Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

DIE WAHRE HELENA






Ein Drama
Von Josef Maria Mayer

Ort: Ägypten. Zeit: Nach dem Fall Trojas.


ERSTER AKT


ERSTE SZENE

HELENA
Nun steh ich hier allein, fern meinem Griechenland,
Wohl waltet über mir des Vatergottes Hand.
So denke ich zurück an jene Unheilsstunde,
Da Alexander stand am Ida in dem Grunde
Bei Troja, ihm erschien dreifaltig Gott-Natur,
So Alexander stand, erschrockne Kreatur,
Und sah Athene an, die Alexander fragte,
Ob sie die Schönste sei? Der arme Mann verzagte,
Es fragte ihn ja auch die Himmelskönigin
Mit weißem Lilienarm: Ob ich die Schönste bin?
Und Alexander sah des Meeresschaumes Blüte,
Die nackend ihm erschien, die Göttin Aphrodite,
Die fragte lächelnd ihn, charmanten Lächelns leis:
Nennst du die Schönste mich, gibst mir des Apfels Preis,
Schenk Alexander ich, ich Anadyomene,
Die schönste Frau der Welt, erotische Helene.
Und so begann der Krieg. Die Himmelskönigin,
Der Ehe-Göttin sie, in heilig-keuschem Sinn,
Dem Alexander gab ein Scheinbild, eine Schöne,
Die nichts als Traumfrau war. Um dies Idol Helene
Das weise Griechenland mit Troja führte Krieg,
Ich weiß nicht, ob bereits errungen ist der Sieg.
Die Himmelskönigin mich nahm in ihre Arme
Und führte mich hinweg aus all dem herben Harme
Und nach Ägypten hin die Himmelskönigin
Mich brachte, Helena, die ich die Keusche bin,
Nicht frevelnd mich begab in Alexanders Nähe,
Nein, Menelaos treu, nicht brach die fromme Ehe.
So wahrte Helena die Himmelskönigin,
So dass ich unbefleckt vom Ehebruche bin.
Jedoch der Griechen Heer in Asia im Kriege
In wilder Kriegerwut sie kämpften bis zum Siege.
Um wen denn kämpften sie? Um nichts als ein Idol,
Chimäre, Phantasie, ein Traumbild, innen hohl,
Ein flüchtiges Idol, gleich Imaginationen,
Um eine Illusion, gleich Halluzinationen.
Dies reizende Idol der Traumfrau Helena
Ist weiße Leinwand nur, auf der ein jeder sah,
Was ihm im Innern war. Die Männer projizieren
Und malen farbig schön die schönste Frau, die ihren
Gemütern ganz entspricht, ist Psyche offenbar.
Doch ich bin Helena, die wahre Frau, und wahr
Bin ich ein wahrer Mensch von gottgezeugtem Wesen.
Von Gott ist meine Art, von Gott ich auserlesen,
Vom Vatergott geliebt, ich Gottes Tochter bin,
Geschützt vom Lilienarm der Himmelskönigin.


ZWEITE SZENE


(Helena am Granit-Grabmal des alten Pharao.)

