denen wir reden, haben ihre eigne Vernunft, darum begreife das ganze so, wie ich es dir sage. Alle Dinge sind in Gott, nicht wie in einem Ort gefangen, denn ein Ort ist ein Körper und unbeweglich, das was in dem Ort ist, hat auch keine Bewegung, denn es ist anders in dem Unkörperlichen, anders in der Einbildung. Betrachte den, der alle Dinge begreift, und überlege, wie dass nichts ist, der mehr begreift oder umfasst, nichts schneller, nichts mächtiger ist als das Unkörperliche, so dass es das Meistbegreifende, das Allerschnellste und das Allermächtigste unter allen Dingen ist. Und denke dir selbst und gebiete deiner Seele, dass sie nach China reise, wo sie eher sein wird, als du geboten hast. Gebiete deiner Seele, über den Ozean zu fahren, sie wird schnell da sein, nicht aus dem einen in den andern Ort sich versetzend, sondern sofort da selbst seiend. Gebiete deiner Seele, in den Himmel aufzufliegen, sie wird keine Flügel brauchen, ihr wird auch nichts im Weg sein, weder das Feuer der Sonne noch die Luft, weder die Umwälzungen noch die Körper der andern Gestirne, sondern sie wird alles durchdringen und bis zum letzten Himmelskörper hinauf fliegen. Für den Fall, dass du auch dieses ganze Wesen durchbrechen willst und das, was außerhalb der Welt ist (wenn etwas außer ihr ist) anschauen, so ist dir das gegeben. Darum sieh, wie große Macht, wie große Geschwindigkeit du hast. Kannst du nun dies alles tun und Gott sollte dasselbe nicht können? Darum betrachte Gott auf eine solche Art und Weise, wie er alle vernünftigen Geschöpfe in sich hat, nämlich die ganze Welt. Für den Fall, dass du dich selbst also Gott nicht ähnlich machen kannst, so kannst du Gott nicht verstehen, denn Ähnliches wird verstanden von Ähnlichem. Du musst dich zu einer unermesslichen Größe machen und aus allen Körpern heraus springen, dich über alle Zeit erheben und in die Ewigkeit gehen, da wirst du Gott verstehen. Du musst nicht glauben, etwas Unmögliches werden zu müssen, sondern dich selbst für unsterblich erachten und dass du mächtig bist, zu verstehen alle Kunst, alle Wissenschaft und alle Eigenschaften aller Geschöpfen. Du musst höher werden als alle Höhen und tiefer als alle Tiefen. Fasse in dir zusammen alle Sinne der gemachten Dinge, des Feuers, des Wassers, der Trockenheit, der Feuchte, und dass du überall zugleich auf Erden sein kannst, im Meer, im Himmel, dass du noch ungeboren bist, dass du noch im Mutterleibe bist, dass du noch jung bist, dass du schon alt bist, dass du tot bist und das, was nach dem Tod folgt, auch bist, dann wirst du dies Alles zugleich verstehen, die Zeiten, den Raum, die Werke, die Eigenschaften und die Größe. Solltest du dann Gott nicht verstehen? Aber du wirst deine Seele im Körper verschließen, sie verkleinern, und sagen, ich verstehe nichts, ich kann nichts, ich fürchte das Meer, in den Himmel kann ich nicht steigen, ich weiß nicht, wer ich bin, ich weiß auch nicht, wer ich werde sein, - was geht dich dann Gott an? Du kannst doch von den herrlichen und guten Dingen nichts verstehen, weil du das Fleisch liebst und böse bist, denn Gott nicht zu kennen, ist eine dreifache Bosheit. Aber Gott zu kennen und zu bekennen und auf ihn zu hoffen, das ist der rechte und göttliche Weg, der zum Guten leitet, der dir überall, wohin du gehst, eben und leicht sein wird und von dir überall gesehen werden wird, auch wenn du nicht daran denkst, es sei nun, dass du wachst oder schläfst, dass du zu Wasser oder zu Lande reist, es sei bei Tage oder bei Nacht, ob du sprichst oder schweigst, denn es ist nichts, das nicht ein Bild der Gottheit sei. Weiter, sagst du, Gott ist unsichtbar. Warum sprichst du so? Denn wer ist mehr offenbar als Gott, er hat deswegen alle Dinge gemacht, dass du Ihn durch Alles erkennen kannst. Das ist das Gute Gottes, das ist seine Tugend, dass er sich durch alles offenbart. Denn es ist nichts unsichtbar, nichts von den Dingen, die unkörperlich sind: Die Vernunft wird in dem Verständnis geschaut und Gott in der Schöpfung. Dies ist dir, Trismegistos, soweit offenbar gemacht worden, aber das andere sonst verstehe gleicherweise durch dich selbst, so wirst du nicht irregehen.

 

DRITTES KAPITEL

PREDIGT ÜBER DIE UNKENNTNIS GOTTES


Wo lauft ihr hin, ihr trunkenen Menschen, ihr, die ihr vom Wein der Unerkenntnis getrunken habt, den ihr doch nicht vertragen könnt, wenn ihr ihn nicht ausspuckt! Seid doch nüchtern und seht mit den Augen des Herzens! Und wenn ihr alle zusammen das nicht könnt, so tut es doch allein, ihr, die ihr es könnt. Denn das Böse der Unerkenntnis überschwemmt die ganze Erde und verdirbt die im Körper eingeschlossene Seele, weil Unkenntnis nicht zulässt, dass die Seele in den Hafen des Heils gelangt. Darum lasst euch nicht fortschwemmen von der gemeinen Flut, sondern kehrt wieder um, die ihr es könnt, um den Hafen des Heils zu erreichen, an diesen haltet euch. Sucht euch einen Führer, der euch auf den Weg führt zu der Tür der Erkenntnis, wo das leuchtende Licht ist, die Reinheit der Ewigkeit, wo niemand betrunken ist, sondern alle heilig nüchtern sind, schauend mit dem Herzen auf den, der geschaut sein will. Denn dieser kann weder gehört, noch mit Augen gesehen, noch ausgesprochen werden, sondern allein mit dem Geist und dem Herzen erkannt. Aber ihr müsst zuerst dies Kleid, das ihr tragt, zerreißen, nämlich das Kleid der Unerkenntnis, den Grund der Bosheit, das Band der Zerbrechlichkeit, die dunkle Umarmung des Todes, das empfindliche Aas des Grabes, das ist das Kleid, das wir ragen, der Dieb, der in der Liebe Hass und in dem Hass Abneigung hat. Dies ist der feindliche Rock, den ihr tragt, den ihr so nach euch schleppt, dass ihr nicht vermögt, in die Höhe zu schauen, anzuschauen die Herrlichkeit der Wahrheit und das darin eingeschlossene Höchste Gut, und dass ihr die Bosheit der Unkenntnis nicht hassen könnt. Versteht doch die Fallstricke, die diese Unkenntnis euch legt, indem sie die Werkzeuge der Sinne unempfindlich macht, die Sinne mit viel Materie verstopft und mit verdammter Begierde erfüllt, dass ihr nicht hören könnt, was ihr hören sollt, und nicht sehen könnt, was ihr sehen sollt.


VIERTES KAPITEL

DIE HEILIGE REDE

Gott, das göttliche Wesen, ist die Herrlichkeit aller Dinge. Die göttliche Natur, nämlich Gott selbst, die Vernunft, die erschaffene Natur und die Materie und die Wirksamkeit und die Notwendigkeit und das Ende und die Erneuerung ist der Anfang aller Wesen. Da war eine unendliche Finsternis in dem Abgrund, und das Wasser und der schwebende Geist und das vernünftige Wesen waren mit ihren Kräften in der unordentlichen Vermischung des Chaos. Das heilige Licht erschien, und die Elemente waren zusammengenommen aus dem Staub, aus der feuchten Natur, und alle himmlischen Mächte schieden die samentragende Natur. Da alles zuvor unbegrenzt und unbereitet war, wurde das Leichte zur Höhe abgesondert, und das Schwere wurde  auf dem feuchten Boden gegründet, und das Feuer umringte dies alles, und nachdem es schwer war, wurde es vom Geist getragen. Und der Himmel wurde sichtbar in sieben Sphären, und die Planeten erschienen mit allen ihren Zeichen in Sternengestalt, und die Gestirne wurde eingeteilt und gezählt mit den Mächten, die sie beherrschten, und die Kreisbahn wurde vom Äther umschlossen und auf einer kreisenden Bahn vom göttlichen Geist getragen. Die himmlischen Mächte aber brachten eine jede durch ihre eigene Kraft hervor, was ihnen zugeordnet war, so wurden vierfüßige, kriechende, schwimmende und fliegende Tiere, auch alle fruchtbaren Samen, Gräser, Blumen und Kräuter, die trugen die Samen der Wiedergeburt in sich. Und so geschah auch die Geburt der Menschen zur Erkenntnis der göttlichen Werke und zu einem wirkenden Zeugnis von der Natur und zur Vermehrung der Menschen und zur Herrschaft über alle Dinge, die unter dem Himmel sind, und zur Erkenntnis des Guten, dass sie wachsen in Wachstum und sich vermehren in Menge, alle Seelen im Fleisch und die wundertätige Besamung durch die Kreisbahnen der himmlischen Mächte, zur Anschauung des Himmels der Mächte und Gewalten und der göttlichen Werke und der Werke der Natur und zum Zeichen der guten Dinge, zur Erkenntnis der göttlichen Kraft. Das Schicksal aber lenkt unterschiedlich das Böse und Gute und lehrt allerlei Wirkungen des Guten anzufangen oder zu erfinden. Es wurde aber dem Menschen Leben und Weisheit gegeben, um das Schicksal oder die Bahnen der himmlischen Mächte zu überwinden, und diese Planetengeister werden endlich in das aufgelöst, worin große Monumente der auf Erden geschaffenen Werke aufgelöst werden, nachdem sie durch die Erneuerung der Zeiten die Verderblichkeit abgelegt haben werden. Und alle Geburten des beseelten Fleisches, der Früchte der Samen und alle künftigen Werke, wie auch die himmlischen Mächte und die Kreise der Naturen, die in gemäß ihrer Zahl gefunden werden, werden erneuert. Denn die ganze Temperatur der Welt, durch die Natur erneuert, ist ein himmlisches Wesen, weil die Natur in der Gottheit besteht.


