Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

GEDICHTE




Von Josef Maria Mayer


SONETTE AN DAS EWIGWEIBLICHE



DIE MUSCHEL

Ich sah ein volles Glas mit Muscheln, weiß wie Schaum.
O weibliches Geschlecht, geboren aus dem Meere,
Du Lilienarmige, du Heilige und Hehre,
Es rauscht ein Ozean in deinem Innenraum.

Weltinnenraum, der voll enormer Schönheit Traum,
Ein Rauschen höre ich, Sirenen deiner Sphäre,
Und philosophisch rauscht die Weisheit deiner Leere,
Die füllt sich an mit Gott, so voll, du trägst es kaum.

Ob ich gelegen einst im Schoß von Felsenklippen,
Wo mich geliebt die Frau, liebkost mit lieben Lippen,
Stets auf der Muschel thront die Jungfrau keuscher Scham.

Ob dort der Schaum gesprüht, der Gischt gesprüht die Welle,
Der Lichtstrahl glitt verliebt dir über deine Schwelle,
O Muschel, damals war ich Cypris’ Bräutigam.


DIE VULVA

Als Ursprung dieser Welt die Vulva zu verehren,
Hing die Ikone ich an meines Zimmers Wand.
Berühre nicht die Scham mit schuldbefleckter Hand,
Die Keuschheit wird sich stets mit scharfen Zähnen wehren.

Ob auch die Traurigkeit geschickt, mich zu beschweren,
Ich schaute Hoffnung doch, hoch über den Verstand,
Die Quelle schaute ich, die sprudelt durch das Land,
Die Quelle, deren Bach von Milch ernährt die Sphären.

Gott selber trägt mich doch für immer in dem Schoß,
Dort bin und webe ich, in Freiheit grenzenlos,
Weil Gottes Vaterschoß mich trägt in seiner Mutter.

Die Kirche schaut ich auch der Sancta Vagina,
Die Jungfrau, die gebar das Wesen Ich-bin-da,
Die Mutter, die ernährt mit Mutterkuchens Futter.


DIE GROTTE

Südfrankreich ist mein Traum, die Seele der Franzosen,
Der Engel Frankreichs ist mein Lieblings-Liebestraum.
Hier schaute ich die Frau in dem Weltinnenraum,
Im Kleid aus Sonnenlicht den Leib der Makellosen.

Ich küsste ihren Fuß, ich schaute goldne Rosen
Auf ihrem nackten Fuß, der weiß wie Meeresschaum.
Ihr Leib war lang und schlank, war wie ein Palmenbaum,
Die Universen all um ihren Gürtel tosen!

So schwebte diese Frau aus Licht in dunkler Grotte,
So herrlich war die Frau, die Göttin in dem Gotte,
Daß ich ein Opfer fast des wilden Wahnsinns wurd,

Der ich geküsst den Tau, der quoll aus Felsenspalten,
Vom Wasser trunken ward, vom nüchternen und kalten,
In weißer Glut verzückt vor Unsrer Frau von Lourdes.


DIE HÖHLE

Ich lebte in der Nacht als wie im Mutterschoß,
Da meine Zelle war wie eine dunkle Höhle.
O Gott, der mich gesalbt mit Myrons Freudenöle,
Die Freiheit schenkst du mir, die Freiheit grenzenlos,

Weil ich geborgen bin als Kind der Gottheit, groß
Ist Gott und groß ist auch in Gnaden meine Seele!
Du hauchtest Atem ein, o Gott, in meine Kehle,
Auf dass ich singe dir, o Gottheit makellos!

Dem Karmelkloster gleich ist meine Karmelzelle,
In Gottesfinsternis erstrahlt der Weisheit Helle,
Die Höhle, die mich barg, war Mutter dunkle Nacht.

In meiner Höhle Schoß ich barg mich innig, dichte
An meinem großen Gott mit Menschenangesichte,
Ich hab in tiefer Nacht mit meinem Gott gewacht.


DIE LILIE

In tiefer Mitternacht, in schmerzensreichem Winter,
Die Lilie schaute ich, die Lilie makellos.
Susanna nannt ich sie, die Jungfrau fleckenlos,
Die Jungfrau, die gebar im Geiste Gotteskinder.

