Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

DIE ORESTIE




Tragödien-Trilogie


Nach Äschylus


Von Josef Maria Mayer


ERSTER TEIL
AGAMEMNON

(Fragment)


*

(Nacht. Agamemnons Palast in Argos. Ein Wächter auf dem Dach.)

WÄCHTER
Erlöst mich, Götter, von der schweren Mühsal
Der Wache hier auf Agamemnons Dach!
Hier lieg ich hingekauert wie ein Hund
Und über mir die dunkle Nacht, die Sterne,
Die niederfunkeln aus der Ewigkeit,
So liege ich und schaue in die Nacht
Und warte auf Bericht von Trojas Fall.
Die Königin gebot es – strenge Frau,
Hartherzig wie ein Mann, mit kalter Seele!
Ich finde keinen Schlaf und keinen Traum,
Ich schlafe nicht, mich plagen schwere Sorgen,
Bis Morpheus mächtig mir die Lider schließt,
Dann singe ich ein Lied, nicht einzuschlafen,
Und wehr den Schlaf mit solcher Medizin.
Doch muß ich immer schluchzen, immer schluchzen,
Weil dieses edle Haus ein Fluch befiel!
Ein Ende finde diese schlimme Not,
Wenn Feuerzeichen Siegesbotschaft geben.

(In der Ferne flammt ein Feuer auf.)

Sei mir gegrüßt, du Licht der dunklen Nacht!
Du kündest Feste an und Tanz und Chöre,
Wenn Argos feiert den Triumph im Krieg!
Schnell! Diese Botschaft gleich zu Klytämnestra!
Soll sie vom Bette sich erheben und
Den Sieg verkünden über Ilion
Mit lauten Jubeltönen im Palast!
Den Freudentänzen tanz ich selbst voran,
Dem Hause meines Herrschers künd ich Heil!
Gott gebe, dass der Herrscher heimkehrt und
Ich seine Hand mit meiner fassen darf.
Still, Stille! Schweige mystisch meine Seele,
Ein Siegel mir versiegelt meinen Mund.
Was hier in diesem Haus geschehen ist –
Wenn stumme Wände reden könnten... Still!
Beredet bin ich für die Eingeweihten,
Verstummt bin ich für den profanen Pöbel!

CHOR
Seit zehn Jahren zwingen Kläger
Priamos, zu stehen Rede:
Agamemnon, Menelaos.
Zeus berief die beiden Throne,
Dieses Paar der zwei Atriden.
Argos sah sie fernhin fahren,
Die sie führen tausend Schiffe,
Der Argeier große Streitmacht.
Schlachtruf brach aus ihrem Busen,
Die sie glichen Lämmergeiern,
Fliegend über ihre Horste,
Weil die Brut man ihnen raubte!
Oben aber wacht die Gottheit,
Sei es Zeus, sei es Apollon,
Und er hört die schrillen Schreie
Seiner armen Schutzbefohlnen.
Sühnend auf des Frevlers Spuren
Sendet er die Göttin Rache!
Also Zeus, der größte Gastfreund,
Schickte gegen jenen Paris
Diese beiden Atreus-Söhne.
Weil der einen Frau der eine
Gatte schien nicht zu genügen,
Darum muß so mancher Kämpfer
In den Staub der Erde sinken,
So die Troer, so die Griechen.
Was auch immer ist geschehen,
Alles ist bestimmt vom Schicksal.
Nichts nützt da die Opferflamme,
Nichts nützt da die Opfergabe,
Wenn die großen Götter zürnen.
Doch wir Alten, müden Leibes,
Uns hat nicht die Schar geachtet
Bei dem Aufbruch zum Gefechte,
Schleppen uns wie schwache Knaben
Greise hinkend an den Stöcken.
Wie die alten Greise nützen
Auch die kleinen Knaben wenig,
Kinder sind es, Wut im Busen.
Aber doch die starken Männer
Fehlen nun im Heimatlande.
Welk sind wir wie dürre Blätter,
Sind bedürftig unsres Stockes,
Irre Schatten wie Gespenster,
Die sich in den Tag verirrten.

CHORFÜHRER
(an Klytämnestra, die im Palast ist)

Königin, du Tyndars Tochter,
Klytämnestra, was geschehen?
Welche Zeichen, welche Kunde
Trauernd sendest du als Opfer-
Gaben an geweihte Stätten?
Aller Geister Opfersteine,
Hoher Mächte, tiefer Mächte,
Menschenferner, menschennaher,
Ewige Altäre lodern.
Allwärts brennen auf zum Himmel
Flammen von dem frommen Öle.
Laß uns wissen, was du möchtest,
Gib, soviel es möglich, Auskunft,
Sei der Balsam unsrer Nöte,
Die uns grausam quälend treiben
Zwischen Qualen unsrer Zweifel
Und der freudenreichen Hoffnung
Bei dem Licht der Opferflamme,
Wehre tröstlich unsres tiefen
Kummers, immer an uns nagend!
Große Zeichen waren sichtbar
Beim Beginnen unsres Fürsten,
Künden kam mein Lied die Zeichen,
Denn es weht der Atem Gottes
Mir Gesänge auf die Lippen!
Als der Griechen Zwillingsfürsten,
Brüderliche Führer, zogen
Unter Zeichen gegen Priam,
Waffen in den festen Fäusten,
Zeigten sich zwei Königsadler,
Herrscher in dem Reich der Lüfte,
Hockten sichtbar auf den Sitzen,
Hackten aus dem Leib der Häsin
Die erlegten Hasenjungen.

