Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

MARIA SOPRA MINERVA I



Von Josef Maria Mayer



PLATON UND ARISTOTELES


Wenn du anschaust eine Stute,
Wenn du anschaust einen Hengst,
Hast du die Idee der Pferdheit,
Hast das Pferd-an-sich im Geiste.

Wenn du einen Tisch betrachtest,
Einen großen, einen kleinen,
Hast du die Idee des Tisches
Allgemein in deinem Geist.

Aber was sind denn Ideen?
Allgemeine Wesenheiten,
Existierend in dem Geist,
In dem reinen Geist der Gottheit.

Woher weiß der Philosoph
Von dem Wesen der Ideen?
Weil er sie vor der Empfängnis
In der Gottheit Spiegel schaute!

Alle Seelen waren einmal
Vor dem Tage der Empfängnis
Im Ideenhimmel droben,
Schauten Gott und die Ideen!

Aber als sie in den Kerker
Ihres Körpers sind gekommen,
Haben alles sie vergessen,
Haben die Idee vergessen!

Künstler aber, Philosophen
Und Verliebte sich erinnern,
Diese tranken nicht von Lethe
Im Momente der Empfängnis.

Wenn nun Philosophen lieben,
Lieben sie am schönen Kind
Die Idee der reinen Schönheit,
Schauen wieder die Idee.

Wenn der Philosoph verliebt ist,
Schaut er überm schönen Kind
Die Idee der Schönheit, welche
Ist Urania, die Göttin.

Aber sind denn die Ideen
Wesenheiten, geistig-wirklich?
Oder sind sie an den Dingen
Nur als reines Formprinzip?

Sind doch alle Erdendinge
Aufgebaut aus der Materie,
Die ein Chaos ist, ein Stoff,
Der von einer Form geprägt wird.

Diese Form ist an den Stoffen,
Die sie schaffen aus Potenz
Der Materie zum Ding,
Zur Verwirklichung, zum Akt.

Diese Form ist bei dem Menschen
Seine Seele, die den Stoff
Seines Leibes auferbaut,
Daß er wird ein wahres Leben.

Alle Dinge in dem Kosmos,
Die sich irgendwie bewegen,
Sind bewegt von einem Grund,
Dieses ist der Erstbeweger.

Dieser Erstbeweger ist
Erstursache aller Dinge,
Das ist Gott, der allen Dingen
Gibt ihr Ziel in der Vollendung.

Aber was ist die Vollendung?
Das ist die Vollkommenheit.
Gott ist die Vollkommenheit,
Gott ist auch das Ziel der Wesen.

An den Wesen, an den Dingen
Wirkt die Form, die sie entwickelt.
Dies Prinzip des Werdens ist
Die Entelechie der Wesen.

Alle Wesen sich entwickeln
So durch die Entelechie
Zu dem Zustand des Vollkommnen,
Wo vollendet sie in Gott.

Gott ist also Erstursache,
Gott ist Ziel auch aller Wesen.
Seele ist die Form des Leibes,
Gott die Form ist aller Seelen.


HORAZ UND VERGIL


Als Horaz in seiner Jugend
Sang zu seiner goldnen Leier,
Folgte er der heitern Weisheit
Epikurs, die Lust erhebend.

Lust, die allerhöchste Tugend
Eines Menschen auf der Erde,
Ist nicht die frivole Wollust,
Ist die Heiterkeit der Freude.

Was bedarf der Mensch zur Freude?
Nicht die Marmorsäulenhalle,
Sondern einen grünen Garten,
Wo das Glück der Freundschaft lächelt.

Auch die Liebe soll nicht böse
Dir zerquälen deine Seele,
Sondern leichten Mädchen diene
Mit der Heiterkeit der Liebe.

Venus preise! Bacchus preise!
Wenn du erst den Wein genossen,
Dann kommt auch hinzu Cupido,
Dieser kleine süße Schelm!

Als Horaz in seinem Alter
Sang zu seiner goldnen Leier,
Folgte er der ernsten Stoa,
Kardinalen Tugenden.

Eine kardinale Tugend
Lehrt dich, maßvoll stets zu bleiben,
Also auch beim Trinkgelage
Trink sokratisch deinen Becher.

