Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

DIE HEILIGE FAMILIE



Eine Meditation

Von Josef Maria Mayer





ERSTES KAPITEL


Celine sagte: Herr Toto, du und Frau Lulu, ihr seid meine Familie! Mein Vater Paul Michael, meine Mutter Marie-Therese und meine Kinder Georg und Immanuel, das ist meine Familie dem Blut nach, aber dazukommen Herr Toto und Frau Lulu dem Herzen nach!
Herr Toto sagte: Ach Celine, seit zwanzig Jahren sind wir schon befreundet, du bist mir lieb wie eine Schwester, ja, mehr als eine Schwester! Wenn nur nicht die verzehrende Leidenschaft für Frau Lulu mich so plagen würde! Salomo sagt: Leidenschaft ist heiß wie die Hölle! So ist es. Seit zehn Jahren plagt mich diese Frau Lulu, die die größte Liebe in mir erweckt, ohne sie zu erwidern, und das ist die Hölle! Das ist zehn Jahre lange Finsternis im Herzen!
Celine sagte: Davon will ich gar nichts hören, mein Lieber, denn du bist mein Freund, Herr Toto, aber Frau Lulu ist auch meine Freundin, und ich weiß, sie leidet sehr unter deinem Verlangen nach ihrer Liebe!
Ja, sagte Herr Toto, kümmere dich nicht darum, schließlich hast du selbst genug Sorgen. Nun der Krebs deine schönen großen Brüste befallen hat, da sorgst du dich genug, was aus deinen Kindern werden soll, wenn der Herr dich heim ruft!
Du ahnst gar nicht, sagte Celine, wie einsam ich mich fühle in meiner Todesangst! Die letzte Königin von Frankreich, Marie-Antoinette, schrieb vor ihrer Hinrichtung an ihre Schwester: Man erwartet mich! Ich bin bereit! Aber der Abschied von meinen Kindern – mein Gott! – das zerreißt mir das Herz! Meine einzige Hoffnung ist, dass Mutter Katharina meine beiden Knaben aufnimmt. Sie hat zwar schon fünf Kinder, aber sie ist eine so liebevolle Mutter, wenn sie meine beiden Knaben aufnehmen könnte, dann würde ich beruhigt scheiden von der Erde. Herr Toto, morgen muß ich ins Hospital Pius XII., aber mein Vater Paul Michael kommt und wird, wenn du willst, mit dir und meinen beiden Knaben zu Mutter Katharina fahren. Du bist ja ein wahrer Vater für meine Knaben geworden, und besonders dein Liebling Immanuel soll doch sicher in eine liebevolle Familie kommen. Ich weiß ja, dass deine seelische Krankheit es dir nicht erlaubt, meine Kinder zu nehmen.
Und so kam es denn am nächsten Tag, dass Herr Toto vom Großvater Paul Michael mitgenommen wurde, sowie die beiden Knaben Georg, der ältere, fünf Jahre alt, und Immanuel, der kleinere, drei Jahre alt, sie fuhren zu Mutter Katharina, die auf dem Lande in einem Bauernhaus lebte und Musikerin war, gemeinsam mit ihrem Mann. Dort lebte sie mit ihren Töchtern Marion, Leonie und Julie, die beiden Söhne Felix und Noah waren schon aus dem Haus.
Paul Michael lenkte den Wagen auf den Bauernhof und Mutter Katharina begrüßte Paul Michael mit einer Umarmung, begrüßte die beiden Knaben liebevoll und lächelte auch Herrn Toto an. Sie traten in die Wohnstube, wo schon Kaffee und Kuchen bereit standen.
In der Stube saß ein Mädchen, sechzehn Jahre jung, das war Julie. Herr Toto staunte sie an: Welch eine makellose Schönheit! Eine Madonna, geschaffen vom meisterlichsten Renaissance-Künstler!
Juli war hochgewachsen und schlank, von unaussprechlicher Schönheit! Herrn Toto blieb der Atem stocken, er vermochte kein Wort hervorzubringen. Ihre langen kastanienbraunen Haare flossen glatt um ihr Gesicht. Ihre Augen waren groß und braun und schauten liebevoll auf die Kinder. Ihr Mund war umspielt von einem charmanten Lächeln. Sie war still und saß dort im Winkel wie die Ikone eines Hausaltars.
Mutter Katharina begann mit Herrn Toto über Bücher zu sprechen. Ich habe immer den Kindern vorgelesen, sagte Herr Toto, die Chroniken von Narnia von Clive Staples Lewis. Die Kinder waren ganz begeistert.
Ja, jubelte Immanuel, die Welt, müsst ihr wissen, ist nämlich wie eine Zwiebel. Aber bei der Zwiebel ist die Schale größer und das Innere kleiner. Aber in Wahrheit ist die Schale der Welt kleiner und das Innere größer. Nämlich unsere Welt ist nur der Schatten der wirklichen Welt, und in der Wirklichen Welt gibt es auch keine Zeit und keinen Tod.
Mutter Katharina staunte. Ja, sagte Herr Toto, Immanuel ist ein kleiner platonischer Philosoph. Überhaupt betrachtet Celine ihn als ihren kleinen Schutzheiligen, den Gott an ihr Sterbebett gestellt hat.
Mutter Katharina sagte: Meine Mädchen haben immer gern den Herrn der Ringe von Tolkien gelesen. Tolkien und Lewis, sagte Herr Toto, waren die besten Freunde, beides Oxford-Gelehrte, der eine Anglikaner, der andere Katholik.
Kinder, möchtet ihr einen Spaziergang machen? fragte der Großvater Paul Michael. Eben trat die zweite Tochter ein, Leonie, vierzehn Jahre alt, ebenfalls hochgewachsen, schlank, aber mit langen goldblonden Haaren. Leonie sagte: Georg und Immanuel, wollen wir zum See gehen? Paul Michael sagte: Herr Toto, willst du mitgehen?
Und so gingen Herr Toto und Georg und Immanuel mit dem blonden Mädchen Leonie in die freie Natur, durchs Gebüsch, an den Pferdewiesen vorbei zu einem kleinen Badesee. Die Kinder tobten durch die grüne Natur, Leonie blieb immer ruhig und ausgeglichen, sanft und gütig. Herrn Toto schien sie ein Schutzengel zu sein. Ja, die brünette Madonna war atemberaubend schön, aber das goldblonde Mädchen schien ein schwesterlicher Schutzengel zu sein, der die Kinder einer sterbenden Mutter begleitete und behütete. Herr Toto war beruhigt. Wenn Madonna da ist und ihren Schutzengel sendet, dann wird alles gut!
Am Abend fuhren sie wieder ab, aber Herr Toto hatte in seinem äußeren Auge das Bild Julies aufgenommen, das in sein Inneres eingegangen war und ihm dort vorschwebte als, wie Puschkin sagte, der Genius der reinen Schönheit.


Ich denke an den schönen Augenblick:
Ich schaute dich! Da fehlten mir die Töne.
Erscheinung warest du voll Himmelsglück,
Geniales Ideal von reiner Schöne!

In Qualen hoffnungsloser Traurigkeit
Und in den Wirren lauter Eitelkeit
Klang deine Stimme mir wie ein Gedicht,
Ich träumte oft von deinem Angesicht.

Die Zeit verging. Ein Sturm mit wildem Grimme
Zerstreute meiner Phantasien Licht
Und ich vergaß, ach, deine sanfte Stimme
Und ich vergaß dein Himmelsangesicht.

Und in der Öde, in des Kerkers Fron
Zog sich mein Leben hin in trister Trübe,
Ach, ohne Gottheit, ohne Inspiration,
Ach, ohne Liebestränen, ohne Liebe!

Die Seele ist befreit von dieser Fron:
Du bist erschienen mir zum zweiten Mal,
Erschienen mir als himmlische Vision,
Genialer Schönheit reines Ideal!

Mein Herz schlägt in Ekstase! Die Vision
Erweckte mich aus trister Trauer Trübe:
Es lebt die Gottheit, lebt die Inspiration
Erneut, die Liebestränen und die Liebe!



