Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

KÜNSTLER, PHILOSOPHEN, HETÄREN



Von Josef Maria Mayer



Mein Freund, wer Gaben hat der Wollust zu vergeben,
Die gibt den Männern das, was sie so heiß erstreben,
Nach ihrer Liebeskunst Hetären nennt man sie,
Wie Huren sind sie nicht gemeiner Pornographie.
So liebst du also die Hetäre, bist ihr Kater? –
Ja, Bruder, sie ist klug und schön, bei Gott dem Vater!


*

Hab acht, mein Platonist, dass du nicht unnatürlich
Mit Knaben gibst dich ab, was widerkreatürlich,
Und so die Göttin kränkst, die Göttin wahrer Lust,
Denn das befleckt doch nur die Seele in der Brust.
Die Knaben sind zwar schön, die Jünglinge im Städtchen,
Und haben keinen Bart und sind so süß wie Mädchen,
Doch sind sie nicht mehr schön, wenn ihnen wächst der Bart.
Glykere hat es mir dereinst geoffenbart.


*

Mag sein, es fragt sich wer von meinen lieben Hörern,
Mit gutem Grund fragt sich das wer von den Betörern,
Ob irgendwo im Reich der guten Attika
Zu finden ist ein Weib, ob je ein Freier sah
Ein Weib in Attika, die ward genannt Mania?
Das wäre eine Scham (bei Hagia Sophia),
Denn dieser Name ist der einer Phrygierin!
Wenn einer Dirne dies Athens käm in den Sinn,
Beschämend wäre das, ein Werk von Idioten,
Wenn nicht die Stadt Athen dies hätte doch verboten.
Athen ist eine Stadt, wo Männer sind erprobt
Und das Hetärentum von Weisen wird gelobt!


*

Philyra hat gehurt in ihrem Reiz der Jugend,
Dann später wurde sie zur Dame voller Tugend.
So tat Scione auch, tat Hippophesis auch
Und Theokleia auch mit ihrem straffen Bauch,
Im Alter ehrsam ward die schöne Theokleia,
Psamathe ebenfalls und ebenso Antheia.


*

O mein Hetärenweib, o Nais mit der Lyra,
Kennst du die Dirne auch, die falsche Anticyra,
Die falsches Zeugnis gab und gern gelogen hat?
Wie ihre Augen blass doch waren, stumpf und matt!
Ihr Name eigentlich war Oia, wie berichtet
Aristophanes, der von jenem Weib gedichtet.
Doch Anticyra hieß sie, weil sie gerne trank
Mit einem, der in Wahn und Wollustrausch versank
Und ist in Leidenschaft im Lotterbett versunken,
Weil Anticyra ihn mit Wein gemacht betrunken!


*

Ich hab in meinem Haus die milde Sophrosyne
Und die Gerechte auch, die Frau Dikaiosyne,
Arete wohnt bei mir, die fromm und tugendhaft,
Andreia geht mit mir, die stark und voller Kraft,
Akesis gut beherrscht der Liebe Disziplinen,
Die Weiber alle mir mit ihren Gnaden dienen. –
Mein Freund, wie mich erfüllt der allerschärfste Neid!
Gib mir doch eine ab, ach eine junge Maid!
Ich möchte gerne auch mit einer Sklavin buhlen,
Gewiß, die Weiber sind nur feminine Dulen? –
Doch Apollonius dem Freund zur Antwort gab,
Der über diese Fraun brach richterisch den Stab:
Nein, diese Frauen sind nicht feminine Dulen,
Du kannst, mein Freund voll Neid, mit keinem Mädchen buhlen,
Nein, respektabel sind die Damen! Jede Maid
Ist eine Herrscherin von heilger Herrlichkeit!


*

Wenn je ein guter Mann in Not kam und in Sorgen,
So die Hetäre hat am Abend und am Morgen
Ihn liebevoll gegrüßt, gemacht von Kummer frei,
Die Seele ihm liebkost mit sanfter Schmeichelei
Und hat ihn dann geküsst. Die Küsse zwar nicht taugen,
Ihm wie dem schlimmsten Feind die Seele auszusaugen,
Nein, die Hetäre küsst, wie eine Taube nickt
Und wie sie girrend gurrt und wie sie schnäbelnd pickt.
Sie sitzt mit ihm zu Tisch, sie speisen ohne Eile,
Sie plaudern klug und fromm, ganz ohne Langeweile,
Sie nimmt die Qual ihm fort, charmanten Lächelns so
Und süßen Plaudermunds sie macht ihn wieder froh.