FÜNFTES KAPITEL

VON DER LIEBE ZUR WEISHEIT (SOPHIA)

DER VATER
O Sohn! Ich beschreibe dies zum ersten Mal, aus Liebe zum Menschen und als rechten Gottesdienst. Es geschieht wirklich ein rechter Gottesdienst, wenn man Acht hat auf die Wesen und dafür dem dankbar ist, der diese alle gemacht hat. Dieses zu tun, will ich nicht unterlassen.
DER SOHN
O Vater! Was soll man denn tun, um das Leben hier ehrlich durchzubringen, da auf Erden nichts wahrhaftig ist?
DER VATER
O Sohn! Sei fromm, denn wer fromm ist, der ist der größte Liebhaber der Weisheit! Ohne die Liebe zur Weisheit ist es unmöglich, fromm oder heilig zu sein. Wer gelernt hat, was die Weisheit ist, wie sie geordnet ist, von wem eingesetzt und zu welchem Ziel, der wird dem Werkmeister als einem liebevollen Vater voller zärtlicher Fürsorge und Vorsehnung dankbar sein. Wer nun dankbar ist, der wird auch fromm sein, und ein Frommer wird zugleich ergründen und erkennen, wo die Wahrheit ist und was die Weisheit ist, und wenn er sie gefunden, wird er auch heilig werden können. Denn, o mein lieber Sohn, solange die Seele in dem Körper ist und sich selbst erhebt zur Erkenntnis des guten und wahren Wesens, so kann sie nicht verfallen. Denn wenn die Seele ihren eigenen Ursprung erkennt, hat sie glühende Liebe und vergisst alles Übel und kann vom Guten nicht mehr abfallen. Und dies, o mein geliebter Sohn, ist das Ziel der Frömmigkeit, und wirst du dahin kommen, so wirst du gut leben und glücklich sterben, und deiner Seele wird nicht unbekannt sein, wohin sie aufsteigen soll, und das, o mein geliebter Sohn, ist allein der einzige Weg zur Wahrheit, den unsere Ahnen auch gewandelt sind, und die diesen Weg gegangen sind, die haben das Gute empfangen. Dieser Weg ist ehrlich und eben, doch schwer für die Seele zu gehen, solange sie im Körper ist, denn sie muss wirklich erst mit sich selbst gekämpft haben und eine große Scheidung vom Bösen gemacht haben und vom Bösen nicht mehr überwunden sein. Da geschieht eine Begegnung Eines gegen Zwei, das eine Teil ist das vor der Welt Fliehende, das andere Teil ist das Sterbende, der eine Teil befähigt zum Guten, aber der andere Teil schläft mit der Bosheit. Und obwohl der eine Teil frei sein will, so lieben die andern Teile den Gottesdienst, und wenn auch die sündigen Teile überwunden werden, bleiben sie doch noch ohne Haupt und Herrscher. Aber wenn der eine gute Teil überwunden wird, so wird er von den zwei sündigen Teilen geführt, um gestraft zu werden von dem Richter, der über die Sünde herrscht. Dieser Richter ist, o mein geliebter Sohn, der Führer des Weges, der zum Ziel leitet, denn, o mein geliebter Sohn, du musst zuerst den Körper verlassen und das sterbliche Leben überwunden haben und wenn du es überwunden hast, dann wirst du aufsteigen zu Gott. Aber nun, o mein geliebter Sohn, will ich die Wesen in Kürze schildern, denn du sollst verstehen, was gesagt worden ist, und dich daran erinnern, was du von mir gehört hast. Alle Wesen werden bewegt, allein das Nicht-Wesen ist unbeweglich, alle Körper sind veränderlich, aber nicht alle Körper lösen sich auf, es ist nicht jedes Geschöpf sterblich, noch ist ein jedes Geschöpf unsterblich. Das Verderbliche löst sich auf, doch was bleibt, das ist unveränderlich, das Unveränderliche ist ewig, aber das, was allezeit im Werden ist, das vergeht auch allezeit, aber das einmal geworden ist, das vergeht nie mehr und wird nicht mehr etwas Anderes. Das Erste ist Gott, das Zweite ist die Welt, das Dritte ist der Mensch, die Welt ist für den Menschen geschaffen, aber der Mensch ist für Gott geschaffen. Der empfindsame Teil der Seele ist sterblich, aber der vernünftige Teil der Seele ist unsterblich, jedes Wesen ist unsterblich und jedes Wesen verändert sich. Alles, was da ist, das ist zweierlei: keins von den Dingen, die da sind, kann aus sich selbst bestehen, es wird nicht alles durch die Seele bewegt, aber alles, was bewegt wird, wird durch die Seele bewegt. Alles, was leidet, das empfindet, und alles, was empfindet, das leidet, und alles, was betrübt und erfreut wird, ist ein unsterbliches Geschöpf. Es ist nicht jeder Körper der Krankheit unterworfen, alle Körper, die der Krankheit unterworfen sind, die lösen sich auf. Der menschliche Geist ist in Gott, die Vernunft ist im menschlichen Geist, der Geist aber leidet nicht. In dem Fleisch ist nichts wahrhaftig, aber alles was in dem Unkörperlichen, ist ohne Lüge, alles was geworden ist, ist vergänglich, es ist nichts Gutes auf Erde und nichts Böses im Himmel. Gott ist gut, der Mensch ist böse, das Gute ist gutgewillt, das Böse ist böswillig, himmlische Mächte erwählen das Gute als gut, die Herrschaft des Guten ist eine gute Herrschaft, die gute Herrschaft ist ein Gesetz. Die Bosheit ist die Speise der Welt, die Zeit ist des Menschen Verderben, aber alles, was im Himmel ist, ist unveränderlich, und alles was auf Erden ist, ist vergänglich. Im Himmel ist nichts sklavisch, auf Erden ist nichts frei. Im Himmel ist nichts Himmlisches unbekannt, auf Erden ist nichts Himmlisches bekannt, das Irdische hat keine Gemeinschaft mit dem Himmlischen, aber alles, was im Himmel ist, ist makellos, was auf Erden ist, ist schlecht. Das Unsterbliche ist nicht sterblich, das Sterbliche ist nicht unsterblich, das Eingesäte ist nicht auf einmal geworden, aber das auf einmal geworden ist, ist auch eingesät worden, das Vergängliche hat zwei Zeiten, die eine Zeit ist von der Empfängnis bis zur Geburt, die andere Zeit ist von der Geburt bis zum Tod. Es ist nur eine Zeit des Körpers, nämlich von der Geburt an, die vergänglichen Körper wachsen und nehmen ab, die sich auflösende Materie wird verändert in andere Dinge, in Verwesung und Geburt, aber das Ewige wird in sich selbst oder in seinesgleichen gewandelt. Die Geburt der Menschen ist Verwesung, die Verwesung des Menschen ist der Anfang der Geburt, was zuerst wird, hört auch zuerst auf zu sein. Von den wesentlichen Dingen sind manche in den Körpern, andere aber in Gestalten, die Kräfte sind im Körper, das Unsterbliche wird des Sterblichen nicht teilhaftig, aber das Sterbliche wird des Unsterblichen teilhaftig. Das Sterbliche geht nicht in einen unsterblichen Leib, sondern das Unsterbliche geht zu dem Sterblichen, die Kräfte gehen nicht aufwärts, sondern herab. Die Dinge, die auf Erden sind, helfen den Dingen nicht, die im Himmel sind. Alles, was im Himmel ist, hilft dem, was auf der Erde ist. Der Himmel begreift in sich ewige Leiber, die Erde begreift in sich verwesliche Leiber. Die Erde ist unvernünftig, der Himmel ist vernünftig. Die Dinge, die im Himmel sind, sind eine herunterreichende Stütze, und die Dinge, die auf Erden sind, sind eine aufstrebende Stütze. Der Himmel ist das erste Element. Die Vorsehung ist eine göttliche Ordnung, die Notwendigkeit ist eine dienende Vorsehung, das Glück ist eine Bewegung der Unordnung, ein Bild der wirkenden Kraft, eine irrige Meinung. Was aber ist Gott? Ein unveränderliches Gut! Was aber ist der Mensch? Ein unveränderliches Übel! Wenn du dieser wichtigen Sätze gedenkst, so wirst du dich auch leicht erinnern an die Dinge, die ich dir mit vielen Worten erklärt habe, denn diese Hauptsätze sind ein kleiner Begriff von jenen vielen Worten. Meide den Umgang des Pöbels! Nicht dass ich will, dass du neidisch sein solltest, sondern vielmehr, weil du von dem Pöbel ausgelacht werden würdest, denn gleich gesellt sich zu gleich, aber das Ungleiche verträgt sich auf keine Weise mit dem, das ihm ungleich ist. Doch sind es wenige, die diesen Reden Gehör schenken, und es mögen vielleicht auch künftig nur wenige darauf achten, dennoch haben diese Reden etwas Besonderes in sich: Den Bösen erwecken sie mehr zur Bosheit, darum muss man sich vor dem Pöbel hüten, weil der Pöbel nicht versteht die Kraft der Dinge, die gesegnet sind.
DER SOHN
Vater, wie meinst du das?
DER VATER
So meine ich das, mein lieber Sohn: Jedes Tier ist zum Bösen mehr geneigt als die Menschen, und es wird mit Bosheit erzogen, darum hat das Tiere seinen Atem aus dem Bösen. Doch für den Fall, dass das Tier gelernt hätte, dass die Welt geschaffen ist und alles durch die Vorsehung gelenkt wird, weil das Schicksal alles regiert, so würde das Tier in dem Fall nicht schlimmer sein, wenn es alles Gewordene verachtete. Aber indem das Tier die Ursache des Bösen dem Schicksal zuschreibt, würde es sich keiner bösen Tat enthalten. Darum muss man sich vor solchen Leuten hüten, auf dass sie in der Unwissenheit verbleibend weniger böse sind, aus Furcht vor dem, was ihnen verborgen ist.