War keine Blume je als diese Lilie linder.
Der Rose scharfer Dorn schuf Herzeleide groß,
Doch tief und offen war der Lilie keuscher Schoß,
Ihr Liebreiz machte mich im Weh zum Überwinder.

Wie tief ist doch ihr Kelch, wie rein sind ihre Triebe,
Wie tief ist doch ihr Kelch, wie tief die Gottesliebe!
Tief ist der Lilie Kelch, weil tief die Liebe ist!

O hilf mir, großer Gott, mein Heiland, Hosianna!
Aus Gnade schenke mir den Lilienkelch Susanna!
Weil Christus lebt in ihr, ist sie ein Andrer Christ!


DIE LUNA

Ich war im Irrenhaus und sah das Frauenhaus
Und überm Frauenhaus die makellose Luna.
Frau Welt verstand mich nicht, begünstigt von Fortuna,
Frau Welt verstand mich nicht, als voll von Gram und Graus

Ich irre war vor Schmerz, voll Wahn im Irrenhaus.
Kaninchen starben hin, die nannte man Laguna,
Die Muse küsste mich, die heilige Iduna,
Die Nase Ruach blies mir an mit Geistesbraus.

Es war um Mitternacht in mir ein wildes Chaos,
Da Paris Helena begehrt von Menelaos,
Da in der Mitternacht Manie mir beigewohnt.

O Gottesprophetie, du heilige Mania,
Der Himmelsmuse Kuss, des Eros Pan-Sophia,
Schau, über allem Wahn wacht makellos mein Mond!


DIE VENUS

Ja, flüchte aus der Welt ins Himmelreich der Venus!
Die Lava des Vulkans ergießt Kleopatra,
Wo bei Kleopatra die Göttin Maat ich sah,
Als trunken ich vom Wein, den schenkte mir Silenus,

Zum Dritten Himmel riß mich rasch hinan mein Genius,
Wo Laxmi ich im Bad sich nackend duschen sah,
Wo Ishtar lächelte, Inanna auch war da,
Sie alle beteten zu Jesus Nazarenus!

Im Dritten Himmel ich gefallen bin ins Bette
Der göttlichen Vénus, liebreizender Colette,
Die mich empfing wie Tau, der tropft ins schwarze Moos!

Die Wollust war sehr groß, die Liebe aphrodisisch
War auf dem Morgenstern genüsslich paradiesisch,
Da ich Colette lag im gnadenreichen Schoß!


MONS VENERIS

Du Dreieck, göttliches! O Schoß der Weiblichkeit,
Der Venus Delta du, du Dreieck mit drei Schenkeln,
Großmutter weih ich dir mit allen ihren Enkeln,
Gott ist mir Mutter doch in alle Ewigkeit!

O Liebe Gottes du in der Lebendigkeit,
Wie mütterlich du sorgst mit schwesterlichen Engeln,
Ersetzt, was Mütter uns und Frauen reich an Mängeln
Uns vorenthielten stets und schenkten uns viel Leid!

Du Gottes Weiblichkeit, du Dreieck, das dreieinig
Das Auge Gottes birgt, im Feuerofen reinig
Du unsre Seelen, dass wir werden makellos!

O Gott, o Gott, o Gott! Auf deinem Venusberge
Ich mich in deinem Schoß, du Schöne Liebe, berge,
Der ich bewege mich und bin in Deinem Schoß!


DER BECHER

Symbol des Weibes du, o vielgeliebter Becher,
Ich denk dich nicht allein als irdisch und profan,
Nein, meine Augen stets in dir die Mystik sahn,
Da nüchtern-trunken dich gekostet fromme Zecher.

Im letzten Augenblick zu dir der rechte Schächer
Die Augen fromm erhob, um deinem Kelch zu nahn.
Ich nahm dich auch von Gott und ohne Zittern an,
Ob auch das Schicksal kam wie hohe Wellenbrecher!

Sehr edel ist der Wein, der Becher ist von Ton,
Doch in des Bechers Wein, da schläft die Kommunion,
Der Wassertropfen darf mit Gottes Wein verschmelzen.

