Ein Götterdrama
Von Josef Maria Mayer
ERSTER AKT:
SIF
ERSTE SZENE
(Vater Odin mit zwei Raben auf den Schultern.
Jörd, die Mutter Erde. Der Sohn Thor mit dichtem rotem Bart, mit dem
Hammer spielend.)
VATER ODIN
O Thor, mein lieber
Sohn, die beiden Raben
Auf meiner Schulter
sagen das Vergangne
Und sagen auch die
Zukunft wahr. Es werden
Die Asen-Götter einmal
untergehen
Und Baldur nur und
Nanna werden leben.
THOR
Mein Vater Odin, o du
Gott der Götter,
Erzähle mir noch
einmal, wie du hingest
Neun Nächte lang, den
Kopf nach unten, in
Der Welten-Esche und
nach diesen Nächten
Der Vögel Sprache gut
verstehen konntest.
VATER ODIN
Neun lange Nächte hing
ich an dem Baum!
Allvater, unser aller
Himmelsvater,
Allvater hatte mich da
ganz verlassen.
Ich schrie: Allvater,
du hast mich verlassen!
Doch mein Gebet kam als
ein Pfeil zurück!
THOR
Doch jetzt kannst du
den Vogelsang verstehen.
VATER ODIN
Ich spreche auch die
Sprache selbst der Vögel
Und so verkünde ich
den Vögeln, dass
Allvater ihren Lobpreis
gerne hört.
THOR
O Vater, was singt denn
die Nachtigall,
Wenn sie zur fernen
roten Rose flötet?
VATER ODIN
Die Nachtigall singt
wehe Liebesschmerzen!
Die rote Rose blüht
und duftet schön,
Doch nie wird sie die
Nachtigall erhören.
THOR
Die Liebe ist so alt
wie die Gezeiten,
Alt wie der Bernstein,
wie der Schachtelhalm,
Alt wie die Schlange,
wie die Nebelschiffe,
Doch älter als die
Liebe ist der Schmerz!
VATER ODIN
Der Schmerz, das ist
das Fundament der Welt,
Am Gott der Schmerzen
scheitern einst die Götter!
THOR
Wir sind ein sterbendes
Geschlecht, wir Götter.
MUTTER JÖRD
Mein Sohn, sei du nur
ohne alle Sorge,
Geh deinen Weg auf
dieser schwarzen Erde,
Allvater weihe dich von
ganzer Seele.
THOR
O Mutter Jörd, o
schwarze Mutter Erde,
Ich liebe dich mit
allen meinen Kräften,
Von ganzer Seele und
mit dem Gemüt
Und liebe dich mit
aller meiner Kraft.
MUTTER JÖRD
Einst wirst du finden
eine liebe Frau,
Dann wirst du lieben
deine liebe Frau.
THOR
O Mutter Erde, alle
deine Berge
Und jeden Eisberg in
dem weißen Kleid,
Die tiefen Schluchten
und die wilden Fjorde,
Die Ströme alle
zwischen deinen Klippen,
Die weiten Ebenen von
weißem Schnee
Und die Unendlichkeit
von goldnen Feldern,
Wo Weizen wächst und
blaue Blumen wachsen
Und roter Mohn wächst
zwischen goldnem Weizen,
Die dunkelblauen
Wälder, Tannenwälder,
Mit weißem Schnee auf
ihren blauen Zweigen,
Die grünen Gärten mit
den bunten Blumen,
Da wachsen Dill und
Kümmel, Petersilie,
O Mutter Erde, o wie
schön du bist!
MUTTER JÖRD
Ich habe dich genährt
an meinen Brüsten,
Getragen hab ich dich
in meinem Schoß.
VATER ODIN
Gott Thor, gesegnet sei
die Mutterbrust,
Die dich mit ihrer
Brüste Milch gestillt,
Gesegnet sei der Uterus
der Mutter,
Der dich ernährt hat
mit der Kraft des Blutes!
THOR
O Mutter Erde, liebe
Mutter Jörd,
Von dir hab ich die
Stärke meines Lebens.
Ich will ein Gott für
alle Bauern sein
Und Gott der Kraft und
Gott der Fruchtbarkeit,
Und Frauen von
Germanien im Tode
Begleiten soll mein
Hammer in das Grab.
VATER ODIN
Dein Hammer, Thor, ist
das Symbol der Kraft,
Dein Hammer ist Symbol
der Fruchtbarkeit,
Die Frauen von
Germanien im Grab
Umfassen mit den Händen
deinen Hammer.
THOR
Mit meinem Hammer
schlag ich auf die Wolke
Und so erzeug ich
Donner und Gewitter.
VATER ODIN
Du bist ein Mann, Gott
Thor, ein starker Mann!
THOR
Ich werde immer meinen
Hammer ehren!
ZWEITE SZENE
(Gott Thor und Göttin Sif feiern Hochzeit.)
THOR
Ich liebe dich, o meine
Göttin Sif!
Vor allem liebe ich
dein goldnes Haar!
Das Haar ist keine
Nebensächlichkeit,
Das Haar ist Zeichen
für die Bräutlichkeit.
Die Göttin trägt die
langen goldnen Haare
Als Schleier ihrer
keuschen Bräutlichkeit.
Im langen Haar der
Göttin ist Erotik,
Die Liebesgöttin stets
hat lange Haare.
Und wenn ich deine
goldnen Haare seh,
So denk ich an ein
goldnes Weizenfeld.