SECHSTES KAPITEL

HERMES UND ASKLEPIOS

HERMES
Lieber Asklepios, alles, was bewegt wird, wird das nicht in etwas und von etwas bewegt?
ASKLEPIOS
Sicher.
HERMES
Muß nun nicht notwendigerweise das, in welchem etwas bewegt wird, größer sein als das, das bewegt wird?
ASKLEPIOS
Notwendigerweise.
HERMES
So ist also das Bewegende stärker als das Bewegte?
ASKLEPIOS
Ja, sicher ist es stärker.
HERMES
So muß also das, in dem etwas bewegt wird, gegen ein solches bewegendes Ding eine ganz entgegen strebende Natur haben?
ASKLEPIOS
So scheint es mir.
HERMES
Ist aber nicht das Weltall so groß, dass kein größerer Körper ist als das Weltall?
ASKLEPIOS
So sagt man.
HERMES
So wie das Weltall auch ganz dicht ist, weil es mit vielen andern und großen Körpern oder vielmehr mit allen Körpern, die es gibt, angefüllt ist und sozusagen ein Körper ist?
ASKLEPIOS
So ist es.
HERMES
So ist das Weltall ein Körper. Und wird der Körper bewegt?
ASKLEPIOS
Offenbar.
HERMES
Wie groß muss dann der Raum sein, in dem das Weltall bewegt wird, und wie groß die umfangende Natur? Muss die umfangende Natur nicht größer sein, auf dass sie die stete Bewegung umfassen kann, damit das Weltall, das bewegt wird, von seinem dichten Wesen nicht beängstigt wird und die Bewegung aufhört.
ASKLEPIOS
Gewiss ist der Raum ein sehr großer, Trismegistos, aber von welcher Natur ist er?
HERMES
Von einer entgegen strebenden Natur, Asklepios! Aber ist die entgegen strebende Natur des Körpers unkörperlich?
ASKLEPIOS
Das sagt man so.
HERMES
Daher ist der Raum unkörperlich. Was also unkörperlich ist, das ist entweder etwas Göttliches oder Gott selbst. Doch meine ich mit dem Göttlichen nicht etwas, das geboren wurde, sondern das ungeboren ist, und ist so etwas also etwas Göttliches, so ist es ein Wesen, aber ist es Gott selber, so ist es über allem Wesen, sonst wäre Gott zu begreifen und zu verstehen. Doch Gott ist das Erste, das verständlich ist, nicht für sich selbst, sondern für uns, denn das verständlich ist, das wird dem, der es verstehet, durch die Vernunft nahegebracht. Darum ist Gott in sich selbst nicht verständlich, weil er nicht unterschieden ist von dem, das verstanden wird, aber in Hinsicht auf uns ist er unterschieden, darum wird er von uns verstanden. Wenn also der Raum verständlich ist, so ist er nicht Gott, sondern ein Raum. Ist er aber Gott, so ist er nicht wie ein Raum, sondern eine umfassende Kraft. Daher wird alles, was bewegt wird, nicht bewegt in etwas, das selbst bewegt wird, sondern in etwas, das fest steht, und das was bewegt, das steht fest, denn es ist unmöglich, dass es mitbewegt wird.
ASKLEPIOS
Wie werden denn die Dinge, die hier im Kosmos sind, lieber Trismegistos, mit denen, die bewegt werden, zugleich mit bewegt? Denn du hast gesagt, dass die Wandelsterne oder Planeten bewegt werden von einem Kreis, der nicht beweglich ist.
HERMES
Lieber Asklepios, das ist keine Mitbewegung, sondern eine Gegenbewegung, denn sie werden nicht auf eine gleiche Weise, sondern auf eine ungleiche Weise gegeneinander bewegt. Es hat aber diese Gegendrehung einen feststehenden Widerstand der Bewegung. Denn das Widerstehen ist die Festigkeit der Umdrehungen. Da nun die Wandelsterne auf eine dem unwandelbaren Kreis ganz entgegengesetzte Weise bewegt werden, ergibt das unter einander einen Widerstand, der in sich selbst standfest ist, es kann nicht anders sein. Denn dieser Nordstern, den du weder unter- noch aufgehen siehst und der allezeit rings um sich selber kreist, meinst du, dass der bewegt wird oder dass er still steht?
ASKLEPIOS
Er wird bewegt, o Trismegistos.
HERMES
Mit welcher Bewegung, Asklepios?
ASKLEPIOS
Mit der, mit der er sich allezeit um sich selbst dreht.
HERMES
Diese stete Umdrehung wird umfasst von dem, das fest steht, weil das was rund herumgeht, von dem, das über ihm und standfest ist, umschlossen und getrieben wird. So steht die entgegen strebende Umgebung fest, allezeit befestigt im Gegensatz. Ich will davon ein irdisches Beispiel geben, das den Augen offenbar ist, von den irdischen Geschöpfen, zumeist vom Menschen, nämlich achte auf den Menschen, wenn er schwimmt, denn wenn das Wasser wegläuft, so macht das Gegenstehen der Füße und Hände des Menschen einen festen Stand, dass er nicht zugleich mit dem Wasser weggeführt wird oder untersinkt.
ASKLEPIOS
Dies Beispiel, das du mir gegeben hast, o Trismegistos, ist ganz klar.
HERMES
So wird nun eine jede Bewegung im Stillstand und vom Stillstand bewegt, darum geschieht die Bewegung der Welt und eines jeden materiellen Geschöpfes nicht von den Dingen, die außerhalb der Welt sind, sondern von denen, die in der Welt sind  und in das Äußere wirken, nämlich von der Seele oder vom Geist oder von einem andern unkörperlichen Ding. Ein Körper kann nicht bewegen, was beseelt ist, ja, es kann auch ein Körper nicht das bewegen, das unbeseelt ist.
ASKLEPIOS
Was sagst du da, Trismegistos? Sind das keine Körper, die Holz und Steine und alle andern unbeseelten Dinge bewegen?
HERMES
Nein, das sind sie nicht, Asklepios. Denn das, was im Körper ist und das Unbeseelte bewegt, ist kein Körper, der beides bewegt, den Leib dessen, der da trägt, oder auch den Leib, der getragen wird. Deswegen kann das, was seelenlos ist, etwas anders, das auch seelenlos ist, nicht bewegen, sondern das, das bewegt, das ist beseelt, indem es bewegt. So siehst du, dass die Seele, wenn sie zwei Körper trägt, beschwert wird. Nun ist klar, dass die Dinge, die bewegt werden, in etwas und von etwas bewegt werden.
ASKLEPIOS
So müssen also, Trismegistos, die Dinge, die bewegt werden, in etwas, dass leer ist, bewegt werden?
HERMES
Sage das nicht, Asklepios! Denn es ist nichts unter den wesentlichen Dingen leer, außer dem, das gar nicht ist und kein Wesen besitzt, solches ist leer. Aber alles, was da ist, das könnte gar nicht sein, wenn es von der Wesenheit nicht ganz voll wäre, denn das, was Wesenheit hat, kann unmöglich leer sein.
ASKLEPIOS
Sind denn nicht manche Dinge leer, Trismegistos? So zum Beispiel eine leere Tonne, ein leeres Fass, ein leerer Brunnen und anderes mehr?
HERMES
O wie weit gehst du irre, Asklepios! Das, was voll und erfüllt ist, meinst du, dass das leer ist?
ASKLEPIOS
Wieso, Trismegistos?
HERMES
Ist die Luft nicht ein Körper? Und geht dieser Körper nicht durch alle Dinge, und füllt diese Dinge nicht alle an mit ihrer Durchdringung? Darum sind alle Dinge, von denen du sagst, dass sie leer sind, überall voll von der Luft. Man muss solche, von denen du sagst, sie seien leer, die muß man voll und nicht leer nennen, denn sie haben Wesenheit und sind voll von der Luft und dem Geist.
ASKLEPIOS
Dieser Rede, Trismegistos, kann ich nicht widersprechen. Wie müssen wir denn den Raum nennen, in dem diese Dinge alle zusammen bewegt werden?
HERMES
Unkörperlich, Asklepios!
ASKLEPIOS
Was ist denn unkörperlich?
HERMES
Der Geist und die Vernunft, die ganz und gar sich selbst erfasst, ist frei von aller Körperlichkeit, frei von Irrtum, unsichtbar, frei von Leidenschaften des Leibes, in sich selbst bestehend, alles umfassend und alles erhaltend. Von dieser Vernunft sind gleichsam Strahlen das Gute, die Wahrheit, das ursprüngliche Licht, der Ursprung der Seelen.
ASKLEPIOS
Was aber ist Gott?
HERMES
Gott ist keins von diesen Dingen, doch die Ursache, dass diese und alles und jedes wesentlich ist, denn Gott hat nichts übrig gelassen, das nicht wesentlich wäre. Alle Dinge entstehen also aus wesentlichen Dingen und aus nichtwesentlichen Dingen entsteht nichts, denn nichtwesentliche Dinge haben nicht die Natur, dass sie sein können, und so haben die wesentlichen Dinge nicht die Natur, dass sie nie sein könnten.
ASKLEPIOS
Was sagst du denn nun, was Gott ist?
HERMES
Gott ist das die Vernunft nicht, sondern die Ursache, dass es eine Vernunft gibt, noch ist Gott ein Geist, sondern die Ursache, dass es Geist gibt, noch ist Gott ein Licht, sondern die Ursache, dass es das Licht gibt. Darum müssen wir Gott allein mit diesen zwei Namen ehren, die ihm allein eigen sind und keinem sonst: Denn niemand von den Andern, die man himmlische Mächte nennt, auch niemand von den Menschen, noch einer von den Dämonen können auf reine Weise gut sein, als nur Gott allein. Und so ist es auch und nicht anders. Alle anderen Dinge sind von der Natur des Guten unterschieden, denn der Leib und die Seele haben keinen Raum, der das Gute fassen könnte. Denn die Größe des Guten ist so groß, so wie die Größe der Wesentlichkeit aller Dinge, es seien körperliche oder unkörperliche, es seien empfindende oder vernünftige. Dasselbe Gute ist also Gott, darum sieh zu, dass du nichts anderes gut nennst, sonst handelst du unheilig, auch dass du nichts anderes Gott nennst, als allein das Gute, sonst vergehst du dich an Gott. Das Gute wird wohl jedem mit Worten genannt, es wird aber nicht von jedem verstanden, was es ist, sondern aus Unkenntnis nennen sie die himmlischen Mächte und manchen Menschen gut, die doch niemals gut sind noch werden können. Alle anderen Geister, die unsterblich sind, werden wohl mit dem Namen Gottes verehrt, aber Gott allein ist das Gute, nicht durch die Verehrung der Menschen, sondern durch seine göttliche Natur. Denn das Gute ist die einzige Natur Gottes, und es sind die Gottheit und die Gutheit vom gleichen, aus dem alle Geschlechter entstanden sind. Denn der alles gibt und nichts nimmt, der ist gut. Gott aber gibt alles und nimmt nichts, darum ist die Gottheit die Gutheit und die Gutheit die Gottheit. Der zweite Name ist Vater, weil Er ein Erzeuger aller Dinge ist, denn die Eigenschaft des Vaters ist das Zeugen. Darum lassen sich die Weisen in diesem Leben mit der allerschönsten und seligsten Sorgfalt das Kinderzeugen angelegen sein. Und das größte Unheil und die schlimmste Unheiligkeit ist es, wenn ein Mensch kinderlos stirbt, der wird nach dem Tode von den Geistern gerügt. Die Rüge ist diese: Die Seele dessen, der kinderlos stirbt, wird zu einem Körper verurteilt, der weder männlich noch weiblich ist und der sich unter der Sonne zu schämen hat. Darum, Asklepios, nenne keinen Kinderlosen glücklich, sondern im Gegenteil, erbarme dich über sein Unglück, weil du weißt, welche Rüge er im Jenseits zu erwarten hat. Dies, Asklepios, sei dir gesagt zu deiner Erkenntnis von der Natur der Dinge.