*

Der nackten Hure auch man kann den Namen geben
Der wunderbaren Sphinx vom fernen Lande Theben,
Sie schnattert nicht und schwatzt und plappert mit dem Mund,
In Rätseln spricht sie, tut geheime Weisheit kund.
Wie süß die Liebe ist, wie züngelnd lecken Flammen,
Wie gerne kommt sie doch mit ihrem Freund zusammen.
Wenn sie in Rätseln spricht, dann sagt die Sphinx sehr nett:
Vier Beine habe doch das breite Liebesbett,
Auf einem Dreistuhl lallt die Pythia im Städtchen,
Zwei Beine lang und schlank, so sind die jungen Mädchen.


*

Hetären kenn ich auch, die sind sehr eingebildet
Auf ihre Schönheit. Und die andern sind gebildet,
Erzogen sind sie gut. Die pädagogischen
Hetären reden gern mit Weisen, logischen
Sophisten, sind auch gern bei Dichtern, um zu lernen.
Die Namen kennen sie von allen Himmelssternen.


*

O weiser Sokrates, so sprach Aspasia,
In dir ist Sehnsucht nach den lieben Knaben da,
Die beißen dir ins Herz! Doch sollst du darauf achten
Und meinen guten Rat nicht voller Stolz verachten
(Mein Körper wird verzehrt vom Feuerstrom des Glücks,
Doch Tränentau hängt an den Wimpern meines Blicks):
Ermanne du dein Herz und diene allen Musen,
Das gibt dir neue Kraft. Vertrau auf meinen Busen
Und auf mein treues Herz. Ich helfe dir, den Sohn
Zu sehen wiederum auf seinem Götterthron.
Die Muse hilft allein, die Muse auserkoren.
Dein Liebesflüstern gieß in dieses Knaben Ohren.
Der Anfang aller Lust, das ist der Muse Kunst,
Mit ihrer Hilfe du erweckst in ihm die Brunst,
Erobre seinen Geist, dien ihm mit weisen Scherzen,
Gieß ein der Liebe Wort dem Ohr in seinem Herzen.


*

Philänis schrieb dies Buch: Der Weisheit diene frei
Und den Erkenntnissen – doch nicht der Hurerei!


*

Der Olympiade Held kam siegreich zur Hetäre
Und sprach zum schönen Weib: Der Schönheit alle Ehre!
Sieh, wie den Nacken bricht des starken Ziegenbocks
Der übermächtige Reiz des jungen Mädchenrocks!


*

O liebe Mutter mein, beim Vater allen Lichts,
Wie könnt ich nehmen denn ins Bett den Taugenichts,
Der alle Mädchen will in seinem Bette haben,
Daß alle sie vereint in seinem Bett ihn laben?


*

Geh einen andern Weg, du graugewordner Mann,
Zur Todesstunde denkst du nicht an Liebe dann
Mit einem Lotterweib! Willst du dem Gott dich weihen,
Dann willst du sterben nicht mit sexuellen Schreien!


*

Gnathäna lud mich ein, wir tranken roten Wein.
Diphilus, sagte sie, jetzt sind wir zwei allein.
Gnathäna, sagte ich, wie kalt ist doch dein Becher,
Da friert die Lippe fest am Becherrand dem Zecher!
Das ist die Strafe, gab sie lächelnd mir zurück,
Dafür, dass ich so oft erschein in deinem Stück.


*

Gnathäna fürchtete, es könnte wer erhaben
Die Künste lernen und noch reicher sein an Gaben
Der Liebeskunst als sie. Diphilus sie bezahlt,
Indem ihr Angesicht in seinen Stücken strahlt.


*

Nun sag mir, mein Poet, was schreibst du solche Sachen?
Weg, all ihr Sünder, die so schlimme Sachen machen!
Euripides stand da und war zutiefst erstaunt
Und so in seinen Bart er murmelt leis und raunt:
Du Hure, bist du’s nicht, die schlimme Sachen treibt?
Was wundert es dich, wenn ein Dichter davon schreibt?
Die Hure sprach: Poet, tu ich den Leib dir schenken,
Schlimm ist es denen nur, die Schlimmes dabei denken!