Die Trunkenen im Geist, doch nicht von süßem Wein,
Die Liebestrunkenen vom göttlichen Verein
Als trunken von dem Kelch im Liebesmeer sich wälzen!


DIE TURTELTAUBE

Von meinem Fenster aus seh ich die Turteltaube,
Der Turteltäuberich ist schon mit ihr gepaart.
Wenn ich die Taube seh, so kündet mir mein Glaube,
Daß sich der Geist des Herrn am Himmel offenbart.

Ich lebe hier allein, das Leid hat mich bejahrt,
Doch jeden Frühling noch hör ich die Taube girren.
Die Freundin lächelt kaum, sie ist schon grau behaart,
Die Kummerseufzer schon mir den Verstand verwirren.

Doch Taubenflügel weiß mit Schlägen mich umschwirren,
Es naht der Ostertag, dem Fasten folgt der Lenz.
Nun aber soll das Glas und soll die Flasche klirren,
Es strömt der Blutwein in des Bechers Transparenz,

Denn hoch erhebe ich das trunkne Blut der Traube:
O meine Sonne du, o meine Turteltaube!


DIE KUH

In Russland war es einst, die Revolutionäre
Noch hatten nicht gesiegt, die Dichter schauten zu
Dem süßen Himmel auf, als ob der Himmel wäre
Ein Rindereuter prall von einer Mutterkuh.

Und in Ägypten wars, da zog ich aus den Schuh,
Ich sah die Mutterkuh, den Mond im Hörnerpaare.
O Mutterkuh, o Milch, o Mond, o Seelenruh,
Dir, Mutter, ich vertrau die kummervollen Jahre.

Ich frage nichts danach, ob sich der Bulle paare,
Besteigt die schöne Kuh von hinten allenthalb.
Wenn ich mich schlafen leg dereinst in meiner Bahre,
Entferne Gott von mir das schöne goldne Kalb.

Doch Gott versteht mich wohl, die Mutter kennt die Kinder,
Groß zogen Götter mich am Euter dicker Rinder.


DER RING

Ein schwarzer Ring von Holz an meinem vierten Finger
Der linken Hand allein für Unsre Liebe Frau.
Viel sind der Mädchen, ja, viel sind der hübschen Dinger,
Doch in der tiefen Not ich Einer nur vertrau.

Ich hab gefrevelt einst, betrunken war ich, blau,
Gab Unsrer Frauen Ring so irgendeinem Weibe!
Die Folge dieses Akts war reicher Tränen Tau,
Zerschlagen war mein Herz im trüben Todesleibe!

Ich aber jetzt den Pakt mit Blut gar niederschreibe,
Daß Unsre Liebe Frau allein trägt meinen Ring!
O Kreis, Vollkommenheit, du Weib gleich einer Scheibe,
O Mond, o Luna, o du Frau, die ich mir fing!

Ob ich auch weiß das All um deinen Gürtel toben,
Wir tauschen Ringe aus, vor Gott uns zu verloben!