SIEBENTES KAPITEL

DER BECHER DER EINHEIT

HERMES
Der Werkmeister hat die ganze Welt nicht mit Händen gemacht, sondern durch sein Wort, darum betrachte den Werkmeister als gegenwärtig und allzeit seiend und alles machend und als den, der allein der Einzige ist, der durch seinen Willen die Dinge gebaut hat. Denn das Wort ist sein Körper, doch nicht zu erfassen, nicht sichtbar, noch zu ermessen, noch teilbar, noch andern Körpern gleich; denn das Wort ist weder Feuer, noch Wasser, noch Luft, noch ein geschaffener Geist, sondern alles kommt vom Wort, denn da Gott gut ist, hat er alles sich allein zugeeignet. Auch wollte er die Erde schmücken mit dem Schmuck seines göttlichen Körpers und hat den Menschen auf die Erde gesandt als ein unsterblich und ein sterbliches Tier. Und der Mensch hat mehr empfangen als alle Tiere und die Welt, nämlich die Sprache und die Vernunft. Denn der Mensch wurde gemacht zu einem Betrachter der Werke Gottes, über die er sich verwundert und den Schöpfer erkennt. Die Sprache, o Tatius, mein Sohn, hat Gott allen Menschen zugeteilt, aber nicht die Vernunft, dies nicht darum, weil er einigen Menschen nicht gnädig gewesen wäre (denn es ist keine Missgunst in Gott), sondern Gott gebiert sich auf Erden in den vernunftlosen Seelen der Menschen.
TATIUS
Warum, o Vater, hat denn Gott nicht allen die Vernunft mitgeteilt?
 HERMES
O mein Sohn! Gott wollte die Vernunft in der Mitte, als einen Lobpreis der Seele, vorstellen.
TATIUS
Wo hat Gott denn die Vernunft vorgestellt?
HERMES 
Er hat einen Becher mit der Vernunft gefüllt und ihn herabgesenkt und einen Prediger mitgegeben und diesem geboten, die Vernunft den Seelen der Menschen zu predigen. Taufe dich, o Seele, die das kannst, in diesem Becher, die du glaubst, dass du wiederkommen wirst zu dem, der den Becher herabgesendet hat, die du erkennst, zu welchem Ziel du gemacht bist. Die nun die Predigt verstanden haben und im Geist getauft worden sind, die sind der Erkenntnis teilhaftig und vollkommene Menschen geworden, weil sie den Geist angenommen haben. Aber die, die die Predigt nicht angenommen haben, die haben zwar die Sprache, aber nicht den Geist bekommen, solche Leute wissen nicht, zu welchem Ziel und von wem sie geschaffen sind. Ihr Sinne, die ihr gleich seid den Sinnen der unvernünftigen Tiere und aus Entstellung und Zorn gemischt seid, ihr verwundert euch nicht über die Dinge, die der Betrachtung würdig sind, sondern weil ihr euch den Begierden des Fleisches übergebt, darum glauben solche sinnlichen Leute, der Mensch sei für die Begierden gemacht. Doch wer von den Menschen der Gaben Gottes teilhaftig geworden ist, o Tatius, der ist unsterblich, er begreift mit seiner Vernunft alle Dinge, die irdischen und die himmlischen und das, was über dem Himmel ist. Wenn sich solche geistigen Menschen erhoben haben, sehen sie das Gute, und wenn sie das Gute gesehen haben, schätzen sie ihr Verbleiben auf Erden für Elend und eilen mit der Absage an die Welt zu dem Einen und Einzigen. O Tatius, mein Sohn, dies ist die Wissenschaft der Vernunft, wenn man die göttlichen Dinge beschaut und Gott erkennt, denn das ist der heilige Becher.
TATIUS
O lieber Vater, ich möchte auch gerne getauft werden! 
HERMES
O lieber Sohn, falls du das Fleisch nicht ernsthaft verachtest, kannst du dich selbst nicht lieb haben, aber wenn du dich selbst liebst, dann wirst du den Geist, und wenn du den Geist hast, dann wirst du auch die Wissenschaft empfangen.
TATIUS
O Vater, wie soll ich das verstehen? 
HERMES
O lieber Sohn, es ist unmöglich, dass man mit beiden zu tun haben kann, nämlich mit den sterblichen und zugleich auch mit den göttlichen Dingen. Denn weil da zwei Wesen sind, nämlich ein körperliches und ein unkörperliches, in denen das Sterbliche und das Göttliche sind, darum steht dem, der wählen will, die Wahl von Einem frei, denn beide kann er nicht wählen. Wo also die Erwählung des einen geschieht, da offenbart das eine, das verlassen wird, die Wirkung des andern. Darum bringt die Erwählung des besten dem, der es wählt, nicht allein große Herrlichkeit, so dass die Herrlichkeit den Menschen vergöttert, sondern sie zeigt auch, wie man Gott glücklich dienen kann. Aber die Erwählung des Schlechteren den Menschen, sie treibt ihn nicht zu Gott, und nicht allein das, sondern es ist so, wie eine Pracht in ihrem Wandel verschwindet. So können diese Leute auch nicht wirken, sondern werden mehr und mehr in Sünde verwickelt. Auf solche Art und Weise zeigen sich die sinnlichen Leute nur als ein Spiel in der Welt, die von den fleischlichen Begierden verrückt werden. Weil es sich nun so verhält, o Tatius, haben wir das, was von Gott kommt, aber das, was von uns kommt, muss dem Ersten folgen und nicht zurückbleiben, denn Gott ist keine Ursache des Bösen, sondern wir sind es, die wir das Böse über das Gute stellen. Du siehst, o mein lieber Sohn, wie viel Körper wir verlassen müssen, wie viele Legionen von Dämonen und den Lauf der Sterne, auf dass wir zu dem einen und einzigen Gott kommen können. Denn das Gute ist ohne Grund, ohne Grenzen und ohne Ende, auch hat es keinen Anfang. Uns scheint es oft, als ob die Erkenntnis einen Anfang hätte, aber die Erkenntnis hat keinen Anfang, sondern sie gibt uns den Anfang von dem, was man erkennt. Lass uns darum den Anfang angreifen und alles rasch durchwandeln. Denn es ist sehr schwer, das Gewohnte und das Gegenwärtige zu verlassen und zu dem Uralten und Ersten wieder zurückzukehren, denn man mag am meisten das, was sichtbar ist, aber das was unsichtbar ist, daran wird kaum geglaubt. Nun aber ist das Böse sichtbar und das Gute vor den Augen verborgen, denn es hat keine Gestalt, darum ist es allein sich selbst gleich, allen anderen Dingen aber ungleich. Es ist unmöglich, dass etwas Unkörperliches in einem körperlichen Ding offenbar wird, so groß ist der Unterschied zwischen Gleich und Ungleich, und das Ungleiche hat keine Gemeinschaft mit dem Gleichen. Da die Einheit also der Anfang und die Wurzel aller Dinge ist, ist die Einheit auch in allen Dingen als ihre Wurzel und ihr Anfang, und ohne den Anfang ist nichts, der Anfang aber ist auch nichts anders als aus sich selbst. Denn der Anfang zeugt die anderen Dinge, und dieser Anfang ist von keinem anderen Anfang gezeugt. Und darum, weil die Einheit der Anfang ist, umfasst die Einheit alle Zahlen und wird von keiner Zahl umfasst, sondern sie gebiert alle Zahlen und wird von keiner Zahl geboren. Alles, was aber geboren ist, ist unvollkommen, es kann zerteilt werden und ab- und zunehmen, aber was vollkommen ist, dem geschieht nicht so. Das was wächst, das wächst aus der Einheit und wird verzehrt von seiner eigenen Schwäche, wenn es nicht mehr fähig ist, die Einheit anzunehmen oder zu erfassen. Dies Bild Gottes, o Tatius, ist dir vor Augen gemalt, so gut ich es konnte, und wirst du es fleißig betrachten und mit den Augen des Herzens erkennen, glaube mir, mein Sohn, du wirst den Weg zu den Dingen, die oben sind, finden, oder vielmehr, es wird dich das Bild Gottes dahin führen. Denn dieses Bild Gottes hat die besondere Eigenschaft, dass es Menschen, die dasselbe anschauen wollen, ergreift und an sich zieht, wie der Magnet das Eisen an sich zieht.


