Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

ROBIN HOOD UND MAID MARIAN


Ein Pastoral-Drama
Von Josef Maria Mayer


ERSTER AKT


ERSTE SZENE


(Im Walde Sherwood Forest. Robin Hood, Maid Marian, Bruder Tuck und Schäfer und Schäferinnen.)

ROBIN HOOD
Ich lade alle meine Hirten ein
Und mit den Hirten alle Schäferinnen.
Der Frühling kommt, der neue Liebesfrühling!
Mit einem Fest begrüßen wir den Frühling.
O meine allerschönsten Schäferinnen,
So schön wie Nymphen von Arkadien,
Najaden, badend in den klaren Flüssen,
Wie Mutterschafe, tauchend aus der Schwemme,
Ist jede Nymphe wie ein Mutterschaf,
Hat Zwillinge geboren reinster Lämmer.
Ihr wandelt immer über grüne Hügel
Mit euren Widdern, Mutterschafen, Lämmern,
Geht friedevoll spazieren an den Wassern,
Stets tragen eure Lämmer kleine Glöckchen,
So könnt ihr hören, hat sich eins verirrt
Und blökt verzweifelt wo in einem Dornstrauch.
Kommt, ob auch der Tyrann im Lande herrscht
Und Löwenherz am Heiligen Grabe kämpft,
Wir wollen feiern, wollen freudig sein.

(Er wendet sich an seine Herrin, Maid Marian.)

Maid Marian, o vielgeliebte Herrin,
Was brauchen heute wir zu einem Festmahl?
Geh, Jungfrau-Braut, und jage einen Hirsch!
Geh jagen in dem Walde Sherwood Forest,
Ob du den grünen Hügel wiederfindest,
Wo du gesehen hast das junge Reh,
Wo du gehört aus schwarzem Fichtenwalde
Das Röhren eines Hirsches in der Brunft!
O, wenn der Hirsch in seiner Brunftzeit ist,
Dann wage keiner sich in seine Nähe,
Selbst Büffel haben vor dem Hirsch dann Angst,
Ihm pendelt mächtig hin und her das Glied
Und aggressiv ist er vor Manneskraft
Und jeglicher Rival wird aufgespießt.
MAID MARIAN
Einst sah ich einen Hirsch im Fichtenwalde,
In seinem vierzehnendigen Geweih
Sah strahlen ich ein goldnes Kruzifix.
Ja, Robin, ich besorge dir den Hirsch,
Ich jage dir den Hirsch zu einem Festmahl.

(Robin wendet sich an den dicken Bruder Tuck.)

ROBIN HOOD
Mein lieber Bruder Tuck, mein dicker Pfaffe,
Mein heiliger Kaplan und auch mein Mundschenk,
Du dickes Weinfass mit der roten Nase,
Besorge du den Rotwein für das Fest!
BRUDER TUCK
O Engel Frankreichs, Engel, sei uns gnädig!
O Seele Frankreichs, hab mit uns Erbarmen!
Einst Missionare einer Sekte wollten
Im Süden Frankreichs predigen Askese,
Ja, sprachen diese überschlauen Weisen,
Wollt ihr wie Engel schon auf Erden sein,
Enthaltet euch des Weines, lieben Brüder!
Die seligen Franzosen, Katholiken
Von Fleisch und Blut, vertrieben diese Ketzer!
ROBIN HOOD
Was predigst du mir von der Seele Frankreichs?
Ich bat dich nur um guten roten Wein.
BRUDER TUCK
Verliebt bin ich, ach, in den Engel Frankreichs,
Ist Frankreichs Zunge doch der Engel Zunge!
ROBIN HOOD
Mein Engelland wird aber eifersüchtig,
Mein Engelland ist doch das Land der Engel.
BRUDER TUCK
Jeanne d’Arc und Ritter Georg sind sich einig
Und streiten sich im Paradiese nicht.
ROBIN HOOD
Zurück nun zu den ganz profanen Dingen:
Gibt’s guten Rotwein auch auf unserm Fest?
BRUDER TUCK
Den Wein von Chios trank bereits Homer
Und Salomo den Wein vom Libanon,
Hafiz trank seinen Rotwein von Shiraz
Und ich in meiner Jugend den Bordeaux.
Jetzt aber hat ein dicker Klosterbruder
Mich auch auf den Geschmack gebracht, dass ich
Den Rotwein Saint Pétrus genießen kann.
Ansonsten gibt es Chateau-Neuf-du-Pape,
Den tranken Päpste schon in Avignon.
ROBIN HOOD
Ich bin zufrieden, lieber Bruder Tuck.
Das ist das Himmelreich auf Erden schon,
Beim guten Wein zu sprechen mit den Freunden.
BRUDER TUCK
Ja, paradiesisch soll das Küssen sein,
Noch paradiesischer ist mir der Wein!

(Die eingeladenen Gäste erscheinen am Waldrand. Robin Hood geht ihnen entgegen, begrüßt sie herzlich und führt sie in sein Lager.)

ROBIN HOOD
O lieben Brüder, vielgeliebte Schwestern!
In dieser finstern Zeit, da der Tyrann
Den Gnadenstuhl des Königs usurpiert
Und Unterdrückung herrscht im Vaterland
Und Arme klagen über hohe Steuern,
Da wollen wir nicht mutlos werden, Freunde.
EIN HIRTE
O Robin Hood, du Heros, halte durch!
Du darfst nicht mutlos werden, Robin Hood!
Wir sind nur eine kleine Truppe, aber
Sehr viel vermag ein kleines Volk Gerechter!
ROBIN HOOD
Verscheucht die Traurigkeit, die schwarze Schwermut,
Verscheucht die Fledermaus der Melancholie!
Die Sonne gehe auf in euren Herzen
Und singt ein Liebeslied dem Herrn und Hirten.

(Eine Hirtin nimmt die Flöte und bläst die Flöte und ein Hirte singt dazu den Psalm.)

HIRTE
(singt)

Jehowah ist der Gute Hirte,
Er führt mich auf die grüne Au.
Mit frischem Wasser mich bewirte,
Erquicke mich mit Morgentau!

Des Guten Hirten Stab und Stecken
Führt Pfade der Gerechtigkeit,
Die Seele neu mir zu erwecken
Aus finstrer Nacht der Traurigkeit.

Und muß ich durch das Tal der Tränen
Und muß ich durch das Jammertal,
Jehowah hört mein Seufzen, Stöhnen,
Zählt meine Tränen ohne Zahl.

Jehowah füllt mir voll den Becher
Und deckt mit Speise mir den Tisch,
Beim vollen Becher bin ich Zecher,
Die Speise macht mich wieder frisch.

Die süße Güte mich begleitet,
Bei mir ist die Barmherzigkeit,
Bis Gottes Huld mich heimgeleitet
Ins schöne Haus der Ewigkeit!



ZWEITE SZENE


(Die Leute Robin Hoods und die Hirten tummeln sich fröhlich im Wald und im Lager. Aber abseits sitzt traurig der Hirte Amour. Robin Hood bemerkt den Einsamen und gesellt sich zu ihm.)

ROBIN HOOD
Du siehst so traurig aus, mein armer Hirte,
Ich seh es dir doch an, du hast geweint.
Sag, was betrübt dich so, geliebte Seele?
AMOUR
Ach, meine Vielgeliebte ist gestorben,
Carina ist gestorben, meine Liebe!
ROBIN HOOD
Das tut mir leid, Amour, mein lieber Hirte,
Willst du mir von Carina nicht erzählen?
AMOUR
Wie fehlt sie mir! Wie einsam bin ich jetzt!
Jetzt weiß ich erst, wie sehr ich sie geliebt!
Ich hab zwar alles stets für sie getan,
Doch hab ich ihr nicht oft genug gesagt,
Daß ich sie liebe. Ach, jetzt ist sie tot!
ROBIN HOOD
Gewiss doch ihre Seele schwebt um dich.
AMOUR
Ich fühl auch immer, dass ein Engel ist
In meiner Nähe, eine Engelin
Von zärtlichsanfter Art und liebem Wesen
Und immer sag ich meinem Engel: Engel,
Ich liebe dich! Ach, tröste meine Seele!
ROBIN HOOD
Willst du dir eine neue Freundin suchen?
AMOUR
Nie wieder wird es solch ein Wesen geben,
Denn einzigartig war die Vielgeliebte.
Gott selber könnte nicht noch einmal schaffen
Ein solches liebes Mädchen, schön und treu.
ROBIN HOOD
Wie war Carina denn? Erzähl mir, Lieber!
AMOUR
Ach, schön war sie wie eine Schönheitsgöttin,
Wie eine Venus aus dem dritten Himmel,
Und treu war sie wie Gottes Bundestreue,
Und menschenliebend war sie wie der Geist
Der Weisheit, der doch alle Menschen liebt.
Sie liebte die Natur und alle Liebe,
Sie liebte die Familie, alle Kinder,
Ihr war das Leben heilig, alles Leben,
Sie spielte schön die Zymbeln, tanzte schön,
Die Flöte blies sie gut und küsste süß,
War eine große Küsserin vor Gott!

(Bruder Tuck tritt hinzu.)

BRUDER TUCK
Wo alle Christen also fröhlich sind,
Was schaut denn ihr so unerlöst die Welt an?
ROBIN HOOD
Amour ist traurig, lieber Bruder Tuck.
BRUDER TUCK
Todsünde ist die Melancholie und Schwermut.
ROBIN HOOD
Ach Bruder Tuck, Amour ist voller Trauer,
Carina, seine Liebe, ist gestorben.
BRUDER TUCK
Amour, glaubst du an die Unsterblichkeit?
AMOUR
Ich glaube an die Ewigkeit des Lebens.
BRUDER TUCK
So tröste dich mit dem Gedanken, dass
Carina jetzt im Himmel lebt bei Gott.
So bete du für ihre Seele täglich
Und sie wird dir zu deinem Engel werden.
AMOUR
So ist es sicher, lieber Bruder Tuck,
Doch ich muß immer weinen, immer weinen,
Nicht will sich meine Seele trösten lassen.
ROBIN HOOD
Nun, Bruder Tuck, wenn das Gebet nicht hilft,
Was rät der selige Kaplan alsdann?
BRUDER TUCK
Der Weise spricht, genauer, seine Mutter
Belehrt den Sohn: Ein König soll nicht trinken,
Nicht trinken Wein und Bier und scharfen Schnaps
Und seine Kraft auch nicht den Weibern geben,
Jedoch der Elende und Jammervolle
Soll trinken gelbes Bier und roten Wein
Und wenn das Bier und wenn der Wein nicht hilft,
Dann scharfen Pflaumenschnaps und Feigenschnaps!
AMOUR
Solch einen breiten Becher gibt es nicht,
Um meinen Tränenstrom hineinzugießen.
ROBIN HOOD
Amour, nur hänge dich nicht selber auf!
Der Frühling kommt doch bald, sei voller Hoffnung,
Im Frühling lacht auch dir das Leben wieder!
BRUDER TUCK
Ja, die Druiden prophezeien alle,
Ein neuer Menschheitsfrühling wird beginnen
Und Liebesfeuer gießt sich auf die Erde!
AMOUR
Was soll mir alle Lust des Lenzes denn,
Wenn mir Carinas Busen nicht mehr hüpft?

(Amour erhebt sich und geht von Robin Hood und Bruder Tuck fort und sucht eine einsame Stelle unter einem Kastanienbaum. Er umarmt die Kastanie und weint. Nach einer Weile des Weinens spricht er leise.)

Du Elfe, die in der Kastanie wohnt,
Du Elfe, höre meine Arme Seele!
Ach Elfe, Elfe, jeder will mich trösten,
Ein jeder Mann mit seiner Menschenweisheit
Vernünftig sucht zu trösten meine Seele,
Doch will die Seele sich nicht trösten lassen.
Ja, den Verstand erreichen ihre Reden,
Dem Herzen aber scheinen sie ein Hohn.
Die starken Männer, denen nicht geraubt
Der Tod ihr Liebstes, sie verstehn mich nicht.
Ach Elfe, Robin Hood hat immer noch
Maid Marian als Hilfe an der Seite
Und Bruder Tuck ist ja vermählt mit Gott
Und trinkt die Liebe Gottes in dem Wein.
Ich nur allein, ich bin so elend ganz,
Ein Waisenkind im ganzen Universum!
Schon fällt unheimlich mich der Wahnsinn an
Und näher als den Männern dieser Welt
Fühl ich dem Mond mich und den Feen und Elfen.
Soll alle Welt am Tage fröhlich sein,
Ich will zur Nacht alleine einsam weinen.
Ja, Elfe, keine Frau wird mich verstehen,
Doch du bist keine Frau von dieser Welt,
Ein unsichtbares Wesen du aus Geist,
Ganz reine Seele, nichts als nur Gefühl,
Empfindsam, zärtlich, mütterlich voll Mitleid.
Dir nur vertrau ich meinen Kummer an,
Dir nur gesteh ich: Ich will traurig sein,
Denn in den Trauertränen meines Kummers
Erscheint im Angedenken meiner Liebe
Carina wieder mir vorm Herzensauge.
Nur, dass ich diesen Kummer tragen kann
Und nicht zerbreche am Gewicht des Jammers
Und mir nicht schließlich selbst das Leben nehme!
Bei Gloriana, Königin der Feen,
O Elfe, bitt ich dich, sei du mein Trost,
Die du in der Kastanie wohnst, o Elfe,
Sei du die Trösterin des Desolaten!


DRITTE SZENE


(Maid Marian kommt von der Jagd, zwölf Jäger um sie, die einen erlegten Hirsch bringen. Robin begrüßt seine Herrin.)

ROBIN HOOD
Maid Marian, da bist du endlich wieder!
MAID MARIAN
Ja, komm nur zu mir, du mein Vielgeliebter!
ROBIN HOOD
Wie schön du bist in deinem weißen Kleid,
Das von dem Scheitel zu den Füßen fällt!
Allmächtige Prinzessin meiner Seele!
Mich fragte einst ein weiser alter Mann,
Ob du die göttliche Diana seist?
MAID MARIAN
Diana! Kennst du von der Jungfraungöttin
Den Mythos auch des elenden Aktäon?
ROBIN HOOD
Aktäon ging im Frühling in den Wald
Und wandelte bei Eichen und Kastanien
Und kam zu einem still verschwiegnen Waldbad
Und sah die göttliche Diana dort
Im Bade nackt, verschleiert kaum vom Nebel
Des Morgens, badend ihren nackten Leib.
Da sah die göttliche Diana ihn
Und gleich verhexte sie in einen Hirsch
Den selig-elenden Aktäon, der
Die Göttin nackt gesehen in dem Bade
Und floh als Hirsch nun durch den grünen Wald.
Die göttliche Diana aber hetzte
Die Hündin der Diana hinterher.
Die Hündin Luna jagte hinterher
Und riß den Hirsch in Stücke und zerfleischte
Aktäon, der die Göttin nackt gesehen.
MAID MARIAN
Ich komme eben von der Hirschjagd auch,
Doch habe ich gejagt den echten Hirsch,
Nicht einen Mann mit eines Hirsches Maske.
ROBIN HOOD
Es gibt doch eine alte Melodie,
Die wird genannt: Die Melodie vom Hirsch,
Vom Hirsch, der ward im Morgenrot gejagt.
MAID MARIAN
Nein, Robin, so heißt nicht die Melodie,
Es heißt die Melodie: Die Melodie
Von einer Hirschkuh, die im Morgenrot
Gejagt ward von den Jägern und den Hunden.
ROBIN HOOD
Ja, Gottes Weisheit ist wohl eine Hirschkuh,
Die noch am Abend meines Lebens wird
Erquickend wie die Jugendliebe sein.

(Maid Marian und Robin Hood treten beiseite. Die zwölf Jäger tragen den Hirsch in die Küche.)