Der Weizen unterm
lichten Sommerhimmel,
Der goldne Roggen und
die goldne Gerste,
Das goldne Weizenfeld
ist mir ein Gleichnis
Für deinen Leib, den
goldnen Weizenhaufen,
Umsteckt mit Lilien und
mit rotem Mohn.
Ich sage allen Kindern
dieser goldnen Erde:
Die Göttin Sif ist wie ein Weizenfeld,
Die Göttin Sif ist wie ein Weizenfeld,
Die Göttin Sif ist
golden wie das Korn.
SIF
Gott Thor, ich kann
dich gar nicht anders denken,
Als dass du eine lange
Mähne trägst
Und einen vollen
reichen Männerbart.
Ich liebe deinen
dichtgewachsnen Bart
Und deine lange
wildgelockte Mähne.
Des Gottes Haar ist
keine Kleinigkeit,
Man kann den Gott des
Mutes und der Kraft
Sich denken nicht mit
einem kahlen Schädel.
Ich liebe dich, o Gott,
als Bräutigam,
In deinen langen Haaren
liegt die Kraft.
Wer schneiden wollte
deine Haare ab,
Der nähme deine
Götterkraft von dir,
Denn in der langen
Mähne meines Gottes
Ist alle Kraft der
göttlichen Erotik
Des Gottes, der da ist
mein Bräutigam!
THOR
Wenn du mich anschaust
mit den lichten Augen,
Kornblumenblauen Augen,
find ich Mut
Und Kraft, in deinem
Aug ist meine Kraft,
Durch deine Liebe werde
ich zum Helden.
Und weil ich eine jetzt
gefunden habe,
Die an mich glaubt als
einen Gott der Kraft,
Drum bin ich auch ein
Heldengott voll Mut.
SIF
Zwar bin ich eine
goldenblonde Göttin,
Kornblumenblaue Augen
hat die Göttin,
Doch will ich glauben
auch an einen Gott,
An einen Mannesgott
voll Mut und Stärke.
Ich glaube, dass ich
schon gefunden habe
Den Heldengott, an den
ich glauben kann:
Gott Thor, du bist der Gott, der alles kann!
Gott Thor, du bist der Gott, der alles kann!
THOR
Ich hab mich immer
schon nach einer Frau gesehnt,
Doch wollt ich keine
schlechte Menschentochter,
Die einem Gott beschert
ein böses Hauskreuz!
Die Riesenjungfraun
hass ich ganz besonders!
Doch eine Göttin
weizenblonder Haare,
Kornblumenblauer Augen,
eine Göttin,
Ja, Frau und Göttin,
das ersehnt ich mir.
SIF
So willst du also mich
als Frau und Göttin?
THOR
Ja, bis die
Götterdämmerung uns scheidet!
SIF
Und stört dich nicht,
dass ich aus erster Ehe
Noch Uller bringe in
die Ehe mit?
THOR
Er soll mir sein als
wie mein eigner Sohn.
Doch schenke mir auch
bitte eine Tochter!
SIF
Und wirst du treu sein,
Gott voll Manneskraft?
THOR
Ich werde immerdar dich
lieben, Sif,
Doch wage ich einmal
ein Abenteuer,
So laß dich bitte
nicht gleich scheiden, Göttin.
SIF
Allvater segne unsern
Ehebund!
THOR
Nimm diesen meinen Ring
an deine Hand!
SIF
Und nimm du meinen Ring
an deine Hand!
THOR
Komm mit mir in die
Götterburg von Asgard
Und wohne dort mit mir
in Thors Palast!
SIF
Ich schenke dir am
Abend als Walkyre
Viel Honigmet in dein
sehr großes Trinkhorn!
THOR
Und bin ich trunken
dann von Honigmet,
Sag, spielst du dann
herum mit meinem Hammer?
SIF
Thors Keule – alle
Frauen lieben das.
DRITTE SZENE
(Göttin Sif und der Dämon-Gott Loki in Thors
Burg. Sif kämmt ihr langes goldenes Haar.)
SIF
Ich sitze immer auf den
höchsten Bergen
Und schaue gnädig
nieder zu den Fjorden.
Dort auf den Bergen
kämme ich mein Haar,
Die Haarflut wallt zu
meinen Füßen nieder,
Das Weizengold der
blonden Locken glänzt
Und blendet alle
Wikinger, die fahren
In ihren Drachenbooten
auf den Flüssen,
Und von den Wikingern
die Kapitäne
Sehn meine blonde
Haarflut oben glänzen
Und werden irritiert
von meiner Schönheit,
So scheitert dann das
Schiff der Wikinger
Am rauen Felsen mitten
in dem Fjord.
LOKI
Es war ein Wikinger auf
seinem Schiff
Mit seiner Mannschaft
und sie hatten alle
Geraubt sich einen
Schatz von rotem Gold
Und nun war allzu sehr
beschwert das Schiff,
Und so beschließt die
Mannschaft, dass der Schatz
Ins Meer geworfen
werden müsse. Aber
Der Kapitän nahm seine
Axt zur Hand
Und tötete die
Mannschaft seines Schiffes
Und warf die Wikinger
ins Meer hinaus
Und segelte allein mit
seinem Schatz
Von rotem Golde
heimwärts in den Hafen.
SIF
Was spielst du mit der
Schere, böser Loki?
LOKI
Ich will doch einmal
sehen, ob dich Thor
Noch liebt, wenn deine
Haare abgeschnitten
Und du mit kurzen
Haaren vor ihm stehst.
SIF
Mein Thor liebt nicht
nur meine langen Haare,
Er liebt mich auch
noch, bin ich graue Greisin,
Denn er liebt meine
göttliche Person
Und nicht allein die
Reize meiner Schönheit.
