Von Josef Maria Mayer
DAS MÄDCHEN LIEBE
Als die Sonne mit dem Purpur-Antlitz
Abschied nahm vom tränenreichen Morgen,
Rosenwangig Adonai auf Jagd ging.
Jagd, die liebte er, doch nicht die Liebe.
Aphroditissa liebeskranken Herzens
Warb um ihn, wie Buhlerinnen werben.
Dreimal schöner als ich selber, sprach sie,
Unvergleichlich süßer Blumenkönig,
Freund der Nymphen, schöner als die Männer,
Weiß wie Turteltauben, rot wie Rosen,
Du Geschöpf im Streite mit der Schöpfung,
Untergang des Weltalls wär dein Sterben!
Wunderbarer, nimm mich auf den Rappen,
Stolzes Haupt, und setz mich in den Sattel.
Tu mir den Gefallen, mein Geliebter,
Denn Mysterien will ich verkünden.
Komm zu mir, wo keine Schlangen zischen,
Denn ersticken will ich dich mit Küssen!
Lass doch nie gesättigt sein die Lippen,
Lieber in der Fülle doch verhungern,
Blasse Lippen, rosenrote Lippen,
Einen Kuss wie zehn und zehn wie hundert,
Eine kurze sommerliche Stunde,
Dieser Sport die Zeit vertreibt betörend.
Also saß sie auf des Rappen Rücken,
Dieser Inbegriff der Lebensfülle,
Leidenschaftlich zitternd nach Balsamen,
Ruft sie: O befriedige die Göttin!
Also rasend, gibt ihr Kraft die Wollust,
Also rasend, gibt ihr Kraft die Wollust,
Ihn vom hohen Roß herabzureißen.
In dem einen Arm des Rappen Zügel,
In dem andern Arm den süßen Jüngling,
Er ward rot und schmollte, sie verschmähend,
Hatte keinen Appetit auf Spiele.
Sie war rot und glühend wie die Kohle,
Er ward rot vor Scham, doch kühl vor Keuschheit.
An die Zweige band sie nun die Zügel,
O wie quick ist doch die Liebesgöttin,
So geraten ist das Roß ins Stocken,
Also will sie auch den Reiter fesseln,
Rückwärts schob sie ihn und stieß ihn drängend,
Und regierte ihn in Kraft, doch nicht in Wollust.
Schnell zusammen, eilig lag er unten,
Seitlich lagen sie auf ihren Hüften.
Ohrfeigt sie ihn, runzelt er die Stirne,
Schimpft, doch sie verschließt ihm seine Lippen,
Küssend, lüstern seufzt gebrochner Stimme:
Öffne nie die Lippen, mich zu schmähen!
Öffne nie die Lippen, mich zu schmähen!
Er verschämter Scham brennt, sie in Tränen
Löscht die heiße Röte ihrer Wangen,
Hauchte Seufzer und mit goldner Haarflut
Sie versucht den Tränentau zu trocknen,
Unbescheiden er versucht zu tadeln,
Doch sie mordet ihn mit einem Kusse!
Scharf und schnell wie königliche Adler
Mit dem Schnabel reißen Fleisch von Knochen,
Flügelschlagend, hastig Fleisch verschlingend,
Bis sie satt sind oder Speise mangelt
Küsste sie ihm Stirn und Kinn und Wange,
Endet nur, um wieder zu beginnen.
So bezwungen, aber nicht gehorsam,
Keuchend liegt er, atmend aus dem Munde,
Alles dampfend, er ist ihre Beute,
Feuchtigkeit des Himmels, Hauch der Gnade.
Ihre Wangen Gärten voller Blumen,
Wie geduscht in Tau von Destillationen!
Wie ein Vogel zappelt in dem Neste,
Adonai in ihrem Arm gebettet,
Scham und Ehrfurcht lässt ihn widerstehen,
In dem Zorn der Augen welche Schönheit!
Strömt noch Regen in des Stromes Fülle,
Wird der Strom die Ufer überschwemmen.
Wie sie fleht, dies wunderhübsche Mädchen,
Gießt in seine Ohren Melodieen,
Dennoch ist er mürrisch sich verweigernd.
Zwischen Schamrot und des Zornes Blässe,
Seine Röte liebt sie doch am meisten,
Doch sein Weiß hat eilig sie gebessert.
Nicht wie er kann sie der Liebe wehren
Und mit weißen Händen schwört die Göttin,
Nie von seiner weichen Brust zu weichen,
Bis er Friede schließt mit ihren Tränen,
Von dem Tränenregen naß die Wangen,
Küssend soll er seine Schuld bezahlen.
Adonai erhob das Kinn, das glatte,
Wie ein Schwan taucht auf aus einer Welle.
Wer sah so im Teich die Enten spielen?
Er gab ihr, was sie so sehr ersehnte,
Zahlte Minnesold an ihre Lippen,
Blinzelte und wandte ab die Lippen.
Nie ein Wanderer im Sommer dürstet
So, wie sie nach seinen Liebesdiensten,
Tröstung sucht sie, doch erlangt den Trost nicht,
Badet sie in Strömen auch, doch glüht sie.
Mitleid! weint sie, du mit hartem Herzen,
Küss mich, weigre du mir nicht das Küssen!
Wie ich dich umwerbe, so umwarb ich
Ares einst, den starken Gott des Krieges,
Dessen Nacken nie im Krieg sich beugte,
Der gesiegt hat, wo er irgend auftrat,
Dennoch war mein Sklave er geworden,
Bat um Küsse, die ich dir will geben.
Meinem heiligen Altar die Lanze
Weihte er und die zerbeulte Rüstung,
Nur für mich er lernte Sport und Tanzen,
Spielen mit dem Spielzeug, lächeln, scherzen,
Er verachtete die rote Fahne,
Wählte sich zum Zelt mein Liebeslager.
So hab ich den Kriegsgott überwunden,
Führte ihn in meinen Rosengarten,
Seine Kraft gehorchte meiner Kette,
Er war unterwürfig, ich verschmähend.
Sei nicht stolz und prahle nicht in Hochmut,
Daß du selbst den Kriegsgott übermeisterst!
Küsse meinen Mund mit deinen Lippen,
Nicht so schön sind meine roten Lippen,
Küsse mich so lieblich wie ich küsse,
Warum schaust du nieder? Heb die Stirne!
In dem Apfel meines Auges wohnst du!
So wie Aug in Auge, Mund an Lippe!
So wie Aug in Auge, Mund an Lippe!
Schämst du dich zu küssen? Blinzle wieder,
Wink ich mit den Wimpern, wird der Tag Nacht.
Liebe feiert, wo sind zwei Entzweite.
Hab nicht Angst, zu spielen mit dem Spielzeug.
Die Vergissmeinnicht mit blauen Adern
Wissen nicht, was wir von Herzen wünschen.
Mund, verführerisch mit deinem Frühling,
Unreif du, ich aber will dich schmecken,
Pflück den Tag, laß nicht die Zeit entschlüpfen,
Schönheit darf man nämlich nicht vergeuden.
Pflückt man Blumen nicht in ihrem Frühling,
So verzehren sie sich, rasch verwelkend.
Wär ich abgewiesen, faltig, reunzlig,
Schlecht genährt und krumm gebaut und zänkisch
Und rheumatisch und frigide, kränkelnd,
Schlecht die Augen, unfruchtbar, verfettet,
Ach dann könnte ich dir nichts mehr geben!
Doch mich Makellose nicht verschmähe!
Ist in meiner Stirn nicht Eine Runzel,
Meine Augen strahlend, quick im Blitzen,
Meine Schönheit wie ein neuer Frühling,
Weich und prall mein Fleisch, mein Mark voll Feuer,
Glatt und feucht die Hand fühlt deine Finger,
Schmelzen würde meine Hand in deiner!
Hör mir zu, ich möchte dich verzaubern,
Wie die Fee im grünen Garten wandelt,
Wie die Nymphe mit verwirrter Haarflut
Tanzt am Strand, doch unsichtbar die Fußspur,
Liebe ist ein Geist aus reinem Feuer,
Dieses Feuer will dich inspirieren!
Schau die Gartenbank, auf der ich liege,
Schwache Blumen, starke Bäume um mich,
Turteltauben schweben durch den Himmel
Immer, auch wenn ich nach Sport verlange.
Ist die Liebe denn nicht leicht, mein Knabe?
Warum scheint dir Liebe voller Schwermut?
Ist dein Herz berührt von deinem Antlitz?
Deine Rechte liebend deine Linke?
Ach erbarm dich deiner, Selbstverschmähter,
Raube dich und klage über Diebstahl.
Auch Narziss hat selber sich verlassen,
Starb, im Bach sein Schattenbild zu küssen.
Fackeln leuchten, Diamanten trägt man,
Äpfel speist man, Schönheit soll man nutzen,
Kräuter würzen, Pflanzen uns ernähren,
Alles wächst zu seinem eignen Missbrauch,
Saat von Saaten, Schönheit brütet Schönheit,
Du Gezeugter sollst nun selber zeugen!
Erdensohn, warum sollst du dich nähren,
Wenn du selbst einst Mutter Erde fütterst?
Das ist das Gesetz, das dich verpflichtet:
Nach dem Tode lebe deine Rasse,
Nach dem Tode lebe deine Rasse,
Daß du trotz dem Tod wirst überleben
In dem Ebenbild, das noch lebendig.
Die verschwitzte Göttin, krank vor Liebe,
Denn der Schatten hatte sie verlassen,
Sol, ermüdend in der Mittagshitze,
Sol mit Feueraugen sah die beiden,
Wünschte, Adonai wär bei den Seinen,
Doch er lag an Aphroditissas Seite.
Adonai mit einem Geist der Faulheit,
Schwren, dunklen, abgeneigten Augen,
Brauen finster über schönen Augen,
War wie Nebel, die den Himmel decken,
Schlug die Wangen, schrie: Nichts mehr von Liebe!
Heiß die Sonne brennt, ich muß jetzt weiter.
Ah weh, seufzte Aphroditissa, Jüngling,
Schon so unlieb? Warum willst du fortgehn?
Himmelsatems Seufzer werden kühlen
Diese Sonnenhitze, die herabkommt.
Meine Haare werden dich beschatten,
Tränen werden dir dein Dürsten stillen.
Sonne scheint vom Himmel doch erwärmend,
Ich lieg zwischen Adonai und Sonne,
Sonnenhitze kann mir wenig schaden,
Deine Augen brennen mich wie Feuer.
Wär ich nicht unsterblich, wär ich tot schon
Zwischen diesen beiden Feuersonnen.
Du Verstockter, hart wie Stahl, ein Kiesel,
Wasser höhlt den Stein, doch du bist härter,
Bist du eines Weibes Sohn, so fühllos,
Weißt du nicht, wie Liebesgeiz verletzend,
Wüsste deine Mutter, wie du hart bist,
Wäre sie bei der Geburt gestorben!
Wer bin ich, dass du mich so verachtest?
Wie gefährlich scheint dir meine Kleidung?
