Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

DIE GÖTTLICHE BARMHERZIGKEIT



Gleichnisse
 

Von Josef Maria Mayer


ERSTER GESANG


Nimm an, da ist ein Ältester,
Der hat ein einzig großes Haus.
Dies Haus ist schon sehr lange alt,
Es neigt sich schon und es verfällt.
Die hohen Hallen stürzen ein,
Zerbröckelt ist der Säulenschaft,
Die Balken und das Dach sind schief,
Das Fundament zerfällt bereits,
Die Treppen auch zerfallen schon,
Die Wände sind zerspalten und
Der Putz fällt von den Wänden ab,
Das Binsendach hängt schon herab
Und auch der Zaun ist krumm und schief
Und alles ist voll Dreck und Kot.
Fünfhundert Menschen wohnten da.
Und das verfallne alte Haus
Gehörte einem Mann, der war
Ein wenig weggegangen, da
Brach in dem Haus ein Feuer aus,
An allen Seiten flammte es
Und Balken, Dach und Säulen all
Zerbersten unter lautem Krach
Und fallen, da stürzt alles ein,
Die Wände stürzen alle ein,
Dämonen schrein und Geister schrein,
Erheben ihre Stimmen laut.
Der Herr des Hauses aber steht
In dieser Stunde vor dem Tor.
Da hört er nun, wie jemand sagt:
Herr, alle deine Kinder sind
Gegangen in das Haus zum Spiel,
In Unschuld und Unwissenheit
Sind ganz sie in das Spiel vertieft. –
Als das der Älteste gehört,
Ist er erschrocken, geht hinein
Ins Haus, das in den Flammen steht,
Zu retten seine Kinderlein,
Daß sie das Feuer nicht verbrennt.
So spricht er zu den Kinderlein
Und warnt sie so vor der Gefahr:
Sind böse Geister und Gewürm!
Das Feuer breitet auch sich aus!
Nur Leid auf Leid! Kein Ende naht! –
Die Kinder sind unwissend noch
Und hören zwar die Mahnungen
Des Vaters, doch in ihrer Lust
Sie spielen weiter voller Lust.
Nun überlegt der Älteste:
Die Kinderlein vermehren nur
Die Sorgen und den Kummer mir
Und dieses Haus enthält auch nichts,
Woran sich einer freuen kann.
Verzaubert von dem Kinderspiel
Sie hören meine Mahnung nicht,
So dass das Feuer sie verzehrt! –
So denkt er mehr noch nach und plant,
Als Mittel anzuwenden dies:
Er sagte seinen Kinderlein:
Ich habe Spielzeug ganz aus Gold,
Hab schöne Rosse vorm Gefährt,
Und Hirsche, die den Schlitten ziehn,
Das alles draußen vor dem Tor.
So kommt heraus, ihr Kinderlein,
Ich gebe dieses Spielzeug euch,
Den Wagen lass ich fahren euch
Und lenken euch das Rossgespann.
So spielt nur draußen euer Spiel. –
Als das die Kinder hören, wie
Er von dem Rossgespanne spricht,
Da laufen sie sofort hinaus
Und balgen miteinander froh,
Und da sie in dem Freien sind,
Sind sie befreit von der Gefahr.
Als das der Älteste erreicht,
Daß seine Söhne aus dem Haus
Herausgekommen sind, und sieht,
Wie sie jetzt auf dem Hofe stehn,
Setzt er sich auf den Meister-Sitz
Und redet freudig mit sich selbst:
Jetzt bin ich aber wirklich froh,
Denn meine Söhne waren doch
So schwierig zu erziehen nur,
Unwissend, dumm und klein sind sie,
So gingen sie ins alte Haus,
Da gibt’s viel giftiges Gewürm
Und schreckliche Dämonen auch.
Da wütete die Flamme sehr,
Als große Feuer brachen aus.
Doch diese kleinen Kinderlein
Beschäftigt nur mit ihrem Spiel,
Jetzt hab ich sie gerettet doch
Vor dieser tödlichen Gefahr.
Und darum, o ihr Menschen all,
Bin ich jetzt fröhlich und vergnügt! –
Als nun die Kinder hörten dies,
Wie da der Vater friedlich saß,
Da gingen sie zum Vater hin
Und sprachen zu dem guten Herrn:
Gib uns doch bitte das Gefährt,
Von dem du grad gesprochen hast,
Sei’s mit Juwelen schön geschmückt.
Du sagtest: Wenn ihr Kinder kommt
Heraus aus diesem alten Haus,
Könnt ihr euch Wagen nehmen und
Die Rossgespanne lenken selbst.
Jetzt ist es grad die rechte Zeit,
So gib uns unser Rossgespann. –
Nun war der Älteste sehr reich,
Schatzhäuser hat er voller Gold
Und Silber, Lapislazuli,
Er hat auch Mondstein und Achat.
Aus all den Edelsteinen er
Die Wagen bildete und schön
Verziert er sie mit goldnem Schmuck,
Gedrechselt macht die Sitze er
Und goldne Schnüre hing er dran
Und Silberglöckchen hing er dran,
Von Perlen macht ein Netzwerk er,
Das breitet über alles er,
Girlanden auch von goldnem Laub,
Die hingen überall herab.
Die buntesten Verzierungen
Vollendeten das Ganze noch.
Aus reicher Seide und aus Samt
Die Kissen waren schön gemacht,
Von feinem goldenem Brokat,
Millionen Silbermünzen wert.
Und weiße Ochsen standen da,
Die Tiere prächtig, voller Kraft,
Mit einem guten Körperbau,
Sind vor die Wagen sie gespannt.
Begleiter waren viele da,
Die diese Ochsen hüteten.
Die schönen Wagen, alle gleich,
Den Söhnen gab er zum Geschenk.
Begeistert sind die Söhne da
Und freuen sich in Fröhlichkeit,
Sie stiegen auf die Wagen und
In alle Himmelsrichtungen
Sie fuhren mit den Wagen fort.
Ganz hingerissen von dem Spiel
Sie froh betrieben dieses Spiel,
So wie sie wollten, heiter froh
Und ohne jedes Hindernis.