MAID MARIAN
Mein Schatz, ich bin geboren für die Liebe!
ROBIN HOOD
Maid Marian, wenn ich bei Bruder Tuck
Gebeichtet hab und Absolution empfangen,
Dann muß ich immer auch vor dir noch beichten,
Und wenn du lächelst über meine Sünden,
Dann scheint es erst mir, dass der Herr mich segnet.
MAID MARIAN
Was musstest du denn wieder beichten, Liebster?
ROBIN HOOD
Ich musste beichten meinem Gott und Herrn,
Daß oft ich in der Finsternis des Spleen
Nicht mehr zu Jesus Christus beten kann,
Daß ich dann bet zu dir, Maid Marian!
MAID MARIAN
Und wenn du betest zu Maid Marian,
Hat dir Maid Marian auch schon geholfen?
ROBIN HOOD
Der Bruder Tuck hat einmal mir geraten,
Zu reden auch recht oft mit meiner Seele
Und meiner eignen Seele zuzureden:
Was bist du denn so traurig, meine Seele?
Hab nur Geduld, Gott wird dir schon noch helfen!
MAID MARIAN
Nach Winterfrost kommt Frühlingssonnenschein.
ROBIN HOOD
Da wollte ich mit meiner Seele reden,
Da sprach ich doch nur mit Maid Marian,
Maid Marian, so nannt ich meine Seele.
MAID MARIAN
O treuer Freund, ich sage allen Leuten,
Wie gut du zu mir bist, wie klug du bist,
Daß du mein Retter warst in jeder Not,
Die ganze Welt weiß schon von unsrer Freundschaft,
Und wenn wir nicht mehr auf der Erde sind,
Dann wird man singen erst von Robin Hood,
Dein Name, Guter, wird nicht untergehen.
ROBIN HOOD
Und wenn man auch dereinst in Engelland
Von Robin Hood noch wird Balladen singen,
Dann wird mit Robin Hood gefeiert werden
Maid Marian, dein Name ist unsterblich.
MAID MARIAN
Unsterblich lebt mein Name fort durch dich!
Oh, das ist eine ganz besondre Liebe!
ROBIN HOOD
Und in dem Apfelgarten Avalon
Sind wir in Ewigkeit vereint, Geliebte!

(Die zwölf Jäger kommen wieder und gesellen sich zu Robin Hood und Maid Marian.)

EIN JÄGER
Der Hirsch ist abgeliefert in der Küche.
ROBIN HOOD
Erzählt mir von der Jagd, ihr meine Jäger,
Maid Marian, wie war sie auf der Jagd?
DER JÄGER
Maid Marian, wie ritt sie auf dem Roß!
Mir war, ich schaute eine Göttin jagen!
Mit ihren Schenkeln lenkte sie das Roß,
Das kräftig sie mit ihren Schenkeln peitschte!
MAID MARIAN
Ich werde niemals eine Stute peitschen!
JÄGER
Verzeih den Ausdruck, meine hohe Herrin!
Ich meine nur, Maid Marian geritten
Ist wie ein Dichter auf dem Flügelpferd,
Wie der Prophet ritt in den Garten Eden!
Es war, als hielte sie in ihrer Rechten
Die Fackel Amors, um die ganze Welt
In Feuersbrünsten zu verbrennen! Und
An ihrer Lende in der Scheide steckte
Das scharfe Schwert mit seiner scharfen Schneide!
Die Brüste aber quollen aus dem Kleid!
MAID MARIAN
Die Brüste quollen! Jäger, wie du redest!
JÄGER
So hetzte sie den armen Hirsch zu Tode!
MAID MARIAN
Nein, Robin Hood, das war ganz anders. Also,
Ich schlich mich leise einsam durch den Wald
Und kam auf eine leere Hügellichtung
Und sah auf dieser Hügellichtung weiden
Ein junges Reh, so schlank, so braun das Fell!
Doch an dem Rande dieser Hügellichtung
Sah ich den Hirsch mit mächtigem Geweih,
Ihm zwischen seinen Beinen baumelte
Das Hirschglied in potenter Manneskraft
So hin und her in wilden Zuckungen!
Da legte ich den Pfeil auf meinen Bogen
Und spannte meines Bogens Sehne straff
Und schoß den Pfeil direkt ins Herz dem Hirsch!
ROBIN HOOD
Ob du die göttliche Diana bist,
Maid Marian, die Göttin-Jägerin
Diana bist und ich dein Hirsch Aktäon?
MAID MARIAN
Mein Freund, ich bin doch nur ein scheues Reh,
Ich bin doch eine sanfte milde Hirschkuh.
Schau, meine Brüste hopsen wie Gazellen,
Die Augen schaun wie Antilopenaugen.
ROBIN HOOD
Gazellenzwillingskitze deine Brüste!


VIERTE SZENE


(Madel, eine Hexe von vierzig Jahren, mit langen feuerroten Locken, sehr schlank, kommt in Robin Hoods Lager.)

MADEL
Ich traf im Walde einen deiner Jäger,
Er lud mich ein zu dieser Festlichkeit.
ROBIN HOOD
Du bist die Hexe doch vom Pappelhage?
Du wohnst doch bei den großen Hünensteinen?
MADEL
Ja, was ihr Christen eine Hexe nennt!
Doch Hexe kommt von Hag und das heißt Garten,
Maria wohnt doch auch im Rosenhage,
Denn Hag, das heißt Gehege, heißt behaglich,
Behagliches Gehege ist mein Hag,
Ja, Hag, das kommt vom Worte Hagios,
Und Hagios, das ist die Heiligkeit.
Denn Heiligkeit heißt abgesondert sein
Von dieser Erdenwelt, um ganz allein
Vertraut mit seiner Gottheit nur zu leben.
ROBIN HOOD
Wer ist denn deine Gottheit? Doch nicht Christus!
Du glaubst doch an die alte Heidengöttin!
MADEL
Der Weiße Christus eurer Missionare
Hat uns beschert die Kirchenhierarchie
Und heiße Scheiterhaufen für die Hexen!
Doch unsre Göttin der Dreifaltigkeit
Ist rein wie eine junge Mädchengöttin,
Ist liebevoll wie eine Liebesgöttin,
Ist weise wie die greise Schicksalsgöttin.
Ich bin die Priesterin der Großen Göttin.
ROBIN HOOD
Ihr feiert doch in der Walpurgisnacht
Den Hexensabbath und die Schwarze Messe,
In der ihr euch vermählt dem Ziegenbock!
MADEL
Ja, Heil dir, Bock, der du geschlachtet bist!
ROBIN HOOD
Wer ist denn euer Bräutigam, der Bock?
MADEL
Der Bock und Bräutigam der Hexenkirche,
Das ist der alte Gott, der Sohn der Göttin,
Der von Gott-Vater und dem Sohne Jesus
Vertrieben ward, nun im Verborgnen lebt,
Gott Luzifer, und ich bin seine Braut!

(Robin Hood schlägt das Zeichen des Kreuzes über sich. Madel schüttelt ihre langen feuerroten Locken und beginnt sich wie im Tanze zu bewegen.)

ROBIN HOOD
Das schmerzt mich zwar, dass du den Gottessohn
Und einzigen Erlöser Jesus Christus
Nicht liebst, doch Jesus Christus liebt auch dich!
MADEL
Auch ich bin dir ja feindlich nicht gesonnen.
ROBIN HOOD
So bist auch du zu meinem Fest geladen.
Kannst du auch irgendetwas Gutes tun?
MADEL
Ich könnte in der Küche Gutes tun.
Ich kenne mich ja aus mit grünen Kräutern,
Geheimen Wirkungen von grünen Pflanzen,
Heilkräuter aus der Göttin Apotheke
Sind mir vertraut, und nicht allein die Stoffe,
Wie heilsam auch die Düfte schon der Stoffe,
Die Kraft der Edelsteine kenn ich auch,
Wie Amethyst befreit dich von der Trunksucht,
Ich weiß auch, was gesunde Speise ist,
Gemüse kann ich schälen, Suppe kochen,
Ich kenn die Kraft der Erbsen und Karotten,
Nur Bohnen wollen lieber wir nicht essen.
ROBIN HOOD
Warum denn keine Bohnen, schöne Madel?
MADEL
Wir Hexen essen keine Bohnen,
Weil Ahnen in den Bohnen wohnen.
ROBIN HOOD
O Madel, du bist ja auch Dichterin!
MADEL
Die Große Göttin Brigid ist die Muse,
Die Muse mit dem großen Hexenkessel,
Der inspiriert die heidnischen Poeten,
Die eingeweiht in das Mysterium
Des Alphabets der Bäume unsrer Göttin.
ROBIN HOOD
Die Göttin Brigid? Das verwechselst du!
Sankt Birgit ist doch keine Heidengöttin!
MADEL
Sankt Birgit, hör uns flehn, du Makellose,
Sankt Birgit, hör uns flehn, du Liebevolle,
Sankt Birgit, hör uns flehn, du Ewige Weisheit!
ROBIN HOOD
Geh, Madel, du bist närrisch, schönes Weib,
Geh in die Küche, mach was Leckeres!

(Die schöne Hexe Madel geht nun allein in Richtung Küche und redet dabei mit sich selber.)

MADEL
Ja, kochen werd ich einen leckern Tee,
O Göttin! Schon in den Mysterien
Des heiligen Dionysos berauschten
Sich die Bacchantinnen und kauten Efeu.
Ich hörte von den Skythen auch im Osten,
Wenn sie von ihren schwarzen Stuten steigen
Und in die Zelte schlüpfen, dampft es dort
Vom Rauch des Haschisch aus den Meerschaumpfeifen.
In China rauchen sie das Opium
Und fliehen so in absolute Leere.
Auch in Atlantis, jener großen Insel
Im fernen Westen, essen Eingeborne
Nach Weisung ihrer heiligen Schamanen
Die Pilze, die der Sinne Tore öffnen
Und laden Seelen zum Spaziergang ein
Im Ewigen Jagdgrund mit den toten Ahnen.
O Göttin, jedem Volk die eigne Droge!
Denn die Gesundheitsregel uns empfiehlt,
Zu nehmen von dem heimatlichen Boden.
Stechapfeltee will ich den Leuten kochen,
Und wenn sie trinken den Stechapfeltee,
Er schmeckt ein wenig säuerlich im Mund,
Dann kommen schönste Halluzinationen
Wie im verrückten Zustand der Psychose
Und Unruh überfällt die Leute, Unruh,
Und reden wollen sie dann, immer reden,
Vielleicht befällt sie auch die Paranoia!
Es kann auch sein, dass sie ersticken, ja,
Stechapfeltee kann tödlich sein! O Göttin!
Tollkirsche will ich auch darunter mischen,
Da überfällt die Leute Wahn und Tobsucht.
Doch eins erstaunt mich, große Muttergöttin,
Ich kenne eine Hexe, die schön sang
Von der dreifaltigen Mariengöttin,
Die einmal trank Tollkirschentee und starb
Und ihre Seele schwebte in das Jenseits
Und in dem Jenseits sah sie Jesus Christus
Und Jesus Christus weckte auf die Hexe
Von ihrem Tod und gab ihr neues Leben
Und schickte sie zurück zur schwarzen Erde
Und diese wilde Sängerin und Hexe
Tatsächlich ist geworden eine Christin
Und singt jetzt immer: Ave gratia plena!


FÜNFTE SZENE


(Maid Marian mit einigen Schäferinnen. Robin Hood und Bruder Tuck stehen etwas abseits und beobachten die Frauen.)

MAID MARIAN
Ihr Schäferinnen, meine lieben Schwestern,
Ich habe einen Hirsch erlegt, ich sag euch,
Das ist ein Hirsch, ein echter wahrer Hirsch!
SCHÄFERINNEN
Ja, dürfen wir den auch einmal betrachten?
MAID MARIAN
Jetzt ist der Hirsch zu sehen in der Küche,
Noch ist er ganz, das Exemplar ist prächtig,
Bald schon wird er zerteilt, zerschnitten sein,
Dann werde ich die Einzelteile alle
Auf unserm Lagerfeuer in der Pfanne
Schon knusprig braten. Lecker ist sein Fleisch.
SCHÄFERINNEN
Hirschbraten, das ist eine Köstlichkeit,
Es schmeckt sehr gut dazu der Rotkohl, Blaukraut,
Wenn Lorbeerblätter runden alles ab.
MAID MARIAN
Ja, und dazu die braune Festtagssauce,
Nachtschattenknollen gibt es auch dazu.
SCHÄFERINNEN
Der Gute gibt sein eignes Leben hin,
Daß wir sein Fleisch als Speise zu uns nehmen.
MAID MARIAN
Ich kann es nicht vergessen, wie ich ihn
Gesehn in seiner Brunftzeit in dem Walde,
Wie da sein Hirschglied voller Manneskraft
In Zuckungen gebaumelt hin und her!
SCHÄFERINNEN
Und seine Hirschkuhherde? Ach die Armen,
Was tun sie ohne ihren Gatten jetzt?
War ein Rivale da, ein andrer Hirsch?
MAID MARIAN
Ich habe keinen da gesehen, kein
Rivale traute sich in seine Nähe,
Da die Potenz in seinem Hirschglied zuckte,
So heiß erregt war er, so aggressiv,
Er hätte jeden anderen Rivalen
Um seine Hirschkuhherde umgebracht!
SCHÄFERINNEN
Ach, wenn doch unsre Männer auch so wären!
Sie aber lassen immer die Rivalen
In unsre Nähe, dass sie Süßholz raspeln,
Das ist doch unsern Männern ganz egal.
MAID MARIAN
Kommt, Schäferinnen, mit mir in die Küche,
Noch einmal staunen meinen Hirsch wir an!

(Maid Marian und die Schäferinnen verschwinden in der Küche. Es ist eine bedrückende Stille auf der Szene. Die Stille wird nur kurz unterbrochen von einem kurzen Wechselgespräch zwischen Robin Hood und Bruder Tuck.)

ROBIN HOOD
Ich bin so müde, lieber Bruder Tuck,
Ob sich das mit dem Frühling geben wird?
BRUDER TUCK
Den Seinen gibt Jehowah guten Schlaf!

(Es ist wieder eine bedrückende Stille auf der Szene. Schließlich erscheint Maid Marian wieder, aber sie scheint ganz verändert, ihr Charakter hat ihre Süßigkeit verloren.)

MAID MARIAN
Nein, dieser schöne Hirsch, der starke Hirsch,
Ist nichts für Robin Hood und seine Männer.
Soll Robin Hood doch weiter Hühner braten,
Die er sich stiehlt von manchem Bauernhof,
Doch solch ein Hirsch ist nur für Edelmänner!
ROBIN HOOD
Maid Marian, was bist du jetzt so anders?
MAID MARIAN
Es geht jetzt nicht um dich! Ich habe andres
Zu tun! Geschäftigkeit in dieser Welt
Ist dir wohl unbekannt? Ich hab zu tun!
BRUDER TUCK
Was willst du machen mit dem guten Fleisch?
MAID MARIAN
Fleisch wollt ihr essen, immer nichts als Fleisch!
Denkt ihr nicht an die armen kranken Leute?
Sankt Birgit, bitte du für alle Armen,
Sankt Birgit, bitte du für alle Kranken,
Die Hunger haben nach Gerechtigkeit
Und Rache, die soll sättigen die Rache!
BRUDER TUCK
Fast hört sich dein Gebet zwar christlich an,
Maid Marian, du bist Getaufte doch,
Doch dein Gebet, in Wahrheit ist es heidnisch.
MAID MARIAN
Ja, was ihr Kirchenleute christlich nennt!
Ihr predigt allezeit vom keuschen Fisch
Und fresst gebratnes Fleisch im Übermaß!
ROBIN HOOD
Ja, soll ich denn den leckern Hirsch nicht essen?
Wer soll an meiner statt den Hirsch denn essen?
MAID MARIAN
Ich schick den Hirsch zur schönen lieben Madel,
Der Zauberin vom Pappelhage, die
Wohnt bei den Hünensteinen in der Grotte.
ROBIN HOOD
Maid Marian, ich kenne dich nicht wieder!
So herzlos bist du plötzlich gegen mich!

(Die Jäger erscheinen mit dem Hirsch. Die Schäfer und Schäferinnen treten hinzu.)