Ist dein Mund zu schade für ein Küsschen?
Sprich, mein Schöner, aber schöne Worte
O der schweige. Gib mir nur ein Küsschen,
Einen Kuß, dann geb ich dir zwei Küsse.
Leblos bist du wie ein kalter Marmor,
Schön gemaltes Götzenbild, doch leblos,
Marmorbild, genügend nur dem Auge,
Wie ein Mann, von keinem Weib geboren,
Nein, kein Mensch, obwohl du menschenähnlich,
Küsst ein Mann aus eigener Begier doch!
Ungeduld der Zunge Flehen drosselnd,
Angeschwollne Leidenschaften ruhen,
Rote Wangen, Funkelaugen lodern,
Liebesrichterin, sie kann nicht richten,
Weinend, ob sie gern auch sprechen würde,
Unterbricht sie jetzt ihr wehes Schluchzen.
Sie bewegt ihr Haupt, die Hand ihm tätschelnd,
Starrt ihn an und starrt dann auf den Boden,
Ihre Arme ihn umschlingen fesselnd,
Fesseln will sie ihn mit der Umarmung,
Wenn er ihr dann noch entfliehen möchte,
Faltet sie zusamm die Lilienfinger.
Hätscheln will ich dich, dein Eingeschlossnen
In dem Schrein von Elfenbein, dem weißen,
Denn ich bin der Wald und du der Rehbock,
Weide, wo du willst, im Tal, auf Hügeln,
Trink mit Lippen von den feuchten Hügeln,
Streife nur hinab zur tiefsten Quelle.
Hier in meinen Grenzen herrscht die Freiheit,
Süße Gräser, Ebenen und Auen,
Hügel steigen an und brechen dunkel,
Schutz vor Sturm und Regenstürzen bietend,
Ich der dunkle Wald und du der Rehbock,
Hier bei mir wird dich kein Hund anbellen!
Adonai bei diesen Worten lächelnd
Hatte in den Wangen hübsche Grübchen,
Liebe selber grub sich diese Höhle,
In dem Grab beerdigt dann zu werden,
Ahnt doch Liebe, dort ist gut zu liegen,
Wo die Liebe lebt, kann man nicht sterben!
Diese schönen Höhlen, Zaubergruben,
Öffnen ihren Mund, zu schlucken Charis.
Die Verrückte! Wird sie nun vernünftig?
Nach dem ersten Tod noch einen zweiten?
Arme Königin der Liebe, wehe,
Wangen liebend, die verächtlich lächeln!
Welchen Weg soll sie jetzt geh’n, was sagen?
Alles ist gesagt! Das Leid wird größer!
Zeit vergeht! Ihr Lustobjekt will weiter,
Aus der Arme Fesseln in die Freiheit.
Schade, weint sie. Wohlgefallen – Reue!
Er springt auf und eilt zu seinem Rosse.
KAMASUTRA
1
Unterwiesen werden möge
Deine Dame in den Künsten.
Und wer soll sie unterweisen?
Solche werde ich dir nennen.
Ihrer Amme liebe Tochter,
Die mit ihr erzogen wurde,
Schon vermählt mit einem Gatten,
Soll die Dame unterweisen.
Eine Freundin, welche würdig
Des Vertrauens deiner Dame,
Die auch lebt schon in der Ehe,
Soll die Dame unterweisen.
Einer Tante liebe Tochter,
Ihrer Mutterschwester Tochter,
Gleichen Alters wie die Dame,
Soll die Dame unterweisen.
Eine Dienerin im Alter,
Die geliebt wird von der Dame
Wie die alte Mutterschwester,
Soll die Dame unterweisen.
Eine Jungfrau mit Erfahrung,
Die als Nonne lebt im Kloster
Und vermählt ist Jesus Christus,
Soll die Dame unterweisen.
Und der Dame eigne Schwester,
Welche älter als die Dame,
Der die Dame stets vertraute,
Soll die Dame unterweisen.
2
Welche Künste soll die Dame
Lernen von den Obgenannten?
In dem Devi-Sutra werden
Diese Künste aufgelistet:
Der Gesang von schönen Liedern,
Spiel von edlen Instrumenten,
Alle Art von Tänzen, Bauchtanz,
Malerei mit bunten Farben,
Zeichenschnitzen für den Stirnschmuck,
Zeichen fertigen aus Blumen,
Blumen ordnen, Blumen stecken,
Blumen pflanzen, Blumen pflegen,
Färben ihrer weißen Zähne,
Färben ihrer leichten Kleider,
Färben ihrer langen Haare,
Färben ihrer Perlmuttnägel,
Andre Toilettenkünste,
Fliesen legen auf dem Boden,
Das Beziehen ihres Bettes,
Ihres Kissens, ihres Lakens,
Musizieren mit dem Wasser,
Sprechen von geheimen Formeln,
Der Gebrauch geheimer Formeln,
Flechten langer Rosenkränze,
Das Verfertigen von Kopfschmuck,
Das Bekleiden ihres Körpers
Und das Schmücken ihres Körpers,
Das Verfertigen von Zeichen,
Zubereitung von Parfümen,
Die Verwendung von Parfümen,
Fertigung von manchem Schmuckstück,
Die geheimen Spiegelkünste,
Zubereitung guter Salben,
Die Geschicklichkeit der Hände,
Speisezubereitung, Kochkunst,
Tee herstellen und Getränke,
Nähen mit der spitzen Nadel,
Mit den Fäden Muster bilden,
Leierspielen, Trommelschlagen,
Rätsel lösen, Reime dichten,
Spiel, da einer einen Vers sagt,
Drauf die Dame einen Vers sagt,
Da sich auf den Vers des Dichters
Reimen soll der Vers der Dame,
Rezitieren schwerer Verse,
Redekunst von Zungenbrechern,
Rezitieren weiser Schriften,
Kenntnis von Theaterstücken,
Gute Kenntnis von Romanen,
Kunst, wenn einer einen Vers sagt,
Dann die Strophe zu ergänzen,
Wiegen flechten, Stühle flechten,
Gegenstände zu erstellen,
Schreinerei von schönen Möbeln,
Kenntnisse des Häuserbauens,
Kenntnisse von Edelsteinen,
Auch die Kenntnis von Metallen,
Kunst, den Edelstein zu färben,
Wissen von der Steine Fundort,
Gärtnerei und Blumenliebe,
Hahnenkämpfe anzuleiten,
Widderkämpfe anzuleiten,
Papageien abzurichten,
Papageien sprechen lehren,
Pflege ihrer langen Haare,
Das Frisieren ihrer Haare,
Kenntnisse in der Geheimschrift,
Schreiben in geheimen Schriften,
Sprechen von geheimen Sprachen,
Kenntnisse in fremden Sprachen,
Kenntnisse in Dialekten,
Schönen Blumenschmuck erstellen,
Zukunftszeichen deuten können,
Die Gedächtnisschulung üben,
Guter Vortrag guter Verse,
Das Verstehn geheimer Botschaft,
Etymologie-Beherrschung,
Kenntnisse in Nachschlagwerken,
Kenntnisse von Reim und Versmaß,
Ganz besondre Schauspielkünste,
Das Geschick, das Kleid zu ordnen,
Kenntnis mancher Würfelspiele,
Die Verfertigung von Puppen
Und von Spielzeug für die Kinder,
Ein untadliges Benehmen,
Kunst der Strategie und Taktik,
Gute Pflege ihres Körpers
Und vor allem Gottesweisheit!
NACH DEM KORAN
1
In dem Namen meines Gottes,
Des barmherzigen Erbarmens!
Unvermeidlich der Gerichtstag
Kommen wird zu allen Menschen.
Dann wird keine Menschenseele
Länger leugnen den Gerichtstag.
Gott erniedrigt alle Stolzen,
Gott erhebt die Armen, Kleinen.
Wenn erschüttert wird die Erde
Und zerschmettert werden Berge,
Alles wird zu Staubeswolken,
Wird es geben diese Klassen:
Die Gefährten zu der Rechten
(O glückselig sind die Lämmer),
Die Gefährten zu der Linken
(Ach elendig sind die Böcke)
Und die Heiligen vor allem,
Die da sind vorausgegangen
In dem Guten, in der Liebe,
In dem Glauben, in den Werken,
Gehen auch voran im Himmel,
In dem Paradiese Gottes,
Werden sein dem Herrn die Nächsten,
Leben in dem Garten Eden.
Diese ruhen dann auf Kissen
Unter Gold und Edelsteinen,
Die einander gegenüber
Lehnen sich in weichen Kissen.
Jünglinge und Knaben werden
Unverwelkter Jugendblüte
Ewig jung den Frommen dienen
Mit der Schönheit ihrer Reinheit,
Werden sie umkreisen heiter
Mit den Bechern für die Zecher,
Heilig mit geweihten Kelchen
Und mit Flaschen besten Weines,
Dieser Wein von reinen Knaben
Wird bereiten keinen Kopfschmerz,
Wird berauschen mit der Wahrheit,
Doch nicht die Vernunft verdunkeln.
Und die himmlisch-reinen Knaben
Kommen mit den süßen Früchten
Und die Frommen in dem Himmel
Wählen sich die schönsten Früchte
Und die himmlisch-reinen Knaben
Mit dem Fleische von Geflügel
Kommen, wie die Frommen wünschen,
Mit der leckersten der Speisen.
Und die Frauen – oh die Frauen! –
Mit den großen schönen Augen,
Perlen gleich in ihren Muscheln,
Sie sind Minnelohn den Minnern!
Frauen, welche Weisheit reden
Und kein närrisches Geschwätze,
Frauen in der Tugendreinheit,
Ohne Laster, ohne Sünden,
Diese Frauen rufen: Friede,
Friede sei den Himmelsbürgern!
Die Gefährten zu der Rechten
(O glückselig sind die Lämmer)
Ruhen unter dornenlosen
Lotosblumen, Lotosblüten,
Ruhen unter grünen Büscheln
Himmlischer Bananenbäume.
Ruhen bei den Wasserbächen
Unter Überfluß von Früchten,
Nie zuende gehen die Feigen,
Nicht verboten sind die Feigen!
Wohnen werden sie mit Huris
Hingebettet in die Kissen,
Frauen ganz besondrer Schöpfung,
Nimmer alternd, ewig reizend,
Nie gebärend, nie erschlaffend,
Nie verwelkend ihre Brüste,
Immer eng der Schoß der Frauen,
Nach dem Akt erneut jungfräulich,
Diese machte Gott zu Huris,
Immerwährend sind sie Huris,
Stets intakt das süße Hymen,
Immer eng der Schoß der Frauen,
Dieser Himmelsfrauen Gatten
Sind wie Jünglinge bei Jungfraun,
Siebzehnjährig in dem Himmel,
In der Blüte ihrer Schönheit,
Dieser Himmelsfrauen Gatten
In den Gärten in den Himmeln
Werden allezeit geliebt sein
Mit bedingungsloser Liebe!
2
In dem Namen meines Gottes,
Allbarmherzigkeit-Erbarmen!