HYMNEN AN DEN SONNENGOTT



ERSTE HYMNE

Du scheinst so schön am Lichtgebirge oben,
Du erstgeborne Sonne, die wir loben!
Im Osten strahlst du auf im Lichtgefild,
Die Länder hat dein schöner Glanz erfüllt.
Durch alle Länder deine Strahlen sende,
Du Große, Hehre, bis ans Weltenende.
Du bändigst alles deinem Königssohn,
Du Himmlischer, auf Erden steht dein Thron.
Die Menschen sehen dich, Gott, offenbar,
Und doch bist du den Augen unsichtbar.
Gehst du im Westen abends zu der Ruh,
Herrscht Finsternis des Todes, Sonne du.
Die Schläfer liegen alle in den Zimmern,
Die Augen sehn nicht mehr der Augen Schimmern.
Gestohlen wird auch noch das kleinste Ding,
Ein jeder Dieb sich seine Beute fing.
Die Räuber kommen nachts aus ihrer Höhle,
Die Nagetiere beißen, meine Seele,
Die Welt ist still, denn der die Welt geschaffen,
Der ruht im Westen. Nachts schrein nur die Affen.
Am Morgen du beleuchtest unsre Klage
Und strahlst als Sonne einem neuen Tage.
Es weicht die Finsternis, die du beendest,
Sobald du deine goldnen Strahlen sendest.
Die Länder feiern deine goldne Süße,
Die Menschen stellen sich auf ihre Füße,
Du lässt sie sich erheben, neu begnadet,
Der Mensch hat frühe seinen Leib gebadet.
Das Kleid muß Menschen zur Verhüllung dienen,
Sie beten Gott an, weil sein Licht erschienen.
Die Welt tut ihre Arbeit, jeder baute
Sein Werk. Das Vieh befriedigt sich am Kraute,
Die Kräuter duften, Bäume stehen fest,
Die Vögel fliegen morgens aus dem Nest,
Anbetend heben sie die freien Flügel,
Das Wild hüpft durch die Täler, über Hügel,
Ja, alle, die da kreuchten, die da fleuchten,
Sie leben, weil du wieder kamst zu leuchten.
Die Schiffe fahren auf und ab die Flüsse,
Weil du ergossen deine Strahlengüsse.
Der Fisch hüpft auf vor deinem Angesicht,
Ins Innere des Meeres dringt dein Licht.
Die Frucht bereitest du im Schoß der Weiber,
Den Samen auch im Schoß der Mannesleiber,
Den Sohn ernährst du an der Mutter Brust,
Du trocknest seine Träne, schenkst ihm Lust,
Du hoher hehrer Gott in deiner Flamme,
Du selber bist des Muttersohnes Amme!
Du spendest Luft und schenkst Geschöpfen Leben,
Die Mutter bringt das Kind hervor mit Beben,
Es atmet an dem Tage des Gebärens,
Du öffnest seinen Mund voll des Begehrens,
Du lehrst es sprechen, sorgst fürs Kindelein.
Der Vogel ist im Ei als wie im Stein,
Du gibst ihm Luft, sein Leben zu erhalten,
Bald auch zerbricht sein Ei er mit Gewalten,
Er kommt hervor aus seinem Ei und piept,
Stolziert umher, Gevögel gottgeliebt.
Wie zahlreich deine Werke! Wer kann taugen,
Sie auszusagen? Welches Menschen Augen
Je sahen Gottes Herrlichkeit erscheinen?
Es gibt nur einen Gott, es gibt nur Einen!
Du schufst die Erde ganz nach deinem Willen,
Du ganz allein, die Erde zu erfüllen
Mit Menschen, Herden und mit andern Tieren.
Was ist auf Erden, geht auf allen Vieren,
Was mit zwei Füßen geht, was fliegt mit Flügeln,
Was hüpfet auf den Bergen und den Hügeln
Und alle Länder sind in deiner Hand,
Wie Nubien, Syrien und Ägyptenland.
Du setzest jeden Mann an seine Stelle,