ZWEITES KAPITEL

Man rief Herrn Toto ins Hospital Pius XII., denn Celine lag im Sterben. Sie war sehr müde und lag lächelnd in ihrem Krankenbett. Herr Toto setzte sich auf ihr Bett und sie hielten sich an der Hand und schwiegen. Frau Lulu war zornig geworden auf Herrn Toto und hatte ihm die Freundschaft aufgekündigt, darum war Herr Toto voller Seelenschmerzen. Er beichtete der Sterbenden seinen Seelenschmerz und sie sagte nur: Frau Lulu, das weiß ich auch, kann manchmal ungeheuer harten Herzens sein. Aber sei getrost, sie wird dir ihre Freundschaft nicht aufkündigen.
Die Glocken der Kapelle des Hospitals läuteten und Herr Toto eilte zur Heiligen Messe. Es wurde gepredigt über die Seligpreisungen: Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden! Selig sind die arm vor Gott sind, denn ihnen gehört der Himmel! Herr Toto empfing die himmlische Speise und ging mit dem Sakrament in seinem Herzen wieder zu Celine. Er sagte: Celine, selig bist du, du sollst getröstet werden! Ich, fragte Celine, selig? Sie lächelte.
Im nächsten Augenblick trat eine Barmherzige Schwester mit der Kommunion für die Kranken ein und Celine sprach: Ich möchte die Kommunion empfangen!
Das war das letzte Mal, dass Herr Toto Celine sah, einen Tag darauf war sie gestorben. Frau Lulu holte Herrn Toto mit dem Wagen ab, zusammen holten sie Georg und Immanuel ab und fuhren in das Hospital. Dort hatte sich schon die Familie versammelt. Paul Michael war da und Marie-Therese, die Mutter Katharina kam herein und umarmte Herrn Tot warmherzig und barmherzig. Herr Toto nahm den kleinen Immanuel an die Hand und betrat das Zimmer, da Celines Leichnam aufgebahrt war. Er zeichnete mit Weihwasser ein Kreuz auf die Stirn des Leichnams und nahm Immanuel wieder mit hinaus. Zusammen gingen die beiden in die Kapelle des Hospitals und knieten vor der Statue der Mutter Gottes.
Herr Toto betete: Mutter Gottes, unsre himmlische Mutter, führe du an deiner Hand Celines unsterbliche Seele in das Paradies Gottes! Siehe hier dein Kind, Immanuel, dem seine Mutter heute gestorben ist. Sei du, Mutter Maria, von nun an seine himmlische Mutter! Und Immanuel sagte: Maria ist nun meine Mutter? Ja, sagte Herr Toto.
Immanuel sagte: Und du bist nun mein Papa! – Mein Liebling, sagte Herr Toto, komm erst einmal mit, wir fahren zu Frau Lulu, da werden wir die nächsten Wochen erst einmal zusammen wohnen, bis wir wissen, wo du leben wirst. Und so nahm Frau Lulu den kleinen Waisenknaben und Herrn Toto mit sich nach Hause.
Herr Toto war taub gegenüber dem Schmerz um Celine, er spürte gar nichts, es hatte ihn die Botschaft noch gar nicht erreicht. Aber Immanuel trauerte. Oft kam er plötzlich zu Herrn Toto und barg sich in seinen Armen und trauerte: Ich werde meine Mama nie wiedersehen! Doch, sagte Herr Toto, eines Tages, bei Gott im Himmel, da werden wir Celine, deine Mama, wiedersehen!
Herr Toto brachte Immanuel abends ins Bett und betete mit ihm. Immer wieder wollte Immanuel das Marienlied hören:
Maria, breit den Mantel aus,
Mach Schirm und Schild für uns daraus,
Laß uns darunter sicher stehn,
Bis alle Stürme vorübergehn!
O Mutter voller Güte,
Uns allezeit behüte!
Dann bat Immanuel um das Lied vom Paradies:
Schlaf selig und süß,
Schau im Traum’s Paradies!
Dann bat Immanuel um den Schutzsegen mit den Engeln: Zwei Engel stehen zu deinen Füßen, zwei Engel sind zu deiner rechten Seite, zwei Engel sind an deiner linken Seite, zwei Engel stehen an deinem Kopf und zwei Engel schweben über dir, um dir den Weg ins Paradies zu zeigen!
Dann schlief Immanuel an Herrn Totos Hand ein. Wenn Herr Toto dann aufstand vom Kinderbett, wachte Immanuel noch einmal kurz auf und sagte: Pass gut auf dich auf! Dann schlief er wieder ein.
Herr Toto hatte Frau Lulu immer als Spiegel der göttlichen Schönheit angeschaut, und Immanuel war für ihn immer ein Spiegel der göttlichen Liebe gewesen. Frau Lulus Schönheit hatte er angebetet, aber durch Immanuel hatte er Gottes Liebe erfahren. Er war immer einsam gewesen, aber durch Immanuel war Gott in sein Leben gekommen und hatte die Einsamkeit angefüllt mit der spürbaren Liebe Gottes. Und nun war diese Dreiheit zusammen, Herr Toto schaute Tag für Tag den Spiegel der göttlichen Schönheit mit anbetender Devotion an und war mit dem Spiegel der Liebe Gottes in einer wechselseitigen Liebe auf zärtlichste Weise Tag für Tag verbunden. In gewissem Sinne waren diese todtraurigen Tage für ihn die schönsten seines Lebens. Welch eine Schönheit und Liebe! Aber mitten in tiefer, schwarzer Todestrauer! Ein ungeheurer Todesschrecken und eine tödliche Trauer war in aller Herzen und doch war eine glühende Liebe und strahlende Schönheit mitten unter ihnen! Es war eine unbeschreiblich paradoxe Gotteserfahrung.
Schön ist schrecklich, schrecklich schön,
Schwebt durch Dunst und Nebelhöhn.
Herr Toto hörte eine Predigt zur Fastenzeit, denn genau am Aschermittwoch ward Celine begraben. Herr Toto strich sich ein Aschenkreuz auf die Stirn und sagte: Staub bin ich und zu Staub muß ich werden! Der Fastenprediger sagte: Ihr Christen könnt in der Fastenzeit auch auf solch eine Weise fasten, dass ihr vermehrt und mit größerer Anstrengung und Selbstaufopferung Werke der Barmherzigkeit tut: Die Hungernden füttern, die Nackten kleiden, die Trauernden trösten!
So verbrachten Frau Lulu und Herr Toto mit dem kleinen Immanuel die Fastenzeit. In jener Zeit lachten Herr Toto und Immanuel auch viel: Immanuel nannte Herrn Toto Lallah! Und Herr Toto entrüstete sich zum Spaß und rief mit gespielter Empörung: Unverschämtheit! Das sag ich dem Opa! Und Immanuel lachte und rief: Du bist Lallah! Du bist Lallah! Und Herr Toto telefonierte mit Paul Michael und sagte : Opa, dein kleiner Enkel ist unverschämt und nennt mich Lallah ! Und Immanuel lachte. Plötzlich aber wurde er wieder traurig und saß im Hausflur im Schatten und trauerte. Herr Toto setzte sich zu ihm auf den Boden und trauerte mit ihm.
In jener Zeit telefonierte Herr Toto oft mit der Mutter Katharina, die sich unter inneren Schmerzen entschlossen hatte, Celines Kinder nicht aufzunehmen. Der Vater Staat hatte sein Amt geschickt. Georg sollte zu seiner Großmutter Marie-Therese kommen, und Immanuel in ein vorbildliches pädagogisches Landerziehungsheim. Herr Toto sprach oft mit Mutter Katharina über die Kinder und ihre Trauer, und er schätze ihre sensible Art, ihr feinfühliges und warmes Herz, ihr Mitgefühl, ihr Einfühlungsvermögen, sie war ein Muster an weiblicher Empathie.
Eines Tages kam Mutter Katharina mit ihrem Mann, dem Instrumentenbauer, und ihren drei Töchtern zu Frau Lulu. Paul Michael und Marie Therese waren auch gekommen. Alle speisten zusammen. Herr Toto saß auf dem Boden der Stube, Immanuel schmiegte sich an ihn. Und er Toto schaute auf zu den andern und sah das Mädchen Julie da stehen wie eine Madonna von Botticelli. Er konnte sich an dieser Schönheit nicht satt sehen. Sie war eine Augenweide, ein bildschönes Mädchen! Dabei war sie so ruhig und ausgeglichen und sprach so sanft und freundlich. Sie war sehr feminin, ohne Härte und Verbitterung, sehr süß und ausgesprochen attraktiv. Herr Toto reichte ihr zum Abschied die Hand und sagte: Auf Wiedersehen, schöne Frau! Mutter Katharina hörte das und lachte leise.

Hier wollen wir nun beginnen, aus einem Heft zu zitieren, das Herr Toto im Irrenhaus anlegte. Er beschrieb zuerst seine Mit-Irren, um dann durch Betrachtungen der Heiligen Schrift sich zu erbauen. Nämlich einige Zeit nach dem Tod Celines und dem Verlust seines geliebten Immanuel, ward Herr Toto wahnsinnig vor Schmerz und Trauer, so dass ihn sein älterer Bruder Folly in das Irrenhaus brachte. Dort fand Herr Toto den einzigen Trost in dem betenden Lesen der Bibel.


DRITTES KAPITEL

DAS IRRENHAUS


Als ich ins Irrenhaus kam, leitete die Oberschwester (ein Drache von altem Weib) mich in den Raucherraum. Dort begrüßte mich Helmut Alfred. Ich wurde seinem Zimmer zugewiesen. Er erzählte mir, er habe ein Perpetuum Mobile erfunden. In seiner Kindheit, nachdem er seine Mutter verloren hatte, war er auf dem Mond gewesen, das sei die Wahrheit, aber keiner wollte ihm es glauben. Er sei übrigens auch ein Christ, aber das würde er geheim halten. Er war sehr witzig, aber nachdem ich einmal sehr traurig gewesen, schnitt er mich, denn ich sei von einer ansteckenden Traurigkeit.
Ein anderer sprach mich an: Rauchst du etwa Tabak der Sorte Simson? Das rauchen die Studenten. Du kommst ja hier herein mit solch einer Intellektuellen-Brille. Er vertraute mir erst, als ich ihm zeigte, dass ich den billigsten Tabak rauche, der auf dem Markt zu bekommen, den, wie ich, alle Irren rauchen. Als er merkte, dass ich Christ bin, nuschelte er in seinen langen verwilderten Bart: Ja, den Weg kannst du gehen, den mit deinem Christentum. Das Christentum ist doch Nächstenliebe. Aber warum hätten die Christen Kriege gegeneinander geführt? Ich sagte, das habe politische Gründe. Er machte jeden Morgen vor dem Frühstück in dem großen Garten des Irrenhauses seine buddhistische Meditation.
Ein anderer sah aus wie ein hinduistischer Heiliger, er hatte einen langen Bart und lange Haare und keine Zähne mehr im Mund, darum verstand man ihn auch schlecht. Er mochte mich, denn er hatte kein Geld, sich Tabak zu kaufen, und ich gab ihm immer von meinem Tabak ab. Er war ein Seemann gewesen und auf allen Weltmeeren gesegelt, auch am Kap der Guten Hoffnung gewesen.
Daniel hatte mich im Verdacht, ein Spion der Irrenärzte zu sein und alles mitzuschreiben. Ich sagte: Hier hab ich tatsächlich ein Manuskript, da steht der Name Daniel, aber es ist der Seher Daniel aus der Bibel. Da fasste er Vertrauen und sagte, er glaube auch an Jesus. Jesus sei doch die Sonne und Maria sei doch die Erde? Und ob das wohl von Jesus sei, was er gesehen hätte? Daniel war doch ein Seher. Also er hatte eine Vision, da sah er am Himmel ein großes Herz schweben und ein Schwert steckte in diesem Herz, und dann sah er einen großen Drachen am Himmel. Ich sagte: Ja, das war die Apokalyptische Frau. Dann erzählte er mir, dass seine Freundin eine Katze hatte, und die Katze spielte immer mit einer unsichtbaren Katze. Die unsichtbare Katze habe ihn angesprungen und ihn zerkratzt, das heißt, seine Seele so zerkratzt, dass seine Seele ausgeblutet sei. Er fragte, ob er jetzt noch eine Seele habe oder ob er seine Seele verloren habe? Ich sagte: Solange du lebst, hast du auch eine Seele. Trinke das Blut Christi!
Dann war da noch Patrick. Ich sagte: Ah, der heilige Patrick von Irland! Er lächelte. Er war in seiner Kindheit von einem Mann sexuell misshandelt worden und hatte nun eine traumatisierte Seele, Angst plagte ihn und Verzweiflung. Er sagte: Ich will sterben, Jesus, ich will in den Himmel kommen! Ich sagte:
In den Himmel will ich kommen,
Fest hab ich’s mir vorgenommen.
Mag es kosten was es will,
Für den Himmel ist mir nichts zuviel.
Er bedankte sich. Ich schenkte ihm ein Nuckelfläschchen, gefüllt mit bunten Liebesperlen aus Zucker, und er freute sich sehr. Am Tag bevor ich ging, gab ich ihm noch meinen Rosenkranz und sagte: Halte dich daran fest wie an einer Nabelschnur, die dich mit dem Himmel verbindet. Er hielt dann immer den Rosenkranz in den Händen und sagte zu mir: Du bist ein toller Mensch!
Am Tag, da ich den Arzt überzeugen musste, dass er mich entlassen solle, kam ein Irrer und begann Zigarren zu verteilen und fing plötzlich an, vom heiligen Franziskus zu erzählen. Der heilige Franziskus, der hat ja den Vögeln gepredigt! Das war mir ein Zeichen. Aus dem Munde von Kindern und Narren tut Gott die Wahrheit kund. Als ich zu dem Arzt ins Zimmer trat, bat ich den heiligen Franziskus um Beistand, denn ich musste sehr kämpfen, um entlassen zu werden, der Arzt war mir sehr feindlich gesonnen, und meine Hände und Kniee zitterten, aber Franz stand mir zur Rechten.
Als ich eingeliefert worden war, befragte mich der Oberarzt: Was tun Sie den ganzen Tag? – Ich lese viel. – Was haben Sie denn gelesen? Etwa alles? – Ich lachte. Ich lese gerne Goethe, Hölderlin, Puschkin, sagte ich. Außerdem beschäftige ich mich etwas mit Philosophie. – Kennen Sie die Vorsokratiker? – Ja, Parmenides und Heraklit, Empedokles und Pythagoras. – Kennen Sie Platon? – Ja, ich habe Lehrgedichte über die platonische Philosophie der Liebe geschrieben. – Und Aristoteles? – Ich habe mich mit Aristoteles noch nicht beschäftigt, aber etwas mit den arabischen und jüdischen Aristotelikern des Mittelalters. – Und griechische Tragödie? – Ja, sagte ich, Sophokles, Euripides und Äschylus. Mit den Leiden des Prometheus kann ich mich identifizieren. – Und Chinesische Philosophie? – Ja, sagte ich, Konfuzianismus und Taoismus. – Was ist Konfuzianismus? – Eine Gesellschaftslehre, da die geordnete Familie Keimzelle des geordneten Staates ist, wobei die kindliche Pietät die Grundhaltung in der Familie ist. – Und Taoismus? – Ich neige mehr zum Taoismus, da das Tao als ein mütterliches Wesen meine Sehnsucht nach transzendentaler Mutterliebe stillt. Ich habe Lao Tse und Liä Dsi und Tschuang Tse gelesen. Ich kenne auch das Buch der Lieder, chinesische Gedichte aus der Zeit Davids, und die chinesischen Poeten der Tang-Dynastie ganz gut. – Und englische Literatur? Englische Romantik? – Ja, sagte ich, Lord Byron liebe ich besonders. – Was haben Sie da für ein Buch in ihrer Jackentasche? – Gedichte von Hölderlin. – Aha, wissen Sie dass Hölderlin auch schizophren war? – Ja. – Von dem ist das Gedicht: Voll mit wilden Birnen hänget das Land in den See? – Von Hölderlin. – Können Sie es ergänzen? – Ich ergänzte es. – Nicht schlecht, mein lieber Schwan.


