Übersetzung und
Kommentar von Josef Maria Mayer
Das Lied der Lieder.
Das Lied der Lieder ist das Lied der Lieder in dem Sinne wie
die Bibel das Buch der Bücher ist. In dem Lied der Lieder ist die ganze
Gottesliebe, die sich in der Heiligen Schrift offenbart, wie in einem Tropfen
konzentriert, und dieser Tropfen ist eine Perle. Die Juden nennen das Hohelied
auch das Allerheiligste. So wird es verglichen mit dem Tempel Salomos: Die
ganze Heilige Schrift ist das Heiligtum, aber das Hohelied ist das
Allerheiligste, in welches der Hohepriester nur einmal im Jahr treten durfte
und den Namen Jahwes aussprechen. Origines, der Kirchenlehrer, der als Erster
die christliche Auslegung des Hohenliedes gab, sagte: Selig ist, wer in das
Heiligtum eintritt, aber glückseliger ist, wer in das Allerheiligste eintritt!
Und Johannes vom Kreuz, der das Hohelied zum Zentrum seiner Mystik machte, bat
an seinem Sterbebett den Priester: Lies mir nur das Hohelied vor, das ist
genug.
Der Sang Schelomohs.
König Salomo hat diese Gedichte gedichtet. In seiner Jugend
hat König Salomo das Hohelied gedichtet, dann hat er die Weisheit Salomos als
Bräutigam geschrieben, dann hat er als reifer Mann die Sprüche gedichtet und in
seinem Alter hat er den Prediger Salomo geschrieben. Alle diese Werke zeigen
seine Liebe zur göttlichen Weisheit. Man sagt, diese Gedichte des Hohenliedes
hat König Salomo zu seiner Hochzeit gedichtet. Einige vermuten, Sulamith, die
Braut, sei Abischag von Schunem, die allerschönste Jungfrau, die man für den
alten König David finden konnte. Andere vermuten, dass Salomo es für die
Tochter Pharao gedichtet hat, die er sich zur Frau genommen hat. Wieder andere
vermuten, dass er es für die Königin von Saba gesungen hat, als sie ihn
besuchte, um seine Weisheit kennen zu lernen. Manche halten die Gedichte für
eine Sammlung altisraelitischer Liebeslieder oder Hochzeitslieder. Manche
vergleichen sie mit den altbabylonischen Gedichten, die zum Hieros Gamos, zur
Heiligen Hochzeit von Himmelsgott und Erdgöttin gesungen wurden. Andere
vergleichen diese Gedichte mit altägyptischen Liebesliedern. Dass diese
Liebesgedichte von Salomo stammen, ist aber allegorisch zu verstehen, denn
Salomo bedeutet: Der Friedefürst. Und der wahre Friedefürst ist der Messias,
das ist Jesus. Gott selbst ist der Gott des Friedens. Und so ist dieses Lied
Salomos das Lied des Gottes des Friedens an seine Braut, das Lied des
Friedefürsten Jesus an seine Braut.
Küsse mich mit deines Mundes Küssen.
Die Juden sagen, der Kuß Gottes ist die Erkenntnis Gottes.
Die christlichen Philosophen sagen, dass Christus die Form der Seelen ist, wie
die Seele die Form des Leibes ist. Alle Seelen sind geschaffen in dem Urbild
Christus. In dem Augenblick der Empfängnis, da aus Mannessamen und Frauen-Ei und
der ehelichen Liebe der neue Leib eines neuen Menschen gebildet wird, haucht
Gott die Seele als Formprinzip dieses neuen Leibes ein. Und diese Einhauchung
der Seele, die im Bild und Gleichnis Christi aus dem Nichts von Gott geschaffen
worden ist und nun eingehaucht wird, diese Einhauchung als wird von den
Philosophen als ein Küssen bezeichnet. Die Seele wird von Christus in den Leib
geküsst. So empfehlen die Mystiker diese Meditation: O Mensch, besinne dich
zurück und bewege dich geistig in den Augenblick hinein, da Gott deine Seele im
Bild und Gleichnis Christi geschaffen hat aus dem Nichts und sie im Hauch des
Heiligen Geistes deinem Leibe eingeküsst hat, und so empfange in deiner
Meditation erneut diesen Kuß Gottes, diesen Kuß Christi, diesen Kuß des Heiligen
Geistes. Und darum, weil unsere Seelen geschaffen sind von einem Kuß Gottes,
darum grüßen wir auch alle die Geschwister und Genossen des Glaubens mit dem
Kuß der Liebe, mit dem geschwisterlichen Kuß, wie es der Apostel Paulus in
seinen Briefen immer betont. In der Urkirche wurde tatsächlich vor der
Kommunion der Friedenskuß ausgetauscht. Die Kirchenväter warnten nur vor
solchen Brüdern, die den Glaubensschwestern mehr als einen Friedenskuß geben
wollten. Dann führte man Metalltäfelchen ein und küsste die Metalltäfelchen.
Heute geben sich die Christen vor der Kommunion die Hand und nur in Zeiten der
Influenzen hüten sie sich vor einem Händedruck. Ursprünglich ist aber, dass wir
den Kuß Gottes, den wir alle empfangen, geschwisterlich miteinander teilen und
so eine Gemeinschaft des Küssens werden.
Denn dein Lieben ist besser als Wein.
Was ist das Gute des Weines? Denn wenn Gottes Liebe besser
ist als der Wein, dann ist der Wein gut, aber die Liebe Gottes ist noch besser.
Der Psalmist sagt: Gott hat den Wein zur Freude der Herzen geschaffen. Nachdem
die Sintflut abgelaufen war, baute Noah dem Herrn einen Altar und baute als
erstes den Wein an. Benedikt erlaubt in seiner Ordensregel den Mönchen den
Wein, aber in Maßen. Christus als der Messias Israels hat auf der Hochzeit zu
Kana sechs Tonnen mit allerbestem Wein gefüllt. Nämlich die Juden erwarteten
für die Heilszeit des Messias, wie die Rabbinen prophezeiten, einen Überfluß
von Wein. Der Messias Jesus bezeugt mit seiner Verwandlung von Wasser in Wein, das
mit ihm nun die messianische Heilszeit angetreten ist und dass er selbst der
verheißene Messias Israels ist. Der Wein ist aber nur ein Zeichen, nämlich für
die Freude, wie der Psalmist sagt, für die Erlösung, die der Messias bringt. Im
Dionysoskult wurde der Gott des Weines auch der Kummerbrecher und Sorgenlöser
genannt. Der Wein ist ein Heilszeichen des Erlösers, und seine Erlösung bringt
jubelnde Freude. Der Wein kann trösten als Kummerbrecher, so ist der Messias
auch der Trost der ganzen Welt. Der Wein kann inspirieren, so ist der Heilige
Geist die inspirierende Geistigkeit Gottes. Darum sagt Paulus auch: Sauft euch
nicht voll Wein, sondern lasst euch vom Heiligen Geist inspirieren. Der Heilige
Geist ist ja die Liebe Gottes, und diese Liebe Gottes ist es in noch viel
größerem Maße als der Wein, die uns Freude schenkt, uns tröstet, den Kummer
bricht, die Sorgen löst, jubeln lässt, inspiriert und entgrenzt und in Ekstase
versetzt. Man könnte den Vers auch so übersetzen: Deine Liebe ist berauschender
als der Wein! Denn in den Sprüchen Salomos sagt der Weise über die Göttliche
Weisheit: Berausche dich an ihren Brüsten allein! Wir sollen uns also
berauschen an der Göttlichen Liebe! Welcher Christ aber wird beim Wein nicht an
das Mahl des Herrn denken? So wie der Messias bei der Hochzeit von Kana Wasser
in Wein verwandelte, so verwandelt der Heilige Geist beim Mahl des Herrn den
Wein in Blut Christi. Man könnte den Vers also auch so übersetzen: Denn dein
Blut ist besser als Wein! Blut und Liebe bedeuten insofern dasselbe, als dass
Christus seine Liebe zu uns im Äußersten darin beweisen hat, dass er zu unserer
Rettung vom ewigen Tod sein Blut vergossen hat. Im Blut ist das Leben, heißt es
bei Moses. Christus gab sein Blut, sein Leben hin für uns und bewies uns damit
seine Liebe, die uns vom ewigen Tod erlöst. Und dieses selbe Blut des Erlösers
dürfen wir im Mahl des Herrn, in der mystischen Kommunion als einen geistlichen
Trank empfangen, und in diesem Blut ist Christi Leben, und in diesem Blut ist
Christi Liebe. Auch insofern dürfen wir uns an der Liebe berauschen, dass wir
sein Blut im Sakrament der Liebe als geistlichen Trank (spriritual drink)
empfangen.
Es duften deine Öle lieblich, dein Namen ist wie
Balsamen-Salbe ausgeschüttet. Darum lieben dich die Mädchen.
In der Übersetzung wird mit dem Wortspiel von Namen und
Balsamen das hebräische Wortspiel von shem und shemen (Name und Salböl)
ausgedrückt. Was ist aber das Salböl in der Heiligen Schrift? Gott gab Mose die
Anweisung einer speziellen Mischung des Salböls, mit dem dann die Priester,
Propheten und Könige gesalbt wurden. Diese Salbung war ein äußeres Zeichen,
dass der Heilige Geist für eine bestimmte Aufgabe und eine bestimmte Zeit auf
den Priester, Propheten und König herabkommt. Das Salböl bezeichnet also die
Salbung mit dem Heiligen Geist. Inwiefern aber sind Salbung und Name identisch?
Insofern als Jesus der Gesalbte ist, sein Name ist der Gesalbte, hebräisch
Messias, griechisch Christus. Er ist der Gesalbte, denn auf ihm ruht in seiner
ganzen Fülle der Heilige Geist. Er empfing die Salbung des Heiligen Geistes bei
seiner Taufe im Jordan, als er sein öffentliches Wirken begann. Christus ist
vom Heiligen Geist gesalbt zum Priester, der sich selbst zum Opfer bringt für
die Erlösung der Menschen von ihrer Sünde, er ist der Prophet, der in
Vollkommenheit das Herz des liebenden Vaters offenbart, er ist der König, dem
alle Macht auf Erden und im Himmel gegeben sind, und Jesus ist der Name über
allen Namen. Und weil er der Gesalbte des Heiligen Geistes ist, weil er der
Messias ist, darum lieben ihn die Mädchen. Die Mädchen sind die Gemeinschaft
der Jünger und Jüngerinnen, die in Jesus den Messias lieben, den König,
Priester und Propheten, den Gesalbten, den Erlöser des Menschengeschlechts.
Darum lieben sie Jesus, weil er gekommen ist, die Menschen und die ganze
Schöpfung zu retten. Wir sehen diese Mädchen, die den Messias lieben, im
Evangelium dargestellt. Da ist die öffentliche Sünderin, die Jesus die Füße
wäscht mit ihren Tränen und die Füße Jesus trocknet mit ihren langen Haaren. Da
ist Maria von Bethanien, die eine Karaffe voll kostbarer Narde vergeudet, um
Christus vor seinem Begräbnis zu salben. In diesen beiden Szenen, die im
Mittelalter zusammengefasst wurden zu dem Mädchen Maria Magdalena, einer
Sünderin, die den Messias als ihren Geliebten salbt mit ihren Tränen der Reue,
in diesen Szenen, die von vielen als erotisch empfunden wird, ist der Messias
nicht nur König, Priester und Prophet, sondern der Bräutigam, und die Mädchen
bilden seine Kirche, seine Braut. Noch eins ist aber zu sagen zur lieblichen
Salbung: In Antiochia nannte man die Jünger Jesu zuerst Christen. Christen sind
die, die zum mystischen Leib Christi gehören. Christus ist das Haupt und sein
Leib ist die Kirche, die Christen sind Glieder des Leibes Christi. Und als
solche, als zum Leib Christi gehörig, heißen sie Christen, also wie Christus:
Gesalbte. Darum werden die Menschen, wenn sie im Bad der Wiedergeburt, das ist
das Sakrament der Taufe, in den Leib Christi eingegliedert werden, auch mit
Chrisam-Salbe gesalbt und später im Sakrament der Firmung erneut mit
Chrisam-Salbe vom Bischof gesalbt und so mit Heiligem Geist ausgerüstet, um im
Leib Christi ein heiliges Volk von Priestern, Propheten und Königen zu sein.
Eins will ich noch erwähnen: Die Juden sagen: Lies nicht, darum lieben dich die
Mädchen, sondern lies mit veränderten Vokalen: darum lieben sie dich bis zum
Tod. Und daher kam es, dass Juden in den Konzentrationslagern der
Nationalsozialisten in die Gaskammern gingen mit diesem Vers auf den Lippen:
Darum lieben dich die Mädchen, lies: Darum lieben sie dich bis zum Tod.
Zieh mich zu dir, so eilen wir.
Zieh mich zu dir, oder zieh mich dir nach, das bedeutet,
Gott zieht uns zuerst an, die Initiative zur bräutlichen Liebe geht von ihm aus.
Jesus sagt, dass niemand zu Jesus kommen kann, es sei denn, der Vater ziehe
ihn. Der Vater zieht uns zu Jesus. Der Glaube ist keine Errungenschaft des
Menschen, sondern ein unverdientes Geschenk Gottes. Gott offenbart sich. So
sagt Jesus, dass niemand den Sohn kennt als allein der Vater und dass niemand
den Vater kennt als allein der Sohn und eben jene, denen der Sohn den Vater
offenbart. Glaube ist nur die gehorsame Annahme der göttlichen
Selbstoffenbarung. So unterscheiden die Theologen zwischen den Religionen der
Welt auf der einen Seite und der Selbstoffenbarung Gottes auf der anderen
Seite. Gott hat sich selbst offenbart, zuerst dem jüdischen Volk, das der Herr
auserwählt hatte, Empfänger seiner Offenbarung zu sein. So erzählen die Juden,
dass der Herr seine Tora – seine Weisung – den Griechen angeboten habe, aber
als die Griechen hörten: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, da
sagten die Griechen: Wir wollen diese Tora nicht. Dann bot der Herr seine
Offenbarung, seine Tora den Ägyptern an. Aber als die Ägypter hörten: Ich bin
der Herr, dein Gott, du sollst keine andern Götter neben mir haben, da wollten
die Ägypter die Tora nicht. Dann bot der Herr seine Tora den Kindern Israel an
und die Kinder Israel sagten: Ja, wir wollen alles tun, und nun, Herr, rede!
Gott hat mit Israel einen Bund geschlossen, aber er verhieß einen neuen und
ewigen Bund, den er nicht nur mit Israel allein schließen wollte, sondern mit
Israel und allen Völkern, und das ist der Bund im Blute Christi. Die Religionen
der Heiden sind die Suche des Menschen nach einer höchsten Gottheit und nach
dem Wesen dieser Gottheit. Aber in der jüdisch-christlichen Tradition ist es
die Suche Gottes nach dem Menschen, denn Adam versteckte sich hinter einem
Busch und Gott rief: Adam, wo bist du? Der Herr dagegen sagt: Hier bin ich! Ich
bin da! So geht also die Initiative zum Bund der Liebe von Gott aus, er
offenbart sich, der Mensch gehorcht der Offenbarung Gottes. Nicht darin besteht
die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern Gott hat uns zuerst geliebt,
sagt die Schrift. Wer aber erfahren hat die Offenbarung Gottes in Christus und
wer auf dieses Liebesangebot wie Maria sein Ja-Wort als Antwort gegeben hat,
der eilt dem Herrn nach. Der Herr geht voraus und wir folgen ihm auf seinem Weg:
Durch Kreuz und Auferstehung zur himmlischen Herrlichkeit. Der Bund des
Menschen mit Gott in Christus erfordert eine Nachfolge Jesu, ja, eigentlich
eine Imitation Jesu. In der Imitation Christi eilt der Jünger dem Meister nach
und gelangt an das Ziel des Glaubens, die himmlische Herrlichkeit und die
Seligkeit der Seele und die Anschauung Gottes und das himmlische Hochzeitsmahl.
Dazu ist Jesus uns in den Himmel vorangegangen, dass wir – wenn er uns zieht –
so eilen wir ihm nach! Ich denke, dieser Vers ist ein schöner Vers für eine
gute Todesstunde. Menschen, die eine Todeserfahrung gemacht haben und doch ins
Leben zurückgekehrt sind, beschreiben es so, dass ihre Seele aus dem Körper
herausgesogen wurde – zieh mich dir nach – zieh mich zu dir! So eilen wir! Und
wohin? Das beschreibt der nächste Vers.
Der König zog mich in sein Zimmer.