ZWEITER GESANG


Die Sammlung von Juwelen hier,
Den unvergleichlich goldnen Schatz,
Den haben wir bekommen, doch
Wir haben gar nicht ihn gesucht.
Es ist, wie wenn ein junger Mann,
Unwissend noch und noch nicht reif,
Verlässt den Vater, er läuft weg.
Er kommt in andre Länder fern
Und zieht in weiter Welt umher
Und zählt auch fast schon fünfzig Jahr.
Sein Vater denkt voll Schmerz an ihn
Und sucht ihn in der ganzen Welt.
Von seiner Suche ist erschöpft
Der Vater, bleibt in einer Stadt,
Da baut er sich ein schönes Haus,
Wo er die Lebenslust genießt,
Genießt den Reichtum, den er hat,
Genießt das Essen, das ist gut,
Genießt die Lüste des Geschlechts,
Genießt den Ruhm, den er erreicht,
Genießt zur Nacht den tiefen Schlaf.
Das Haus des Vaters ist sehr reich
Und Gold und Silber viel ist da
Und Mondstein und Achate auch
Und Perlen, Lapislazuli.
Viel Elefanten, Pferde und
Viel Kühe sind und Schafe da
Und Wagen sind und Sänften da
Und Baldachin und Pavillon
Und junge Sklaven, Bauernvolk,
In großer Menge alles da.
Des Vaters Geldanlage reicht
In fernste Länder dieser Welt.
Der Kaufmann und der Händler ist
In Vaters Diensten überall.
Und Millionen Menschen ihn
Verehren und umgeben ihn.
Und immerzu genießt er bei
Dem König große Sympathie
Und Anerkennung, Ehre, Ruhm.
Und alle die Minister und
Die adligen Familien ihn
Wertschätzen und verehren ihn.
Besucher kommen viele zu
Dem Vater, der so wertgeschätzt.
So glänzend ist sein Reichtum und
Sein Einfluss an dem Hof ist groß.
Doch alt geworden ist er und
Er denkt voll Schmerz an seinen Sohn
Und denkt voll Kummer mehr und mehr
An seinen vielgeliebten Sohn.
Am Morgen und am Abend denkt
Der Vater an den lieben Sohn:
Die Zeit des Sterbens kommt heran.
Seit mich mein lieber Sohn verließ,
Fast fünfzig Jahre sind dahin.
All meine Schätze im Tresor,
Was soll ich tun mit meinem Gold? –
Zu dieser Zeit der arme Sohn,
Er suchte Kleidung, suchte Brot,
Von Stadt zu Stadt, von Land zu Land,
Manchmal bekam er etwas Brot,
Doch manchmal musste hungern er.
So hungrig, schwach und mager er
Am Körper Beulen viel bekam
Und langsam kam er vorwärts nur
Und kam in seines Vaters Stadt.
Dort bei verschiednen Leuten nahm
Er manche schwere Arbeit an
Und schließlich kam der arme Sohn
In seines reichen Vaters Haus.
In dieser Zeit der Vater hat
An seinem Tore angebracht
Von Perlen einen Vorhang dicht
Und saß auf seinem Löwenthron,
Umgeben von Gefolge, da
Viel Menschen warteten ihm auf
Und achteten sehr gut auf ihn.
Da zählten einige das Gold,
Juwelen, Silber, Edelstein,
Die andern zählten Hab und Gut
Und legten manchen Schuldschein vor.
Und da nun sah der arme Sohn,
Wie herrlich reich der Vater war,
Da denkt er: Der ist König wohl.
Erschrocken war und ängstlich er
Und war verwundert, wie er doch
In dieses Haus des Königs kam.
Da denkt bei sich der arme Sohn:
Wenn ich hier bleib in diesem Haus,
So komm ich in Bedrängnis bald,
Man zwingt mich gar zum Sklavendienst. –
Als er dies so bei sich bedacht,
Er machte schleunigst sich davon.
Da fragte er nach einem Dorf,
Nach einem armen kleinen Dorf,
Zu schaffen dort im Tagelohn.
Zu dieser Zeit der Vater sah,