Eine kardinale Tugend
Ist der Starkmut, doch Horaz
Ließ im Kriege seinen Schild
Fallen und ist so geflohen.

Eine kardinale Tugend
Ist Gerechtigkeit. Horaz
Schaute stets das große Staatsschiff
Voller ernster Sorge an.

Eine kardinale Tugend
Ist die Klugheit, und Horaz
War ein Weiser, war ein Seher,
Sang prophetisch seine Oden.

Von Vergil weiß ich zu sagen,
Daß er Dichter des Advent
War und kündete die Kirche
Roms und den Messias an.

In der Vierten der Eklogen
Pries er eine reine Jungfrau,
Die den Sprössling wird gebären,
Der uns bringt das Paradies.

Jove als den großen Vater
Aller Götter, aller Menschen,
Sang Vergil, der uns zum Heil
Einen Heiland senden wird.

Was der Seher Mose schrieb
Von den Kindern Israel,
Schrieb Vergil, der Seher, auch
Von dem großen Sohne Trojas.

Aber wer hat das Geschick
Dem Äneas so gelenkt,
Daß er gründen konnte Rom,
Hauptstadt aller Ökumene?

Das war seine Mutter Venus,
Venus Genitrix, die Göttin,
Die Personifikation
Reinster Providentia.

Denn Vergil war frommer Schüler
Der gelehrten Stoa-Schule,
Pries die Providentia,
Gottes erstgeborne Tochter.

Göttin Providentia
Oder Venus Genitrix,
Sie hat Rom erbaut, dort herrscht
Der ersehnte Weltenheiland,

Der in aller Ökumene
Frieden stiftet, dieser Sohn
Gottes, der Erhabene.
Einst, wie die Sibylle sagte,

Sah man überm Vatikan
Eine Jungfrau, die gebar
Gottes Sohn, den Weltenheiland,
Der in Mutter Roma herrscht.


DIONYSIOS AREOPAGITA


Paulus lehrte in Athen
Weiland auf dem Areopag,
Vor den Schülern Epikurs
Sprach er und den Stoikern.

Als er aber predigte
Von dem Menschen Jesus Christus
Und von seiner Anastasis,
Dachten all die Philosophen:

Dieser kündet neue Götter,
Einen neuen Gott, den Christus,
Eine neue Göttin gleichfalls,
Nämlich Anastasia!

Aber als dann Paulus sprach
Von des Fleisches Auferstehung,
Sprachen all die Philosophen:
Ach, du bist ein dummer Schwätzer!

Wissen wir seit Platon doch,
Daß das Fleisch Gefängnis ist,
Psyche ist darin gefangen!
Psyche kann man nur erlösen,

Wenn sie freigelassen wird
Aus dem Kerker ihres Fleisches,
Das ist die Unsterblichkeit
Psyches in Elysium!

Und du willst im Himmelreiche
Psyche wieder sperren ein
In den Kerker ihres Fleisches?
Nein, du bist ein Körnerpicker!

Psyche wollen wir befreien,
Darum auch die Stoiker
Lieben sehr den weisen Freitod,
Um die Psyche zu befreien!

Aber Pauli Predigt lauschte
Damaris, die Philosophin,
Damaris war eine Jungkuh,
Schon geschlechtsreif, noch nicht Mutter.

Aber Pauli Predigt lauschte
Dionysios, der trunkne,
Ein Platoniker, der glaubte
An den fleischgewordnen Gott.

Dieser Dionysios
Ist der Vater aller Mystik
In dem frommen Abendland,
Ist ein großer Kirchenlehrer.

Was von Gott man sagen kann,
Ist allein, was Gott nicht ist.
Gott ist nicht ein Sterblicher,
Gott ist nicht an Zeit gebunden,

Gott ist nicht an Raum gebunden,
Gott hat keinen Anfang je,
Gott hat auch kein Ende je,
Gott hat keinen Menschenkörper,

Gott ist weder Mann noch Frau,
Ist von Menschen nicht zu sehen,
Gott ist eine Über-Gottheit,
Über allem Dasein seiend.