LOKI
Das muss bewiesen
werden, schöne Sif!
(Loki packt Sif und schneidet ihr mit der Schere
die lange blonde Mähne ab. Sif schreit.)
SIF
Mein Thor, mein
Ehegott, komm mir zu Hilfe!
(Thor hörte das Schreien und tritt rasch ein.)
THOR
Was ist geschehen hier,
o Sif, o Loki?
SIF
Der böse Loki schnitt
das Haar mir ab!
THOR
Dein schönes Haar,
dein goldnes Weizenblond?
O Sif, du meine ewige
Gemahlin,
Heut morgen habe ich im
Morgentraum
Von deinem goldnen
Weizenhaar geträumt.
SIF
Und nun mein goldnes
Haar ist abgeschnitten,
Sag, liebst du mich
jetzt noch, o mein Gemahl?
THOR
Ich liebe jetzt dich,
lieb dich immerdar
Und liebe dich bis in
die Ewigkeit!
SIF
O du mein Herr, der du
doch alles kannst,
Ich bitte dich,
verschaff mein Haar mir wieder!
THOR
(zu Loki gewandt)
Du, Loki, bist ein
immerböser Dämon,
Doch ich gebiete dir
als Gott der Allmacht.
LOKI
Du bist der Heilige des
Wetterhimmels,
Es zittern vor dir alle
die Dämonen!
THOR
Und so gebiet ich dir,
dass du gleich eilst
Zu deinen Freunden, den
geschickten Zwergen,
Daß sie aus Gold ein
schönes Flechtwerk machen,
Das soll das Haar
ersetzen meiner Sif.
LOKI
Wenn Zwerge machen aber
die Perücke
Aus feinem goldnen
Draht für deine Göttin,
So wird das Haar nicht
weiter wachsen, Herr.
THOR
So gehe zu den Zwergen,
die bewandert
In Zauberkünsten sind,
sie sollen machen
Mit ihrer Zauberkunst
ein goldnes Haar,
Das wie das echte Haar
der schönen Frau
Noch weiter wachsen
kann, ja, wachsen soll
Das Haar der Göttin
bis zu ihren Füßen!
LOKI
Ich eile gleich zu
meinen kleinen Zwergen.
Denn nach dem großen
Vatergotte Odin
Bist du, o Thor, du
Gott und Sohn des Vaters,
Zumeist gefürchtet
doch von den Dämonen.
THOR
(zu Sif gewandt)
Dein Haar, Geliebte, o
dein goldnes Haar
Soll wachsen wie der
Weizen auf der Erde.
Wer Thor vertraut, wird
nicht zuschanden werden,
Sei du dir meiner Liebe
nur gewiß,
Denn meine Liebe kann
der Tod nicht töten!
VIERTE SZENE
(Die Göttin Sif und ihr erstgeborener Sohn, der
junge Gott Uller. Sie gehen im Schnee spazieren.)
SIF
Mein Sohn, mein
vielgeliebter Uller, sag,
Willst du denn nicht
auch eine Göttin haben?
ULLER
Aus diesem Alter bin
ich schon heraus.
SIF
Wie? Bist du doch grad
vierzehn Jahre alt!
ULLER
Mit Mädchen geben sich
die Götter ab,
Wenn sie wie Säuglinge
und Knospen schlafen
In unbewegter Ruh der
Himmlischkeit.
Wenn aber erst ein Gott
ein Mann geworden
Und spricht mit einer
männlich-tiefen Stimme,
Dann hat ein Gott doch
anderes zu tun,
Als für der Weiber
Eitelkeit zu sorgen.
SIF
Was willst du lieber
tun, mein großer Uller,
Als mit der Freundin
liebevoll zu scherzen?
ULLER
Ich werde Taten tuen,
welche würdig
Der Männlichkeit des
ernsten Gottes sind.
Ich werde Kriege führen
in der Welt
Und werde rasend
schnell auf Skiern fahren.
SIF
Vielleicht magst du den
eignen Leib nicht leiden,
Daß du dir keine
Gattin nehmen willst?
ULLER
Mein Leib ist eines
Gottes würdig, aber
Mein Leib ist nicht für
Weibereitelkeit,
Mein Leib ist einzig
für die ernsten Dinge
Der Welt, als Kriege
sind und Fahrt auf Skiern.
SIF
Doch wirst du dann auch
glücklich sein, mein Sohn,
Wenn du als Gott allein
am Himmel herrschst
Und keine Göttin an
der Seite hast?
Dann such zumindest dir
doch einen Freund,
Noch einen Gott, mit
dem du dich befreundest.
ULLER
Ich lese grade alle
alten Sagen,
Die man geschrieben
über Baldur hat,
Ja, Baldur soll mein
Freund und Mitgott sein.
SIF
Da hast du gut gewählt,
mein junger Gott,
Denn nach der großen
Götterdämmerung
Wird ganz allein als
Gott noch Baldur sein.
Er ist der Sieger unter
allen Göttern.
ULLER
In Wahrheit bin ich ja
ein alter Gott,
Noch älter als die
andern Asen-Götter.
Und darum treibe ich
auch die Magie
Und lehre alte Weiber
der Germanen
Die Kunst, die
Zaubertränke zu bereiten
Und manchen Heiltrank
auch aus grünen Kräutern,
Auch wundertätige
Medaillen zu
Erstellen, Talisman und
Amulett,
Und Liebesverse auf
Papier zu schreiben,
Auch Feindesnamen auf
Papier zu schreiben
Und die Papiere zornig
zu verbrennen,
Auch Liebeszaubertränke
zu bereiten
Und auch Parfüme, die
bezaubern sollen,
Ich lehre auch die
Kunst der Horoskope
Und wahrzusagen aus der
Hände Linien.