HELENA
So kam ich also einst hierher ins Land Ägypten,
Wo Götter von Basalt regieren in den Krypten.
Der alte Pharao nahm mich als Tochter an,
Er war ein Vater mir, ein tiefgelehrter Mann.
Nie die Spartanerin war jemals königlicher,
Beim alten Pharao, dem Vater, war ich sicher.
Nicht eitel schmückt ich mich mit Flechten und mit Putz,
Der alte Pharao gewährte seinen Schutz
Der schlichten frommen Frau, die einfach war und edel.
Ägyptens Weisheit war in seinem breiten Schädel,
Ägyptens Weisheit und Mysterienreligion,
Geheime Wissenschaft vom ewigen Äon,
Vertraut war diesem Mann, der Pharao war weise,
Die Göttin Isis in der Tierkreisbilder Kreise
Verehrte er und mit der Mutter auch den Sohn
Und nahm stets teil an der Mysterienreligion.
Doch schließlich starb auch er. Ich hüllte mich in Trauer.
Es stirbt der Pharao, es stirbt auch jeder Bauer,
Sie kommen ins Gericht. Wer aber auferstand,
Als Bauer ewig lebt und pflügt sein Ackerland
In alle Ewigkeit und ausstreut seine Saaten.
Die Totengötter sind Ägyptens Demokraten,
Der Bauer aufersteht im Jenseits ebenso
Wie aus dem Mumienschrein der große Pharao.
Dem alten Pharao gefolgt ist auf dem Throne
Der junge Pharao. Ich werde von dem Sohne
In Liebesgier bedrängt. Der Pharao begehrt
Die Europäerin, er sagt, dass er verehrt
Der Gottesschönheit Bild in meiner Zierrat Zierde,
Allein ich weiß als Frau, es ist nur die Begierde,
Er schielt nach meinem Hals, er schielt nach meiner Brust,
Ich bin ihm Augenlust, ich bin ihm Fleischeslust.
Er ist betört, verwirrt von meinen Körperreizen,
Er träumt in seinem Geist, ich tät die Schenkel spreizen.
Jedoch mein Herz ist keusch, jungfräulich ist mein Herz,
Ich liebe nicht den Spaß, den töricht-eitlen Scherz,
Die lose Buhlerei in fremden Mannes Nähe.
In meinem Herzen bin ich treu dem Mann der Ehe,
In meinem Herzen und im Fleische bin ich treu,
An keinem Manne als an Menelas mich freu.
Zudringlich aber ist der Pharao, der junge,
Bedrängt mein Muschelohr mit seiner Schlangenzunge,
So fliehe ich vor ihm zu diesem Grab-Granit.
Der alte Pharao vom Himmel niedersieht
Und schützt mich vor dem Sohn, die ich sonst keinen habe
Als eines Toten Geist hier am granitnen Grabe.


DRITTE SZENE


(Ein griechischer Bote tritt zu Helena.)

GRIECHISCHER BOTE
Wer bist du, schöne Frau, granitnem Grabe nah?
HELENA
Ich bin Spartanerin und heiße Helena.
GRIECHISCHER BOTE
O, wenn du Griechin bist, so willst du sicher hören,
Ob Troja heut noch steht? So kann ich dir beschwören,
Gefallen Troja ist, geschlagen von dem Heer
Der griechischen Armee, die ankam übers Meer.
HELENA
Nun sage mir auch, nach dem Krieg und seinem Chaos,
Was kannst du sagen mir vom Griechen Menelaos?
GRIECHISCHER BOTE
Des Menelaos Frau Zankapfel war des Kriegs,
Die Alexander nahm, nach dem Triumph des Siegs
Aus der zerschlagnen Burg und ihrer Trümmer Chaos
Die Frau nahm sich zurück der Grieche Menelaos.
HELENA
Wie, Menelaos hält Helene an der Hand?
Ist heimgekommen er bereits nach Griechenland?
GRIECHISCHER BOTE
Legenden hört man viel. Odysseus, geht die Sage,
Zehn Jahre irrt umher, dreitausend lange Tage,
Es hielt die göttliche Kalypso ihn im Schoß,
Bis von der Göttin er riß sich gewaltsam los,
Er irrte übers Meer, als ihm sein Floß zerschmettert,
Er Leukothea sah, die Frau, von Zeus vergöttert,
Die ihren Schleier ihm ließ huldvoll sinken, dass
Er retten ließe sich aus Meerestiefen naß,
Da lag er plötzlich nackt bei Klippen an dem Strande,
Und so nahm man ihn auf in dem Phäakenlande,
Odysseus nämlich an dem Strande spielen sah
Mit ihren Freundinnen die Maid Nausikaa,
Als er vor ihr erschien, fast wie ein Todesschatte,
Nackt, nur verhüllt das Glied von einem Eichenblatte.
HELENA
Odysseus kehrt wohl heim. Doch sag mir lieber, was
Geworden ist aus dem geehrten Menelas?
GRIECHISCHER BOTE
Ach, Fama bläst das Horn, lässt das Gerücht erschallen,
Daß Menelaos sei, seit Trojas Burg gefallen,
Auf Irrfahrt, irrend auf dem alten Archipel.
HELENA
So lebt er also noch? O weiter doch erzähl!
GRIECHISCHER BOTE
Die Fama bläst das Horn, der Grieche sei verdorben,
Der edle Menelas, bläst Fama, sei gestorben.