Der Vater auf dem Löwenthron,
Von ferne seinen armen Sohn,
Und er erkennt den armen Sohn.
Da gibt der Vater den Befehl
An seine Boten, dass sie rasch
Den Sohn ergreifen und den Sohn
Rasch bringen in des Vaters Haus.
Der arme Sohn erschrocken schrie,
Er fiel zu Boden und erbleicht.
Er denkt: Die Männer fassten mich
Und sicher bringen sie mich um!
Warum hat mich der Hunger nur
In dieses Königs Haus geführt?
Der weise Vater aber weiß,
Wie töricht-dumm sein Söhnchen ist,
Und dass der Sohn nicht glauben wird,
Dass er der Sohn des Vaters ist,
So schickt der weise Vater aus
Einäugig-plumpe Männer, die
Sind würdelos und tugendlos,
Und sagt, sie sollten sagen so:
Du kannst mit uns die Arbeit tun,
Wir räumen Dreck und Kot hinweg
Und müssen Häuser reinigen.
Dafür bekommst du doppelt Lohn. –
Als dies das arme Söhnchen hört,
Er freudig mit den Männern geht.
Sie räumen Schmutz und Kot hinweg
Und putzen alle Häuser rein.
Der Vater sah durchs Fenster stets
Den armen Sohn die Arbeit tun.
Er denkt, sein Sohn ist töricht-dumm
Und sich an üblem Ding erfreut.
Der Vater zieht ein altes Kleid,
Zieht ganz zerlumpte Kleidung an,
Nimmt einen Besen in die Hand
Und geht zu seinem armen Sohn.
Entsprechend seinem weisen Plan
Der Vater nähert sich dem Sohn
Und sagt, er soll nur fleißig sein,
So wird verdoppelt ihm der Lohn
Und Salböl kriege er dazu,
Dass er die Füße waschen kann,
Genug zu essen, reichlich Wein
Und auch ein breites warmes Bett.
Dann sagt er dieses strenge Wort:
Bemüh in deiner Arbeit dich!
Dann sagt er aber sanft und weich:
Du bist mir wie mein eigner Sohn! –
Der Vater voller Weisheit so
Gewöhnte seinen Sohn daran,
Beim Vater ungezwungen frei
Im Hause aus- und einzugehn.
Als zwanzig Jahr vorüber sind,
Der Vater stellte ein den Sohn
Für jede Angelegenheit,
Die da im Haus zu ordnen war.
Er zeigte Silber ihm und Gold
Und Perlen und Juwel, Kristall
Und alles, was gehandelt ward.
Obwohl der Sohn das alles weiß,
Lebt doch er außerhalb des Tors
In einem schlichten Bauernhaus.
Für sich denkt er an wenig nur
Und sagt sich: Das ist all nicht mein,
Die Perlen all und das Kristall,
Die Edelsteine und das Gold.
Der Vater merkt, dass sich der Sinn
Des Sohnes schon erweitert hat,
Und wünscht, zu übergeben ihm
Den ganzen Reichtum, den er hat.
Der Vater ruft zu sich den Hof,
Den König, die Minister und
Die adligen Familien all,
Den Krieger und den Bürger auch.
Inmitten dieser großen Schar
Der Vater dies verkündete:
Der dort ist mein geliebter Sohn!
Dass er verlassen mich und ging
In andre Länder fern und weit,
Das ist fast fünfzig Jahre her.
Seitdem ich wiedersah den Sohn,
Wohl zwanzig Jahr vergangen sind.
Vor langer Zeit in einer Stadt
Verlor ich meinen lieben Sohn,
Ich ging umher und suchte ihn
Und so kam ich in diese Stadt,
Nun alles, was ich habe, Haus
Und Dienerschaft, das schenk ich ihm,
Er solls verwalten, wie er will. –
Der Sohn bedenkt, wie arm er war,
Dem Vater unterlegen, doch
Vom Vater jetzt bekommt der Sohn
In Fülle Perlen, Edelstein
Und Häuser und den ganzen Schatz.
Da ist das Söhnchen höchst erfreut,
Dass er so unerwartet kriegt
Des Vaters ganzen goldnen Schatz.