CHOR
Dunkle Stimme du erhebe,
Segen ende deine Verse! –
Wer du bist und wie dein Name,
Mög dein Ohr es gnädig hören,
Ruf ich dich als Zeus, o Vater!
Mag mein Geist das All betrachten,
Nichts wird mich wie Zeus erheben,
Daß ich meines ausweglosen
Sorgenschweren Geistes Bürde
Endlich möchte von mir abtun.
Auch wer groß war in der Vorwelt,
Prahlerisch in jeder Prüfung,
Er ist längst dahin geschwunden!
Der ihm folgte, überwunden
Von dem stärkern Überwinder,
Ist der Übermacht gewichen.
Nur wer Gott mit Andacht feiert
Und besteht als Überwinder,
Ist von Weisheit tief erleuchtet!
Gott weist uns den Weg der Weisheit,
Gütig gibt er die Gesetze:
Menschenweisheit reift im Leiden!
Auch das Herz des Schläfers träufelt
Wie den Tau die bange Sünde,
Und wer trotzig ist, der lernt noch
Die Vernunft durch schwere Leiden,
Denn mit ernster Gnade führen
Götter das erhabne Steuer.
Nicht den Seher schalt der starke
Führer der Hellenenflotte,
Der verhängten Last des Schicksals
Bot er willig seinen Nacken.
In dem Hafen war es Flaute
Und in Aulis lagen Schiffe
In der Brandung an dem Ufer.
Dann jedoch erhob sich Nordwind,
Müßiggänger, Hungerleider,
Schiffepreller, Hirnverwirrer!
Nordwind schlug entzwei die Schiffe,
Nordwind zerrte an den Tauen,
Und er fraß die schönsten Schiffe.
Doch den wüsten Sturm zu stillen,
Nahm der Seher Kraut der Heilung,
Bitter war das Kraut den Führern,
Doch der Stab wies auf Diana.
Aber die Atriden stießen
Ihre Zepter in die Erde,
Hielten nicht zurück die Tränen.
Da begann der Fürsten Führer:
Lästig wird mir diese Bürde,
Soll ich opfern meine Tochter,
Mit der Tochter Blut beflecken
Meine Hände vorm Altare.
Alles heillos! Alles heillos!
Jeder Grieche doch verlangte
Dieses Opfer, jenes Mädchens
Blut – o sei zum Heil das Opfer!
Agamemnon, sich verneigend,
Nahm das ernste Joch des Opfers,
Der geweihten Handlung Odem
Atmend, der Verwandlung Odem,
Alles wagend, nichts mehr scheuend.
Maßlos streben lehrt der Wahnsinn,
Sinnverwehend, unheilbrausend.
Seine Tochter darzubringen
Zollte er dem Weiberkriege
Den Tribut, um einzusegnen
Die Hellenenflotte, weihend
Ihre Fahrt zu Priams Stätte.
Doch das liebe Mädchen flehte,
Rief den Vater an: O Vater!
Fühllos sah das Herz der Fürsten
Dieses jungen Mädchens Leben.
Heilige Gebete stiegen
Auf zur göttlichen Diana.
Auf den Wink des strengen Vaters
Hoben Knechte jenes Mädchen
Wie ein Lamm auf den Altartisch.
Ihr Gewand ist ihr entglitten
Von den blühendweißen Schultern.
Daß kein Fluch sein Haus betreffe,
Agamemnon hat geboten,
Seiner Tochter Mund zu schließen
Und mit Knebeln zu versiegeln,
Zu ersticken alle Laute.
Iphigenie ließ ihr goldnes
Kleid zur Erde niederwallen,
Mitleid heischend ihre Blicke
Trafen einmal noch den Schlächter:
Habe ich nicht viel und oftmals
Angehoben meine Stimme,
Meine zarte Mädchenstimme,
Segenshymnen anzustimmen,
Und mit Liedern meines Vaters
Opfergaben eingesegnet?
Aber was danach geschehen,
Das vermag ich nicht zu sehen.
Doch der Seher Kalchas kündet
Die Gerechtigkeit, die Waage,
Auf der Schale liegt das Leiden.
Zukunft ist uns ja verborgen.
Kennen will ich nicht die Zukunft,
Zukunft naht im Morgenlichte.

(Klytämnestra tritt mit Gefolge aus dem Palast.)