ACHTES KAPITEL

DER VERBORGENE GOTT IST OFFENBAR

O Tatius, mein Sohn! Ich will dir dies sagen, damit du in die Erkenntnis des heiligen Namens Gottes eingeweiht wirst. Schau mit der Vernunft, wie das, was vor vielen andern Dingen unoffenbar zu sein scheint, dir offenbar gemacht wird, denn wäre es unoffenbar, so wäre es ja nicht. Denn Alles, was offenbar wird, das ist geboren, weil es offenbar geworden ist. Aber was verborgen, das ist immer und hat es nicht nötig, offenbar zu werden, denn es ist immer und macht alle anderen Dinge offenbar, es selbst bleibt verborgen, weil es immer ist. Der da offenbart, wird selbst nicht geoffenbart, und der nicht geboren worden ist, ist nichts anderes als das Gebärende. Dieser Eine aber, der Allsehende, Ungeborene, kann nicht gebildet werden, und ist verborgen, aber er selbst, alles bildend, wird durch Alles und in Allem offenbar und am meisten in denen, in denen er sich offenbaren will. Darum, o mein Sohn Tatius, bitte zuerst den Herrn und Vater, den Einzigen und Einen, der der Eine ist, dass er dir  gnädig sei, dass du also den großen Gott erkennen kannst, obwohl er nur mit einem seiner Strahlen in deinen Geist leuchtet. Denn allein die Vernunft sieht das Verborgene, weil sie selbst auch verborgen ist. Wenn du mit den Augen des Geistes, o Tatius, es kannst, Gott zu erkennen, dann wird er dir offenbar werden. Denn der Herr, der frei ist von aller Ungnade, wird durch die ganze Schöpfung offenbar, du kannst die Wirkung seines Geistes sehen und selbst mit den Händen betasten und das Bild Gottes anschauen. Da aber das, was in dir ist, dir verborgen ist, wie sollte Gott in dir den Augen sichtbar werden? Wenn du Gott sehen willst, so betrachte die Sonne, betrachte den Lauf der Luna, betrachte die Ordnungen der Sterne: Wer ist es, der ihre Ordnung aufrecht erhält? Denn alle Ordnung wird von einer gewissen Zahl und einem gewissen Raum umschlossen. Die Sonne, die größte unter den himmlschen Mächten, die am Himmel sind, und der alle anderen himmlischen Mächte weichen, als sei sie ihre Königin, und die so groß ist, auch größer als die Mutter Erde und das Meer, und die über sich keine Sterne duldet und kreisen lässt, wen ehrt die Sonne und vor wem hat sie Ehrfurcht? So hat auch jeder Stern nicht die gleiche Bahn am Himmel. Wer ist es denn, der jedem Stern Art und Weise seiner Bahn gebietet? Schau den Nordstern, der sich rundum gedreht und mit sich die ganze Welt der Sterne rundum führt, wer ist es, der dieses Werkzeug bereitet hat? Wer ist es, der dem Meer sein Ufer errichtet hat? Wer ist es, der die Mutter Erde befestigt hat? Sicher, o Tatius, gibt es einen Werkmeister und einen Herr all dieser Dinge. Denn es ist unmöglich, dass ein Raum, eine Zahl oder ein Maß eingehalten werden kann ohne den Werkmeister, denn alles, was ohne Ordnung, ohne Raum und ohne Maß ist, ist ohne Werkmeister, aber nicht ohne einen Herrn. Denn was ungeordnet ist, das ist zerbrechlich, und es ist nötig, dass alle Dinge in ihre Ordnung eingesetzt werden, und alles ist unter dem Herrn, der den Dingen die Ordnung noch nicht zugeordnet hat. Wollte Gott, dass es dir möglich wäre, Flügel zu nehmen und dich in den Äther zu erheben, dass du zwischen Himmel und Erde schweben würdest und könntest sehen die Festigkeit der Erde, die Bewegungen des Meeres, das Fliessen der Ströme, die Ausdehnung der Lüfte, die Feinheit des Feuers, die Bahnen der Sterne und die um alle diese Dinge umkreisende Geschwindigkeit des Firmaments. O mein lieber Sohn, es würde die seligste Vision sein, all dies in Einem Augenblick zu sehen, wie der Unbewegliche beweglich und der Verborgene offenbar ist. Wenn du den Werkmeister durch die sterblichen Dinge auf Erden und in der Tiefe zu sehen begehrst, so betrachte, mein Sohn, wie der Mensch im Mutterleib gebildet wird, und bedenke mit Fleiß die Kunst des Werkmeisters und lerne, wer der Werkmeister ist, der dieses herrliche und göttliche Menschenbild gemacht hat! Wer hat Nase und Ohren durchbohrt? Wer hat den Mund geöffnet? Wer hat die Sehnen ausgespannt und an einander gebunden? Wer hat die Adern zu Röhren gebildet? Wer hat die Knochen hart gemacht? Wer hat das Fleisch mit einer Haut überzogen? Wer hat die Finger und Glieder unterschieden? Wer hat das Fundament der Füße fest gemacht? Wer die Poren der Haut eingegraben? Wer hat die Milz eingesetzt? Wer hat das Herz als einen Tempel aufgestellt? Wer hat die Leber ausgebreitet? Wer hat die Lunge durchlöchert? Wer hat den Bauch rund gemacht? Wer hat die ehrsamen Glieder ins Offenbare hervorgehoben und die unehrsamen ins Verborgene verborgen? Schau, wie viel Kunststücke sind allein in einer Materie und wie viele Werke allein in einer und derselben Schöpfung? Und alles ist über die Maßen herrlich und alles wohlproportioniert und dennoch ein jedes in einer andern Gestalt. Wer hat dies alles gemacht, was für eine Mutter, was für ein Vater? Allein der verborgene Gott, der durch seinen Willen alles wirkt. Es sieht niemand, dass je ein Bild ohne einen Bildhauer geworden ist. Sollte denn dieses Werk ohne einen Werkmeister geworden sein? O große Blindheit! O große Gottlosigkeit! O große Torheit! Du musst nie, o Tatius, die Werke ihres Werkmeisters berauben, denke lieber, wie groß Gott seinem Namen nach ist, so groß ist er als Vater von allem. Denn er ist Gott allein, und seine Art ist dies, Vater zu sein, und wenn du mich bittest, etwas freier zu sprechen, so ist das seine Natur, alle Dinge zu gebären. Und so wie es unmöglich ist, dass ohne einen Werkmeister ich etwas werden könnte, so ist es auch unmöglich, dass Gott nicht ewig wäre und nicht alles machen würde im Himmel, in der Luft, auf Erden, in der Tiefe, in der ganzen Welt, in allen Teilen des Kosmos, die da sind und die da noch nicht sind. Denn da ist nichts in der ganzen Welt, das nicht voll von Gott wäre. Er ist in beidem, in den seienden und in den noch nicht seienden Dingen, die seienden Dinge hat er offenbart, aber die noch nicht seienden Dinge hat er in sich selbst verborgen. Dieser Gott ist viel schöner als man sagen kann, er ist verborgen, er ist offenbar, der durch den Geist angeschaut wird, er ist sogar den Augen sichtbar. Er ist unkörperlich, er ist vielkörperlich oder vielmehr, er ist keiner von all den Körpern, aber er ist einzig und ist Alles. Und darum hat Gott alle Namen, weil er allein der Vater ist und auch keinen Namen an sich selbst hat, weil er Vater ist von Allem. O Gott, wer sollte dich denn würdig loben können? Wohin sollte ich ausschauen mit meinem Lobpreis, aufwärts oder abwärts, nach innen oder nach außen? Da kein Raum um dich ist, noch auch etwas anderes von den seienden Dingen, sondern alles ist in dir, du gibst alles und empfängst nichts, denn du besitzt alles, und da ist nichts, was du nicht besäßest. Aber wann soll ich dich loben, Vater? Es ist unmöglich, deine Stunde zu begreifen. Warum soll ich dich loben? Wegen der Dinge, die du gemacht hast, oder wegen der Dinge, die du noch nicht hast gemacht? Wegen der, die du offenbart hast, oder wegen derjenigen, die du verborgen hast? Warum sollte ich dich denn auch loben als einer, der in sich selbst ist, der etwas Eigenes hat, als ein Anderer, der da außer dir wäre? Denn du bist alles, was ich bin, du bist alles, was ich mache, du bist alles, was ich spreche, und da ist nichts, das du nicht wärest. Du bist alles, was geworden ist, und alles, was noch nicht geworden ist, der vernünftige Geist, der schöpferische Vater, der wirkende Gott und das Höchste Gut, das alles schafft. Denn der feinste Teil der Materie ist die Luft, der feinste Teil der Luft ist die Seele, der feinste Teil der Seele ist der Geist, der feinste Teil des Geistes ist Gott.

NEUNTES KAPITEL

 