VIERTE SZENE


HELENA
O Bote, kommst du doch zu mir aus Griechenland,
Wie geht es Helenas Familie? Gottes Hand
Ist über Helena und all den Ihren gütig.
Die Hand des Vaters, sag, ist Gott im Zorne wütig?
BOTE
Von ihrer Mutter hör! Die Nymphe Leda sahn
Die Himmlischen dereinst, wie Gott als weißer Schwan
Sie gnädig heimgesucht und liebend sie begattet
Und sie als Gotteskraft hat fruchtbar überschattet.
Die Mutter jetzt ist tot, die Nymphe Leda tot!
HELENA
Die Nymphe Leda ist von Gottes Zorn verdorben,
Als Folge ihrer Schuld als Sünderin gestorben?
Ist keine Hoffnung mehr, dass Leda weiterlebt?
Wie Wehen der Geburt mein weißer Busen bebt!
Wir werden alle doch des grimmen Hades Futter!
Ah weh dir, Helena, ah wehe deiner Mutter!
BOTE
Doch hatte Helena ein Töchterchen, ein Kind,
Ein Mädchen, jung und schön, wie junge Mädchen sind,
Die Maid Harmonia in ihrem jungen Grame
Verwehrte sich dem Bund mit einem Bräutigame.
O großer Schade ist es einem Mädchen doch,
Wenn sie die Ehe scheut, des Ehegatten Joch.
Wodurch geheiligt wird das Mädchen in der Jugend?
Wenn Söhne sie gebiert in ehelicher Tugend!
Ein Mädchen unfruchtbar, ein Mädchen unbemannt,
Von keines Gatten Akt im Ehebund erkannt,
Wenn ihre Jungfernhaut nicht leidet sanfte Häutung,
Ein solches Mädchen ist doch ohne die Bedeutung,
Die eine haben kann, in Ehren haben kann,
Die gänzlich sich ergibt in Liebe einem Mann.
HELENA
Sind keine Freier denn in ihrem Heimatstädtchen?
Wählt keinen sich zum Mann das wunderschöne Mädchen?
Glückselig ist der Mann, ich sags mit keuschem Mund,
Glückselig, den sie wählt zum ehelichen Bund.
BOTE
Doch aber Helena, beim Liebeslied der Lieder,
Sie hatte Brüder auch, die beiden Zwillingsbrüder.
HELENA
Was ist geworden denn, o sage weis und wahr,
Was ist geworden denn aus diesem Zwillingspaar?
BOTE
Was immer lästern auch die gottvergessnen Spötter,
Die Zwillinge sind doch geworden eilansgöttHeilanHeilandsgötter!
HELENA
Ach weh dir, Helena, ach dulde, leide still!
Ich selber nur in Gott, in Gott verlöschen will!
Wenn ich die Erde seh, die Übermacht des Bösen,
Begehr ich nur, in Gott mich gänzlich aufzulösen!