Aufs Geschehne Heil nur folge!
Heil verkünde uns die Fürstin,
Hier erscheinend vor den Alten,
Die allein bewahrt die Heimat,
Sie, die Königin von Argos.

CHORFÜHRER
(zu Klytämnestra gewandt)

Ehrend nah ich dir, o Herrin.
Wo der Herrensitz verödet,
Soll die Herrin man verehren.
Ob dich eine Freudenbotschaft
Oder eine lichte Hoffnung
Führt zu dieser Opferstätte,
Wollte gerne ich erfahren,
Aber will mich nicht bekümmern,
Mußt du schweigen, hohe Herrin.

KLYTÄMNESTRA
Zum Segen, wie man sagt, bescherte uns
Die Mutter Nacht ein süßes Morgenrot.
Die Freude übertrifft die Hoffnung noch:
Denn Griechenland besiegte Ilion!

CHORFÜHRER
Ja, ist das wahr? Ich kann es kaum begreifen!

KLYTÄMNESTRA
Die Griechen haben Ilion erobert.

CHORFÜHRER
O wie mir da die Freudentränen quellen!

KLYTÄMNESTRA
Die Tränen zeigen mir das Maß der Treue.

CHORFÜHRER
Ist diese Botschaft denn auch wirklich wahr?

KLYTÄMNESTRA
Ja, wahr, es sei, ein Gott hat mich betrogen.

CHORFÜHRER
Vielleicht hat’s dir ein Traumgesicht geflüstert?

KLYTÄMNESTRA
Schlaftrunkne Seelenspinnereien? Nein!

CHORFÜHRER
Kein Traum? Vielleicht ein flügelloses Trugbild?

KLYTÄMNESTRA
Du sprichst, als wäre ich ein junges Mädchen.

CHORFÜHRER
Wann soll denn Ilion gefallen sein?

KLYTÄMNESTRA
In jener Nacht, die uns das Licht gebar.

CHORFÜHRER
Wer trug die Botschaft rasch in dein Gemach?

KLYTÄMNESTRA
Das Feuer von dem Ida, das Signal,
Die Flamme trug von Bote man zu Bote.
Von Ida kam nach Lemnos diese Flamme,
Von Lemnos kam die Flamme dann zum Athos.
Dann auf des Meeres Rücken zog die Flamme
Dem Gipfelfelsen des Makistos zu.
Der lag nicht lang in schlafbetäubtem Traum.
Die Flamme eilte zum Messapion.
Noch sank des Zeichens Kraft ins Dunkel nicht,
Die Flamme wie der Mond war am Kithäron,
Dann über den Gogopis-See die Flamme
Kam endlich zu dem Hause der Atriden,
In Agamemnons Haus. Das ist das Zeichen,
Das mir aus Troja Agamemnon schickte.

CHORFÜHRER
Den Göttern weih ich später mein Gebet.
Laß mich nun weiter lauschen dem Bericht.

KLYTÄMNESTRA
Heut Troja ist gefallen vor den Griechen,
Ich höre Schreie schrillen aus der Stadt,
Die Feinde werden niemals Freunde sein,
Wie Öl und Essig niemals sich vermischen.
So die Gefallnen schreien und die Sieger,
Die Weiber werfen sich auf ihre Leichen,
Auf ihre Gatten und auf ihre Brüder.
Ein greiser Vater weint um seine Kinder.
Die Sieger, hungrig von dem Werk der Nacht,
Sie nehmen alles sich, was sie nur finden.
Die Sieger wohnen nun in Trojas Häusern
Und schlafen sorglos in der Nacht wie Götter.
Die Sieger mögen schänden nicht die Götter
Der Feinde, denn die Sieger wollen noch
Nach Hause kehren ohne Fluch von Göttern.
Was ich dir sagen konnte, ist gesagt.

CHORFÜHRER
Du sprachst mit Klugheit und Verstand, o Frau.
Da ich die Wahrheit nun vernommen habe,
Will ich den Göttern weihen mein Gebet,
Denn Gnade ward uns unverdienterweise!

(Klytämnestra kehrt mit ihrem Gefolge in den Palast zurück.)