*

O bei Athene und den Göttern aller Wonnen,
Wie kalt das Wasser ist in deinem tiefen Bronnen! –
Die Strafe ists dafür, dass mich dein Wort betrog
Und du mich reden lässt im närrischsten Prolog!


*

Ein Mann aus fremdem Land, ein heldenhafter Krieger,
Der meinte, er sei selbst in allen Schlachten Sieger,
Der kam einst nach Athen und hat sich umgeblickt,
Hat nach Mania dann den Boten ausgeschickt,
Er werde zahlen Geld der phrygischen Hetäre
Und geben alles ihr, was immer sie begehre.
Zum Gastmahl lud er ein nun einen Zechkumpan,
So einen Zechkumpan, der auch voll wildem Wahn,
Der den zerrissnen Schlund auch gern im Rotwein bade
Und abirrt in dem Rausch vom schmalen Weg der Gnade,
Den fragte unser Mann: Mein Bruder, sage mir,
Was ist in dieser Welt das allerschnellste Tier?
Subtil und witzig war gedacht die Rätselfrage,
Wie Antilopen man gleich schwarzen Panthern jage.
Mania war im Raum, war schöner als ein Traum,
Verließ auch ab und an des Zechgelages Raum,
Und witzig sprach das Weib: Das schnellste Tier? Du, Krieger!
Das allerschnellste Tier? Du selber bist es, Sieger!
Denn ich erinnere mich daran, Seelengast,
Wie du den Schild im Krieg einst fallen lassen hast!


*

Mania lächelte: Mein Schatz, bei den Propheten,
Ich will nur lernen von olympischen Athleten,
Den Kugelstoßern, die da stoßen Stoß um Stoß!
So stoße in der Nacht auch du in meinem Schoß!


*

Callisto einmal sprach, die liederliche Dirne:
O Sokrates, du Mann mit Furchen in der Stirne,
Mit deiner Redekunst lockst fort du keinen Sohn,
Der von Callisto will den schnöden Hurenlohn!
Zur Antwort Sokrates der Nutte gab der Nutten:
Die Götter sind mit dir, Eroten, nackte Putten,
Du hast es auch sehr leicht, dein Weg ist reich geziert,
Die Pforte offen, breit, die zur Verdammnis führt!
Ich aber führte sie die Straße, eine steile,
Den engen Pfad hinan durch Dornen zu dem Heile!
Den breiten Weg hinab durch dunkle Hurengassen
Geht lieber doch das Volk, der Pöbel dummer Massen.
Der Tugend Weg ist steil, ist ohne sündigen Reiz,
Und wenig sind es nur, die gehn den Weg zum Kreuz!


*

Die Dirne Thais sprach zu Euthydemus so:
Was ist denn ein Sophist mit seinem A und O
Was andres als ein Weib, die lüstern als Hetäre
Dem Manne gibt sich hin, wenn er das Weib begehre?
Wie die Hetäre der Sophist hat nur im Sinn
Des Mammon Gunst und Huld, den irdischen Gewinn.


*

Der weise Solon sah einst in Athen viel Männer,
Die Alleskenner sah er und die Alleskönner,
Die allzeit voller Lust und immerdar potent,
Doch fehlte ihnen noch der Weiber Element.
So pflanzte Solon ein in seiner Stadt, der reinen,
Die Prostituierten, die geliebten Allgemeinen.
Sie standen auf dem Markt, entblättert, splitternackt,
So prüfe sie der Mann, ob tauglich sie zum Akt.
O Mann von Griechenland, dich plagt des Lebens Jammer?
Fort mit der Traurigkeit! Tritt ein in jene Kammer,
Nur deine Taler gib, wenn du schon überquillst,
Sie tut dir ganz nach Wunsch, sie liebt dich, wie du willst!


*

Zeus-Vater weiß es wohl, ihr alten Ehefrauen,
Die Dirnen haben nicht ein silbriges Ergrauen.
Sie haben sich den Mund nicht scharlachrot geschminkt,
Nicht dunkelblau getönt der Schlitz des Auges blinkt.
Und wenn die Sonne glüht, von vorne und von hinten,
Nicht Tränen weinen sie wie dunkelblaue Tinten,
Und nicht die Schminke mischt, das Blau sich mit dem Rot.
Nicht grau das dünne Haar. Sie zittern nicht vorm Tod.
Die jungen Hürlein sind fürwahr nicht ähnlich jenen
Verwelkten Ehefraun mit schüttern-grauen Strähnen.