Von dir versorgt wird jeder Junggeselle,
Für jeden steht das leckre Mahl bereit,
Berechnet ist des Menschen Lebenszeit.
Der Menschen Zungen aber sind verschieden,
Verschiedne Rassen gibt es auch hienieden
Und unterschiedlich ist gefärbt die Haut,
Verschieden sind die Völker alle. Schaut,
Der Nil entquillt der Unterwelt der Tiefe,
Als ob der Gott ihn neu ins Leben riefe.
Du holst hervor den Nil ganz nach Belieben,
Ägypten machst du fruchtbar in den Trieben,
Die du geschaffen hast, du Gott im Süden,
Ob dich die Leute leider oft ermüden.
Herr aller Länder, leuchtend auf am Morgen,
Dein Antlitz, Sonne, ist nicht mehr verborgen.
Die Berge in der Ferne nährst du auch,
Ein Strom strömt durch des Himmels freien Hauch,
Der Strom strömt nieder von des Himmels Gluten
Und füllt die Berge an mit Wasserfluten,
So netzest du der Felder offne Szene.
Wohltätig sind und weise deine Pläne,
Du Herr der Ewigkeit am Hirtenstabe!
Den Himmelsstrom, den Völkern deine Gabe,
Und alle wilden Tiere im Gebirge,
O Herr der Ewigkeit, dies alles wirke,
Und auch den Nil der tiefen Unterwelt,
Du Schöpfer alles Lebens, Gott und Held!
Die Pflanzen nährest du nach Art der Ammen,
Nach Ammenweise, mit den Gnadenflammen.
Gott, strahlst du auf, so leben alle Pflanzen
Und wachsen senkrecht auf wie Strahlen-Lanzen.
Die Jahreszeiten machst du, dass auf Erden
Die Speisen all für die Geschöpfe werden,
Den Winter, um mit Schnee sie zuzudecken,
Den Sommer, dass sie deine Gaben schmecken.
Fern allen Kreaturen, die da kreuchten
Und fleuchten, lässt du hoch den Himmel leuchten,
So schaust du alles an im Sonnenlicht,
Was offenbar vor deinem Angesicht,
Wenn du erscheinst in der Gestalt der Sonne,
Fern, doch auch nah, du Süßigkeit und Wonne!
Millionen von Gestalten machst du rege,
Du Einer, Städte, Dörfer, Äcker, Wege
Und Ströme. Alle Augen schaun dich an,
Als Sonne steigst du zum Zenit hinan.
Wenn du, o Gott, davongegangen bist
Und jedes Auge deinen Glanz vermisst,
Du schaust dich selber nicht mehr strahlen nun,
Wo die geschaffnen Augen schlummernd ruhn,
Die Welt erleuchtet nicht von Sonnenkerzen,
So brennst du dennoch, Gott, in meinem Herzen!
Es gibt doch keinen, der dich kennte so,
Wie dein geliebter Sohn, der Pharao,
Er herrscht ja über dein Ägyptenland.
Die ganze Welt liegt fest in deiner Hand,
Gott, der der Welt das Dasein einst gegeben.
Du lachst sie an, o Sonnengott, sie leben,
Du fliehst hinweg, o Sonnengott, sie sterben,
Du gehst von ihnen fort und sie verderben.
Du bist die Lebenszeit, du bist das Leben,
Wir aber sind, die in dir sind und weben.
Die Augen schauen Schönheit bis zum Abend,
Du Sonne zeigst die Schönheit uns erlabend.
Nun ruht die Arbeit, wenn du gehst zur Ruh,
Am Morgen aber wieder leuchtest du,
Dann bist du auferstanden wie der Phönix,
Dann jeder Mensch steht in dem Dienst des Königs,
Und alle Leuten hasten voller Hast,
O Gott, seit du die Welt geschaffen hast.
Gott, du erhebst dich für den Gottessohn,
Den Pharao, den König Echnaton,
Und für die Königin, die ich anbete,
Das Ideal der Schönheit, Nofretete!