CHOR
Höchster Herrscher, Zeus, o Vater!
Nacht, du Spenderin der Gaben!
Trojas Türme sind gefangen
Von dem Fangnetz, draufgeworfen,
Große Leute, kleine Leute,
Keiner ist entschlüpft der Knechtschaft,
Keiner floh vor dem Verhängnis.
Höchster Hüter du des Gastrechts,
Jovis Xenius, o Vater,
Schauernd ehr ich deine Werke,
Die du ausgeübt an Paris,
Lang gespannt war ja dein Bogen,
Sollte doch der Schuß zu frühe
Schnellen nicht von seiner Sehne,
Schwirrend über tausend Sterne
In des Zieles Scheibe treffend.
Zeus getroffen hat den Sünder,
Der geerntet, was er säte.
Manche sagen: Zu erhaben
Sind die Götter, sich zu rühren,
Wenn ein Mensch auf Erden frevelt.
Nein, so sprechen nicht die Frommen.
Wen die Wut gebläht gewaltig,
Der muß zahlen seine Buße.
Wer die Weisheit hat empfangen,
Der bescheidet seine Wünsche.
Das, was ihm erhält sein Leben,
Und nicht mehr, nur das begehrt er.
Keine Mauer kann dich retten,
Wenn du heilige Altäre
Frevelnd trittst mit deinen Füßen.
Keiner von den großen Göttern
Will Gebete von dem Sünder.
Wehe jenem, der befreundet
Sich mit bösen Übeltätern.
Gottes Rache wird ihn treffen.
So ist Paris es ergangen,
Der ein Gast war des Atriden.
Doch hat er entweiht die Tafel,
Die von Gastlichkeit gedeckt war,
Und er stahl des Wirtes Gattin!
Helena schied von der Heimat
Und sie ließ der Heimat Sparta
Schiffsgewühl und Schild und Speere,
Und als Morgengabe Troja
Brachte sie den Brand von Troja.
Als betreten sie die Wohnung,
Klagten in der Wohnung Geister:
O das Schloß und o der Schloß-Saal
Und des Herren ödes Lager,
O verratner Bund der Ehe,
Männersüchtige Begierde
Einer buhlerischen Dirne! –
Aber überm Meere herrscht noch
Als Phantom die Ungetreue.
Oh die vielgeliebte Schönheit
Einer Frau im Marmorbilde,
Sie verwundet ihren Gatten,
Der in Einsamkeit zurückblieb,
Seine heißen Augen hungern,
Aber fern ist die Geliebte!
Wie ein Traum, wie Luft die Schatten
Drängen mit Magie und Zauber
Sich gewaltig auf dem Manne.
Ach, die seligen Ikonen,
Die man schaut in Morgenträumen,
Sie zerfließen in die Leere.
Auf des Traumes Straßen nimmer
Noch einmal erscheint die Schönheit
Und begleitet ihn beflügelt.
Nicht noch einmal sieht das Antlitz,
Hört der Stimme Hauch der Träumer.
Einer zog aus Griechenlande
In den Krieg, nur Leid zu ernten,
Leid zog ein in alle Häuser,
Jammer, Sorge fraß die Herzen.
Mancher Mensch mit Qual zerwühlte
Sein Gemüt. Und von den Männern
Kehrte nichts heim als die Asche.
Mars zerstört im Krieg die Körper,
In dem Kampf hält er die Waage,
Greift sich aus den Leichenfeuern
Asche, die beschwört viel Tränen.
Nein, er sendet keinen Goldstaub
Den Verbliebnen in der Heimat,
Sondern Urnen voller Asche.
Klagen mischen sich mit Nachruhm:
Tapfer war doch der Erschlagne,
War voll Mut in dem Gefechte,
Ist gefallen für ein Weibchen,
Für das Weibchen eines andern! –
Mancher spricht es in der Stille,
Leise murrend in der Stille.
Unmut nagt an den Atriden.
Andre ruhen vor den Mauern
Drüben in der Erde Trojas,
Feinde in dem Land der Feinde,
Sanken in das Loch des Grabes.
Bitter ist des Volkes Stimme,
Flüche folgen nach dem Sünder.
Nie verlässt mich doch die Sorge,
Daß am Ende mir nicht schaudern
Düstre Stimmen in den Ohren.
Denn vom Weg der schlimmen Mörder
Weichen nie der Götter Augen.
Finstre Furien ziehen schließlich
Den Verfallenen ins Leere.
Keine Rettung wird mehr sehen,
Wer verfallen ist den Furien.
Ruhm liegt mächtig auf der Seele,
Denn vom Himmel schlagen Blitze
In die Gipfel ein der Berge.
Ich erwähl die goldne Mitte:
Möchte nicht auf Thronen sitzen
Und nicht in der Knechtschaft Elend
Such ich selber mir mein Schicksal.

ERSTER GREIS
Feuer gibt die frohe Kunde,
Durch die Stadt die Freudenbotschaft.
Aber ist auch treu die Botschaft
Oder nicht uns nur ein Traumbild?

ZWEITER GREIS
Wer ist denn so blind wie Kinder
Und geschlagen so mit Wahnsinn,
Weil die Flamme aufgelodert,
Sinkt in Bitterkeiten nieder,
Weil die Botschaft war ein Traumbild!

DRITTER GREIS
Auf den Thronen hoher Frauen
Mag sich rasch die Freude rühren
Und sie loben eine Flamme,
Noch bevor es wirklich wurde.

VIERTER GREIS
Gerne wünschen sich die Weiber
Und vertrauen sich dem Zufall
Und so wallen sie sehr eilig
Und so fallen sie auch zeitig.
Ach, was sind die Lobeshymnen,
Die gesungen sind von Weibern!

(Der Chorführer schaut zur Straße, die vom Palast zum Meer führt.)