DRITTER GESANG


So wie wenn eine Wolke steigt,
Ist es mit der Barmherzigkeit.
Es steigt die Wolke in der Welt,
Die alles ringsherum bedeckt,
Die Wolke ist der Weisheit voll,
Die Wolke ist voll Feuchtigkeit.
Von Blitzen Strahlen zücken da
Und Donner in der Ferne rollt.
Und alle Welt ist hoch erfreut.
Die Sonnenstrahlen sind verhüllt,
Auf Erden ist es frisch und kühl.
Die Wolke senkt sich niederwärts,
Die Wolke breitet weit sich aus,
Die Wolke ist zum Greifen nah.
Ihr Regen überall ist gleich,
In allen Himmelsrichtungen
Der Regen aus der Wolke fällt,
Der fließt und unermesslich strömt
Und der erfüllt das ganze Land.
Und auf dem Berg und an dem Fluss
Und tiefverborgen in dem Tal
Und auch an abgelegnem Platz
Die grünen Pflanzen wachsen schön.
Es wächst der Baum, es wächst das Kraut,
Der große und der kleine Baum,
Und hundertfach Getreidekorn
Und das beliebte Zuckerrohr
Und auch des Weinstocks Fruchtbarkeit,
Vom Regen alles reich getränkt.
Durchflutet wird der dürre Grund
Und bei einander wachsen auf
Der hohe Baum, das kleine Kraut,
Von einem einzigen Geschmack
Des Wassers aus der Wolke kommt
Die Fruchtbarkeit von Kraut und Baum,
Getreidefeld und dichtem Wald,
Und alle Bäume wachsen auf,
Der große Baum, der kleine Baum,
Entsprechend ihrer Größe sie
Aufwachsen und entfalten sich.
Und Wurzel, Stängel, Zweig und Blatt,
Die Blüten und der Früchte Pracht
Erlangen, dass sie strahlen und
Erglänzen von des Regens Nass.
Und wie sie in Substanz und Form
Und Größe unterscheiden sich,
So wachsen sie verschieden auf,
Obwohl das Wasser, das sie tränkt,
Doch stets das gleiche Wasser ist.