*

Ach, nur für den Profit, den Nachbarn auszurauben,
Nur darum gurren so verliebt die Turteltauben!
Und Netze knüpfen sie, ein süßes Spinnennetz,
Das klebrig ist und hascht, dass sich das Weib ergötz.
Ach, die Hetären all, sie sind nicht, was sie scheinen,
Der nackte Körper ist verborgen unterm Leinen.
Die eine ist zu klein, da tut sie was dazu
Und hohen Absatz trägt sie unter ihrem Schuh.
Des Weibes Becken ist schön breit? Dies auszumalen,
Legt sie den Gürtel an, mit ihrem Reiz zu prahlen.
Des andres Weibes Aug ist nichts als nur ein Schlitz,
Darüber täuscht sie dann hinweg mit Weibes Witz
Und malt die Lippen an mit feuerroter Schminke,
Daß jeder wünsche, dass er von dem Munde trinke.
Der andern Brust ist klein, nicht prachtvoll groß die Brust,
Wo große Brüste doch sind aller Männer Lust,
Das füllt das Weib dann aus mit einer Künstlichkeit.
Des andern Weibes Bauch ist dick, ist allzu breit,
Die Hüfte wie ein Ring, da trägt sie weite Röcke,
Daß das bemerken nicht die geilen Ziegenböcke.
Dort ist ein Körperteil sehr gut gebaut – ein Fakt
Ist, was ich sage euch – dann zeigen sie ihn nackt.
Wenn ihre Brüste sind wie weißen Schaumes Wellen,
Dann lassen sie die Brust aus ihrem Hemdchen quellen.
Hat eine Zähne weiß, sie sicher oftmals lacht
Und zeigt der Zähne Schnee und ihrer Schönheit Macht.
Und ist sie traurig doch, sie will, man soll sie kitzeln,
Ein Dichter soll als Narr dann komisch vor ihr witzeln,
So zeigt die Zähne sie erneut, die Perlenschnur.
So weise in der Kunst ist jede, jede Hur.


*

Diogenes sprach einst, der Zyniker, der Hund,
Zu Aristippus, dem Sokratiker, gab kund:
Mein Aristippus, du liebst eine nackte Hure?
Bekehre dich und nimm die Lehre an, die pure,
Und werde Zyniker wie ich, ein armer Hund!
Doch Aristippus sprach mit Lächeln um den Mund:
Diogenes, erscheint es schlecht dir, dort zu wohnen,
Wo viele wohnten schon seit ewigen Äonen?
Nein, sprach Diogenes, das scheint mir gar nicht schlecht.
Und Aristippus sprach: Und hat man nicht das Recht,
Zu fahren mit dem Schiff, mit dem schon viele fuhren?
Doch, sprach Diogenes, was aber mit den Huren?
Und Aristippus sprach: So will ich an dem Weib
Ergötzen mich, die schon mit ihrem süßen Leib
Erquicket viele hat, in dieser Welt der Schatten
Will ich der nackten Hur mich auch in Wollust gatten!


*

Die Kurtisane dort, wie schön weiß sie zu essen!
Man sieht sie nicht so grob das Fleisch wie Männer fressen,
Sie reißt das Maul nicht auf, dass sie hinunterschlingt
Was, Jäger ihr, im Netz für ihre Tafel fingt,
Nicht mit den Zähnen reißt sie wölfisch an dem Fleische,
Nein, sie speist voller Maß, wie eine fromme keusche
Geweihte Jungfrau von Milet, so voller Maß
Die Kurtisane schön den Entenbraten aß.


*

O Göttin Muse, sing mir von der Art der Frauen,
Wie ich sie durfte oft schon auf der Erde schauen!
Die eine ist voll Kraft und ist wie Männer stark,
Die andre ist voll Lust, Saft saugend aus dem Mark,
Die andre ist sehr klug, fast nennt man sie schon weise,
Die andre, ungerecht, ist streng auf jede Weise,
Die andre jagt davon den Freier, der sie liebt,
Und nimmt doch alles an, was er ihr opfernd gibt.