Gott ist aller Hierarchie
Oberster Gebieter, denn
Alle Throne (oder Götter)
Beten an den Ewigen,

Cherubim und Seraphim
Beten an den Ewigen,
Fürstentum und Herrschaft dient
Gott dem Allerhöchsten immer,

Gabriel und Michael
Und Erzengel Raphael
Dienen stets dem Ewigen,
Ihrem allerhöchsten Herrn.

Alle Engel, die uns schützen,
Dienen allzeit Gott dem Herrn,
Schauen den Unsichtbaren,
Bringen seine Hilfe uns.

In der Kirchen-Hierarchie
Spiegelt sich die Hierarchie
All der Engelchöre droben,
Nämlich in den Sakramenten.

Taufe ist die Neugeburt
Als ein Adoptivkind Gottes,
Beichte ist das Sakrament
Der Versöhnung mit dem Herrn,

Firmung ist das Sakrament
Der Erfüllung mit dem Geist,
Myron-Salbe, Chrisam-Salbe
Stärkt uns mit dem Geist des Herrn.

Die Eucharistie ist Christus,
Die Vereinigung mit ihm,
Ehe ist ein Sakrament,
Da man sich die Liebe spendet,

Priesterweihe ist die Weihe
Eines alter ego Christi,
Krankensalbung ist die Heilung
Eines angefochtnen Christen.


AUGUSTINUS


Monica, die fromme Mutter,
Liebte als ein junger Mensch
Über alles Maß den Wein,
Der im Keller war des Vaters.

Wenn sie in den Keller ging,
Wein zu holen für den Vater,
Trank sie immer von dem Wein,
Heimlich von der Rebentochter.

Aber Gott befreite sie
Von der Sucht nach rotem Weine.
Ihre flüssigen Gebete
Waren nicht vom Rotwein fließend,

Ihre flüssigen Gebete
Waren heiße Tränenflüsse,
Als sie Gott den Herrn gebeten,
Augustinus zu erlösen.

Dreißig Jahre betete
Sie die flüssigen Gebete,
Und es sprach Ambrosius,
Der der Bischof war von Milan:

Soviel Tränen einer Mutter
Werden sicherlich erhört!
Und tatsächlich, Augustinus
Hörte einen Knaben lallen:

Nimm und lese! Nimm und lese!
Augustinus nahm die Bibel,
Schlug sie auf und las das Wort:
Lebt nicht hin in den Begierden

Eures aufgeheizten Fleisches,
Sondern zieht den Christus an!
Augustinus ließ sich taufen,
Zog das Taufkleid Christi an.

Seiner Konkubine Sohn
Auch, Adeodatus hieß er,
Ließ sich taufen in der Kirche
Von Ambrosius von Milan.

Heil, Ambrosius von Milan!
Die ambrosianischen
Hymnen singt noch heut die Kirche
Viele hundert Jahre später.

Aber Mutter Monica
Fühlte, dass sie sterben müsse,
Und sie kam zu ihrem Sohn
Und traf ihn in Ostia,

In dem Hafen nahe Rom.
Und die Mutter sprach zum Sohn:
Früher wollte ich beerdigt
Werden bei des Gatten Grab,

Aber heut ists mir egal,
Wo mein Leichnam wird begraben,
Nur, wenn ich gestorben bin,
Lasset Messe für mich lesen!

Monica und Augustinus
Hielten liebend sich umarmt
Und bedachten alle Dinge,
Die von Gott geschaffen waren,

Streiften alles ab, was endlich,
Was da zeitlich, was da räumlich,
Und so schauten sie zuletzt
In dem Geist die Weisheit Gottes!

Augustinus aber sprach
Herrlich von der Ewigkeit:
Nicht mit einem Auge nur
Schauen wir die Herrlichkeit,

Die Vision der Gloria
Ist nicht nur ein starres Schauen,
Sondern ewiger Genuß,
Wo die Gottheit wir genießen!

Ja, wir werden ganz gestillt sein
Und so ganz befriedigt sein
Von der schönen Liebe Gottes
Und geliebt sein von der Liebe,

Dennoch ohne Überdruß
Werden wir befriedigt werden,
Sondern ewig werden schmachten
Wir nach dem Genuß der Liebe!

Ewig werden wir befriedigt,
Ewig werden wir verschmachten –
Ewig werden wir verschmachten,
Ewig werden wir befriedigt!