CHORFÜHRER
Bald wissen wir, ob jener Flamme Zeichen
Die Wahrheit sagte oder wie ein Traum
Am Morgen schwand und uns betrog ihr Schein.
Vom Strande seh ich einen Herold nahen,
Des Friedens Ölzweig kränzend seine Stirn.
Licht wird sein Feuerwort voll Reinheit sein!
Wer andre Wünsche hegt für unsre Stadt
Als Sieg und Frieden in Gerechtigkeit,
Der trage seiner Sünden bösen Fluch!

(Der Herold rennt herbei. Er kniet nieder und küsst die Erde.)

HEROLD
O Heimaterde, mein geliebtes Land!
Im zehnten Jahre endlich fass ich dich!
Zerbrach mir auch so manche schöne Hoffnung,
Du bliebst mir treu, geliebte Heimaterde!
Ich glaubte nicht mehr ans ersehnte Grab
In heimatlicher Erde, wenn ich einmal
Als Geist verlassen darf des Körpers Kerker.
Dich grüß ich, höchster Herr und Vater, Zeus,
Dich, pythischen Apollon, grüß ich, Sohn,
Dein Zorn lag am Skamandros schwer auf uns,
Apollon, sei nun Heiland und Erlöser!
Ich rufe alle Götter an und Hermes,
Den Götterboten, den Patron der Boten!
Und ihr Heroen möget nun empfangen
In lauter Gnade, die das Schwert verschonte!
O meines Königs herrlicher Palast,
Ihr Götterbilder, die ihr schaut gen Osten,
Begrüßt den König, der jetzt wiederkommt!
Grüßt freudig ihn, denn er verdient den Dank,
Hat der Atride doch ein schweres Joch
Gepresst auf Trojas Hals und kehrt zurück
Am Ziel, der Ehre wert von allen Menschen.
Zerschmettert sind jetzt Paris und sein Volk,
Den Fluch der Schuld beschwor er auf sein Haupt,
Verdarb sein Heimatland, sein Vaterhaus,
Die Priamiden büßten Paris’ Schuld.

CHORFÜHRER
Gesandter der Hellenen-Streitmacht, Heil!

HEROLD
Heil ward mir! Gerne sterb ich jetzt, ihr Götter!

CHORFÜHRER
Die Sehnsucht nach der Heimat quälte dich?

HEROLD
Du siehst in meinen Augen Freudentränen.

CHORFÜHRER
Euch plagte dort der Wehmut süße Wollust.

HEROLD
Wie meinst du das? Daß ich es fassen kann.

CHORFÜHRER
Ihr fühltet Sehnsucht, wir auch fühlten Sehnsucht.

HEROLD
Wir sehnten uns und wurden selbst ersehnt?

CHORFÜHRER
Wir haben aus der Seele oft gestöhnt.

HEROLD
Was fiel die schwere Last auf dein Gemüt?

CHORFÜHRER
Ach, laß mich schweigen jetzt von meinen Leiden!

HEROLD
Als unser Herrscher fern war, schwiegest du?
Warum? Aus Furcht vor welchem Menschen schwiegst du?

CHORFÜHRER
Jetzt, Bote, fällt mir auch das Sterben leicht.

HEROLD
Jetzt fällt es leicht uns beiden zu verscheiden,
Doch lehrte uns zuvor die bittre Zeit
Das Glück zu kosten und die grause Qual.
Jedoch, wer lebt und leidet keine Qualen?
Nur Gott allein unfähig ist zu leiden!
Kaum rede ich von all der schweren Mühsal
Und von dem harten Druck des schlechten Wetters
Und von dem harten Lager auf dem Schiff,
Des Tages Stunden sind nicht lang genug,
Um auszuschütten alle meine Klagen.
Noch bittrer war die Unlust dann an Land,
Denn vor den Mauern unsrer Feinde schliefen
Wir in der Nacht, vom Himmel troff der Tau
Und Ungeziefer nistete in uns.
Ob ich auch noch vom Winter sprechen soll?
Soll reden ich vom Frost und von dem Schneesturm?
Soll sagen von des Sommers schwüler Hitze?
Was aber soll ich weiter klagen? Not
Ist nun vergangen und der Toten Seelen
Sind frei von allem Schmerz und allen Qualen!
Was soll ich klagen übers herbe Schicksal,
Ich bin ja dankbar, dass ich leben darf!
Drum sag ich voller Freude meinem Unglück:
Gesegnet sei bei deinem Abschied, Unglück!
Die Griechen haben sich den Sieg errungen
Und alle Beute aus der Stadt der Feinde
Die Griechen weihen jetzt den Heimatgöttern.
Der Feldherr sei gelobt und Gottes Gnade,
Zeus’ Gnade hat ja alles dies vollbracht!

CHORFÜHRER
Ich gebe mich geschlagen durch dein Wort.
Ich bin ein Greis, zu lernen noch bereit.
Zwar Klytämnestra gilt die Freudenbotschaft,
Doch freu ich mich wie meine Königin.

(Klytämnestra tritt aus dem Palast.)