MAID MARIAN
Ihr Jäger, bringt den Hirsch zur schönen Madel!
ROBIN HOOD
Maid Marian, das ist doch unser Hirsch!
MAID MARIAN
Was unser? Was meinst du mit unser denn?
Du willst wohl alle Menschen glauben machen,
Wir beide sei’n ein reines Liebespaar
Und unsre Liebe heilig und platonisch?
ROBIN HOOD
Ich liebe dich noch nachts in jedem Traum.
MAID MARIAN
Wir sind nicht Braut und Bräutigam vor Gott!
ROBIN HOOD
Wie, glaubst du nicht mehr an die Seelenhochzeit,
Die geistige Vereinigung von uns?
MAID MARIAN
(schweigt und pflückt die ersten Narzissen.)
ROBIN HOOD
Du schweigst? Doch was du denkst, das kann ich hören!
MAID MARIAN
Gedanken also willst du lesen können?
Was denk ich eben jetzt, Gedankenleser?
ROBIN HOOD
Du denkst: Ich lieb dich nicht, ich lieb dich nicht!
MAID MARIAN
Die Christen sollen doch die Menschen lieben,
Ganz unpersönlich alle Menschen lieben.
ROBIN HOOD
Nur mich nur liebst du nicht, Maid Marian!
MAID MARIAN
Ich lieb dich nicht, ich lieb dich nicht, und du
Bist auch kein schöner Mann in meinen Augen.
SCHÄFERIN
So harten Herzens, Herrin? Warum das?
So kennen wir dich nicht, du schöne Dame,
Sonst voller Güte gegen alle Menschen.
MAID MARIAN
Dich lieb ich nicht, dich lieb ich nicht! Ich liebe
Die Menschheit unpersönlich, doch nicht dich!

(Maid Marian verschwindet im Wald.)

ROBIN HOOD
Gott der Allmächtige bricht mir das Herz!



ZWEITER AKT


ERSTE SZENE


(Die Hexe Madel und ihre dreizehnjährige Tochter Sweety, welche auch lange feuerrote Locken hat und sehr reizend ausschaut.)

MADEL
Ach Sweety, ja, du bist ein wahres Sweet-piece!
SWEETY
Als du noch sechzehn Jahre zähltest, Mama,
Hast du bestimmt verrückt gemacht die Männer.
MADEL
Ach, Männer, Männer! Was denn taugen Männer!
SWEETY
Ich will auch keinen Mann, will keine Hochzeit.
MADEL
Wenn dich ein Mann zur Ehegattin nimmt,
Dann starrt er abends nur in den Kamin,
Weiß weiter keine Worte mehr zu wechseln.
SWEETY
Mir wachsen meine Brüste schon, o Mama!
MADEL
Als ich dich neulich in der Wanne sah,
Da dachte ich: Das Mädchen hat ja Brüste!
SWEETY
Ach, wenn man doch nur Kinder haben könnte
Und keinen Mann als Gatten dafür bräuchte!
MADEL
Maid Marian und Robin Hood sind auch
Verwirrt, und Unglück waltet über beiden.
SWEETY
Erzähl mir alles, liebe Mutter Madel!
MADEL
Ich hab durch Zauberkunst und Hexerei
Maid Marians Gestaltung angenommen
Und aus dem Munde seiner Heiligen
Verflucht den Liebenden mit Flüchen lieblos!
SWEETY
Was schwärmt auch Robin Hood nur immer für
Maid Marian, die Rose unter Dornen!
Soll er doch einmal merken, dass die Rose
Auch Dornen hat, die spitz verletzend stechen!
MADEL
Er dachte sonst, sie wär sein Adlerweibchen,
Daß kaum vom Himmelreich zur Erde komme,
Die Erde kaum berührt mit ihren Flügeln
Und schon zurückkehrt in das Himmelreich.
Maid Marian! Erfahren hat er heute
Durch meine magische Verzauberung
Und schwarze Hexerei, dass sie sein Stachel
Im Fleische ist, sein Skorpionenstachel!
SWEETY
Ich auch wollt einen Stachel in das Fleisch!
MADEL
Ja, ja, der Stachel in dem Fleische macht
Dich selig wie die Seligen im Himmel.
SWEETY
Wie ist die Liebe zwischen Mann und Frau?
MADEL
Ach Sweety, dreizehn Jahre bist du jetzt
Und deine Brüste fangen an zu blühen,
Wenn du erst sechzehn Jahre zählst, mein Mädchen,
Wird sich der erste Mann in dich vergucken.
Ja, prahle nur mit deinen straffen Brüsten!
Schlag du aus deinem Kapital Profit!
Wenn du dann vierundzwanzig Jahre bist,
Dann wollen Männer deinen Leib genießen,
Bist ihnen dann ein Paradies der Wollust!
Verhülle wenig deinen schönen Leib
Und lass die Männer oftmals Blicke werfen
Auf deine schönen Brüste, kaum verhüllt,
Anbeten werden sie dich dann als Göttin!
Drei Jahre später ist es dann vorbei,
Erwarte keine Liebe mehr von Männern.
SWEETY
Erzähl von Robin Hood doch weiter und
Maid Marian und ihrem Liebeszank.
MADEL
Der arme Robin Hood! Er weiß ja gar nicht,
Wie ihm geschieht, was ihm geschehen ist.
Doch solch ein Zank von seiner Vielgeliebten!
Was für Gefühle der romantischen
Verliebtheit und der Minneschwärmerei
Je sollen dieses Paar erneut versöhnen?
SWEETY
Ist er nicht einer denn von jenen Männern,
Die man so recht zutiefst verachten muß,
Damit sie dir als Göttin huldigen?
MADEL
Ja, schlag nur immer auf die Kerle ein,
Sie lecken dir in ihrer Hundedemut
Die Füße, wenn du jung und reizend bist!
Wenn du jedoch als Weib ein Dämon bist
Und nicht erotisch mehr des Körpers Liebreiz,
Dann wird man nennen dich verfluchte Hexe,
Hypnotiseurin finsterster Magie
Und abergläubisches Gespiel des Teufels!
SWEETY
Ja, soll ich wie Marias Demut sein?
Ich will mich lieber paaren mit dem Teufel
Und dann als Nachtgespenst im Traum erscheinen,
Um Männern ihren Samen auszusaugen!
MADEL
Das kann doch Robin Hood ihr nicht verzeihen,
Daß sie die ganze Menschheit auf der Erde
In göttlicher Agape liebt, allein
Den Einzigen, der sie verblutend liebt,
Daß sie den Liebenden verschmäht, verachtet!
SWEETY
Er sollte einmal meine Brüste sehen!
MADEL
Maid Marian hat nun ein schlimmes Schicksal,
Ihr Schicksal hat sie angefüllt mit Unglück.
SWEETY
Maid Marian ist eine fromme Christin
Und sagt, sie leb in Gottes Gegenwart,
Wie kann sie denn da sagen, dass sie leide?
MADEL
Des Christentums perverser Glaube ist
Der Glaube an das Kreuz. So schreien sie:
Oh laß mich mit dir sterben an dem Kreuz!
Begierig wie ein Mann nach seiner Liebsten
Sind sie, für ihren Herrn und Gott zu sterben!
Am liebsten wollen sie noch heute sterben,
Am liebsten heute sterben, aber nicht
Den friedevollen Strohtod in dem Bett,
Nein, martern soll man sie und sie ermorden!
Doch wenn sie heute noch nicht sterben dürfen
Im blutigen Martyrium für Christus,
Dann wollen leben sie und das heißt leiden,
Ein dauerndes Martyrium des Herzens
Soll dann ihr Leben sein und tausend Tode
Begehren sie, bis sie dann endlich sterben!
Ja, einer dieser ganz perversen Christen
Einst betete zu seinem Weißen Christus:
Herr, allzu leicht wärs doch, für dich zu sterben
Und dann im Paradies glückselig sein!
Die Engel sind glückselig zwar im Himmel,
Doch voller Neid beneiden uns die Engel,
Weil wir auf Erden sind und leiden können!
Herr, weil ich dich so maßlos liebe, will ich
Auf Erden lebend tausend Tode sterben,
Um Arme Seelen aus dem Fegefeuer
Gekreuzigt zu erlösen und zu retten
Und arme Sünderinnen zu bekehren!
SWEETY
Wie paradox ist dieses Christentum!
Man nennt es eine Freudenbotschaft, aber
Sie reden immer nur von Kreuz und Leiden!
MADEL
Dagegen unsre Liebesgöttin ist
Fürwahr die Seligspenderin der Wonnen
Und Freuden und der köstlichsten Genüsse!
SWEETY
Ich bin gemacht aus Liebe, bin gemacht,
Um schön zu lieben mit dem schönen Leib,
Wenn Christen nach dem Tode erst gelangen
Ins Paradies, ich will auf Erden schon
Im Paradiese leben, lustvoll lieben!
MADEL
Der Gott der Christen ist ein Gott des Kreuzes,
Der Heiden Liebesgöttin ist die Lust!


ZWEITE SZENE


(Die Hexe Madel, ihre junge Tochter Sweety und Madels achtzehnjähriger Sohn Daddy, ein schmutziger Schweinehirte, stehen unter einem breiten Kastanienbaum, in dem oben eine Baumhütte ist, darin ist Carina eingesperrt.)

SWEETY
Carina sitzt ja oben in dem Baum!
MADEL
Ich hab sie eingeschlossen, sie gebannt
In meines bösen Willens Zauberkreis!
SWEETY
Oh, dieses kurze rote Kleid, das will ich!
Carina, her mit deinem roten Kleid!
MADEL
Du süße Sweety, dreizehn Jahre jung,
So lege ab den langen schwarzen Mantel,
Nun ziehe aus das lange schwarze Beinkleid,
Nun ziehe aus das blaue Oberhemd,
Nun stehst du da in deinem Unterhemdchen,
Dem seidenweißen feinen Unterhemdchen,
Dem seidenweißen feinen Unterhöschen,
Die weißen Brüste quellen aus dem Hemdchen,
Wie weiß und straff sind deine Oberschenkel,
So sollte dich ein Dichter sehen und
Besingen dich als junge Göttin Venus!
SWEETY
Nun, Mama, gib Carina den Befehl,
Das rote Kleid zu mir herabzuwerfen!
MADEL
Carina, deinen göttlichen Astralleib
Und Ätherkörper mit dem sechsten Sinn
Kannst du den Männern ruhig nackend zeigen!
Behalte deinen Büstenhalter an,
Den schwarzen von der feinsten Seidenspitze,
Behalte auch dein Unterhöschen an,
Das schwarze von der feinsten Seidenspitze!
SWEETY
Schau, Madel, steht mir dieses rote Kleid?
MADEL
Ja, nackt die Schultern und die Arme nackt,
Der Rock reicht eben auf die Oberschenkel,
Das Dekolleté ist tief geschnitten, so
Die Minner können sehen deine Brüste,
Du bist die Priesterin der Göttin Venus!
SWEETY
So will ich zu dem Fest von Robin Hood,
Wenn mich die jungen Hirten sehen werden,
Vergessen sie sogleich die schwarzen Zicken!
MADEL
Mein liebes Söhnchen Daddy, Schweinehirte,
Wie findest du die nackende Carina?
DADDY
Ich bin ja nur ein armer Schweinehirte
Und wälze täglich mich in Schlamm und Dreck
Und fresse mit den Schweinen Schweinefutter
Und wenn’s mich juckt, reib ich mich an der Eiche.
MADEL
Sag doch der Nymphe, dass du sie begehrst!
DADDY
O Nymphe, mein totales Sex-Idol,
Ich bin ganz rasend vor Begier nach dir!
Wenn ich dich sehe, deine nackten Reize,
Der Wahnsinn bringt mich ganz um den Verstand!
Erotisch bist du, voller Sex-Appeal,
Ja, deine Aura ist aus heißem Eros!
Ganz sicher bist du eine Geisterfüchsin,
Die magisch nur vom Mannessamen lebt!
Ganz sicher bist du eine Lamia,
Erotisches Reptil der geilen Unzucht!
Ich träume jede Nacht von deinem Leib
Und auch am Tage träume ich von dir,
Wie wir es treiben auf dem grünen Rasen,
Von oben und von unten, wie ich will,
Mit obern Lippen und mit untern Lippen,
Stets bist du willig, wildes Weib der Wollust!
Jetzt aber will ich dich in Wirklichkeit!
Ich seh es dir doch an, du geile Hure,
Du wartest auf die Vergewaltigung!
Du provozierst mich, böse Feuerschlange,
Bis ich dich mit Gewalt genommen habe!
Du willst die Vergewaltigung? Nun gut,
Ich tu es dir zu Liebe mit Gewalt,
Ich reiße dich entzwei, du Heißgeliebte,
Ich liebe dich zu Tode, wenn du willst,
Wenn dich das geil macht, würg ich dich am Hals,
Das macht dich geil, ich würge immer länger,
Und wenn ich dich erwürgt beim Liebesakt,
Beschneide ich die Lippen deiner Scham
Und trage sie als heilige Reliquie
Mit deinem roten Blut durch Engelland!
SWEETY
Ach, solche Leidenschaft, mein großer Bruder,
Ich wollt mich liebte auch so sehr ein Mann,
Daß er bereit wär, mich dafür zu töten!
Ja, wenn ich eines Tages sterben muß,
So soll ein Mannsbild mich zu Tode lieben!
MADEL
Mein Sohn, mein lieber Schweinehirte Daddy,
Ich gebe dir als Mutter einen Rat:
Lass niemals dich von einer Frau beherrschen,
Behalte immer deinen freien Willen.
Wenn eine Frau dich erst gefesselt hat
Mit ihrer langen Schlangenlocken Fesseln
Und mit den schwarzen Netzen ihrer Strümpfe,
Dann macht sie dich zu ihrem letzten Sklaven!
Missbrauchen wird sie dich als Arbeitssklaven,
Dann wird sie sagen: Schneide dir den Bart
Und schneide dir die lange Mähne kurz
Und trage bitte keine Augengläser
Und zieh die Kleider an, die ich dir gebe,
Dann wird sie sagen: Friß nicht so viel Fleisch,
Iß fortan nichts als Körner und Gemüse,
Auch höre auf, den Schachtelhalm zu rauchen,
Der Rauch ist gar nicht gut für kleine Kinder,
Dann bitte trink auch keinen Rotwein mehr,
Denn Rotwein ist nicht gut für die Gesundheit.
Und wenn du alles das gehorsam tust,
Dann sagt sie: Träume du nicht mehr von mir
Und rühre mich auch körperlich nicht an,
Ich bin nicht körperlich nur unberührbar,
Auch in der Phantasie berühr mich nicht,
Denn dein Orgasmus in der Phantasie
Befleckt die Unbeflecktheit meiner Seele,
Ich spüre das aus weiter Ferne schon,
Wenn du mich liebst mit geiler Affenliebe,
Das gleiche ich der Vergewaltigung
Des mystischen Astralleibs meiner Seele.
Mein Sohn, wenn dich das Weib so weit gebracht,
Dann nimm ein Schwert und stech dich selber tot!
Willst du jedoch nicht sterben durch dich selber,
Dann saufe dich am gleichen Abend voll
Und dann besorg es deinem frechen Luder,
Sie soll doch merken, wo der Hammer hängt!
DADDY
Wenn ich ein Weib begehre, schöne Mutter,
Besorg ich’s meinem Weibchen jeden Tag,
Sie soll sich so bewegen wie ich will,
Und will ich, dass sie oben auf mir reitet,
Dann wird mein Weib auch oben auf mir reiten,
Und will ich, dass sie unten liegt wie Eva,
Liegt meine Eva willig unter mir!
MADEL
So ist es recht, mein vielgeliebter Sohn!


DRITTE SZENE


(Die rothaarige Hexe Madel und ihre junge schöne Tochter Sweety.)