Allbarmherzigkeit-Erbarmen
Lehrte mich die Offenbarung.
Gott der Herr erschuf den Menschen,
Lehrte ihn Vernunft und Sprache,
Lehrte ihn die Unterscheidung
Und die Schönheit seines Wortes.
Es bewegen sich die Sonne
Und der Mond nach ihrer Regel,
Welche nach gewissen Regeln
Lenkt die Liebe unsres Gottes.
Auch die Gräser auf der Erde
Und die Bäume Gott verehren
Und der Himmel ist erhoben
Und die Waage steht am Himmel.
Weil die Waage steht am Himmel,
Messt auch ihr mit eurer Waage
Als Gerechte in dem Handel,
Seid gerecht in allen Werken.
Gott hat für die Lebewesen
Mutter Erde zubereitet,
Mutter Erde mit den Äpfeln
Und den hohen Dattelpalmen,
Mit den Samen in den Früchten,
Mit den Körnern in den Ähren,
Mit den Kräutern in den Beeten
Und den Trauben an den Reben.
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Gott der Herr erschuf den Menschen
Aus dem Ton der Mutter Erde.
Gott der Herr erschuf den Menschen
Aus dem Ton der Mutter Erde,
Modellierte wie ein Töpfer
Eine Frau wie eine Vase.
Und den Genius der Frauen
Hauchte Gott aus seinem Feuer
Und die Geister seines Himmels
Schuf als Winde er und Flammen.
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Salzigem und süßem Wasser
Machte Gott der Herr die Betten,
Salzigem und süßem Wasser,
Beide Wasser werden einmal
Sich in Einem Bett vereinen,
So verheißt es Gottes Weisheit.
Aber zwischen beiden Wassern
Jetzt ist eine Scheidemauer,
Daß sich jetzt die beiden Wasser
Nicht vermischen voller Liebe.
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Aus den beiden Wassern stammen
Große Perlen, kleine Perlen.
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Gottes sind des Meeres Schiffe,
Welche hohen Bergen gleichen.
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Eitel ist auf Erden alles,
Nichts als Luftgespinst und Windhauch,
Nur die Herrlichkeit und Ehre
Von dem Angesichte Gottes
Bleibt in alle Ewigkeiten,
Gottes Antlitz höchster Schönheit!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Alle Himmel, alle Erden
Beten täglich zu dem Schöpfer.
Alle sieben Himmel beten,
Mutter Erde ruft zum Schöpfer,
Täglich wirkt die schöpferische
Gottesweisheit in der Schöpfung.
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
O ihr Genien und Menschen,
Rechenschaft verlangt der Richter!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Ihr des Himmels Heeresscharen,
O ihr Menschenkinder alle,
Brecht doch einmal aus den Grenzen,
Die der Schöpfer euch bestimmte,
Himmelsgrenzen, Erdengrenzen,
Möge Gott es euch erlauben!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Feuer wird der Richter schicken,
Seines Strafgerichtes Feuer!
Vor den Feuern des Gerichtes,
Ohne Rauch die Feuerflammen,
Rauch auch ohne Feuerflammen,
Kann sich schützen nicht die Menschheit!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Ja, zerreißen wird der Himmel,
Rot wie eine Scharlachrose,
Und zerschmelzen wird der Himmel,
Wie Balsamen-Salben schmelzen,
Und der Himmel wird zerfallen
Wie zerfällt das braune Leder!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Dann wird Gott der Weltenrichter
Keinen erst befragen müssen.
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Gott erkennt dann alle Frevler
An dem Zeichen auf der Stirne,
Gott wird dann die Frevler packen
An den Haaren ihres Hauptes,
Gott ergreift die Frevler alle
Und reißt ihnen weg die Füße!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Frevler kommen in die Hölle,
In den Feuersee voll Schwefel!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Wer gelebt in Ehrfurcht Gottes,
Der wird kommen in den Garten!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Ausgeschmückt mit Lebensbäumen
Und mit breiten Wipfelkronen!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
In den beiden Himmelsgärten
Plaudernd plätschern reine Quellen!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
In den beiden Himmelsgärten
Reifen Feige und Banane!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Ruhen sollen sie auf Betten,
Auf den Kissen, unter Decken,
Betten, die aus Samt und Seide
Und durchwirkt mit Goldbrokaten!
Und die Feigen aus dem Garten
Haltet ihr mit euren Händen!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
In den beiden Himmelsgärten
Sich befinden schönste Huris!
Schön die Augen dieser Huris,
Keusch gesenkt die langen Wimpern,
Frauen, die kein Mann erkannte,
Die kein Genius erkannte!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Schön sind Paradieses Huris
Wie Rubin und Süßmeerperle!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Soll der Lohn der Liebeswerke
Andres sein als süße Liebe?
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Außer jenen beiden Gärten
Sind da auch noch andre Gärten!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Diese andern Himmelsgärten
Sind beschattet von der Grünkraft!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Quellen sind in jenen Gärten,
Welche unerschöpflich sprudeln!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
In den beiden Himmelsgärten
Sind auch Feigen und Granaten!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
In den beiden Himmelsgärten
Reizend sind die schönsten Frauen!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Groß der Frauen schöne Augen,
Sie erwarten euch im Zelte!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Keusche unberührte Huris,
Nie erkannt von Mann und Engel!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Ihr liegt dort auf grünen Kissen
Und auf Teppichen von Blumen!
Welche von den Gnaden Gottes
Wollen denn die Leugner leugnen?
Ehre sei der Gottheit Allmacht –
Allbarmherzigkeit – Allweisheit!
ADAM MENTULA’S HOCHZEIT
SOPIO
Mein Sohn der Erde, Adam Mentula,
Der Mann berufen ist zu seiner Hochzeit.
Gott schuf den Mann nicht für sich selber nur,
Gott will den Mann der lieben Frau verbinden.
ADAM MENTULA
Da hab ich eine liebe Frau im Geist.
SOPIO
Auf dir ruht ja die Vaterhand des Herrn
Und ruft dich: Sei du Wächter des Gesetzes!
Was wäre ohne Gnade das Gesetz?
Was wäre ohne Gnade das Gesetz?
Was wäre ohne liebes Weib ein Mann?
Ein Mann allein ist nicht das Ebenbild
Des Herrn, denn Gott ist Gottheit in Gemeinschaft.
ADAM MENTULA
Ist Eine Liebe in der Trinität.
SOPIO
So wie der Vatergott vereinigt sich
Mit Mutter Heilig Geist und so erzeugt
Den Gottessohn, so ist auch die Familie.
ADAM MENTULA
Ja, Mutter Heilig Geist, die bläst mich an.
SOPIO
Ja, Mutter Heilig Geist, die hat geblasen
Die Liebe in des ersten Mannes Nase.
ADAM MENTULA
Wenn Mutter Heilig Geist mir nur erscheint
Und gurrend wie die weiße Turteltaube
Sich auf dem besten Weibchen niederlässt!
SOPIO
Als du in deinen Schlaf gesunken bist,
In deine Trance, den Wahnsinn deiner Ohnmacht,
Hat Gott wie ein Chirurgus operiert
Und deine bessre Hälfte dir genommen
Und sie verkörpert als geliebte Frau.
Sie ist des Mannes ganze Innenwelt,
Die intuitive, inspirierte Frau,
Ein Hohlraum zur Empfängnis für den Geist,
Ein Becher für den Geist der Inspiration.
ADAM MENTULA
Da denke ich an meine Eva Cunnus,
Sie ist der Hohlraum, den ich füllen möchte,
Ein Becher, dran ich mich berauschen möchte.
SOPIO
Und liebt sie Jesus und den Rosenkranz
Und will sie keusch sein vor der Ehe auch?
ADAM MENTULA
Sie will schon keusch sein – aber ich will nicht!
***
SOPIO
Ich habe als dein frommer Patenonkel
Dich großgezogen mit der Muttergottes,
Gestillt dich mit der süßen Muttermilch
Der Schwarzen Muttergottes, unsrer Mutter,
Ich habe dir gezeigt das Jesuskind
Und dich geliebt, als wärst du Jesus selber.
Ich hab Sankt Georg dir gemalt vor Augen,
Wie er den alten Drachen überwindet
Und Mann wird und ein starker Ritter Gottes.
Sankt Michael hab ich dir vorgemalt
Und wie er taucht ins Blut die lange Lanze
Und tötete die Schlange mit den Flügeln.
Ich habe Gott den Herrn dir dargestellt,
Der als der Vater mit dem Sohne spielte.
ADAM MENTULA
Ja, du hast Gott den Vater mir gezeigt,
Der mit dem Gottessohne Fußball spielt,
Und Gottes Fußball war der Sonnenball.
SOPIO
Jetzt aber klag ich über deinen Geist,
Weil Jesus du verlassen, und Allah
Und seine Huris in dem Harem-Himmel
Du lieber hast als deinen Gott am Kreuz.
ADAM MENTULA
Der Christen Himmel ist voll Langeweile,
Da sitzen brave Engel auf den Wolken
Und singen zu der Harfe Halleluja.
Doch Mohammed sprach von dem Garten Eden,
Daß nur die Harten kommen in den Garten
Und dass die Harten, die im Garten wohnen,
Dort harte Latten haben immerdar
Und dass die engelgleichen Huris haben
Nach jedem Liebesakt der Marterzeugen
Erneuert enge Schöße wie die Jungfraun!
SOPIO
Ich aber habe Jesus Nazarenus
Vor Augen dir gemalt als Friedensstifter.
ADAM MENTULA
Ach, dieser Pazifist von Nazareth!
Ich liebe mehr den großen Alexander,
Erzogen er von Aristoteles,
Lag immer unter seines Bettes Kissen
Homer mit seinem Heldenkrieg von Troja.
Und Alexander ward in Hindostan
Sogar zum großen Gott Dionysos!
SOPIO
Da stehst du an der Grenze zu dem Wahnsinn,
Wie andre Pseudo-Philosophen auch,
Die nicht den Gott Dionysos vermochten
Zu unterscheiden von dem Christus Jesus!
***
SOPIO
Du sollst die Hochzeit in dem Himmel feiern,
Du sollst die lieben Gäste laden ein.
Die einen aber haben keine Zeit,
Weil sie beschäftigt sind mit Bankgeschäften,
Die andern aber haben keine Zeit,
Weil sie getrieben sind von ihren Lüsten,
Die dritten aber haben keine Zeit,
Weil sie regieren müssen in der Welt.
Da geh du auf die Märkte und die Plätze
Und lade ein die Säufer und die Bettler,
Die Obdachlosen und Behinderten,
Die Kinder, welche keine Mütter haben.
ADAM MENTULA
Ich habe Käse von dem Mutterschaf
Und die Oliven vom Olivenbaum
Und Öl vom Ölbaum und das Brot der Erde
Und den Anisschnaps mit dem Wasser-Eis,
Wer aber will zu meinem Gastmahl kommen?
SOPIO
Die Kinder lade ein, die Nachbarskinder,
In ihnen lebt noch eine reine Seele,
Die Kinder lade ein, die dir gefallen,
Und auch die andern, die dir nicht gefallen.