ZWEITE HYMNE

Anbetung dir, o großer Gott der Sonne,
Du steigst im Osten auf voll Freud und Wonne.
Gegrüßet seiest du bei deinem Kommen,
Beim Untergang! Lob zollen dir die Frommen.
Du steigst hinan, du strahlst im heitern Wetter,
Gekrönt bist du zum König aller Götter.
Du bist der Herr des Himmels, Herr der Erde,
Der Schöpfer du, der sprach sein Wort: Es werde!
Du Gott allein, du bist von Anbeginn,
Du Schöpfer aller Länder, Gott Ich-bin,
Der du die Menschheit hast hervorgebracht,
Das Urmeer schufest du, den Nil voll Macht,
Erhalter dessen, was im Wasser ist,
Der du die Täler und die Berge misst,
Entstehen lässt die Menschen und geschaffen
Die Tiere alle und die Menschenaffen.
Der Himmel und die Erde grüßen dich,
Frau Wahrheit, sie umarmt dich herziglich!
O Lobpreis dir, du Sonne, unser Leben,
Mit allem, was du schufst und uns gegeben,
Dich betet alles an, was du geschaffen,
Die Menschenkinder und die Menschenaffen.
O Lobpreis dir von allen, jeden Morgen,
O Sonnengott, du mögest für uns sorgen!
Die Erde küssen wir, o Himmelsgast,
Weil du, o Sonne, uns erschaffen hast!
Die Götter neigen sich vor dir, o Gott,
Sie stehen auf, wenn du kommst, Schöpfergott,
Sie jubeln, denn du warst es, der sie zeugte.
Die Götter alle, Fürst um Fürst verneigte
Sich vor dem Schöpfer in dem Welttheater:
O Lobpreis dir, der Götterväter Vater!
Den Himmel hobest du in höchste Höhe,
Die Erde senktest du in unsre Nähe,
Das Seiende erschufest du allein,
Das Existierende, das ganze Sein,
O Herrscher, Oberhaupt der Götterväter!
Wir beten deine Macht an in dem Äther,
Gott, der du alle Kreatur geschaffen,
Die Menschenkinder und die Menschenaffen,
Wir mühen uns für dich an jedem Morgen,
O Sonnengott, du mögest für uns sorgen,
Die Erde küssen wir, o Himmelsgast,
Der du die ganze Welt erschaffen hast.
Gesichter schauen ihren Nächsten an,
Der eine Mann den andern Nebenmann,
Sie jubeln, jauchzen, Sonne ohne Fehle,
Sie singen Lobpreis deiner Gottes-Seele,
Anbetung dir, der du die Welt geschaffen,
Die Menschenkinder und die Menschenaffen,
Die Erde küssen sie, o Himmelsgast,
Der du die ganze Welt geschaffen hast,
Mit ihrem Munde loben dich die Weisen,
Die Menschen mühn sich, Sonne, dich zu preisen.
Der Sonnengott erscheint. O all ihr Frommen,
Gott hat den goldnen Thronstuhl eingenommen,
Sein Aufgang ist sehr schön im Land des Lichts,
Die Strahlen deines lichten Angesichts
Erleuchten alle Länder, große, kleine,
Du bist gekommen, Sonnengott, erscheine!
Der Himmel und die Erde sind erleuchtet,
Der Gott am Morgen alle Welt befeuchtet,
Der Strahlengott vertreibt die Finsternis.
Er ging im Himmel auf, der Himmel riß,
Die Ufer alle sind mit Gold erleuchtet,
Die Erde funkelt schön mit Tau befeuchtet.
Des lichten Auges Strahlen steigen auf,
Der Sonnengott erscheint in raschem Lauf,
Erleuchtet alle Welt, sie zu verschönen,
Wie glänzt die Haut des Herrn in hellen Tönen!
Gott, du belebst die Herzen, alle Triebe,
Die Länder sind erfüllt von Gottesliebe!
Wenn du erscheinst inmitten des Gewimmels
Der Morgenwolken als das Licht des Himmels,
Zum Lobpreis heben alle ihre Arme,
O großer Sonnengott, o Gott, erbarme!
O Lobpreis deiner Seele, deinem Leben!
Nun leb ich auf: Du hast dein Licht gegeben!