NICHST SEIENDES KANN ZU NICHTS ZERFALLEN

HERMES
Mein lieber Sohn Tatius, wir wollen nun von der Seele und von dem Körper sprechen, dass nämlich die Seele unsterblich ist und wie groß die Wirkung ist des Zusammenfügens und der Auflösung des Körpers.In keinem von diesen seienden Dingen wird der Tod gefunden, der Tod ist nur ein Wort, damit man sich den Tod vorstellt, oder ein Name ohne Tat, ohne Sinn, der darum Thanathos (der Tod) genannt wird, weil man die ersten Buchstaben von Anathanathos (Unsterblichkeit) weggelassen hat. Der Tod verweist auf einen Untergang, es geht aber von den Dingen der Schöpfung nichts unter, da die Schöpfung ein zweite Gott und ein unsterbliches Tier ist, ist es unmöglich, dass von diesem unsterblichen Tier ein Teil untergehen könnte. Alle Dinge, die in der Welt sind, sind Glieder der Welt, am meisten aber der Mensch, der ist nämlich das vernünftige Geschöpf. Der Erste von allen, der ewig ungeboren und Werkmeister aller Dinge ist, ist Gott. Aber das zweite Wesen, das nach Gottes Ebenbild ist, das ist die Welt, die von Gott zusammengefügt, erhalten und mit Unsterblichkeit begabt worden ist, die von dem einzigen Vater her allzeit lebendig und allzeit unsterblich ist. Allzeit lebendig und allzeit unsterblich ist die Welt, weil das allzeit Lebendige vom Ewigen nicht unterschieden wird. Das Ewige ist nicht von einem Anderen geworden, doch falls es geworden ist, so ist es mit einem Mal von selbst geworden und nicht von einem Anderen, aber es wird allzeit lebendig sein, denn das Ewige, insofern es ewig ist, ist Alles. Er, der Vater, ist ewig in sich selbst, die Welt aber ist von dem Vater, dem ewig Lebendigen und Unsterblichen, geworden. Der Vater, so viel Materie er von sich weggelegt hat, hat alles miteinander in einem Körper beschlossen und diesen Körper kugelförmig gemacht und mit einer Eigenschaft umfangen, die ebenfalls unsterblich ist und eine ewige Körperlichkeit ist. Der Vater, voll von Gestalten, hat die Eigenschaften in die Kugel eingestiftet und die Kugel wie von einem Zirkel von allen Eigenschaften umringt, damit wollte er abbilden die Eigenschaft, die in ihm ist. Den ganzen Körper der Welt er mit Unsterblichkeit umringt, auf dass die Materie, wenn sie von ihrer Zusammenfügung wieder abweichen wollte, nicht in ihr Chaos wieder aufgelöst werden kann, da die Materie, mein lieber Sohn, im Chaos ohne Körper war, da war die Materie ungeordnet. Diese Materie hat auch hier eine Unordnung in der Abwechslung kleiner Eigenschaften, diese Unordnung ist das Zu- und Abnehmen, das die Menschen Tod nennen. Doch diese Unordnung geschieht alleine an den irdischen Tieren, denn die Körper der Himmlischen halten nur eine Ordnung ein, die sie von Anfang an von dem Vater empfangen haben. Diese Ordnung bleibt immer und kann von keinem Ding aufgelöst werden, denn die Herstellung eines Dings ist die Zusammenfügung der irdischen Körper, aber die Bindung wird hergestellt in unauflöslichen, unsterblichen Körpern, und so ereignet sich eine Auflösung der Zusammenfügung, das ist aber nicht der Untergang der Körper. Das dritte Geschöpf, der Mensch, der nach dem Ebenbild der Welt geworden ist, und nach dem Willen des Vaters über alle irdischen Tiere die Vernunft hat, der hat nicht nur mit dem zweiten Gott, der Welt, eine Übereinstimmung, sondern auch die Geisteskraft des ersten Gottes, dem Vater, denn die Welt begreift der Mensch mit seinem Körper als einen Körper, aber den Vater versteht der Mensch mit der Erkenntnis als ein unkörperliches Wesen und den Geist des Guten.
TATIUS
Stirbt dieses Tier, der Mensch, denn nicht?
HERMES
Denke an was Besseres, mein lieber Sohn, und verstehe, wer Gott ist, was die Welt ist, was ein unsterbliches Tier ist, und verstehe, wie die Welt von Gott und in Gott ist, aber der Mensch von der Welt und in der Welt ist, aber der Anfang und die Zusammenfügung aller Dinge ist von Gott.


ZEHNTES KAPITEL

DIE GUTHEIT ALLEIN IST DIE GOTTHEIT

Lieber Asklepios, das Gute ist in keinem sonst, als einzig allein in dem einzigen Gott, ja das Gute ist ewig Gott. Weil dies nun so ist, muss das Gute ein Wesen sein, das von aller Bewegung und Geburt frei ist, es ist aber sonst nichts frei von Bewegung und Geburt, aber das Gute hat eine standfeste Wirkung, die nichts braucht und die ganz voll und überfließend ist. Das Gute ist der Anfang aller Dinge, denn es ist das Gute, das alle Dinge gibt,  ich meine solch ein Gutes, das ganz und gar und immer gut ist. Dieses Gute nun ist bei keinem sonst, als bei Gott allein, denn Gott braucht kein Ding, das er etwas begehren müsste, um es an sich zu ziehen. Gott verliert auch keins von den seienden Dingen, das er darüber Leid tragen müsste, denn Leiden und Schmerzen sind ein Teil des Bösen. Es gibt nichts, das mächtiger sein könnte als Gott, dass Gott von diesem Wesen bestritten werden könnte, nichts ist seiner Gattung, dass er es deshalb lieben könnte, ihm ist aber auch nichts Fremdes, über das er zornig sein müsste, und nichts ist weiser, das er es beneiden müsste. Da also solche Dinge in seinem Wesen nicht gefunden werden, was ist es also, was ihm übrig bleibt, anders, als allein das Gute. Denn wie in diesem Wesen nichts Böses ist, so wird das Gute in keinem von den anderen Dingen gefunden, denn in allen Dingen ist das Andere alles ins Kleine oder ins Grosse gebracht, in einem jeden Ding ins Besondere und in diesem Geschöpf, das größer als alle anderen und das allermächtigste ist. Denn was geboren ist, das ist voller Leidenschaft, weil die Geburt nichts anderes ist als eine Leidenschaft. Wo aber Leidenschaft ist, da ist keineswegs das Gute, wo aber das Gute ist, da ist keineswegs irgendeine Leidenschaft, denn wenn es Tag ist, so ist es nicht Nacht, wenn es aber Nacht ist, so ist es nicht Tag. Ebenso ist es unmöglich, dass in der Geburt das Gute sein kann, sondern nirgends anders als in dem einzigen Ungeborenen kann das Gute sein. So wie die Gemeinschaft aller Dinge in der Materie verbunden ist, so ist auch die Gemeinschaft des Guten. Auf eine solche Art und Weise ist die Welt gut, weil sie alles macht. In dem Teil, in dem sie alles macht, ist sie gut, aber in allen anderen Teilen ist sie nicht gut, denn sie ist den Leidenschaften unterworfen und beweglich und macht Dinge, die der Leidenschaft unterworfen sind. Was nicht allzu böse ist, das ist gut, was aber gut ist, das ist der kleinste Teil des Bösen. So ist es unmöglich, dass das Gute vom Bösen gereinigt sein kann, denn da wird das Gute böse. Wenn es aber böse geworden ist, bleibt es nicht mehr gut, darum ist allein in Gott das Gute, oder Gott ist das Gute selbst. Darum, lieber Asklepios; ist nur im Menschen der bloße Name des Guten, das Werk des Guten ist aber nirgends im Menschen, denn das ist unmöglich, weil der materielle Körper, der ganz und gar mit dem Bösen verbunden ist, nämlich mit Arbeit, mit Schmerzen, mit Begierde, mit Zorn, mit Irrtum, mit närrischen Meinungen, das Gute nicht erfassen kann. Und dieses ist, lieber Asklepios, das Allerschlimmste, dass bei einem jeden der genannten Dinge das größte Gut zu sein geglaubt wird, unter denen die Füllung des Bauches, die Mutter alles Übels, die Verführerin und der Verlust des Guten, das größte Übel ist. Ich danke Gott, dass er mir die Erkenntnis des Guten in die Vernunft gegeben hat, dass es unmöglich ist, dass das Gute in der Welt sein kann, weil die Welt die Fülle des Bösen ist. Gott aber ist die Fülle des Guten, oder das Gute ist die Fülle Gottes, denn bei diesem Wesen des Guten sind die schönsten Ausflüsse des göttlichen Wesens, die ganz rein und lauter sind, wodurch das göttliche Wesen offenbart wird, denn man kann sicher sagen, lieber Asklepios, dass das Wesen Gottes (falls Gott ein Wesen hat) ein sehr schönes Wesen ist. Was nun also schön ist, das ist auch gut. Es wird aber in der Welt nichts Gutes gesehen, als was den Augen unterworfen ist, das sind Abbilder und Schatten. Was aber den Augen nicht offenbart ist, das ist das Wesen des guten und schönen Wesens. So wie das Auge Gott nicht sehen kann, so sieht das Auge auch nicht die göttliche Schönheit, noch die göttliche Güte. Denn diese sind die Teile Gottes, die ihm allein zu eigen sind, ununterscheidbar und allerliebst, die Gott liebt, und die Gott lieben. Wenn du Gott verstehen kannst, so wirst du auch verstehen die Herrlichkeit und das Gute, das über alle Massen von Gott strahlt, denn dieser Herrlichkeit kann nichts verglichen werden und diesem Guten nichts gleichgesetzt werden als Gott selbst. So wie du Gott verstehst, so verstehe auch das schöne und gute Wesen, denn dieses kann den andern Geschöpfen nicht mitgeteilt werden, weil es nicht von Gott geschieden werden kann. Indem du nach Gott suchst, suchst du auch nach dem schönen Wesen, denn es ist nur ein einziger Weg, der dahin führt, nämlich die Gottseligkeit der Erkenntnis. Daher kommt es, dass die, die ohne Erkenntnis sind und sich auf den Weg der Gottseligkeit nicht begeben, sich auch erlauben dürfen, den Menschen schön und gut zu nennen. Da sie, was gut ist, niemals und auch nicht im Traum gesehen haben, sondern in alles Böse verstrickt sind, so dass sie auch als Böse gut zu sein glauben, und die Güter unersättlich gebrauchen und sich fürchten, der Güter beraubt zu werden, wenden sie alle Arbeit an, dass sie die Güter nicht allein behalten, sondern auch vermehren. So gestaltet ist die menschliche Güte und Schönheit, lieber Asklepios, die wir weder lieben noch hassen, denn das ist das Beschwerliche, dass wir die Güter nötig haben und ohne sie nicht leben können.