Der König zog mich
in seine Kammer, in sein Brautgemach. Der König bereitet, wie Jesus in seinen
Gleichnissen vom Himmelreich es beschreibt, eine Hochzeit für seinen Sohn. Der
Königssohn ist der Bräutigam, er zieht seine Braut in seine Kammer, das ist
sein Brautgemach. Das Brautgemach ist der Himmel, da das himmlische
Hochzeitsmahl stattfindet. Die Braut ist die Neue Jerusalem, die Braut des
Lammes. Die Braut ist die Kirche, die in der Vollendung als triumphierende
Kirche mit dem Bräutigam Christus die himmlische Hochzeit vollzieht. Aber das
Brautgemach ist auch die Seele. Teresa von Avila beschreibt ja die innere
Seelenburg, ein Schloß, welches sieben Kammern hat, die immer tiefer in der
Seele liegen, in der untersten oder innersten Kammer lebt – wie Meister Eckard
sagen würde – das Seelenfünklein, das Bild Gottes, welches dieser einzigartigen
Seele als Original eingeboren ist. Teresa von Jesus beschreibt es als die
Gegenwart Gottes, die wie ein lichter Kristall erscheint. Hier findet die
Hochzeit statt, die mystische Hochzeit der Seele in der innersten Kammer der
Seelenburg mit dem innewohnenden Gott. Gott ist ja, wie Augustinus sagt, der
Seele innerlicher als sie es sich selbst ist. Der Koran sagt: Gott ist uns
näher als unsere Haut. Gott ist also dem Menschen innerlicher als es sein Ich
ist und so begegnet die Seele, die sich auf dem Weg nach innen begeben hat, im
tiefsten Innern dem lebendigen Gott als Bräutigam, der im Brautgemach des
inneren Himmels auf die Braut wartet, um die Hochzeit zu zelebrieren, die
mystische Vereinigung der Seele mit Gott. Und wer das erfährt, der erfährt
mitten in den dunklen Nächten und mitten an dem Kreuz schon einen Himmel auf
Erden, nämlich die liebende Union der Seele mit Gott. In dieser
Liebesvereinigung kann die Seele sehr weit kommen, aber es bleibt doch ein
letzter Schleier zwischen der Seele und Gott. Johannes vom Kreuz sagt, dass
schon sechs Schleier vom Antlitz der göttlichen Liebe gesunken sind, aber der
siebente und letzte Schleier kann erst im Augenblick des Todes hinabsinken und
darum ruft der Mensch voll Sehnsucht zur göttlichen Liebe: Reiße rasch den
letzten Schleier herunter! – Man kann das ganze auch unter einem anderen
Blickwinkel betrachten. In der jüdischen Mystik der Kabbala ist Gott der ewige
König, der eine Tochter hat, das ist die Jungfrau Tora oder die göttliche
Weisheit. Der König will für seine Tochter, die Prinzessin, eine Hochzeit
bereiten. Er lädt den Schriftgelehrten, den Weisen ein, mit der himmlischen
Prinzessin die Hochzeit zu feiern. Die himmlische Prinzessin zeigt sich ab und
an in dem Palast des Königs und ermutigt den Weisen so, nach ihr zu streben.
Wenn der Weise mit der göttlichen Weisheit näher vertraut worden ist, so gehen
sie eine Verlobung ein. Salomo, der Dichter des Hohenliedes, sagt in seinem
Buch der Weisheit: Ich habe die Schönheit der Weisheit liebgewonnen und suchte,
sie als Braut heimzuführen. Es ist aber die Jungfrau der himmlischen Weisheit,
die den Weisen heimführt. Und so sagte die Jungfrau Sophia zum Mystiker Jakob
Böhme: Jetzt, solange du auf Erden weilst, sind wir verlobt, aber wenn du im
himmlischen Paradies bist, so vollziehen wir die Ehe und ich schenke dir meine
Perle.
Wir jubeln über dich und freuen uns an dir. Wir erinnern
uns an deine Liebe lieber als an Wein. Die Gerechten lieben dich.
Wir jubeln über dich und freuen uns an dir: Das Evangelium
ist die Freudenbotschaft der göttlichen Kaisers Christus und es besagt: Das
Himmelreich ist nahe, glaubt an das Evangelium, der Bräutigam ist gekommen und
lädt alle ein zur Hochzeit. Wir sind von Gott zum Glück geschaffen, aber nicht
unbedingt zum irdischen Glück. So sagte die Jungfrau Maria in Lourdes zur
jungen Seherin: Ich kann Ihnen nicht versprechen, Sie in dieser Welt glücklich
zu machen, aber in der kommenden! Wir sind nicht unbedingt für das zeitliche
Glück geschaffen, aber zu einer ewigen, immerwährenden Glückseligkeit. In
seinen Leiden im Gefängnis erfährt der Philosoph den Trost der Philosophie. Die
Philosophie erscheint als eine junge schöne Frau und sagt: Das Böse, das du
erleidest, ist eigentlich nichts, du bist berufen zum Höchsten Gut, zur ewigen
Glückseligkeit. Der geliebte Dichter Dante sagt in seiner göttlichen Komödie,
dass im Paradiese Gottes die Engel und die Heiligen lachen und tanzen! Die
Freude, die uns in Christus verheißen ist, beginnt aber schon auf Erden. Aber,
Maria sagt: Das Gebet ist kein Spaß! Freude im Sinne Christi ist kein Spaß der
Welt, kein lauter Gaudi, sondern wahres Gaudium, nämlich, wie ein evangelischer
Lieddichter sagt: Freude in allem Leide. Ein Priester sagte einmal: Es ist
leicht, Halleluja zu rufen, wenn alles gelingt im Leben, aber dann, wenn
man mit Christus am Kreuze hängt und Anteil hat an den Leiden Christi, dann
Halleluja zu singen, dann Freude in allem Leide zu haben, das ist die
christliche Freude, das ist eine Freude, die einen auch am Totenbett nicht
verlässt, wenn alles Irdische einen verlässt, dann bleibt diese Freude und zwar
in Ewigkeit. Und was heißt: Wir erinnern uns an deine Liebe lieber als an den
Wein? Der Wein steht für alle irdischen Freuden, alles, was uns auf Erden
ergötzen kann. Aber stärker berührt uns im Innern die Erinnerung an die
Begegnungen mit der Liebe Gottes. Denn alle irdischen Freuden sind vergänglich,
die Liebe Gottes bleibt. Selbst wenn das höchste Maß des Unglücks erreicht ist,
menschlich gesprochen, kann die Seele sich noch an die Liebe Gottes erinnern.
Ich denke an Johannes vom Kreuz, er wurde von falschen Brüdern, lauen Christen,
in ein dunkles Loch gesperrt. Alle irdischen Freuden waren fern von ihm, aber
er erinnerte sich an die Liebe Gottes, an die Liebe, die Christus ihm erwiesen
hat, als er am Kreuz für ihn starb! – Die Gerechten lieben dich! Ja, Jesus
sagte einmal, dass er das Licht der Welt ist, aber die Böses tun, die hassen
das Licht, denn sie wollen nicht, dass ihre bösen Taten vom Licht aufgedeckt
werden. Die Psalmen und die Weisheitsliteratur des Alten Testaments
unterscheidet zwischen den Frevlern und den Gerechten oder den gottlosen Toren
und den frommen Weisen. Die Frevler hassen das Licht, die Gottlosen hassen
Gott, die Toren hassen die göttliche Weisheit. Aber wer sind die Gerechten, die
Gott lieben? Im Neuen Testament heißt es: Abraham glaubte Gott und das wurde
ihm zur Gerechtigkeit angerechnet. Luther sagt, die Gerechtigkeit kommt aus
Gnade durch Glauben, denn im Vertrauen auf Christus verleiht uns Christus seine
eigene Gerechtigkeit vor Gott. Im Glauben an den Sohn Gottes werden wir von
Christus gerechtgemacht. Abraham lebte diesen Glauben, als er sich auf das Wort
des Herrn hin von seinem Vater und seiner Familie trennte und ins Ungewisse
zog. Und als er dann den verheißenen Sohn Isaak, das Lachen, bekommen hatte, da
hing er mit ganzer Vaterliebe an seinem Sohn, aber auf Gottes Wort hin war er
bereit, den Sohn dem Herrn zurückzugeben. Dieser Glaube an das Wort des Herrn,
dieser Glaube, der ein Gehorsam war, der wurde Abraham zur Gerechtigkeit
gerechnet. Josef, der Bräutigam Mariens, wird in der Heiligen Schrift als
Gerechter bezeichnet. Er liebte Gott, er folgte den Weisungen des Herrn, die
ihm durch Engel im Traum übermittelt wurden, und er liebte den Sohn Gottes und
Mariens wie sein eigenes Kind. Platon beschreibt den Gerechten so: Er
verwirklicht die vier Kardinaltugenden Klugheit, Mut, Mäßigung und
Gerechtigkeit. Der Mensch besteht aus Geist und Seele und Leib. In seinem Geist
wird der gerechte Mensch die Klugheit verwirklichen. In seiner Seele oder
seinem Herzen wird er den Mut verwirklichen. In seinem Leib wird er die
Mäßigung oder Keuschheit verwirklichen. So wird er in seiner ganzen Person die
Gerechtigkeit verwirklichen. In der Heiligen Schrift aber ist ein Gerechter
der, der den Weisungen Gottes gehorcht, die Gebote Christi hält, und dieser wird
Gott und Christus lieben. So sagt Jesus: Wer mich liebt, der hält meine Gebote.
Ich bin schwarz und sehr schön, ihr Töchter
Jeruschalajims, wie die Zelte Qedors, wie die Draperien Schelomohs. Schaut mich
nicht an, daß ich so schwärzlich bin: die Sonne hat mich so angeschaut.
Hier spricht die Braut
Christi, die Kirche: Ich bin schwarz und schön oder ich bin schwarz, aber
schön! Hören wir nicht immer wieder von den Feinden der Kirche Christi die
Litanei der Sünden der Christen? Und haben sie nicht oft sogar recht? Wenn es
Priester oder Mönche gibt, die Kinder sexuell missbrauchen, dann ist die Braut
schwarz, schwarz von der hässlichsten Sünde! Papst Johannes Paul der Große hat
im Millennium das große Schuldbekenntnis der Kirche gesprochen für alle Verfehlungen
der Söhne und Töchter der Kirche. Das sind die schwarzen hässlichen Flecken der
Kirche. Die Kirche ist ein Lazarett der Sünder. Und dennoch sagt die Braut
Kirche: Aber ich bin schön! Sie ist schön, weil Christus sie gestiftet hat.
Christus ist der neue Adam, der die Ursünde Adams sühnt am Kreuz. Wie Gott dem
Adam, als er schlief unterm Baum, die Rippe entnahm und seine Braut Eva
bildete, so nimmt Gott aus der Rippe Christi, als er entschlafen war auf dem
Holz des Kreuzes, als Blut und Wasser aus seiner Seitenwunde flossen, die Braut
Christi, die neue Eva, die Kirche. Christus ist das Haupt und die Kirche ist
sein mystischer Leib. Augustinus sagt: Das erst ist der ganze Christus, das
Haupt Christus und der mystische Leib Christi. Wie aber beschreibt die Kirche
ihre Schönheit? Ich bin schön wie die Zelte Qedors, wie die Draperien
Schelomos. Qedor war ein arabischer Wüstenstamm und hatte schwarze, aber schöne
Zelte. Die Draperien oder Teppiche Salomos waren schwarz, aber schön. Einige
übersetzen auch statt Draperien Salomos: wie der Pavillon von Salma. Die Kirche
stellt sich hier als ein Zeltheiligtum oder als der Tempel Salomos vor. Die Zelte Qedors mögen aber auch auf die
arabische Liebesmystik verweisen. Im Islam gibt es eine Mystik, die oft in
Auseinandersetzung mit der islamischen Orthodoxie stand, da Allah als der
Liebling bezeichnet wurde und die Vereinigung mit Gott verglichen wurde mit dem
Weinrausch. Aus diesen Gründen hat man den persischen Liebesdichter Hafiz die
mystische Zunge genannt. Auch der Islam enthält ja Elemente der Offenbarung
durch seine Aufnahme alttestamentlicher und neutestamentlicher
Offenbarungsinhalte. So gibt es bei den Muslimen, wie Johannes Paul der Große
sagte, echten Glauben. Vor allem aber in der islamischen Mystik, die eine
Liebesmystik oder Brautmystik ist, gibt es große Ähnlichkeiten zur christlichen
Brautmystik. Wenn die Kirche schön ist wie der Pavillon Salmas, so denke ich
auch an die fernöstliche Liebesmystik. Mir ist zum Beispiel das Liebesgedicht
eines koreanischen buddhistischen Mönches bekannt, der seine Seele als Nonne
und mystische Braut Buddhas verstand, wobei Buddha für ihn gewissermaßen die
göttliche Weltseele war, die er in sinnlichen Liebesversen besang.. Auch in
Indien in der Bhakti-Mystik, das heißt der Liebesreligion, gibt es das große
Gedicht von Jayadeva, das Gita-Govinda, da die Seele in ihrer Liebesvereinigung
mit Gott dargestellt wird als die Hirtin Radha im Liebesspiel mit Krishna
befindlich. Die Kirche ist also die Braut, die schön wird durch die Liebe des
Geliebten. Das sie aber schwarz ist, das kommt von der Sonne, von der Welt.
Aber die Kirche fordert auch alle ihre Gegner auf: Schaut mich nicht an, dass
ich so schwarz bin! Starrt doch nicht nur, ihr Feinde der Kirche, auf die
schwarzen Sünden der Christen, sondern öffnet eure Augen auch für die Schönheit
der Braut, die eine große Schatzkammer der Heiligkeit und Weisheit ist und eine
feurige Geliebte des göttlichen Bräutigams!
Meiner Mutter Söhne brennen wegen mir. Sie setzten mich
zur Gärtnerin der Weinberge, aber meinen eigenen Weinberg hab ich nicht
gepflegt.
Meiner Mutter Söhne brennen wegen mir, oder sie zürnen mir.
Der Herr spricht zum Propheten Jeremia: Hüte dich vor dem Haus deines Vaters
und vor deinen Brüdern, denn sie zischen hinter dir her. Auch wenn sie
freundlich mit dir reden, traue ihnen nicht! Jesus sagt: Des Menschen Feinde
werden seine eigenen Hausgenossen sein. Salomo sagt in den Sprüchen: Besser ein
Freund in der Ferne als ein Bruder in der Nähe. Was taten die Brüder Sulamiths?
Sie setzten sie zur Hüterin ihrer Weinberge, das heißt, der Weinberge der
Brüder. Sulamith sollte sich verzehren in der Aktion der Nächstenliebe. Aber
ihren eigenen Weinberg hat Sulamith nicht gehütet. Was ist der Weinberg? Jesaja
sagt: Ich singe ein Lied für meinen Geliebten, er hat einen Weinberg. Der
Weinberg ist die Braut. Jesus erzählt das Gleichnis vom Weinberg und seinen
Pächtern, der Besitzer des Weinberges wird kommen und die Ernte einfordern. Der
Weinberg, das verstanden die Pharisäer, ist Israel, Israel als die Braut des
Herrn. Sulamith hat ihre eigene Brautschaft mit dem Geliebten nicht gepflegt.
Sie hat sich verzehrt in Aktionismus für die Nächsten, in
selbstaufopferungsvoller Nächstenliebe hat sie sich verausgabt. Die Menschen
haben ihre Hilfsbereitschaft gesehen und sie schamlos ausgenutzt. Die Braut
hoffte, wenn sie den Nächsten dient, werden die Nächsten sie lieben. Aber bald
stand sie ausgebrannt da und kraftlos, denn man hatte sie ausgebeutet und nun
war sie leer. Ein Christ diente einer Kranken und räumte ihr die Wohnung auf,
aber er hatte keine Kraft mehr, seine eigene Wohnung aufzuräumen. Sulamith hat
ihren eigenen Weinberg nicht gehütet. Ein Christ wollte eine Heidin zu Christus
führen und besuchte sie so oft, dass er keine Zeit mehr fand, zum Mahl des
Herrn zu gehen. Sulamith hat ihren eigenen Weinberg nicht gehütet. Der Weinberg
ist das innere Leben in Gemeinschaft mit Gott. Ein weiser Mönch sagte: Wenn du
in deiner Kindheit zu wenig Mutterliebe empfangen hast, wirst du sehr empfänglich
sein für das Bedürfnis der Anderen nach Mutterliebe, nach Fürsorge und
Geborgenheit. Aber du stehst in der Gefahr, dein eigenes Herz zu verausgaben
für die andern und dich selbst nicht zu hüten. Du musst lernen, zu dir selbst
wie eine Mutter gut zu sein und dir auch deine eigene Geborgenheit schaffen.
Sulamith warnt uns: Hüte deinen eigenen Weinberg! Pflege deine Beziehung mit
Gott! Nur die Liebe, die du von der absoluten Liebe empfängst, kannst du als
Nächstenliebe an die Andern weiterschenken.
- Sprich zu mir, du, den meine Seele liebet, wo du ruhest,
wo du liegst am Mittag, daß ich nicht irren muß bei den Herden deiner Genossen.
Rede, Jesus, tu uns
kund den Weg zum Leben, damit wir nicht bei den andern Göttern suchen müssen,
bei Krishna oder Buddha, bei Diana oder Aphrodite, damit wir nicht bei der
Sexgöttin die Erfüllung suchen oder beim Geldgott die Sicherheit und das Glück,
damit wir nicht eine Rasse oder eine Klasse zum Höchsten Gut ernennen, damit
wir nicht den jugendlichen Köper oder asketische Speisevorschriften zu unserm
Kult machen. Zeige uns, Jesus, wo du ruhst, wo du wohnst, wo wir dich finden
können. Laß dich finden in der Kirche, wo du ruhst, damit wir dich nicht nur in
der Natur oder nur im Buch der Bücher suchen. Zeige uns den Weg zu dir, zu
deinem Ruheplatz, denn wir wollen dort Ruhe für unsere Seelen finden, wo du
ruhst, auf dass wir ruhen an deinem Herzen und du ruhst in uns. Denn unsere
Seelen, wie Augustinus sagt, finden keine Ruhe, bis wir die Ruhe in Gott
finden.