LUTHER

Martin Luther hat studiert
Und er ward ein Bibel-Lehrer,
Auf der Universität
Wittenberg hat er studiert.

Und er lernte William Ockham
Kennen, den der Papst verurteilt,
Denn er war Häretiker,
Luther doch verehrte ihn.

Diese beiden Ketzer sprachen
Nicht von einer heiligen,
Apostolisch und katholisch
Römischen Ecclesia,

Sondern von dem Christentume
Einer allgemeinen Kirche.
Denn die Päpste, sagten jene
Ketzer, haben oft geirrt

Und auch die Konzilien
Des Kollegiums der Väter
Haben oft das Wort verfälscht
Und die Bibel falsch gedeutet.

Tausend Jahre Christenheit
Hätten sich geirrt, so sagten
Jene Ketzer, aber heute
Wär kein Glaube mehr vorhanden.

Wenn denn Christus wiederkommt,
Findet er dann noch auf Erden
Glauben? Ach nicht in der Kirche,
Nur bei Einem Mann allein!

Päpste und Konzilien
Und die Kirche gingen irre
Und der Glaube ward bewahrt
Nur von Einem Mönch allein.

Dies besoffne deutsche Mönchlein
Hat zuviel vom Bier getrunken,
Sprach der Papst, als er das hörte,
Luther sei allein noch gläubig.

Alle Welt ist abgefallen
Von der wahren Christenlehre,
Ganz allein bewahrt den Glauben
Ein besoffnes deutsches Mönchlein!

Was ist ein Häretiker?
Und was ist ein Kleriker?
Also fragte meine Herrin
Heute an dem Fest der Weihnacht.

Luther ist Häretiker,
Denn er sagte, dass der Herr
Selbst verstockt den Pharao
Und den Pharao verdammte,

Um dann Gottes große Macht
An den Kindern Israel
Zu erweisen, die er führte
Aus der Sklaverei Ägyptens.

Wenn der Herr den Pharao
Selbst verstockte, selbst verdammte,
Um die Kinder Israel
Ins Gelobte Land zu führen,

Dann tut Gott das Böse selbst,
Um das Gute zu erwirken,
Dann ist in dem Herrn das Böse,
Wie im Herrn das Gute ist.

Da in Gott das Böse ist,
Hat die Bösen er bestimmt
Zu der ewigen Verdammnis
Und die Guten zur Erlösung.

Nichts kann da das Menschlein tun,
Denn entweder reitet ihm
Satan auf dem Rücken oder
Christus ihm erweist die Gnade.

Wenn in Gott das Böse ist,
Prädestination zum Bösen,
Sprach der Lutheraner Hegel,
Dann ist Gott selbst dialektisch,

Dann tut Gott das Böse, um
So das Gute zu bewirken,
Dann zu dem Dreifaltigen
Kommt als Vierte der Personen

Luzifer hinzu, der Vierte
Er in der Dreifaltigkeit.
Und die Lutheranerin,
Die studierte Doktor Luther,

Fürchtet, dass sie Gott verdammt,
Daß sie sei vorherbestimmt
Von dem Herrgott zu der Hölle,
So verfällt dem Wahnsinn sie.


FRANZ VON SALES


Franz von Sales in der Jugend
Litt am höllischen Gedanken,
Daß ihn Gott vorherbestimmte,
In der Hölle zu verderben.

Solches lehrten Calvinisten,
Solches lehrte Martin Luther,
Der des Menschen freien Willen
Abgelehnt als schlimmer Ketzer.

Gegen Doktor Martin Luther
Schrieb der herrliche Erasmus
Von des Menschen freien Willen,
Alle Geister nun verwirrend.

Wenn die Christen nicht mehr hören
Auf die Kirche der Apostel,
Leben sie die Glaubensspaltung,
Kommen sonderbare Lehren.

Franz von Sales stand in Ängsten,
Daß ihn Gott vorherbestimmte
Für die ewige Verdammnis
Und die Qualen in der Hölle.

Und er betete zum Herrgott:
Bin ich schon verdammt zur Hölle,
Will dies Leben auf der Erde
Ich mit aller Kraft dich lieben.