SIF
Die alten Frauen der
Germanen werden
Dein Bild im Talismane
bei sich tragen.
ULLER
Ja, Uller fahrend auf
den Skiern, so
Die Frauen tragen mich
am Silberkettchen.
SIF
Dein Pflegevater auch,
der starke Thor,
Bezaubert sehr die
Frauen der Germanen,
Denn wenn sie sterben
müssen, in dem Alter,
Vielleicht auch schon
in ihrer Reifezeit,
So wünschen sie als
Grabbeigabe sich
Von Stein die Keule
Thors in ihrem Grabloch.
ULLER
Ich werde nicht nur
Gott sein der Magie,
Ich werde auch ein Gott
des Winters sein.
Und darum muß ich
streng und frostig sein
Und darf mit keiner
Göttin mich beweiben.
Und wenn die
Wintersonnenwende kommt,
Zwölf Nächte lang,
ich fahre durch die Welt
Auf Skiern oder fahre
hin auf Schlittschuhn,
Dann fürchten die
Germanen sich vor mir.
SIF
Ich aber gehe dann von
Haus zu Haus
Und schaue an in jedem
Haus die Hausfrau,
Ob sie die Wohnung auch
schön aufgeräumt.
Das weiß auch jede
Hausfrau, darum fürchten
Sie diese Rauhenächte
auch so sehr,
Besonders auch die
schönen Frauen, denn
Die schönen Frauen
sind die faulen Frauen,
Unschöne Frauen aber
sind sehr fleißig.
ULLER
Ich schaue auch, ob
meine Magier
Und Runenschreiber in
den Rauhenächten
Die Hausfrau
angewiesen, aufzuräumen,
Und wenn sie keine
eigne Hausfrau haben,
So schick ich meinen
weisen Runenschreibern
Ein Putzweib, dass sie
ruhig zaubern können.
FÜNFTE SZENE
(Gott Thor und Göttin Sif und beider Tochter, die
junge Göttin Thrud, dreizehn Jahre jung, mit langen roten Locken,
weißem Gesicht und rotem Mund.)
SIF
O Thrud, du bist
genauso wie dein Vater,
Du trinkst genauso viel
vom Honigmet.
Wenn ich dich einmal
seh betrunken kommen,
Dann laß ich dich
nicht in das Haus hinein.
Ich habe soviel schon
zu leiden an
Der Trunksucht deines
Vaters, dass ich nicht
Bereit bin, deine
Trunksucht zu ertagen.
THRUD
Ich trinke ja am Tag
nur einen Tropfen,
Bin nicht so süchtig
wie die andern Götter.
SIF
Nun, du verstehst die
Seele einer Mutter,
Ich will ja nur das
Beste für mein Kind.
Doch selbst, wenn du
betrunken vor mir stündest,
Ich ließe dich nicht
draußen in der Nacht,
Das kann doch eine
Mutter nicht, die Tochter
Betrunken stehen lassen
in der Nacht.
THRUD
Ich weiß, du lässt
mich dann nicht draußen stehen.
SIF
Und noch was, meine
Tochter, ich muß sagen,
Du bist genauso faul
wie Thor, dein Vater.
Thor sitzt nur immer
mit dem Horn voll Met
Im Thron und kümmert
sich nicht um die Welt.
Auch du räumst nie
dein Zimmer auf, o Thrud.
Es reicht, dass ich die
Zimmer deines Vaters
Stets sauber machen
muß, ich will nicht auch
Noch deine Kammer
täglich sauber machen.
THRUD
Ja, ja, o Mütterchen,
ich tu’s ja schon.
SIF
Ja, ja, o Mütterchen –
so sagst du jetzt
Und regst dich doch
nicht von der Stelle, denn
Du bist genauso faul
wie Thor, dein Vater.
THRUD
Ein andres Thema, meine
liebe Mutter:
Ich möchte nackt in einem Waldteich baden.
Ich möchte nackt in einem Waldteich baden.
SIF
Nein, liebes Fräulein,
das geht doch zu weit!
Wenn dich die andern
jungen Götter sehen
Nackt baden in dem
Waldteich, was wird dann?
Nein, bade du in einem
langen Kleid,
Anständig-sittlich wie
die Asen sind.
Das, Tochter, das
erlaube ich dir nicht,
Daß du mit deinen
Reizen kokettierst!
THOR
(eintretend)
O Sif, ich kann das
Zanken nicht mehr hören!
Leb lieber ich allein
doch unterm Dach
Als mit der Zanksucht
in der gleichen Wohnung!
(Sif geht empört ab.)
THRUD
O Thor, mein lieber
Gott und lieber Vater,
Du bist mein Gott und
bist mein Bräutigam!
Ich bin doch deine
göttliche Prinzessin,
Die schön ist wie die
Elfenkönigin!
In deinen Augen bin ich
schön, mein Gott!
THOR
Ja, Thrud, geliebte
Tochter und Prinzessin,
In meinen Augen bist du
eine Göttin!
Die Künstler malen
immer Göttin Freyja,
Die Liebesgöttin und
die Schönheitsgöttin,
Schau hier, ich schenke
dir ein Bild der Freyja,
Du bist genauso schön
wie Göttin Freyja!
THRUD
Oh, die ist schön, die
schöne Schönheitsgöttin!
THOR
Und doch ist dieses
Bild nur ein Geschmiere,
Es sind nur
Farbenkleckse auf der Leinwand.