KLYTÄMNESTRA
Ich jauchzte ja schon längst in Freude auf,
Als ich den Boten mit der Flamme sah.
Die Herren Greise haben mich gescholten:
Wie leicht doch Weiberherzen überschwellen!
Ich galt als närrisch ihnen und verrückt,
Jedoch ich ging als Gläubige zum Opfer
Und Mädchenstimmen klangen jubelnd auf
Und Lobgesänge schallten durch die Stadt
Und vor dem Heiligtum der Götter ward
Der süße Weihrauch auf die Glut gelegt.
Ich brauche keinen weiteren Bericht.
Vom König selbst erfahre ich ja alles,
Wenn er nach Hause kehrt. Dann lacht der Tag
Dem Weibe freundlich, wenn ihr Gatte heimkehrt,
Von Gott bewahrt, und sie die Tür ihm öffnet.
Geh, Herold, melde meinem Eheherrn,
Er sei ersehnt und sei schon lang erwartet.
Ich, seines Hauses Dame, blieb ihm treu,
Hab unsern Bund durch keine Schuld verletzt.
Ich kannte keines andern Mannes Lust.
Das Wort ist wahr. Und dieses Eigenlob
Darf eine reine Dame wohl verkünden.

(Klytämnestra kehrt zurück in den Palast.)

CHORFÜHRER
Du hast gewiß das Wort dir eingeprägt,
O Herold, das du sollst dem König sagen.
Doch sag auch mir, was gern ich wissen möchte:
Lebt Menelaos noch, der Fürst von Sparta?
Trat er den Heimweg an und kam zurück?

HEROLD
Ich möcht von süßem Glück nicht gerne lügen.

CHORFÜHRER
Die Wahrheit also kündet nicht von Glück?

HEROLD
Verschwunden aus der Griechenflotte ist
Der Heros Menelaos, das ist wahr.

CHORFÜHRER
Riß ihn ein Sturm hinweg von eurer Flotte?

HEROLD
Dein kurzes Wort umspannt ein langes Leiden.

CHORFÜHRER
Ist er am Leben oder ist er tot?

HEROLD
Das weiß kein Mensch, das weiß allein die Sonne,
Die aufgeht über Guten, über Bösen.

CHORFÜHRER
Berichte mir vom Seesturm und dem Schiffbruch!

HEROLD
Den Glückstag soll kein Unglückswort entweihen,
Der Glanz der Götter duldet keinen Schatten.
Bringt nun ein Bote mit dem Blick der Trauer
Der Stadt verfluchte Nachricht vom Versinken
Der Flotte, fühlen alle Herzen Weh
Und manches Haus, denn viele sind gefallen.
Des Boten Lied, getaucht in bittre Qualen,
Heißt allen dann ein Furiengesang.
Mit Freudenbotschaft Heil euch zu verkünden,
Bin ich gekommen. Fröhlich grüßt die Stadt
Den schönen Augenblick mit Lebenslust.
Wie kann ich Trübsal mischen in ihr Glück?
Die wilde See hat Unheil angerollt,
Der Nordwind blies, es prallte Bord an Bord,
Und triefend klatschte nasser Wasserschwall
Und Schiffe schlugen aneinander, trieben
Ins Dunkel. Als die Sonne morgens aufstieg,
Da lag vor uns das Wasser der Ägäis
Voll Griechenleichen, voll kaputter Schiffe.
Nur uns und unser Schiff gerettet hat
Ein guter Gott. Fortuna war an Bord.
Was nun betrifft die andern Griechen alle,
Nun, hoffen wir, dass sie ein guter Gott gerettet!
Wir hoffen doch, dass König Menelaos
Erscheint in seiner Heimat Sparta wieder.
Es bleibt die Hoffnung, bis er wiederkehrt!
Du hörtest alles, was du hören wolltest.

(Der Herold geht ab.)