DRITTE HYMNE

Sei mir gegrüßt, du großer Gott der Sonne!
Am Horizonte steigst du auf, o Wonne,
Aufsteigend dann erreichst du den Zenit.
Auf deinem Boote man dich segeln sieht,
Mein Leib im Lichte deiner Strahlen badet,
Vom Anblick deiner Schönheit hoch begnadet,
Erfreut mein Auge sich am Gott im Süden.
Im grenzenlosen Himmel herrscht der Frieden.
Schau, deine Segel bläht der Wind, erfreut
Das Herz, mit großen Schritten läufst du weit.
Zu Boden wirfst du alle deine Feinde,
Ist Frieden in der himmlischen Gemeinde.
Planetengeister kreisen um dein Heiligtum,
Planetengeister singen, Gott, dir Ruhm.
Und steigst du hinter Bergen in dem Westen
Am Horizont herab, die Guten, Besten,
Der Schutzgeist von dem Fixstern sich verneigt
Und, Herrscher, deine Herrlichkeit bezeugt.
O, deine Gottesschönheit ist sehr groß,
Kommst du aus junger Morgenröte Schoß,
Gehst du zur Ruh im Westen an dem Abend,
Die göttliche, die Schönheit ist erlabend.
Herr, Herr der ganzen Weltenharmonie,
Sei mir gegrüßt, wenn du heraufsteigst wie
Wenn du herabsteigst und zur Ruh dich wendest,
Du göttliche, du Schönheit, niemals endest!
Schön bist du, wenn am himmlischen Zenit
Dein Sonnenwagen stolz vorüberzieht,
Die Nacht, die göttliche, die dich geboren,
Erwartet dich, o der du auserkoren
Zum Vater und zum König aller Götter,
Die göttliche, die Mutter dein, o Retter,
Die schöne Göttin ist des Himmelsmeeres,
Sie nennt dich Sohn: O Kind, mein holdes, hehres!
Sie neigt sich dir, dich sklavisch anzubeten.
Die Harmonie des Alls ist angetreten,
Zu preisen deine Gnaden-Sympathie,
O Schöpfer du der Weltenharmonie!
Vom frühen Morgen an bist du erlabend,
Bis du im Westen untergehst am Abend,
Mit großen Schritten gehst du durch den Äther,
Dein Herz ist voller Lust, dich preisen Väter,
Der Friede ist sehr tief im Himmelsmeer,
Dämonen sind nicht mehr, sie sind nicht mehr,
Zerbrochen der Dämonen dreiste Glieder,
Das Rückgrat auch zerbrochen. Singt nun Lieder,
Zum Hafen treibt, vorüber manchem Riff,
Zum Hafen treiben Winde nun dein Schiff.
In Ost und West die Götter, Süd und Nord,
Sie beten an den großen Gott, das Wort,
Das Ursein, dem entsprungen alle Formen
Und alle Ideale, alle Normen.
Schau, Herr, dein Mund ertönen lässt ein Wort,
Die Erde lauscht dir schweigend fort und fort.
Du ganz allein bist Gott! Du glänzt im All,
Du warst, als noch erklang kein Schöpfungsknall,
Als noch die Berge nicht erschaffen waren
Und nicht das Weib mit langen schwarzen Haaren.
Schnell-Laufender! Du Einziger! Das Leben
Des Weltalls, in dir leben wir und weben.
Am Schöpfungsanfang in Begeisterungen
Du schufst die Göttinnen und ihre Zungen
Und aus dem Urmeer tauchten auf die Wesen,
Du hast die Götter selbst dir auserlesen,
Die Götter wohnen in der Ewigkeit
Auf Gottes Insel der Glückseligkeit.
Lass Lüfte atmen mich, die alles sprießen
Im Lenze lassen, Wind lass mich genießen,
Den deine Mutter bringt, die Mutter Nacht,
Die selber hat den stärksten Sturm gemacht.
O Sonnengott, o segne mich mit Gnaden,
Laß, Sonne, mich in deiner Gnade baden,
Sei mir gegrüßt, du Vater unsres Königs,
O Sonne, auferstehend wie der Phönix,
Du Schöpfer aller schönen Kreaturen,
Sei mir gegrüßt, führ mich in deinen Spuren,
Mit deinen Strahlen meinen Geist erleuchte,
Mit deinem Frühtau meinen Leib befeuchte,
Befeuchte meinen Leib, o Majestät,
Geliebte Sonne, der einst aufersteht!