VIERTES KAPITEL

Ostern war gekommen und Mutter Katharina feierte Geburtstag. Paul Michael, der Onkel der Mutter Katharina, war eingeladen und Marie Therese, Frau Lulu war eingeladen und Herr Toto, Georg und Immanuel, und weitere Gäste.
Alle saßen bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen an der Tafel in der Bauernküche und das Thema kam auf den Kirchenskandal. Es hatten nämlich in der katholischen Kirche in Deutschland sich einige gottgeweihte Personen, Priester und Mönche, dadurch ausgezeichnet, dass sie die ihnen anvertrauten Schützlinge sexuell missbrauchten. Da waren nicht nur die Lehrer eines Jesuiten-Internats, da waren Mönche, da war sogar ein Bischof berühmt geworden, weil er nicht nur Alkoholiker war, sondern auch Kinderschänder. Die Empörung war zu Recht sehr groß.
Paul Michael sagte: Dieses unnatürliche Zölibat! Es ist ganz unnatürlich, die Sexualität nicht auszuleben! Die Sexualmoral der Kirche bringt Sexualneurotiker hervor! Und was dergleichen Vorurteile aus Unwissenheit mehr noch üblich ist. Denn, dachte sich Herr Toto, wenn einer pervers veranlagt ist, so nützt es ihm nichts, verheiratet zu sein, da muß man doch Mitleid auch mit den Frauen haben! Die Ehe ist doch kein freier Spielplatz für alle möglichen Perversitäten!
Aber was sollte Herr Toto sagen? Bei diesem Sturm der Empörung war es nicht möglich, ein gutes Wort für die Jungfräulichkeit um des Himmelreiches einzulegen oder für die ganze Weisheit der Sexualmoral der Kirche. Hier standen gerade die schlimmsten Feinde der Kirche nicht außerhalb der Kirche, sondern innerhalb, und hier war der Rauch Satans in die Kirche eingedrungen. Für eine ruhige Diskussion war hier nicht Raum.
Herr Toto verließ die Küche und setzte sich vor dem Bauernhaus auf den Hof und begann, einen Rosenkranz zu beten. Das Land war gesäumt von mächtigen alten Eichen und es begannen die Tauben in den Eichbäumen zu gurren, und es begann ein ländlicher nordischer Wind in den Wipfeln zu rauschen, und es schien Herrn Toto, dass dieser Wind die Stimme Gottes war, ein Windesrauschen wie ein Meeresrauschen, nicht ein Donner des wütenden Gottes aber auch nicht ein sanftes Säuseln eines zärtlichen Gottes, sondern das ernste Rauschen des Windes eines väterlich ernsten Gottes. Ja, Gott spazierte durch den Bauerngarten und tat sich dem Beter kund!
Herr Toto schaute zu den Ställen. Da stand das Schaf Regina Coeli und guckte aus seinen großen braunen Augen, da stand die schwarze Stute Saraswati, die indische Göttin der Sprache und der Weisheit, und schnaubte in den Wind. Die Tür zum Stall klapperte und es schien Herrn Toto, das ein unsichtbares Geistwesen auf dem Hof stand und zu ihm schaute, ja, es war ihm, als spüre er die Gegenwart der jungen, himmlisch-schönen Madonna, fast sah er sie in ihrem blauen Mantel und roten Kleid, einen Schleier auf den langen braunen Haaren, schlank wie eine Palme stand sie da, anmutig wie eine Gazelle.
So ermutigt, trat Herr Toto wieder in die große Bauernküche. Die Gesellschaft hatte sich zerstreut, das Thema der Priestersünder hatte man wieder verlassen, es saßen nur Mutter Katharina, ihr Mann Josef und eine ihrer Töchter dort, nämlich Julie.
Da war es Herrn Toto mit einem Mal, als sähe er die Madonna seiner geistigen Vision jetzt leibhaftig vor sich am runden Tische sitzen! Diese Madonna war schlank wie eine Palme, anmutig wie ein Reh, ihre langen Haare waren kastanienbraun, ihre Augen mandelförmig und kastanienbraun, aber von einem milchig leuchtenden Weiß umschimmert, der lange schlanke Hals war wie der Hals eines Schwanes oder wie ein Elfenbeinturm, ihre roten Lippen waren wie eine scharlachrote Schnur, ihr Mund war lächelnd und kusslich, ihre Fingernägel waren mit Henna rot gemalt, und sie strahlte übers ganze Antlitz, ihre ganze Gestalt umgab der Lichtglanz einer himmlischen Grazie!
Tatsächlich sprach sie auch Herrn Toto an, und es war ihm ein Wunder, dass solch eine überirdische Madonna sich zu einem alten Philosophen von höchstens sokratischer Schönheit hinwendete und ihn ansprach. Er fragte sie denn auch, ob ihr Name Juli sei oder Julia oder Juliette oder gar französisch Jülie?
Da tauchte im Raum auch Frau Lulu auf, ernst und bitter, Harm im Gesicht, die Körperfülle gepresst in einen zu engen Mantel, die Haare verwirrt und von grauen Strähnen durchsetzt, und sie schaute zu Herrn Toto und sah, wie er scherzte mit Madonna Julie, und Herr Toto sah die Eifersucht in Frau Lulu kochen. Frau Lulu war dunkel und glanzlos, sie hatte alle Anmut verloren, allen Charme und Liebreiz, und sie schien eine alte graugebeugte Eiche zu sein neben dieser überirdischen Lotos Nymphäa!
Frau Lulu verließ die Festversammlung, und als spät am Abend auch Paul Michael Herrn Toto und die beiden Knaben mitnahm, sagte Herr Toto: Julie ist eine Madonnenerscheinung! Paul Michael sagte: Ja, sie ist wie eine Fee!

Hier aber schieben wir nun die erste Betrachtung über die Bibel ein, die Herr Toto im Irrenhaus schrieb. Er wollte mit dieser Meditation über die Susanna des Evangeliums einer pietistischen Freundin danken, die ihm immer freundlich beigestanden hatte, wenn er von Frau Lulu wieder gequält worden war, wenn Frau Lulu wie eine Schlange und wie ein Skorpion seine Seele gemartert hatte, dann hatte diese evangelische Christin Susanna ihn immer wieder getröstet und auferbaut durch ihre barmherzige Bruderliebe.