Aber die Erlösung fand er
Von den höllischen Gedanken
Durch die Mutter aller Gnaden,
Unsre Liebe Frau Maria.

Siegerin ist Sankt Maria
Ja in allen Schlachten Gottes,
Sie besiegt allein den Irrtum,
Sie führt uns zu Jesus Christus.

Als sich Franz von Sales weihte
Unsrer Lieben Frau Maria,
Da befreite ihn die Mutter
Von der Calvinisten Irrtum.

Gott will ja, dass alle Menschen
Zu ihm in den Himmel kommen.
Jedem gibt er reichlich Gnade,
Frei für Gott sich zu entscheiden.

So ward er geweiht zum Bischof
In dem schönen Genf, da herrschte
Calvinismus in den Köpfen
Und die Wahrheit ward verdunkelt.

Franz ward Prediger der Wahrheit,
Der die Lehre der Apostel
Gegen Calvin gut verteidigt,
Gegen Luther gut verteidigt.

Luther stritt sich einst mit Calvin,
Ob das Brot, der Wein des Tisches
Sei der Leib, das Blut des Christus
Oder dieses nur bedeute.

Calvin lehrte diesen Irrtum,
Daß das Brot den Herrn bedeute,
Aber dass der Herr nicht wirklich
Gegenwärtig sei im Brote.

Luther sagte: In dem Brot ist
Christus während des Gebetes,
Durch den Glauben sei der Christus
Bei dem Kulte gegenwärtig.

Aber Franz von Sales lehrte,
Was die Kirche der Apostel
Lehrte von dem Anfang an:
Dieses Brot wird Corpus Christi.

In der Hostie gegenwärtig
Ist der Leib, das Blut, die Seele
Und die Gottheit Jesu Christi,
Wie der Herr es selber lehrte.

Franz, das möchte ich noch sagen,
Hatte eine Geistes-Freundin,
Die Johanna von Chantal war
Eine gottverliebte Witwe.

Seine Briefe las ich weiland
An die Freundin Jeanne, die Fromme,
Die nach ihrem Ehestande
Sich dem Herrn allein geweiht hat.

Diese frommen Liebesbriefe
Sind sehr zärtlich und Johanna
Sah in Franz von Sales ihren
Seelenführer in dem Geiste.


HÖLDERLIN


Hölderlin, der junge Dichter,
Las die deutschen Philosophen,
Kant und seine Preußen-Ethik
Las er als sein Tugend-Vorbild.

Fichte und sein Ich und Nicht-Ich
Und die absolute Freiheit
Hat er auch studiert und Hegel,
Seine Lehre von dem Weltgeist.

Auch den alten Schelling las er,
Wie die Religion der Wahrheit
Neuer Mythen Kleid bedürfe.
Schiller und die Ideale

Hat er auch studiert und sah in
Schiller seinen großen Meister.
Doch vor allen Philosophen
Liebte er den großen Platon.

Hölderlin war kaum ein Deutscher,
War vielmehr ein alter Grieche.
Wie der Stoa fromme Schule
Liebte er den Vater Äther

Und die Sonne wie die Griechen,
Die Urania des Platon
Liebte er als Muttergöttin,
Königin und Vielgeliebte.

Und Empedokles, den Weisen,
Liebte er, der sich geopfert
Der Natur, der stürzte liebend
Der Natur in ihren Schoß.

Ob auch Herkules und Bacchus
Seiner Jugend Helden waren,
Liebte er doch auch den Christus,
Sah in ihm den größten Heros.

Als die Welt der jungen Schönheit
Unterging im Zeitgewitter,
Schickte Gott, der große Vater,
Noch den Sohn, den schönen Heros.

Dieser war so ganz vollkommen,
Daß ihn Hölderlin geliebt hat
Mehr als jeden andern Halbgott
Aus der griechischen Antike.

Als er aber kam nach Frankfurt
Zum Bankier Gontard, im Hause
Zu erziehen dessen Knaben
Henry, diesen holden Knaben

In dem blondgelockten Haare,
Sah er auch die Frau des Hauses,
Sah Suzette, die Anmutreiche,
Die Madonna seiner Seele.

Und nach dem Madonnenkopfe
Er gestaltete sein Kunstwerk,
War ein Hausfreund seiner Dame,
Die er leidenschaftlich liebte.

