Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

HAMMONIA, DIE GÖTTIN VON HAMBURG



Von Josef Maria Mayer



O Königin Hammonia,
Du Hamburgs große Göttin,
Als ich dich im Oktober sah,
Dich, eines Greisen Gattin,

Aus China kam zu dir der Koch,
Schuf aus den Elementen
Die allerbeste Speise doch
Von Reis und fetten Enten.

Aus Frankreich kam ein Koch herbei
Und schuf ein Mahl erlesen
Von dampfendem Baguette ganz frei
Und stinkend reifen Käsen.

In Mengen überfloß Kaffee
Verschiedner Kaffeebohnen,
Dazu die Sahne weiß wie Schnee.
Hier, Göttin, lässt sich’s wohnen.

Und als ich sah Hammonia,
Bei mir der Knabe Juri
In dieser großen Göttin sah
Des Paradieses Huri.

Ich aber in Hammonia
Sah nicht die Jungfrau Huri,
Was ich in dieser Göttin sah,
Die Schenkin wars, Siduri,

Die schenkte einst in Babylon
Den Rotwein ein den Göttern.
Ein Atheist, hört er davon,
Er spottet Spott von Spöttern.

Doch Juri liebt das Ballspiel sehr,
Der Götter großes Ballspiel,
Bis abends in des Westens Meer
Der Sonnenball ins All fiel.

Die Götter von Amerika
Stets spielen mit dem Balle.
Azteken nur, dem Tode nah,
Ermorden Jungfraun alle.

Ich aber will der Spielball sein
Dem goldnen Jesusknaben.
Ich bin bereit, bedarf er mein,
Am Spielball sich zu laben.

Bedarf er meiner dann nicht mehr,
So lieg ich in der Ecke
Und warte dort geduldig sehr,
Bis er mich wieder wecke.

O Königin Hammonia,
Des alten Manns Gemahlin,
Bei dir in deinem Hause sah
Ich eine Provencalin.

Ich fand die Provencalin schön,
Doch du bestrittst das hämisch.
Im Norden aber ein Gestöhn
Und Kauderwelsch von Flämisch.

Sie tunken in den Malzkaffee
Den reifen Stinkekäse,
Wie ich in dem Theater seh
In Hamburg Blankenese.

Dagegen schön die Cote d’Azure!
Die schönste Provencalin
Kann mich belohnen nur dafür –
Für eine Nacht Gemahlin –

Daß ich geboren an dem Meer
Im ewigkalten Norden.
Ostfriesland ist ein Elend sehr,
Da muß man sich ermorden!

O Königin Hammonia,
Auch dicht bei deinem Bette
Ich in dem Federbette sah
Marie Antoinette.

Es rief die Königin der Tod,
Des Volkes Guillotine.
Sie schrieb in ihrer letzten Not:
Ich, die ich Christus diene,

Erwartet werde von dem Tod,
Vom Himmelreich nicht minder.
O Gott! Doch meine letzte Not,
Ach, das sind meine Kinder!

Erwartet bin ich vom Schafott,
Ich seh das Beil schon kreisen.
Die Sorge um die Knaben, Gott,
Will mir das Herz zerreißen!

Ich sah auch bei Hammonia
Den Klub der Jakobiner,
Den König ohne Kopf ich sah,
Bewaffnet stand der Diener.

O Frankreichs Revolution,
Du aufgeschäumtes Chaos!
Heut spielt man aber Rebellion
Von New York bis nach Laos.

Denn ungeordnet die Finanz,
Das Geld stürzt in die Krise,
Die Kommunisten tanzen Tanz,
Verheißen Paradiese.

Die reichen Brüder sollten doch
Den armen Brüdern helfen!
Die tragen schwer am Leidensjoch,
Da helfen auch nicht Elfen.

Da muß man gehen zu der Bank
Und heben Geld von Konten,
Dieweil die Mammonsknechte blank
Im Sonnenschein sich sonnten.

Da wieder herrscht der Mammonsknecht,
Sein Kapital stets bieder.
Ich aber bin fürs Menschenrecht
Auch für die armen Brüder.

O Mammon in dem Jammertal,
Dir in dein Buch die Rune:
Wir wollen statt dem Kapital
Die Kommunions-Kommune!

Ein Menschheitsfrühling komm heran,
Der Menschheit Primavera,
Da gleichberechtigt Frau und Mann
In der humanen Ära,

Da in Arabien die Frau
Darf demokratisch wählen,
Weil auch die schönen Frauen, schau,
Auch haben Menschenseelen.