CHOR
Wer ersann in tiefer Weisheit
Deinen schicksalsschweren Namen?
Einer von den Unsichtbaren
Formte ihn mit sichern Blicken:
Helena, du schlachtumtobte!
Viele riß sie in die Hölle,
Segler, starke Streiter, Städte,
Weil die ehrenhafte reiche
Seidenpracht ihr nicht genug war,
Weil sie fortgeweht vom Westwind
Ist geflohen auf dem Meere.
Zahllos folgten ihr die Krieger,
Kamen sie zu dem Skamandros.
Sühnende Vergeltung hat nun
Ilion gelegt in Trümmer,
Nämlich Helena, die Schöne,
Hat beleidigt Zeus, den Vater,
Xenius, den Gott des Gastrechts.
Menelaos hat geboten
Paris eine reiche Tafel.
Paris und die lauten Sänger
Sangen laut in schönen Chören,
Als sie heimgeholt die schöne
Helena als Brautgenossin.
Bitter umgelernt hat Priams
Altersgraue Stadt: In Tränen
Ist erstickt das süße Brautlied.
Paris heißt nun Unheilsbuhle,
Allverderber, Tränen-Anfang,
Denn im Sterben ihrer Söhne
Hat die altersgraue Troja
Alle Not und Qual erduldet
Und gebracht den größten Blutzoll.
Also zog ein Mann im Hause
Auf ein kleines Löwenjunges.
Noch hings an der Mutter Zitzen,
War ein Spielgefährte Kindern
Und den Alten eine Wonne,
Und es lag auf manchem Arme
Wie ein wundersüßer Säugling,
Und es leckte an den Händen,
Schaute groß aus Funkelaugen,
Hatte viel im Bauche Hunger.
Größer ward das Löwenjunge,
Zeigte seiner Mutter Erbe,
Lämmer würgend, riß der junge
Löwe sich die kleinen Lämmer,
Blut des Lammes seine Speise.
In dem Hause die Vernichtung
Wütete und Tod und Unglück.
Ach, der Mann war ein Betörter,
Der das Löwenjunge aufzog
Wie ein Kind im eignen Hause!
Auch in Troja eingezogen
War ein Geist wie Meeresstille
Voller Heiterkeit und Lichtglanz,
Ein Juwel von sanftem Scheine,
Augenfreude voller Schmeicheln,
Die beschworen Sehnsuchtsschmerzen
Hat, der Liebe Sehnsuchtsschmerzen!
O die Blume schöner Liebe!
Doch in andres Bild verwandelt,
Schuf sie Trojas bittres Ende.
Ihre Nähe und ihr Umgang,
Ein Verhängnis wars für Troja!
Schien sie Priamus gesendet
Von dem großen Gott des Gastrechts,
Tränen allen zu bescheren
Als die Braut, die heißbegehrte,
Als des Gottes Botin Rache!
Seit den ersten Tagen hört ich
Von des menschlichen Geschlechtes
Glück als einem Lebensbaume,
Immer blühend, nie verwelkend,
Glück auf Glück als Früchte tragend.
Anders hab ich nun gefunden:
Sünden folgen auf die Sünde
Und die gottvergessnen Ahnen
Zeugen gottvergessne Kinder,
Aber frommen Vätern folgen
In der Frömmigkeit die Kinder.
Alles Übermaß des Wahnsinns
Schafft auch irgendwann mit Wollust
Kommenden Geschlechtern Wahnsinn.
Wenn die Stunde kommt der Sünder,
Wacht im Hause auf der Dämon,
Wacht der Dämon schwarzer Habgier,
Wacht die Sünde in den Söhnen,
Die gezeugt in Schuld vom Vater.
Ist die Armut in den Hütten,
Die gerechte Göttin leuchtet
Strahlend in der Armut Hütte.
Aber die gerechte Göttin
Flieht vor dem Palast der Habgier,
Wo das Geld wird angebetet
Und Erfolg mit kaltem Herzen.
Wer sich der gerechten Göttin
Aber kindlich anvertraute,
Diesen führt sie zu dem Heile.

(Agamemnon erscheint auf seinem Wagen. Neben ihm auf dem Wagen die Prophetin Kassandra.)

CHORFÜHRER
O mein König Agamemnon,
Der die Trojaburg bezwungen,
Wie soll ich dich grüßen, König?
Wie soll ich voll Ehrfurcht danken,
Daß ich preise nicht zu strahlend,
Doch auch nicht zu schwach dich rühme?
Menschen wählen oft, was scheinbar,
Wählen nicht das Sein, die Wahrheit.
Seines Nächsten Not beklagt man
Ohne Schmerzen in der Seele.
Mancher scheint sich mitzufreuen,
Birgt den Neid doch kaum im Antlitz.
Wer versteht und kennt die Herde,
Der durchschaut gewiß die Masken.
Freundlich dachten nicht wir deiner,
Als du einst den Krieg befohlen.
Heute aber weiht dem Sieger
Argos das Gefühl der Liebe.
Alles wirst du prüfen, schauen,
Wer dein eigen ist gewesen
Und wer schuldig war im Lande.

AGAMEMNON
Der erste Gruß gebührt den Heimatgöttern,
Da ich der Gnade meine Heimkehr danke.
Die Götter warfen Ilion das Los
Und nur der Rauch zeugt noch, wo Troja stand.
Den Göttern schulden wir den Dank von Herzen,
Da, als wir kämpften um das eine Weib,
Das Holzpferd schließlich uns den Sieg gebracht.
Die Götter grüße ich und sage dir,
Daß selten in des Mannes Brust die Kraft wohnt,
Des Freundes Wohlstand ohne Neid zu sehen.
Ich habe der Gesellschaft Spiegel rein
Zu sehn gelernt, das schattenhafte Bild,
Da Freundschaft scheint nur eine Illusion.
Odysseus einzig ist ein frommer Mann
Und Lebenden und Toten treuer Freund!
Was aber jetzt das Königreich betrifft
Und was den religiösen Kult, bereden
Wir bald in der Versammlung weiser Männer.
Was gut ist, soll in Zukunft auch so bleiben.
Was krank ist, soll der Arzt vom Körper schneiden,
Die Medizin der Krankheit Wurzel heilen.
Ich trete nun in meines Hauses Halle,
Anbetend meinen Gruß den Göttern bringend.