Die Frauen lade ein, die schönen Frauen,
Die Frauen mit den harten Herzen auch,
Die Frauen, die nur ihren Lüsten leben
Und die verachten ihre Ehemänner.
Die Männer lade ein, die Philosophen,
Die Künstler und die Sänger von der Liebe,
Und findest du auf Erden einen Mönch,
Der noch in Christus ist, so lad ihn ein.
ADAM MENTULA
Ach, all die schönen Frauen dieser Erde
Mit ihren harten Herzen voller Ich-Sucht
Sind mir so lieb nicht wie die geilen Huren,
Die sich in Ganzhingabe selbst verschenken.
SOPIO
Die geilen Huren, die sich selbst verschenken,
Sie kommen eher in das Himmelreich
Als selbstgerechte Priester oder Mönche,
Die heuchlerisch die kleinen Kinder schänden!
ADAM MENTULA
Einladen möcht ich alle kleinen Knaben,
Einladen möcht ich alle jungen Mädchen,
Doch denk ich an die liebe Eva Cunnus,
So weiß ich, dass sie einlädt eitle Weiber,
Die Gott nicht lieben und den Mann nicht achten.
SOPIO
So opfre du die eitlen Weiber auf
Und tu du Eva Cunnus den Gefallen
Und nimm auch an die Eitelkeit der Schwestern
Und bringe alles dar der Liebe Gottes.
***
EVA CUNNUS
Was könnt ihr sagen von den Ehepflichten?
CLAUDIA LAUDICA
Der Mann, das ist der Priester der Familie,
Hauskirche soll ja die Familie sein.
Der Mann soll immer in der Bibel lesen,
Der Mann ist ja der Wächter des Gesetzes.
Doch auch die Frau ist eine Priesterin,
Sie weihe ihren Mann und ihre Kinder
Der Gottesmutter Unbeflecktem Herzen
Und bete mit den Kindern Rosenkranz.
Der Mann muß immer in die Kirche gehen
Und Gott vernehmen in der Liturgie,
Die Frau braucht nicht zu gehen in die Kirche,
Sie ist die Kirche selbst, die Braut des Geistes.
Denn auf dem Manne liegt die Hand des Herrn,
Doch auf der Frau des Heiligen Geistes Hauch.
CLAUDIA CRISTIS
Der Mann sei Haupt und Führer der Familie.
Ganz muß er schon getrennt sein von der Mutter,
Daß er im Weib nicht eine Mutter sucht.
Wenn er gelöst von seiner Mutter, dann
Soll Frau und Kinder er mit starker Hand
Durchs Labyrinth des Erdenlebens führen.
Die Mutter hege und behüte zärtlich
Mit ihrem liebevollen Muttertrieb
Die Kinder, die ihr eng verbunden sind.
Der Vater aber helfe dann den Kindern,
Daß sie sich von der Mutter lösen können.
Denn Kinder brauchen mütterliche Wurzeln
Und Kinder brauchen väterliche Flügel.
Mag Mama nicht die Kinder gehen lassen
Ins Leben wegen ihrem Muttertrieb,
Lässt sie die Kinder in die Freiheit nicht,
So tritt der Vater als der Führer auf,
Der seine Kinder in die Freiheit führt
Und Kindern Kraft zum eignen Leben gibt.
CLAUDIA LAUDICA
Wenn ihr von dem Altar die Ringe nehmt,
Dann nehmt ihr vom Altar zwei Kreuze auch.
Dann halte du das Kreuz in deiner Hand
Und sage dann zu Adam Mentula:
Du, mein Geliebter, du bist jetzt mein Kreuz!
Du, mein Geliebter, du bist jetzt mein Kreuz!
Und Adam Mentula hält in der Hand
Sein Kreuz und sagt zu dir: Du bist mein Kreuz,
Du, Eva Cunnus, bist mein liebes Kreuz!
***
ADAM MENTULA
Ich habe einen Marmorgott gesehen,
In Marmor sah ich Christus an dem Kreuz.
Doch trug der Christus nicht den Lendenschurz,
Vielmehr der Christus hing am Kreuze nackt
Und also hab ich Christi Glied gesehen!
MARKUS COLEUS
Historisch ist es auch wahrscheinlich, dass
Herr Jesus völlig nackt gekreuzigt wurde.
ADAM MENTULA
Im Mittelalter schuf man die Legende,
Daß Jesu Mutter Jesus sah am Kreuz
Nackt hängen, da nahm Unsre Liebe Frau
Den Schleier von dem Haupt und band ihn Jesus
Um seine Lenden, ihm das Glied verhüllend.
Doch eine andere Legende sagt,
Daß Unsre Liebe Frau Maria nicht
Den Schleier selbst um Jesu Blöße legte,
Vielmehr gab Unsre Liebe Frau den Schleier
Der Lieblingin Maria Magdalena.
Maria Magdalena nun, die einst
War eine öffentliche Sünderin,
Sie legte Unsrer Lieben Frauen Schleier
Um Christi Glied und Hoden an dem Kreuz!
MARKUS TESTIS
Leibfeindlichkeit ist Manichäertum.
ADAM MENTULA
Wie Jesus seine Sexualität
Gelebt wohl hat? Er war doch wahrer Mensch!
War Jesus je von einer Frau erregt?
Maria Magdalena war gewiss
Sehr reizend, hatte großen Sex-Appeal!
Was fühlte Jesus wohl in ihrer Nähe?
Nach dem Philippus-Evangelium
War ja Maria Magdalena Jesu
Geliebte Favoritin und er küsste
Sie oft auf ihren scharlachroten Mund
Wie nicht Johanna und Susanna nicht.
MARKUS TESTIS
Es steht im Neuen Testament ja nicht,
Ob Jesus hatte eine Ehefrau.
Gewiss auch Jesus hatte Erektionen,
Er war doch wahrer Mensch und wahrer Mann!
MARKUS COLEUS
In Frankreich auch erzählt man die Legende,
Daß Jesus mit Maria Magdalena
Gezeugt hat einen Sohn, der König ward,
Begründend eine Dynastie in Frankreich.
ADAM MENTULA
O Jesus, Wahrer Mann, o steh uns bei!
***
MATER MERDA
Ich also koche jetzt die Hochzeitssuppe.
Sie sollen essen wie ein Gott in Frankreich!
Nein, lieber nicht wie Gott Amour in Frankreich,
Hier werden keine Muscheln ausgeschlürft
Und Weinbergschnecken werden nicht geschluckt
Und knusprig nicht genascht des Frosches Schenkel!
Bin im Besitz der Weisheit Daniels,
Der an dem Hof der großen Hure Babel
Verweigert hat das Fleisch und auch den Wein
Und wollte Wasser und Gemüse nur!
Bin im Besitz der Weisheit Hildegards,
Die sie verschmähte Aal und Entenbraten
Und warnte vor dem vielen Fleisch und Wein!
Ich bin auch im Besitze der Sophia
Pythagoras’, auch Bohnen gibt es nicht,
Weil in den Bohnen unsre Ahnen leben!
Nein, Buddhas Fastenspeise, die gefällt mir,
Der Vegetarismus Hindostans gefällt mir!
Als noch drawidische Kultur in Indien
Gebetet hat allein zur Großen Mutter
In dem gelobten Land von Milch und Honig,
Da aß man nur Gemüse, Obst, Getreide,
Doch als die blonden Herrenmenschen kamen,
Die Arier, begann man Fleisch zu fressen!
Doch Buddhas Fastenspeise aus dem Osten
Kann man nicht einfach essen in dem Westen,
Wir nähren uns von unsrer eignen Erde.
So also koche ich die Hochzeitssuppe
Allein von heißem Wasser und Gemüse.
Es ist doch allezeit das gleiche: Ich
Steh in der Küche, koche für die Leute,
Ich fluche, weil das Essen nicht gelingt,
Ich rufe Luzifer und Lilith an,
Dann stelle ich das Essen auf den Tisch
Und alle sind begeistert, loben mich
Und sagen, das schmeckt ganz nach Mater Merda!
ALTÄGYPTISCHES LIEBESLIED
Vor sieben Tagen, ach, die Schwester ist entwichen,
Die Krankheit hat sich, ach, in meinen Leib geschlichen,
Mein Körper wurde schwer, war Schmerz in meiner Brust,
Mein Geist im Hirne war sich gar nichts mehr bewusst.
Der Chefarzt kam herein, der weiße Gott auf Erden,
Doch kann ich nicht geheilt von diesem Chefarzt werden.
Es ist das Ritual ja nicht der Ärzte Art,
Nur Weise wissen von der Liebeskrankheit zart.
So will ich sagen, sprach der Chefarzt noch im Schweben,
Ich werde diesen Leib noch einmal neu beleben.
Sein Name tönte leis, sehr vornehm und sehr schön,
Und seine Botinnen, die kommen und die gehn,
Allein der Heiler kann mir nicht das Leben geben.
Die Schwester wird mich doch mit Liebe nicht beleben.
Der Mediziner Rat, ach, kann mich retten nicht,
Es käme all mein Heil nur von der Schwester Licht.
Gesundheit fände ich noch über alles Hoffen,
Wenn meine Schwester käm, die Augensterne offen,
Dann wär ich wieder frisch, dann wär ich wieder jung.
Und wenn sie redete, ich fänd Begeisterung.
Doch bleibe ich allein und sterbe fast vor Klagen,
Verlassen hat sie mich, ah weh, vor sieben Tagen!
NACH PARNY
1
Was also, meine liebe Leliavre,
Ja, weißt du nicht, wie reizend ist die Sünde?
Was denn befürchtest du? Daß nach dem Schlummer
Du im Genuß noch immer schmeckst die Angst?
So sag mir doch, was ist es, was du fürchtest?
Was Amor hinterlässt, wenn er in dir war?
Es ist doch eine kleine Störung nur,
Ach, nichts als nur ein lüsternes Erinnern.
Noch staunt er über seine neue Flamme,
Bedauert sanft und hat nur Einen Wunsch,
Im Rosenkelch zu lesen. O, dein Antlitz
Ergießt schon den brillanten Zauberglanz
Aus deinen mysteriösen Augenblitzen.
Oh wilde Demut und Bescheidenheit!
So folge du der weichen Mattigkeit.
Wer weiß von unserm zauberhaften Frieden?
Wer sieht Vorzeichen schon und das Ergebnis?
Wie deine Brust bereits sich süß bewegt,
Mit wenig Scheu verdrängt den feinsten Stoff!
Dein Laken glättete der Mutter Hand
Diskret, um störend sich nicht einzumischen.
Wie angenehm ist meine Träumerei,
Die mir ersetzt das tiefste Liebesspiel.
Die würzige Gedankenlosigkeit
Verzweifeln lässt, Geliebte, deinen Freier.
In deiner sanften Seele gibt er auf
Das köstliche Gefühl der Melancholie.
Ach, sollen unsre elenden Zensoren
Mir gönnen das abscheuliche Verbrechen!