Ein Narr, wer sich
verliebt in ein Gemälde
Und betet an ein Bild
als seine Göttin!
Du aber, Göttin, bist
von lichtem Fleisch,
Realpräsente Göttin
du im Fleische!
THRUD
O Väterchen, bei
deinem roten Bart,
Für dich trag ich die
roten Haare lang,
Für dich auch schmink
ich meine Lippen rot.
THOR
O Thrud, du junge
schöne Mädchengöttin,
Du bist ja wie die
schöne Morgenröte!
Wie haben in Germania
lange Nächte,
Der graue Winter eine
Finsternis,
Da sind die Götter
selbst voll tiefer Schwermut,
Wenn aber du
erscheinst, o Mädchengöttin,
Mit deinem weißen
Antlitz, roten Mündchen,
Mit deinen langen
feuerroten Locken,
Dann geht den
tiefbetrübten Göttern selbst
Ein neues Licht der
jungen Hoffnung auf!
THRUD
Das ehrt mich, Vater,
wie du von mir denkst.
THOR
Ich habe für mein
Mädchen einen Schmuck,
Bereitet von
geschickten Zwergenkünstlern,
Der Schmuck soll
schmücken deine junge Schönheit.
THRUD
O Thor, mein Gott und
Vater, sieh mich lachen!
Ich bin die
lachenliebende Prinzessin!
THOR
Du bist der Menschheit
schönste Zukunftshoffnung!
SECHSTE SZENE
(Gott Thor und der bärtige Zwerg Alwiss sitzen in
der Nacht in Thors Götterburg beim Trinkhorn voll Honigmet.)
THOR
Du, Zwerg Alwiss,
willst meine Tochter freien?
Allwiss bedeutet doch
Allwissender,
So laß mich fragen,
gib du Antwort mir!
Was weißt du von der
Schöpfung dieser Welt?
ALWISS
Allvater schuf am
Anfang diese Welt,
Vier gute Geister waren
da bei ihm.
Der erste Geist sprach
zu Allvater dies:
Wie, Schöpfer, wie hast du die Welt geschaffen?
Wie, Schöpfer, wie hast du die Welt geschaffen?
THOR
Wie ist der Name dieses
ersten Geistes?
ALWISS
Es ist der
Wissenschaftler der Natur.
THOR
Was sagte denn der
zweite Geist zum Vater?
ALWISS
Er sagte: Warum,
Schöpfer, schufest du?
THOR
Wie ist der Name dieses
zweiten Geistes?
ALWISS
Der Philosoph der
Transzendenz ist er.
THOR
Was sprach der dritte
Geist zum Vater denn?
ALWISS
Er sprach: Kann ich dir
helfen, guter Schöpfer?
THOR
Wie ist der Name dieses
dritten Geistes?
ALWISS
Er ist der Architekt,
der Zimmermann.
THOR
Was sprach der vierte
Geist zum Vater denn?
ALWISS
Der vierte Geist sprach
gar nicht, sondern schwieg,
Doch als Allvater diese
Schöpfung schuf,
Da applaudierte er und
tanzte lustig!
THOR
Wie ist der Name dieses
vierten Geistes?
ALWISS
Das war der Mystiker
geheimer Weisheit.
THOR
Du denkst wohl, dass du
selbst ein Weiser bist?
Nein, die Legende ist doch viel zu albern!
Nein, die Legende ist doch viel zu albern!
ALWISS
So frage mich nach
einer andern Wahrheit,
Denn siehst du mich als
den Allwissenden,
So gibst du Göttin
Thrud mir gern zur Frau!
THOR
Was weißt du von der
Schöpfung denn der Menschheit?
ALWISS
Im Anbeginn im
Gartenparadiese
Zwei Bäume standen,
Esche da und Ulme.
Gott Odin ging im
Paradies spazieren
Zur Zeit der
Abenddämmerung und da
Hat aus der Esche er
den Mann geschnitzt
Und aus der Ulme
schnitzte er die Frau.
Der Mann, der aus der
Esche ward geschnitzt,
Der erste Mann im
Paradies hieß Esk.
Die erste Frau, die aus
der Ulme ward geschnitzt,
Die erste Frau im
Paradies hieß Embla.
THOR
Und gab es je ein Wesen
namens Urmensch?
ALWISS
Die Weisen streiten
noch, ob dieser Urmensch
Idee allein war im
Ideenhimmel
Und als Gedanke nur zu
denken oder
Ob dieser Urmensch
wirklich war auf Erden.
Dann streiten sich die
Weisen weiter noch,
Ob dieser Urmensch
androgyn gewesen
Und sich geteilt dann
hat in Mann und Frau,
So sagen welche, oder
ob der Urmensch
Von Anfang an als
Pärchen existierte,
Das sich verbunden hat
im Bund der Ehe.
THOR
Alwiss, ich will dir
meine Meinung sagen:
Du sollst die Göttin Thrud zur Frau nicht haben!
Du sollst die Göttin Thrud zur Frau nicht haben!
Ich habe nur so lang
mit dir geplaudert,
Bis diese Nacht
vorüberging und nun
Erscheint im Osten
schon die Morgenröte.
Ich weiß, ihr Zwerge
scheut das Licht des Tages.
ALWISS
O nein! Bei Gott und
allen guten Göttern!
Nur nicht die
Morgenröte, nur nicht die!
(Im Osten erscheint die junge schöne Morgenröte.
Ein Strahl des Lichtes fällt auf Alwiss und er versteinert.)