MADEL
Wo willst du denn jetzt hin, du süße Sweety?
SWEETY
Ich möchte zu dem Fest von Robin Hood!
Schau, darum habe ich Carinas Kleid
Auch angezogen, kurz und feuerrot,
Daß ich beim Fest der Hirten ihrer Herde
Die Schäfer all kokett verzaubern kann!
MADEL
Ja, kokettiere nur, du süßes Weib!
SWEETY
Die Hirten, sonst zusammen nur mit Schafen,
Die lieben doch das Kokettieren und
Das Flirten, ja, man sagt ja auch Flirtation,
Und Dichter schreiben ja Romane auch,
Die sie Flirtation nennen. Ach zu flirten
Ist alles, was ich will, ich will nur spielen,
Ich will nichts Böses und will auch nichts Ernstes,
Will keine Ehealltagslangeweile
Und auch kein Sakrament von Mann und Frau,
Ich will nur spielen jugendlich und scherzen,
Verführen mit den Reizen meines Leibes,
Verlocken in die Wüste, zärtlich küssen,
Geständnis der Liebe machen, harmlos,
Das hat ja alles gar nichts zu bedeuten,
Ist nur ein Traum, nur Phantasie.
MADEL
Ja, reize mächtig du die Hirten an,
Die sonst mit Mutterschafen ganz allein,
Wenn sie dann sehen deine jungen Reize,
Die schmalen Hüfte und den flachen Bauch,
Die wohlgeformten festen straffen Brüste
Und deinen Allerwertesten perfekt,
Die Hirten träumen dann in Einsamkeit
Erotisch-phantasierend Träume nachts
Und ohne dass sie etwas Böses tun,
Der Samen geht im Nachtschlaf ihnen ab.
SWEETY
O welche Macht hat doch ein schönes Mädchen!
Wenn reife Frauen auch wohl tanzen möchten,
Sie würden sich in Grund und Boden schämen,
Wenn so ein frisches junges Mädchen auch
Erotisch neben ihnen tanzen würde.
MADEL
Ja, Männer lieben keine alten Weiber,
Doch sehen sie ein junges hübsches Mädchen,
So werden Philosophen selbst zu Narren
Und Gute Hirten selbst zu Sündenböcken!
SWEETY
O Mama Madel, kommst du auch zum Fest?
MADEL
Ich komme auch zum Fest von Robin Hood,
Doch da die Hexe nicht geduldet ist
Beim Festmahl dieser Christen, komme ich
Verkleidet als Maid Marian, die Jungfrau.
SWEETY
In magischer geheimer Wissenschaft
Kannst du das Aussehn andrer Leute ja
Annehmen. Wie sieht Marian denn aus?
MADEL
Vor allem trägt sie ja ein weißes Kleid,
Von feinem Stoff, jedoch nicht transparent,
Die Arme sind bedeckt bis zu den Händen,
Des weißen Seidenkleides untrer Saum
Nicht nur bis auf die nackten Oberschenkel,
Nein, sondern zu den Füßen niederfallend.
Die Füße in den goldenen Sandalen
Sind nackt, jedoch mit Henna malt sie gern
Sich rote Rosen auf die nackten Füße.
Auf ihrem Haupthaar liegt ein weißer Schleier,
Jedoch nicht wie bei Muselmaninnen
Das Angesicht verschleiernd, sondern offen
Die Augen schauen mondgleich in die Welt
Und ihre Lippen lächeln liebevoll.
Der Schleier nur bedeckt die dunklen Haare,
Schwarzbraune Haare hat Maid Marian.
SWEETY
Nun stell dir einmal vor, ein junger Schäfer,
Der Pan verehrt, die Nymphe Echo liebt,
Der sieht Maid Marian, die weiße Dame,
Und Sweety sieht er auch, halbnackte Venus,
Wen wird wohl lieben dieser junge Schäfer?
MADEL
Nun, Sweety, dich wird er sogleich ergreifen,
Mit dir zur Lust in einem Busch verschwinden
Und dich vernaschen sinnlichen Genusses.
Jedoch sein Herz gehört der weißen Frau,
An deren Stirn ihm seine Gottheit tagt.
Wenn er dich ausgelutscht wie eine Pflaume,
Wirft er dich weg, empfindet Ekel nur
Vor seiner eignen geilen Fleischeslust
Und gibt die Schuld daran nur dir, der Hure,
Die weiße Frau wird ihm erscheinen dann
Als heilige Maria oder gar
Als göttliche Diana, Jungfraungöttin!
SWEETY
Ich weiß jedoch, wenn dieser junge Schäfer
Genug geseufzt nach seiner keuschen Göttin,
Die unbefleckt zwar ist, doch frostig auch,
Dann sehnt er sich zurück nach meinen Schenkeln!
Siegt über die Diana stets die Venus!
MADEL
Wenn ich verkleidet geh zum Fest der Hirten,
Ich sage dir, woran du mich erkennst.
SWEETY
Ja, woher weiß ich, dass du Madel bist,
Die Zauberin, und nicht Maid Marian?
MADEL
Ich hörte von den Moslems, von den Sufis,
Die tragen unter ihren blauen Kutten
Des Derwischordens unter dem Gewand
Geheimnisvoll verborgen noch den Gürtel,
Den Gürtel ihres Meisters Zarathustra,
Der zwar den Moslems als ein Ketzer gilt
Und Götzendiener, doch die Sufis lieben
Doch insgeheim die alten Götter noch.
So hat auch mancher Minner der Maria
In seinem Kult der Großen Gottesmutter
Die Magna Mater weiterhin verehrt,
Die Artemis mit ihren neunzehn Brüsten.
SWEETY
Hat Artemis denn wirklich neunzehn Brüste,
Nicht neunzehn Hodensäcke eines Stieres?
MADEL
Das täte dir gefallen, neunzehn Hoden!
Nun, wenn ich geh im reinen weißen Kleid
Maid Marians als schöne Dame und
Als weiße Frau, als Mayden-Queene of Maye,
So trag ich unterm weißen Seidenkleid
Doch immer noch der Venus Zaubergürtel!
SWEETY
Erzähl mir von der Venus Zaubergürtel!
MADEL
Wenn Göttin Venus aus dem Bade kam,
Wo unterm Wasserfall sie nackt geduscht,
Sie zog ihr Beinkleid an aus blauem Leinen
Und band sich um die wonnevolle Hüfte
Der Göttin Aphrodite Zaubergürtel.
Ein Ledergürtel ists von Schlangenleder,
Die Schnallen sind sehr groß, von reinem Silber,
Gewaltiger Verschluss am Zaubergürtel,
Doch lässt sie lässig und lasziv auch hängen
Des Ledergürtels Ende, welches hängt
Wie eine Schlange, baumelnd um die Lenden.
SWEETY
Wer darf der Venus Zaubergürtel lösen,
Der Gatte, dieser stinkende Vulkan,
Sprich, oder gar der Aphrodite Hausfreund,
Gott Mars, der liebestrunkne Ehebrecher?
MADEL
Die Göttin Venus stand vorm Gotte Mars,
Gott Mars stand hinter ihr, er sah den Po
Der göttlichen Callipigos, das Becken
Der Angebeteten, des Beckens Becher,
Da fasste er die Göttin bei den Hüften,
Bewegte Aphrodites breites Becken!


VIERTE SZENE


(Der junge Schäfer Karol geht mit seinem Hirtenhund Elisama spazieren. Er seufzt beständig, sieht auch ganz krank aus vor Liebeskummer.)

KAROL
Ach, ach, und immer wieder nichts als Ach!
Mein lieber Elisama, dir gesteh ich,
Daß ich mich sehne mit verzehrender
Und heißer Sehnsucht nach der Vielgeliebten!
Hier gingen wir doch sonst zu zweit spazieren,
Bewunderten die Pflaumen an dem Baum,
Vom Wege hob ich eine Eichel auf
Und schenkte sie der schönen Amica
Und Amica leis lächelnd fragte: Karol,
Was hat das zu bedeuten, dass du mir
Die Eichel zum Geschenke machst, mein Freund?
Ach, so sublim zu flirten weiß allein
Die Eine, deren Eros sehr sublim,
Subtil, sublim! Die allerfeinste Frau!
Ach Elisama, du mein treuer Freund,
Verstehst du mich? Ich schaue in dein Auge,
Schau in den Augen eine Seele leben,
Die schimmert voll Gefühl. Doch denkst du nicht,
Wenn ich dir spreche von der Erstursache,
Vom Allbeweger und dem Urprinzip,
Das wäre wohl ein dummes Selbstgespräch.
Doch Freude fühlst du auch, und wenn ich komme,
Dann springst du voller Freude an mir hoch.
Und Liebe? Elisama, kennst du Liebe?
Die Welt spricht von der Liebe,
Sie meinen nur die Triebe!
Auch deine Triebe drängen dich zur Liebe,
Begehren kennst du auch nach einer Hündin,
Dich fortzupflanzen durch Vereinigung,
Ja, sogar für die Welpen da zu sein.
Doch Elisama, wenn ein Schäfer liebt,
Wenn er so recht romanzensüchtig ist
Und schwärmt von seiner Angebeteten
Und kann nicht unterscheiden zwischen Gott
Und Unsrer Lieben Frau und der Geliebten,
Wenn alles ihm nur Eine schöne Liebe,
Wenn Liebe alles ist in allem ihm,
Weltseele ihm die Vielgeliebte scheint
Und er der Vielgeliebten Antlitz schaut
Im Duft, der aus der Kirschenblüte steigt,
Sag, treuer Elisama, was ist das?
Doch sprichst du nicht, ach Hund, du kannst nicht sprechen,
Du kannst nicht denken, Hund, und kannst nicht sprechen
Und dich nicht über deinen Trieb erheben,
Aus Liebe auf die Liebste zu verzichten!
Ach, ach, und immer wieder nichts als Ach!

(Maid Marian begegnet dem liebeskranken Hirten Karol.)

MAID MARIAN
Ich hörte eben dich noch seufzen, Karol.
KAROL
Maid Marian, ach, ich bin krank vor Liebe!
MAID MARIAN
Erkläre mir, was ist das: Liebe? Karol!
KAROL
Maid Marian, ich will von Liebe singen!
MAID MARIAN
In meiner Tasche steckt die Knochenflöte,
Ich werde selbst die Knochenflöte blasen
Und du, mein Karol, singst das Lied der Liebe!

(Maid Marian bläst die Flöte und Karol fängt an zu singen wie ein sterbender Schwan.)

KAROL
(singt)

Die Mütter sagen immer:
Erzähle unsern Kindern
Von nichts als heiterm Schimmer,
Von starken Überwindern,
Die Engel lachend scherzen
Von Liebe in dem Herzen.

Dann sage ich: O Mütter,
Ist das mir zuzumuten,
Daß mir die Liebe bitter,
Mich grausam lässt verbluten?
Im liebeswunden Herzen
Steckt tief das Schwert der Schmerzen!

Die schönen Mütter reden:
Sprich von der Liebe Lächeln,
Von Eva sprich in Eden,
Von langer Wimpern Fächeln,
Verschmelzend leuchten Kerzen,
Wenn Liebe eint die Herzen!

Dann seufze ich: O Frauen,
Was sag ich euren Erben?
Die Schönheit ist ein Grauen!
Die Liebe ist ein Sterben!
In tausend Todesschmerzen
Die Liebe glüht im Herzen!

(Maid Marian steckt die Knochenflöte wieder in ihre Tasche und spricht jetzt liebevoll zärtlich, fast flüsternd, um den liebeskranken Hirten Karol zu trösten.)

MAID MARIAN
Es gibt wohl eine Frau in deinem Herzen?
KAROL
Ich liebe Unsre Liebe Frau Maria,
Doch lieb ich auch die Freundin Amica.
MAID MARIAN
Ich kenne ihre Seele, sie ist sehr
Gutmütig, und ich liebe ihre Güte.
KAROL
Doch meine Liebe, ach, ist unerfüllt!
Die heiße Liebesglut ist unbefriedigt
Und Amica will meine Glut nicht stillen!
MAID MARIAN
Du weißt doch, was die Heiligen getan?
KAROL
Von einer Heiligen hab ich gehört,
Die schwor, jungfräulich für den Herrn zu leben.
Die Jungfrau war sehr schön und voller Liebreiz,
Ein junger Mann begehrte diese Jungfrau.
Die keusche Schwester schlummerte im Garten,
Es war ein heißer Sommertag, da lag sie
Im Gras, so hingegossen, und gespreizt
Die Arme, lag sie da in ihrer Unschuld.
Da kam der junge Mann in ihren Garten
Und sah die Heißbegehrte schlafend liegen
Und hob den Rock der Keuschen und beschlief sie!
Sie litt es voller femininer Demut,
Doch selbst empfand sie keine böse Lust,
So blieb sie rein vor ihrem Bräutigam.
MAID MARIAN
Und Franz, wenn ihn die Brünste überwältigt,
Er zog sich nackend aus im kalten Winter
Und wälzte seinen nackten Leib im Schnee.
KAROL
Doch hörte ich von seiner Freundin Klara,
Daß sie den Freund und Bruder Franz besucht,
Da war er in seraphischer Verzückung
Und sie war in seraphischer Verzückung,
Da ruhte sie an seinem vollen Busen
Und molk des Trostes Milch aus seinem Busen!
MAID MARIAN
Ich will dir auch die Milch des Trostes spritzen
In deinen Mund, du liebeskranker Karol!
Ich habe gestern Amica gehört,
Ich hab gehört ihr seufzervolles Flüstern:
Ich hab dich lieb, mein lieber Freund und Bruder,
Ich lieb dich auch, mein lieber Freund und Bruder!
KAROL
Sie liebt mich, Amica, sie liebt mich auch!


FÜNFTE SZENE


(Robin Hood und seine Gäste, Maid Marian, William Scathlock.)

ROBIN HOOD
Maid Marian, ich klage öffentlich
Dich an, du hast mich tief enttäuscht, sehr tief
Enttäuscht, ich hatte doch an dich geglaubt,
Du wärest meine wahre treue Freundin
Und würdest mütterlich für alle sorgen,
Die Hirten und die schönen Schäferinnen,
Die Jäger und für alle die Genossen,
Daß wir von leckerm Fleisch ein Festmahl haben.
MAID MARIAN
Ja; hab ich denn nicht in der Morgenröte
Den Hirsch gejagt, wie der Psalmist gesungen?
ROBIN HOOD
Getäuscht hast du uns alle! Nicht als Freundin
Gehandelt, sondern wie die allerschlimmste Feindin!
Wir haben dich verehrt, Maid Marian,
Wie eine himmlische Jerusalem,
Du hast dich gegen uns gewendet aber
Wie eine Hure Babylon, die trunken
Vom Blut der Märtyrer den Löwen reitet!
MAID MARIAN
So sehr verkennst du mich und wirst zum Ketzer?
Hat deine Liebe sich in Hass verwandelt?
Was hab ich dir getan, mein lieber Freund?
Ich habe dir doch nur mein Herz geschenkt!
Das machst du mir zum Vorwurf, Robin Hood,
Daß ich mein Feuerherz dir schenken will?
ROBIN HOOD
Auch Luzifer verkleidet sich als Engel
Und manche schöne Frau erscheint dem Mann
Wie eine Göttin voller Güte, bis
Sie ihm das wahre Antlitz offenbart
Und er erkennt, dass sie besessen ist
Von den Dämonen und beherrscht von Satan.
MAID MARIAN
Konkret! Wir Frauen lieben das Konkrete!
Was denn genau wirfst du mir vor, mein Freund?
ROBIN HOOD
Du hast den Hirsch, gedacht als unser Festmahl,
Durch William Scathlock überreichen lassen
Der Hexe Madel, die im Bunde steht
Mit Satan und den finsteren Dämonen!
MAID MARIAN
Das hab ich nicht getan! Gott weiß, ich sage
Die Wahrheit! Jesus ist mein Zeuge, dass
Der Satan an mir keinen Anteil hat!
ROBIN HOOD
Sprich, William Scathlock, sag die reine Wahrheit!
Hat sie dich mit dem Hirsch geschickt zu Madel?
WILLIAM SCATHLOCK
Maid Marian! Mit meinen eignen Augen
Hab ich gesehen, wie du vor mir standest
In deinem strahlendweißen Seidenkleid,
Fast transparent, im himmelblauen Schleier,
Fast transparent, dein Antlitz strahlend schön,
Ein zauberhaftes Lächeln auf den Lippen,
Die Augen leuchteten vor Lust und Freude,
Ich habe deine Stimme auch gehört,
Dein liebevolles Flüstern, süßes Hauchen.
MAID MARIAN
Was hast du denn von mir gehört, mein Willy?
SATHLOCK
Du schicktest mich mit unserm Hirsch zu Madel!
MAID MARIAN
Das hab ich nicht gesagt, das lügst du, Willy,
Nie hab ich unsern Hirsch geschickt zu Madel,
Das hast du dir nur selber ausgedacht!
Die ganze Welt erhebt sich gegen mich,
Es steht die Hölle auf, mich anzufeinden!