*

So sagte Sokrates zur Dirne Theodote:
In deinem Körper wohnt die Seele bis zum Tode,
Die Seele unterweist dich, wie des Körpers Glanz
Die Freuden spenden kann, die Männer freuen ganz,
Und wie die Reden dein aus warmem Herzen sollen
So klug sein wie gelernt aus den antiken Rollen,
Wie du willkommen heißt den frommen Seelengast,
Daß du den bösen Mann von ganzem Herzen hasst!
Und wenn ein Freund von dir gekommen zu den Kranken
Ins Krankenhaus, wie du, die Götter werden’s danken,
Ihn dann besuchen sollst und halten seine Hand.
Und wenn ein Freund das Glück schon auf der Erde fand,
Daß du dich mit ihm freust, dem großen Gott zu danken.
Doch wenn ihm ins Gemüt gekommen ein Erkranken
Und große Traurigkeit, dann reich ihm deine Hand
Und lächle lieb ihn an und tröste ihn charmant!


*

Es sprach das Mütterchen zur Tochter eine Mahnung:
Diphilus sagte mir, ich hab so eine Ahnung,
Daß du getrunken hast mit der Genossenschaft
Des Freundes und getanzt mit aller Reize Kraft,
Daß mit des Beckens Schwung du alle Männer labest
Und dass du seinem Freund dann viele Küsse gabest.


*

So sagte Sokrates vom Mädchen Theodote:
Sie war so wunderschön in Aphrodites Mode,
Die eine Freundin war, die alle Männer ehrt
Und jedem Manne gibt, was er von ihr begehrt.
Ein Maler sah sie einst, da wollte er sie malen,
Daß er Urania sah um das Mädchen strahlen,
Da ward sie sein Modell. Er sah, ob ihr es glaubt,
Die schöne Frau so nackt, wie Tugend es erlaubt.


*

So sagte Sokrates vom Mädchen Theodote:
O dass das schöne Weib in Aphrodites Mode
Ihr Schönsein zeigte uns und gnadenreiche Huld,
Daß wir Urania verehrt in frommem Kult,
Daß sie sich sehen ließ vom Scheitel bis zur Wade,
Das war den Schauenden von Gott doch große Gnade.
Wer war gesegnet mehr, sie, die sich sehen ließ,
Wir, die wir schauten an dies Weib vom Paradies?
Wer profitierte mehr, die Frau, die ließ sich schauen,
Wir, die wir schauten nackt die Schönste aller Frauen?


*

Praxiteles erschuf dem Eros die Gestalt,
Er offenbarte so des Eros Machtgewalt
Und offenbarte so als Genius bescheiden,
Was er von Eros’ Macht so alles musste leiden.
Er machte das Modell nach seinem innern Sinn
Und gab es Phryne dann als Liebesopfer hin.
Des Eros Zauberspruch kommt nicht mehr von den Waffen,
Es kommt jetzt von dem Bild, den das Genie geschaffen.


*

Die nackte Königin der Liebe und der Lust
Steht jetzt als Knidia mit offenbarer Brust
In ihrem Gotteshaus, zugänglich allen Männern,
Die schaun sie voll Genuß mit Augen an von Kennern,
Und wie die Göttin es gewollt, der Wollust Born,
Die nackte Göttin sieht von hinten man und vorn.
In jeder Hinsicht schön die Göttin ist, die Nackte!
Frau Phryne stand Modell zu diesem Venus-Akte.


*

Kythere Paphia ist auf dem Meer gegangen,
Um so nach Knidos in den Tempel zu gelangen,
Und sah ihr Bildnis an, die Marmorgöttin schön,
Und seufzte leise dann mit liebendem Gestöhn:
Praxiteles, mein Freund, wie soll ich das verstehen,
Wann hast du Paphia Kythere nackt gesehen?


*

Frau Phryne lächelnd sprach zum Künstler, ihrem Freund:
Hab keine Angst, mein Freund. Du hast, wie es mir scheint,
Der Göttin Akt gemacht, der einzig, unvergleichbar,
Die nackte Königin der Liebe unerreichbar,
Wie nie ein Mann gemacht. Die Herrin deines Fleisches
Hast du verewigt so. Dein Kunstwerk ist ein keusches.
Ich, Phryne, stand Modell für Aphrodites Akt,
Mich sahst du, dein Modell und deine Muse, nackt.
Die fünfzigjährige Frau Phryne, dein Exempel,
Wird angebetet nun als Gottheit hier im Tempel.