FÜNFTE SZENE


HELENA
In meinem Busen welch ein Chaos!
Ich weiß nicht: Lebt noch Menelaos?
Ist Menelaos, weh mir, tot?
Dann wein ich Tränen blutig rot!
CHOR DER GRIECHISCHEN SKLAVINNEN IN ÄGYPTEN
Die Tochter Pharao befrage,
Daß sie dir deine Zukunft sage!
Die Tochter Pharao ist klug,
Die oft in stiller Wüste frug
Nach ihres Gottes leiser Stimme,
Ob Gott sei gnädig oder grimme.
Die Tochter in Ägyptenland
Geschrieben las in Gottes Hand
Das Schicksal aller Menschenseelen,
Ob sie voll Glück, ob sie sich quälen.
Des Schicksals Vater ist doch Gott,
Wir aber, Odem im Schamott,
Wir wollen ganz uns unterwerfen
Und unsre innern Sinne schärfen,
Ob wir auch in der Wüste dort
Vernehmen Gottes leises Wort.
Nicht für dich selber sollst du fragend
Und flehend bitten, beten klagend,
Die Tochter Pharao am Ort
Befragen nach des Vaters Wort,
Doch ob in dieses Daseins Chaos
Lebendig sei dein Menelaos,
Ob er nach des Geschicks Gebot
Sei schon im Hades, sei schon tot.
Die Tochter Pharao, die stille,
Sie weiß, wie Gottes Vaterwille,
Sie hört die Stimme Gottes still,
Und weiß, was Gott vom Menschen will.
Wir sind vor Gott ja nichts als Sklaven,
Wir wollen ja in Gott nur schlafen,
In Geistesdingen sind wir stumpf,
Von Venus sehn wir nur den Rumpf,
Nur Brüste, aber keine Arme.
Doch dass der Höchste sich erbarme,
Befrage die Prophetin dort
Nach Gottes Weisung, Gottes Wort.
Denn die Prophetin kann bezeugen,
Daß Gott ist nicht ein Gott im Schweigen,
Im Innern der Prophetin schlicht
Der Höchste leise wehend spricht.
Ja, in der Tochter Pharao
Ertönt das Wort, das A und O.
So geh und ende deine Klage,
Die Tochter Pharao befrage!



ZWEITER AKT


ERSTE SZENE


(Menelaos in zerfetzten Kleidern, verwildert die langen blonden Haare und der lange volle Bart. Er steht vor dem Palast des Pharao.)

MENELAOS
Ach Himmel, so zerfetzt, so lumpig und zerfetzt,
So von dem langen Krieg zerrissen und verletzt!
Die Irrfahrt währte lang, seit Troja unterlegen,
Wir Griechen siegten zwar durch guter Götter Segen,
Ich habe Helena errungen mir zurück,
Sie ist auf meinem Schiff, mein Engel und mein Glück!
O schönste Helena, wie Aphrodite Schaumfrau,
O schönste Helena, du engelgleiche Traumfrau!
In meinem Innern ist im schwarzen Körper hohl
Ein dunkles schwarzes Loch, du lebst darin, Idol!
Wo aber bin ich jetzt? Fern von dem Land der Griechen,
Muß durch Ägypten ich wie Wüstenschlangen kriechen?
Hier steht nun der Palast, Palast des Pharao,
Der sicher weise ist wie König Salomo.
Ob man mich aufnimmt hier, der Schiffbruch ich erlitten?
Schiffbrüchiger, will ich um eine Zuflucht bitten!
O habt doch Mitleid, all ihr Himmlischen, mit mir,
Ich klopf um Gnade an an dieser Gnadentür!

(Menelaos klopft an die breite, hohe, uralte Pforte. Eine Alte öffnet die Pforte, es ist die greise Amme des Pharao.)

AMME
Wer klopft hier Fremdling an, wer will an diesem Orte
Begehren Einlass und will durch die Gnadenpforte?
MENELAOS
Schiffbrüchiger bin ich, verlor fast den Verstand,
Ich möchte endlich heim ins schöne Griechenland.
Schiffbrüchiger, der ich den Schiffbruch jüngst erlitten,
Ich möchte um Asyl im Land Ägypten bitten.
AMME
Der junge Pharao nimmt keinen Fremdling an,
Der junge Pharao will bald als Ehemann
Sich nehmen eine Braut, die Allerschönste freien,
Hat keinen Sinn im Glück für Leiden. Mußt verzeihen.
MENELAOS
Wer ist die Glückliche, der er gibt seine Hand,
Wer wird hier Königin sein in Ägyptenland?
AMME
Wie Hathor ist sie schön, die schöne Frau Helene,
Ein wahrer Wunderwerk an Schönheit ist die Schöne!
MENELAOS
Helene? O wie schön der Name Helena!
Sie? Sie ist ja bei mir! Sie spricht: Ich bin ja da!