Die Freiheit auch der Religion
Wir fordern in Ägypten,
Wo Christen dienen Gottes Sohn
In mönchischen Gelübden.

Die Freiheit fordern wir der Frau
In Saba oder Jemen.
Es muß die Frau sich doch nicht, schau,
Des Angesichtes schämen.

In Pakistan auf Blasphemie
Steht noch die Todesstrafe,
Die Christen trifft die Strafe, sie,
Des guten Hirten Schafe.

In Libyen die Diktatur
War eilig abzuschaffen
Amerika, ihr Führer nur
Noch sah die Todeswaffen.

O Königin Hammonia,
Sei bitte nicht zu kritisch,
Weil meine Muse heute sah
Die Menschheit an politisch.

Auch Klopstock durch den Musenkuss
Sang von den Rebellionen
Und war Poet und Genius
Und Gast bei Engelsthronen.

Und Klopstock ist mein Liebling doch,
Der Dichter der Seraphen.
Drum darfst du mich nicht noch und noch
Mit deinem Schweigen strafen.

Wenn Klopstocks Bildnis hängt bei dir
Bekränzt dir überm Bette,
So gib den Lorbeerkranz auch mir,
Ich wage diese Wette!

O Königin Hammonia,
Du Göttin wilder Tiere,
Der wilden Tiere Scharen sah
Ich, der ich Lämmer führe.

Im Zululande die Gazell
Mit langen schlanken Beinen,
Das Fell so fein und sanft und hell
Wie Mondenstrahlen scheinen.

Ich sah die Antilope auch,
Ihr Körper war sehr mächtig
Und dennoch straff der weiße Bauch,
Die dunklen Augen prächtig.

Ich sah den Hirsch mit dem Geweih,
Sah seinen Phallus schlendeln,
Der Büffel stand voll Furcht dabei
Und Angst vor Streit und Händeln.

Ich sah das junge schlanke Reh,
Den Rehbock mit den Hörnern.
Ich auch den kleinen Knaben seh
Mit einer Hand voll Körnern.

Ich sah den schwarzen Ziegenbock
Besteigen meine Göttin,
Er hob ihr hoch den blauen Rock,
Er wollte sie zur Gattin.

Den Elefanten Afrikas
Sah ich zum Friedhof schleichen.
Er speist das gelbe Steppengras
Und badet in den Teichen.

Ich sah den dummen Vogel Strauß
Und konnte es nicht fassen,
Er war bereit, der Eier Haus
Zertreten gar zu lassen.

Die Straußenmutter ist ein Tropf,
Sie ist so gar nicht weise,
Ihr Auge größer als der Kopf,
Sie pickt sich gierig Speise.

Ich sah des Spießbocks scharfes Horn
Und sah den Löwen nahen,
Der nahm den Spießbock sich aufs Korn,
Wie meine Augen sahen.

Ich sah den Löwen imposant
Mit seiner langen Mähne.
Er lag gewaltig faul im Sand,
Es malmten seine Zähne.

Er schläft den ganzen lieben Tag
In hoher Bäume Schatten,
Und wenn er wacht, dann wie er mag,
Den Harem zu begatten.

Ich sah den Tiger kraftvoll stark,
Er ist ein großer Jäger,
Er gern zermalmt der Knochen Mark,
Frißt gerne Zuluneger.

Ich sah Flamingos stehn im Teich
Und rosa Krebse fressen,
Ganz einer Ballerina gleich,
Verträumt und weltvergessen.

Ich sah den schwarzen Leopard
Auf einem Felsen liegen
Und sah den schlankesten Gepard
Sich an den Felsen schmiegen.

Die Augen mein den Gibbon sahn
Mit seinen weißen Händen,
Ich sah den frechen Pavian
Sich zu den Menschen wenden.

Ich sah das schaukelnde Kamel
Und der Giraffe Wimpern,
Die Wimpern lang, bei meiner Seel,
Auf braunen Augen klimpern.

O Königin Hammonia,
Die Serengeti-Wildnis
Ich ganz mit offnen Augen sah
Und überall dein Bildnis.

Die Beduinen Afrikas
Ersehnen sich die Huri
An Paradies-Oasen naß,
Sprach ich zum Knaben Juri.

Der Knabe Juri wollte schnell
Noch wissen, wie erschaffen
Die Jungfrau und der Junggesell
Als Ebenbild des Affen?

O göttliche Hammonia,
Du Inder-Gottheit Deva,
Ich noch mit offnen Augen sah
Den Adam und die Eva.