Doch der Gatte seiner Herrin
Schickte ihn aus seinem Hause.
Nach Bordeaux ist er gewandert,
Schaute Lyra, Schwan und Adler

An dem schönen Sommerhimmel.
Die Madonna seiner Seele
Aber wurde heimgerufen
Von dem Gotte ihres Lebens.

Hölderlin ward ein Verrückter,
Schizophrene Paranoia
Plagte nun den hohen Dichter
Und er lebte völlig einsam

Dreißig Jahre in dem Turme,
In dem Turm von Elfenbein,
Spielte oft auf dem Klavier,
Da die Saiten er zerschnitten,

Nannte sich mit neuem Namen
Scardanelli, schrieb Gedichte,
Nannte seltene Besucher
Papst und Kaiser, seine Hoheit,

Knaben auf den Gassen lachten
Über den verwirrten Dichter,
Dessen Seele war umnachtet
Und die Nerven ihm zerrüttet.

Aber welche sanfte Schönheit
Haben seine Turmgedichte!
Er schrieb nur noch an die Mutter,
An die alte fromme Mutter:

Meine hochverehrte Mutter,
Mir ist wohl. Jetzt muß ich enden.
Immer bleibe ich gehorsam,
Edle Mutter, eurer Sohn.


KIERKEGAARD


Kierkegaard war eines Abends
In Gesellschaft, unter Leuten,
Geistreich wusste er zu plaudern
Wie Raketen explodieren,

Er erzählte gute Witze
Und so manche Anekdote
Von berühmten Philosophen,
Dichtern oder Theologen,

War galant zu Edeldamen
Und humorvoll zu den Kindern,
Trank den roten Wein in Maßen
Und ging dann vergnügt nach Hause.

Doch zuhause überfiel ihn
Eine bodenlose Schwermut,
Wie das Nichts in dem Abyssus
Lag vor ihm die Nacht der Trauer.

Dieses Erbteil seines Vaters
Konnte er nicht überwinden.
Diese bodenlose Schwermut
Hüllte alles ein in Nebel,

Hüllte alles ein in Trauer
Und es strömten heiße Tränen
Und gelähmt lag er am Boden
Und begehrte nur zu sterben!

Aber diese schwarze Schwermut
Machte ihn zum Philosophen,
Der die Wahrheit schied vom Irrtum,
Der die Eitelkeit durchschaute.

Diese abgrundtiefe Schwermut
Grenzte an das Absolute,
Löste von den Eitelkeiten,
Trug hinan zum Herzen Gottes.

Dieser Sokrates der Schwermut
Einsam war in Kopenhagen,
Zu der Einsamkeit verurteilt
Von der Schwermut seiner Weisheit.

O Regine, warum musste
Ich mich von dir scheiden, wehe,
Der ich ganz allein der Weisheit
Voller Schwermut anverlobt bin?

O Regine, wenn ich einsam
Gehe hier in Kopenhagen
Durch mein Dänemark im Nebel,
Ist was faul in unserm Staat.

O Regine, eine Leere
Blieb zurück in meinem Herzen
Und in meiner Seelen-Öde
Geht umher dein schwarzer Schatte.

O Regine, ich alleine
Mit der Weisheit meiner Schwermut,
Du allein mit deinem Herzen
Voller femininer Liebe!

O Regine, weil mein Vater
Mir vererbte diese Schwermut,
Kann mich keine Dame trösten,
Weil die Gottheit mich nicht tröstet.

O Regine, ich hab niemals
Wie ein Don Juan die Frauen
Als Verführer nur erobert,
Um sie gleich drauf zu verlassen.

O Regine, ich war niemals
Solch ein großer Frauenkenner
Und Genießer schöner Frauen
Wie der Dichtervater Goethe.

O Regine, niemals taugte
Ich zu einer guten Ehe,
Unsre eheliche Liebe
Wär geworden nur Ruine.

O Regine, meine Sehnsucht,
Ich muß ganz allein in Trauer
Tragen die Passion der Seele
Und kann hoffen nur auf Christus.

O Regine, ich verlasse
Tausendmal dich täglich, stündlich,
Um allein mit meinem Leiden
Mich Minerva zu vermählen!