ZWEITE SZENE


MENELAOS
Auf meinem Schiffe ist die seligste Helene,
Ein wahres Traumbild sie, ein Geist in höchster Schöne!
Die Amme aber sprach, es sei im Lande da
Ein wunderschönes Weib, das heiße Helena,
Und das verwirrt mich doch. Ob mich Dämonen necken?
Da nahen junge Fraun. Ich werde mich verstecken.

(Menelaos versteckt sich in einem Gebüsch. Der Chor der griechischen Sklavinnen kommt mit Helena.)

CHOR
O edle Griechenfrau, sag, hast du auch befragt
Die Tochter Pharao? Und was hat sie gesagt?
Hat die Prophetin dir in deine Seele offen
Gegossen neuen Mut dir ein und neues Hoffen?
HELENA
Der Erde Nabelstein ist Delphis Heiligtum.
Dort sitzt die Pythia, schaut das Mysterium
Und hört den Sehergott, den Segen und die Flüche.
Dann lallt die Pythia von Gott Orakelsprüche
Und trunken visionär in göttlicher Gewalt
Ekstatisch Pythia von Gott Orakel lallt
Und keiner kann verstehn, was spricht der Seelenrichter,
Bis schön es übersetzt der priesterliche Dichter.
So ist Prophetentum im schönen Griechenland.
Hier in Ägypten ist auch Prophetie bekannt
Und die Prophetin ists, die Gott vernimmt im Wetter,
Hört Gott im Wettersturm, den höchsten Gott der Götter.
CHOR
Was lallte trunken nun dir der Prophetin Mund?
Was tat des Gottes Wort, o Helena, dir kund?
Vor Sehnsucht nach dem Wort uns unsre Brüste beben:
Sag, ist dein Menelas, dein Gatte, noch am Leben?
HELENA
Des Chaos Strudel ihn ergriff, des Chaos Trubel,
Des Meeres Abgrund ihn verschlang! Und doch o Jubel,
Mein Menelaos lebt! O meine Rede stockt,
Im Busen mir mein Herz so sprachlos mir frohlockt!
CHOR
Ja, wenn uns Jammer trifft und uns die Götter nehmen
Das Liebste von uns weg, dann wilde Worte strömen
Und alles Weh und Leid wird trunken ausgesagt
Und wohlberedet reich der Mensch in Qualen klagt,
Doch will uns süßes Glück umflattern und umsummen,
Dann muß vor Lust das Herz in Seligkeit verstummen!
HELENA
Mein Menelaos lebt! Das dank ich Gott, ich weiß,
Der Himmelskönigin sei ewig Lob und Preis!


DRITTE SZENE


(Nachdem der Chor gegangen ist, tritt Menelaos aus dem Gebüsch und spricht Helena an.)