Es ist allein der Reiz des Jammers doch,
Die Lust, die Gottheit ist und deren Gnade
Die Samen gießt in offner Seele Schoß.
Nein, glaub nicht an die Lügen der Zensoren,
Die eifersüchtige Barbaren sind,
Nur ein Affront, Natur zutiefst verachtend.
Nein, meine Kriminalität, Geliebte,
Ist süß, doch nicht so süß wie deine Lippen!
2
Er, er ist im Büro und ich bei der Charmanten,
Die Amnestie voraus erteilt dem Geistverwandten...
Romantisch ist es hier, ich alter Ziegenbock,
Erfahrung mach ich hier und kriege einen Schock.
Grad denke ich an sie, Geliebte seit Äonen,
Sie aber redet nur von Seinen Attraktionen.
Ich glaube und ich hör und bin in tiefem Rausch
Und den Bewertungen ich der Objekte lausch.
O dieses Haufens Glanz! Ich rauchte meinen Knaster
Und schau mit Augen an die Brust von Alabaster!
Der Busen sich erhob, ich fasste diesen Schatz,
Mein Mund nahm an der Brust und ihrer Spitze Platz.
Ich sah die Kappe auch, so tragen sie die Schwestern,
Die Kappe farbenfroh, so trug sie es ja gestern
Auf ihrem krausen Haar, wie sie die Haare flicht,
Ich rieche wie Parfüm das liebliche Gerücht.
Der tote Wal-Platz hier, wie bin ich in Bedrängnis,
Wie alle Reize, ah, gefangen im Gefängnis!
Ich sah die Schuhe auch voll Reue und voll Buß
Und wie so kalt und blau ihr kleiner nackter Fuß.
Und diesen letzten Stoff, ah weh, der feinsten Seide,
Ach die verbarg mir, ach, die so ersehnte Scheide!
Wie kleben wollte doch mein Mund, der Wollust kennt,
Mit einem Zungenkuss an diesem Element!
O Attraktionen, die in ihren Küssen wohnten,
O Zufluchtsorte, die die schlimmsten Sünder schonten!
Venus Urania gehört das Himmelreich!
Doch diese Welt befleckt mein Auge feucht und weich,
Die Seele zärtlich seufzt. Vorsehung oder Fatum?
Die Luft ist voller Duft, den atmete ihr Atem.
Der Liebe Feuer brennt, Zentrales Feur’ im All!
Geliebte! Weißt du noch, gefallen ist der Wall!
Ich höre den Gesang in dieser schönen Stunde,
Die Wonne schmecke ich erneut mit meinem Munde.
So nutze ich die Zeit, Wunschdenken wird vermehrt
Und sie in ihrem Bild als Venus wird verehrt!
WEIHNACHTSGNADE
Briefe
1
Lieber Johannes!
Aus Schwandorf schreibe ich dir nach Buxtehude mit dem Bedürfnis, dir wie einem gütigen Beichtvater mein Herz auszuschütten. Ich will dir von meinem Schmerz erzählen. Kitty, die Mutter von drei kleinen Kindern, ist todkrank. Ich habe die Kinder mit ihr großgezogen im Glauben und in der Liebe. Besonders der kleine Knabe Gottlieb ist mir ans Herz gewachsen, er sagte als kleines Kindlein immer Mama zu mir. Nun ist der schöne Advent. Ich habe in meiner karmelitischen Eremitenzelle in Tilsit davon geträumt, mit Gottlieb einen heiligen Advent zu feiern. Ich sah doch immer in ihm mein kleines Jesuskind. Ich hatte Kitty eine kleine Krippe mit einem Jesuskindlein und eine anbetende junge schöne Madonna geschenkt. Ich hatte für Gottlieb und seine Brüder Didymus und Michael Musik gekauft mit den schönen kindlichen Weihnachtsliedern. Nun kam ich also in den Rehweg, wo die Mutter mit den Kindern wohnte. Es war da auch noch ihr Lebensgefährte, der antichristliche Satansbraten Herr Uriel. Der bellte mich manchmal an und fletschte die Zähne, aber ich hob den Finger, er zog den Schwanz ein und verzog sich winselnd, wenn ich kam. Dann reinigte ich die Wohnung mit drei Tropfen Weihwasser und weihte die Wohnung dem Unbefleckten Herzen der Gottesmutter. Aber diesen Nikolaustag erwartete mich eine große Enttäuschung. Die Mutter Kitty setzte ihre ganze Hoffnung darauf, dass ich nach ihrem Tode mit der Großmutter Aimée die kleinen beiden Kinder übernehmen würde, und so war Kitty sehr besorgt, mir die Kinder als ausgesprochen liebenswert und wohlerzogen vorzustellen. Aber ich kannte meine Pappenheimer. Ich wusste, dass sie einen guten Charakter hatten und dass sie immer gehorsam waren, wenn sie eine Zeit lang unter meinem Einfluss standen, dass sie aber durch die negative Energie des Herrn Uriel immer wieder zu verwildern drohten. So machten wir also einen Spaziergang durch den Schnee, wir gingen den Rehweg zum Kanal, und ich begann mit Kitty kindliche Weihnachtslieder zu singen. Kitty war atheistisch und kommunistisch erzogen worden, aber tief in ihrem Herzen kannte sie das Paternoster und das Halleluja und das Hosianna und das Avemaria und die Christkindlieder, denn immer wenn Kitty vergaß die Ideologien ihres Gehirns und sie einkehrte in ihr kindliches Herz, dann war sie fromm wie ein kleines Kind vor der Krippe. Sie kannte die Chistkindlieder besser als ich, und wir gingen Hand in Hand den verschneiten Rehweg, den Kinderlein Christkindlieder vorzusingen. Die Knaben aber waren verwildert, sie schlugen und traten sich, sie traten mit Füßen die schwerkranke Mutter, sie rannten davon und sprangen in die Pfützen im Graben und bewarfen sich mit harten Eisschollen. Ich zürnte und griff Gottlieb streng bei der Hand und zog ihn auf den Weg zurück und ermahnte ihn mit einer strengen Ansprache. Da beschimpfte er mich mit abscheulichen Schimpfworten und machte mir deutlich, dass ich keinerlei Autorität für ihn sei, dass weder seine Mutter noch ich als sein Herzensvater irgendeine Autorität für ihn seien und dass er als verwilderter Straßenjunge lieber allein auf der Welt den eignen Irrweg gehen wolle. Ich blieb in der Liebe, denn ich kannte meinen Pappenheimer, ich wusste, er war im Innersten des Herzens gut. Aber Kitty versuchte mir deutlich zu machen, dass die Kinder nicht immer so seien, dass Gottlieb besonders lieb und hilfsbereit sei und ihr in ihrem tödlichen Krebs ein Beistand und ein Trost sei wie ein kleiner Heiliger. Sie brauchte mir das nicht zu sagen, ich wusste das. Aber dennoch war ich entsetzt, wie weit die böse Welt, die im Argen liegt, die unschuldigen Kinderlein verderben kann. Ich fürchtete, dass Gottlieb mir entgleiten könnte. Als wir wieder in dem Bauernhaus am Rehweg waren, zündete ich den Adventskranz an, stellte die Krippe mit dem Jesuskind und die Muttergottes auf und ließ die Weihnachtslieder ertönen. Die Kinder aber hatten nicht das geringste Interesse an der heiligen Weihnacht, am göttlichen Kind und der heiligen Mutter. Sie spielten Krieg und stritten sich in großem inneren Unfrieden und mit brutaler Gewalt. Ich wurde unendlich traurig, denn es war kein heiliger Advent, keine Feier des göttlichen Kindes, Gottlieb hatte sich von mir losgesagt, ich spürte keine kindliche Ehrfurcht, keine kindliche pietätvolle Liebe mehr, wie ich sie sechs Jahre lang so tief erfahren habe. Es war, als hätte er sich gerade an diesem Tag des heiligen Nikolaus gewaltsam von meiner Nabelschnur abgerissen. Traurig fuhr ich mit dem Omnibus nach Haus in meine Karmelzelle von Tilsit. Im Omnibus betete ich den Rosenkranz, ohne Perlenschnur in den Händen, allein das Biblische Mantra mit dem Mund des Herzens innerlich murmelnd. Und so konnte ich auch dieses Kreuz dem Herzen des himmlischen Vaters aufopfern.