VIERTER GESANG


Man geht auf einem steilen Weg,
Man geht auf einem schlimmen Weg,
Der abgeschnitten von der Welt,
Auf welchem wilde Tiere sind,
Auch ohne Wasser, ohne Gras,
Ein Pfad, der Menschen Furcht einflößt.
Zehntausend Menschen wollen doch
Beschreiten diesen steilen Weg.
Die Straße streckt sich weit hinaus,
Fünfhundert Kilometer weit.
Nun gibt es einen Führer da,
Der stark im Geist, voll Geisteskraft,
Der voll geheimer Weisheit ist,
Von klarem Denken, herzensgut.
Er rettet auf dem steilen Weg
Vor aller Schwierigkeit und Not.
Die Menschen, wenn erschöpft sie sind
Und sind am Ende ihrer Kraft,
Sie sprechen zu dem Führer so:
Wir alle sind nun äußerst schwach,
So wollen gehen wir zurück. –
Der Führer da bedachte dies:
Man muss bedauern diese Schar,
Die wollen gehen gar zurück
Und so verlieren den Kristall! –
Da denkt er an die Medizin
Und wendet an die große Macht
Und zaubert eine Himmelsstadt,
Die Häuser wunderbar geschmückt,
Mit grünen Gärten, stillem Hain,
Mit Flüssen und mit einem Bad,
Mit offnem Tor und hohem Turm,
Voll Männer und voll Frauen sie,
Voll schöner Mädchen ist die Stadt.
Nachdem beendet er sein Werk,
Er tröstet seine Schar und sagt:
Habt keine Angst! Geht in die Stadt
Und folgt der großen Fröhlichkeit! –
Die Menschen gehen in die Stadt
Und freuen sich im Herzen sehr
Und leben friedlich in der Stadt
Und leben fröhlich und befreit.
Als alle Menschen ausgeruht,
Da spricht der Führer dieses Wort:
Ihr müsst nun weiter gehen, denn
Das war nur eine Zauberstadt,
Ich sah, wie ihr so müde wart,
Ihr wolltet gehen gar zurück,
Da schuf ich durch die Wundermacht
Vorübergehend diese Stadt.
Nun müsst ihr vorwärts gehen klug
Und kommen zu dem Lichtkristall!


FÜNFTER GESANG


Es ist wie bei dem armen Mann,
Der in das Haus des Freundes kommt.
Das Haus des Freundes ist sehr groß
Und voll mit Reichtum angefüllt.
Der Freund bereitet ihm ein Mahl,
Ihm Köstlichkeit und Leckerei.
Der reiche Freund befestigt ihm
An seinem inneren Gewand
Von innen einer Perle Schmuck.
Dann geht der Reiche schweigend weg.
Der Arme liegt betrunken da
Und weiß von nichts, er weiß von nichts.
Als sich erholt der Arme hat,
Da wandelt er den weiten Weg
Und kommt so in ein fernes Land.
Für Nahrung und für Kleidung dort
Muss arbeiten der Arme hart
Und für den Lebensunterhalt
Ertragen muss er Müh und Not.
Auch wenn er wenig nur bekommt,
So muss er doch zufrieden sein.
Nichts Bessres kann er wünschen sich.
Er merkt nicht, dass in seinem Kleid
Der edlen Perle Schmuckstück ist.
Der Freund, der ihm die Perle gab,
Sieht später seinen armen Freund,
Da sagt er: Warum leidest du
Bei schwerer Arbeit große Not,
Wo du doch diese Perle hast?
Da zeigt er ihm der Perle Schmuck,
Befestigt innen an dem Kleid.
Der arme Mann die Perle sieht
Und ist von Herzen hoch erfreut.
Nun ist er reich, hat einen Schatz,
Die Freude kann genießen er,
Kann Essen, Reichtum, Ruhm und Schlaf
Und Lust genießen in der Welt.