Weißt du es nicht, du Schönste der Frauen, so geh hinaus
zu den Spuren der Schafe und füttere deine jungen Ziegen bei den Hirtenhütten.
Weißt du aber nicht, o Seele, die du Gott suchst, wo Gott zu
finden ist, so geh zu den Hirten, zu den Pastoren, den Priestern Christi. Denn
wie willst du glauben, wenn dir das Evangelium nicht gepredigt wird? Und was
soll gepredigt werden als das Wort Gottes? Und wo wird das Wort Gottes
gepredigt? Es wird gepredigt in der heiligen Liturgie der Kirche, im
Wortgottesdienst. Aber das Wort Gottes wird dort recht gepredigt, wo es in dem
selben Geist gepredigt wird, in dem es verfasst worden ist, nämlich in dem
Geist der einen, heiligen, apostolischen und katholischen Kirche, die auf
Petrus gebaut ist und deren Ikone Maria ist. Wo die Christen sich versammeln,
dort sind die Spuren der Schafe, dort sollst du deine Zicklein, das sind deine
ungeordneten Neigungen, weiden, bei den Hirtenhütten, bei den Priestern der
heiligen Kirche, dort sollst du die Taufe empfangen, dort sollst du die Salbung
mit Heiligem Geist empfangen, dort sollst du die Absolution erlangen, dort
sollst du den Leib des Herrn empfangen, dort sollst du die Krankensalbung
empfangen, dort sollst du das Weihesakrament oder das Ehesakrament empfangen,
dort sollst du in der göttlichen Liturgie das Wort Gottes im Geiste der Apostel
empfangen. Diesen Weg weist dir der Geliebte, weil er dich liebt, denn in
seinen Augen bist du die Schönste der Frauen. Deine Schönheit kommt nicht aus
deiner Tugend, sondern sie liegt in den Augen des Geliebten. Weil der Bräutigam
dich mit grenzenloser Liebe anschaut, darum bist du schön in seinen Augen. Du
bist so schön in seinen Augen, dass er bereit ist, für dich zu sterben. Aber
wisse, wenn du betest, wirst du noch schöner werden in seinen Augen, so wie die
Blumen schön sind, wenn der Schnee geschmolzen ist. Füttere deine jungen Ziegen
bei den Hirtenhütten: Feiere die Heilige Messe andächtig und ehrfürchtig mit
und empfange in einer mystischen Kommunion als Seelenspeise Leib und Blut und
Seele und Gottheit Christi und nähre so das ewige Leben in dir!
Du, meine Geliebte, bist wie ein Roß vor Pharaos Wagen.
Meine Freundin gleicht
einer Stute, das mag manchem anstößig erscheinen. In der antiken Liebespoesie
ist es nichts ungewöhnliches. Darum zitiere ich hier Anakreon und zwar in der
Form, wie Puschkin ihn nachgedichtet hat: „O du junge wilde Stute, / Ehre des
kaukasischen Stalls, / Was jagst du herum, du Gute? / Deine Zeit kommt
ebenfalls; / Schau nicht scheel mit scheuen Blicken, / Wirf die Beine nicht
umher, / Auf des Hügels breitem Rücken / Springe nicht so kreuz und quer. /
Warte nur, bald gehst du leise / Unter mir, wie ich es will, / Und in
abgemessnem Kreise / Schreitest du im Zaume still.“
Deine Wangen sind so hübsch mit den Strähnen, dein Hals
mit dem Muschelkettchen. Wir wollen dir goldene Ringe gestalten mit
silbernen Perlentropfen.
Muschelkettchen
mit goldenen Ringen und silbernen Perlenschnüren trägt die Jungfrau – nämlich
die Perlenschnur des Rosenkranzes. Der Heilige Geist hat seiner Braut, der
immerwährenden Jungfrau Maria, ein Muschelkettchen der Schönen Liebe um den
Hals gehängt, goldene Ringe der mystischen Vermählung angelegt und eine
silberne Perlenschnur des immerwährenden Gebetes um den Arm geschlungen. So
erscheint die Jungfrau, die Unbefleckte Empfängnis, in Lourdes, in einem langen
seidenweißen Kleid, aus dem weißen Schleier quellen die kastanienbraunen
Locken, gegürtet ist sie mit einem meerblauen Gürtel und um den Arm geschlungen
hält sie den Rosenkranz. In Fatima erschien die Königin des heiligen
Rosenkranzes und forderte auf, täglich den Rosenkranz zu beten, zur Abwendung
eines neuen und noch schrecklicheren Weltkrieges. Und wenn heute Menschen guten
Willens den Dritten Weltkrieg verhindern wollen, so sollen sie nicht Steine
schmeißen, sondern den Rosenkranz beten. Papst Johannes Paul der Große nannte
den Rosenkranz sein Lieblingsgebet und sagte: Es ist wie bei einem Liebhaber,
der nicht müde wird, den Namen der Geliebten auszusprechen. Er zitierte auch
den Dichtergott Dante: Wer zu Gott fliegen will, der nehme die Flügel der
heiligen Jungfrau! In Fatima lehrten die drei Seherkinder auch die Kurzform des
Rosenkranzes: Ave Maria, Amen!
Als der König sich zu mir wandte, gab meine Narde Aroma.
Mein Geliebter ist mir ein Bund Myrrhe, der zwischen meinen Brüsten ruht. Mein
Geliebter ist mir ein Hennastrauch in den Weinbergen von Eyn Gediy.
Der König Christus
wandte sich an Martha, aber Martha hatte keine Zeit, der Weisheit des Königs zu
lauschen, sie war überbeschäftigt im Haushalt. Der König wandte sich an Maria
und Maria wählte das Eine, das Notwendige, sie lauschte der menschgewordenen
Weisheit. Dieselbe Maria von Bethanien war es, die Jesus salbte mit einem Glas
voll Nardenöl, im Wert des Jahreslohnes eines Arbeiters. Judas Iskariothes, der
ein Dieb war, nannte es Verschwendung, aber Jesus sagte: Die Armen habt ihr
allezeit bei euch, aber mich habt ihr nur jetzt. Sie hat mich für mein
Begräbnis gesalbt. Wo immer man das Evangelium predigt in der ganzen Welt, wird
man auch über das predigen, was Maria von Bethanien tat, als sie ihr kostbares
Nardenöl an mich verschwendete. - Mein Geliebter ist mir ein Beutel voll
Myrrhe. Das erinnert an die drei Magier aus Morgenland, die zur persischen
Priesterklasse gehörten und weise Männer waren, sie schenkten dem neugeborenen
König der Juden Gold, Myrrhe und Weihrauch: Gold, weil er der König war, Myrrhe
zur Verehrung seiner Passion und Weihrauch zur Anbetung seiner Gottheit.
Myrrhe, wenn es zerrieben wird, duftet süß. So Christus, der König, wenn er
zerrieben wird am Kreuz, so bringt er uns den Duft des ewigen Lebens. Dass
dieser Beutel mit Myrrhe nun zwischen den Brüsten der Freundin ruht, besagt,
dass der Gekreuzigte an ihrem Herzen ruht. So heißt es im Stabat Mater des
Jacopone da Todi: Mater Dolorosa, präge uns die Wunden deines Sohnes in unser
Herz ein! Warum aber ist der Geliebte ein Hennastrauch? Mit Henna färbten sich
die Frauen die Haare rot, mit Henna malten sie sich Ornamente auf die Haut.
Henna war ein Schönheitsmittel. Der Geliebte, nämlich der wie Myrrhe zerriebene
Gekreuzigte, der mit Nardenöl gesalbte Begrabene, der ist ein Schönheitsmittel
für die Braut, denn die Verdienste seines heiligen Leidens geben ihr die
Schönheit wieder in den Augen Gottes, jene Unschuld der paradiesischen
Schönheit oder reinen Nacktheit, die Eva im Paradiesgarten besessen hat, die
sie aber wegen jener hochberühmten Feige verscherzt hatte. Statt Hennastrauch
kann man auch Zypertraube sagen, denn auf Zypern wurde der Gott Adonis verehrt,
der starb und auferstand, und Adonai ist der wahre Adonis, der nicht jedes Jahr
wieder stirbt und aufersteht mit den Zyklen der Natur wie Adonis, sondern
Adonai starb einmal und erstand einmal von den Toten, und dies für alle
Geschlechter aller Menschen aller Zeiten.
So schön, meine Geliebte, du bist so schön, so schön bist
du. Deine Augen sind Tauben.
Die Braut-Kirche
hatte in ihrer Demut gesagt: Ich bin schwarz, aber schön. Der Bräutigam aber
sagt als ein leidenschaftlicher Liebhaber in seinem weißglühenden göttlichen
Eros: Du bist schön, meine Geliebte, siehe, du bist schön! Maria ist das
Urbild, die Ikone, das Ideal der Kirche. Gott grüßte sie durch den Engel mit
den Worten: Ave gratia plena! Gratia plena, das heißt, die du voller Gnade bist
und keine Sünde ist in dir, aber es heißt auch, die du voller Grazie bist und
bist vollkommen anmutig! Chaire Kecharitomene heißt auch: Freue dich, du
Liebreizübergossene! Maria wird von der Kirche auch Spiegel der göttlichen
Schönheit genannt, und zwar als die Makellose ist sie allein der fleckenlose
Spiegel der göttlichen Schönheit. Darum heißt sie auch: Tota pulchra
perfectissima, du ganz vollkommene Schönheit! Wir hören aber auch in den
überschwänglichen Worten des Bräutigams eine ganz leidenschaftliche Liebe, ein
Entzücken an der Schönheit der Jungfrau! Sie, die das Meisterwerk Gottes ist,
ist auch die Jungfrau Jerusalem, das Entzücken der Menschheit, die Wonne der
ganzen Welt! Und warum sind ihre Augen Tauben? Die Taube galt in den
altorientalischen heidnischen Mythologien als Vogel der Liebesgöttin. Die Taube
ist ein Symbol der ehelichen Treue und des leidenschaftlichen Liebesverlangens.
Das Gurren der Turteltaubenpaare im Frühling, ihr Picken und Schnäbeln, ihr
Flügelschlagen im Liebesspiel, bei dem sie die Fichtenwipfel krachen lassen,
ist ein Symbol für eine eheliche, treue, aber auch zärtliche und
leidenschaftliche Liebe. Die Braut schaut mit den Augen voller Liebe auf den
Bräutigam, weil er sie zuerst so angeredet: Siehe, du bist so schön, meine
Geliebte, du bist so unglaublich schön! Ich kannte einmal eine Christin, die
alles, was sie von Maria wusste, zusammenfasste in dem einen Satz: Sie ist so
unglaublich schön! Die Taube ist auch ein Symbol des Heiligen Geistes, denn als
wie eine Taube kam der Heilige Geist auf Jesus herab, sanft, wie das sanfte
Säuseln Gottes, friedlich, zärtlich, liebevoll und auf stille Art feurig. Maria
ist die Braut des Heiligen Geistes und als solche ist sie der Tempel des
Heiligen Geistes, ja, manche sagen kühn, sie ist quasi eine Menschwerdung des
Heiligen Geistes, und als solche ist der Heilige Geist zu ihrem eigenen Geist
geworden, und sie schaut gewissermaßen mit den Augen des Heiligen Geistes, mit
den Augen der sanften, treuen, zärtlichen, liebevollen und auf reine Art
feurigen Liebe.
Sehr schön, mein Geliebter, du bist sehr schön und
lieblich. Unser Lager ist grün. Zedern sind die Balken unseres Hauses, die
Bretter Zypressen. –
Sehr schön bist du, göttliches Kind, kleiner Menschensohn,
Jesulein von Nazareth! Wir schauen dich gerne an im Bilde des Prager Jesulein
und können uns nicht satt sehen, denn so war deine Schönheit – majestätisch,
lieblich, goldig, strahlend! Du lebtest unter der Obhut der Mutter und des
Pflegevaters und lerntest von dem Pflegevater das Zimmermanns-Handwerk. Mit
Brettern hast du ein Bett gebaut, mit Brettern und Balken von Zedern und
Zypressen. Im Garten hast du gespielt und in deinem Spiel unter den Augen des
himmlischen Vaters war der Garten mit den Lilien des Feldes dir ein
wiedergefundenes irdisches Paradies. O Paradies! O Paradies! So jauchztest du
und so jubelte deine Seele. Und der
Christ in gottloser Zeit, in der die Menschen lieblos und geistlos sind wie vor
der Sintflut, der sieht die Strahlen der Sonne über dem Garten und es rauschen
die Wipfel der Fichten und es singen die Lerchen und es gurren die Tauben und
der Christ gurrt über der Weisung des Herrn und aus allem ruft die absolute
Liebe ihm zu: O liebe mich! Ich, die absolute Liebe, ich will von dir, von dir
und allen, geliebt sein!
Ich bin eine Rose aus Scharon und eine Lilie im Tal.
Die Rose ist die
Blume der Liebe. Die rote Rose ist die Blume der blutigen Passion Christi. Die
weiße Rose ist die Blume der Reinheit Mariens. Die Scharonwiese ist eine
Blumenwiese in Galiläa. Maria ist die weiße Rose von Galiläa. Maria ist die
Rosa Mystica. Die Mystische
Rose sah Dante im Himmel, sie war das Paradies. Das Paradies ist der Schoß
Mariens. In der mystischen Rose sind die Seligen und Heiligen angeordnet nach
dem Grad ihrer Glückseligkeit, entsprechend dem Grad ihrer Gottesliebe auf
Erden. Und die Lilie im Tal, das ist die reine Jungfrau in ihrer Demut. Die
Kabbalisten sagen, die Lilie sei ein Symbol für die Gottesliebe der Heiligen,
denn der Kelch der Lilie sei sehr tief, so sei auch die Gottesliebe der Heiligen
auf Erden sehr tief. Manche übersetzen statt Lilie auch mit Blütenzwiebel, ein
Zeichen für mangelnden poetischen Geschmack. Wo die Lilie die reine
Jungfräulichkeit und Keuschheit anzeigt, zeigt die Blütenzwiebel die
Fruchtbarkeit an. Der Heilige Geist ist fruchtbar, zwar zeugt er keine vierte
Göttliche Person, aber er ist fruchtbar in Maria, da er in Marien
jungfräulichem Schoß das Haupt Christus bildet und auch den mystischen Leib
Christi, alle seine Glieder. Manche übersetzen Rose auch mit Narzisse, aber in
der römischen Ökumene ist die Narzisse befleckt durch die Überlieferungen des
Ovid, da der Jüngling Narzissus durch seine grenzenlose Eigenliebe in eine
Narzisse verwandelt wurde. Dagegen in der persischen Liebespoesie ist die
Narzisse die Blume des Liebesverlangens. Andere übersetzen Rosen und Lilien mit
Lotosblumen. Die wuchsen auch am Ufer des Nil, der Leviathan lag darin. Die
Lotosblume oder Lotos Nymphäa spielt in der indischen Mythologie eine große
Rolle, sie ist dort die Blume der Brautseele, da sie im schlammigen Teich der
Sünde wächst, aber oberhalb des Schlamms blüht und somit ein Symbol ist für die
spirituelle Reinheit, die sich aus der Befleckung der Welt erhoben hat zur
reinen Vermählung mit dem göttlichen Geist. So ist Maria natürlich die wahre
Lotosblume von Indien, denn sie ist die Unbefleckte, die von keinem Makel der
Erbsünde und von keiner persönlichen Sünde weiß und ganz rein ist und ganz
offen für die Vermählung mit dem Heiligen Geist.
Wie eine Lilie zwischen Dornbüschen, so ist meine Geliebte
inmitten der Töchter.
Wie eine Lilie zwischen Dornbüschen oder wie eine Lilie
unter Nesseln oder wie eine Rose unter Dornen, so ist meine Geliebte Maria
unter den Töchtern, den Frauen der Menschen. Denn Maria ist gesegnet unter den
Frauen, sie ist die Gnadenvolle, sie ist die Unbefleckte, frei von allem Makel
der Erbsünde und frei von aller persönlichen Sünde, sie ist die Makellose, die
Allgebenedeite. Verglichen mit der Schönheit Mariens sind alle sterblichen
Frauen hässlich. Verglichen mit der unschuldigen Taube Maria sind alle
sterblichen Frauen Schlangen und Skorpione. Verglichen mit der keuschen Lilie
Maria sind alle sterblichen Frauen Stacheln der Sünde. Verglichen mit der Rose
der Liebe, der Rose ohne Dornen, sind alle Frauen spitze und scharfe
Rosenstacheln. Maria ist die Ohnegleiche. Heinrich Seuse berichtet in seinem
Büchlein der Ewigen Weisheit, dass er in seiner Minnesehnsucht viele Minnedamen
umworben hat, aber alle waren für ihn wie schmerzliche Rosenstacheln, die ihn
durch ihre Lieblosigkeit, Kälte, Gleichgültigkeit und Herzenshärtigkeit nur
verletzt hatten, bis zu ihm seine ewige Minneherrin, die Ewige Weisheit sprach:
Ich habe dich vor allen diesen falschen Minnedamen bewahrt und dich errettet
aus den Schmerzen, die ihre Stacheln dir zugefügt hatten, weil ich dich für
mich wollte, ich selbst, die Ewige Weisheit, wollte deine wahre und einzige
Minneherrin sein, ich, die Rose ohne Dornen, rosa sine spina!