Aus Schwandorf schreibe ich dir nach Buxtehude mit dem Bedürfnis, dir wie einem gütigen Beichtvater mein Herz auszuschütten. Ich will dir von meinem Schmerz erzählen. Kitty, die Mutter von drei kleinen Kindern, ist todkrank. Ich habe die Kinder mit ihr großgezogen im Glauben und in der Liebe. Besonders der kleine Knabe Gottlieb ist mir ans Herz gewachsen, er sagte als kleines Kindlein immer Mama zu mir. Nun ist der schöne Advent. Ich habe in meiner karmelitischen Eremitenzelle in Tilsit davon geträumt, mit Gottlieb einen heiligen Advent zu feiern. Ich sah doch immer in ihm mein kleines Jesuskind. Ich hatte Kitty eine kleine Krippe mit einem Jesuskindlein und eine anbetende junge schöne Madonna geschenkt. Ich hatte für Gottlieb und seine Brüder Didymus und Michael Musik gekauft mit den schönen kindlichen Weihnachtsliedern. Nun kam ich also in den Rehweg, wo die Mutter mit den Kindern wohnte. Es war da auch noch ihr Lebensgefährte, der antichristliche Satansbraten Herr Uriel. Der bellte mich manchmal an und fletschte die Zähne, aber ich hob den Finger, er zog den Schwanz ein und verzog sich winselnd, wenn ich kam. Dann reinigte ich die Wohnung mit drei Tropfen Weihwasser und weihte die Wohnung dem Unbefleckten Herzen der Gottesmutter. Aber diesen Nikolaustag erwartete mich eine große Enttäuschung. Die Mutter Kitty setzte ihre ganze Hoffnung darauf, dass ich nach ihrem Tode mit der Großmutter Aimée die kleinen beiden Kinder übernehmen würde, und so war Kitty sehr besorgt, mir die Kinder als ausgesprochen liebenswert und wohlerzogen vorzustellen. Aber ich kannte meine Pappenheimer. Ich wusste, dass sie einen guten Charakter hatten und dass sie immer gehorsam waren, wenn sie eine Zeit lang unter meinem Einfluss standen, dass sie aber durch die negative Energie des Herrn Uriel immer wieder zu verwildern drohten. So machten wir also einen Spaziergang durch den Schnee, wir gingen den Rehweg zum Kanal, und ich begann mit Kitty kindliche Weihnachtslieder zu singen. Kitty war atheistisch und kommunistisch erzogen worden, aber tief in ihrem Herzen kannte sie das Paternoster und das Halleluja und das Hosianna und das Avemaria und die Christkindlieder, denn immer wenn Kitty vergaß die Ideologien ihres Gehirns und sie einkehrte in ihr kindliches Herz, dann war sie fromm wie ein kleines Kind vor der Krippe. Sie kannte die Chistkindlieder besser als ich, und wir gingen Hand in Hand den verschneiten Rehweg, den Kinderlein Christkindlieder vorzusingen. Die Knaben aber waren verwildert, sie schlugen und traten sich, sie traten mit Füßen die schwerkranke Mutter, sie rannten davon und sprangen in die Pfützen im Graben und bewarfen sich mit harten Eisschollen. Ich zürnte und griff Gottlieb streng bei der Hand und zog ihn auf den Weg zurück und ermahnte ihn mit einer strengen Ansprache. Da beschimpfte er mich mit abscheulichen Schimpfworten und machte mir deutlich, dass ich keinerlei Autorität für ihn sei, dass weder seine Mutter noch ich als sein Herzensvater irgendeine Autorität für ihn seien und dass er als verwilderter Straßenjunge lieber allein auf der Welt den eignen Irrweg gehen wolle. Ich blieb in der Liebe, denn ich kannte meinen Pappenheimer, ich wusste, er war im Innersten des Herzens gut. Aber Kitty versuchte mir deutlich zu machen, dass die Kinder nicht immer so seien, dass Gottlieb besonders lieb und hilfsbereit sei und ihr in ihrem tödlichen Krebs ein Beistand und ein Trost sei wie ein kleiner Heiliger. Sie brauchte mir das nicht zu sagen, ich wusste das. Aber dennoch war ich entsetzt, wie weit die böse Welt, die im Argen liegt, die unschuldigen Kinderlein verderben kann. Ich fürchtete, dass Gottlieb mir entgleiten könnte. Als wir wieder in dem Bauernhaus am Rehweg waren, zündete ich den Adventskranz an, stellte die Krippe mit dem Jesuskind und die Muttergottes auf und ließ die Weihnachtslieder ertönen. Die Kinder aber hatten nicht das geringste Interesse an der heiligen Weihnacht, am göttlichen Kind und der heiligen Mutter. Sie spielten Krieg und stritten sich in großem inneren Unfrieden und mit brutaler Gewalt. Ich wurde unendlich traurig, denn es war kein heiliger Advent, keine Feier des göttlichen Kindes, Gottlieb hatte sich von mir losgesagt, ich spürte keine kindliche Ehrfurcht, keine kindliche pietätvolle Liebe mehr, wie ich sie sechs Jahre lang so tief erfahren habe. Es war, als hätte er sich gerade an diesem Tag des heiligen Nikolaus gewaltsam von meiner Nabelschnur abgerissen. Traurig fuhr ich mit dem Omnibus nach Haus in meine Karmelzelle von Tilsit. Im Omnibus betete ich den Rosenkranz, ohne Perlenschnur in den Händen, allein das Biblische Mantra mit dem Mund des Herzens innerlich murmelnd. Und so konnte ich auch dieses Kreuz dem Herzen des himmlischen Vaters aufopfern.
Bitte bete für Gottlieb!
Dein
Dein
Bruder Josef
2
Lieber Johannes!
Gott hat mich getröstet. Es ist ein Schmerz und ein Trost in mir. Du weißt, dass Kittys Busenfreundin Mora die Leidenschaft meines Herzens ist. Die Dame hat beschlossen, gnädig zu sein. Ihr kleiner Sohn Tutmoses ist so überaus vernarrt in mich, ja er vergöttert mich und betet mich an! Wir feiern hier eine schöne Adventszeit. Mora backt ein kleines Hexenhäuschen mit des Teufels Großmutter und den Waisenkindern Hänsel und Gretel, die Kinder backen mit, ich meine Tutmoses und sein großer Bruder Seth. Tutmoses ist aber auch zu vernascht, und die Süßigkeit und der Lebkuchen und der Puderzucker beglücken sein kleines lachendes Herz. Er sagt, wenn ich abends gehe, bevor Moras Lebensgefährte Hanswurst aus seinem Bureau nach Hause kommt: Josef, du sollst noch bleiben! Bitte bring du mich ins Bett! Ach Josef, wenn du jetzt gehst, dann vermiss ich dich jetzt schon! Das tut meinem Herzen gut, mein Bruder, und mein Herz ist immer weich, und wenn kleine Kinder mich bitten, kann ich ihnen fast nichts abschlagen. Also bringe ich oft den kleinen Tutmoses ins Bett. Ich lese ihm dann Kinderbücher vor. Denke dir, ich liege in Moras Bett, ich stecke meine Nase in ihre Bettdecke und schnuppere ihren Geruch. Tutmoses kuschelt sich an mich, und dann bete ich noch mit ihm. Tutmoses, sage ich, was war das Schönste, was du heute erlebt hast? Die Süßigkeiten, die ich genascht hab, und dass du mich ins Bett bringst, sagt er. Dann sage ich und bete: Lieber Gott, ich danke dir für alles Leckere, was du mir heute zu essen gegeben hast, und für alle deine Liebe, die du mir durch liebe Menschen geschenkt hast. Und nun lege ich mich in deine große Vaterhand, die das ganze Weltall in Händen hält, und kuschle mich in deine große Vaterhand und schlafe beruhigt ein. Bitte, lieber Gott, lass mich etwas Schönes träumen und morgen früh fröhlich erwachen. Amen. Und so schmiegt sich Tutmoses an mich und wird still. Sein Körper zuckt schon, ich merke, er stolpert jetzt die Treppe hinunter in die Traumzeit, aber einmal macht er noch die Augen halb auf und flüstert leise: Josef, warum heiratest du nicht? Ich sage: Tutmoses, mein kleiner Engel, ich liebe Maria allein, sie ist so voller Liebe zu mir, ich bin ja mit Maria verheiratet, sie ist die Schönste aller Frauen und schenkt mir soviel Liebe, wie keine andere Frau mir jemals schenken könnte. Und Tutmoses sagt: Bist du glücklich, mit Maria verheiratet zu sein? Ja, sage ich und küsse Tutmoses auf die Wange. Dann schläft er ein. Ich halte sein Händchen und bete im Innern den Rosenkranz, bis ich das gleichmäßige Atmen des Schlafenden höre und leise mich vom Bett erheben kann. Ich trete ins Wohnzimmer, da sitzt Mora, beachtet mich mit keinem Blick. Ich sage Auf Wiedersehen, und fahre mit dem Rad in meine Karmelzelle. Dort ziehe ich den Korken aus der Weinflasche. Ich trinke zur Zeit Cabernet Sauvignon aus Chile. Weißt du, Johannes, es ist doch eine Gnade Gottes, das gerade in dieser Zeit, wo ich das Gefühl hatte, ich habe ein Kind verloren, den Sohn meines Herzens, dass da Gott zu mir sagt durch die Führungen des Schicksals: Die Zärtlichkeit des kleinen Jesuskindes wird immer bei dir bleiben! Ja, da sich Gottlieb von mir losgesagt hat, da hat der liebe Gott mir den kleinen Tutmoses gegeben, denn mein Vaterherz ist so voll, so übervoll mit Mutterliebe, die ich verschenken möchte. Ich brauche aber ein kleines bedürftiges Kind, das diese Liebe empfangen möchte. Ach, dass mich keiner liebt, das ist ja noch zu ertragen, denn Madonna ist doch berauschend lieb zu mir, aber das keiner meine Liebe haben will! Dass mein Herz so voller Liebe ist, anbetender, leidenschaftlicher, fürsorgender, barmherziger Liebe und keiner will meine Liebe! Ich bin wie eine Weinflasche, die sich einschenken möchte in viele, viele Becher, aber ach, die Becher sind nicht durstig, sie wollen keinen Tropfen! Nun aber hat die Vorsehung, diese gütige Gottheit in ihren sieben Schleiern, mir den kleinen Tutmoses gezeigt und gesagt: Schau, hier ist eine kleine Seele, die sehr bedürftig nach Liebe ist und dankbar deine überströmende Zärtlichkeit empfängt und mit seiner Dankbarkeit und seiner Erwiderung deiner Liebe dein Herz trösten will. Schenke und empfange und siehe in diesem Liebesaustausch von Vaterherz und Kindesherz ein Gleichnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, da Gott Vater sich ganz dem Sohn schenkt und der Sohn sich ganz dem Vater zurückschenkt in einer Liebe, die göttlich ist! Lieber Johannes, die Dame Mora ließ sich herab, gnädig zu sein, ja geradezu charmant, wie früher, da saß sie auf ihrem Sessel, ich saß ihr gegenüber auf dem Gästesessel, und der kleine Tutmoses spielte zwischen uns. Da setzte sich Tutmoses auf den Schoß seiner Mutter und kletterte halb auf meinen Schoß herüber und lag dann wie eine Brücke zwischen Mora und mir, die Beine auf dem Schoß der Mutter und den Kopf auf meinem Schoß. Dies ist ein Bild der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, dachte ich, da der Herr Jehova seine Throngenossin liebt, die göttliche Frau Weisheit, und was die beiden göttlichen Personen vereinigt, ist der Eros Gottes, die dritte Person der Gottheit. Ja, der Eros Gottes hörte meine Kontemplation mitten in der Welt. Und Mora begann mit ihrer rechten Hand die Beine des Kindes hinaufzukrabbeln und scherzende Kinderreime zu sagen mit einem lieben Lachen in der Stimme und weiterkrabbelnd kam sie zu dem Haupte des Sohnes, der auf dem Schoße des Vaters lag, und zupfte an seiner Nase auf dem Schoße des Vaters und lachte lustig! So ist doch auch Glück und Lust in dieser Welt, die oft so traurig ist. Ich danke Gott für alle Leiden, ja, aber ich danke Gott auch für alle Lust, denn in einem hat doch Nietzsche recht: Alle Lust will tiefe, tiefe Ewigkeit!
Alles Liebe,
Dein Bruder Josef
3
Lieber Bruder Johannes!