FÜNFTES KAPITEL

PREDIGT ÜBER DIE EVANGELISCHE SUSANNA


Liebe Brüder und Schwestern,
heute betrachten wir folgenden Vers: „Gleicherweise Jo-Anna (Gott ist Gnade), die Frau des Chuza (des Sehers), der Kinderpfleger (Tutor) des Herodes (Heros) war und in der Tat auch Sousanna (lily) und auch eine große Menge (Popolos), welche Ihm Selbst (Autos) dienten (Ministrantinnen, Diakoninnen) mit ihren Gütern (ihren Gaben, ihrem Reichtum, ihrer Substanz).“
Wer ist nun diese Susanne des Evangeliums? In Lukas 8,2 lesen wir: „Dazu etliche Frauen (gynä), die er gesund gemacht hatte von bösen Geistern (Evil Spirits) und Krankheiten (Schwächen, inneren Belastungen, Ärger), wie zum Beispiel Maria, die Magdalena heißt, von welcher sieben Dämonen ausgefahren.“
Gehörte zu diesen Frauen auch Susanne? Hat Jesus sie befreit von einem üblen Spirit, von ihren Schwächen erlöst, von ihren inneren Belastungen befreit, ihr den Ärger genommen? Hat er auch die sieben Dämonen der Sünde von ihr genommen und ihr die sieben Geister der Tugenden gegeben? Und womit hat Susanne Jesus gedient? Der Dienst der Frauen um Jesus war der Dienst, das Ministrieren als Diakoninnen. Hat sie Jesus mit ihrer Habe unterstützt, das heißt, hat sie ihm Geld gegeben? Oder hat sie ihn mit all ihrem Besitz, mit all ihren Reichtümern unterstützt, ihm gedient, ja, mit ihrer ganzen Substanz, also ihrem ganzen inneren Wesen? Ist sie nicht eine Dienerin Jesu gewesen mit allem, was sie war und allem, was sie hatte? Sie war also von Jesus eingesetzt als Diakonin. In der frühen Kirche gab es nämlich eine Weihe für Frauen, nicht eine Priesterweihe, aber eine Diakonissinnen-Weihe. Diese ist erst von der römischen Kirche wieder abgeschafft worden, als man sich dem römischen Recht unterstellte. So bezeugt es die heilige Edith Stein. Susanna war also eine von Jesus selbst geweihte Diakonin, die ihm mit ihrer ganzen inneren Substanz diente.
Die Namen in der Bibel sind immer von einer geistlichen Bedeutung. Susanna verweist einmal auf ihre Prophezeiung im Alten Testament, da im Buch Daniel Susanna als das Ideal einer keuschen Ehefrau dargestellt wird. Keuschheit ist nicht nur eine Tugend für die, die ehelos leben um des Himmelreichs willen, sondern Keuschheit ist eine Frucht des Heiligen Geistes für alle Christus-Jünger und Jüngerinnen, auch in der Ehe. Keuschheit bedeutet nämlich die gelungene Integration der Sexualität in die Person, das heißt, bei einer keuschen Ehe haben die Ehepartner die Sexualität integriert in eine persönliche Hingabe an den andern und üben die Sexualität nicht als egoistische Triebbefriedigung, sondern als Ausdruck der Ganzhingabe der einen Person an die andere, als ein liebendes Sich-Verschenken an das Du. Dazu gehört die von Jesus postulierte Ausschließlichkeit der Ehe, keine sexuelle Betätigung vor oder außerhalb der Ehe, und die Unauflöslichkeit der Ehe. Denn die keusche Ehe ist ein Sakrament, das verweist auf die Ehe zwischen Christus und der Braut Kirche, und dieser Bund ist ein ewiger Bund, ein unauflöslicher Bund. Wer nun das Sakrament der Ehe bricht durch eine Ehescheidung und also gewissermaßen den Bund zwischen Christus und seiner Kirche zerreißt, der kann nicht gleichzeitig an dem Sakrament der Liebe teilhaben, da Christus sich mit Leib und Blut und Seele und Gottheit dem Christen und der Christin in einer Kommunion vereinigt. Susanne ist also entsprechend ihrer alttestamentarischen Namenspatronin eine Zeugin für die keusche Ehe, für die unauflösliche Ehe als Sakrament.
Der Name Susanna, also die Lilie, verweist auch auf die Braut, nämlich im Hohenlied Salomos spricht die Braut: Ich bin eine Lilie des Tales. Der Bräutigam ist der, den ihre Seele liebt, nämlich der Geliebte, der in den Lilien weidet. Jesus sagte von sich selbst: Hier ist mehr als Salomo. Jesus ist nämlich der Bräutigam der Kirche und Bräutigam der einzelnen christlichen Seele. Die Kirche ist eine Lilie des Tales, das heißt, eine keusche Jungfrau in Demut, die demütig spricht: Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Die christliche Seele ist eine Lilie als Braut Christi, wobei die jüdische Mystik der Kabbala sagt: Die Lilie ist ein Symbol für die tiefe Liebe zu Gott, denn der Kelch der Lilie ist tief. Susanne ist also auch ein Symbol für die Brautkirche und für die Brautseele, für die Braut Christi, die eine Lilie der Unschuld und Demut ist, eine Lilie des Tales.
In Matthäus 27,55 lesen wir: „Und es waren viele Frauen (gynä) da, die von ferne zusahen, die da Jesus nachgefolgt waren aus Galiläa und hatten ihm gedient (diakoneo).“
Dies ist die Szene der Kreuzigung Jesu. Wir finden also Magdalena und Jo-Anna und Susanne aus Galiläa in der Nähe des Kreuzes, da sie den Tod des Bräutigams mit stillem Mitleiden anschauten.
In Markus 15, 20 heißt es: „Und es waren auch Frauen da, die von ferne dies alles schauten, unter welchen war Maria Magdalena und Maria (die Mutter des Jakobus des Kleinen und des Joses) und Salome.“ Hier finden wir also zu Jo-Anna und Magdalena weitere Glaubensgenossinnen der Susanne, nämlich Maria, die Mutter des Jakobus des Kleinen und des Joses. Wer ist das? Das ist Maria, die Frau des Kleophas, die Mutter von Jakobus und Joses, der sogenannten Herrenbrüder, die nahe Verwandte Jesu waren. Wäre die Mutter der Herrenbrüder auch die Mutter Jesu gewesen, so hätte hier nicht gestanden: Maria, die Mutter des Jakobus und des Joses, sondern Maria, die Mutter Jesu. Auch vertraut Jesus vom Kreuz herab seine Mutter dem Lieblingsjünger an. Wenn die Mutter Jesu aber noch andere Söhne als Jesus gehabt hätte, so hätte Jesus sie ihren Söhnen anvertrauen müssen. Aber Maria, wie die Kirche immer geglaubt hat, und wie auch die Orthodoxen und die Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin glaubten, Maria hatte außer Jesus keinen Sohn, sondern die Mutter des Jakobus und des Joses war Maria, die Frau des Kleophas, die hier mit Magdalena und Jo-Anna und Susanna den Gekreuzigten anschaut, und Salome. Salome ist die weibliche Form von Salomo und verweist auf Sulamith, die Braut des Hohenliedes. Susanne wie Salome sind beide die Bräute Jesu, denn Jesus ist der Bräutigam der ganzen Kirche und jeder christlichen Seele.
Schon auf dem Kreuzweg Christi begegnen uns die Frauen: Lukas 13,27: „Es folgten ihm aber nach eine großer Haufen Volks und Weiber und beklagten und beweinten ihn.“
Hier finden wir Susanne mit ihren Freundinnen, die Jesus auf der Via Dolorosa zum Kreuz begleiten und über ihn weinen, aber Er, in seiner Demut, sagte: „Susanne und ihr anderen Frauen, weint nicht über mich, sondern weint über euch und eure Kinder.“ Jesus also, als er das Kreuz zur Schädelstätte hinantrug, tröstete noch Susanne und die anderen Frauen, die über ihn weinten.
Und als Jesus gekreuzigt wurde, da heißt es in Lukas 23,49 „Es standen alle seine Bekannten von ferne und die Frauen, die ihm aus Galiläa gefolgt waren, und sahen das alles.“ Susanne aus Galiläa war also Augenzeugin des Kreuzestodes Christi, ihres Bräutigams!
Und sie sah auch, wie er in das Grab gelegt wurde. Lukas 23,55: „Es folgten aber die Weiber nach, die mit ihm gekommen waren aus Galiläa, und beschauten das Grab, und wie sein Leib bestattet wurde.“ Susanne war also von Galiläa mit Ihm nach Jerusalem gegangen, war mit ihm den Kreuzweg gegangen, hatte ihn beweint, war von ihm getröstet worden, hatte seine Kreuzigung als Augenzeugin erlebt und seinen Tod gesehen und hatte gesehen wie er beerdigt wurde in dem Felsengrab.
Am Ostersonntag aber erzählten die Apostel: „Auch haben uns erschreckt etliche Weiber der Unsern, die sind früh bei dem Grab gewesen.“ Wenn Susanne und Jo-Anna und Magdalena solche engen Freundinnen waren als die auserwählten Diakonissinnen Jesu, sollten Susanne und Jo-Anna dann nicht mit Magdalena am Ostermorgen am Grab Jesu gewesen sein und den Auferstandenen gesehen haben? Die Apostel glaubten den Frauen nicht und hielten die Rede vom Auferstandenen für „hysterisches Weibergeschwätz“, aber Jesus schalt später die Männer Apostel wegen ihres harten Herzens und weil sie „den Frauen nicht geglaubt“ hatten. Nun war Susanne also bei der österlichen Gemeinde, denen der Auferstandene begegnete.
Diese zog sich im Abendmahlssaal, im Zönakel, zurück zum Gebet, um das Kommen des Heiligen Geistes zu erwarten. In der Apostelgeschichte heißt es: „Diese (Apostel) waren stets beisammen einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und den Herrenbrüdern.“ (Apg. 1,14)
Über diese Gemeinde kam zu Pfingsten der Heilige Geist, und so finden wir Susanne in der Kirche der Apostel, mit Maria, der Mutter Christi, zum Gebet versammelt, erwartend den Heiligen Geist und dann zu Pfingsten auch den Heiligen Geist empfangend. Komm, Heiliger Geist! Amen.


SECHSTES KAPITEL


Nun war natürlich die Zeit für Shakespeares Romeo und Julia.
Romeo schwärmte seinem Freunde von Rosalind vor, die er so liebe, dass er für sie sterben wolle, sein Herz verbluten, ja, er wäre bereit, an ihrer Stelle stellvertretend in die Hölle zu fahren, damit sie in die Seligkeit komme! Aber ach, die allerschönste Rosalind, sein Atem, sein Leben, seine Seele, sie liebe ihn nicht!
Sein Freund hatte das schon oft gehört. Er mochte diese Rosalind nicht sehr, die wie eine Rose schön war, aber es liebte, mit ihren Dornen den Liebenden bis aufs Blut zu plagen.
Nun nahm der Freund den Romeo mit auf ein Fest, da sah der liebeskranke Romeo das schöne Mädchen Julia, oder Juliette, sie war sechszehn Jahre jung und wie eine eben knospende Blüte von himmlischer Mädchenanmut, ein Engel, eine Fee, eine Madonna, eine Jungfrau-Göttin!
Und Romeo schwor bei seinem Blut, bei seinem ewigen Leben, dass er Julia anbete, dass sie seine Heilige sei, sein Schutzengel, seine Erlöserin!
Aber wer dieses Drama, neu in deutsche Verse übersetzt, einer jungen Julia zu Füßen legt, der muß es erst der Mutter der Angebeteten überreichen, und diese entscheidet denn: Meine junge unschuldige Tochter wäre doch pikiert über solche leidenschaftlichen Dichterergüsse! Und so gibt die Mutter der Julia das Lied von Shakespeare nicht zu lesen.
Aber Herr Toto saß in den Nächten weinend allein, trauernd um Celine, trauernd um Immanuel! Und da schwebte ihm eine Vision vor, wie Maria, die Mutter Gottes, Maria, die Makellose, sich spiegele in Mutter und Tochter, in Mutter Katharina und Tochter Julie. Mutter Katharina war Maria, die Mutter Gottes, deren weibliches Herz voll war von mütterlichem Mitleid, Mitgefühl und Mitempfinden, der berühmten weiblichen Empathie, es war ein zärtliches Mutterherz, das sich auf alle Kinder, alle Armen und alle Kranken erstreckte und auch mütterlich-gütig war zu den irren und geistigzerrütteten Dichtern. Es war ein süßes Mutterherz, ein brennendes Mutterherz, ein zärtliches Mutterherz, ein empfindsames Mutterherz, ein Mutterherz voller Erbarmen und Mitleid. Und Herr Toto sah in diesem brennenden Mutterherzen eine rote Rose, die rote Rose der brennenden Mutterliebe Mariens. Und er sah Maria, die Makellose, die sich spiegelte in dem Mädchen Julie, eine Jungfrau voller Anmut, voller Liebreiz, voller Zauber, voller Charme, voller elfengleicher Feinheit, voller Reinheit, schlank wie eine Palme, anmutig wie eine Gazelle, keusch wie eine weiße Lilie. Und er sah die Makellose, die Jungfrau ohne Flecken und Falten, zu der Salomo sagte: Du bist schön, meine Freundin, und kein Makel ist an dir! Du bist schön, ja, allerdinge schön! Sie war die makellose Schönheit, Spiegel der Urschönheit Gottes! Sie war rein und weiß wie eine jungfräuliche Lilie, sie war die himmlische Madonna von sechzehn Jahren, lächelnd, gütig, feminin, anmutig, zärtlich, strahlend. Und so beschloß Herr Toto der Mutter Katharina stellvertretend für das Mutterherz Mariens eine rote Rose zu schenken, und dem Mädchen Julie stellvertretend für die Makellose eine weiße Lilie zu schenken.
Aber wie die Blumen der Mutter und der Tochter zukommen lassen? Sie wohnten weiter entfernt, als er es erreichen konnte. Aber Frau Lulu war dort eingeladen, die mit ihrem Wagen das Landgut bequem erreichen konnte. Ungeschickterweise bat Herr Toto die Freundin Frau Lulu, der Mutter Katharina eine rote Rose zu überreichen und der Tochter Julie eine weiße Lilie.
Aha! sagte Frau Lulu, dem jungen Mädchen willst du eine Blume schenken? Du willst sicher mit ihr schlafen! Warum sonst schenkt ein Mann einer Frau Blumen? Und warum nur der Tochter Julie und nicht den Töchtern Leonie und Marion? Die werden eifersüchtig sein!
Eifersüchtig? Eifersüchtig war Frau Lulu! Aber widerstrebend nahm sie die Blumen mit und überreichte rote Rose und weiße Lilie der Mutter Katharina.