ELFTES KAPITEL

VON DER BESINNLICHKEIT UND DER VERNUNFT

Gestern, lieber Asklepius, habe ich eine vollkommene Rede gehalten, jetzt halte ich es für nötig, auch eine Rede über die Besinnlichkeit zu halten. Die Besinnlichkeit und die Vernunft scheinen verschieden zu sein, weil die Besinnlichkeit materialistisch und die Vernunft wesentlich ist. Aber ich denke, dass sie beide vereinigt und ungeschieden sind, nämlich in dem Menschen, denn in den Tieren ist der Sinn, aber im Menschen die Vernunft mit der Natur vereinigt. Es ist von der Vernunft der Geist unterschieden, so wie Gott von der Gottheit unterschieden ist, denn die Gottheit kommt von Gott, die Vernunft kommt vom Geist. Die Vernunft ist eine Schwester der Rede, und das Eine ist das Werkzeug des Andern, denn die Rede wird ohne die Vernunft nicht gesprochen, und die Vernunft wird ohne die Rede nicht offenbar. Daher fließen beide zugleich in den Menschen, der Sinn und die Vernunft, und sind zusammengebunden, denn es ist unmöglich, ohne den Sinn etwas zu verstehen, noch ist es möglich, ohne Vernunft nachzusinnen. Dennoch ist es möglich, dass die Vernunft ohne den Sinn etwas verstehen kann, so wie bei denen, die im Traum Visionen sehen. Ich meine, dass in solchen Visionen der Träume auch Werke geschehen, denn der Sinn wird aus dem Schlaf in ein Wachsein aufgeweckt. Der Mensch wird geteilt in Leib und Seele, und wenn beide Teile der Sinne zusammen stimmen, so wird die Vernunft ausgesprochen, die von dem Geist geboren ist. Denn der Geist geht mit allen Gedanken schwanger, mit guten, wenn er den Samen von Gott empfängt, mit bösen, wenn er von den Dämonen den Samen empfängt, denn kein Ding in der Welt ist frei von den Dämonen. Wenn der Dämon sich einschleicht, streut er den Samen seiner eigenen Werke; und wenn der Geist besamt ist vom Dämon, wird er schwanger mit Ehebruch, Totschlag, Vatermord, Gottlosigkeit, dass sich die Menschen erwürgen und von einer Höhe herunter werfen, und mit allen den Werken, die vom bösen Dämon kommen. Denn die Samen Gottes sind wenige, die aber groß und herrlich und gut sind, nämlich die Tugend, das Maßhalten, die Gottseligkeit und die Erkenntnis Gottes. Wer Gott kennt, der wird angefüllt mir allem Guten und hat göttliche Gedanken, die den vulgären nicht gleich sind. Daher gefallen die, die in der Gotteserkenntnis sind, dem gemeinen Pöbel nicht, noch haben sie selbst am gemeinen Pöbel ein Wohlgefallen, sondern die Leute halten die Weisen für verrückt, man lacht sie aus, man verachtet sie, man bringt sie gar ums Leben. Denn wir haben gesagt, dass das Böse hier auf Erden wohnt, wo es in seinem eigenen Platz ist, denn sein Platz ist die Erde, nicht der Kosmos, wie manche Gotteslästerer sagen. Ein gottseliger Mensch aber wird das alles nicht beachten und wird der Erkenntnis anhängen, denn ihm sind alle Dinge gut, die andern Leuten böse sind, und wenn der Gottselige sich mit sich selbst beratschlagt, bringt er alle zur Erkenntnis, und, was zu verwundern ist, er allein schafft aus dem Bösen Gutes. Ich wende mich wieder zur Rede vom Sinn: Es ist dem Menschen eigen, dass seine Sinne an der Vernunft teilhaben, aber nicht jeder Mensch, wie zuvor gesagt, genießt die Vernunft, weil einer materialistisch, ein anderer wesentlich ist. Der materialistisch Gesonnene ist böse, wie gesagt, und hat den Samen der Vernunft von den Dämonen, aber die Menschen, die mit dem Guten wesentlich gut sind, die werden von Gott erhalten. Gott ist von Natur der Werkmeister aller Dinge, wenn nun Gott von Natur alle Dinge wirkt, so macht er sie sich auch gleich, wenn sie aber ihm gleich gut geworden sind, so sind sie doch in dem Gebrauch der Wirkung unfruchtbar, denn die Bewegung der Welt, die die Geburt verursacht, macht alle so, wie sie sind, die einen befleckt vom Bösen, und die andern gereinigt durch das Gute. Denn die Welt, lieber Asklepios, hat ihren eigenen Sinn und ihre eigene Vernunft, nicht gleich dem Sinn und der Vernunft des Menschen, auch nicht so mannigfaltig, aber besser und einfältiger. Denn der Sinn und die Vernunft der Welt ist einzig und allein dies: Alles zu machen und es in sich selbst wieder zunichte zu machen. Ein Werkzeug des Willens Gottes ist es und so eingerichtet, dass es allen Samen von Gott empfängt und in sich bewahrt und so alle Dinge offenbar macht, und wieder auflösend alle Dinge erneuert, die auch darum, nachdem sie aufgelöst wurden, wie ein guter Sämann des Lebens durch das Werfen des Samens Erneuerung schenken den Dingen, die geboren werden. Es ist nichts, das nicht mit Leben von der Welt geboren wird, und durch ihre Bewegung macht die Welt alles lebendig, sie ist zugleich der Raum und der Werkmeister des Lebens. Die Körper aber, die aus Materie bestehen, haben einen Unterschied, denn einige sind aus Erde, einige aus Wasser, einige aus Luft, einige aus Feuer, sie sind allesamt zusammengesetzt, die einen mehr, die andern weniger, nämlich die Schweren mehr und die Leichten weniger. Die Geschwindigkeit der Bewegung der Welt wirkt die Mannigfaltigkeit der Geburten, denn weil sie ein dichter Geist ist, gibt sie an die Körper die Eigenschaften mit einer einzigen Fülle des Lebens. Denn Gott ist Vater der Welt, die Welt aber Vater der Dinge, die in der Welt sind, und die Welt ist ein Sohn Gottes, aber was in der Welt ist, ist ein Sohn der Welt. Und die Welt ist richtig Kosmos (schönes Schmuckstück) genannt worden, weil sie voller Prunk ist und voller Schönheit der mannigfaltigen Geburten, mit einem unaufhörlichen Leben, mit unablässigem Wirken, mit Geschwindigkeit des natürlichen Umlaufs, mit der Vermischung der Elemente und mit Ordnung der gebornen Dinge, darum wird die Welt richtig, ihrer Eigenschaft wegen, schöner Kosmos genannt. Es kommen aber in allen Tieren der Sinn und der Verstand von außen, eingeblasen von der umfassenden Welt, aber die Welt , sobald sie wurde, hat Sinn und Verstand von Gott empfangen, was sie weiterhin auch behält. Aber Gott ist nicht, wie manche meinen, ohne Sinn und Verstand, sie lästern aus einem unwissenden Aberglauben! Denn alle Dinge, die da sind, lieber Asklepios, die sind in Gott und werden von Gott und hängen an Gott, manche wirkend durch die Körper, manche bewegend durch das Wesen der Seele, manche lebendig machend durch den Geist, und manche aufnehmend das Ermüdete, und zwar mit Recht. Ich sage nicht, dass Gott nicht Sinn und Verstand hat, sondern ich sage vielmehr, was wahr ist. Er ist Alles, ohne dass er von außen etwas an sich nimmt, sondern dass er alles aus sich heraus gibt. Und dies ist der Sinn und Verstand Gottes, dass er alle Dinge allzeit bewegt, und es wird  immer eine Zeit kommen, da etwas von solchen seienden Dingen untergehen kann. Doch wenn ich von solchen seienden Dingen spreche, so meine ich die seienden Dinge Gottes, denn Gott besitzt die seienden Dinge. Keine sind außer ihm, und er ist außer keinem. Lieber Asklepios! Falls du dies verstehst, wirst du es auch für wahr halten, aber wenn du es nicht erkennst, wirst du es für unglaublich halten, denn ein Ding zu verstehen, ist an ein Ding glauben, aber nicht zu verstehen, heißt nicht zu glauben. Denn meine Rede erreicht die Wahrheit, auch ist der Geist groß, und wenn der Geist von der Rede geführt wird, kann er die Wahrheit erreichen, und wenn er alles versteht und  es stimmig findet mit dem, was die Rede sagt, dann glaubt der Geist und ruht in dem herrlichen Glauben. Darum, wer das, was wir von Gott gesprochen haben, verstanden hat, dem ist dies glaublich, aber die es nicht verstanden haben, denen ist es unglaublich. Dieses und nur so viel sei von der Vernunft und von dem Sinn gesagt.