Ich will dir einen Einblick in meine Seele gewähren, der Geist treibt mich. Christus hat mich in die Nacht geführt. Ist im kirchlichen Kalender jetzt zwar die Adventszeit, scheint es mir eine Karwoche in meiner Seele zu sein. Ich gehe durch die Winternacht, und draußen ist es alles kalt und dunkel, aber noch dunkler ist es in meiner Seele. Wirklich, es ist eine Nacht in meiner Seele, und zwar an dem verfinsterten Himmel der Seele scheint kein Stern auf! Aber doch, ich bin undankbar, es gibt ein kleines winziges Lichtlein in meinem Leben! In der absoluten Umnachtung geht mit mir durch diese Nacht das göttliche Jesuskind! Ach, der kleine Gott begegnet mir in der Liebe des kleinen Tutmoses! Ich klammere mich schon fast mit der Verzweiflung eines Ertrinkenden an diesen kleinen Knaben. Er lacht und ist fröhlich, und es gelingt mir, mit ihm fröhlich zu lachen und zu scherzen, aber, o Paradox, in meiner Seele ist eine unerträgliche Traurigkeit! Meine Seele trägt schwarz! Meine Seele, einst eine Fürstin, ist jetzt eine Witwe und klagt: Ihr, die ihr vorübergeht, schaut, ob es einen Schmerz gibt, der meinem gleich ist! Ich suche Trost in der Philosophie, aber meinst du, das mir die scholastische Schöpfungstheologie hilft? Meinst du, dass mir die lutherische Rechtfertigungslehre hilft? Meinst du, das mir der satanische Hochmut Nietzsches hilft? Nein, von der Philosophie hat sich Doktor Edith Stein zur Mystik erhoben, und zwar zur Kreuzesmystik. Das hat noch keiner verstanden von meinen Gesprächspartnern, dem ich erzähle von der Mystik des Mitgekreuzigtwerdens mit Christus. Ich sehe Protestanten, die reden vom Gekreuzigten, der vor zweitausend Jahren gekreuzigt worden ist, damit sie jetzt ein fein lustig Leben haben voller Tanz und Halleluja, und wenn das Kreuz sie dann heimsucht in Gestalt der Ehefrau, der ungetauften Kinder und der Berufsarbeit, dann zürnen sie! Ich sehe Protestanten, die reden immer vom Kreuz, dass Christus durch seinen Tod am Kreuz den Vater und die Menschen miteinander versöhnt hat, indem der Vater der gerechten Zorn auf die Sünde ablud auf den Messias und Erlöser, der anstelle unsrer Sünden den verdienten Tod erlitt, damit wir aus Gnade durch Glauben die Gerechtigkeit Christi anziehen und gerechtfertigt sind durch Glauben an Christus vor Gott dem Vater. Das bekennen die Protestanten, aber ansonsten ist der Glaube ein Überzeugtsein von einem Dogma, aber nicht ein wirkliches Mitleben mit Christus, und sie erlauben Christus nicht, in ihnen wieder zu leben mit seiner Predigttätigkeit und seinem Amt des Heilens, vor allem mit seiner Todesangst und Gottverlassenheit und seiner Niederfahrt in die Hölle. Diese Protestanten stehen vor dem Kreuz und schauen zum Kreuz, aber sie sind nicht willig, sich mit dem Herrn kreuzigen zu lassen. Aber mir hat die allerseligste Jungfrau die Gnade geschenkt, mit Christus gekreuzigt werden zu dürfen! Anders sind nämlich die Gnaden der Madonna, als so mancher laue Katholik meint, nein, Madonna streut nicht süße weiche Rosenblüten einer verkitschen Marienfrömmigkeit auf den Weg, und nicht allezeit lässt sie uns nuckeln an ihren Brüsten. Ihre größeren Gnaden hebt sie denen auf, die sie in ihrem gekreuzigten Sohne liebt! Diesen lädt sie Kreuze auf, so schwer wie die Berge, so tief wie die Meere! Maria hat zu mir gesagt: Die Gnade, auf Erden schon im Fegefeuer gereinigt zu werden, ist eine besondere Gnade, die ich dir erbeten habe! Ach, in diesem Garten Gethsemane bin ich nun, mein Freund Johannes, und muß allein in den Garten, denn alle andern schlafen, und muß allein dort Blutschweiß schwitzen und blutige Tränen weinen und zum Vater schreien: Nimm diesen Kelch der Leiden von mir! Vater, wenn es doch nur möglich wäre, so flehe ich dich an, nimm diesen Kelch, übervoll gefüllt mit Leiden, von mir! Aber dann muß ich mich durchringen wie Dietrich Bonhoeffer vor seinem Gang zur Hinrichtungsstätte: Und reichst du mir den Kelch des Leidens, den bitteren, gefüllt mit Leiden bis an den Rand, so nehme ich ihn dankbar, ohne Zittern, aus deiner guten und geliebten Hand! Nicht aber allein, mein Bruder, die Todesangst erleidet Christus in mir erneut! Nein, ich bin in einen Abgrund der Schmerzen versenkt, dass es der Höllenfahrt Christi gleich kommt! Ich muss scherzen, mein Lieber, denn die Leute dieser Welt fragen oft: Wie geht’s? Soll ich dann sagen: Ach, Christus steigt in mir eben in die Hölle hinab? Wird man mich nicht ins Irrenhaus stecken? Aber so ist es, eben so! Ich weiß aber, wie Goethe sagt, die Niederfahrt in die Hölle verkündet nur die Himmelfahrt!
Ich empfehle mich deiner Fürsprache, Bruder!
Dein Josef
Dein Josef
4
Lieber Johannes!
Ich hatte mir das Weihnachtsfest mit Kitty und ihren Kindern so schön gedacht, und wie anders kam es! Im vorigen Jahr hatte ich mit Mora und Tutmoses ein schönes Weihnachtsfest bei mir gehabt, und kürzlich fragte mich Tutmoses in seiner rührenden Einfalt: Wie heißt noch mal das Spiel, wo man sich verstecken muss, und dann kommt der Gott? Ich sagte: Weihnachten, mein Schatz! Ich hatte für jedes er drei Kinder liebevoll Geschenke ausgesucht, Gottlieb sollte einen Kinderfilm über Jesus bekommen. Für Kitty hatte ich zwei Liebesromane gekauft, die sie mit Heißhunger allezeit verschlang. Jahre lang hatte ich vergeblich versucht, sie für Dostojewski oder Tolstoi zu interessieren. Sie las nichts als triviale Belletristik, diese Massenware, wegen derer man bedauern könnte, dass Gutenberg den Buchdruck erfunden. Nun, es war also der vierte Advent. Kitty rief an und sagte am Telephon, sie werde den großen Michael nicht mitbringen. Das war meine erste Enttäuschung. Wir waren dann um drei Uhr verabredet, ich wartete vor dem Haus, da ich in meinem Haus nicht mehr rauchen wollte, der Kinder wegen. Es war ein so eiskalter Tag, der Frost schnitt mir durch die Knochen. Kitty aber kam eine Stunde zu spät. Während ich draußen im Frost stand, der Schnee mich berieselte und ich rauchte, wurde ich immer unwilliger. Kitty hatte mich kürzlich eingeladen, mit ihr einen Winterurlaub im Harz zu verbringen. Nicht, weil sie mich so liebte, nein, sondern weil sie einen brauchte, der ihr die Kinder abnahm, wenn sie ihr Vergnügen haben wollte. Ich wurde immer unmutiger. Salomo sagt: Unmut wohnt im Busen des Toren. Nun, ich war der Tor, in dessen Busen Unmut wohnte. Ich dachte in meiner übellaunigen Galle: Ja, ja, in den Harz! Da ist doch dein geliebter Herr Uriel geboren! Dahin willst du mich verführen? Und ich soll dir wohl einen Faust dichten? Du willst mich wohl zur Schwarzen Messe und zum Hexensabbath locken? Ich ging in vollem Zorn in meine Wohnung zurück. Da klingelte es an der Tür und Kitty kam mit Gottlieb und Didymus. Didymus rief: Wo sind die Geschenke! Halt, rief ich, mich mühsam beherrschend, so geht das hier nicht! Ich wagte nicht zu sagen: Das Christkind war doch noch gar nicht da. Ich wagte es nicht, im Zorn den Namen des Christkindes auszusprechen. Setzt euch erst einmal, trinkt Kakao, esst Kuchen. Kitty, ich werde nicht mit dir in den Winterurlaub fahren, sagte ich entschieden. Da war nun das Weihnachtsfest geplatzt. Denn wenn die Herrscherin ihren Willen nicht bekam, so wurde sie fuchsteufelswild. Sie war es gewohnt, als Herrscherin zu gebieten, und die Sklaven hatten zu gehorchen. Nun konnte sie aber schlecht schimpfen, denn sie hatte mich ja gebeten, mit ihr in Urlaub zu fahren. Aber die Frau besaß eine andere Waffe als ihre Zunge, nämlich ihre Tränen. Bruder, du bist ein Naturwissenschaftler, weißt du, ob Krokodile falsche Tränen weinen? Kitty also schluchzte und die Tränchen kullerten ihr über ihre Wänglein. Lieber, jetzt muß ich scherzen. Als ich Kitty vor zwanzig Jahren kennen lernte, sie war schön wie eine Aphrodite, da studierte sie russische Literatur. Ihr Professor verlangte eine Hausarbeit, die sie nicht rechtzeitig abliefern konnte, da begann sie vor ihm zu weinen und ihn unter Tränen zu bitten, doch Mitleid mit ihr zu haben. Der Professor sagte nur kaltherzig: Sie sind wohl auch eine von den Frauen, die meinen durch Tränen ihr Ziel zu erreichen? Damals war ich so ritterlich, in eine Literaturvorlesung des Professoren zu gehen und ein Streitgespräch mit ihm vom Zaun zu brechen und ihn vor seinen Studenten lächerlich zu machen, indem ich behauptete, seine These, Puschkin sei von einem romantischen Poeten zu einem realistischen Journalisten geworden, sei blanker Unsinn! Ja, so ritterlich war ich, so schön war Kitty. Aber ich habe noch oftmals später gedacht: Der Professor hatte wohl recht, was Kitty betrifft. Was Puschkin betrifft, bin ich nicht sicher, ob ich Recht hatte oder er. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Kitty weinte also. Dabei beschwerte sie sich, dass ich ihr nicht ins Angesicht schaute und so gar kein Mitleid mit ihr hatte. Ich dachte nur: Ach Jesus, und ich wollte ein friedliches Weihnachtsfest feiern. Nun ist aller Friede dahin. Wie lange muss ich doch unter denen wohnen, die den Frieden hassen? Die Gottlosen haben keinen Frieden, sie sind wie ein aufgewühltes Meer. Wie sollte ich nun sagen: Kinderlein, das liebe Christkind kommt? Freut euch, die selige Weihnacht ist da? Sollte ich jetzt Schuberts Ave Maria ertönen lassen oder Bachs Ich steh an deiner Krippen hier oder Händels Halleluja? Sollte ich nun die Kinder und die Mutter in mein Schlafzimmer schicken, weil das Jesuskind hereinkommen wolle und Geschenke bringen? In diesen Raum voll Streit wollte doch das Jesuskind nicht kommen. Ich verteilte die Geschenke. Die Kinder waren nicht ganz zufrieden mit den Geschenken. Wenn Gottlieb nicht gewesen wäre, der sich auf meinen Schoß setzte und seine Arme um mich schlang! Aber Kitty hatte nun beschlossen, auch den Kindern das Weihnachtsfest zu verderben und so verbot sie den Kindern, von den Süßigkeiten zu naschen, die ich auf den Tisch gestellt hatte, nun mussten die Kinder auch weinen. Ich bat also Kitty, wieder nach Hause zu fahren. Ich wollte noch in die Kirche. Ich wollte mit meinem Rad zur Marienkapelle fahren, aber draußen war es finster, ich hatte kein Licht am Rad, es war ein dichter Schneesturm, die Straßen waren dicht verschneit, ich konnte nicht zum Sakrament der Liebe kommen. Ich klagte Maria mein Leid, dass es dem Teufel gelungen war, das Weihnachtsfest zu zerstören! Ich weihte meine Wohnung, in der der Feind mit den Seelen gespielt hatte sein böses Spiel, erneut dem Unbefleckten Herzen Mariens. Mühsam fand ich meinen Frieden wieder. Das arme Jesuskind! Es wollte doch nur mit den Kinderlein spielen!