Ein Apfelbaum unter Waldbäumen ist mein Geliebter inmitten
der Söhne. Ich sitze im Schatten dessen, nach dem mich verlangt, und seine
Frucht ist meinem Gaumen süß.
Christus ist ein
Apfelbaum, der herrliche Äpfel der Unsterblichkeit bringt. Aber Krishna, Buddha
und Mohammed sind nur unfruchtbare Bäume, die keine Frucht bringen. Krishna
lehrt: Du musst viele Male wiedergeboren werden, auch als Pflanze oder als
Tier, bis du alle deine Sünden abgebüßt hast. Buddha lehrt: Du musst dich
selbst vernichten, bis du zum Nichts geworden bist, dann bist du erlöst von
deiner Existenz. Mohammed lehrt: Ihr müsst euch wie Sklaven vor dem
furchteinflößenden Herrn niederwerfen und zittern, ob ihr gerettet werdet. Aber
Christus starb für alle Menschen am Kreuz und bietet allen das ewige Leben an,
wenn sie es nur annehmen wie die Kinder ein Geschenk annehmen. Christus ist ein
Apfelbaum. Adam stand unter dem Apfelbaum in Eden und ließ sich von Eva den
Apfel (malum) reichen und mit dem Apfel des Übel (malum). Und so kam der Tod in
die Welt. Aber Maria ist der Lebensbaum des neu eröffneten Paradieses, sie ist
es, die den Namen Eva in das Ave umgewandt hat, und sie reicht Jesus den Apfel
der Liebe, Maria ist der Lebensbaum und Christus ist die Lebensfrucht. Und so
sitzen wir in dem Schatten Mariens, des Lebensbaumes, und empfangen Christus,
die Lebensfrucht, als Speise in der Eucharistie und wer den Leib Christi, der
Leibesfrucht Mariens, empfängt, der empfängt das ewige Leben. Wohin, sagt
Petrus, als die andern Jünger Christus verlassen, weil Christus gesagt hat:
Mein Fleisch ist eine wahre Speise, und als Christus die Apostel fragte: Wollt
auch ihr mich verlassen, da sagte Petrus: Wohin sollten wir sonst gehen? Du
allein hast Worte des ewigen Lebens. Und diese Frucht des Lebensbaumes, die
Jesus selbst ist, ist süß meinem Gaumen, denn der Name Jesu ist süßer als
Honig! Was ist süßer als Honig, fragte Simson, und Meister Eckard sagte: Süßer
als Honig ist die Idee des Honigs.
Er lädt mich zum Schaumwein in den Keller. Die Liebe ist
seine Fahne über mir. Er ruht mit mir bei Rosinenkuchen und breitet mich
inmitten von Äpfeln.
Er lädt mich zum Schaumwein in den Keller, denn Jesus ist
der Schenke der arabischen Mystik, der uns als unser Liebling in das Weinhaus
lockt und uns dort berauscht mit dem Wein seiner Liebe. Darum schrieb Hafiz,
dass er das Weinhaus dem Kloster und der Moschee vorzieht, denn im Weinhaus ist
der Schenke, der uns den feurigen Wein seiner feurigen Liebe einschenkt. Die
Liebe ist das Wirtshausschild. Wie andere Schenken vielleicht zum goldenen
Löwen heißen oder zum jungen Fuchs, so heißt dieses Weinhaus „Zur Liebe“. Was
ist dieses Weinhaus? Es ist die von Christus gegründete Kirche der Apostel, da
der Wein in Blut Christi verwandelt wird und als spiritueller Trank
ausgeschenkt wird. Dort wird in den puren Wein ein Tropfen Wasser gemischt, in
die ungemischte Gottheit Christi wird unsere Menschheit gemischt, damit wir so
eins mit Christus werden, wie das Wasser und der Wein sich vermischen –
unauflöslich! Man übersetzte den Vers von der Liebesfahne über der Geliebten
auch so: Er ordnet die Liebe in mir! Das gab den Begriff von der Ordnung der
Liebe. Die rechte Ordnung der Liebe ist es, Gott zuerst und über alles zu
lieben, und dann den Nächsten wie sich selbst. Wenn ein Mann eine Frau mehr
liebt als er Jesus liebt, so ist die Ordnung der Liebe gestört. Wenn Menschen
Frösche retten, aber es erlauben, Leibesfrüchte im Schoß ihrer Mutter zu
ermorden, so ist die Ordnung der Liebe gestört. Wenn ein Aufseher im
Konzentrationslager der National-Sozialisten seinen Schäferhund liebt, aber die
Juden verabscheut, so ist die Liebe nicht in Ordnung. Es ist aber der
Bräutigam, der in der ihm verbundenen Seele die rechte Ordnung der Liebe
wieder herstellt, die durch die ungeordneten Begierden gestört worden ist.
Ach, ich bin elend vor Liebe!
Ach, ich bin krank vor Liebe! Wer das je erfahren hat, das
er als Mann krank vor Liebe zu einer Frau war, der weiß, dass er als
Liebeskranker mit dem Gedanken an die Geliebte aufwacht, dass er jede Stunde
des Tages an sie denkt, dass er sich unaufhörlich in ihre Nähe sehnt, dass er
mit dem Gedanken an die Geliebte einschläft und im Traum von der Geliebten
träumt. Er ist von beständiger Sehnsucht nach der Vereinigung mit der Geliebten
erfüllt. Er verehrt sie als sein höchstes Ideal, er findet ihre Seele die
schönste der Welt und ihren Körper den reizendsten der Welt. Alle ihre Worte
sind ihm heilige Sprüche der Weisheit, und was sie liebt, das liebt er auch. So
geht es auch der Braut des Hohenliedes: Die Brautseele schläft mit dem Gedanken
an Gott ein, sie träumt von Gott prophetische Träume, wenn sie erwacht, beginnt
sie mit der heiligen Schriftlesung und dem Morgengebet, den ganzen Tag über
denkt sie an Gott und grüßt ihn in vielfältigen Stoßseufzern, sie legt sich
nicht schlafen, ohne gebetet zu haben und den Tag mit einem Wort der Schrift
abgeschlossen zu haben. Sie ist in beständiger Sehnsucht nach der mystischen
Kommunion und empfängt jeden Tag auf geistliche Weise den Leib des Herrn und
ist in freudiger Hoffnung auf die ewige Hochzeit mit Gott im Himmel. Was Gott verabscheut,
das verabscheut auch sie, und was Gott liebt, das liebt auch sie, und das Wort
Gottes in der Heiligen Schrift ist ihr eine unerschöpfliche Quelle der
Weisheit.
Sein linker Arm ruht unter meinem Haupt, sein rechter Arm
umfängt mich. Ich beschwör euch, ihr Töchter Jeruschalajims, bei den Gazellen
oder den Hirschkühen auf dem Lande, daß ihr meine Liebe nicht aufstört noch
aufwühlt, bis sie selber es mag.
Eine spanische Mystikerin schreibt in ihrem Buch „Die
Mystische Stadt Gottes“: „Bei diesen Ängsten erlitt Maria Ohnmachten, die ohne
Zweifel tödlich gewesen wären, wenn Gott sie nicht gestärkt und am Leben
erhalten hätte. Zur Belohnung für dieses treue, liebevolle Mitleiden befahl
unser gütigster Heiland den Engeln, seine Mutter zu beschützen und zu trösten.
Manchmal befahl er ihnen auch, ihr jene Loblieder zu singen, die sie selbst zu
Ehren seiner Gottheit und Menschheit verfasst hatte. Zuweilen hielt der Herr
selbst seine Mutter in den Armen und ließ sie in neuem Lichte erkennen, dass
das unheilvolle Gesetz der Sünde samt deren Wirkungen auf sie keine Anwendung
finde. Manchmal wurde sie, während sie in den Armen ihres Sohnes ruhte und die
Engel ihr voll Verwunderung Loblieder sangen, in hohe Ekstasen versetzt, in
denen sie neue und gewaltige Gnadeneinflüsse der Gottheit empfing. Da war denn
nach den Worten des Hohenliedes die Einzig-Auserwählte, die Vollkommene, auf
die Linke, das heißt auf die Menschheit ihres Sohnes gelehnt und von der
Rechten seiner Gottheit umfangen. Da beschwor ihr liebevollster Sohn und
Bräutigam die Töchter Jerusalems, seine Geliebte nicht aus dem Schlafe
aufzuwecken, bis sie selbst es wolle. Da staunten die höchsten Geister und
verherrlichten sie als die Gebenedeite unter allen Geschöpfen.“
Da ist die Stimme meines Geliebten. Siehe, er kommt, über
die Berge springt er, über die Hügel hüpft er. Mein Geliebter ist wie ein
Gazellenbock oder ein junger Hirsch. Siehe, da steht er hinter der Mauerwand
und starrt durchs Fenster und blickt durchs Fenstergitter. Mein Geliebter gibt
Antwort und spricht mir zu:
Ich kenne einen
Christen, der einmal pilgerte zu seiner fernen Geliebten, die er sich zur Braut
freien wollte. Er wanderte weite Weg und durchzog dunkle Wälder und kam über
grüne Hügel. Da legte er sich nahe dem Haus der Geliebten auf einem grünen
Wiesenhügel schlafen und träumte von der Geliebten (und die Geliebte träumte in
jener Nacht von ihm, dass sie sich seit Millionen Jahren kennen), und als der
Mann erwachte, stand eine Hirschkuh neben ihm und vom Rand des Fichtenwaldes
röhrte der Hirsch. So ist der Vers zu verstehen. Unsre Sehnsucht nach Gott ist
schon groß, fast reißt sie uns aus unsern Leibern zur himmlischen Ewigkeit,
aber Gottes Sehnsucht nach uns ist so unermesslich, dass der göttliche Sohn den
Schoß des göttlichen Vaters in der Umarmung des Heiligen Geistes verließ und
ein Sklave auf Erden wurde, verachtet, verhöhnt, verlacht, geschmäht,
angespuckt, gefoltert und ermordet, alles um seiner Braut willen, die er freien
wollte, die er heimholen wollte in die ewige Paradieslust im Schoß der
Gottheit! So groß ist die Sehnsucht des Bräutigams nach seiner Braut, dass er
den Liebestod freiwillig auf sich nimmt, für sie stirbt, um ihr das ewige Leben
in Glückseligkeit zu schenken. Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Jesus
geliebt haben (und wie armselig ist unsere kleine Liebe doch so oft), sondern
darin besteht die Liebe, dass Jesus uns zuerst geliebt hat! So kommt er zu uns
und steht vor der Tür und klopft an: Wer meine Stimme hört und mir die Pforte
seines Herzens aufmacht, zu dem werde ich eingehe und ich und der himmlische
Vater werden in ihm Wohnung nehmen und Mahl mit ihm feiern.
Erhebe dich, o meine Geliebte, o meine Schöne, und komm!
Sieh, es schwand die Regenzeit, die Schauer vergingen und sind fort. Die Blüten
blicken umher auf der Erde, die Zeit ist gekommen, zu hören ist die Turteltaube
im Lande. Die Feige hat Knospen entfaltet, die Weinstöcke geben Aroma und
stehen in Blüte.
O Zeit des Frühlings! Vierzehnter Nissan! Tag, an dem die
Schöpfung erschaffen wurde durch das Wort Gottes! Tag, an dem Israel aus
Ägypten geführt wurde! Tag, an dem Jesus von Maria geboren wurde! Tag, an dem
Jesus als Opfer für die gesamte Menschheit starb! Der Frühling, sagte eine
jüdische Dichterin, Prinz Jussuf, ist der Glaube Gottes, der immer wieder in
die Welt kehrt. Der Frühling, sagte Hölderlin, ist Gottes Melodie. Im Frühling
ist Maria Verkündigung, da Maria mit ihrem Ja zu Gott die Schuld Evas tilgte
und der neue Adam Jesus geboren wurde, da das Paradies wieder geöffnet wurde.
Der Frühling ist Pessach, Befreiung aus der Sklaverei der Sünde, des Teufels
und des Todes durch das Blut des Lammes. Der Frühling ist Ostern, Auferstehung,
da feiern wir wieder fröhliche Urständ! Stehe auf vom Schlafe, Geliebte, erhebe
dich von den Toten, denn Christus ist dein Licht! Der Frühling ist die Zeit der
Auferstehung, da die Regenschauer vergangen sind, denn Gott hat alle Tränen von
unseren Wangen abgewischt wie eine Mutter ihren Sohn tröstet! Der Frühling ist
die Zeit der Auferstehung, da die Stimme der Turteltaube zu hören ist im Lande,
das Lied der Liebe, da die Schöne Liebe alles in allen ist! Die Feigen haben
Knospen entfaltet, und Jesus sagt: Wenn ihr die Wehen der letzten Zeit seht,
Kriege und Naturkatastrophen und Hunger, Epidemien und Seuchen, dann erhebt
eure Häupter, denn eure Rettung naht! Denn wie die Feige Knospen entfaltet, so
wisst ihr, dass der Sommer vor der Tür steht, der Sommer der himmlischen Wonne,
der Sommer der Gnadensonne Christi, der Sommer des Paradieses, der Sommer des
Ozeans der Schönen Liebe, der Sommer der himmlischen Hochzeit!
Erhebe dich, o meine Geliebte, o meine Schöne, und komm!
Meine Taube im Schlupfwinkel, in der Felsspalte, laß mich schauen deine
Erscheinung, lauschen deiner Stimme, denn deine Stimme ist süß und deine
Erscheinung ist schön.
Der Bräutigam nennt seine
Braut: Meine Schöne, meine Taube! So nannte auch Heinrich Heine seine Geliebte:
Meine Eine, meine Reine, meine Feine, meine Lilie, meine Rose, meine Taube,
meine Sonne! Und der Bräutigam sagt: Komm heraus aus deinem Schlupfwinkel! Im
Garten Eden ging Elohim mit Adam und Eva in der Abenddämmerung spazieren, aber
nach der schlimmen Geschichte mit der Schlange und der Feige, versteckten sich
Adam und Eva vor Gott im Gebüsch und Elohim rief: Adam, wo bist du? Eva, wo
bist du? Komm hervor aus deinem Schlupfwinkel, meine Taube, komm hervor aus
deiner Felsspalte! Laß mich lauschen deiner Stimme! So sagte der barmherzige
Jesus zur mystisch begnadeten Schwester Faustyna: Deine Sprache ist mir lieb!
Gott fordert uns zum Gebet auf! Deine Sprache des Gebetes, meine Braut, ist mir
lieb, spricht der Bräutigam. Therese vom Kinde Jesu sagte: Das Gebet ist eine
Königin, die jederzeit Zutritt hat zum Palast des ewigen Königs! Ja, eine
Audienz beim Papst ist sehr schwer zu erreichen, aber eine Audienz beim König
aller Könige, beim Herrn aller Herren, beim Gott aller Götter ist jederzeit zu
erreichen! Ein Stoßseufzer und du bist beim Ewigen! Und fürchte dich nicht, den
Ewigen zu belästigen mit deinen kleinen Nöten, denn du bist mehr wert als viele
Spatzen und die Haare auf deinem Haupt sind vom Vater alle schon gezählt! Sage
ihm alles! Lege dich hin vor dem Allerheiligsten Altarsakrament und erzähle
Jesus alles, was dich heute bewegt hat, und der Herr wird dich trösten,
aufrichten, ermutigen und ermuntern und dich erleuchten!
Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse, die die
Weinberge uns zerstören, denn unsere Weinberge stehen in Blüte.
Was
sind die Füchse? Wer kennt nicht die Geschichten von Reinecke Fuchs? Er begehrte
die Gattin seines schlimmsten Feindes, des Wolfes Isegrimm, und besprang die
Wölfin Gieremund von hinten, als er sie in eine Spalte gelockt hatte, wo sie
feststeckte. Der Fuchs ist listig und begierig. Jesus erzählte auch Fabeln als
ein großer orientalischer Dichter, er sagte: Die Füchse haben Gruben, aber der
Menschensohn hat keine Stelle, wo er sein Haupt niederlegen kann. Und Jesus
sagte: Geht zu Herodes und sagt diesem Fuchs... Die Füchse, die wir fangen
sollen, das ist unsere Heuchelei und unsere Begierlichkeit. Die großen und die
kleinen Begierden zerstören den Weinberg, das ist die Seele der Braut. O Seele,
hüte dich vor den Todsünden, die dich von der Gnade Gottes scheiden, hüte dich
vor diesen Füchsen als da sind Mord an ungeborenem Leben und Ehebruch! Aber
hüte dich, o Seele, auch vor den kleinen Füchsen, vor den lässlichen Sünden!