SECHSTER GESANG

Es ist ein König voller Macht,
Der dreht das große Weltenrad.
Soldaten, welche voll Verdienst,
Die sind in dieses Königs Heer.
Und die Soldaten er beschenkt
Mit Elefanten, Pferden und
Mit Wagen, Sänften, goldnem Schmuck
Und Felder er und manches Haus
Und Stadt und Dörfer er vergibt
Und Kleider und Gewänder auch,
Verschiedene Juwelen auch
Und Sklaven gibt es zum Geschenk
Und Sklavinnen desgleichen auch
Und dieses tut er alles froh.
Und für den tapfersten der Schar
Und für den stärksten aus dem Heer,
Der Schwieriges getan im Krieg,
Für diesen löst der König nun
Das allerstrahlendste Juwel
Aus seinem Haar und schenkt ihm dies.


SIEBENTER GESANG

In aller Welt verehrter Herr!
Der du vollendet bist bei Gott!
Ich möchte dich befragen jetzt:
Die Mutter der Barmherzigkeit,
Aus welchem Grund die Herrin heißt
Die Mutter der Barmherzigkeit? –
Der Hochverehrte Antwort gab:
Hör von der großen Mutter Art!
Sie passt sehr gut zu jedem Ort,
An dem sie eingreift in die Welt.
Die Tiefe ihrer Keuschheit ist
Die Tiefe eines Ozeans.
Zählt man Äonen, die sie lebt,
So sind sie unvorstellbar groß.
In allen den Äonen sie
Gedient hat stets dem Einen Herrn.
Dann fasste das Gelübde sie
Der heiligen Jungfräulichkeit.
Ich möchte ihr Gelübde dir
Kurz deuten, mein geliebter Sohn:
Wer hört den Namen Unsrer Frau
Und sieht den Lichtleib Unsrer Frau
Und wer im Herzen denkt an sie,
Geht nicht gedankenlos vorbei,
Der wird von seinem Leid erlöst
Und findet einen guten Tod.
Wenn einer einem andern Mann
Was Übles will und diesen Mann
Gewaltsam in ein Feuer wirft
Und jener denkt dann an die Kraft
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Das Feuer wird verwandeln sich
Und wird zu einem stillen See.
Wenn einer auf dem Ozean
Dahingetrieben wird im Spiel
Der aufgewühlten Wogenflut,
Wenn er von Schlangen wird bedrängt,
Wird von Dämonen er bedrängt,
Bedenkt er dann die Wunderkraft
Der Mutter der Barmherzigkeit,
So können ihn die Wogen nicht
Ertränken in dem Ozean.
Wenn einer von dem höchsten Berg
Herunter wird gestoßen von
Den bösen Leuten dieser Welt,
Wenn er bedenkt die Wunderkraft
Der Mutter der Barmherzigkeit,
So wird er wie das Sonnenlicht
Am Himmel schweben frei und groß.
Wenn böse Leute einen Mann
Verfolgen und von Höhen ihn
Herunterstoßen in das Tal,
Wenn er bedenkt die Wundermacht
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Verloren geht von ihm kein Haar.
Wenn einer wilde Räuber trifft
Und sie umringen brüllend ihn,
Das Schwert bereits gezogen wird,
Man will ihm wirklich Übles tun,
Denkt er dann an die Wundermacht
Der Mutter der Barmherzigkeit,
So jeder wilde Räuber wird
Im Herzen Mitleid fühlen mild.
Wenn einer durch den Machtbefehl
Des Königs Schmerzen leiden muss,
Wenn gar sein Leben ist bedroht,
Denkt er dann an die Wundermacht
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Die Schwerter brechen dann entzwei.