(Maid Marian bricht in herzergreifendes Weinen aus. Ihre Tränen fallen wie glitzernde Diamanten auf das Moos.)

SCATHLOCK
Maid Marian, Maid Marian, nicht weinen!
Nicht weinen, meine vielgeliebte Herrin!
Ich glaube dir, Maid Marian, ich glaube,
Du redest Wahrheit, immer nichts als Wahrheit!
Und wenn die ganze Welt der Sichtbarkeit
Und alle Evidenz der Welt auch leugnet,
Daß du die Wahrheit sprichst und nichts als Wahrheit,
Und wenn auch alle Menschen es bezeugen
Und wenn es auch ein Bischof wollt beschwören
Und Wissenschaftler es beweisen könnten,
Daß du dich irrst und nicht die Wahrheit sagst,
Ich glaube dir, Maid Marian, ich glaube,
Daß du die Wahrheit sprichst und nichts als Wahrheit!
Und wenn auch meine eigene Erfahrung,
Die eigne sinnliche Erfahrung selbst,
Wenn mein Verstand, das Denken meines Hirnes,
Wenn mein Gefühl dich selbst verleugnen wollte,
So mit dem letzten Tropfen meines Blutes
Auf dem Schafott ich würde noch bezeugen:
Maid Marian spricht Wahrheit, nichts als Wahrheit!
MAID MARIAN
Ich danke dir, mein treuer William Scathlock,
Das tröstet mich, das trocknet meine Tränen,
Daß ich bei all der Feindschaft in der Welt
Noch einen Helden hab, der an mich glaubt.
SCATHLOCK
Ja, mehr noch, Rechtsanwalt will ich dir sein,
Maid Marian, dein Advocat! Jedoch
Kein Winkeladvocat, der vorm Gericht
Noch um der Waisen Erbteil schachern würde,
Nein, sondern ein gerechter Advocat.
MAID MARIAN
Ja, sei du hungrig nach Gerechtigkeit!
SCATHLOCK
Mein guter Robin Hood, bei unsrer Freundschaft
Beschwör ich dich, die Angelegenheit
Genauer noch zu untersuchen und
Dem Schein der Evidenz nicht zu vertrauen!
ROBIN HOOD
Nein, ich besitz die absolute Wahrheit,
Willst du mein Freund sein, steh an meiner Seite,
Sei meiner Feinde Feind und stärke mich!
SCATHLOCK
Wenn nun ein Eremit und Alchemist
In seinem chemischen Labor entdeckte,
Daß wir den Schöpfergott nicht länger brauchen,
Weil er selbst im Besitz der Klugheit sei
Und wisse, wie aus Stoffen der Natur
Und aus der Elemente Mischung und
Aus der Vereinigung in der Phiole
Von Sol und Luna, dieser Alchemist
Homunculus erschaffen kann, und wenn
Er seinen selbsterschaffnen Golem dir
Vor Augen führte, und der Golem machte
Lebendig wahre Affensprünge und
In allem wie ein Affe sich verhielte
Und fummelte an seiner Scham herum
Wie Affen, und verstünde auch, das Werkzeug
Wie kluge Zimmermänner zu gebrauchen,
Wenn dieser Alchemist dir so bewiese,
Gott sei als Schöpfer abgesetzt, der Mensch
Weiß nun vermittels der Natur zu schaffen
Und jetzt der Mensch sei also selber Schöpfer
Und Gott sei nicht ein Mensch geworden wahrhaft,
Vielmehr der Mensch sei Gott und kann erschaffen
Ein neues menschliches Geschlecht von Affen,
Dies sei nun einmal absolute Wahrheit,
Was, Lieber, würdest du dem Manne sagen?
ROBIN HOOD
Ich würde sagen, dass der Satan ihm
Den bösen Wahnsinn auf den Hals gehetzt!
SCATHLOCK
So untersuche alles noch genauer
Und zweifle niemals an Maid Marian!


SECHSTE SZENE


(Zu den Vorigen tritt die Hexe Madel hinzu.)

MADEL
Maid Marian, ich danke dir von Herzen,
Daß du den edlen Hirsch zu mir geschickt!
O solch ein edler Hirsch, so rein und heilig,
Geschickt in meine alte Hexenküche,
Das ist zuviel der Ehre, hohe Frau!
Maid Marian, wie kann ich je dir danken?
Ich stehe abgrundtief in deiner Schuld!
MAID MARIAN
Was lügst du wieder, falsche Schlange Madel?
Ich war es nicht, die diesen Hirsch geschickt
In deine alte Hexenzauberküche,
In Wahrheit kam er wohl in Teufels Küche!
Das ist nicht meine Schuld, ich war es nicht,
Die diesen edlen Hirsch zu dir geschickt!
Ich selber habe ja den Hirsch gejagt,
Ich fing ihn ein, dass er zur Speise werde,
Mein Liebespfeil hat tödlich ihn getroffen!
MADEL
Maid Marian, gewiss, du warst es, Frau,
Frau, oder soll ich lieber Weib dich nennen?
MAID MARIAN
Weißt du denn nicht, wen wir als Weib betiteln
Und wen als Frau und wen als edle Dame?
MADEL
Wir Weiber halten besser doch zusammen,
Wir sind doch alle Töchter einer Göttin
Des Mondes, wir, Dianas Priesterinnen.
MAID MARIAN
Soll deine göttliche Diana doch
Den Hirsch von ihren Hunden jagen lassen,
Ich bin die Tochter Gottes, meines Herrn.
MADEL
Ich glaube einen Gott und Schöpfer auch,
Der Satanas erschuf allein die Ratten.
Jedoch in meiner Hütte huschen nachts
Die Ratten durch die Hexenzauberküche.
Großmütterchen des Teufels, hab Erbarmen,
Die Ratten fressen mir den Käse weg!
MAID MARIAN
Das darfst du alles essen, Brot und Käse,
Gemüse und Salat und trockne Körner
Und Obst und Nüsse, aber keinen Hirsch!
Das Fleisch des alleredelsten der Hirsche
Hab ich gejagt für Robin Hood allein
Und Robin Hoods Gefährten in dem Wald,
Die alle treu sind König Löwenherz,
Der steht als Ritter an dem Heiligen Grabe!
WILLIAM SCATHLOCK
Das alles ist verwirrend, sehr verwirrend,
Ich weiß nicht, ob ich trauen darf den Augen
Und dem Verstand, dem Denken der Vernunft.
Maid Marian behauptet steif und fest,
Sie habe Madel nicht den Hirsch geschickt.
Eins weiß ich aber sicher, dass ich sah,
Wie unsre Herrin in dem Wald gejagt
Und dort den Hirsch erlegt mit ihrem Pfeil
Und dann das leckre Fleisch des edlen Hirsches
Geschickt hat in die Küche unsres Lagers.
Der Koch selbst nahm des Hirsches Fleisch entgegen.
ROBIN HOOD
Der Koch! So ruft herbei den Suppenkoch,
Der leckren Braten zu bereiten kam.
WILLIAM SCATHLOCK
Komm, keinen Imbiss wollen wir von dir,
Die reine Wahrheit sollst du nur bezeugen!
KOCH
(eilt herbei)
Was schreit ihr so? Ich bin ja schon zur Stelle.
SCATHLOCK
Hat unsre Herrin dir den Hirsch gebracht?
KOCH
Maid Marian hat mir den Hirsch gebracht,
Den soll ich knusprig braten, sagte sie,
Dann soll ich leckre Bratensauce machen
Und fette Speise lecker zubereiten,
Nachtschattenknollen, Rotkohl kochen
Und reichlich Zucker in den Rotkohl tun
Und Lorbeerblätter auch – obwohl der Lorbeer
Doch besser für den Stückeschreiber ist,
Der später einmal Robin Hood verherrlicht
In einem Schauspiel auf dem Globe-Theater.
SCATHLOCK
Und hat die Herrin sich den Hirsch genommen,
Nachdem sie ihn in deine Küche brachte,
Ihn wieder fortgenommen und geschickt
Zu Madel, dieser Zauberin der Götter?
KOCH
Maid Marian hab ich nicht mehr gesehen
In meiner Küche, seit sie mir gebracht
Den Hirsch, dass ich ihn tüchtig knusprig brate.
Die Hexe Madel kam in meine Küche,
Um fachzusimpeln mit dem Suppenkoch,
Denn Hexen kochen immer gerne Suppen.
MADEL
Großmutter Satans! Ah, ich hasse euch!
Ihr seid so arrogant, ihr Tugendstolzen!
Ihr frommen Christen seid so aufgeblasen!
Hat euer Weißer Christus nicht gestürzt
Die Große Göttin von dem Muschelthron?
Nein, euren Weißen Christus will ich nicht
Und hasse alles, was sich Kirche nennt!
Aus England rottet mir die Kirche aus,
Der Papst ist ein Verbrecher und die Pfaffen
Sind schlimmer als die schlimmsten Menschenmörder,
Das Christentum ist Lüge, nichts als Lüge,
Nein, weg mit eurer sanften Christendemut
Und eurem religiösen Minnekult!
Die starke Göttin mit dem geilen Bock
Soll wieder heilig wilde Hochzeit feiern!
KOCH
Was fluchst du, Hexe, Luzifers Gemahlin?
MADEL
Abraxas! Komm, Abraxas, komm, Abraxas!
Komm, Dämon Ashtaroth! Verhexe diesen
Gemeinen Koch in einen wilden Eber!

(Der Koch verwandelt sich in einen wilden Eber und rennt in das Dickicht des Waldes.)

ROBIN HOOD
Jetzt seh ich, Madel, dass du böse bist!
MADEL
Die Weiber sollen immer lieblich sein,
Charmant zu lächeln wissen allezeit,
Ein Inbegriff von Sanftmut und von Demut.
Beim Gott Abraxas und bei Ashtaroth,
Bei Luzifer und Lilith, bei dem Hunde
Der Hölle und der Liebesgöttin Katze
Und bei der Schlange von dem Garten Eden,
Ich hasse eure Güte, eure Liebe!
Nein, böse will ich sein! Will wild und frei sein
Und kein Gesetz des Schöpfers anerkennen!
Ich selber definiere mir, was gut ist,
Ich sage euch: Das Böse ist das Gute,
Das Gute ist das Böse, weil ich’s will!
Ja, William: Fair is foul and foul is fair!
ROBIN HOOD
Zwar bist du schön, doch bist du böse, Madel,
Von außen schön, von innen aber böse,
Ja, deine Seele ist ein Pfuhl, der stinkt
Nach Fäulnis und nach deinem Gott der Fliegen!
MADEL
Ja, meine Liebe ist die böse Macht,
Ich möchte schließlich in die Hölle kommen!



DRITTER AKT


ERSTE SZENE


(Sweety in Carinas Habit, verfolgt vom Hirten Karol.)

KAROL
Halt, Mädchen, halt, ich kenn dich doch, o Mädchen!
SWEETY
So hasche mich, ich bin die pure Lenzlust!
KAROL
So eile nicht und fliehe nicht vor mir,
Denn du bist meine Schwester doch, das Leben!
SWEETY
Ja, lass uns eilen, mein Geliebter, komm,
Komm mit mir in die Hütte meiner Mutter!
KAROL
Wohin entflohen bist du, Schwester-Braut?
Ihr Wälder, wo ist meine Seelenschwester?
Ihr Hirsche und ihr Rehe in dem Wald,
Wisst ihr, wo meine Seelenschwester ist?
Ihr Tauben in den Wipfeln der Kastanien,
Wohin entschwebt ist meine Seelenschwester?
Du Eichhorn, folgend deinem Eichhornweibchen,
Wo ist sie hin, die liebe Seelenschwester?
Ihr Nachtigallen in den wilden Rosen,
Ach, wie vermiss ich meine Schwester Leben!
Ihr Steine, meine Brüder, schreit es laut,
Wo ist die Seelenschwester Leben hin?
Du Nymphe Echo an dem Waldesrand,
Gib Antwort mir: Wo ist die Schwester-Braut?
Ihr wilden Eber, wilder Ferkel Väter,
Habt ihr gesehn die Schwester-Braut, das Leben?
Du Bärin, hat man dir geraubt die Jungen?
Doch brumme, Bärin: Wo ist meine Schwester?
Ach, sie ist weg, ach, sie ist weg, die Liebste,
Ach, könnt ich finden meine Schwester-Braut,
Ich brächte sie in meiner Mutter Hütte!
Sie lag mit mir an meiner Mutter Brüsten,
Wir tranken doch die selbe Milch des Trostes!
Wenn ich sie finden würde, meine Schwester,
Ich würde küssen sie in Sherwood Forest
Und keiner dürfte lästern über uns,
Wenn Brüderchen und Schwesterchen sich küssen!
SWEETY
(flüchtig auftauchend)
Hu, Karol, lieber Hirte Karol, Hu!
Komm, hasche mich, ich bin die Lust am Leben,
Komm, kasche mich, ich bin die pure Lenzlust!
KAROL
Du bist es ja, Carina, ich erkenn dich,
Selbst wenn du tot bist, kenne ich dich noch,
Weil du ein Stück von meinem Herzen bist!
SWEETY
(steht jetzt ruhig vor Karol, der sie für Carina hält)
Sag Ja zum Leben, Karol, Ja zur Liebe!
KAROL
Ich dachte, du wärst tot, mein Schwesterherz!
SWEETY
Und wenn ich sterbe, wie ergehts dir dann?
KAROL
Das weiß ich erst, wenn du gestorben bist!
Denn wenn du lebst, mein Schwesterherz Carina,
Dann ist es doch für mich ganz unausdenklich,
Du könntest einmal nicht mehr bei mir sein.
SWEETY
Sag einmal, wie du um mich trauern würdest.
KAROL
Ich bäte Bruder Tuck, er möge singen
Ein Requiem für dich und ein Te-Deum!
SWEETY
Kein Mönchslatein, denn das versteh ich nicht.
KAROL
Ich sagte: Nackig kam Carina, ah,
Ja, nackig kam sie aus dem Mutterschoß
Und nackig scheidet sie von dieser Erde.
Gott hat gegeben uns Carina nackt,
Gott hat genommen uns Carina nackt.
Wir singen Lob dem süßen Namen Gottes!
SWEETY
So tröstet dich dein Christenglaube schnell?
KAROL
Mein Christenglaube Trost wär in der Trauer,
Doch meine Trauer wäre unermesslich!
Um dich nicht weinte ich, mein Schwesterherz,
Nein, um mich selber würd ich bitter weinen!
Die Tränensäcke unter meinen Augen
Bezeugten aller Welt, wie ich voll Trauer
Und trotz des Glaubens ohne Trost bin,
Weil du mir fehltest! Du bist unersetzlich!
Mein Leben selbst verlöre seinen Sinn
Und ich verlöre alle Lust am Leben
Und hätte keine Zukunft mehr auf Erden
Und keine andre Hoffnung als den Tod,
Um bald bei dir zu sein im Schoße Gottes!
SWEETY
Ach traurig, traurig, wehe, traurig, traurig!
Erzähl doch wieder lustige Geschichten,
Lass Tag für Tag dein Herz nur heiter sein!
Ich lebe noch! Ich bin doch appetitlich?
Komm, komm, vernasche deine Süßigkeit
Und schmecke nur, wie deliziös ich bin!
KAROL
Ja, du bist meine delikate Lust!
Das Leben wird durch dich zur Delikatesse!
Oh, deine Küsse sind so deliziös!

(Der liebeskranke Schäfer Amour kommt melancholisch langsam wandelnd näher.)

SWEETY
Amour, der liebeskranke Schäfer, kommt!
Hinweg, hinweg, so sag ich meiner Seele,
Ich will nicht sehn den liebeskranken Trottel
Mit seinem Dattelblick voll Hundedemut!
Er soll mir nicht die hohen Stiefel lecken
Und sklavisch werfen sich vor mir zu Boden
Und mich anbeten als die höchste Göttin
Und mit dem lieben Gotte mich verwechseln
Und als Ertrinkender in tiefster Not
Zu meiner Seele beten: Hohe Schutzfrau,
Allmächtige, erlöse meine Seele!
AMOUR
(von ferne, singend)

Die Liebe, sie bringt Todesschmerzen,
Den Wachs verzehrend glühn die Kerzen,
Die Tränen blutig rot
Mir tropfen aus dem wunden Herzen,
Ich kann nicht froh mehr sein und scherzen,
Carina, ach, ist tot!