Verwechsle lässliche Sünden nicht mit lässigen Sünden! Aber wenn du eine Sünde
begangen hast, so sei nicht zu stolz, sie einem Priester zu bekennen, der von
Jesus selbst die Vollmacht erhalten hat, dich im Namen Jesus von deinen Sünden
loszusprechen. Denn unermesslich ist die Barmherzigkeit des Herrn und er wird
deine Sünde versenken in den Tiefen des Meeres. Als eine Nonne Visionen vom
heiligen Herzen Jesu hatte und sie dies dem Priester mitteilte, wollte der
Priester die Nonne auf ihre Glaubwürdigkeit prüfen und so sagte er: Wenn du mit
Jesus sprichst, so frage ihn doch, was ich in meiner letzten Beichte bekannt
habe. Die Nonne fragte Jesus: Was hat der Priester in seiner letzten Beichte
bekannt? Und Jesus sagte: Ich weiß es nicht. Ich habe es vergessen.
Mein Geliebter ist mein und ich bin sein, er weidet in den
Lilien.
Ein mittelalterlicher
Minnesänger sang: „Ik bin din / Und du bist min, / Des sollt du gewiss sin. /
Du bist beslozzen / In minem herzen. / Verloren ist das slüsselin, / Du muost
immer drinne sin.“
Wenn der Tag sich aushaucht und die Schatten fliehen,
dann wende dich her und sei gleich einem Gazellenbock, mein Geliebter, oder
gleich einem jungen Hirsch auf den Scheidehügeln von Bether.
Wenn die Nacht hereinbricht, wenn die Nacht der Einsamkeit,
der Traurigkeit, der Verzweiflung, des Nichts hereinbricht, o Herr, dann
begegne mir nicht wie ein Panther, der die Gazelle reißt, dann begegne mir
nicht wie eine Bärin, der man die Kinder geraubt hat, dann begegne mir nicht
wie ein Wildstier, wutschnaubend, oder wie ein wilder Eber, aggressiv, sondern
begegne mir wie eine anmutige Gazelle oder ein sanftes Reh! Wenn die Nacht des
Todes hereinbricht, o Herr, dann begegne mir nicht als strafender Richter,
nicht als gerechter Herrscher in seinem Zorn, nicht als Pantokrator, sondern
komm zu mir in der Gestalt eines kleinen Kindes! Ich bitte dich, o Christus,
mein Herr und mein Gott, komm in meiner Todesstunde als göttliches Kind zu mir,
als goldgelocktes Jesulein! Die Kirchenväter sagten: Nichts ist so groß wie
Gott, denn Gott ist größer als alles! Aber der heilige Franziskus sagte: Nichts
ist so klein wie Gott, denn Gott ist kleiner als alles! Komm zu mir als kleiner
Knabe, mein Gott, wenn der Tag meines Lebens sich aushaucht und die Schatten
der Erde fliehen und die Nacht des Todes über mich hereinbricht!
In der Nacht, in meinem Bett, da schaut ich aus nach dem,
den meine Seele liebet. Ich schaute aus nach ihm, ich fand ihn aber nicht. Ich
wollte mich erheben und in der Stadt umherstreifen, auf den Plätzen und Straßen
Ausschau halten nach dem, den meine Seele liebet. Ich schaute aus nach ihm, ich
fand ihn aber nicht. Es fanden und sahen mich die Wachtmänner, die in der Stadt
umherstreiften. Sahet ihr den, den meine Seele liebet?
Dies ist die Nacht der Seele. Die Seele fühlt den geliebten
Gott nicht in ihren Leidenschaften, sie kann ihn nicht mehr denken in ihrem
Verstand, selbst der blinde Glaube ist eine Nacht, denn Gott ist eine dunkle
Nacht dem blinden Glauben. Wenn die Seele sich von Gott verlassen glaubt, so
sucht sie verzweifelt den Geliebten! Sie sucht ihn bei den Geschöpfen, aber in
ihrer Nacht findet sie den Geliebten nicht in den Geschöpfen. Sie sucht ihn bei
den Wächtern, bei den Gläubigen, bei den Priestern, aber sie findet Gott nicht
bei den Gläubigen, nicht bei den Mönchen und nicht bei den Nonnen und nicht bei
den Priestern. Sie findet Gott nicht in ihren Gebeten, sondern alle Gebete, die
sie zu Gott hinauf schreit, die kehren als scharfe Pfeile in ihr Herz zurück!
Kaum war ich an ihnen vorüber, da fand ich den, den meine
Seele liebet. Ich fasse ihn und lasse ihn nicht und bring ihn zu meiner Mutter
in der Mutter Haus, in das Zimmer derer, die mich einst empfangen.
Erst wenn die Seele ganz von aller anhänglichen Bindung an
die Geschöpfe durch die Nacht ihrer Gottverlassenheit gelöst ist und in die
Tiefe der Gottverlassenheit Christi am Kreuz hinabgestiegen ist und mit
Christus verblutet ist am Kreuz und mit Christus gestorben ist durch die
scharfe Lanze und geschrieen hat: In deine Hände gebe ich meinen Geist, und
dann hinabgefahren ist mit Christus in das Reich des Todes und dort gewandelt
ist unter den Schatten im Hades, dann erst wird sie mit Christus auferstehen
und dann erst wird sie den Geliebten glücklich umarmen und mit ihm gehen,
wohin? In das Haus der Mutter! Und wer ist diese Mutter? Die Kirchenväter
sagten, die Mutter im Hohenlied ist Gott!
Ich beschwör euch, ihr Töchter Jeruschalajims, bei den
Gazellen oder den Hirschkühen auf dem Lande, daß ihr meine Liebe nicht aufstört
noch aufwühlt, bis sie selber es mag.
Lasst, ihr andern Christen und Christinnen, lasst die Seele
in ihrer Seelenruhe, in der sie in den Armen Gottes ausruht von ihren Leiden!
Hetzt sie nicht gleich wieder in einen blinden Aktionismus hinein! Wenn sie
lange sich ausgeruht hat in den Liebesumarmung der Mutter, das ist Gott, dann
wird sie von selbst sich wieder in Liebe den Armen und den Kleinen zuwenden und
sie mit den Gaben ihrer Liebe überströmen.
Wer ist sie, die heraufsteigt aus der Wüste, wie eine
Säule Rauches, wie Räucherwerk von Myrrhe und Weihrauch und aromatischem Puder
des Händlers?
Wer ist es anders als die Jungfrau Kirche! Der Heilige Geist
geht der Jungfrau Kirche auf ihrer irdischen Pilgerschaft des Tags als
leuchtende Wolkensäule voran und des Nachts als brennende Feuersäule. Die
Jungfrau Kirche hat das heilige Salböl aus Myrrhe des Gekreuzigten und Narde
des Heiligen Geistes, die Jungfrau Kirche allein hat den heiligen Weihrauch,
das sind die Gebete der Heiligen, die Tag und Nacht zum Thron des Herrn
emporsteigen. Die Heilige Kirche ist es, die zu jeder Stunde des Tages und der
Nacht und um den ganzen Erdball gegürtet Gebete zu Gott aufsteigen lässt. Die
Priester und die Gottgeweihten und viele betende Laien beten Tag und Nacht
Gebete der Anbetung und des Lobpreises, des Dankes und der Bitten und die
heilige Jungfrau Kirche schließt alle Armen und alle Kleinen in ihre Gebete
ein, alle Einsamen, alle Leidenden, alle Kranken, alle Sterbenden und die
Toten! Die heilige Jungfrau Kirche betet für die ganze Menschheit Tag und Nacht
auf der ganzen Erde und schließt die ganze Schöpfung in ihre Gebete ein! Sie
ist es, die die Kinder tauft und salbt, die Jünglinge und Jungfrauen salbt mit
Heiligem Geist, die in wundervollen Gottesdiensten den Altar und die Heilige
Schrift und die Gemeinde segnet mit dem kostbaren Weihrauch, die die Kranken
und die Sterbenden salbt und die Priester und die Bischöfe salbt! Die heilige
Jungfrau Kirche ist ein herrliches Salböl des Heiligen Geistes, ein Weihrauch
der Gebete der Gemeinschaft der Heiligen, ein Wohlgeruch des Lebens denen, die
gerettet werden, und denen, die verloren gehen, ein Gestank des Todes!
Rund um den Diwan Schelomohs sind sechzig Mächtige von
den Mächtigen Jisraels. Schwerter tragen sie alle, Schwerter, und sind
unterrichtet im Kampf. Ein jeder Mann trägt sein Schwert an seiner Seite, gegen
den Terror der Nacht.
Der Diwan Salomos ist der Thron Christi, um seinen Thron
sind die Jungfrau Maria, die Engel und die Heiligen, und alle zusammen führen
einen Krieg gegen das Böse. Wie kämpft die Jungfrau Maria gegen das Böse? Nicht
mit dem Schwert in der Hand, sondern mit dem Schwert im eigenen Herzen! Ihr
mystisches Mitleiden mit dem Leiden Christi steht dem Retter bei im Kampf gegen
das Böse. Dies alles sind die Mächtigen Israels, denn Israel ist der
Gotteskrieger. Schwerter tragen sie alle und sind unterrichtet im Kampf. Der
Erzengel Michael wird auf allen Bildern dargestellt mit dem Schwert, mit dem er
den Drachen, das ist Satan, durchbohrt. Im zwölften Kapitel der Apokalypse
sehen wir den Erzengel Michael kämpfen gegen den Drachen, die alte Schlange,
die den Messias-Sohn der Jungfrau-Mutter vernichten will. Und wer kennt nicht
den heiligen Georg? Er ist der Patron aller Krieger, denn mit dem Schwert
bekämpfte er den Drachen, der die Prinzessin verschlingen wollte. Was ist aber
dieses Schwert? Es ist gewiss nicht eine Atombombe, sondern es ist das Wort
Gottes! Christus erscheint in der Apokalypse und aus seinem Mund geht das
Schwert des Wortes Gottes hervor, das zweischneidige Schwert, das, wie Paulus
sagt, die Seele vom Leib zu scheiden vermag. Jesus brachte nur dieses Schwert,
das Schwert des Wortes, das Schwert der Entscheidung. Mohammed dagegen
verbreitete seine Religion mit dem konkreten Schwert des Krieges, mit
menschlicher Gewalt. Welch ein Unterschied zwischen dem Friedefürsten Jesus und
dem Kriegsherrn Mohammed! Unsere Liebe Frau, bitte für die Muslime!
Der König Schelomoh ließ sich eine Sänfte bauen aus Holz
vom Libanon: die Säulen sind gefertigt aus Silber, die Stützen aus Gold, die
Sitzkissen sind aus rotem Purpur. Geschmückt ist das Innere, liebevoll
geschmückt, ihr Töchter Jeruschalajims.
Der Thron Salomos wird im Buch der Könige oder im Buch der
Chronik so geschildert: Sechs Stufen führten zu diesem Thron herauf, zu beiden
Seiten der Stufen standen insgesamt zwölf Löwen, der Thron war von Elfenbein
und an der Rücklehne des Thronsitzes war ein Lamm angebracht. Dies ist der
Thron des Lammes, die zwölf Apostel stehen zu seinen Füßen. Der Thron Salomos
ist der Thron der göttlichen Weisheit! Wer ist der Thron der göttlichen
Weisheit? Es ist die Mutter Maria, auf deren Schoß sitzt als kleiner Knabe die
göttliche Weisheit. O sedes
sapientiae!
Töchter, kommt heraus und schaut, ihr Töchter von Zion,
schaut den König Schelomoh mit dem Kranze, mit dem ihn kränzte die Mutter am
Tag seiner Hochzeit, am Tage des Jubels seines Herzens!
Protestanten hörte ich, die sagten zu den Christinnen: Ihr
seid alle Söhne in dem Sohn! Und die Christinnen fragten: Sind wir nicht
Töchter? Ja, sag ich, ihr seid Töchter, denn hier im Hohenlied werdet ihr als
Töchter bezeichnet, Töchter in der Einen Tochter, der Tochter Zion, der Kirche,
welche ist die Tochter Gottes! Wer aber ist
die Tochter Zion? Und wer ist die Jungfrau Synagoge? Es ist die Jungfrau
Maria von Nazareth, die den Messias Israels geboren hat! Denn das Heil kommt
von den Juden und der Heiland ist geboren ex Maria Virgine! Ein
mittelalterlicher Theologe aber sagte: Wenn Christus der Sohn Gottes ist, wenn
Christus nun die Ewige Weisheit ist, ist die Ewige Weisheit dann die Tochter
Gottes? Und die Kirche nennt Maria die erstgeborene Tochter Gottes! Ja, Tochter
des Vaters ist sie, die die Mutter des Sohnes ist und dieselbe ist die Braut
des Heiligen Geistes. Und du, o Christenseele, sagte der Dichter Ben Jonson,
sollst wie Maria auch sein die Tochter des Vaters, die Mutter des Sohnes und
die Braut des Heiligen Geistes. So kommt also, ihr Töchter Zions, ihr Töchter
der heiligen Mutter Kirche, und schaut den Bräutigam Christus in seiner Krone,
in seinem Hochzeitskranz! Und welches ist die Krone des Messias? Ist sie eine
Kaiserkrone aus Gold und Edelsteinen? Nein, es ist die Dornenkrone seiner
Passion, denn der Tag seiner Hochzeit, das ist der Tag, an dem er für die
Töchter Zions den Liebestod starb, um sie vom ewigen Tod zu erlösen und zur
himmlischen Hochzeit einzuladen! Und wer hat ihm diese Krone verliehen, die
Krone des Bräutigams der Seelen? Das war seine Mutter! Und wie wir schon
sagten, ist die Mutter des Hohenliedes Gott der alleinige und einzige Vater der
Liebe!
So schön, meine Geliebte, du bist so schön, siehe, sehr
schön bist du! Deine Augen unter deinem Schleier sind Tauben. Deine Haare sind
eine Herde junger Ziegen, die am Berge Gilad lagern. Deine Elfenbeinzähne sind
eine Herde geschorener Schafe, die aus dem Wasser heraufsteigen, schön gepaart,
und keines fehlt. Deine Lippen sind eine scharlachrote Linie, dein Mund ist
schön. Deine Schläfen unter deinem Schleier sind Scheiben vom Granatapfel. Dein
Hals ist wie Davids Turm, Davids, gut gebaut: Waffen und tausend Schilde,
Waffen und Schilde der Mächtigen hangen daran. Deine beiden Brüste sind
Hirschkühe, sind Gazellen, die in Lilien weiden.
Maria, du bist die ganz vollkommene Schöne, die tota pulchra
perfectissima, die Ikone der göttlichen Schönheit, der unbefleckte Spiegel der
Urschönheit! Deine Augen unter deinem Schleier sind liebevoll wie Liebestauben,
sanft und friedlich und voller Liebe wie der Heilige Geist, der die Seele
deiner Seele ist! Du trägst in allen Erscheinungen deinen Schleier, denn du
bist die Braut Gottes, und das Wesen der Frau ist es, ein Schleier Gottes zu
sein und eine Ikone des Mysteriums Gottes! Deine Haare sind eine Herde junger
Ziegen, die den Berg Gilad herabwallen, denn die Ziege heißt im Hebräischen die
Haarige, und deine langen schwarzen Haare gleichen den schwarzen Haarigen, die
herabwallen. Wer die langen schwarzen Haare Mariens sehen will, der beschaue
das nicht von Menschenhand gemachte Bildnis der Jungfrau von Guadelupe in
Mexiko! Die langen Haare sind ein Ausdruck der erotischen Qualität der Braut.
So hat die ägyptischen Liebesgöttin Hathor lange Haare. So zeigt man zwar
Paulus, den Brautwerber, mit einem kahlen Kopf, aber Christus, der Bräutigam,
hat immer eine mächtige Lockenmähne und einen vollen Bart, denn er ist der
erotische Bräutigam! Mariens Zähne sind von Elfenbein und keiner der Zähne
fehlt, denn Maria ist unversehrt, ihre Zähne sind frisch gebadet und stehen
immer paarweise da. So kommen ihre heiligen Worte aus einem perfekten, wie
Homer sagte, Gehege ihrer Zähne. Die Lippen sind eine scharlachrote Linie, eine
karmesinrote Schnur, und ihr Mund ist lieblich! Ich hörte einmal einen
Madonnenmaler, der sagte, der Mund dürfe nicht zu rot sein, aber die Seher von
Medjugorje fragten die Madonna, ob sie sie küssen dürften? Ja, sagte
die Madonna, ihr dürft mich küssen! Und so geht denn in Frieden, meine Engel,
auf Wiedersehen! Mariens Wangen sind rosig blühend wie die Scheiben vom
Granatapfel. Waffen hängen an ihrem Halse, und da erinnere ich noch einmal an
die Jungfrau von Guadelupe, sie eroberte Amerika nicht mit den Waffen der
spanischen Eroberer, sondern mit einem Halskettchen und einer wundertätigen
Medaille an ihrem Hals, denn die Indianer sahen, dass die Jungfrau das Zeichen
des Kreuzes an ihrem Halse trug! Und die Brüste Mariens? Es würde zu weit
führen, alles zu sagen, was man von den Brüsten Mariens sagen könnte! Sie spenden
Caritas und Sapientia! Sie spenden Milch den Kindern und starken Wein den
Weisen! Sie spenden das alte und das neue Testament! Und Augustinus sah in
einer Vision den blutenden Christus und die milchspendende Madonna vor sich und
wusste nicht, wohin sich wenden! Und die Theologen des Mittelalters sagten: O
Seele, wenn du ins Jüngste Gericht kommst, dann bitte die Jungfrau, ihre Brüste
zu entblößen und zu sagen zu Jesus: Mein Sohn, bei diesen meinen bloßen
Brüsten, an denen du getrunken hast, erinnere ich dich daran, dass diese Seele
ein Mensch von Fleisch und Blut auf Erden gewesen ist und kein reiner Engel!