ZWÖLFTES KAPITEL

DER SCHLÜSSEL

HERMES
Die gestrige Rede, Asklepios, habe ich dir zugewidmet, nun ist es nur recht, dass ich die heutige Tatius widme, weil diese Rede auch von den allgemeinen Reden, die zu ihm gesprochen wurden, ein Inbegriff ist. Lieber Tatius! Gott der Vater und das Gute hat die gleiche Natur oder vielmehr die gleiche Wirkung. Denn dies ist der Name der Natur, ihres Abnehmens und ihres Zunehmens, diese beiden Bewegungen sind bei den veränderlichen und unveränderlichen, beweglichen und unbeweglichen, göttlichen und menschlichen Dingen, und von jedem Ding will Gott, dass es sei. Die Wirkung aber in den göttlichen und menschlichen Dingen, wie ich dich auch gelehrt habe, ist von anders woher. Denn Gottes Wirkung ist sein Wille, und sein Wesen ist Verlangen, dass alles sei. Denn was ist Gott der Vater und das Gute anders, als dass die Dinge, die noch nicht sind, ins Dasein gesetzt werden, ja, er ist das Wesen selbst der seienden Dinge, dies ist Gott, dies ist der Vater, dies ist das Gute, bei dem nichts von andern Dingen gefunden wird. Denn die Welt und die Sonne ist zwar durch Teilhabe auch ein Vater, aber nicht eine Ursache von gleicher Würde, dass die Tiere das Gute und das Leben haben. Aus diesem folgt, dass die Welt ganz und gar vom Willen des Guten oder Gottes umfangen wird, weil ohne Gott nichts gesehen noch geboren werden kann. Aber dieser Vater, als die Ursache der Kinder, empfängt das Verlangen des Guten, des Samens und der Speise durch die Sonne. Denn das Gute ist das, das wirkt, wobei unmöglich ist, dass es bei einem Andern sein könnte, als einzig bei Gott allein, der nichts an sich nimmt und doch will, dass alles sei. Lieber Tatius, ich sage nicht, dass Gott es alles macht, denn der es macht, dem mangelt es öfters, indem er dies macht und das Andere nicht macht, es mangelt ihm an Eigenschaft und Größe, denn die Dinge, die Größe und Eigenschaft haben, haben manchmal auch eine widerwärtige Art. Aber Gott der Vater ist das Gute, von dem alle Dinge sind. Wer nur die Dinge auf diese Art anschaut, denn so will Gott es haben, dass es sein soll, und so ist es auch, sowohl um des Seins als auch um des Dinges wegen, denn alle anderen Dinge sind darum gemacht, weil es die Eigenschaft des Guten ist, erkannt zu werden. O Tatius, das ist das Gute.
TATIUS
O Vater, du hast uns mit einer guten und allerschönsten Betrachtung erfüllt, und das Auge meines Geistes ist nun von einer solchen Beschauung fast geheiligt worden, denn so wie die feurigen Strahlen der Sonne mit ihrem Einscheinen die Augen verfinstern, so macht es nicht das Antlitz eines so guten Wesens, sondern es erleuchtet und vermehrt im Gegenteil das Licht der Augen soviel, wie jemand den Einfluss des erkennbaren Lichtes fassen kann, denn dasselbe ist subtil und scharf durchdringend und voll von Reinheit und Unsterblichkeit. Der, der etwas überflüssig von solchen Visionen fassen kann, der entschläft oftmals außerhalb dem Körper in das seligen Schauen, welches unsere Väter Caelius und Saturnus gesehen haben. Wollte Gott, lieber Vater, dass wir das auch empfingen! 
HERMES
Oh, dass Gott es wollte, mein lieber Sohn! Aber jetzt sind wir wohl noch nicht reif zu solchen Visionen und können die Augen des Geistes noch nicht auftun und die unbegreifliche und unvergängliche Herrlichkeit eines so guten Wesens anschauen. Aber wenn wir nichts mehr von dem göttlichen Wesen zu sprechen haben werden, dann wirst du dieses sehen, denn des göttlichen Wesens Erkenntnis ist eine heilige Stille und eine Ruhe aller Sinne. Denn wer auf die Stille achtet, der kann nicht auf etwas anderes achten, noch der die Stille betrachtet, etwas anderes betrachten, noch auf etwas anders hören, der kann auch seinen Körper nicht mehr bewegen. Denn er ruht losgelöst von allen körperlichen Sinnen und Bewegungen, aber das Licht, das den ganzen Geist erleuchtet, erleuchtet auch die ganze Seele und nimmt sie auf aus dem Körper und verwandelt die Seele ganz und gar in das Wesen Gottes. Denn dies ist möglich, lieber Sohn, dass die Seele in des Menschen Körper vergöttlicht werden kann, wenn sie nämlich die Herrlichkeit des Guten anschaut.
TATIUS
Was ist die Vergöttlichung, wie meinst du das, Vater?
HERMES
Eine jede Seele hat ihr Abscheiden, lieber Sohn.
TATIUS
Aber wie beschreibst du weiter ihre Verwandlung?
HERMES
Hast du aus der Rede nicht heraus gehört, dass allein von einer Seele, nämlich von der Seele des göttlichen Wesens, alle Seelen kommen, die in der ganzen Welt umherschweben, gleichsam verteilt? Diese Seelen haben viele Verwandlungen, manche in einen seligen Zustand, aber manche auch in einen widerwärtigen Zustand. Denn die kriechenden Geschöpfe werden in Wässrigkeit verwandelt, die wässerigen Geschöpfe in irdische, die irdischen Geschöpfe in fliegende, die luftigen Geschöpfe in Menschen, aber die menschliche Seele, die der Unsterblichkeit teilhaftig worden, in Geister. Diese Geister gehen dann in die Schar der unwandelbaren Götter ein. Denn es sind zwei Heere von Göttern, das eine der umwan­delnden, das andere der unwandelbaren, und dies ist die vollkommene Herrlichkeit der Seelen. Wenn aber die Seele, die in des Menschen Körper eingegangen ist, böse bleibt, so schmeckt diese Seele die Unsterblichkeit nicht, kann auch des göttlichen Wesens nicht teilhaftig werden, sondern sie geht den Rückweg und kehrt in die Verdammnis der bösen Seelen. Das Böse der Seelen aber ist die Unkenntnis; denn welche Seele nichts erkennt von den seienden Dingen, noch die Natur der seienden Dinge, noch das Gute selbst, diese Seele ist blind und fällt in des Fleisches Leidenschaft und wird ein böser Dämon, erkennt sich selbst nicht, dient fremden und schwerfälligen Leibern und trägt den Leib als eine Last, über die sie nicht herrscht, sondern von dem sie beherrscht wird, und das ist das Übel der Seelen. Dagegen ist die Tugend der Seelen die Erkenntnis. Denn welche Seele erkennt, diese Seele ist gut, selig und göttlich.
TATIUS
Wer ist ein solcher Heiliger?
HERMES 
Ein solcher Heiliger ist der, der nicht viel spricht und nicht viel hört, denn welcher mit zwei Reden zugleich beschäftigt ist, lieber Sohn, der fechtet gegen den Schatten. Denn Gott der Vater und das Gute wird nicht ausgesprochen, noch wird er gehört. Da sich dies nun so verhält, ist in allen seienden Dingen der Sinn, weil sie ohne den Sinn nicht sein können. Aber die Erkenntnis ist unterschieden vom Sinn, denn der Sinn ist das Ende der Macht und die Erkenntnis das Ende der Wissenschaft, aber die Wissenschaft ist eine Gabe Gottes. Denn alle Wissenschaft ist unkörperlich, und sie gebraucht die Vernunft als ein Werkzeug und der Geist gebraucht den Körper, so gehen sie beide in vernünftige und materielle Körper ein. Denn aus der Gegenposition und Widerwärtigkeit müssen alle Dinge bestehen, und es ist unmöglich, dass es anders sein könnte.
TATIUS
Wer ist denn der materialisierte Gott?
HERMES
Die herrliche Welt, die doch nicht gut ist, denn sie ist materialistisch und der Leidenschaft ergeben, ja, das erste der leidenden Dinge und das zweite der seienden und in sich selbst zerbrechlich: auch ist sie einmal geboren, ist aber immer da. Weil nun diese Welt immer gebärend ist und immer geboren wird, darum ist sie die Geburt der Dinge, die der Eigenschaft und der Größe teilhaftig sind, denn die Welt ist beweglich, jede mate­rialistische Bewegung aber ist eine Geburt. Die verständliche Standfestigkeit aber bewegt die materia­listische Bewegung auf diese Weise: Die Welt ist eine Kugel, nämlich der Kopf. Über dem Kopf ist nichts Materialistisches, so wie unter den Füßen nichts Intellektuelles ist, sondern es ist alles materialistisch. Die Vernunft ist der Kopf, sie wird auf kuglige Art bewegt, wie der Kopf bewegt wird. Die Dinge, die nah bei der Haut des Kopfes sind, in welchem die Seele ist, diese sind unsterblich, weil sie eine Seele haben, die voll des Leibes ist, weil der Leib ihnen zur Seele gemacht ist. Aber die Dinge, die fern von der Haut des Kopfes gelegen sind, das sind diejenigen, die mehr Teil haben an der Seele, diese sind ein Leib. Denn jedes Tier, so wie dies alles, besteht aus einem materialistischen und einem verständlichen Ding. Und die Welt ist das erste Tier oder das erste Geschöpf, der Mensch aber das zweite, dennoch ist der Mensch unter den sterblichen Tieren das erste Geschöpf, der da hat das lebendige Wesen unter allen andern Geschöpfen: Der Mensch aber ist nicht allein nicht gut, sondern dazu noch böse, weil er sterblich ist. Die Welt ist auch wohl nicht gut, weil sie beweglich ist, doch ist sie nicht böse, weil sie unsterblich ist, aber der Mensch ist böse, weil er beides, beweglich und sterblich, ist. Die Seele aber der Menschen wird so bewegt, nämlich die Vernunft in der Rede, die Rede in der Seele, die Seele in dem Geist, der Geist in dem Leben. Der Geist, der durch die Adern und Lungenflügel und durch das Blut dringt, bewegt das Tier und trägt es. Daher kommt es, dass manche meinten, dass das Blut selbst die Seele sei, die sich aber in der Natur geirrt haben und nicht wussten, dass zuerst der Geist in die Seele kehren muß und dass dann das Blut zusammenrinnen und die Luftröhren frei werden müssen und dann das Tier vergehen muss, das ist dann der Tod des Leibes. Alle Dinge hängen allein an einem einzigen Anfang, und der Anfang hängt an dem Einen und allein Seienden. Der Anfang wird bewegt, dass er wiederum ein Anfang werde, aber das Eine bleibt fest und wird nicht bewegt. Also sind da drei, Gott (der Vater, das Gute) und die Welt und der Mensch. Gott hat die Welt und die Welt hat den Menschen: Die Welt wird Gottes Sohn, aber der Mensch ist die Geburt der Welt. Der Mensch ist Gott nicht unbekannt, sondern Gott kennt den Menschen wohl und will auch selbst von ihm erkannt sein. Und dies ist einzig und allein des Menschen Heil, wenn er Gott erkennt, das ist die Himmelfahrt: Hier durch allein wird die Seele gut und ist nicht eine Zeit gut und die andere Zeit böse, sondern notwendig gut allein.
TATIUS
Wie soll ich das verstehen, Trismegistos?
HERMES
Mein Sohn! Betrachte die Seele eines Kindes, die von der Auf­lösung des Körpers noch frei ist, weil der Körper noch klein und noch wachsend ist, wie herrlich die Seele anzusehen ist und mit den Gebrechen des Körpers noch gar nicht belastet, beinahe noch an der Weltseele hängend. Aber wenn der Körper schwer und die Seele überlastet wird, zieht der Körper die Seele hinab in die Vergessenheit der Geburt, und sie hat kein Teil mehr an dem herrlichen und guten Wesen, das Vergessen demnach ist das Böse. Das Vergessen begegnet auch denen, die in den Körper gehen, denn wenn die Seele in sich selbst geht, so wird der Geist ins Blut gezogen und die Seele in den Geist. Aber die Vernunft, die von den Überkleidungen gereinigt worden ist und von Natur aus göttlich ist, bekommt einen feurigen Leib und geht durch alle Plätze und überlässt die Seele dem Gericht, das gemäß ihren Verdiensten ist. 
TATIUS

(Fragment)