Die Liebe bringt mir nichts als Leiden,
Sie will an meinem Weh sich weiden,
Stürzt mich in Todesnot,
Ich muß die liebste Liebe meiden
Und sehn mich nur noch abzuscheiden,
Carina, ach, ist tot!

Die Liebe bringt mir Marterqualen,
Ich muß für alle Sünden zahlen,
Die mir das Leben bot,
Ich muß in tiefen Jammertalen
An Kreuze Schmerzensmänner malen,
Carina, ach, ist tot!

Die Liebe ist es, die mich peinigt,
Ich bin mit meiner Pein vereinigt,
Ich esse Aschenbrot
Und trinke Tränentrank, mich reinigt
Die Qual, seit mir ihr Tod bescheinigt,
Carina, ach, ist tot!

SWEETY
(flüchtend)
In diesem Tränental und Jammertal
Mit ihm doch will ich nicht spazieren gehen,
Ich liebe mehr die lustigen Gefilde
Und was ich will, bin ich verliebt im Herzen,
Ist, froh zu scherzen in der Lust der Liebe!


ZWEITE SZENE


(Amour und Karol.)

AMOUR
Ich glaube gar, ich sah Carinas Geist!
O Gott! Die Toten sind schon auferstanden?
KAROL
Wie sahest du Carinas Geist? Als Schatten?
AMOUR
Gerade eben war sie noch um mich,
Da sah ich ihre liebliche Gestalt.
Von hinten sah ich sie: O solchen Po
Hat nur Carina, nur Carina hat
So wohlgeformt das Becken und die Hüfte.
Als ich sie sah, tat sich der Himmel auf!
KAROL
Der Himmel? Wie? Hat Jesus Wein getrunken
Mit dem Kollegium der zwölf Apostel?
AMOUR
Nein, nein, beileibe nicht! Im Himmel Jesus
Trinkt keinen Wein, er selber ist der Wein
Und wir ein kleiner Tropfen Wasser nur,
Der löst sich auf im breiten Becher Mischwein.
KAROL
Wie ist Carina denn im Himmel? Nackt?
Trägt sie im Himmel weiße Leinenkleider?
AMOUR
Ich sah die Gottheit, einen Ozean
Der Schönen Liebe in der Ewigkeit,
Den Ozean des ewigen Genusses,
Die Ewigkeit von Glück und Lust und Wonne,
Und Wollust über Wollust rauschte rauschend
Wie Wellen aus der Ewigkeit heran
Und in dem Ozean der Gotteswonne
Die Ideale all der Schönheit schwammen
Und alle Ideale meines Lebens,
Die trunkenen Visionen reiner Schönheit,
Sie alle badeten im Ozean
Der Schönen Liebe in der Ewigkeit
Und da sah ich Carina auch, nicht tot,
Lebendig war sie, ja, sie war vergöttlicht,
Von Gott vergöttlicht, Göttin gar geworden,
Der Schönheit und der Liebe junge Göttin,
Die tauchte aus der Gischt der Wellenbrecher
Des Ozeans der Ewig-Schönen Liebe
Als nackte Göttin ewigen Genusses!
KAROL
Wer solches schaut, der muß glückselig sein.
AMOUR
Ich Unglückseliger! Ich armer Atlas!
Die ganze Welt der Schmerzen muß ich tragen!
Ich bin in absoluter Einsamkeit,
Wenn ich allein bin, bin ich einsam, und
Auch wenn ich unter Menschen bin, so bin
Ich einsam! Keiner will von mir geliebt sein!
So schenk ich meine Liebe meiner Toten!

(Der Hirte Clarion und die Hirtin Mona Leone kommen und wenden sich an Karol.)

CLARION
O Karol, Amica ersehnt dein Kommen!

(Amour entfernt sich melancholisch langsam wandelnd.)

KAROL
Ich sehne auch mich sehr nach Amica!
MONA LEONE
Was ist denn mit Amour nur los, mein Freund?
KAROL
Er ist so voller Wehmut, voller Trauer,
So melancholisch und so einsam, ach,
Sein Herz ist viel zu zärtlich für die Welt
Und überall vermisst sein Herz die Liebe.
CLARION
Ja, frostig geht es unter Menschen zu.
KAROL
Amour will nur noch ganz alleine sein,
Denn unter den Lebendigen ist er
Nicht ganz zuhause mehr, er will nur noch
An seine tote Vielgeliebte denken.
Oft scheint es ihm, dass ihn ihr Geist umschwebt,
Dann will er nicht gestört sein von den Kindern
Der Welt, er will dann seinem Traum nachhängen.
CLARION
Was sind Lebendige und was die Toten?
KAROL
Amour scheint mehr doch zu empfinden, dass
Die Lebenden in Wahrheit Tote sind,
Die Totengeister aber ganz lebendig.
Vertrauter geht er mit den Toten um
Als mit den Lebenden von dieser Welt,
Die zwar den Namen haben, dass sie leben,
In Wahrheit aber kalten Herzens tot sind.
MONA LEONE
Ich fühle Mitleid mit dem armen Schäfer.
Ach, möge ihn der Gott vom Himmel trösten!
Ach, möge er doch in der Morgenröte
Die Glocke hören von der Waldkapelle
Des Eremiten Columban und hören
Das Blöken junger Lämmer früh am Morgen,
Daß Gott den Frieden in den Geist ihm senke.
KAROL
Amour wär halb getröstet, liebe Mona
Leone, wenn er spürte, dass ein gutes
Und sanftes Mädchen mit ihm Mitleid habe.
MONA LEONE
Ich hab ihn lieb, so seltsam es auch klingt,
Auf meine Art auch liebe ich Amour.
KAROL
Sein Herz will sich doch gar nicht trösten lassen.
CLARION
Was aber Amica betrifft, mein Freund,
Wie sieht es da mit deiner Sehnsucht aus?
KAROL
Ach, heute Nacht hab ich von ihr geträumt,
Sie hatte einen Hirten als Gemahl,
Ich aber war in ihrer Hirtenhütte
Mit Amica allein und wir durchwühlten
Gemeinsam voller Liebeslust das Bett
Und saßen dann, ermattet von der Liebe,
Auf schön geflochtnen Stühlen vorm Kamin,
Da kam herein ein Freund von ihrem Gatten
Und sah uns an und sagte dann zu mir:
O Karol, Amica ist doch vergeben,
Nie wirst du mit der Vielgeliebten glücklich!
Dann sprach er noch: Jetzt kommt der Ehemann
Von seiner Weide, von dem Hirtenamt,
Er steht gleich vor der Tür und tritt gleich ein,
Für dich, o Karol, bleibt ein Ausweg nur,
Du müsstest eben durch das Fenster fliehen.
CLARION
Ach, war das nicht ein Alptraum, dass die Freundin
Und Vielgeliebte Amica vergeben
An einen andern Mann und du vergeblich
Sie liebst mit aller Tiefe deines Herzens?
KAROL
Nein, weil so schön die süß genossne Lust
Der Liebe war im Bett der Amica,
Und weil ich in dem Traum doch selber wusste,
Daß Amica mich lieb hat, ja, mich liebt!
CLARION
Doch merke ich, du willst jetzt weg. Wohin?
KAROL
Ich will Amour, den armen Schäfer suchen,
Daß er sich in der melancholischen
Umnachtung seiner liebeskranken Seele
Nicht noch an einem Eichenbaume aufknüpft.
MONA LEONE
Geh, such ihn, Karol, du getreuer Freund
Und Weggenosse, Hirte mit dem Hirten,
Und wenn sein Lebenshaus in Trümmern liegt
Nach seiner Lieblingin Carinas Tod,
Erinnre du ihn an das Fundament,
Daß er in Gottes Schoß noch lebt und webt!
KAROL
Was wäre denn mein Leben ohne ihn?
Amour hält doch zusammen meine Seele!
Bei seinem Schutzpatron, ich find ihn noch!
MONA LEONE
Sein Schutzpatron? Wer ist der Heilige?
KAROL
Sankt Amor ists, der alle Welt regiert!


DRITTE SZENE


(Sweety allein im Walde.)

SWEETY
Sie alle wollen mich zur Ehefrau,
Allein weil ich so rote Haare habe!
Dryaden, niemals nehm ich einen Mann!
Ich bin vermählt dem Großen Ziegenbock!

(Mutter Madel erscheint.)

MADEL
Da treff ich meine wunderschöne Tochter
In Sherwood Forest und sie spricht gerade
Mit den Dryaden im Kastanienbaum.
O Sweety, wo Kastanienbäume stehen,
Da ist Geselligkeit und Heiterkeit.
Die Schleierbirken sind wie junge Mädchen,
Die Eichen sind wie Männer, wie Heroen,
Die Buchen sind voll mütterlicher Weisheit.
Kennst du das Alphabet der Bäume auch
Und das Geheimnis der Vokale auch?
A, das ist die Geburt des Göttin-Sohnes
Zur Weihnacht an der Wintersonnenwende,
E ist die Initiation des Heros,
Wenn Tag und Nacht von gleicher Länge sind,
U ist der Hieros Gamos unsrer Göttin
Mit unserm Heidengott zu Sankt Johannis,
Zur Sommersonnenwende, wenn die Göttin
Ihr Hochzeitsbett im Heidekraut gemacht
Und gleich der Bienenkönigin begattet
Vom Heros wird, der in der Hochzeit stirbt,
O ist die Erntezeit, die Traubenernte,
Da spritzt das Traubenblut an nackte Beine
Der Keltertreterin, der alte Gott
Besäuft sich maßlos mit dem roten Wein,
I ist die dunkle Mitternacht der Seele,
Der Sonnengott verschwindet in dem Schoß
Der Großen Mutter Nacht, wird neugeboren
Als Gottessohn, der Großen Mutter Sohn.
SWEETY
Ich bin geboren, da am Himmel die
Plejaden regnen in dem Monde des
Skorpions, der unter Plutos Herrschaft steht,
Was, Mutter Madel, ist mein Schicksalsbaum?
MADEL
Du halte immer dich am Kalmus fest,
Schafgarbe wird den Nieren zugeordnet,
Die Nieren stehen unter Venus’ Herrschaft,
Es herrscht die Waage der Gerechtigkeit
Der Göttin Maat. Doch wo der Pluto herrscht
Und wo der Mond im Haus des Skorpions,
Da regen sich bei Mann und Weib im Leib
Die Sexualorgane, Glied und Scheide,
Der Phallusgott paart sich der Vulvagöttin!
Die Hochzeit wird gesegnet von dem Kalmus.

(Robin Hood erscheint in der Ferne.)

SWEETY
O Madel, Madel, da kommt Robin Hood!
MADEL
Verwandle ich mich in Maid Marian!
O Göttin Ashtaroth! O Gott Abraxas!
Hoc Corpus – Hokuspokus, Hokuspokus!

(Madel erscheint im Habit von Maid Marian. Unter ihrem weißen Gewand ist noch zu sehen der mächtige breite Zaubergürtel. Robin Hood tritt hinzu und hält die Hexe Madel für seine Herrin Maid Marian.)

ROBIN HOOD
Maid Marian, wie schön bist du gekleidet,
Dein weißes Kleid ist weißer als der Schnee,
Dein Lichtgewand ist heller als der Blitz,
So weiß dein Kleid, so weiß kann es kein Färber
Mit Bleiche färben, meine Weiße Frau!
MADEL
Was willst du denn von mir, o Robin Hood?
ROBIN HOOD
Ich will noch einmal dir ins Auge schauen.
MADEL
Ich träumte heute Morgen im Erwachen,
Wir wären schon seit Millionen Jahren,
Seit hundert Millionen Jahren eins
Als Liebespaar vom ersten Tag der Schöpfung!
ROBIN HOOD
So weiß dein Kleid, doch lichter noch als weiß,
Wie lichtdurchflossne Luft, des Äthers Aura,
Ich sehe schimmern durch dein Hauchgewand...
MADEL
Was siehst du schimmern? Robin Hood, mein Freund,
Wie eines Mannes Blicke scharf durchdringen
Das leichte Kleidchen seiner Vielgeliebten
Und nackt sehn in der Phantasie den Leib
Der Vielgeliebten! Bilde dir nicht ein
Im Überflusse deiner Phantasie,
Daß du berührst erotisch meinen Leib,
Den nackten und begehrten Leib, und schändest
Dich selbst, befleckst dich in der Phantasie
Und überwältigst meinen nackten Leib
In deiner Phantasie mit Lustgewalt
Und schändest meine Seele in dem Leib
Und vergewaltigst deine Vielgeliebte!
ROBIN HOOD
Maid Marian, nicht vergewaltigt wirst du
Von mir, du wirst geliebt von Robin Hood!
Nicht nackt seh ich dich unterm Hauchgewande,
Ich seh der Venus breiten Zaubergürtel
Aus Schlangenleder um dein Becken hängen!
Ich öffne deinen Liebreizgürtel, Venus!

(Robin Hood reißt Madel gewaltsam den Zaubergürtel vom breiten Becken.)

MADEL
Sei du verflucht in alle Ewigkeit!

(Madel, ohne Zaubergürtel, verliert den Habit Maid Marians und steht wieder als Hexe Madel da.)

SWEETY
O große Göttin Madel, meine Mutter,
Ich bin die Dienerin der Muttergöttin!
MADEL
Bei Hekate, der Göttin aller Hexen,
Der Göttin von Magie und Zauberei,
Der Göttin, die am Kreuzweg herrscht, der Göttin,
Die stärker ist als selbst der böse Hades,
Hilf mir, die Hirten alle zu verfluchen!
SWEETY
Ja? Werde ich jetzt eingeweiht in die
Magie der schwarzen Göttin Hekate?
MADEL
Ich rufe: Energeia, Energeia,
Kraft-Wirkungen der Geister in dem All,
Verflucht die Hirten und die Christenschar!
SWEETY
Die große Göttin fluche allen Christen!
MADEL
Ich rufe Isis, Königin des Mondes,
Ich rufe Hekate, die Zauberin,
Ich rufe Kybele, die Magna Mater,
Ich ruf Persephone, die Todesgöttin,
Ich rufe Venus, Göttin freier Liebe,
Ich rufe Pluto, der den Reichtum schenkt,
Ich rufe Herakles, der Muskeln strafft,
Ich rufe Pan, den Großen Ziegenbock!
SWEETY
Ihr Götter und ihr Göttinnen der Völker,
Vereinigt euch und fluchet allen Christen!
MADEL
Wir schreiben Robins Namen auf Papier
Und stechen mit der Nadel in den Finger
Maid Marians, mit ihrem Tropfen Blut
Wir weihen Robin Hood dem Großen Bock,
Im Tropfen roten Blutes von Maid Marian
Erscheint das Angesicht von Robin Hood,
Wir schreiben ihm auf seine Christenstirn
Die Zahl der Aphrodite: Sex, Sex, Sex!
SWEETY
Heil Natas, Heil dem Bocke, Sex, Sex, Sex!


VIERTE SZENE


(Im Lager Robin Hoods. Robin Hood, Maid Marian, Karol, Amica, Schäfer und Schäferinnen.)