Sitzt wer gefangen im Verließ,
Gefesselt da an Hand und Fuß,
Denkt er dann an die Wundermacht
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Befreit erlangt die Freiheit er.
Wenn einer durch Beschwörungen
Und Flüche oder Hexengift
Geschädigt wird an seinem Leib,
Denkt er dann an die Wundermacht
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Kein Unheil trifft dann diesen Mann
Und alle Flüche kehren heim
Zur Hexe, die den Fluch geflucht.
Wenn einer trifft auf Schlangenbrut
Und trifft auf ein Dämonenheer,
Denkt er dann an die große Kraft
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Tut keinen Schaden ihm das Heer.
Von wilden Hunden ist umringt
Ein Mann, mit hungrigem Gebiss,
Der Mann ruft an die große Kraft
Der Mutter der Barmherzigkeit,
So laufen alle Hunde weg.
Wenn Boa, Natter und Skorpion
Ausspeien Feuer, Todesgift,
Ruft einer dann die große Kraft
Der Mutter der Barmherzigkeit,
So kehren alle Schlangen um
Und Skorpione ziehen ab.
Und trommelt Donner im Gewölk
Und zucken Blitze grell hervor,
Wenn Regen schüttet, Hagel schlägt,
Denkt man an Mutters große Huld,
Zerstiebt das Ungewitter gleich.
Wenn Lebewesen leiden Not
Und Leid bedrängt die Leiblichkeit,
Die Mutter der Barmherzigkeit
Kann durch die Weisheit wunderbar
Die Wesen retten aus dem Leid.
Vollkommen in der Himmelsmacht,
Die ihre Weisheit praktiziert,
So gibt es in der Erdenwelt
Nichts, wo die Mutter nicht erscheint.
Verschiedne schlimme Pfade gibt’s,
Die Unterwelt, die Hungersnot,
Geburt und Krankheit, Alter, Tod,
Verschwinden lässt sie alles das.
Nach ihrem wahren reinen Blick
Voll großer Weisheit liebevoll
Und herzlicher Barmherzigkeit
Soll stets man voller Ehrfurcht sehn,
Von fleckenlosem reinem Licht
Zerreißt die Mutter voller Glanz
Die mannigfache Finsternis,
Unwetter, Sturm und Feuersbrunst
Besiegt die Mutter voller Huld
Und über alles hin erhellt
Die Mutter voller Huld die Welt.
Der Mitleidvollen Leib ist wie
Der Donnergroll des Ozeans,
Der Mitleidvollen Geist und Sinn
Ist wunderbar wie ein Gewölk.
Den Regen der Gebote lässt
Sie nieder strömen wie den Tau,
Und der Verblendung Flamme bringt
Sie zum Erlöschen gnadenreich.
Ist man bei einem schlimmen Streit
Bei einem Richter am Gericht,
Vielleicht voll Angst in einem Krieg,
Denkt dann man an die Wundermacht
Der Mutter der Barmherzigkeit,
Zieht sich der Feind sogleich zurück.
Und eine süße Stimme hat
Die Mutter der Barmherzigkeit,
Die Stimme eines Ozeans,
Die Donnerstimme unsres Herrn,
Die Stimme ragt im All hervor,
So soll man immer lauschen ihr.
Dass keiner zweifelt an der Frau!
Die Mutter der Barmherzigkeit,
Die unser Flehn und Weinen hört,
Ist denen in Bedrängnis, Leid
Und in der Todesstunde Hort.
Vollkommenheit ist ihr Verdienst,
So blickt die Mutter mitleidvoll
Auf alle Lebewesen hier.
Die Augen ihrer Gnad und Huld
Sind unvergleichlich wie der Tau.
Darum verneigt euch stets vor ihr,
Der Mutter der Barmherzigkeit!