THOR
(lacht)
Die Weisheit dieses
bärtigen Alwiss
Hat ihn doch nicht
davor bewahrt, zu Stein
Zu werden. Zwar er
steht jetzt da als Denkmal,
Doch soll er meine
junge Mädchengöttin
Nicht haben zum
Gespiel, so wahr ich Gott bin!
ZWEITER AKT:
JARNSAXA
ERSTE SZENE
(Thor und die Joten-Jungfrau Jarnsaxa, eine
Riesin.)
THOR
Ach, Sif, die Göttin,
ist doch allzu launisch!
JARNSAXA
Und darum kommst du
jetzt zu mir, der Riesin?
THOR
Wir Asen-Götter haben
keinen Umgang
Mit Riesen, aber
dennoch lieb ich dich.
JARNSAXA
In Wahrheit liebst du
doch noch immer Sif.
THOR
Ich weiß es nicht, ob
ich sie liebe oder
Ob ich sie hasse, Haß
und Liebe ist es.
JARNSAXA
Du bist ein Gott, du
bist doch sicher treu,
Ihr Asen-Götter
heiligt doch die Ehe.
THOR
Der Geist ist willig,
doch das Fleisch ist schwach.
JARNSAXA
Und wenn du bei mir
liegst auf diesem Lager,
Auf diesem Fell des
Eisbärn, vorm Kamin,
Bei aller Treue deines
Ehepaktes,
Da kommt gewiß doch
auch die Lust dich an?
THOR
Du Riesenweib mit
deinen Riesenbrüsten!
JARNSAXA
Ich möchte nicht
allein die Lust genießen,
Ich möchte
Riesenknaben auch von dir!
THOR
Hast du denn keinen
Riesen, der dich liebt?
JARNSAXA
Zwar einen Riesen hab
ich, meinen Knecht,
Dem ich befehle, was er
machen soll,
Doch will er keine
Riesenknaben zeugen,
Er ist voll Abscheu
Kindern gegenüber,
Ich aber will so gerne
Kinder haben.
THOR
Was tun, o Jungfrau,
wie kannst du gebären,
Wenn nicht dein
Riesen-Sklave in dir zeugt?
JARNSAXA
Ich will von einem Gott
befruchtet werden,
Und wenn ich meine
Söhne dann gebäre,
Dann schieb ich sie dem
Riesenknechte unter.
THOR
Ich soll als Gott die
Söhne in dir zeugen,
Ein Riesensklave soll
sie auferziehen?
Nein, wenn ich schon
die Söhne in dir zeuge,
Dann will ich auch ihr
wahrer Vater sein.
JARNSAXA
Ja, Thor, du bist gewiß
ein guter Vater!
Du liebst ja alle
Kinder der Germanen!
THOR
Den Riesenknecht schick
in das Reich der Hel!
JARNSAXA
Der Riese will ja in
das Reich der Hel,
Er will ja gar nicht
kommen nach Walhalla.
THOR
Nun, nach Walhalla
kommen Helden nur,
Die in der Schlacht den
Heldentod gestorben.
Die Narren aber, die
den Strohtod starben
Und eingeschlafen sind
im Bett, die kommen
Nicht zu den
Heldenkämpfen in Walhalla
Und trinken nicht mit
Schwanenjungfraun Met.
JARNSAXA
Du aber bist ein Gott
und ich bin Jungfrau.
THOR
So zeuge ich in dir mit
meinem Hammer.
JARNSAXA
Ich spüre unter meinem
Herzen schon
Die Zwillinge im
Heldenkampf begriffen,
Sie streiten, wer der
Liebling Gottes sei.
THOR
O Jungfrau, sag, was
fühlst du in dem Schoß?
JARNSAXA
Der eine von den beiden
Zwillingsbrüdern
Ist schwach und nährt
sich nicht von meinem Blut,
Der andre von den
beiden Zwillingsbrüdern
Ist stark und trinkt
viel Blut in meinem Schoß.
Ich habe Liebe für den
kleinen Schwächling.
THOR
Ich habe Liebe für den
Gottessohn,
Der Gottessohn wird
meinen Hammer erben!
JARNSAXA
Doch ahne ich, du wirst
mich bald verlassen
Und wieder gehen zu der
Göttin Sif,
Zu deiner ehlich
angetrauten Göttin.
Doch ich beschwöre bei
Allvater dich,
Sei stets ein Vater
deinen Zwillingssöhnen!
THOR
Ich bin ein Gott und
hab in dir gezeugt
Und was gezeugt im
Schoß der Joten-Jungfrau
Sind Gottes Söhne und
so soll es bleiben.
Auch über deinen Tod
hinaus, Jarnsaxa,
Noch nach der letzten
Götterdämmerung
Der Liebling Thors ist
Erbe seines Vaters!
ZWEITE SZENE
(Die Riesenjungfrau nährt an ihren Riesenbrüsten
die Zwillingssöhne Magni und Modi. Thor steht als glücklicher
Kindsvater an dem Bett der riesigen Jungfrau mit entblößten
Brüsten.)
THOR
Jarnsaxa, welch ein
Bildnis für die Götter,
Wie diese Kinder dir am
Busen saugen!
Du hast doch wirklich
allerschönste Brüste,
Da möcht ich selbst an
deinen Brüsten saugen!
JARNSAXA
Schau, Magni hat genug
getrunken, nimm,
O Thor, du deinen
Liebling auf die Arme.
(Sie reicht den kleinen Magni dem stolzen Vater.)
Der kleine Modi ist so
schwach, er muß
Noch etwas trinken, ja,
er ist so schwach,
Daß er kaum Milch der
Mutter saugen kann.