Und Jesus wird auf die Brüste Mariens schauen und sich für dich, o Seele, beim
gerechten Vater verwenden!
Wenn der Tag sich aushaucht und die Schatten fliehen,
wandle ich zum Myrrhenberge und zum Weihrauchhügel.
Was ist der Myrrhenberg und was ist der Weihrauchhügel?
Johannes vom Kreuz sagte, der Myrrhenberg sei das aktive Leben der
Nächstenliebe und der Weihrauchhügel sei das kontemplative Leben der alleinigen
Anbetung Gottes.
Du bist schön, o meine Geliebte, ganz makellos! - Vom
Libanon, meine Braut, vom Libanon komm, mit mir vom Libanon, komm herbei vom
Gipfel des Amanah, vom Gipfel des Shenyr und Chermon, von den Lagerplätzen der
Löwen und den Bergen der Leoparden.
Ich hatte mich gerade zu
Christus bekehrt, als der Geist mir eine frühchristliche Schrift zu lesen gab,
darin der Heimgang der seligen Jungfrau Maria besungen ward. Maria lebte
vielleicht sechzig oder siebzig Jahre lang auf Erden, aber als ihr Heimgang
nahte und alle Apostel um sie versammelt waren, da nahte der himmlische
Christus der scheidenden Jungfrau, und es war ihr Seele wie ein
sechzehnjähriges Mädchen, blühend schön! Und es sagte Christus zum Mädchen:
Veni sponsa mea! Komm, meine Braut! Herab vom Libanongebirge, wo die Wölfe der
Geldgier leben und die Löwen der Machtgier und die schwarzen Panther des
Lustgier! Komm zu mir in den Himmel! Und so nahm der himmlische Bräutigam die
Jungfrau Maria in einem Kuss von der Erde hinweg und transformierte sie zur
Himmelskönigin!
Du hast mir geraubt mein Herz, o meine Schwester, o meine
Braut, mit einem einzigen Blick, mit einer gewissen Halskette deines Halses.
Du, gläubige Seele, hast dem Gott der Liebe das Herz
gestohlen! Sein Herz legt er in deine Hände! Seinen Leib legt er in deinen
Mund! Er nennt dich seine Schwester, er, der Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit,
nennt dich, die du Staub vom Staube bist und Asche von der Asche, deine
Schwester, und er will dein liebender Bruder sein! Er nennt dich, wie der
altägyptische Liebesdichter seine Geliebte seine Schwester nennt, seine
Schwester, seine Braut! Denn wie ein Mönch in der jungen Frau seine Schwester
sehen soll, denn die Schwester liebt man, aber man begehrt sie nicht, so sieht
der Bräutigam in der Seele seine Schwester, denn er begehrt sie nicht mit
egoistischer Begierde, um seine Lust zu befriedigen, sondern er liebt sie mit
selbstloser schenkender Liebe, er nimmt ihre ganze Person, ihre originale
Persönlichkeit an! Nun aber nennt er sie Braut, aber in dem keuschen Sinn einer
Schwester-Braut! Er liebt ihre Person, er liebt ihre Art zu denken und zu
fühlen, er liebt ihren Geist, ihre Seele, ihre ganze Erinnerung von der
Empfängnis bis zum Tod, er liebt auch ihren Leib, den er selbst bereitet hat im
Schoß ihrer Mutter, im Schoß der Materie, er will ihr einen auferstandenen Leib
schenken! Er liebt sie und zwar in alle Ewigkeit! Und er will sich mit ihr
vermählen! Gott, der allumfassende Geist, der transzendente Ewige, der Schöpfer
des Universums, der Unerforschliche, Namenlose, ganz andere Gott will sich mit
dir, der gehauchten Seele, vermählen, denn Gott ist Liebe und Liebe will die
Einigung mit dem Geliebten! Gott liebt dich und bittet dich um deine Liebe! Gott, dem du das Herz geraubt hast, er wird
zum Bettler um Liebe vor dir! Und er will nicht nur den Glauben von dir, er
will nicht nur die Nachfolge von dir, er will nicht nur den Gehorsam von dir,
er will nicht nur dein Gebet und deine Hoffnung, er will Vereinigung mit dir!
Er will in dich eingehen, er will sich mit dir vereinen, und er will, dass ihr
in unauflöslicher Einheit lebt, in einem mystischen Einssein!
O wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, liebe Braut!
Dein Lieben ist besser als Wein. Das Aroma deiner Öle übertrifft alle
Balsamdüfte. Deine Lippen, liebe Braut, sind tropfender Wabenhonig. Milch und
Honig sind auf deiner Zunge. Der Duft deines Kleides duftet wie der Duft des
Libanon.
Eigentlich müsste man sagen: O wie schön ist deine göttliche
Liebe, mein Bruder und mein Bräutigam Gott! Deine göttliche Liebe ist besser
als der berauschende Wein der irdischen Freuden! Die Salbung deines Geistes ist
süßer als der Duft des Frühlings, als das Parfüm der Frauen! Dein Name, o
Jesus, ist süßer als Honig! Dein Wort, o Jesus, ist süßer als die Idee des
Honigs! Der Duft deiner Menschheit ist lieblicher als der Duft der ganzen Welt!
– So wäre es angemessen! Aber nun verkehrt der göttliche Bräutigam die Dinge
und schreibt alle seine göttlichen Tugenden der Braut zu! Er erquickt sich an
ihrer Liebe! Gott freut sich an der Liebe des Menschen! Gott berauscht sich an
der Liebe des Menschen! Für Gott ist der Christ ein Wohlgeruch! Seine Lippen,
von denen die Gebete tropfen, sind süß wie Honigmilch für Gott! Das Parfüm der
Braut ist für Gott betörender als der Duft des ganzen Frühlings der Welt! Welch
eine Anerkennung der Würde des Menschen, die Seele darf Partnerin Gottes sein!
Und wo Gott der Gegenstand des Entzückens der Seele ist, da ist die Seele
Gegenstand des Entzückens Gottes! Und so sagt der Herr im Propheten Jesaja: Wie
sich ein Mann an seiner Freundin berauscht und sich entzückt an der Schönheit
seiner Geliebten, so entzückt, o Seele, ist Gott von dir!
O Schwester, o Braut, du bist ein verschlossener
Lustgarten, ein verschlossener Brunnen, eine versiegelte Quelle. Deine
Pflanzung ist ein Paradies von Granatapfelbäumen mit köstlichen Früchten, Henna
und Narde, Narde und Safran, Kalmus und Zimt, Weihrauchsträuchern und Aloe,
Myrrhe und allerbestem Balsam. Eine Quelle, eine Welle lebendiger Wasser, die
vom Libanon fließen, bist du. Erwache, Nordwind, und komm, du Südwind, und
hauch in meinen Garten, daß meine Balsamen tropfen.
Ein evangelischer Seelsorger sagte einmal über die Männer:
Für den Mann ist der Körper der Geliebten ein Paradies! Und der Dichter Claudel
sagte: Die Frau ist für den Mann die Verheißung des Paradieses, und das ist
ihre Gnade! Und es ist auch ihre Gnade, dass die Frau selbst diese ihre
Verheißung des Paradieses nicht selbst erfüllen kann! Die Frau nämlich öffnet
den Mann auf Gott hin. So ist es ja auch von Gott gedacht, der Eva schuf, damit
sie Adam eine Hilfe sei, nämlich in dem Sinne, wie Gott Adams Hilfe ist, so
dass Eva dem Manne zu Gott hin hilft! Wer ein Mann ist und eine Frau geliebt
hat, weiß, was Salomo hier sagt: Der Leib der Geliebten ist wie eine
Lilienwiese, ihre Augen sind blaue Veilchen, ihre Lippen sind rote
Rosen, ihr Duft ist Moschus oder Jasmin, ihre Haare sind wie Hennablumen, ihr
Schoß ist eine Lotos Nymphäa, sie selbst ist die Rose am Herzen Gottes! Sie ist
ein Garten, die Frau ist ein Garten, und zwar ein Garten Eden, ein
Lustgartenparadies, ihr Leib ist Beth-Eden, ein Freudenhaus! Sie selbst ist die
Verheißung des Paradieses, des wieder gefundenen Gartens Eden! Darum auch
Mohammed das Paradies darstellte als eine Schar von blühend schönen Jungfrauen,
liebreizend und zur Liebe bereit! Darum auch der heilige Grignion von Montfort
sagte: Der arme Lazarus, der auf Erden voller Beulen und Geschwüre war, die von
den Hündinnen geleckt wurden, der von den Reichen verhöhnt wurde, der ruht nach
Jesu Worten in Abrahams Schoß! Abraham ist der Vater des Glaubens im alten
Bund, aber im neuen und ewigen Bund ist Maria die Mutter des Glaubens, denn
selig ist sie, die geglaubt hat, was Gott ihr sagen ließ, wie Elisabeth
preiste. Darum werden die Erlösten von nun an im Himmel ruhen im Schoß Mariens!
Und Grignion sagte: Wie viel seliger ist doch als im Schoße Abrahams die Ruhe
im Schoß Mariens! Denn Maria ist das Lustgartenparadies, die himmlische
Jerusalem, die mystische Stadt Gottes, in der die Menschen guten Willens selig
leben werden!
Mein Geliebter, komm in den Garten und iß die köstlichen
Früchte. - In den Garten kam ich, liebe Schwester, o Braut, in den Garten.
Myrrhe und Balsam pflückt ich, Seim und Waben aß ich, Milch und Süßwein trank
ich.
Komm, Geliebter, in deinen Garten! So rief die Jungfrau
Israel: Sende, o Herr, deinen Messias zu deinem auserwählten Volk herab! So
ruft die Kirche als Braut Christi: Komm, o Herr, in deiner eucharistischen Gegenwart
auch heute zu uns! So ruft die Seele täglich im Gebet: Komm, o Herr, und bleibe
bei mir! Komm, o Herr, in meine Seele durch deine Gegenwart in der Eucharistie
in meinem Herzen! Und so ruft die Kirche als Braut mit dem Heiligen Geist bis
zum Ende der Zeiten: Komm, o Herr, in deiner Parusie und bringe herauf Friedensreich des Messias! – Und der
Bräutigam antwortet auf dieses Flehen seiner Menschheit und sagt: Ich kam, ich
komme und ich werde kommen, denn ich bin der, der war und der ist und der
kommen wird! Ich kam in meiner ersten Ankunft in Bethlehem, ich komme in meiner
mittleren Ankunft in jeder Eucharistie und ich komme in meiner zweiten Ankunft
als der Richter der Lebenden und der Toten bald wieder! Und so wie die Seele
zum Herrn sagt: Deine Myrrhe und deinen Balsam will ich pflücken, o salbe mich
mit dem Geist! Deine Honig will ich speisen, o nähre mich mit deinem süßen
Wort! Deine Milch und deinen Wein will ich trinken, o fülle mich mit deinem
kostbaren Erlöserblut und mit deiner auferstandenen Menschheit in der
Kommunion! So wie die Seele dies zum Herrn spricht, so spricht der Bräutigam
erneut in einer Verkehrung der Dinge das selbe auch zur Braut: Deine Salbung
will ich pflücken, dein Leben und Beten im Heiligen Geist, deinen Honig will
ich speisen, die süßen Worte deiner Gebete, und deinen Wein will ich trinken,
denn – o Wunder, in jeder Kommunion verzehrt die Braut den Bräutigam, aber – o
Wunder, der Bräutigam verzehrt auch die Seele! Lege auf den Altar der Wandlung
deinen Leib und dein Blut, deine Seele und deinen Geist, dein ganzes Leben, und
Christus, den du speisen darfst, wird dich verspeisen und in sich aufnehmen!
Ja, kühn ich, du wirst eine eucharistische Speise für den Herrn, deinen Gott!
Goethe dichtete einmal ein Liebeslied für Charlotte von Stein: „Bin so in Lieb
zu ihr versunken, / Als hätt ich von ihrem Blut getrunken!“ Und dies sagt
Christus zu dir, o Seele: Bin so in Liebe zu dir versunken, als hätte ich von
deinem Blut getrunken!
Eßt, meine Lieben, und trinkt, meine Gefährten, und
werdet trunken vor Liebe!
Kommt, meine chinesischen Brüder und Schwestern, kommt,
meine afrikanischen Brüder und Schwestern, kommt, meine französischen Brüder
und Schwestern, kommt, meine südamerikanischen und nordamerikanischen Brüder
und Schwestern und speiset den Corpus Christi, das Sakrament der Liebe, und
berauscht euch an der Schönen Liebe, berauscht euch an der Ewigen Liebe! Und
wenn ihr euch berauscht an der Ewigen Liebe, dann werdet ihr in
heilig-nüchterner Trunkenheit Propheten und Apostel der Ewigen Liebe zu allen
Geschöpfen werden und werdet ewig jubilieren im Paradies der Ewigen Liebe!
Schlafend war ich, mein Herz jedoch war wach. Da war die
Stimme meines Geliebten: Öffne, meine Geliebte, o Schwester, o Täubchen, o du
Vollkommene! Mein Haupt ist voll Nachttau, meine Locken voll Nachttropfen. -
Mein Unterkleid hab ich schon ausgezogen, sollt ichs wieder anziehn? Meine Füße
hab ich schon gebadet, sollt ich sie wieder beschmutzen? – Mein Geliebter streckte seine Hand durchs Loch der Pforte, meine
Inneres war sehr aufgewühlt. Ich erhob mich, meinem Geliebten zu öffnen. Meine
Hände tropften von Myrrhe am Riegel des Schlosses. Ich öffnete meinem
Geliebten, tat ihm auf, da hatte sich abgewandt mein Geliebter, hatte sich
abgewandt und war fortgegangen.
Es ist die Nacht der
Seele. Die Seele träumt von der Liebe. Hier sind die erotischen Bilder gehäuft:
Sein Haupt ist voll Nachttropfen – sie hat ihr Unterkleid schon ausgezogen und
hat schon gebadet – der Geliebter legt die Hand ans Loch der Pforte – ihr Schoß
drängte ihm entgegen – ihre Hand tropft von Salbe am Griff des Riegels – alles
ist nahe vor der Vereinigung – aber dann ist der Geliebte fort! Verschwunden!
Nun ist sie ganz allein in ihrer Nacht und ruft: Mein Gott, mein Gott, warum
hast du mich verlassen? – Aber wenn die Seele sich von Gott verlassen fühlt,
kann es doch zugleich der Zustand intimster Nähe sein, in Wahrheit, aber nicht
in ihren Gefühlen. Die Gottverlassenheit bereitet die Seele vor auf eine
wirklich vollzogene Vereinigung der Seele mit Gott. Wer die Gottes-Ehe
anstrebt, die Unio Mystica, der wird durch die Einsamkeit Christi im Garten
Gethsemane und die Gottverlassenheit Christi am Kreuz selbst hindurchmüssen.
Meine Seele war außer sich, als er gesprochen. Ich suchte
ihn, ich fand ihn aber nicht, ich rief ihn, aber er gab keine Antwort. Mich
fanden und schlugen die Wachtmänner, die umherstreiften in der Stadt, sie
schlugen mir Wunden, die Wachtmänner auf der Mauer, sie raubten mir meinen
Schleier.
Wenn die Seele sich von Gott verlassen fühlt, dann schreit
sie zu Gott, doch alle ihre Gebete kommen wie Pfeile in ihr Herz zurück. Gott
erfährt sie als den schweigenden Gott. Da sie aber nicht aufgeben kann, Gott zu
suchen und einen Beweis seiner Liebe zu erlangen, sucht sie ihn bei den andern
Geschöpfen und fragt ihre Freunde: Hast du Gott gesehen? Wo ist er? Wo kann ich
ihn finden? Aber in der Regel, wenn Gott die Seele durch die Nacht der
Gottverlassenheit führen will, um sie vorzubereiten auf eine intimere
Vereinigung, dann schweigen auch alle Geschöpfe, dann schweigen die Freunde,
ja, oft geschieht es, dass das Reden der anderen Gläubigen wie ein Hohn und
Spott für die leidende Seele ist. So ging es auch Hiob mit seinen Freunden.
Dann erfährt die Seele, dass sie bei den Wächtern, bei denen sie Trost gesucht,
nur Schläge findet und sie ihr den Schleier ihrer Brautschaft zerreißen, das
heißt, sie mit ihrer Lieblosigkeit vergewaltigen!
Ich beschwör euch, ihr Töchter Jeruschalajims: Findet ihr
meinen Geliebten, dann erklärt ihm, daß ich elend bin vor Liebe, elend!
Nun fleht die Seele noch einmal die andern Christen an: Geht
und betet für mich! Meine Gebete dringen nicht durch die Wolken! Vielleicht
erhört der Herr eure Gebete? Ihr seid ja nicht krank und elend vor Liebe, ihr
müsst also im Besitz des Bräutigams sein und könnt so eure große intime
Vertrautheit mit dem Bräutigam dazu verwenden, für mich Fürbitte einzulegen!