DIE SCHÄFER
Der Böse hat sich in Gestalt gezeigt,
Wir wissen, dass die Hexerei und schwarze
Magie von okkultistischen Dämonen
Verursacht wird, wo Satan Herrscher ist.
Was wollen wir? Mit kleinen Lämmern spielen,
Auf goldnem Vlies der Mutterschafen ruhn,
Die schwarzen Zicken von den Hügeln wallen
Und fließen sehn wie Haare der Geliebten,
Da stört der Böse uns, der Gottesfeind!
SCHÄFERINNEN
Wir wollen ja nur friedlich Flöten blasen!
SCHÄFER
Man lasse uns die Stille in den Wiesen
Und störe unsern stillen Frieden nicht!
Die bösen Mächte halten sich für Götter
Und haben nichts im Sinn, als uns zu plagen,
Als uns die stille Seelenruh zu rauben.
Gott der Allmächtige vertreibt die Bösen!
Bleibt uns vom Leib mit euren Elixieren
Und euren Zaubersprüchen, ihr Doktoren
In dem Mysterium iniquitatis,
Wir wollen nur den Frühlingslüften lauschen!
SCHÄFERINNEN
Wir wollen ja nur friedlich Flöten blasen!
SCHÄFER
Die böse Macht gibt sich als große Götter,
Als Weiße Götter gar in Linnenkleidern,
Wir fallen nicht herein auf ihren Trug!
Ach, wenn die Glöckchen an den Lämmern läuten
Und wenn die Glocke der Kapelle läutet,
Wo still im frommen Wahn der Eremit
Sein Ave murmelt jede Abendstunde,
Dann finden Frieden wir in der Natur.
Wir wollen nur von schöner Liebe träumen!
SCHÄFERINNEN
Wir wollen ja nur friedlich Flöten blasen!
SCHÄFER
Ob auch der böse Feind den Frieden stört
Und in den dumpfen Mauern seines Kerkers
In giftigen Phiolen Elixiere
Zusammenbraut und Todesgifte mischt,
Die Schäferinnen schenken wieder Frieden
Den Schäfern, wenn sie ihren Stimmen lauschen.
Wir wollen ja nur heitre Liebe feiern!
SCHÄFERINNEN
Wir wollen ja nur friedlich Flöten blasen!
SCHÄFER
Ja, Schäferinnen, blast die Hirtenflöten!
SCHÄFERINNEN
Maid Marian ist anders doch als Madel!
Ihr Schäfer, singt ein Lied Maid Marian,
Lobpreist die Frau im Wechselsang der Musen!
EIN SCHÄFER
Als ich Maid Marian zum ersten Mal
Am Feuer sitzen sah am ersten Mai,
Erkor ich sie zur Maienkönigin,
Die schlank wie eine Schleierbirke ist.
Ich sah sie an, die androgyne Anmut
Von femininer Schönheit, und ich dachte:
Das ist gewiss der Engel Gabriel!
Da trat ich zu der Herrin, fragte sie:
Bist du ein Mädchen oder gar ein Engel?
Ich glaub, du bist der Engel Gabriel!
Maid Marian still lächelnd sah mich an
Und sprach: Das habe ich noch nie gehört!
O Syrinx, blase uns die Flöte Pans!
ANDERER SCHÄFER
Als ich spazieren ging im grünen Wald,
Maid Marian sah ich am Baume stehn,
Sie schaute mich aus warmen Augen an,
Verschleiert war ihr Haupt vom langen Haar,
Ihr Auge blitzte voller Lebensfunken,
Ihr Antlitz war voll Ernst und doch voll Lächeln,
Die Augen schauten klug vor Frauenweisheit,
Mir war, ich sah die heilige Madonna!
O Syrinx, blase du die Flöte Pans!
ERSTER SCHÄFER
Von meiner vielgeliebten Schäferin
Vernahm ich, dass Maid Marian fast tot
Und schon mit einem Fuß im Jenseits war
Und dort begegnet ist Messias Jesus
Und ward vom Herrn zurückgeschickt zur Erde,
Drum ist sie auch kein Mensch, sie ist ein Engel!
O Syrinx, blase du die Flöte Pans!
ZWEITER SCHÄFER
Ich sah Maid Marian im Kreis von Frauen,
Da schienen alle andern Frauen mir
Brennesseln nur und Disteln nur und Dornen,
Maid Marian war aber eine Rose,
Nein, eine rosaweiße Lotosblume!
Maid Marian ist ganz wie die Madonna!
Madonna ist im Himmel eine Göttin,
Maid Marian auf Erden eine Göttin!
O Syrinx, blase du die Flöte Pans!
SCHÄFERINNEN
Der erste Schäfer spende eine Zicke,
Genauer, eine fette schwarze Zicke,
Der zweite Schäfer spende einen Becher,
Genauer, einen breiten vollen Becher!
O Syrinx, gern bläst du die Flöte Pans!

(Karol und Amica sondern sich ab und stehen unter einem großen Kastanienbaum.)

KAROL
Ach Amica, wie schön doch, dich zu sehen!
AMICA
Ach Karol, eher konnte ich nicht kommen,
Denn meine Lämmer hatten sich verlaufen.
KAROL
Als du nicht da warst, war ich gottverlassen!
AMICA
Den Gottverlassenen ist Jesus nahe!
KAROL
Am Morgen aber schöpft ich neue Hoffnung,
Ich hörte sprechen dich in meinem Kopf,
Du flüstertest von süßen Liebesfreuden.
AMICA
Du bist ein Mann! Vergiss nicht, ich bin keusch!
KAROL
Dann sah im Osten ich die Sonne aufgehn,
Da dacht ich: Amica geht auf im Osten!
AMICA
Ja, wenn ich so in deiner Seele lebe,
Bin ich es wirklich selber, die du liebst?
Liebst du nicht nur ein reines Ideal
Und dem gibst du den Namen Amica?
KAROL
Ich sah dein Angesicht in meinem Geist,
Da warst du eine Göttin, welche lächelt.
AMICA
Ich habe eben auch an dich gedacht.
KAROL
Was hast du denn von mir gedacht, o Freundin?
Ach, sag es lieber nicht, es könnte sein,
Daß du gedacht: Er soll mich nicht begehren!
AMICA
Begierde ist nicht Liebe, sondern Liebe
Ist selbstlos, führt den anderen gen Himmel.
KAROL
Du bist ja selbst mein süßes Paradies!
AMICA
Und auch Vergötterung ist keine Liebe.
KAROL
Und leidenschaftlich soll ich auch nicht sein?
AMICA
Nein, liebe rein und ohne Leidenschaften,
Apathisch bleibe in der Seelenruhe
Und liebe keusch und unbefleckt wie Gott.
KAROL
Gott ist doch selber leidenschaftlich liebend!
Gott liebt und will auch unsre Gegenliebe!
AMICA
Sei nur getrost. Ich hab dich ja auch lieb.


FÜNFTE SZENE


(Der Hexensohn und Schweinehirte Daddy steht vor dem Baum, in den Carina eingesperrt ist.)

DADDY
Ich will dich, o du reizende Carina!
Gehören sollst du keinem als nur mir!
Drei Triebe sind im Herzen ja des Menschen,
Drei Leidenschaften, die den Menschen treiben:
Erwerben will der Mensch und will besitzen,
Beherrschen will der Mensch die ganze Welt,
Begatten will der Mann sein Weib und zeugen!
Carina, du bist meine Leidenschaft
Der Leidenschaften: Dich will ich erwerben,
Doch werben will ich nicht als Minnesänger
Mit einer Mandoline vorm Balkon,
Um nichts als nur Geranien zu verdienen,
Erwerben will ich dich, genauer noch
Gesagt, ich will dich nicht einmal erwerben
Mit Geld wie eine ordinäre Hure,
Nein, du sollst Geld mir zahlen, aber ich
Will dich wie eine Beute mir erhaschen
Und rauben dich und stehlen dich der Welt!
Besitzen will ich dich! Ich selber bin
Besessen vom Gedanken, dich zu haben,
Dich ganz zu eigen zu besitzen und
Mit dir zu schalten und zu walten wie
Mit etwas, das mir ganz zu eigen ist,
Was keiner mir mehr nehmen darf und keiner
Besitzen darf als ich allein und was
Sich selbst nicht stehlen kann aus meiner Hand,
So will ich dich besitzen, dass du mir
Die Sicherheit in diesem Leben gibst,
Darauf ich bau den Tempel meines Lebens.
Beherrschen will ich dich und deinen Leib!
Ja, Macht, das heißt Magie! Und mächtig bin ich,
Denn ich beschwöre deine Seele mit
Geheimen Zaubersprüchen und beherrsche
Dein Denken durch die Weisheit, die Abraxas
Und Ashtaroth höchstselber mir verliehen,
Vor allem aber will ich herrschen über
Den Körper der Begehrten, dass dein Körper
Nicht länger deiner eignen Wollust diene,
Nein, dass dein Körper Liebessklavin sei
Und mir gehöre, meiner Wollust diene,
Du alles tust, was ich von dir verlange
Und du auf jede Weise mein Begehren
Befriedigst, wie ich selber es mir wünsche!
Du meiner Leidenschaften Leidenschaft,
Du göttliche Dryade, komm hervor!

(Carina kommt aus der Baumhöhle, in die sie gebannt ist und steht vor Daddy. Carina ist sehr appetitlich anzuschauen und Daddy fuchtelt erregt um sich vor Geilheit.)

Ah, wenn ich dich so seh, Begehrteste,
So werde ich zu einem Gartengott!
Anbetung, Ruhm und Ehre, Dank und Lobpreis
Sei Gott Priap, dem ewigen Priap!
O, wenn ich an dich denke, süßes Weib,
So seh ich den allmächtigen Priap
Sein Gotthaupt stolz erheben, Gottes Allmacht!
Der Phallus ist der Sirius am Himmel
Und Hoden sind die Dioskuren-Götter,
Du aber bist die Venus aus der Steinzeit,
Allmächtig deine göttergleichen Brüste,
Dem Euter gleich der Goldnen Himmelskuh,
Dein Becken aber ist der Becher Gottes,
In welchen ich den Schaumwein spritzen will!
Du liebst so sehr die transparente Seide,
Du heilige Hetäre, Gottes Hure,
Ich will die Seide dir vom Leibe reißen!
Liebst du so sehr den transparenten Stoff,
Will ich auf meinen steilen Phallus stülpen
Den transparenten Beutel, der gemacht
Aus Stierdarm, stülpe mir den Beutel über!
Bespringen will ich dich, so wie der Stier
Die Kuh bespringt von hinten, oder wie
Der Elch mit seinem erigierten Penis
Sein Weib von hinten mächtig will begatten!
Doch bist du willig nicht, brauch ich Gewalt!
Dann reiß ich dir die Kleider von dem Leib
Und werfe splitternackt dich auf den Boden,
Mit einer Hand halt ich den Mund dir zu
Und mit der andern Hand und mit dem Arm
Ich reiße deine Beine auseinander
Und werfe meinen Körper auf den deinen
Und stoße meinen Gott in deine Scheide
Und stoße zu und vögle dich zu Tode!
Ja, meine Wollust will ich an dir haben,
Dein Fleisch will ich benutzen dir zur Lust!
Nur weg mit aller Sklaverei der Kirche,
Nur weg mit der bigotten Prüderie!
Ich habe Triebe, die allmächtig sind,
Und du bist meine Triebbefriedigung!
Ich habe einen göttergleichen Phallus,
Du hast die Scheide für mein scharfes Schwert!
So spreize deine Beine, lass dich vögeln,
Sonst spreiz ich selber deine Beine, Weib,
Und bohr mein scharfes Schwert in deine Scheide,
Ob du auch blutest aus von meinem Schwert!
Priap gebietet, ich gehorche Ihm!

(Der Schäfer Clarion kommt aus der Ferne näher und singt.)

CLARION
(singt)

O reine Venus ohne Leidenschaft,
Du Makellose, Pure,
Frau Liebe bist du, welche Welten schafft,
Nicht ordinäre Hure.

O Ewigkeit der süßen Lebenskraft,
Du Schöpfertrieb der Liebe,
Wie alles sich entwickelt durch den Saft
Voll deinem Göttertriebe!

Frau Venus, o du große Gott-Natur,
All deine Triebe schaffen,
Das ganze All ist deine Kreatur,
Die Geister und die Affen.

Frau Venus, schenk mir deine süße Gunst,
Die Gischt schäumt auf am Felsen,
Du webst mein Schicksal, lehre mich die Kunst,
In Liebe zu verschmelzen!

Frau Liebe, meine höchste Meisterin,
Ich bet zu deiner Ehre,
Von dir kommt alles, Liebe, was ich bin,
Ich bad in deinem Meere!

Frau Liebe, höchste Schönheitskönigin,
Ich bin von deiner Gnade,
All deinen Fluten gebe ich mich hin,
Der ich in Liebe bade!

Frau Liebe, schenk mir der Ekstase Trunk,
Des Mischweins breiten Becher,
In trunkner Nüchternheit mein Haupt ich tunk,
Des Schicksals Wellenbrecher!

Frau Venus von dem reinen Engelsgeist,
In deiner Lust ich bade,
Ob mich das Schicksal an den Strand auch schmeißt,
Lust wartet am Gestade!

DADDY
Wer kommt da an mit Pfaffen-Litanei?
Sexgöttin Venus, berge du Carina
Im Baum vor dem profanen Blick des Mannes,
Der Liebe feiert wie ein Heiligtum
Und weiß nichts von den tollsten Schweinereien!

(Daddy versteckt Carina wieder in der Baumspalte.)


SECHSTE SZENE


(Clarion steht unter dem Baum, in den Carina gebannt ist. Er hört eine Melodie, die wortlos gesummt wird.)

CLARION
Ich höre einen lieblichen Gesang,
Ich höre eine tröstliche Musik,
Die spricht zu meiner Seele, tut mir gut.
Das Orgelspiel der Erde ist wohl schön,
Doch schöner ist das Orgelspiel des Himmels.
Der Wind bläst auf den Flöten starker Eichen
Und Nachtigallen flöten für die Rosen.
Die ganze irdische Natur erscheint
Mir als Musik. Ich glaube gar, der Schöpfer
Im Anbeginn nahm sein Psalterion
Und strich die Harfensaiten seines Psalters
Und aus den hohen Tönen wurden Engel
Und aus den tiefen Tönen wurden Affen
Und Menschen sind wie Engel und wie Affen
Musik, sind Schwingungen des Psalters Gottes.
Ich denke an Carina bei den Tönen,
Wie gern sie sang französische Romanzen
Und auch wie gern sie sang die Weihnachtslieder
Mit ihrer engelreinen Kinderstimme.
Musik ist für die Liebenden gemacht,
Musik ist für die Trauernden gemacht,
Und diese Melodie, die ich jetzt höre,
Ist wie Ägyptens Hieroglyphen magisch,
Ist magische Beschwörung des Geliebten.
Ja, wahrlich, da kommt schon Amour gegangen!
AMOUR
(Tritt zu Clarion unter den Baum)
Umarmen möchte ich wohl diesen Baum,
Denn eine Harmonie geht aus vom Baum,
Die tröstet meine kummervolle Seele.
Doch kann ich nicht anstatt Carina lieben
Dryaden, diese Nymphen in den Bäumen.
Die Weisen dieser Welt versuchen mich
Zu trösten über meines Liebchens Tod
Und sagen: Geh nur immer in den Wald,
Die Schöpferin Natur wird dort dich trösten,
Die Schöpferin Natur wird zu dir sprechen
Und schenkt dir Liebe, wenn du ihre Bäume
Umarmst und nimmst die Kraft der Bäume auf.
So spotten mein die Klugen dieser Erde,
Denn welcher Liebende wird die Geliebte
Verwechseln mit den Nymphen in den Bäumen?
Jetzt aber scheine ich verrückt zu werden,
Weil ich die Seele der Natur vernehme
Und höre die Musik der Schöpferin
Natur mir mit Carinas Stimme summen!
CLARION
Das ist ein mystischer Gesang, nicht wahr?
AMOUR
Das ist Carinas Stimme, aber nicht
Carina in dem Kleid der Sterblichkeit,
Carina hat das Kleid schon abgelegt
Der Sterblichkeit und ist unsterblich jetzt
Der Engel Schwester, meine Engelin!
So ist auch diese himmlische Musik
Musik der Engel. Wenn die Engel singen
Im neunten Chor der Hierarchie der Engel,
Sie singen dann französische Romanzen.
Die Zunge, die französisch Liebe singt,
Das ist Carinas Zunge, ist die Zunge
Der Engel, welche von der Liebe flötet.
Oft auch erheben sich die Engel und
Die Engelinnen von dem Berg Parnaß
Und steigen auf zum Chor von Gabriel
Und Michael und Raphael und steigen
Hinan in die Elysischen Gefilde
Der Fürstentümer zu den Tugenden,
Wo Tugenden in Lorbeerkränzen wallen,
Und Mächte, Herrlichkeiten und Gewalten
Der Liebe Hymnen singen an die Gottheit,
Und steigen zu den jungen Cherubinis
Und zu den Seraphinen, die seraphisch
Als Feuerschlangen von sublimer Weißglut
Vereinigt mit den Götterthronen tönen
Die leidenschaftliche Passion des Herrn
Und donnern dann im Himmel aller Himmel
Zum Orgelspiel des Himmels das Tedeum!
Wenn aber Engel sind und Engelinnen
Auf ihren Inseln der Glückseligkeit
Vom Gottesdienste frei und unter sich,
Dann flöten wie verliebte Nachtigallen
Sie die französischen Romanzen wieder
Und schwärmen von der Lust der Jugendliebe
Und von dem Zucker dieser Zeit, der Wollust,
Weil sie genießen die Glückseligkeit
Berauschender Ekstase in der Liebe!
CLARION
Da kann ich dir nicht folgen, lieber Freund,
Ich bin nicht so zuhause in den Himmeln.
Nie hat ergriffen so mich mit Gewalt
Die mystische Ekstase, wie sie dich
Gleich den Betrunkenen dir selbst entrückt.
Vergiß nicht, ich bin nur ein armer Schäfer,
Ich weiß Bescheid vom Streit der Widder und
Der Mutterliebe auch der Mutterschafe
Und Lämmer kenn ich, die in Lilien weiden,
Ich kenn die Schöpferin Natur, jedoch
Der Engelinnen Zunge kenn ich nicht.