Wenn Adam von der Arbeit kommt,
Dann spielt er mit der Hündin.
Was aber Mutter Eva frommt,
Die schön wie eine Hindin,

Das fragt er nicht, und was da frommt
Dem Kain und auch dem Abel.
Wenn Abel in das Bettchen kommt,
Ganz dicht an Evas Nabel,

Sitzt Eva ganz allein zu Haus
Und Adam liest die Zeitung
Und geht mit seiner Hündin aus.
Jedoch der Schlange Häutung

Geworden ist dem Adam fremd,
Er schaut nicht Evas Nabel,
Das nackte Bäuchlein unterm Hemd,
Denn Eva schläft bei Abel.

Als Mutter Eva schwanger war
Mit Kain in ihrem Schoße,
War Adam ferne offenbar
Und Eva freudenlose

Die Trauer schenkte ihrem Kain
Und Kain ist darum traurig
Und sagt zum bunten Leben Nein,
Sehr einsam, tränenschaurig.

Da trennte Mutter Eva sich
Von Adam, ihrem Gatten,
Denn stärken wollte sie ihr Ich
Und lieben ihren Schatten.

Da baute sie sich schon ein Haus
Ganz ohne ihren Gatten.
Ich baute ihr die Wohnung aus
Und hob empor die Latten.

Doch Eva schlief mit Adam da,
Er küsste ihren Nabel,
Er kam ihr einmal sinnlich nah
Und siehe, da war Abel.

Jedoch weil dieses Ehepaar
Im Ehebund verstummend,
Da weiter nichts zu sagen war,
Sie schwiegen stets verdummend,

Darum blieb Abel taub und stumm
Und lernte auch nicht schreiben.
Doch Mutter Eva war so dumm,
Beim stummen Mann zu bleiben.

Und Kain und Abel zanken sich
An allen schönen Tagen
Und Kain schreit laut: Ich werde dich
Mit einem Totschlag schlagen!

Und Mutter Eva fühlt sich tief
Vom Ehemann betrogen,
Als ob er andere beschlief,
Sie will zum Psychologen.

Doch Adam will sich lieber nicht
Vorm Therapeuten äußern:
Die sind doch alle nicht ganz dicht
In ihren Irrenhäusern!

Und Wäsche wäscht den ganzen Tag
Die Mutter Eva bitter,
Weil sie verbittert ist und zag
Wie andre alte Mütter.

O göttliche Hammonia,
Du bist so klug und weise,
Was rätst du Mutter Eva da,
Die einsam trauert leise?

Zwar Weisheit fraß mit Löffeln ich
Und kenne Gottes Taten,
Doch Mutter Eva fragt nicht mich,
Ich kann ihr auch nicht raten.

Es ist schon faul das Fundament,
Die Ehe fern vom Gotte.
Gott ist der Liebe Element
Wie Meer der Kieler Sprotte.

O Königin Hammonia,
Ich kann nicht so viel trinken,
Wie du betrunken machst! Und ja,
Ich lieb des Weines Blinken.

Du, Göttin Hamburgs, trinkst den Wein
In Maßen und den weißen,
Ich trink den Wein voll Feuerschein,
Um ins das Glas zu beißen.

Komm mit mir in die dunkle Nacht
Und trink den Wein, den weißen,
Die Gläser aus Kristall voll Pracht
In unsern Händen kreisen.

Wenn du ein wenig Weißwein nippst,
Dann wirst du gleich beredet,
Du wirst beredsam und beschwippst,
Dieweil mein Seelchen betet.

Ich schaue tiefer in das Glas,
Die Flasche schneller leere.
Ich preis die schöne Karitas,
Die Venus auf dem Meere.

In Bacchanalien feiern wir,
Mit Feuer uns zu taufen!
Zwei Flaschen sind vereinigt hier,
Bereit, sie leerzusaufen!

Du trinkst den weißen Chardonnay,
Ich roten Carinena.
Auch Jesus ist dabei, dabei
Maria Magdalena.

Du öffnest deine Seele mir,
Ich tue tiefe Blicke,
Ich seh das junge Reh in dir,
Die junge sanfte Ricke.

Ich selber werde dann zum Hirsch
Und prahl mit dem Geweihe,
Ich schleiche nächtlich meine Pirsch
Zur höchsten Gottesweihe.

Da schüttest du mir aus dein Herz,
Ich lausche dir bescheiden,
Gestehst die Trauer und den Schmerz
Und tiefste Todesleiden!

Was ist die nackte Existenz,
Ist einer am Verzweifeln?
Er flieht des Schöpfers Transzendenz
Und wünscht sich zu den Teufeln!