*

Frau Phryne stand dereinst vor Richtern, Advocaten,
Das Urteil im Gericht sie schon verkünden taten,
Als Phryne eben rasch, die Nachwelt soll es wissen,
Das Oberhemd herab von ihrer Brust gerissen,
Vor Advocaten da und vor Juristen fremd,
Sie stand mit bloßer Brust und mit zerrissnem Hemd,
Sie offenbarte dem Gericht die nackten Brüste
Und alle jauchzten laut vorm Inbegriff der Lüste!
Und ihr Verteidiger sprach so vor der Justiz:
Die Göttin aller Lust in ihrem Muschelsitz
Bewahrt die Priesterin, Prophetin ihrer Wonnen,
Die Königin der Lust ist Phryne wohlgesonnen!
So gnädig im Gericht die Göttin aller Lust
Der schönsten Phryne war mit der entblößten Brust.


*

Aus gutem Grunde baun sakrale Heiligtümer
Für die Hetären schön verliebte Frauen-Rühmer,
Doch ist in Griechenland an keinem Ort zu schaun
Von Gatten aufgestellt ein Tempel ihren Fraun.


*

Hetären aber nennt man Freundinnen allein,
Will die Hetären nur der Liebesgöttin weihn,
Der Freundschaft Göttin, die man preist in mancher Mythe,
Als Sankt Urania, Hetaira Aphrodite!
Die Göttin stiftet erst der Freundschaft schönen Bund
Von Männern und von Fraun mit vielgeküsstem Mund.


*

Es ist ein frommer Brauch, wie fromme Bräuche sind,
Daß in der Hafenstadt man betet, in Korinth,
Zur Göttin-Königin, des Meeresschaumes Blüte,
Die Männer beten an die Göttin Aphrodite
Und flehn die Göttin an um der Hetären Huld,
Daß die Hetären sich im Aphrodite-Kult
Ganz liebend geben hin, die Männer zu erlaben.
Die Dirnen kommen dann mit ihren Opfergaben.


*

Ihr jungen Mädchen ihr, ihr Liebesdienerinnen,
Der Peitho Sklavinnen, ihr Wollustherrscherinnen,
Ihr brennt den Weihrauch auf dem heiligen Altar
Und bringt Gebete heiß der Großen Mutter dar!
Euch ist es garantiert, man darf mit schönsten Trieben
In dem durchwühlten Bett euch phantasievoll lieben!
Ich aber frage mich, was wird der Vatergott
Wohl sagen zu dem Lied? Wird spotten er mit Spott,
Daß ich gesungen süß mit honigsüßer Zunge,
Wie ich geliebt im Stehn die Reizende, die Junge?


*

O Hafen von Korinth, o hochbeglückter Hafen,
Mit tausend Huren will ich in dem Tempel schlafen,
Vieltausend Huren sind im Hafen von Korinth,
Sind Hierodulen und Hetären, reizend sind
Die Mädchen! Und die Stadt geworden ist zur Reichen,
Weil aus der ganzen Welt herbei die Männer streichen
Und mancher Seemann kommt und mancher Kapitän,
Um dieses Paradies auf Erden schon zu sehn!


*

Im Hafen von Korinth ein Festival der Liebe
Gefeiert wird, ein Fest der freigelassnen Triebe!
Die freie Bürgersfrau nimmt nicht am Feste teil,
Doch alle Sklavinnen sind lüstern und sind geil
Und die Gespielinnen und Freier sind betrunken!
Oh der Glückseligkeit, am Busen saugen trunken!


*

Der König Gyges einst, der Herr von Lydia,
Besessen von der Magd der Sankt Urania,
Besessen von dem Weib, der freien Liebe Närrin,
Besessen wie ein Narr von seines Fleisches Herrin,
Des Reiches Hälfte er der Vielgeliebten bot
Und liebte diese Frau auch noch nach ihrem Tod
Und baute ihrem Geist ein Denkmal voller Größe,
Weil er besessen war von diesem Schoß der Schöße!
Das Denkmal war so groß, der Liebe Monument,
Das man vom Gipfel es des Tmolus noch erkennt.


*

Der große Harpatus von Mazedonia,
Der Alexanders Schatz geplündert hatte, sah
Einst Pythionice und begehrte die Hetäre
Und gab ihr alles, Geld und Lebenskraft und Ehre,
Obwohl das schöne Weib, die Pythionice, nur
Hetäre war und nichts als allgemeine Hur.
Und als die Hure starb, die Hure aller Huren,
Da baute er für sie die größte der Figuren,
Errichtete für sie ein Riesenmonument,
Zu dem die ganze Welt in heißer Lust entbrennt!
Und als man ihren Sarg begraben in der Erde,
Die Flöten bliesen schön die Hirten ihrer Herde
Und Chöre sangen laut, als man die Flöten blies,
Daß Pythionice fuhr zu Gott ins Paradies!