THOR
O Magni, deine
himmelblauen Augen,
O Magni,
deine honigsüßen Lippen,
O Magni, deine
goldenblonden Härchen!
Wie süß du bist, mein
kleiner Liebling Magni!
(Thor tritt mit Magni auf den Armen an das
Fenster. Draußen schneit es.)
Schneeflöckchen du mit
deinem weißen Röckchen,
Du kommst aus dem
Gewölk, du kommst von fern,
Laß nieder dich, du
tanzendes Schneeflöckchen,
Komm, tanz für uns,
wir haben dich so gern!
MAGNI
Ah! Mama!
THOR
Ich bin dein Papa,
lieber Gottessohn,
Doch kannst du ruhig
Mama zu mir sagen.
JARNSAXA
He, lieber Thor, die
Mama, das bin ich!
Da bin ich
eifersüchtig, wenn dich Magni
Auch Mama nennt! Die
Mama bleibe ich!
THOR
Des Säuglings Stimme
ist der Götter Stimme!
O Magni, wenn ich dich
nur stillen könnte!
Du wirst bestimmt ein
starker Held, o Magni,
Bald kannst du sicher
meinen Hammer tragen.
Jarnsaxa, schau, wie
schön der weiße Schnee ist.
JARNSAXA
Die Kinder hüllen wir
in Bärenfell
Und gehen dann im
weißen Schnee spazieren.
THOR
Schneeflöckchen in dem
weißen Röckchen, tanze!
JARNSAXA
Weißt du auch noch,
wie du mich einst beworfen
Mit einem Schneeball,
den du selbst geknetet?
THOR
Und da zerstäubte
dieser weiße Schneeball
Und weißer Puderschnee
blieb liegen da
Auf deinen langen
Wimpern, o Jarnsaxa,
Da sah ich auf der
Spitze deiner Wimper
Zehntausend lichte
Elfen schimmernd sitzen.
JARNSAXA
Und damit hast du das
Problem gelöst,
O Thor, an dem die
Weisen lange kauten,
Wie viele lichte Elfen
sitzen können
Auf einer Nadelspitze?
Nun, zehntausend!
THOR
O Magni, Liebling,
Modi, kleines Püppchen,
Ihr müsst Jarnsaxa
einmal sehen mit
Den Augen Thors: Die
absolute Frau!
JARNSAXA
Und wenn wir durch den
Schnee spazieren gehen,
O Thor, dann gehen wir
doch Hand in Hand
Als wie ein altes
treues Ehepaar.
THOR
Die ganze Erde eine
weiße Decke,
Der ganze Himmel voller
weißer Flocken,
Jarnsaxa, so ist heute
hier Walhalla!
JARNSAXA
Und wenn wir
wiederkommen vom Spaziergang,
Dann zünd ich den
Kamin an und wir schauen
Ins Feuer lange
traumverlorne Blicke.
Die Flammen tanzen wie
Prinzessinnen
Und rote Drachen und
wie Drachentöter!
THOR
Dann trinke ich am
Abend Honigmet.
JARNSAXA
Ich gehe früh am Abend
schlafen schon.
THOR
Doch Magni will in
meinem Bette schlafen.
JARNSAXA
Und Modilein wird bei
der Mama schlafen.
(Jarnsaxa bedeckt sich ihre Brüste und steht vom
Eisbärenfell auf.)
THOR
Allvater segnet uns mit
weißem Schnee.
DRITTE SZENE
(Thor im Kampf mit dem Riesen Hrungnir.)
HRUNGNIR
So stirb an meinem Haß,
du Asen-Gott!
THOR
Bevor ich falle, musst
du selber fallen!
(Thor erschlägt den Riesen mit seinem Hammer.)
HRUNGNIR
Ah wehe mir, ein Gott
hat mich getötet!
(Hrungnir fällt, aber Thor kommt unter den
schweren Leib des Riesen zu liegen und kann sich nicht befreien.)
THOR
Ich lieg begraben unter
meinem Feind!
Kommt, alle
Asen-Götter, kommt zu Hilfe!
(Die Liebesgöttin Freyja erscheint, eine schlanke
junge Frau, weißen Leibes, langer feurigroter Locken, mit charmantem
Lächeln und strahlenden Augen.)
FREYJA
Bei aller Zaubermacht
der schönen Liebe,
Gebiete ich dem Leib
des toten Riesen:
Hinweg! Und lasse in die Freiheit Thor!
Hinweg! Und lasse in die Freiheit Thor!
(Der tote Riese bewegt sich nicht.)
FREYJA
So habe ich umsonst
gelehrt die Hexen,
Mit Zaubersprüchen
alles zu bewegen,
Nein, hier hilft nicht
die Zauberkunst der Liebe.
THOR
O Frigg, o Göttin du
der heilgen Ehe,
Komm, allerhöchste
Asengöttin, hilf!
(Frigg erscheint, hoheitvoll, streng gekleidet,
aber mit bloßen Lilienarmen.)
FRIGG
Auf, bei der Heiligkeit
des Ehebundes,
Beim heilgen Ehebund
von Thor und Sif,
Gebiete ich dem
Leichnam: Heb dich fort!
(Der Leichnam regt sich nicht.)
THOR
Ach, alles nur, weil
ich die Ehe brach!
Allvater, o vergib mir
meine Sünde!
(Odin erscheint.)
ODIN
Verdammter Leichnam des
verdammten Riesen,
Der Gott der
Asen-Götter dir gebietet,
Gib Thor frei, meinen
stärksten Gottessohn!
(Der tote Leichnam regt sich nicht.)