Der Mensch ersehnt den Suizid,
Sich selber zu ermorden!
Vorm Suizide aber flieht,
Wer ist von Gottes Orden!

Da spricht man von Euthanasie,
Das Leiden sei langweilig,
Und man vergisst dabei doch, wie
Das Leiden macht uns heilig!

Ja, heilig sind die Leidenden,
Beim letzten Lebensfunken,
Ja, heilig sind die Scheidenden,
Von Gottes Liebe trunken!

Ich war einst in dem Irrenhaus,
Ich wurde da betrogen,
Es zogen mir die Seele aus
Die schlimmen Psychologen.

Einst bracht ich fast mich selber um,
Es war die Liebe schmerzlich!
Ich war so jung, ich war so dumm,
Das Weibchen war nicht herzlich!

Jetzt schließ ich einen Pakt mit Gott,
Ich fliehe nicht zu eilig,
Ich bleibe Odem im Schamott,
Das Leben ist mir heilig!

Kein Kindlein werde umgebracht,
Kein Kindlein abgetrieben!
Geliebt sei’s in des Schoßes Nacht,
Wir wollen Kinder lieben!

Die alten Kranken werden nicht
Aus falscher Scham getötet!
Barmherzigkeit ist unsre Pflicht!
Gott werde angebetet!

Natürlich sei der Tod zuletzt,
Natürlich sei geschieden,
Von der Pistole unverletzt,
Geschieden sei in Frieden.

O Königin Hammonia,
Ich schlaf in deinem Hause,
Ein Bild ich auf dem Tische sah
In deiner frommen Klause.

Das war die Venus von Paris,
Von einundzwanzig Jahren.
Sie weilt ja jetzt im Paradies,
Sich dort mit Gott zu paaren.

Sie lehnte schön das Haupt zurück,
Der Mund umfing die Traube.
O Venus von Paris, mein Glück,
O Hoffnung mein und Glaube!

Wie schön war doch der Venus Mund,
Zu kosten von den Reben!
Wie wird mir da das Herz gesund,
Wie lacht mir da das Leben!

O Venus, du bist eine Kunst,
Dein Busen weiß wie Marmor,
Ich liebe dich mit wilder Brunst
Und deinen Knaben Amor!

O Venus, du mein Ideal,
Ich durfte dich genießen,
Dich weiland in dem Tränental,
Einst in den Paradiesen.

Hammonia, in deinem Raum
Tat sich mir offenbaren
Die Venus von Paris im Traum,
Sich schön mit mir zu paaren.

Wie Gott und Göttin wir ein Paar,
Wie Meeresschaum und Felsen,
Um in dem Mondschein wunderbar
Im Traume zu verschmelzen!

O Mond, wie scheinst du auf die Flut,
Du trunkne Säufersonne!
Wie, Venus, lodert deine Glut,
Du Süßigkeit und Wonne!

Wie Turteltauben schnäbelnd sich
Den Taubenbusen picken,
So Venus von Paris und ich
Uns in die Seelen blicken!

Hammonia, beim Liebeswahn,
Bei allen Liebesleiden,
Du brachtest mich zur Eisenbahn,
Adieu! Wir müssen scheiden.

Du Nymphe aus dem Paradies,
Des Garten Edens Huri,
Als ich am Bahnsteig dich verließ,
Da blieb bei mir mein Juri.

Die Eisenbahn, der schnelle Zug,
Mich brachte in die Heimat.
Die Zeit verging als wie im Flug.
(Der Dichter seinen Reim hat.)

Die makellose Jungfrau sah
Ich in dem schnellen Zuge,
Die Jungfrau war erschienen da
Im raschen Liebesfluge!

Ein Mädchen, sechzehn Jahre jung,
So eine Schöne, Schlanke,
Der langen braunen Wimpern Schwung,
Das braune Haar, das lange,

Die braunen Augen groß und warm,
Der schöne Mund zum Küssen,
Des Mundes Lippen voller Charme,
Ein Zauber, nicht zu missen.

Ich sah die reine Schönheit an,
Den höchsten Charme Marias,
Ich war ein froher Gottesmann
Und dankte dem Messias.

Mich rührte an der Schulter an
Der goldne Knabe Juri:
Oh, siehst du auch, du Gottesmann,
Die Jungfrau dort, die Huri?

Ich sprach: Du weißt, ich finde schön
Die Jungfrau ganz alleine!
Ich sag mit seufzendem Gestöhn:
Maria ist die Meine!

Adieu, du schöne Hamma-Burg,
Dir sang ich meine Oden.
Zurück im weißen Oldenburg,
Da küsste ich den Boden.