*

Auf dem sakralen Weg zum heiligen Athen,
Athenes Tempel schon von weitem ist zu sehn.
Da steht ein Monument, das wird von scharfen Kennern
Als Denkmal angesehn von großen weisen Männern,
Des Demokraten Mal, des großen Perikles,
Es wäre würdig auch des weisen Sokrates.
Doch schaut man näher hin, das Monument verzierte
Der Name einer Frau, die eine Prostituierte
Gewesen war, die man als Pythionice kennt,
Ihr baute einst ihr Freund dies Riesenmonument.


*

Im heiligen Athen, der Götterweisheit Nabel,
Ein Denkmal ist zu sehn, wie auch in Tochter Babel,
Das Alexanders Freund errichtet, aufgestellt,
Das schönste Monument in der antiken Welt,
Da Pythionice galt der Liebeslust Exempel,
Errichtet ward für sie von ihrem Freund ein Tempel,
Wo Pythionice ward von Freiern angefleht,
Als Pythionice, ja, als Venus im Gebet!


*

Der großes Harpatus gebot des Volkes Leuten,
Des Königs Machtgebot, das hatte zu bedeuten,
Will man ihm bringen dar die Krone eines Herrn,
So möge alle Welt, bei Göttin Morgenstern,
Als erstes bringen dar das Diadem, das pure,
Der Lieblingin des Herrn, der schönsten nackten Hure,
Denn wie er König war in seinem edlen Sinn,
So war die Lieblingin des Reiches Königin,
Die nackte Hure war die große Basilissa
Der Basilea, Magd der Göttin Aphroditissa!
Beachtet das Gebot, ihr Männer, ganz genau,
Ehrt mehr die Königin als Mutter oder Frau!


*

Ah, jenes schönste Weib, das teilt den Göttertempel
Mit Eros, dieses Weib, der Liebeslust Exempel!
Wodurch ist dieses Weib in der Magie geschickt,
Mit der die Freier sie versklavt und unterdrückt?


*

Ich sah das Marmorbild Cottinas, der Hetäre.
Wenn ich das Marmorbild betrachte, so begehre
Cottina ich sogleich. Wie Schnee die Brüste hell!
Cottinas Namen trägt auch nahbei ein Bordell,
Colona nahe, wo zu allem Überfluß
Auch noch ein Tempel ist für Sankt Dionysus.
Das Freudenhaus ist gut bekannt in diesem Städtchen,
Dort dienen reife Fraun und angestaunte Mädchen
Und bringen Opfer dar. Athene auch schaut zu
Cottinas Marmorbrust, dem Euter einer Kuh!


*

Es war einst eine Frau, das schöne Hürlein Thais,
Die war genau so schön wie jenes Hürlein Lais.
Zu Alexander sprach die Dirne Thais da:
O Alexander, kommst du nun nach Persia,
Berausch mit Feuerwein die Weiber allerenden,
Daß sie berauscht vom Wein, mit wildgewordnen Händen
Die Tempel Persias aus Rache reißen ein,
Weil Perser einst gestürmt der Aphrodite Hain!
Und so geschah es auch. Die vielen jungen Männer
Im trunknen Rauch, des Weins gelehrte weise Kenner,
Und trunkne Weiber in Ekstase und in Rausch
Die Tempel rissen ein in Bogen und in Bausch
Und stürmten durch die Stadt mit feuerheißen Fackeln!
Des Weibes Becken tanzt! Des Weibes Brüste wackeln!


*

Es war in Abydos, die Sklaven listig lauern
Und die Hetären all eroberten die Mauern
Und stiegen in die Stadt und zündeten sie an
Und mordeten im Schlaf das Männchen und den Mann.
Dann weihten sie die Stadt, die nun im Feuer glühte,
Der Göttin des Geschlechts, der Göttin Aphrodite!


*

Als Perser drangen ein aus finsterm Orient,
Zu morden Griechenland im frommen Okzident,
Die Huren beteten zur Göttin Aphrodite,
Daß Aphrodite schützt des Abendlandes Blüte,
Hetären beteten und weihten Griechenland
Der Himmelskönigin, vertrauten ihrer Hand
Das weise Griechenland, Athenes Zitadellen.
Gebete drangen auf aus himmlischen Bordellen!