MENELAOS
Wie hängt mein Leben doch am dünnsten Schicksalsfädchen,
Du aber bist sehr schön, ja, wohl ein Himmelsmädchen?
HELENA
Ich heiße Helena, bin die Spartanerin,
Der Griechen Heiligtum, der Schönheit Königin.
MENELAOS
Das kannst du sagen wohl, doch kann ich es auch glauben?
Ach Helena, mein Traum, bei Aphrodites Tauben!
Auf dem zerstörten Schiff, auf meinem Wrack ist ja
Gerettet aus dem Brand von Troja Helena.
HELENA
Was kann ich tun, als dir den Namen mein zu nennen?
Kannst du nicht deine Frau, dein Weib in mir erkennen?
MENELAOS
Ja, wahrlich, du bist schön! Ich sehe Cypria
In deinem Ebenbild, die Göttin Paphia
In deinem Ebenbild, wie Aphrodites Schäume
Dein Leib ist schwanenweiß, jedoch im Innern träume
Ich noch von meiner Frau, im schwarzen Körper hohl
Lebt jetzt noch meine Frau, mein Helena-Idol.
HELENA
Ja, die erfandest du, phantastisch sind die Künste
Der Männerphantasie, die haschen eitle Dünste.
MENELAOS
Du Schwanenkönigin, dein Busen weißer Schaum,
Du reine Lichtgestalt, scheinst selbst mir nur ein Traum.
HELENA
Umleuchtet meinen Leib der Gottesschönheit Klarheit?
Doch bin ich wirklich Weib von Fleisch und Blut in Wahrheit!
MENELAOS
So ich dich heute schau, voll Staunen ich dich schau,
Ich mein, die Göttin selbst erscheint mir in dir Frau!
Jedoch, ich bin gewiß, dass meiner Seele Gattin
Zurückblieb auf dem Wrack, Helene, meine Göttin!
HELENA
Ist sie so schön wie ich? Schau meinen runden Leib!
Wann sahest jemals du ein so vollkommnes Weib?
MENELAOS
Doch Spartas Helena vom Reiche der Ideen,
Die solltest einmal du mit meinen Augen sehen.
Die Gottesschönheit seh ich visionärer Schau
In dieser Traumgestalt, der idealen Frau.
HELENA
Dein Geist ist außer sich, ist tief im Wahn verloren!
Was willst du mit der Frau, die dir dein Traum geboren?
Ist sie dein Ideal, im Geiste Gottes keusch,
Ich bin das wahre Weib, bin Frau von Blut und Fleisch.
MENELAOS
Ob Venus’ Tauben so im Liebesfrühling girren,
Wie weißt du mich, o Weib, wahnsinnig zu verwirren!


VIERTE SZENE


MENELAOS
O Liebesenergie im schwarzen Körper hohl,
Ich eile jetzt zurück zum Helena-Idol,
Die Wirklichkeit ist wahr, im Traum erscheint die Traumfrau,
Als Wahrheit schöner ist die makellose Schaumfrau!
HELENA
Ein leeres Traumbild nur, von lauter Nichts verkeuscht,
Das sag ich dir voraus, dass dich die Frau enttäuscht.

(Ein griechischer Bote kommt eilend und grüßt Menelaos.)

BOTE
O Menelaos, Fürst, ich komme zu berichten.
MENELAOS
Was Schicksalsgöttinnen für neues Schicksal dichten?
BOTE
Die schönste Helena, befreit aus Trojas Brand,
Die du hierher gebracht in der Ägypter Land,
Für die du Krieg geführt zehn lange Kriegesjahre,
Die Troja angesteckt mit Einem ihrer Haare,
Die Siegstrophäe, die bei der Trompeten Schall
Verkündet Griechenland den Sieg und Trojas Fall,
Die schöne Helena, die von der Liebesgöttin
Zum Ehebruch verführt, die Hündin und die Gattin,
Du ließest sie zurück auf dem zerstörten Wrack,
Matrosen um sie her, ein liederliches Pack,
Ja, heute morgen wars, ich roch die schönsten Düfte,
Die schöne Helena entfloh in Ätherlüfte!
MENELAOS
Die schöne Helena floh in die Himmelsluft,
Ließ mich allein zurück in dieser Erdengruft?
Wie kann das sein? O Mann, o sagst du auch die Wahrheit?
BOTE
Die allerschönster Frau von kristalliner Klarheit,
Die Angebetete, das göttergleiche Weib,
Sie löste auf in Duft und Luft den lieben Leib
Und so zerfloss ihr Leib im lichterfüllten Äther,
Das haben nie gesehn der Griechen weise Väter,
Ich aber habs gesehn! Ihr schönstes Angesicht
Zerfloss im Himmelsblau, ging auf im Sonnenlicht!
Ob Aphrodite selbst tat Helena entrücken?
Dahin ist das Idol, phantastisches Entzücken,
Die Göttin hat entrückt zum Himmel dein Idol!
MENELAOS
O Liebesenergie im schwarzen Körper hohl,
Was macht auch die Idee im Erdenreich der Schatten?
Kann sich ein Schatte der Idee der Schönheit gatten?