Und sagt dem Bräutigam, dass ich krank bin vor Liebe, elend vor Liebe, ja,
meine Liebe ist eine Krankheit zum Tode und ich sehne mich danach, abzuscheiden
und beim Herrn zu sein! Ich schreie zum Bräutigam: Herr, wann sterbe ich, dass
ich nicht mehr diese tausend Tode sterben muss?
Wie ist dein Geliebter inmitten der Lieben, o du Schönste
der Frauen? Wie ist dein Geliebter inmitten der Lieben, daß du uns derart
beschwörst?
Nun wird aber
gerade der Christ, der sich doch von Gott verlassen fühlt, nach seinem
Geliebten gefragt: Wer ist denn der Gott, dem du auch dann noch vertraust, wenn
er dich verlässt und dich krank vor Liebe einsam zurücklässt? Was ist das für
ein Gott, den du dir aus den Göttern allen erwählt hast? Wer ist denn dieser
Gott Israels, dass er der alleinige Gott sein soll? Was ist er denn mehr als
die hunderttausend hinduistischen Götter? Wer ist denn dieser Messias, wegen
dem du liebeskrank bist, dass du ihn so sehr suchst in deiner
Gottverlassenheit? Sag uns, was das für ein sonderbarer Gott ist, dass du sogar
bereit bist, ihn zu lieben, selbst wenn er dich zur Hölle auf Erden verdammt!
Mein Geliebter ist glühend und frisch, Erster unter
Myriaden. Sein Haupt ist reines Gold. Die Locken seines Hauptes sind gelockt
wie Dattelrispen und schwarz wie Raben. Seine Augen sind Tauben an
Wasserbächen, sie sind in Milch gebadet, sie sitzen am Teichrand. Seine Wangen
sind Gartenterrassen, wo Balsam blüht. Seine Lippen sind Lilien, tropfend von
fließender Myrrhe. Seine Hände sind goldene Ringe mit gelbem Jaspis. Sein
Inneres ist kunstreich geziertes Elfenbein mit eingelegtem Lapislazuli. Seine
Beine sind Marmorsäulen auf Fußgestellen aus fein geläutertem Gold. Seine
Erscheinung ist wie des Libanons erwählte Zeder. Sein Gaumen ist Süßigkeit,
sein Mund begehrenswert. So ist mein Geliebter, mein Geliebter ist so, ihr
Töchter Jeruschalajims.
Mein Gott ist der Gott aller Götter! Mein Gott ist die
Urschönheit, die Quelle alles Schönen! Der Messias ist der Schönste unter allen
Menschensöhnen! Nur die göttliche Schönheit kann mich noch retten! Was für eine
Schönheit kann allein mich noch retten? Die göttliche Schönheit, die auch das
Leiden umarmt! Prinz Jussuf, der Dichter sagte: Könnte ich Gott einmal schauen,
nur den Mond an Seiner Hand! Und Teresa von Avila sah einmal in einer Vision
Gott den Herrn und sagte: Ich wäre bereit, bis zum Ende der Zeit alle
erdenklichen Leiden zu erleiden und tausend Leben voller Leiden zu leben, um
nur noch Einmal diese Hand Gottes zu sehen!
Wohin ist denn dein Geliebter gegangen, o du Schönste der
Frauen? Wohin hat sich dein Geliebter gewandt? Wir suchen ihn mit dir.
Welche Ironie! Die
von Gott verlassene Seele hatte sich doch an ihre Freunde gewandt, dass die
Freunde ihr sagten, wo der Bräutigam sei! Aber jetzt sagen die Freunde zur
gottverlassenen Seele: Wenn einer weiß, wohin Gott gegangen ist, so bist du es!
Suche du den verborgenen Gott, so wollen wir mit dir suchen. Wenn ihn einer
findet, dann bist du es!
Mein Geliebter ging hinab zu den Gartenterrassen, zu den
Blumenbeeten, zu weiden im Garten und Lilien zu pflücken.
Und tatsächlich, die Seele, von Gott zur Ehe auserwählt, sie
weiß, wohin der Geliebte gegangen ist. Er kam herab in den Garten, er stieg vom
Himmel, vom Schoß des Vaters, verließ seine göttliche Glückseligkeit, um
einzukehren in den Garten der Braut und in den Blumen zu weiden. Wahrlich, da
ist er wieder! Er will sich an ihr weiden! Er will sich weiden an den
Tautropfen ihrer Tränen, an den Rosen ihres blutenden Herzens, an den Lilien
ihrer Entsagung, an den Veilchen ihrer Erniedrigung, an den Lotosblumen ihrer
spirituellen Liebessehnsucht! Sie wollte sich an ihm weiden, den sie so lange
vermisst hat! Aber er wollte sich auch an ihr weiden! Er nennt sie: Mein
Augapfel! Meine Augenweide! Meine Augenlust! Ich will mich an deiner Liebe
berauschen!
Ich bin meines Geliebten und mein Geliebter ist mein, der
in den Lilien weidet.
Und jetzt sind die
Seele und ihr Gott wieder vereint in dem Ostergarten ihrer Liebeseinheit! Jetzt
wird die geprüfte Freundin von ihrem Geliebten wieder umfangen! Und jetzt, nach
den schrecklichen Qualen der Verlassenheit – und wer weiß, was der Herr
gelitten hat in dieser Zeit? – sind sie noch tiefer vereint, so dass sie sagen
kann: Totus tuus ego sum! Ich bin ganz dein mit allem, was ich bin und habe!
Und du bist mein! Du bist nicht nur der Gott aller Götter, sondern du bist auch
mein Gott! Und so lieben sie sich und das Lamm weidet in der Lilienaue.
Du bist schön, o meine Geliebte, wie Tirzah, herrlich wie
Jeruschalajim, mächtig wie Heeresscharen.
Maria, du bist schön wie
die Stadt der Anmut, schön wie die Stadt des Friedens, du bist die mystische
Stadt Gottes, du bist die himmlische Jerusalem! Du bist mächtig wie
Heeresscharen, darum nennen wir dich unsere Heerführerin und Siegerin in allen
Schlachten Gottes! Wie kämpft die Armee Mariens? Der Diktator Stalin spottete:
„Wie viele Divisionen hat denn der Papst?“ Was aber tat der Papst Pius XII? Er
weihte die Menschheit dem Unbefleckten Herzen Mariens! Was tat der Papst
Johannes Paul II? Er weihte die Völker des russischen Landes dem Unbefleckten
Herzen Mariens! Und was tat die blaue Armee Mariens? Sie schmuggelte in das
kommunistische Reich Bibeln und Ikonen! Und so wurde der Kommunismus zu Fall
gebracht! Maria, Siegerin in allen Schlachten Gottes! Wir sind deine Soldaten,
deine Miliz, Maria! Und du gibst uns fünf Steine in die Steinschleuder, um
gegen Goliath den Riesen zu kämpfen: Die Eucharistie, das Gebet, die Bibel, die
Beichte und das Fasten.
Wende deine Augen, wende sie ab, sie wühlen mich auf!
Deine Haare sind eine Herde junger Ziegen, die am Berge Gilad lagern. Deine
Elfenbeinzähne sind eine Herde geschorener Schafe, die aus dem Wasser
heraufsteigen, schön gepaart, und keines fehlt. Deine Schläfen unter deinem
Schleier sind Scheiben vom Granatapfel.
Christus spricht zur
Seele: Deine Augen wühlen mich auf! Ich bin ganz betört von deiner Schönheit!
Ja, wahrlich, Christus ist zum Narren seiner Liebe geworden! Er, die göttliche
Weisheit selbst, ist zum göttlichen Narren geworden aus Liebe zu dir, o Seele!
Was anderes ist es als göttliche Torheit, sich ans Kreuz schlagen zu lassen,
und dir die Himmelspforte zum Paradiese aufzuschließen? Und so soll es auch
deine höchste Weisheit sein, ein wahrer Narr in Christo zu sein!
Sechzig Königinnen, achtzig Konkubinen, Jungfraun ohne
Zahl - aber Eine ist mein Täubchen, meine Vollkommene, der Mutter reine
Tochter, Erwählte ihrer Gebärerin. Töchter sahen sie und lobten sie als
Gesegnete, und Königinnen und Konkubinen rühmten sie. Wer ist sie, die
niederschaut wie die Morgenröte, milde wie der Mond und rein wie die Sonne und
herrlich wie die Sternenscharen?
Menschlich
gesprochen ist der Messias Jesus im Himmel wie König Salomo in seinem Harem!
Alle Jungfrauen, Bekenner, Märtyrer, Apostel und Propheten sind seine Bräute,
alle sind sie Jungfrauen in der einen heiligen Jungfrau Kirche, der himmlischen
Jerusalem, die Hochzeit feiert mit dem Bräutigam Jesus! Aber Eine ragt aus
allen heraus, und das ist die Jungfrau Maria, Jungfrau der Jungfrauen, Königin
der Propheten und Königin der Apostel, Königin aller Heiligen und Königin der
Engel! Sie ist die Eine, die auserwählt wurde von ihrer Mutter, nämlich dem
himmlischen Vater, die Allgebenedeite zu sein, mehr gesegnet als alle anderen
Frauen! Und diese Jungfrau Maria ist die wahre Morgenröte oder Aurora, die dem
Aufgang der Sonne der Gerechtigkeit, nämlich Christus, vorausgeht, sie ist die
apokalyptische Frau, die auf dem Monde steht, gekleidet in das Licht der Sonne,
gekränzt mit einem Kranz von zwölf Sternen! Und diese allerseligste Jungfrau
Maria wird von allen Söhnen und Töchtern der wahren Kirche von Generation zu
Generation selig gepriesen, wie sie es selbst in ihrem Magnifikat prophezeit
hat.
In den Park hinab, in den Nußgarten ging ich, dort zu
schauen das frische Grün an den Bächen und ob die Granatapfelbäume blühen und
die Weinstöcke treiben.
In den Nussgarten ging
ich, das deuten die jüdischen Mystiker der Kabbala so, dass der Nussgarten den
Thron Gottes bezeichnet. Denn die Weisen verglichen das Innere einer Walnuß der
Thronvision des Propheten Hesekiel.
Ich weiß nicht, wie mich meine Seele setzte aufs
Triumphgefährt meines willigen Volkes.
Maria wird von ihrem willigen Volk, von ihren gläubigen
Kindern, auf den Triumphwagen gesetzt und in tiefster Devotion und gebührender
Hyperdulie verehrt. So sehen wir die katholischen Völker wetteifern in der Verehrung
der Gottesmutter.
Komm wieder, komm wieder, Schulammyth! Komm wieder, komm
wieder, daß wir dich schauen! - Was wollt ihr sehen tanzen Schulammyth den Tanz
im Lager von Mahanajim?
Wir wollen Sulamith
tanzen sehen den Hochzeitstanz im Doppel-Lager! Das Doppel-Lager ist Mahanajim
am Jabbok, wo Heerscharen Engel lagern. Denn Sulamith tanzt den Tanz der Engel!
David tanzte nackt vor der Bundeslade den heiligen Tanz! Rumi mit Derwischen
tanzte noch auf den Gräbern in dem Glauben an die Auferstehung! Nach Dante
tanzen und lachen die Heiligen und die Engel im Himmel! In den Isis-Mysterien
spricht man von dem Schleiertanz der Göttin der Weisheit, die mit sieben
Schleiern verschleiert ist und im Schleiertanz (wie Salome vor Herodes)
Schleier um Schleier ablegt. Und Johannes vom Kreuz sprach von der
verschleierten Gottheit, die Schleier um Schleier ablegt, die göttliche Liebe
behält den letzten Schleier um, und der Liebhaber der göttlichen Liebe bittet
um einen baldigen Tod, da dann der letzte Schleier fällt, und so sagt der
brennende Liebhaber der göttlichen Liebe: Reiße rasch den letzten Schleier
herunter!
Schön sind deine Füße in den Sandalen, Prinzessin! Deine
Schenkel biegen sich wie zwei Juwelenspangen, Werke der Hände eines Künstlers.
Dein Schoß ist ein runder Kelch, dem nie der Mischwein mangelt. Dein Leib ist
ein Weizenbündel, umkränzt von Lilien. Deine beiden Brüste sind zwei Zwillinge
von Rehen oder Gazellenkitzen. Dein Hals ist ein Elfenbeinturm. Deine Augen
gleichen den Teichen von Heschbon am Tor von Bath Rabbym. Deine Nase gleicht
dem Türmchen auf dem Libanon, der sein Antlitz wendet gen Dammaseq. Dein Haupt
gleicht dem Karmelberge. Die Haare deines Hauptes sind Purpur, ein König liegt
in deinen Locken gefangen. O wie schön und süß bist du, o freudenreiche Liebe!
Deine hohe Gestalt gleicht der Dattelpalme. Deine Brüste gleichen den Trauben
des Weines. Sprach ich: Die Dattelpalme will ich ersteigen, ihre Rispen fassen.
Deine Brüste seien mir Trauben des Weinstocks, der Duft deines Hauches sei mir
Duft von Äpfeln und dein Gaumen mir wohlschmeckender Wein, der weich dem
Geliebten eingeht, die Lippen des Schlafenden lieblich bewegt.
Schön sind deine
Füße in den Sandalen, Fürstentochter! Ein Seher sah einmal die Madonna und
kniete vor ihr nieder und bat sie inbrünstig, ihr die Füße küssen zu dürfen.
Die Madonna lächelte und er küsste ihr inbrünstig die Füße. – Dein Schoß ist
ein runder Kelch, dem nie der Mischwein fehlt! Ein Dichter übersetzte einmal:
Dein Becken ist wie ein Becher... Mariens Schoß enthielt ja Christus, und
Christus vergoss sein Blut für uns, und dieses heilige Blut wird uns im Kelch
des neuen und ewigen Bundes gereicht zur Kommunion, und es ist ein Mischwein,
denn in den göttlichen Wein wird ein Tropfen menschlichen Wassers gegossen, so
dass sich Gottheit und Menschheit unauflöslich vermischen. Dein Leib ist ein
Weizenbündel, umkränzt mit Lilien! Ich kenne einen Christen, der einmal mit
einem kleinen Knaben an einem goldenen Weizenfeld spazieren ging. Am Rande des
Weizenfeldes blühte weiße Schafgarbe und roter Wildmohn und blaue Kornblumen,
und der Christ sprach zu dem Knaben: Schau, so schön ist Maria! Und der Knabe
sprach: Maria ist wie reines Gold! Deine beiden Brüste sind wie Zwillinge von
Gazellenkitzen! Ja, die Mutter Gottes hat Zwillinge geboren und nährt Zwillinge
an ihren hüpfenden Brüsten, nämlich Christus und den Christen! Dein Hals ist
ein Elfenbeinturm! Die Madonna hat nicht nur einen schlanken langen
Schwanenhals, sie ist gewissermaßen der Hals selbst, denn Christus ist das
Haupt der Kirche und die Kirche ist der mystische Leib Christi, aber die
Gottesmutter ist der Hals, durch sie fließen alle Gnaden Christi in den
mystischen Leib Dein Haupt gleicht dem Karmelberge! Ja, der Karmel, sagt man,
ist Maria selbst! Die Karmeliter und Karmeliterinnen sind Mariens bevorzugte
Kinder! Sie leben ganz die Kontemplation, das Gebet, die Mystik des Kreuzes und
die Anbetung der göttlichen Liebe! Gut unterrichtet im Glauben ist, wer Teresa
von Avila, Johannes vom Kreuz, Therese von Lisieux und Edith Stein studiert und
von ihnen gelernt hat. Ein König liegt in deinen Locken gefangen! Ja, fesselnd
ist die Madonna für Gott und Gott selbst begab sich in ihre Gefangenschaft. Er,
der Geist ist, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit, ging ein in den Schoß einer
Jungfrau. Deine Brüste gleich den Trauben des Weines! Von Mariens Brüsten nie
genug! Sie ernährt den Sohn Gottes, und Augustinus sagte: Gott wollte Mensch
werden, weil er einmal an den Brüsten einer Frau trinken wollte! Und Mariens
Brüste strömten nicht nur die Milch der göttlichen Liebe dem heiligen Bernhard
von Clairveaux in den Mund, sondern auch andere nährte sie mit dem starken Wein
ihrer Brüste! Und so lieben wir die Brüste Mariens mehr als den Wein, der
nachts in uns eingeht und uns schlafen macht und noch im Schlaf vom Lied der
Liebe murmeln.
Ich bin meines Geliebten, sein Verlangen ist nach mir. –
Die menschliche Seele hat sich ganz dem allmächtigen
Schöpfer anvertraut, ihrem Herrn, sie ist sein Eigen. Aber sie weiß auch, wem
sie sich anvertraut hat, nämlich dem Gott, der sie liebt. Dieser Gott ist nicht
ein unbeweglicher Gott, der sich von den Menschen anbeten lässt, von den
Menschen geliebt wird, aber selbst nicht lieben würde, wie es der Gott des
Aristoteles war. Sondern dieser Gott ist, wie das Alte Testament sagt, ein
leidenschaftlich liebender Gott, ein eifersüchtiger Gott, ja, sogar, wie die
Propheten sagten, ein begehrender Gott, ein Gott, der die Seele liebt und auch
von Verlangen nach ihrer Liebesantwort erfüllt ist. Dieser leidenschaftlich
liebende Gott sehnt sich nach Liebesvereinigung, nach Liebesaustausch, nach
Liebeseinheit mit der Seele. Dieser Gott der Liebe ist Caritas oder Agape,
selbstlos schenkende Liebe, ja, aber er ist, wie die Mystiker sagen, auch Eros,
ein begehrender Gott, der zur Einheit mit der Seele drängt.