(Über Clarion und Amour erscheint die kleine Hand Carinas.)

AMOUR
O Himmel, Himmel, ich seh Gottes Hand!
Ja, Gott streckt seine Hand vom Himmel aus!
Rasch, meine Seele, ich will beichten gehen!

(Amour entfernt sich eilig.)

CLARION
O weiße Hand, o süße Frauenhand,
Dir will ich huldigen, o liebe Hand!
Von deiner Hand so süße Gnaden kommen,
Ich glaube gar, dass deine Hand voll Gnade
Selbst am Karfreitag voller Liebe ist!
Wenn ich betrachte die geschickten Finger,
Wie diese lieblich zu liebkosen wissen,
Dann strömen Ströme süßen Glücks durch mich!
Mit dieser Frauenhand voll schönster Gnaden
Berühre du die Lenden des Gemütes mir
Und führe mich auf deinen Weg der Liebe!
O Frauenhand, o Frauenhand voll Gnade,
Im Alten Testamente auch der Knecht
Tat seine Hand zum Schwur dem Abraham
Auf seine Hüfte, der Beschneidung Mal
Berührend, schwur er ihm den Bund der Liebe!
O Hand, gewähre mir die Huld doch einmal,
Zu schwören bei dem Male der Beschneidung.
Ob ich auch meine Vorhaut noch besitze,
Nimm du mich in die Allianz auf der
Beschnittenen und pfropf den wilden Zweig
In deinen edlen Feigenbaum und so
Du okuliere und du kopuliere
Und pfropf den Wildtrieb auf den Feigenbaum,
Auf dass ich Früchte auch der Buße bringe!
Dann lege deine Frauenhand voll Gnade
Aufs Haupt voll Blut und Wunden, streichle, streichle,
Liebkose du das Haupt voll Blut und Wunden!
Von deiner Frauenhand voll süßer Gnade
So süße Liebesgnaden gehen aus,
Daß mich elektrische Begeisterungen
Durchzücken wie die lichten Blitze Gottes!
Und alle Lebenskraft und Lebenstriebe
Leg ich vertrauensvoll in deine Hand
Und schütte alle Perlen meiner Seele
In deine liebevolle Frauenhand.
Du in der Palme deiner Hand empfange
All meiner Liebe glühende Ergüsse!

(Plötzlich aufkommender grauer Nebel verschleiert die ganze Szene.)


SIEBENTE SZENE


(Plötzlich löst sich der dichte Nebel auf. Mutter Madel mit Tochter Sweety und Sohn Daddy.)

MADEL
O Morgennebel, o du weißer Schleier,
O Abendnebel, o du weißer Schleier,
Die Menschen alle haben Grauen Star
Und sehen nicht die Göttin der Natur,
Die sich verhüllt in dichten Nebelschleiern.
SWEETY
Woher der Nebel kam so plötzlich, Madel?
MADEL
Du nennst mich Madel? Sage lieber Mama!
SWEETY
Ach, lieber will ich zu dir Madel sagen,
Dein Name schon allein, o Madel, ist
Magie, ist reine Zauberei der Göttin.
DADDY
Ich hab ein Kinderlied in meiner Seele.
MADEL
Mein Junge, singe mir das Kinderlied!
DADDY
(singt)

O Mama, laß dein Antlitz auf mich scheinen,
Du musst doch nicht um deinen Jungen weinen,
O Mama, süße Mama!

O Mama, lass du Tränen auf mich schauern,
Du musst doch nicht um deinen Jungen trauern,
O Mama, süße Mama!

O Mama, schau zu mir wie Schleiereulen,
Du musst doch nicht um deinen Jungen heulen,
O Mama, süße Mama!

MADEL
Schau, Sweety, Daddy nennt mich Mama noch.
DADDY
Nein, Madel, wenn ich von der Mama singe,
Dann meine ich die große Göttin Mami!
MADEL
Ich bin der großen Göttin Priesterin,
Und dass die Welt die Göttin nicht erblickt
So splitternackt, wie ich sie geistig schaue,
Drum wirkte ich den weißen Schleiernebel.
Denn wenn die Menschen unsre liebe Göttin
In ihrer bloßen Nacktheit schauen würden,
Wie ich sie schaue immerdar im Geist,
Der Göttin weiße Brüste, weiß wie Milch,
Wie Blitze würden sie die Menschen blenden!
DADDY
Die Menschen reden immer von Carina,
Als würden sie sie kennen so wie ich.
Ich will sie ganz für mich alleine haben!
MADEL
Ja, darum wirkte ich den dichten Nebel,
Daß nicht Amour und Clarion und Karol
Und all die andern schäferlichen Narren
Entdecken deine Lieblingin Carina
In ihrer Spalte, in den Baum gebannt.
DADDY
Mach bitte Zauberkreise um Carina,
Daß nicht die Hirten ihr zu nahe treten.
MADEL
Ja, Kreise will ich ziehen um Carina.
O Nostradamus, hilf zu der Magie,
Daß selbst die schwarz- und weißen Hirtenhunde
Nicht überschreiten dieses Pentagramm.
DADDY
Wenn ich mit Hexerei okkulter Geister
Carina bannen und beschwören kann,
So wird sie wie ein Incubus ganz mein!
Ich werde als ein Satanshexenmeister
In dem verhexten Schoß Carinas zeugen
Dämonensöhne, die die Welt verfluchen!
MADEL
Ja, zeuge du im Geist Dämonensöhne,
Die treu gehorsam ihrem Vater Satan!
DADDY
Verhexe mir den Incubus Carina,
Daß sie dem alten Ziegenbocke Satan
Anbetend küsst den Allerwertesten!
MADEL
O Daddy, schwöre du bei Satans Zahl,
Schwör Satan Treue, schwöre: Sex, Sex, Sex!
DADDY
Ich bring den Hirtenknaben Lieder bei,
Da singen sie dem großen Helden Natas!
O Natas, steh uns bei, o Herr und Meister!
MADEL
Sie wissen gar nicht, was sie singen, Narren,
Doch beten sie den alten Satan an!
DADDY
Die Hirtenmänner lehr ich Lieder, Tänze
Die Hirtinnen, sie singen zu den Tänzen:
O Sex, Sex, Sex! Sie freuen sich daran
Und wissen nicht, sie preisen Satans Zahl!
MADEL
Fluch diesem kindlich-reinen Schäferfest,
Den Christen Fluch, die sich an Christus halten!
SWEETY UND DADDY
Im Namen aller alten Götter, Fluch!
MADEL
Fluch jedem Eremiten, der allein
Nur der Betrachtung lebt der Weisheit Gottes!
SWEETY UND DADDY
Im Namen aller alten Götter, Fluch!
MADEL
Fluch allen Priestern, die gen Osten schaun
Und sehn die Hostie an wie Gottes Sonne!
SWEETY UND DADDY
Im Namen aller alten Götter, Fluch!
MADEL
Fluch jedem fetten Mönch, der Fleisch genießt
Und jeden Abend eine Flasche leer trinkt!
SWEETY UND DADDY
Im Namen aller alten Götter, Fluch!
MADEL
Fluch allen Ultramontanisten, die
Nach Roma schauen zu dem Patriarchen!
SWEETY UND DADDY
Im Namen aller alten Götter, Fluch!
MADEL
Fluch allen frommen Müttern, die sich weigern,
Die eignen Leibesfrüchte abzutreiben!
SWEETY UND DADDY
Im Namen aller alten Götter, Fluch!
MADEL
Fluch allen Mönchen, die die Kinder achten,
Als ob sie alle Jesuskinder wären!
SWETY UND DADDY
Im Namen aller alten Götter, Fluch!
MADEL
Fluch allen Christen, die als Missionare
In aller Welt die Heiden missionieren!
SWEETY UND DADDY
Im Namen aller alten Götter, Fluch!
MADEL
Fluch allen Rittern, die auf Kreuzfahrt gehen
Und Christen schützen an dem Grabe Gottes!
SWEETY UND DADDY
Im Namen aller alten Götter, Fluch!
MADEL
Fluch allen Hirten, die die Herde weiden,
Und die nicht fliehen, wenn die Wölfe kommen!
SWEETY UND DADDY
Im Namen aller alten Götter, Fluch!
MADEL
Fluch allen Frauen, die Maria lieben!
Im Namen unsrer alten Göttin, Fluch!


ACHTE SZENE


(Alle Schäfer und Schäferinnen, Gäste bei Robin Hoods Festmahl, pirschen durch den Wald.)

SCHÄFER
Wir lesen Spuren auf der schwarzen Erde,
Wir lesen Spuren in dem feuchten Gras.
Wo ist die Hexe, dass wir sie vertreiben!
SCHÄFERINNEN
Lasst unsre Hunde Witterung aufnehmen!
SCHÄFER
Die Himmelsrichtung zu bestimmen, lesen
Wir ab das Moos im Westen an der Rinde.
SCHÄFERINNEN
Die Zeit und Stunde sagt die Sonne an.
SCHÄFER
Auch unser Kompaß immer weist gen Norden.
Im Norden ist der mächtige Magnetberg.
Ob wir auch in dem tiefsten Süden wären,
Die Nadel zeigte immer in den Norden.
SCHÄFERINNEN
Im Norden, in der Mitternacht, da wohnt
Der Böse, sitzend auf dem Götterberg!
SCHÄFER
Wenn wir den bösen Feind erst überwunden,
Versammeln wir uns in Arkadiens Auen.
SCHÄFERINNEN
Wir waren auch einst in Arkadiens Auen!
SCHÄFER
Die böse Macht lässt uns doch keine Ruhe,
Bis wir den Satanismus überwunden,
Wir finden eher keine Seelenruhe.
SCHÄFERINNEN
Wir wollen aber euch apathisch haben
Und wie die Kyniker bescheiden lebend
Mit Wasser nur und heißer Erbsensuppe.
SCHÄFER
Wir aber wollen nicht apathisch sein,
Wir wollen Leidenschaft und Zweifel lieber!
SCHÄFERINNEN
Das wird sich alles finden, wenn die Hexe
Erst ausgetrieben ist aus Sherwood Forest.
SCHÄFER
Von Robin Hood noch werden Knaben singen!
SCHÄFERINNEN
Maid Marian besingen dann die Dichter!
SCHÄFER
Hier endet ihre Spur, die Hexe wohnt
Hier hinter dieser Heckenrosenhecke
In ihrer Hütte mit des Teufels Küche.

(Die Schäfer und Schäferinnen dringen durch die Heckenrosenhecke und sehen die Hütte der Hexe Madel. Die Tür ist offen. Madel sitzt in des Teufels Küche und modelliert eine Wachspuppe von Robin Hood und sticht Nadeln in die Wachspuppe und murmelt dabei Zaubersprüche.)

MADEL
Jetzt, Robin Hood, durchbohr ich dir die Hände,
Den Nagel schlag ich dir durch deine Hände,
Jetzt, Robin Hood, durchbohr ich dir die Füße,
Den Nagel schlag ich dir durch deine Füße,
Jetzt, Robin Hood, durchbohr ich deine Stirne,
Die Dornen bohren sich in deine Stirne,
Jetzt, Robin Hood, durchbohr ich dir dein Herz,
Es bohre sich die Lanze in dein Herz!
Abraxas, Ashtaroth! Herbei, Dämonen!

(Die Hexe nimmt einen neuen Wachsklumpen und modelliert die Wachspuppe von Maid Marian und bohrt Nadeln in die Wachspuppe und murmelt Zaubersprüche.)

Maid Marian, jetzt stech ich dir ins Herz,
Umwunden soll dein Herz von Dornen sein,
Ja, sieben Schwerter stechen dir ins Herz!
Abraxas, Ashtaroth! Herbei, Dämonen!
SCHÄFER
O heilige Maria von dem Dornbusch,
Komm uns zu Hilfe, große Mutter Gottes!
SCHÄFERINNEN
Mit jenen, deinen allbarmherzigen
Und tränenvollen Augen führe uns
Hinweg aus dieser finstern Teufelsküche!
SCHÄFER
Du, Jungfrau, trittst der Schlange auf den Kopf!
SCHÄFERINNEN
Du Zweite Eva, unser Garten Eden,
Vertreibe du den Engel Luzifer
Und alle okkultistischen Dämonen!
SCHÄFER
Maria, große Frau der Offenbarung,
Wahrsagerinnen und Hellseherinnen
Und Astrologen und die Hexen schwarzer
Magie und alle Poltergeister und
Auch jeden Kobold, jedes Nachtgespenst
Und alle Geister aus den Elementen
Und Lilith und den Rattengott vertreibe!

(Von der Sonne kommt zur Erde der große feurige Erzengel Ariel, von einem gewaltigen Gotteslöwen begleitet. Der Gotteslöwe brüllt, die Hexe Madel erschrickt, der Erzengel Ariel wirft eine Flamme vom Flammenherd Gottes auf des Teufels Küche, die im Feuer zu Asche verzehrt wird. Dann wendet sich der seraphische Erzengel Ariel an die Schäfer und Schäferinnen.)

ARIEL
Im Namen Göttlicher Triade – Dreiheit
In Einheit – lebt jetzt in dem Geist der Freiheit!
Wer Sklave ist der Mutter Gottes, Sklave,
Noch tiefer als ein Sklave, grüßt sie Ave,
Die Herrin grüßt in ihres Thrones Sessel,
Dem löst die Mutter Gottes jede Fessel!
Erst wer sich an den wahren Gott gebunden,
Als Gottesknecht die Freiheit hat gefunden!
Wer frei sein will im Hochmut und im Stolze,
Sich nicht versklavt dem Heiland an dem Holze,
Wer voller Hochmut selbst sich will erlösen,
Der bleibt geringster Knecht der Macht des Bösen!
Beim großen Kindermörder, bei Herodes,
Der Sünder bleibt versklavt ein Knecht des Todes!
Die aber ganz sich Gottes Mutter weihen,
Die kann die Mutter Gottes nur befreien!
Bei Salomo und bei dem Seher Nathan,
Die Jungfrau nur befreit euch von dem Satan!
Weil ihr die Jungfrau grüßt, die ohne Mängel
Ganz Gottes ist, schickt sie euch ihren Engel!
Mein Name Ariel heißt Gottes Feuer,
Aus dieses Labyrinthes Abenteuer
Ich führe euch zum Feuerherde Gottes!
Wer tritt zum Feuer, frei vom Hohn des Spottes,
Wer tritt zum Feuer Gottes ohne Schuhe,
Den Unbeschuhten führe ich zur Ruhe,
Befriedet alle seine Lebenstriebe
Die heiße Flamme nur der Schönen Liebe!

(Der Erzengel Ariel schreitet voran, die Schäfer und Schäferinnen folgen dem Erzengel auf eine Lichtung, von hellster Frühlingssonne erhellt, zu ihnen gesellen sich Robin Hood und Maid Marian.)

ROBIN HOOD
Hier stehe ich und kann nicht anders, Frau,
Gott will es so, o Frau: Ich liebe dich!
MAID MARIAN
Auch ich, auch ich, ich liebe dich im Geist!