FÜNFTE SZENE


CHOR
Ach armer, armer Menelas,
Helene ohne Unterlaß
Du suchtest in des Krieges Chaos,
Ein Traumbild nur, o Menelaos!
Dein Traumbild war zwar wunderschön,
Ein Ideal aus den Ideen,
Erotisch, reizend, wenig züchtig,
Jedoch wie Schaum des Meeres flüchtig!
Aus Meeresschaum kam Cypria,
Aus Meeresgischt stieg Paphia,
Die Göttin stieg aus Meeresschäumen,
Um zu entzücken unser Träumen,
Die Schönheit vom Ideensaal
Erschien in Träumen ideal
Und ließ sich sehen in dem Lichte
Allein dem inneren Gesichte,
Der sechste Sinn allein erblickt
Das Ideal, das so entzückt,
Mit Wirklichkeit nicht zu vertauschen,
Vermag ein Traum uns zu berauschen,
Erotisch, reizend, wenig keusch,
Ein Geist in transparentem Fleisch,
In allen Liebeskünsten tüchtig,
Gleich einer Hündin wenig züchtig.
Allein, zerflattert ist der Traum,
Die Traumfrau sank zurück in Schaum.
Allein, in göttergleicher Klarheit,
Die Schönheit dir erscheint in Wahrheit,
Die Güte selbst im schönsten Leib,
Gottähnlich, aber doch ein Weib,
Nicht Illusion allein romantisch
Und nicht Vision allein phantastisch,
Nein, züchtig sie erscheint und keusch,
Doch voller Liebreiz ist ihr Fleisch,
Ihr Körper schön ist ohne Fehle,
Noch schöner aber ihre Seele,
Noch schöner aber, dass du’s weißt,
Der liebt die Wahrheit, ist ihr Geist,
Triumph der Königin! Victorie!
Schau Helena in ihrer Glorie!
Schau, ihre langen schwarzen Haare
Verschleiern bräutlich dir die wahre
Helene, sei ihr Brautgemahl,
Die wirklich ist und ideal!



DRITTER AKT


ERSTE SZENE


MENELAOS
Du bist die Helena, die Königin von Sparta,
Regentin meines Staats nach frommer Liebe Charta.
HELENA
Ich bin die Königin von Sparta, Helena,
Die lange nach dir sah, voll Sehnsucht nach dir sah.
MENELAOS
Du konntest ganz allein mein Herz im Busen rühren,
Ich will voll Zärtlichkeit den Körper dir berühren.
HELENA
Ich weiß, dass deine Lust mich gern umarmen will,
Ich lieg in deinem Arm und beb und bin doch still.

(Sie umarmen sich und ruhen eine Zeitlang in der Umarmung.)

MENELAOS
Ach dass die Götter mich nicht aus der Wonne wecken,
Ich rühre zärtlich dir dein wundervolles Becken.
HELENA
Das darfst nur du allein, mich so berühren, so
Voll liebevoller Lust zu tasten an den Po.
MENELAOS
Zehn Jahre kämpfte ich in einem schlimmen Kriege
Und dachte: Mein Triumph und alle meine Siege
Sind weniger als nichts, doch dass jetzt bei mir da
Die liebe Ehefrau, die schöne Helena,
Jetzt weiß ich auch, warum ich all die Kämpfe führte?
Jetzt aber merke ich, dass ich nur phantasierte!
Es war ein Nachtgespenst im schwarzen Körper hohl,
Dem Blitz gleich, Illusion, Phantom nur und Idol.
HELENA
Die Himmelskönigin mich brachte nach Ägypten,
Der Göttin weiht ich mich in heiligen Gelübden.
Hier in Ägyptenland der alte Pharao
Gab mir Asyl, er war so klug wie Salomo.
Der alte Pharao ist aber jüngst gestorben,
Vom jungen Pharao ich werde jetzt umworben,
Er ist charmant und gut und hilfsbereit und nett
Und will doch eines nur: Er will mich in sein Bett
Zur Liebe haben und zu ordinären Lüsten
Und sich ergötzen an dem Schoß und an den Brüsten.
Vorm jungen Pharao, den ich nicht gerne hab,
Bin ich geflohen an des alten Herrschers Grab.
MENELAOS
So segnen Tote uns, die ruhen in den Grüften,
Wenn ich dich zart berühr am Becken und den Hüften,
Der Tote wohl im Grab geheime Wollust spürt,
Als ich dein Becken dir so flüchtig zart berührt?