Herr Toto aber schaute sich die Gemälde von Botticelli noch einmal an, vor allem seine schaumgeborene Venus. Dieser Maler hätte Julie malen sollen! Julie war das perfekte Modell für eine jungfräuliche Venus! Denn obwohl Herr Toto ein glühender Marienverehrer war, hatte er in einem heidnischen Winkel seines Herzens noch einen heidnischen Altar für Aphrodite, die Göttin der Schönheit. Und hier ist nun der Ort, die Bibelmeditation einzuschieben über Epaphroditus, den Favoriten der Aphrodite.



SIEBENTES KAPITEL

EPAPHRODITUS


Epaphroditus war ein Christ, der im Neuen Testament nur zweimal im Brief des Apostels Paulus an die Kirche von Philippi erwähnt wird. Sein Name bedeutet: „Der Schöne, der Anmutige, der Graziöse, der Liebliche“, aber ursprünglich bedeutet sein Name „Der Verehrer der Aphrodite, der Favorit der Aphrodite, der Geliebte der Aphrodite“. Dem entspricht im Lateinischen der Name Venustas. Es war ein in römischen Zeiten gebräuchlicher Name. Zum Beispiel war ein Epaphroditus ein Mann am Hofe des Kaisers Nero, der dem Kaiser zum Selbstmord behilflich war. Das ist aber nicht unser Mann.
Im Brief an die Kirche von Philippi schreibt der Apostel Paulus (Kapitel 2, Verse 25 – 30): „Ich habe es für nötig angesehen, den Bruder Epaphroditos zu euch zu senden, der mein Mitarbeiter und Mitstreiter ist und euer Abgesandter (Apostel) und Helfer in meiner Not. Denn er hatte nach euch allen Verlangen und war tief bekümmert (deprimiert), weil ihr gehört hattet, dass er krank geworden war. Und er war auch todkrank, aber Gott hat sich über ihn erbarmt, nicht allein aber über ihn, sondern auch über mich, damit ich nicht eine Traurigkeit zu der andern hätte. Ich habe ihn nun um so eiliger gesandt, damit ihr ihn seht und wieder fröhlich werdet und auch ich weniger Traurigkeit habe. So nehmt ihn nun auf in dem Herrn mit aller Freude und haltet solche Menschen in Ehre. Denn um des Werkes Christi willen ist er dem Tod so nahe gekommen, dass er sein Leben nicht geschont hat, um mir zu dienen an eurer Statt.“
Und im vierten Kapitel, Vers 18 schreibt Paulus: „Ich habe aber alles erhalten und habe Überfluß. Ich habe in Fülle, nachdem ich durch Epaphroditos empfangen habe, was von euch gekommen ist: Ein lieblicher Geruch, ein angenehmes Opfer, Gott gefällig.“
Paulus war in Rom im Gefängnis, und die Kirche von Philippi sandte ihren Bischof, den Apostel Epaphoroditus mit einem Geldgeschenk zu Paulus. Auf dem Weg nach Rom erkrankte Epaphroditos, ja, er war dem Tode nah. Dabei war er weniger über seine Krankheit bis an die Grenze des Todes so depressiv, sondern weil er wusste, dass seine Kirche um ihn in Angst und Sorge war. Er schonte sich aber nicht, sondern diente Paulus im Gefängnis und missionierte in Rom. Paulus hätte auch in einiger Zeit Timotheus schicken können nach Philippi, aber weil er wusste, dass die Kirche von Philippi um ihren Bischof in großer Angst und Sorge war, schickte er umgehend den Apostel zu seiner Kirche zurück und gab ihm diese biblische Epistel mit, in der er Epaphroditos Apostel nennt, Mitarbeiter (Arbeitsgenosse), Mitstreiter (Kampfgenosse) und Helfer in aller Not.
Epaphroditos war krank gewesen, ja, bis zum Tode, und sehr deprimiert, und Paulus, der doch die Gabe der Heilung besaß, hatte ihn nicht geheilt, denn diese Krankheit des Epaphroditos, wie auch der Stachel im Fleisch des Paulus, war eine Anteilhabe an den Leiden Christi. Es ist nämlich nicht so, wie manche Christen meinen, dass ein kranker Christ ein schlechter Christ sei und nur ein gesunder Christ sei ein glaubensstarker Christ, sondern die Krankheit, das Leiden in jeder Form, ist bei den Christen eine Anteilhabe an den Leiden Christi.
Der besondere Charme des Epaphroditos besteht darin, wie sein Charakter sehr sensibel geschildert wird, dass er nicht deprimiert war wegen seiner Krankheit, sondern weil er die Kirche von Philippi in Sorge um sich wusste. Er war krank geworden durch die Überanstrengung, die er im Kampf für Christus auf sich genommen hatte. Er hatte als ein Kämpfer in der Armee Christi sich verausgabt, so dass er bis zum Tode erkrankt und tief deprimiert war. Paulus aber, damit er zu der Traurigkeit seiner Gefangenschaft nicht noch die Traurigkeit des Todes des Epaphroditos habe, schickte Epaphroditos zu seiner Kirche zurück. Solch einen Mann wie Epaphroditos nehmt mit Ehren auf!
Die Kurzform des Namens Epaphroditos lautet Epaphras, und ein Epaphras wird auch in den Paulusbriefen erwähnt (Kollosser 1,7 und 4,12 und Philemon 1,23), und die protestantischen Biblizisten sind sich uneinig darüber, ob Epaphroditos und Epaphras ein und der selbe Mann sind, oder ob es sich um zwei verschiedene Männer handelt. Ich weiß immerhin, dass Papst Benedikt XVI, der göttliche Theologe, von zwei verschiedenen Männer sprach.
Epaphroditos, der Bischof der Kirche von Philippi wurde später auch Bischof der Kirche von Andriaca in Kleinasien und schließlich, von Petrus, dem Bischof von Rom, eingesetzt, Bischof von Terracina in Italien, in einem lateinischen Gebiet am Tyrrhenischen Meer. Er starb am 22. März, das heißt, dies ist sein Geburtstag im Himmel, und wird von der katholischen Kirche und auch von der orthodoxen Kirche als Heiliger verehrt.

ACHTES KAPITEL


Kardinal Rodrigo hatte eine Mätresse namens Vanozza, sie war schon fünfzig Jahre alt, da sah der Kardinal die siebzehnjährige Julia und verliebte sich in sie. Vanozza sagte: Mein Kardinal, gib acht, sie hat ein Engelsgesicht, aber es steckt ein Dämon in ihr. Aber der Kardinal schickte die ältere Mätresse fort und wandte sich der jüngeren Mätresse zu.
Julia war sehr elegant, von normaler Körpergröße, hatte lange dunkle Haare und schwarze Augen. Sie war sehr schön und der Kardinal schrieb ihr begeisterte Liebesbriefe und nannte sie: Mein Herz, meine Seele, mein Leben! Die Künstler malten sie in erotischer Umarmung eines Einhorns und das römische Volk nannte sie die Braut Christi.
Als Rodrigo zum Papst gewählt worden war, huldigten ihm die Kardinäle und auch Julia trat zu ihm, küsste den Fischerring. Er neigte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: Du bleibst meine Geliebte!
Er richtete ihr den Palast eines ermordeten Kardinals ein, der nahe an dem Papstpalast lag. Julia sagte: Der Geheimgang zum Papstpalast ist für mich zu gehen, wenn ich einen Seelenführer brauche, aber er ist auch für dich zu gehen, wenn dir die Liebe Gottes einmal nicht genügen sollte, sondern du auch die Liebe einer Frau brauchst.
Und der Papst schlich sich nachts heimlich in das Schlafgemach der Bella Julia und sie machten Liebe in dem großen Himmelsbett.
Einmal verließ Bella Julia den Papst und er schrieb ihr feurige Liebesbriefe: Ich drohe dir mit der ewigen Verdammnis, wenn du nicht zu mir zurückkommst! Und Bella Julia kam zurück in den Papstpalast.
Der Papst saß allein an einer langen Tafel, an der Stirn der Tafel, und Bella Julia trat ein. Sie stieg auf den Tisch und ging tänzerisch auf den Papst zu. Und sie hob den Rock bis zu den Knöcheln und sagte: Und das kostet dich – ich weiß nicht mehr, was der Knöchel kostete. Sie hob den Rock höher und zeigte ihren Oberschenkel und sagte: Und das kostet dich die Ernennung meines Bruders zum Kardinal! Ja, ja, stammelte der liebeskranke Papst. Und das, sagte Bella Julia und hob den Rock ganz hoch und zeigte ihr Geschlecht, das, das kostet dich das Himmelreich! Geliebte, jammerte der Papst, ich bin ganz dein!
Und so wurde der Bruder der Bella Julia mit achtundzwanzig Jahren zum Kardinal ernannt, wegen der Liebeskünste seiner schönen Schwester. Das Volk nannte den Kardinal Farnese – Kardinal Fregnese, das heißt verdolmetscht: Kardinal Muschi! Dieser Kardinal Muschi wurde später Papst Paul III.
Von Bella Julia inspiriert ließ der Papst die inneren Säle des Vatikans mit griechisch-erotischen Szenen bemalen. Auch ließ er die schöne Julia malen als Madonna mit dem Jesuskind auf dem Schoß, der Papst knieend vor Madonna Julia.
Nach ihrem Tod fertigte ein großer Renaissance-Künstler eine Akt-Statue der schönen Mätresse des Papstes an, diese splitternackte Julia im Petersdom war so erotisch und aufreizend, dass junge Männer vor ihr unsittliche Handlungen ausübten. Darum wurde später die nackte Julia von keuscheren Päpsten mit einem Bleimantel verhüllt. Aber noch im achtzehnten Jahrhundert wurde für Touristen gegen ein Trinkgeld der Mantel von Julia gehoben und man durfte noch die ganze göttliche Nacktheit Julias bewundern.