THOR
O wehe mir, ich bin
verloren, bin
Verloren, alle Götter
helfen nicht!
Hier muß ich sterben
jetzt vor meiner Zeit!
(Der dreijährige Knabe Magni kommt fröhlich
herbeigelaufen.)
MAGNI
O Papa, steh doch auf!
Was liegst du da?
THOR
O Magni, wundervoller
Götterknabe,
Ich habe diesen Riesen
hier getötet,
Da fiel der Leib des
toten Riesen Hrungnir
Auf deinen Papa,
drückend mich zu Boden,
So lieg ich hier und
kann mich nicht befreien.
MAGNI
Da steht dir doch die
Liebesgöttin bei?
THOR
Ohnmächtig leider ist
die Liebesgöttin!
MAGNI
Da steht dir doch die
Ehegöttin bei?
THOR
Ohnmächtig leider ist
die Ehegöttin!
MAGNI
Da steht dir doch der
Gott der Götter bei?
THOR
Ohnmächtig, wehe, der
Allmächtige!
MAGNI
Sei ohne Sorge, Thor,
ich rette dich!
(Der dreijährige Knabe Magni hebt mit Götterkraft
den toten Riesen auf und schleudert ihn in weite Ferne.)
THOR
(sich erhebend)
Mein Magni! Stärker
als der Gott der Götter!
Du bist fürwahr ein
wahrer Gottessohn!
VIERTE SZENE
(Die Welt raucht noch von der gewaltigen
Götterdämmerung. Alle Asen-Götter sind von den Chaosmächten
getötet worden. Thor wurde vergiftet von der sterbenden
Midgardschlange. Jetzt taucht das grüne Ida-Feld aus den Chaoswogen
auf und dort steht nur noch Ein Gottesthron, der Thron Baldurs, an
seiner rechten Seite der Thron der Himmelskönigin Nanna. Magni, der
siebenjährige Knabe, kniet vor der thronenden Nanna.)
NANNA
O Magni, du mein
vielgeliebter Knabe!
Weißt du auch, dass
gestorben ist Gott Thor?
MAGNI
Die Asengötter alle
sind gestorben!
BALDUR
Mein Liebling! Thor hat
heldenmütig noch
Gekämpft mit jener
bösen Midgardschlange,
Er hat die
Midgardschlange totgeschlagen
Mit seinem Hammer, der
den Donner machte,
Mit seinem Hammer, den
die Frauen liebten.
Die Midgardschlange lag
im Sterben, da
Noch einmal spritzte
sie das Todesgift
Und so vergiftete die
Midgardschlange
In ihrem Untergange
noch den Gott,
Den Gott des Donners,
der dein Papa war.
MAGNI
O Papa, o
mein vielgeliebter Papa,
O Thor, wie sehr
vermiss ich dich, o Thor!
BALDUR
Der Vaters Thors ist
auch gestorben, Odin!
NANNA
Die Liebesgöttin
Freyja ist gestorben!
Die Ehegöttin Frigg
ist auch gestorben!
BALDUR
Den großen
Weltenuntergang der Götter
Hab ich nur überlebt
mit meiner Nanna.
Hör, Magni, Nanna hat
ein Wort für dich.
NANNA
Wir haben auf dem
Ida-Felde noch
Den Hammer Thors, den
Donnerhammer Mjölnir,
Und Thors Kraftgürtel
haben wir hier noch,
Der seine Stärke hat
vertausendfacht.
MAGNI
Ach Thor
ist tot, ach Thor ist tot, ach Thor!
NANNA
Du, Magni, warst der
Liebling deines Vaters,
Du sollst des Gottes
Donnerhammer erben
Und Thors Kraftgürtel
sollst du erben auch.
MAGNI
Was tu ich mit dem
Donnerhammer Thors?
NANNA
In Zukunft, wenn es
donnert an dem Himmel
Und wenn die Eichen der
Germanen stürzen,
Dann sagen die Germanen
nicht mehr: Thor,
Gott Thor macht Donner
mit dem Donnerhammer,
In Zukunft werden die
Germanen sagen:
Herr Magni macht mit seinem Hammer Donner!
Herr Magni macht mit seinem Hammer Donner!
MAGNI
O wunderschöne Nanna,
Königin
Des Himmels und der
Erde und der Hölle,
Verleihst du mir den
Hammer meines Vaters
Und Thors Kraftgürtel,
den verleihst du mir?
NANNA
Du bist mein
auserwählter Liebling, Magni,
Ich gebe dir den Segen
meiner Gnade.
Ja, Thor ist tot!
Jarnsaxa auch ist tot!
Auch Sif starb in der
Götterdämmerung!
Die Götter Thrud und
Uller sind gestorben!
Ein Gott allein
herrscht jetzt auf Ida-Feld
Und ich bin dieses
Gottes Königin
Und gebe dir den
mütterlichen Segen.
(Magni empfängt von Nanna den Hammer und den
Kraftgürtel.)
BALDUR
O Magni, Sohn, auf dir
ruht jetzt die Hoffnung
Germanias, du schenke
ihr den Frieden!
Den deutschen Frauen
widme deinen Hammer
Und schenk den
deutschen Männern deine Kraft!
Sei du der Herr in
Skandinavia,
In Island und in
Grönland herrsche du!
Norwegen, Finnland,
Schweden, Dänemark,
Germania und England
ehren dich!
Sei du im Norden von
Europa Herr
Und schenke allen
Völkerschafen Frieden
Und Glauben an den
einzig-einen Gott!
MAGNI
Allvater! Magni betet
an den HERRN!