Dein armer Bruder Josef.
5
Lieber Johannes!
So hat mich Gott getröstet, dass ich doch noch ein schönes Weihnachtsfest begehen durfte. Ich wollte nun doch nicht, dass Mora und Tutmoses bei mir das Weihnachtsfest begingen, denn es steckte noch der Schreck in mir, und ich fürchtete, dass sich das selbe wiederholen würde. Ich hatte für Mora eine schöne Familienbibel in rotem Samt und ein Buch über den Eros in den Weltreligionen, für Tutmoses hatte ich einen Baukasten, aus dem man einen Helikopter bauen konnte, und für Seth einen Piratenfilm. Selbst Hanswurst bekam eine Flasche chinesisches Bier. Aber die Geschenke waren nicht das Schönste. Das Schönste war die Harmonie, der Friede, die unsre Gemeinsamkeit erfüllte. Die schönen christlichen Lieder, die erklangen, das heilige Glockengeläut, dass die Bescherung einläutete, das schöne Licht der Adventskerzen, die Harmonie unter den Seelen, das traute familiäre Vertrauen unter uns. Mora schenkte mir ein wunderschönes Bild von einem schwesterlichen Schutzengel, der einen kleinen Knaben beschützte, der am Abgrund spielte, und eine Photographie einer Madonnenstatue, die sie im Sommer für mich in Avignon photographiert hatte, eine schöne südfranzösische Madonna von herrlicher Körperlichkeit, in einem aphrodisischen Körper, bekleidet mit wehenden Gewändern, stolz und erhaben, das göttliche Kind, den Amor Gottes, liebevoll auf dem rechten Arme tragend. Ja, das wissen meine Freunde, was mein Herz am meisten erfreut, das ist die Madonna. Hier will ich dir auch danken, lieber Bruder Johannes, für deine orthodoxe Ikone der stillenden Gottesmutter, die du mir zu Weihnachten geschenkt hast. Die Madonna hat so ein feines, sanftes, liebevolles Antlitz, sie schaut so zärtlich, so süß, so liebenswürdig, ihre Augen sind so groß und warm und schauen mit solcher Zärtlichkeit auf den Verehrer! Und wenn sie dann ihr schön leuchtendes rotes Kleid öffnet und die weiße Brust der Madonna zum Vorschein kommt – Ja, selig ist die Brust, die dich gestillt hat, und selig ist der Schoß, der dich getragen hat! Ja, sagt Jesus, selig ist die Brust, die mich gestillt hat, selig ist der Schoß, der mich getragen hat, aber noch seliger ist Maria, weil sie dem Wort Gottes gehorcht und gesagt hat: Mir geschehe nach deinem Wort! Aber nun dürft ihr saugen und trinken an den Brüsten der Jungfrau Jerusalem, nun dürft ihr trinken die süße Milch des Trostes aus dem prallen Reichtum ihrer glänzenden Brüste! Denn ich will euch mit der Jungfrau Jerusalem trösten, ihr sollt auf ihrem Schoße sitzen und in ihren Armen ruhen, denn ich, Jesus, ich tröste euch wie eine Mutter! Wie froh war ich, dass Mora die Madonna geehrt, indem sie dem Verehrer der Madonna die Herzensfreude gemacht, ihm eine südfranzösische Madonna zu photographieren und gleichzeitig Südfrankreich, Avignon, die Provence, die Rhone und ihre Seitenarme, den Troubadourgesang, die Kirche der heiligen Klara, die petrarkistische Kunst der Liebessonette, all das der Madonna zu weihen, die Weinberge, die klaren Flüsse, die Grotte Magdalenien, Honig und Milch, Sesambrot und roten Wein der Sorte Bordeaux! All das weihen wir der Madonna! Wir erklären die Madonna zur Fürstin der Provence! Wie zufrieden Seth und Tutmoses mit dem Baukasten spielten, wie genoss Mora die Mozartpralinen, wie genoss ich den Pflaumenlikör aus der engelförmigen Flasche! Wahrlich, Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden allen Menschen guten Willens, allen Menschen des göttlichen Wohlgefallens! Mein Herz war voller Dankbarkeit und voller zärtlicher Liebe für Mora, die so marianisch liebevoll dieses Weihnachtsfest mit mir zelebrierte. Sie schien mir nicht fern dem Evangelium zu sein, nicht fern dem Reich Gottes. Ich spürte etwas an ihr von der Gnade des Getauftseins. Ich spürte eine Sehnsucht nach Christus, die sie gewissermaßen einreihte in die Gemeinschaft der Anonymen Christen, der Wahrheitssucher, die gewissermaßen, da sie die Wahrheit suchen, ob sie sie auch noch nicht gefunden und ergriffen haben, dennoch schon im Bannkreis der göttlichen Wahrheit stehen.
Also bitte ich dich um dein Gebet, um meinetwillen, lieber Bruder, für Mora, dass sie die göttliche Wahrheit findet, dass sie Christus erkennt und ergreift!
Alles Liebe und noch einmal herzliches Dankeschön für die Brüste Unsrer Lieben Frau!
Josef
Josef
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Lieber Johannes!
Danke für den weißen Wein aus dem Kloster Sankt Hildegard vom Rhein! An dieser Stelle erneuere ich meinen Dank für den koscheren roten Süßwein aus Galiläa, den du mir anlässlich den Tages der heiligen Karina von Ankara geschenkt! Mein anderer evangelischer Genosse schenkte mir zu Weihnachten eine Kiste dunkelroten Bordeaux! Er erzählte mir, dass eine pseudochristliche Sekte aus Nordamerika in Südfrankreich ihr Pseudo-Evangelium verkünden wollte, man dürfe keinen Wein trinken, wenn man ein spirituelles Leben führen wollte. Dieses Evangelium fiel in Südfrankreich auf einen fruchtbaren Boden! Das kannst du mir glauben! Also, mein Jesus, Barmherzigkeit, diese Rauhenächte vom Heiligen Abend zu Epiphania werden Bacchanalien! Aber ich wollte dir von einer mystischen Erfahrung erzählen, die am Heiligen Abend sich ereignet. Ich hatte mich losgesagt von allen gesellschaftlichen Verpflichtungen, um allein zu sein mit der geliebten schwangeren Jungfrau, die in dieser Nacht nun Gott gebären wollte! Ich hatte aus dem Kloster der heiligen Hildegard von Bingen, der teutonischen Prophetin, eine Ikone bekommen, im Mittelalter von einem Mönch gemalt, oder geschrieben, wenn du so willst, nach einer Vision der Seherin Hildegard, die nämlich in einer Vision die Göttliche und Ewige Liebe schaute, wir Lateiner nennen sie Caritas! Deus Caritas est, so schrieb der Papst. Ich aber nenne sie Magna Mater Caritas! Hildegard sah die Magna Mater Caritas Divina in einem langen silberblauen Gewand, etwa wie Meereswellen mit Schaumflocken, sie saß inmitten des Weltrades, inmitten der himmlischen Welt, der kosmischen Welt, der irdischen Welt als Königin, die rechte Hand zum Segen erhoben, in der linken Hand hielt sie das Buch, in dem geschrieben steht das Wort Gottes. Diese Magna Mater Caritas war die Liebe, die die Welt im Innersten zusammenhält. Doktor Faust hat ja Theologie und Philosophie studiert, und ach, ist auch in die Schule der Juristen gegangen, um herauszufinden, was die Welt im Innersten zusammenhält. Er hätte nur die heilige Mutter Kirche fragen müssen, die in ihrem überweisen Glauben die Antwort weiß: Die Liebe hält die Welt im Innersten zusammen, Gott ist die Liebe! Am Abend feierte ich auf geistige Weise die Heilige Messe durch das Medium der Tele-Vision mit. Die Heilige Messe wurde zelebriert in einem Marianischen Wallfahrtsort, geweiht dem Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens. Feierliche Liturgie! Verkündigung des Wortes mit echtem Salzgeschmack! Würdige Anbetung des fleischgewordenen Logos, verborgen in dem eucharistischen Brot und Wein, real präsent! Aber als dann das Gloria gesungen wurde und ich das kleine Jesuskind in seiner Krippe sah, da bereute ich alle meine Sünden mit gottgeschenkter Traurigkeit der Reue zur Buße und Bekehrung! Aber dann sah ich in diesem kleinen göttlichen Kinde die Göttliche und Ewige Liebe zu mir kommen! Es war wie ein Blitz, der in mich einschlug, nein, eher wie ein Feuerpfeil, den der Eros Gottes, der Amor Gottes, welcher Christus ist, in mein Herz geschossen! Es war mir, als ob ich wie Moses auf dem Horeb vor dem brennenden Dornbusch stünde und sähe die Flamme Jahwe’s den Dornbusch entflammen, aber nicht verzehren! Es war mir, als stünde ich vor dem Feuer der Göttlichen und Ewigen Liebe, als schlüge eine lodernde Flamme von diesem Feuer der Göttlichen und Ewigen Liebe in mein Herz in diesem Augenblick, da – ich steh an deiner Krippen hier – ich das göttliche Jesuskind in der Krippe sah! Mein Herz loderte von großer brennender Liebe zu Gott! Aber zugleich mit dieser gewaltigen Gottesliebe empfing ich auch eine gewaltige Menschenliebe zu einer Frau, zu Mora! Ich wunderte mich. Ich erinnerte mich an die Herzverwundung der heiligen Mutter Teresa von Jesus, Teresa von Avila, der Gründerin der Unbeschuhten Karmeliten, die sah einen Seraph, schön wie einen Eros Gottes, mit einem Feuerpfeil ihr Herz durchbohren, sie lag hingegossen in Verzückung, dieses Weib, und dazu ein schlechtes, durchbohrt vom Feuerpfeil des göttlichen Eros! Da war Teresa erfüllt von Liebe zu Gott allein und rief: Gott allein genügt, Basta! Mir aber hatte die Vorsehung eine andere Gabe zugemessen, ich empfing mit einer großen Gottesliebe zugleich eine brennende Frauenliebe! Ich war so verzückt, aber zugleich mit göttlicher und menschlicher Liebe, zugleich mit himmlischer und irdischer Liebe! So feierte ich mit dionysischen Gesängen der Leidenschaft (Come on, Baby, light my fire!) die irdische und menschliche Liebe in berauschter Verzückung, und mit den Gotteshymnen des seraphischen Dichters Klopstock die göttliche und himmlische Liebe! Es brach herein in einen Augenblick der Zeit ein heißer Strahl der Glückseligkeit der Ewigkeit! Solche Gnaden hat die Gottgebärerin zu verteilen denen, die sich wie sie in der Heiligen Nacht von den Menschen Bethlehems zurückziehen in einen kleinen verborgenen Stall, in die leere Grotte der Gottesgeburt im Menschen!
Josef.