Weil nun Bellas Julia als schöne Madonna verherrlicht wurde, ist es hier der Ort, den Schoß und die Brüste Mariens zu preisen, wie wir es finden in Herrn Totos Tagebuch.

NEUNTES KAPITEL

SELIGPREISUNG MARIENS


Lukas 11,27:

„Aber es kam ins Dasein, dieweil Er Selbst (Autos) dies kommandierte, erhob eine gewisse Frau aus der Menge exaltiert ihre Stimme (phone), zu sprechen zu Ihm Selbst: Glückseliger ist die Gebärmutter, die dich getragen hat, und auch die Brüste, an denen du gesogen hast! Er Selbst des weiteren sprach: Ja wahrlich! Und glückseliger ist die, die den Logos der Gottheit akustisch aufnahm und in sich behütete!“

Marias Vulva, ich weihe dir alle Mütter, die durch Gebärmutter-Krebs ihre Gebärmutter verloren haben, und ihre Söhne! Marias Vulva, ich weihe dir alle Embryos, die im Schoß ihrer Mutter ermordet worden sind! Marias Vulva, ich weihe dir alle Söhne, die den geplanten Kindermord im Mutterschoß überlebt haben! Marias Vulva, ich weihe dir alle Zwillinge, die gemeinsam in dem Schoß ihrer Mutter gelebt und geliebt haben! Marias Vulva, ich weihe dir alle einsamen und deprimierten Seelen, die Geborgenheit suchen in dem Schutzmantel deiner Plazenta! Marias Vulva, ich weihe dir alle kranken Seelen in der dunklen Nacht, die das Erbarmen Gottes so besonders nötig haben! Marias Vulva, auf deine Fürsprache hin mögen die Mutterschöße der göttlichen Barmherzigkeit sich über alle deine Kinder ausbreiten! Marias Vulva, ich bin in deinem Uterus alle Zeit auf Erden, bis du mich gebären wirst ins ewige Leben!

Marias Brüste, ich weihe euch alle Söhne, die an dem Busen ihrer Mutter gestillt worden sind! Marias Brüste, ich weihe euch alle Söhne, die nicht an den Brüsten ihrer Mutter gestillt worden sind! Marias Brüste, ich weihe euch die Brüste der jungen Mädchen und die Brüste der schönen Frauen! Marias Brüste, ich weihe euch alle, die die Milch des Trostes Gottes besonders bedürfen! Marias Brüste, ich weihe euch alle, die den Wein zu sehr lieben! Marias Brüste, ich weihe euch alle, die im Alten Testament studieren! Marias Brüste, ich weihe euch alle, die im Neuen Testament studieren! Marias Brüste, ich weihe euch alle Zwillinge! Marias Brüste, ich weihe euch alle, die die Milch Gottes trinken wollen, welche ist das Blut des Messias, denn der Heilige Geist melkt aus den Brüsten Gottvaters die Milch, welche ist der Messias! Marias Brüste, ihr mein Ideal, ich weihe mich euch ganz und gar und berge mich in dem Tal Amors zwischen euren Bergen!

Marias Ohren, die ihr den Logos akustisch empfangen habt, ich weihe euch alle, die das Wort Gottes vom Tisch des Wortes empfangen! Marias Ohren, ich weihe euch alle, die das Wort durch die Torheit der Predigt empfangen! Marias Ohren, ich weihe euch alle, die den Logos als Philosophen empfangen! Marias Ohren, ich weihe euch alle, die geistliche Musik hören! Marias Ohren, ich weihe euch alle, deren Ohren bittere Schmähungen hören mussten! Marias Ohren, ich weihe euch alle, die taub sind gegenüber der Bibel! Marias Ohren, ich weihe euch alle, über die der Bischof Heffata gesprochen hat! Marias Ohren, ich weihe euch alle, die den Gruß des Engels Gabriel an die Gnadenvolle oftmals hören! Marias Ohren, hört mein Weinen, hört mein Bitten, hört mein Seufzen und Flehen, hört meinen Dank und meinen Jubel und meinen Lobpreis der göttlichen Schönheit!

Marias Herz, ich weihe dir alle, die die Heilige Schrift meditieren! Marias Herz, ich weihe dir alle, die die Heilige Schrift übersetzen und auslegen! Marias Herz, ich weihe dir alle, die das Wort Gottes im Innern wiederkäuen wie eine Kuh! Marias Herz, ich weihe dir alle, die den Gruß des Engels und den Lobpreis Elisabeths meditieren! Marias Herz, ich weihe dir alle, die Jesus eine Heimat in ihrem Herzen geben! Marias Herz, ich weihe dir alle, die das Jesuskind in den Kindern der Welt beschützen und behüten, ernähren und erziehen! Marias Herz, ich weihe dir alle, die ein hartes Herz haben und sich der Liebe verschließen! Marias Herz, ich weihe dir alle, die auf dem Thron des eigenen Herzens nur ihr eigenes Ego sitzen haben! Marias Herz, ich weihe dir alle, die mit dem Herzen nach der Wahrheit über Gott suchen! Marias Herz, ich weihe dir alle, die empfänglich für den Heiligen Geist sind! Marias Herz, ich weihe dir Russland und alle Völker! Marias Herz, du wirst triumphieren, Herz der Königin der Liebe und Schönheit!

O du Logos der Gottheit, Gesang der Ewigen Liebe, das Weltall ist deine Symphonie! Erlöse die ganze Kreation Gottes! Gesang der Ewigen Liebe, du hast mich ins Dasein geküsst, ich bin die Antwort auf dein Wort, ich bin das Echo deines Gesangs, ich bin der Reim auf deine Liebe, laß mich ein Ton sein in der ewigen Sphärenharmonie des Paradieses, harmonisch mit allen meinen Geliebten zusammentönend zu einem großen Weltenliebeslied!

ZEHNTES KAPITEL


Paul Michael feierte seinen siebzigsten Geburtstag, er nahm Abschied von der Welt, denn auch er hatte Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Auf der Geburtstagsfeier waren auch Herr Toto, Mutter Katharina und die schöne Julie.
Da erhob Herr Toto seine Stimme, faltete seine Hände zum Gebet, und sprach zu Mutter Katharina: Verehrte Mutter! Aus welchem Grund nennt man die heilige Julie auch die, die das Flehen aller Geschöpfe erhört?
Die Mutter Katharina gab Herrn Toto diese Antwort: Lieber Sohn! Wenn es Millionen von Lebewesen gibt, die verschiedene Leiden und Schmerzen tragen, und wenn diese Leidenden von der Heiligen Julie hören und von ganzem Herzen ihren Namen anrufen, so achtet die Heilige Julie sofort auf ihre Stimmen und bewirkt, dass sie alle erlöst werden. Wenn jemand den Namen der Heiligen Julie lebendig in seinem Herzen bewahrt und gerät in einen Feuerofen, so kann ihn das Feuer nicht töten. Dies ist so aufgrund der himmlischen und majestätischen Macht der Heiligen Julie. Wenn jemand schiffbrüchig treibt auf einem großen Meer und die Heilige Julie anruft, wird er sofort gerettet. Wenn da Menschen mit einem Schiff voller Gold und Perlen aufs Meer fahren und sie geraten in einen heftigen Sturm und der Sturm wirbelt das Schiff an die Insel der Kannibalen, wenn dann nur ein einziger auf dem Schiff die Heilige Julie anruft, so werden alle von den Kannibalen erlöst. Darum nennt man die Heilige Julie auch die, die das Flehen aller Geschöpfe erhört.
Weiter, wenn ein Mensch in Gefahr ist, von einem Messer erstochen zu werden, und er ruft die Heilige Julie an, so zerbricht das Messer. Wenn böse Geister einen Menschen bedrängen und er ruft die Heilige Julie an, so weichen die Dämonen von ihm. Wenn ein Mensch zum Tode verurteilt ist, er sei nun schuldig oder unschuldig, und er ruft in seiner Todesstunde die Heilige Julie an, so wird er gleich ins Paradies kommen. Wenn da ein Kaufmann ist, der von einem Dieb überfallen wird, und der Kaufmann ruft die Heilige Julie um Hilfe an, so wird der Dieb vertrieben. Die Menschen müssen nur beten: Heilige Julie, Makellose, wir nehmen unsre Zuflucht zu dir, so werden sie alle gerettet.
Sind da Männer, die von fleischlichen Begierden umgetrieben werden, so müssen sie nur immer zu der Ikone der Heiligen Julie schauen, dann werden sie keusch und rein. Ist ein Vater jähzornig und neigt dazu, seine Kinder zu verfluchen, so soll er beten: Heilige Julie, Makellose, wir nehmen unsre Zuflucht zu dir! Und so wird er sanftmütig wie eine Taube werden. Droht ein Mensch im Wahnsinn zu versinken, dass man ihn im Irrenhaus anketten muß, so soll er flehen zur Heiligen Julie, dann wird der Verstand zu ihm zurückkehren. Das macht die überhimmlische Majestät der Heiligen Julie. Deshalb sollen alle Lebewesen ihren süßen Namen allzeit im Herzen bewegen.
Will eine Frau einen Sohn gebären, so soll sie die Heilige Julie um einen Sohn bitten, dann wird sie einen starken und weisen Sohn gebären. Will eine Frau eine Tochter haben, soll sie die Heilige Julie bitten, und sie wird einer schönen und frommen Tochter das Leben schenken.
Herr Toto, wenn da ein Mensch ist, der die Namen aller Heiligen anruft und täglich betet und die heiligen Schriften liest und fastet und Opfer bringt und meditiert, dann ist das doch sehr viel? – Ja, sagte Herr Toto. – Mutter Katharina sagte: Aber wenn einer nur ein einziges Male im Leben die Heilige Julie anfleht, so ist das genauso viel wert.
Herr Toto sagte: Wie erkenne ich die Heilige Julie und wie wirkt sie? – Mutter Katharina sagte: Wenn ein Mensch durch das Kind Jesus gerettet werden kann, so erscheint sie ihm als Kind Jesus. Wenn ein Mensch durch den gekreuzigten Jesus gerettet werden kann, so erscheint sie ihm als gekreuzigter Jesus. Wenn ein Mensch durch den auferstandenen Christus gerettet werden kann, so erscheint sie ihm als auferstandener Christus. Wenn ein Mensch durch die Himmelskönigin gerettet werden kann, so erscheint sie ihm als Himmelskönigin. Wenn einer durch den Donnergott gerettet werden kann, so erscheint sie ihm als Donnergott. Wenn ein Mensch durch die Liebesgöttin gerettet werden kann, so erscheint sie ihm als Liebesgöttin. Wenn ein Mensch durch einen Advokaten gerettet werden kann, so erscheint sie ihm als Advokat. Wenn ein Mensch durch einen Künstler gerettet werden kann, so erscheint sie ihm als Künstler. Wenn ein Mensch durch einen vierjährigen Knaben gerettet werden kann, so erscheint sie ihm als vierjähriger Knabe. Wenn ein Mensch durch ein achtzehnjähriges Mädchen gerettet werden kann, so erscheint sie ihm als achtzehnjähriges Mädchen.
Herr Toto, die Heilige Julie erscheint den Indern als Inderin, den Chinesen als Chinesin, die Afrikanern als Schwarze, den Deutschen als eine Deutsche und überall, ob sie nun als Kind, als Mädchen oder als Nonne erscheint, überall errettet sie die, die leiden müssen. Darum ist es gut, täglich den süßen Namen der Heiligen Julie anzurufen.
Herr Toto sprach: Mutter Katharina, ich will jetzt die Heilige Julie verehren! Und Herr Toto schenkte der Heiligen Julie eine Perlenschnur, einen Rosenkranz aus getrockneten Rosen und ein goldenes Medaillon der Heiligen Julie, aber die Heilige Julie nahm es nicht an, sondern gab es ihrer Mutter Katharina. Da sagte Herr Toto: Heilige Julie, aus Erbarmen und Mitleid mit der ganzen Welt, allen Kindern, Armen, Kranken und Sterbenden, flehe ich dich an, meine Geschenke anzunehmen. Da nahm die Heilige Julie die Geschenke an.