(Klytämnestra tritt aus dem Palast, begleitet von ihren Mägden, die purpurne Teppiche in den Händen halten.)

KLYTÄMNESTRA
Euch Bürgern Argos’ sag ich ohne Scheu,
Wie Liebe bindet mich an meinen Mann.
Ich hab fürwahr gelernt, was Qualen sind,
Und weiß genug von Lebenslast zu sagen,
Die ich’s ertrug, als er vor Troja war.
Als Frau allein im Hause, ohne Mann,
Ist schlimm genug, und immer die Gerüchte,
Er sei gefallen oder sei gestorben.
Da war ich so verzweifelt, dass ich mir
Das Leben nehmen wollte! – Doch ich wurde
Gerettet! – Heute ist der Sohn nicht da,
Orest, er ist bei einem guten Freunde,
Bei Strophius, denn groß war die Gefahr:
Du, Agamemnon, warst vor Ilion
In tödlicher Gefahr und hier bedrohte
Des Pöbels Rebellion das Königreich!
Ja, wenn ein Mensch erst tief im Unglück ist,
Kriegt er von allen Seiten Tritte noch!
Mir sind die Tränen aber nun versiegt,
Ich hab die Tränen alle ausgeweint
Und kann jetzt keine Träne weinen mehr.
Doch wenn ich endlich finde Schlaf, sehr spät,
Dann wecken mich verhasste Fliegen auf.
Ich hab von deinem Tod geträumt, Gemahl!
Jetzt aber grüße ich dich wie den Frühling
Nach einer langen kalten Winternacht,
Grüß dich wie die Oase in der Wüste.
Der Mann, der Troja in den Staub getreten,
Mit seinen Füßen soll er treten nicht
Auf Staub. Ihr Mägde, breitet aus den Teppich
Dem König, der zurückgekommen ist!

(Die Mägde breiten die purpurnen Teppiche aus und machen eine purpurne Bahn zum Palast.)

AGAMEMNON
Der Mägde Aufwand, den erspare mir,
Die Mägde sollen nicht in Demut mich
Verehren, so als wäre ich ein Gott,
Ich bin kein asiatischer Despot,
Der sich als Gott und König feiern lässt.
Als Mensch, als Mensch will ich geachtet sein.
Denn frei zu sein von Stolz und Hochmut und
Der Selbstanbetung, ist das Beste noch,
Und Demut ist den Göttern wohlgefällig.

KLYTÄMNESTRA
Doch widersetze dich nicht meinem Plan!

AGAMEMNON
Den eignen Plan geb ich gewiß nicht auf!

KLYTÄMNESTRA
Bist du aus Menschenfurcht nur so bescheiden?

AGAMEMNON
Ich weiß sehr wohl, warum ich so entschieden.

KLYTÄMNESTRA
So hätte Priamos wohl nicht gehandelt.

AGAMEMNON
Er wär getreten auf den roten Teppich.

KLYTÄMNESTRA
Du achte nicht darauf, was sagt der Pöbel.

AGAMEMNON
Des Volkes Stimme ist die Stimme Gottes.

KLYTÄMNESTRA
Die Armen sind nur neidisch auf den Reichen.

AGAMEMNON
Dir, Weib, dir steht der Zanksucht Zunge nicht!

KLYTÄMNESTRA
Auch stolze Sieger beugen sich vor Frauen!

AGAMEMNON
Du willst in diesem Zungenkriege siegen?

KLYTÄMNESTRA
Ja, gönne mir den Sieg und den Triumph!

AGAMEMNON
So sei es. Mägde, löst mir die Sandalen,
Ich möchte barfuß auf den Teppich treten.
Die guten Götter mögen mir verzeihen!

(Agamemnon zeigt auf Kassandra.)

Die Fremde führe gütig auch ins Haus!
Die Götter schauen voller Gnade an
Den milden Sieger, seine Güte segnend.
Kassandra hier, der Beute edle Perle,
Ward mir vom Heer der Griechen zugesprochen.

(Agamemnon steigt vom Wagen, tritt barfuß auf den roten Teppich.)

Ich beug mich deinem Willen, Klytämnestra,
Und zieh auf Purpur ein in den Palast.

(Agamemnon tritt in den Palast ein.)

KLYTÄMNESTRA
Das Dach, es schützt uns vor der Hundstagshitze.
Du bist zurückgekehrt zum Herd der Heimat
Und deine Heimkehr gleicht dem Sonnenschein
Nach endlos langer kalter Winternacht.
Und deine Heimkehr gleicht der frischen Kühle
Am hohen Mittag in der Sommerhitze.
O Zeus, o Zeus, vollende meinen Plan!
Führ mich zum Ziel, das mir im Sinne liegt!

(Klytämnestra tritt auch in den Palast.)




F r a g m e n t