VIERTE HYMNE

Die Sonne, sie ist Gott. So heißt das Wort,
Wir wollen es besingen fort und fort.
Die Welt zu Anfang war ein Nichtsein nur,
Dies Nichtsein ward zum Sein der Kreatur.
Dasselbe hat zu Zeiten sich entwickelt.
Das Ur-Ei dieser Welt hat sich zerstückelt,
Das Ur-Ei lag im Chaos für ein Jahr,
Drauf hat es sich gespalten wunderbar.
Die eine Hälfte von dem Ei aus Gold,
Die andre war aus Silber rein und hold.
Die Silberhälfte ist die Erde hier,
Die goldne Hälfte ist des Himmels Zier.
Die äußre Ei-Haut namens Chorion,
Das sind die Berge, modelliert aus Ton.
Die innre Ei-Haut namens Ammion
Als Wolke und als Nebel zieht davon.
Die Adern der Gefäße sind die Flüsse,
Fruchtwasser ist das Meer, die Regengüsse.
Was aber dort geborn zu unsrer Wonne,
Das ist die Himmelsherrscherin, die Sonne.
Als sie geboren war, erhob sich Jubel
Und alle Wesen waren froh im Trubel
Und alle Wünsche jauchzten und frohlockten
Und alle die Begierden nicht mehr stockten.
Bei ihrem Anfang, ihrer Wiederkehr
Frohlockten alle, Himmel, Erde, Meer
Und alle Wesen wollten neues Leben
Und Wünsche und Begierden sich erheben!
Wer dieses wissend Gott verehrt als Sonne,
Bei dem ist Hoffnung, Lebenslust und Wonne,
Frohlocken wird entgegen ihm geschickt
Und von der Sonne wird der Mann erquickt!


RUBAIYAT


I

Hier weißes Brot im grünen Gartenzelt
Und Verse und den besten Wein der Welt
Und Vögel singen in der dunklen Nacht,
Das ists, was Mein Geist für den Himmel hält.


II

Die einen wollen nichts als Lust hienieden,
Die anderen des Paradieses Süden,
So nimm dein Gold, laß ab von deinen Schulden,
Ob auch die Trommeln treiben aus den Frieden.

Ich trinke Wein, man nennt mich einen Heiden,
Lässt mich an Ruhm und Ehre Schande leiden,
Ich staune, was die Schenkenwirte kaufen,
Nur halb so guten Wein wollt ich bescheiden.

Wir lieben gute Weine, so als hätte
Die Zeit sie selbst gekeltert um die Wette,
Ein Becher Wein, den zweiten und den dritten,
Den vierten, taumelnd torkeln wir zu Bette!

Mein Knabe ist ganz hilflos bei dem Spiele,
Der auf dem Schachbrett nicht gelangt zum Ziele,
Stellt bloß die Dame, schlägt den eignen König,
Dann legt er nieder sich in seinem Pfühle.

Mein Finger schreibt und was ich hab geschrieben
Wird nicht von deinem Glauben ausgetrieben,
Nicht eine halbe Zeile will ich löschen,
Ich schriebs und alle Verse sind geblieben.


III

Im süßen Frühling auf der grünen Wiese
Mit Wein und Weib und einer milden Brise -
Ihr dürft mich schimpfen einen Straßenköter,
Doch dieses gleiche ich dem Paradiese.


IV

Schau nicht zum Himmel, denn da herrscht das Schweigen,
Auch dem Gebet sich keine Ohren neigen,
Die Nähe ist so nah bei Gott wie Ferne,
Das Hier ist wie das Dort, ich wills dir zeigen.

Denkst du, daß einem solchen irren Hunde
Wie dir ward von dem wahren Glauben Kunde?
Ich wüsste aber nichts vom wahren Glauben?
Glaub, was du willst - es kommt der Wahrheit Stunde!

Gott lässt doch Trauben wachsen! Trauben winken
Wie Brüste! Gott verbietet, Wein zu trinken?
Gib Ehre Gott! Er lässt die Trauben reifen,
Er liebt es, wenn die Trunkenen versinken!


V

Nur eine Flasche Wein, ein Buch Gedichte,
Genug, daß ich mein Lebenswerk verrichte,
Nur ich und du in einem stillen Garten,
Das macht des Sultans Herrlichkeit zunichte!

Nur einen Brotlaib Weißbrot, lieben Leute,
Zwei Kannen Wein und Lammfleisch will ich heute
Und dann im Garten, ah, das Rosenmädchen -
Kein Sultan kennt auf Erden solche Freude!


VI

Schatz! Morgenrot! Du mögest dich erheben,
Mit Fingern lass die Harfensaiten beben!
Die hier sind, werden hier nicht lang mehr bleiben -
Die Toten kommen nicht zurück ins Leben.


VII

Ein Becher Wein,
Ein Lamm ganz rein,
Mein Schatz, und du!

Ich höre lang
Zur Nacht Gesang
In tiefster Ruh.