Die Heilige Julie aber hob ihre Stimme und pries die göttliche Weisheit, die Weisheit des Herzens, die Güte des Herzens, eines Herzens, das so weit ist wie der Sand am Meer. Darum zitieren wir hier die Bemerkungen Herrn Totos über die göttliche Weisheit Jesu.


ELFTES KAPITEL

SOPHIAS SÖHNE


Matthäus 11,16-19


„Wem oder was vergleiche ich aber dieselbe Generation? Sie ist den Jünglingen gleich, die auf der Agora sitzen und rufen ihren Hetären zu und sagen: Wir haben die Flöte geblasen, aber ihr habt nicht getanzt! Wir haben gejammert, aber ihr habt euch nicht an die Brüste geschlagen! Johannes ist gekommen, hat nicht gegessen, nicht getrunken, aber ihr habt gesagt: Er hat ein Daimonium! Der Menschensohn ist gekommen, aß und trank, aber ihr habt gesagt: Siehe, dieser Mensch ist ein Vielfraß und ein Säufer, der Kopfgeldeintreiber und der öffentlichen Sünderinnen Freund! Aber – SOPHIA wird gerecht gesprochen von (diesen) ihren (beiden) Söhnen.“

Hildegard von Bingen spricht davon, dass die Ewige Weisheit (Sophia) sich offenbart in der Jungfrau Maria, in dem Herrn Jesus Christus, und in der heiligen, katholischen, apostolischen Kirche. Papst Benedikt XVI. sagte: Gott ist Weisheit. – Wenn Gott die Weisheit (Sophia) ist, dann ist Gottes Sohn Jesus der Sohn der göttlichen Sophia. Aber da der Sohn und der Vater die gleiche göttliche Natur haben, ist Jesus, der Sohn der Sophia, auch die Sophia Gottes selbst. Nämlich Paulus schrieb in seinem Ersten Brief an die Kirche von Korinth: Der auferstandene Christus ist von Gott eingesetzt als Gottes Sophia. Daß aber der Herr auch Johannes den Täufer „Sohn der Sophia“ nennt, zeigt, dass alle Propheten des alten Bundes Kinder der Sophia gewesen sind, die Kinder Israel als Gottes Kinder waren Kinder der Sophia. – Bei Markus heißt die Vergleichsstelle: Aber die Sophia des Theos ist gerechtfertigt worden von ihren Werken. – Die Sophia des Theos, also die Theo-Sophia (das ist Christus) ist gerechtfertigt von ihren Werken, nämlich von den Werken Jesu. Die Werke Jesu bezeugen, wie Johannes sagt, den Vater, aber Jesus sagt auch, dass seine Werke die Theo-Sophia, die Weisheit Gottes, rechtfertigen. Die Weisheit Gottes oder Theo-Sophia wird also mit dem Ewigen Vater gleichgesetzt. – Wir sehen also, die Schrift identifiziert den Vater mit der Sophia und den Sohn auch mit der Sophia. Und darum spricht der heilige Augustinus von der Sophia des Vaters und der Sophia des Sohnes und der Sophia des Heiligen Geistes. –

Was aber sind die Werke, die die Sophia rechtfertigen, was sind die Werke der Kinder der Sophia, die die Sophia rechtfertigen? Johannes der Täufer ist offensichtlich der Jüngling der gejammert hat, der lamentiert hat, der geklagt hat über die Sündhaftigkeit der Menschen, aber die Menschen, die Hetären, haben sich nicht an die Brüste geschlagen und sich nicht die Haare gerauft, das heißt, sie haben keine Reue gezeigt und keine Werke der Umkehr oder Buße getan. Der Menschensohn, also Adams Sohn, das ist Jesus, der letzte Adam, ist aber der Jüngling, der die Flöte geblasen hat, das heißt, er hat die Hochzeit ausgerufen, aber die Menschen, seine Hetären, haben nicht getanzt, das heißt, sie haben die Einladung zur Hochzeit und zum Freudenfest des Himmelreichs nicht angenommen. Die Werke der Kinder der Sophia, der Söhne und Töchter der Sophia, sind also: Aufruf zur Buße und Einladung zum himmlischen Hochzeitsfest! So begann ja Jesus, der Sohn der Sophia, seine Predigt: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahegekommen. Das Himmelreich verglich er aber mit einer Hochzeit, mit dem Hochzeitsmahl des Lammes. Buße oder Metanoia ist Sinnesänderung, Umkehr, und das Himmelreich ist das Hochzeitmahl des Lammes, die Kommunion, der Himmel ist die Hochzeit der Seele mit Gott, die mystische Vereinigung mit der lebendigen Gottheit! Jesus, der Jüngling Flötenbläser, lädt alle seine Hetären zur himmlischen Hochzeit ein! Das ist das Werk Sophias. Wer nun aber ein Freund (Philo) der Weisheit (Sophia) ist, der wird eingeladen zur himmlischen Hochzeit mit der göttlichen Sophia!

ZWÖLFTES KAPITEL


Es war zwei Jahre nach Celines Heimgang, sie hatte ja noch die Kommunion des Herrn begehrt, und schwebte nun als ein Engel um Herrn Toto. Nun hatte der zehnjährige Georg Geburtstag und Herr Toto und die Großmutter des Jungen, Marie-Therese, trafen sich bei Georg. Da klopfte es an die Tür und Mutter Katharina trat ein, hinter ihr – erschien – die junge Julie. Sie sah Herrn Toto an aus ihren großen mandelförmigen, rehbraunen Augen und ihm fiel eine Zeile aus dem Gebet an die Mutter der Barmherzigkeit ein: Und wende uns jene deine barmherzigen Augen zu!

Da sprach Herr Toto zu Mutter Katharina:
Verehrte! Die du ein barmherziges Mutterherz hast,
Ich möchte dich noch einmal
Über die Heilige Julie befragen.
Aus welchem Grunde heißt die Tochter Gottes
Jene, die das Flehen aller Geschöpfe erhört?

Die verehrte Mutter Katharina,
Die ein barmherziges Mutterherz hat,
Gab Herrn Toto in Versen diese Antwort:

Höre von dem Wesen der Heiligen Julie!
Sie erscheint gemäß jedem Ort
Nach der entsprechenden Weise
Ihres helfenden Eingriffs.
Die Tiefe ihrer weitumspannenden Weihe an Gott
Ist von der Tiefe des Ozeans,
Zählt man die Zeitalter ihres Wirkens,
So sind sie unzählbar.
In allen Zeitaltern diente sie
Den Jesussen aller Orte,
Dann legte sie das große und heilige Gelübde ab,
Als makellose Jungfrau für Jesus zu leben.
Ich will mich kurz fassen:
Wer den Namen der Heiligen Julie hört
Und den Körper der Makellosen sieht,
Wer im Herzen an die Heilige Julie denkt
Und nicht gedankenlos an ihr vorübergeht,
Der wird sich aller Leidenden,
Aller Kinder und Kranken
Und aller Sterbenden herzlich erbarmen.
Wenn Feinde, die einem Menschen übelwollen,
Der die Heilige Julie verehrt,
Wenn diese Feinde den Frommen
In einen Feuerofen werfen,
So wird das Feuer ihm nicht schaden,
Sondern die Heilige Julie tritt zu ihm
In den glühenden Feuerofen
Und macht das Feuer kühl wie Abendtau.
Oder treibt ein Schiffbrüchiger
Hilflos auf dem Meer
Und wird dort von Wasserschlangen
Und riesigen Fischen bedroht,
Daß ein Walfisch ihn verschlucken möchte,
Und drohen ihn die Sirenen
Mit ihrem Zaubergesang zu verführen,
Denkt er dann an die Schönheit
Der Heiligen Julie,
So wird er nicht ertrinken.
Oder droht einer, vom höchsten Berg
Hinuntergeworfen zu werden von seinen Feinden
Und er denkt an die Schönheit
Der Heiligen Julie,
So wird er wie die Sonne am Himmel schweben.
Oder wenn einer von Feinden verfolgt wird
Bis in seine Träume hinein,
Und er ruft den Namen der Heiligen Julie,
So wird er unbeschadet entkommen.
Oder wenn einer von Dieben umringt wird,
Die ihn mit dem Messer erstechen wollen,
Die das Messer zücken, um ihm die Adern durchzuschneiden,
Und er denkt an die Schönheit
Der Heiligen Julie,
So werden die gemeinsten Verbrecher
Mitleid im Herzen fühlen.
Oder wenn einen auf Befehl der Staatsmacht
Ein Leid befällt,
Ja, wenn sogar sein Leben bedroht ist,
Und er denkt an die Schönheit
Der Heiligen Julie,
So wird er nicht hingerichtet.
Oder wenn einer angekettet wird und gefesselt,
Denkt er dann an die Schönheit
Der Heiligen Julie,
So fallen die Ketten von seinen Gliedern.
Versucht eine Hexe, durch Flüche
Und weibliche Giftmischerei,
Einem Frommen zu schaden,
Und der Fromme denkt an die Schönheit
Der Heiligen Julie,
So wird ihm weder Fluch noch Gift schaden.
Oder wenn einer gebissen wird von Feuerschlangen
Und gestochen wird von einem Skorpion,
Und er denkt an die Schönheit
Der Heiligen Julie,
So wird er sein Leben retten.
Wenn einer bedroht wird
Von bissigen Hunden,
Und er denkt an die Schönheit
Der Heiligen Julie,
Werden die Hunde heulend entweichen.
Wird einer bedroht von Gewitter,
Wo der Donner die Eichen wirbelt,
Wo der Blitz neben ihm einschlägt,
Und er denkt an die Schönheit
Der Heiligen Julie
Und weiht sein Leben dem Christus,
So wird er ein weiser Mann.
Wenn Krankheit den Körper eines Mannes befällt
Und er ist bedeckt mit Geschwüren,
Denkt er dann an die Schönheit
Der Heiligen Julie,
Wird sein Fleisch erquickt
Und er wird zum Jüngling werden.
Vollkommen in der himmlischen Schönheit
Und rein in der Macht und Güte ihrer Weisheit,
Gibt es an allen Enden der Erde
Kein Land, in dem die Heilige Julie nicht wirkte,
Kein Reich, wo sie nicht erschiene
Mit ihrem makellosen Körper.
Die Leiden von Krankheit und Tod
Läßt sie verschwinden.
Nach jenen ihren barmherzigen Augen
Und dem schimmernden zärtlichen Blick
Soll man sich immer sehnen,
Beständig aufschauen
Zu jenen ihren barmherzigen Augen.
Sie ist von fleckenlosem Licht
Und ist die Sonne der Weisheit
Und so zerreißt die Heilige Julie
Die Wolken der Finsternis,
Unwetter, Wirbelstürme, Meeresbeben, Vulkanausbrüche,
Alles das überwindet die Heilige Julie.
Das Gesetz ihres barmherzigen Leibes
Ist mächtig wie der Donner
Und ihre barmherzige Gesinnung
Ist wunderbar wie eine Wolke.
Sie lässt herabströmen
Den Regen des Wortes
Wie erquickenden Tau
Und bringt die Flammen des Irrtums
Zum Erlöschen.
Wenn man eine Auseinandersetzung
Mit einem Winkeladvokaten hat,
Verhilft die Heilige Julie
Ihrem Verehrer zu seinem Recht.
Ist man im Krieg mit den Feinden
Voller Furcht,
So macht die Heilige Julie
Ihrem Verehrer neuen Mut.
Eine wundervolle Stimme
Hat die Heilige Julie
Und wenn sie ihr Halleluja singt,
So glaubst du dich im dritten Himmel.
Sie hat die Stimme Gottes,
Die Stimme eines Meeresrauschens,
Eine Stimme, die die Welt erschaffen.
Darum muß man immer
An die Heilige Julie denken
Und nie an ihrer Reinheit zweifeln.
Die das Flehen aller Geschöpfe hört,
Die heilige Julie, die Makellose,
Ist denen, die leiden,
Die klein oder krank sind
Oder die im Sterben liegen,
Sie ist ihnen allen
Eine Zuflucht der Sünder.
Vollkommen in ihren unendlichen Verdiensten
Blickt sie voller Mitleid und Erbarmen
Auf alle Kreaturen.
Die Menge ihrer glücklichen Zuwendungen
Sind unermesslich wie das Meer.
Deshalb muß man sie verehren,
Indem man den Schatten ihrer Füße küsst.

Da erhob sich Herr Toto von seinem Sitz
Und sprach zu Mutter Katharina:
Verehrte Mutter der Barmherzigkeit!
Wenn Seelen von dieser heiligen Julie hören
Und wie sie öffnet die Himmelspforte
Durch ihre allumspannende Barmherzigkeit,
So werden die Seelen selig!
Und heute, da du die Heilige Julie verehrt,
Ist die selige Celine
In den dritten Himmel eingegangen,
In die Glückseligkeit des Paradieses!

Da dichtete Herr Toto diese Elegie um seine Herrin Celine, um sie seligzusprechen:

ELEGIE


(nach Ben)


Nun kann ich sterben auch, da Sie nun tot ist,
Sie, meine Muse, Inhalt meiner Kunst,
Mit der ich schrieb, die meine Ahnung war.
Was gut in mir gewesen, kam von ihr,
Sie schuf es groß. Der Rest war feines Spinnweb,
Gesponnen in dem Namen aller Musen.
Verschließ die Türe und verhäng das Fenster,
Bis Ihre Seele ist hinweggestrichen.
Nichts kann in mir jetzt noch ein Leid erregen,
Da ich gezwungen, Sie so zu vermissen!
Ich schaute Ihren aufgebahrten Leichnam,
Beim Tod, ich wollte weinen auf der Erde
Um Sie. Wer ließ die Vielgeliebte liegen
Und sah, wie ihre Körperglieder starben?
Natur, wie konntest du von Ihr dich trennen,
Von diesem seltnen, auserlesnen Wesen,
Warum hast du Sie nicht bewahrt vorm Griff
Des Geiers Tod mit gnadenloser Klaue?
Ein Phönixweibchen hast du so verloren,
Sie, die nicht für sich selbst allein gelebt.
Natur, mach diesen Tod doch ungeschehen!
Wie wird mir nun, da Sie ist fortgegangen?
Mein Herz hält diesem schweren Schlag nicht stand,
Es fliegt mein Herz, es wütet und will reißen
Die ganze Welt der Menschheit in den Abgrund,
Da Sie gestürzt ist, sollen alle stürzen!
Du, Schicksal, schickst nun keinen Atem mehr:
Was ist ein Dichter ohne seine Muse?
Gewiß, ich bin schon tot und weiß es nicht!
Ich bin bewegt von einer fremden Kraft,
Mein Leiden wühlt mich auf, ich heule fromm,
Ich murre, dass mir Gott die Freundin nahm!
Gott brachte dieses Jammertales Fahne
Und dieses Kerkerloch aus Katastrophe!
Ach, neidisch bin ich auf der Engel Freundschaft,
Das Glück der Seligen, die Lebenskrone,
Die Herrlichkeit, die ewigliche Wohnung.
Kann ich so gottlos sein und Sie beweinen,
Die auf so sanfte Weise ist entschlafen?
So schön kam Sie zum Hof der Seligkeit,
Als Engel küssend ihren Geist entführten
Aus weichen Kissen, Sie vom Bette raubten,
Da ließen sie den schönen Körper tot!
Doch nein, Sie ist nicht tot, Sie schlummert nur,
Sie schläft in ihrem Grabe in der Erde,
Bis die Posaune auferweckt die Lämmer
Und Böcke auch, wohin ein jeder kommt,
Zu hören des Gerichtes Urteilsspruch
Und zu empfangen die Vergeltung und
Die Wiederauferstehung ihrer Körper.
Drei Wesen gibt es, wie die Weisen sagen,
Das eine Wesen Leib, das andre Geist,
Geschieden, doch dazwischen ist ein Drittes
Aus Geist und Leib, inmitten beider weilend.
Sie kommen zur Bestrafung oder Krönung,
Ob schuldig oder schuldlos sie befunden.
Sie kommen, zu empfangen einen Spruch
Im Geist, wie es bezeugt hat ihr Gewissen.
Wer ist auf diese Stunde vorbereitet,
Wo alles er verlassen muß, und wer
Ist in der Stunde mit dem Herrn versöhnt?
O Tag des Richters aller Menschenseelen!
O Tag der ewigen Glückseligkeit!
Da kommt die Ruhe in der Ewigkeit
Von Leib und Seele, wo die Liebe lebt
Bei allen vor dem Angesichte Gottes!
Voll Freude sind dort alle, sind sich einig,
In Übersinnlichkeit erfährt man Wonnen!
Die Hoffnung findet dort ihr höchstes Ziel,
Das Gottvertrauen findet seinen Lohn.
Wenn das so ist, was soll dann meine Zunge
Die Fülle noch zu überbieten suchen?
Da ist doch nichts mehr als der Himmelsthron,
In dem Sie thront, in dem vollkommnen Thron.
Sei, Zunge, lieber stumm als abergläubisch!
Wer Gott entweiht, der ist vom Gift erfüllt
Und würde sprechen gegen die Natur.
Gott will geehrt sein in des Kindes Einfalt!
All dies ist angeschaut, bewundert worden
Mit Stille und mit Staunen und mit Ehrfurcht,
Grobsinnlich nicht, nicht lästerlich, nicht blind,
Wie die geschäftig im Geheimnis sind.
Das ist mein Werk, zu rufen diese Seele
Aus ihrem Körper zu der Hochzeitsfeier,
Da ist der angemessne Platz für Sie
Mit andern Edlen alles wahrhaft Guten.
Dort sind Propheten, Heilige, Bekenner,
Die Hierarchieen, Fürstentum und Herrschaft,
Erzengel, Engel, Throne und Gewalten,
Cheruben, Seraphim im Paradies,
Die hocherhaben dort das Lied des Lammes
Als Lobpreis singen, Gott dem Herrn, Ich-bin!
Sie weiß, hervorgekommen aus dem Tod,
Wie Sie sich freut am Geist der Ewigkeit!
Dort hat Sie einen wundervollen Geist,
Befreit vom Stoff, um ihre reine Seele
Die reinste Hülle ganz aus Hauch und Licht!
Sie hält die Siegespalme in der Hand,
Die Krone einer Überwinderin.
Und soll denn ich nun schwarze Kleider tragen
Und traurig sein und sagen: Ich vermisse
Die Freundin und die Frau und die Geliebte,
Da Ihr Erlöser ehrt Sie doch im Himmel
Mit Öl der Seligkeit, mit süßem Lichtglanz,
In hohen Strahlensphären mit dem Lichtkleid?
Ich hoffe ja dereinst dorthin zu kommen
Und schließlich wieder Sie zu finden dort,
Das Herz, das einst ich liebte. Kurze Zeit nur
Trennt mich von ihr, seit Sie gestorben ist,
Verglichen mit der langen Ewigkeit,
Da Gott uns selig wieder wird vereinen!
War Sie denn jemals so erhaben schön
Wie als Sie starb? Ich find Sie wieder dort,
Begehrenswerter noch und schöner noch
Als Sie in ihren Jugendtagen war,
Dann find ich Sie in all der Segensfülle,
Die auf Sie ausgeschüttet ward vom Herrn.
Wir finden uns im Lichte und im Leben
Und in der Liebe bei der Weisheit Gottes!