Komm, Geliebter, wandeln wir aufs Feld und schlafen unter
Henna! Früh auf zu den Weinbergen, da zu schauen, ob der Weinstock gedeiht und
die Granatapfelbäume blühen. Dort will ich dir Liebe geben. –
Bevor es vergessen wird: Thomas von Aquin schrieb sein
gesamtes Leben lang theologische und philosophische Schriften, er gilt als der
größte Theologe und Philosoph des katholischen Mittelalters. Als er aber auf
dem Sterbebett lag, hatte er eine Begegnung mit Gott, danach sagte er: Alles,
was ich über Gott geschrieben habe, ist Stroh! Gottes Liebe steht im Hohenlied!
Gottes Liebe steht im Hohenlied, ja, nun ist für die Christen die Liebe Gottes
eine dreifaltige Liebe: Die erste Person der Gottheit ist der Liebende, die
zweite Person der Gottheit ist das Geliebte, und die dritte Person der Gottheit
ist die Liebe zwischen der ersten und der zweiten Person. Nun sagen aber die
jüdischen Mystiker der Kabbala, dass das Hohelied ein innergöttliches Lied der
Liebe sei. Der Sephirot der Herrlichkeit, das ist Jahwe, liebt den Sephirot der
Schechinah, das ist Gottes Königreich auf Erden. Jahwe liebt die Prinzessin
Schechinah, und wie Salomo Sulamith liebt, so liebt Jahwe seine Prinzessin
Schechinah, und wie Sulamith den König Salomo liebt, so liebt die Prinzessin
Schechinah den Herrn der Herrlichkeit, Jahwe. Kann man dann als Christ sagen:
So wie Salomo seine Sulamith liebt und wie Sulamith ihren Salomo liebt, so
lieben sie der Liebhaber und der Geliebte in der dreifaltigen Gottheit? Aber zu
unserem Vers: Die Seele will mit dem Geliebten auf den Weinberg gehen, der
Weinberg ist die Kirche, dort will die Seele ihrem Geliebten ihre Liebe, ihre
ganze Liebe geben! Ja, Seele, hast du Christus als deinen Herrn angenommen?
Hast du ihm schon deine ganze Liebe gegeben? Hast du ihm schon die Herrschaft
über alles gegeben? Hast du ihn schon zum Herrn über deine Sexualität gemacht?
Hast du ihn schon zum Herrn über dein Geld gemacht? Ist er der Herr an jedem
neuen Tag? Ist er der Herr über deine Zeit? Hast du seine Herrschaft über deine
Sterbeart und deine Todesstunde anerkannt? Ist er der Herr deines ewigen
Schicksals? Gib dich ganz hin und weihe ihm alles!
Die Liebesäpfel geben ihr Aroma. Vor unserm Tor sind viele
köstliche Früchte, mein Geliebter, aufbewahrt hab ich dir frische, vorjährige
hab ich dir aufbewahrt. –
Die Braut hat Äpfel aus dem vorigen Jahr und Äpfel aus
diesem Jahr für den Geliebten gesammelt. So sagte Jesus: Wenn ein
Schriftgelehrter Jünger des Himmelreichs wird, so ist er wie ein Hausvater, der
aus seinem Vorrat Altes und Neues hervorholt. Wenn ein Bibelkundiger Jünger
Jesu wird (und nicht jeder, der die Bibel liest, ist ein Jünger Jesu), dann
bringt er in das Reich Gottes, in das Königreich des Königs Christus den ganzen
Schatz des Alten und des Neuen Testaments ein. Origenes sagte: Das Alte
Testament ist für mich nicht alt, weil ich es in Hinsicht auf Christus lese,
und das Neue Testament schildert keinen historischen Jesus, der vor vielen
hundert Jahren lebte, sondern es ist immerwährende Gegenwart.
Ach wärest du mein Milchbruder, der am Busen meiner Mutter
gesogen! Fänd ich dich draußen, ich wollt dich küssen, und niemand dürfte mich
verachten. Ich wollt dich führen und bringen ins Haus meiner Mutter, die mich
unterwiesen. Ich wollt dich tränken mit würzigem Wein und dem Süßmost meiner
Granatäpfel. –
Maria ist die Mutter Christi, das ist allgemein anerkannt,
aber Christus hat einen mystischen Leib, das ist die Kirche, die Gemeinschaft
der Christen, die alle Glieder am mystischen Leibe Christi sind. Christus ist
das Haupt und die Kirche ist der Leib. Nun wird aber keine Mutter allein ein
Haupt gebären, sondern die ganze Person. Der Totale Christus aber ist nach
Augustinus das Haupt Christus mit dem mystischen Leib Christi, der Kirche,
zusammen. So ist Maria auch die Mutter der Kirche, Mutter des mystischen Leibes
Christi. Wenn wir Brüder und Schwestern Christi sind, dann ist Gott unser Vater
und Maria unsre Mutter. Wenn Christus unser Milchbruder ist, dann werden wir von
den gleichen Brüsten Mariens genährt. Maria nährt uns mit dem Wort Gottes, die
eine Brust ist das alte Testament, die andere Brust ist das neue Testament,
Maria nährt uns mit der göttlichen Liebe, der einen Brust, und mit der
göttlichen Weisheit, der anderen Brust. Maria ernährt die Kinder Gottes mit der
Milch der Liebe Gottes und die, die ihre Reife und das Vollalter Christi
erreicht haben, die ernährt Maria an ihrer Brust mit dem Wein der mystischen
Vereinigung. Wir sollten alle ins Haus der Mutter gehen und uns von der Mutter
Gottes tränken lassen mit würzigem Wein und dem Süßmost ihrer Granatäpfel. Dazu
ist die Mutter Gottes auch Mutter aller Menschen, dass sie uns ernährt, wie sie
Christus ernährt hat. Und wie der Heilige Geist den Menschen Jesus im Schoß
Mariens gebildet hat, so will der Heilige Geist auch die Christenmenschen
bilden im Schoß Mariens.
O, sein linker Arm liegt unter meinem Haupt, sein rechter
Arm umfängt mich. Ich beschwör euch, ihr Töchter Jeruschalajims, daß ihr meine
Liebe nicht aufstört noch aufwühlt, bis
sie selber es mag.
Die Seele und ihr göttlicher Bräutigam ruhen in intimer
Liebesumarmung. Das ist ein Vorgeschmack der himmlischen Seligkeit schon auf
Erden. Die Seele bittet ihre Freunde und Freundinnen, sie aus dieser Seligkeit
und aus diesem Genießen Gottes nicht aufzustören, bis sie von selbst aufwacht
und von der Liebe des Geliebten gestärkt, gerne auch wieder zu den Geschöpfen
geht. Denn die selige Ruhe im Schoß Gottes und das Genießen der göttlichen
Liebe ist noch nicht alles, sondern die genossene Liebe will überfließen und
sich ergießen zu den andern Geschöpfen.
Wer ist sie, die heraufkommt aus der Wüste und sich an
den Geliebten anlehnt?
Das Volk Israel war
vierzig Jahre in der Wüste, bis es ins Verheißene Land kam. In der Wüste gab
der Herr dem Volk sein Gesetz. In der Wüste wurde das Volk mit Himmelsbrot
ernährt und mit Wasser aus dem Felsen getränkt. In der Wüste machte das Volk
intensive Gotteserfahrungen. Der Prophet Elias ging vierzig Tage durch die
Wüste, bis er zum Horeb kam, wo ihm Gott begegnete in einem sanften Säuseln.
Jesus war vierzig Tage in der Wüste und fastete, bevor er seinen öffentlichen
Dienst antrat. In der Wüste ist das Judentum entstanden, in der Wüste ist das
Christentum entstanden. Auch der Islam ist in der Wüste entstanden. Auch der
Christ, der sich ernsthaft in die Schule Jesu begibt, wird durch die Wüste
geführt. Diese Wüste ist eine Zeit, da er den Genuß Gottes verloren hat. Er hat
den Geschmack am Gottesdienst verloren. Alle seine Gebete glichen mehr
Schreien, doch der Himmel scheint verschlossen. Keins seiner Gebete, scheint
ihm, wird erhört. Hier ist blinder Glaube gefordert, festhalten an Gott, obwohl
man Gott nicht mehr fühlt. Vielleicht fühlt man sich von Gott verlassen, aber
dann ist man mit Christus in der Wüste der Gottverlassenheit. Wenn die Seele
aber aus der Wüste wieder hervorkommt – gelehnt an ihren Geliebten – wenn sie
die Prüfung bestanden hat und im Leiden treu ausgeharrt hat, dann kommt sie mit
einer vertieften Gottesbeziehung aus der Wüste, bereit zu einer neuen
Gottesbegegnung, bereit zu einem segensreicheren Dienst.
Unterm Apfelbaume hab ich dich aufgeweckt: deine Mutter
hat dich dort empfangen, deine Mutter hat dich dort empfangen und geboren.
Johannes vom Kreuz deutet den Vers vom Apfelbaum auf Eva.
Eva hat unterm Apfelbaum auf das Wort des gefallenen Engels gehört, hat Nein zu
Gottes Wort gesagt, und so die Sünde und den Tod in die Welt gebracht. Maria
als die neue oder zweite Eva hat auf den Engel Gabriel gehört, hat Ja gesagt
zum Wort Gottes und hat uns das Heil gebracht, nämlich ihren Sohn, den
menschgewordenen Gott. Christus, den neuen Adam, hat seine Mutter Maria, die
neue Eva, unter dem Apfelbaum geboren. So wurde das Paradies, das nach dem Fall
Adams und Evas verschlossen wurde, von der neuen Eva und dem neuen Adam wieder
geöffnet, der Weg zum Baum des Lebens im Paradies Gottes steht wieder offen!
Drück mich wie ein Siegel an dein Herz, mich wie ein
Siegel an deinen Arm. Liebe ist mächtig wie der Tod, und Eifersucht ist grausam
wie die Hölle. Der Liebe Flamme flammt wie eine lichte Flamme Gottes!... Auch
viele Wasser können die Liebe nicht auslöschen, noch Ströme sie ertränken. Gäbe
ein Mensch auch allen Reichtum seines Hauses für die Liebe, so wär das doch verachtenswert.
Die Liebe ist stark wie der Tod – oder, wie man auch sagen
kann: Die Liebe ist stärker als der Tod! Mit diesem Vers auf den Lippen gingen
Juden in die Gaskammern der national-sozialistischen Vernichtungslager. Wie
kann man beweisen, dass die eigene Liebe zu Gott so stark ist wie der Tod? Das
beweist sich, wenn man stirbt für Christus, die Märtyrer hatten eine Liebe
stark wie der Tod. Als im ersten Jahrhundert nach Christus ein Jude von den
heidnischen Römern gefoltert wurde und schließlich umgebracht, rief er: Nun
kann ich beweisen, dass meine Liebe stark wie der Tod ist! Und Eifersucht ist
grausam wie die Hölle? Meistens übersetzt man: Und die Leidenschaft ist hart
wie die Unterwelt! Aber wieso ist die Leidenschaft hart, wieso ist sie hart wie
die Unterwelt? Ich gestehe, dass ich das nicht verstehe. Es sei, denn, es sei
ein Parallelismus zum Vers davor: Die leidenschaftliche Liebe zu Gott schreckt
nicht vor dem Totenreich zurück! Und es ist ja nicht nur die Liebe des Menschen
zu Gott, sondern auch Gottes Liebe zum Menschen ist stark wie der Tod,
schließlich wurde der unsterbliche Gott in Jesus ein sterblicher Mensch, um
stellvertretend für alle Menschen den Tod zu sterben und ihnen so das ewige
Leben zu erwirken. Die leidenschaftliche Liebe Jesu zur Menschheit ließ ihn
nicht davor zurückschrecken, nach seiner Kreuzigung in das Reich der Toten
hinabzusteigen und die Toten zu erlösen! Der Liebe Flamme ist eine Flamme
Gottes – und hier steht das einzige mal im Hohenlied der Name Gottes: Jah! Jah
offenbarte sich auf dem Horeb dem Mose als eine Feuerflamme, die im Dornbusch
brannte, das war die Flamme der Liebe Gottes! Die Liebe stammt von Gott, denn
Gott ist die Liebe, und die Liebe ist der Weg zu Gott, und die Seligkeit werden
wir uns verdienen durch die Hingabe an die göttliche Liebe! Und die Ewigkeit
wird ein Eintauchen sein in das Meer der Ewigen Liebe, in den Schoß der
dreifaltigen Liebe! Diese Liebe Gottes kann keiner vernichten, kein Teufel und
kein Tyrann! Diese Liebe Gottes kann man sich nicht für Geld kaufen, so wie man
überhaupt sich die Liebe Gottes nur schenken lassen kann, denn darum sollen wir
wie Kinder werden, die nichts haben, aber sich gerne beschenken lassen. Das ist
das Evangelium Jesu: Seid wie Kinder und lasst euch beschenken von der
göttlichen Liebe, denn sie will euch das ewige Leben schenken!
Unsere Schwester ist klein und hat noch keinen Busen. Wie
sollen wir tun der Schwester, wenn der Tag der Werbung kommt? Ist sie eine
Mauer, bauen wir einen silbernen Mauerkranz auf ihr; ist sie eine Pforte,
riegeln wir sie zu mit Zedernbalken.
Die Braut ist die
Kirche, ihre kleine Schwester ist die Synagoge, sie hat noch keine
vollaufgeblühten Brüste, sie ist noch nicht geschlechtsreif, denn sie ist noch
nicht bereit, den Messias als Bräutigam zu empfangen. Sie erwartet einen
Messias, der in Zukunft kommen soll, dabei ist der Messias schon gekommen, der
Bräutigam ist schon da! Die Kirche aber hat sich mit dem Bräutigam verlobt.
Ich bin eine Mauer, meine Brüste sind Rundtürme.
Die Brüste der Braut sind anders als die Brüste ihrer
kleinen Schwester. Die Brüste der kleinen Schwester sind kaum Knospen, aber die
Brüste der Braut sind Granatäpfel! Die Brüste der Madonna werden im Hohenlied
mit hüpfenden Gazellenzwillingskitzen verglichen, mit Trauben des Weines und
mit Rundtürmen. Die Brüste Mariens sind prall gefüllt mit Milch, sie sind
unerschöpflich reich, und sie ernähren die Kirche aller Zeiten! Wie wir uns
weihen sollen nach dem Wunsch Gottes dem Unbefleckten Herzen Mariens, so wollen
wir uns auch im Besonderen weihen den Brüsten Mariens.
Ich ward in seinen Augen eine, die Frieden fand. Schelomoh
besitzt einen Weinberg in Baal-Hamon, und er gab den Weinberg an die Gärtner.
Jeder Mann bekommt für die Früchte tausend Silbermünzen. Mein Weinberg ist vor
mir. Dir, Schelomoh, tausend Silbermünzen; zweihundert den Gärtnern der
Früchte.
Gott hatte einen Weinberg, den hat er den Israeliten
anvertraut, dass sie ihn bebauen. Als Gott aber seinen Erntegewinn abholen
wollte, sandte er seinen Sohn, aber die Israeliten haben Gottes Sohn wegen
Gotteslästerung kreuzigen wollen, darum lieferten sie ihn an die Römer aus und
so wurde der Sohn Gottes gekreuzigt. Er ist aber auferstanden und hat den
Weinberg andern gegeben, nämlich der Kirche aus allen Völkern. Aber es bleibt
die Verheißung, dass vor der Wiederkunft des Messias auch die Israeliten noch
den Messias Jesus annehmen werden als ihren Erlöser.
Im Garten Wohnende, lauschen laß mich deiner Stimme, auch
die Gefährten hören auf sie.
Der Bräutigam spricht zur
Seele: Meine Freundin, die du in deinem Frühlingsgarten der Liebe wohnst, laß
mich hören die Stimme deines Gebetes und die Stimme deines Gesanges, denn, wie
der barmherzige Jesus einmal sagte: Deine Sprache ist mir lieb! Und weil du so
viel mit deinem göttlichen Bräutigam erlebt hast, hören auch deine Freunde auf
dich, denn du kannst nicht sagen, dass du Gott nicht kennst, sondern, wenn du
sagen würdest, ich kenne ihn nicht, so würdest du lügen.
Eile, mein Geliebter, und sei wie ein Gazellenbock oder
ein junger Hirsch auf den Balsambergen!
Mein gekreuzigter Christus, du verwundeter Hirsch, eile zu
den Balsambergen, den heilenden Höhen der Auferstehung! Und zieh mich dir nach!
– Der Gazellenbock auf den Balsambergen – der Bräutigam im Schoß seiner Braut!
Die Vereinigung ist vollzogen.