ZWEITE SZENE


MENELAOS
Ach komm mit mir, mein Weib, nach dieser Schicksalspause
Und diesem kurzen Tod komm du mit mir nach Hause.
HELENA
Die Heimat, ja, wie schön! Ist Sparta doch ein Staat,
Und ein Spartaner ist ein Mann der guten Tat,
Und die Spartanerin ein starkes Weib und tüchtig
Und tugendsam und fromm und rein und keusch und züchtig.
MENELAOS
Wie hat der lange Krieg doch meinen Sinn verderbt
Und all der Männermord! Was ist es, was man erbt?
Ich möchte lieber doch mit meinem Weib zu Hause
Einsiedlerisch zu zweit sein in der stillen Klause.
HELENA
Der junge Pharao lässt mich gewiss nicht gehn,
Er findet meinen Leib zu reizend und zu schön.
MENELAOS
Den junge Pharao, in geiler Wollust Orden,
Soll ich ihn mit dem Schwert im edlen Zorn ermorden?
HELENA
Nein, lass ihn leben nur! Er machte mir viel Not,
Die Götter strafen ihn dereinst bei seinem Tod!
MENELAOS
Soll ich dem Schicksal mich so wie ein Schlachtschaf fügen?
Den jungen Pharao will lieber ich betrügen.
HELENA
Ich bleibe an der Gruft, des alten Herrschers Grab,
Bis ich die zündende Idee der Rettung hab.
MENELAOS
In süßer Sehnsucht, ach, wir wollen uns doch sehnen
Nach unsrem Vaterland nach diesem Tal der Tränen,
Ob auch Ägyptenland gewährte dir Asyl,
Es ist kein Heimatland spartanischem Gefühl,
Ich sehne mich zurück nach unsres Reiches Charta,
Nach unserm starken Staat, dem Königreich von Sparta.
HELENA
Der junge Pharao steht uns im Wege noch,
Ein Wollustjünger er des Ehebruches doch,
Nur immer tiefer will er dringen, immer fester
Mich lieben. Aber ich will bitten seine Schwester,
Die Tochter Pharao, Prophetin ist sie ja,
Prophetin, rate sie der schönen Helena,
Der Götter Neunheit ruf sie an, der Götter Dreiheit,
Und führe Menelas und Helena zur Freiheit!


DRITTE SZENE


(Helena und die Tochter Pharao.)

HELENA
O Tochter Pharao, Prophetin du von Gott,
Als ich gelitten jüngst an deines Bruders Spott,
Da fragte ich dich aus: Trotz all der vielen Spötter,
Prophetin, du befrag für mich die guten Götter,
Ob Menelaos noch, mein Mann, auf Erden weilt,
Daß neue Hoffnung mir die dunkle Seele heilt.
TOCHTER PHARAO
Ich schaute ein Gesicht, dass meine Geister beben,
Ich schaute deinen Mann, sah Menelaos leben!
HELENA
Und Wahrheit sprachest du, so wahr mein Busen bebt,
Mein vielgeliebter Mann, mein Menelaos lebt!
TOCHTER PHARAO
Wo ist dein lieber Mann, der Gatte deiner Ehe?
Ach, ist er fern von dir? Ist er in deiner Nähe?
HELENA
Ja, heute eben erst, da hielt ich seine Hand,
Mein lieber Ehemann ist in Ägyptenland.
Wir suchen aber jetzt uns doch zurückzuziehen
Und aus Ägyptenland vorm Pharao zu fliehen.
TOCHTER PHARAO
Ich ruf die Götter an, bet ohne Unterlass,
Doch warum sagst du mir ganz herzlich offen das?
HELENA
Ob Todeshunde auch, ob Höllenhunde belfen,
Ob auch Anubis bellt, du möchtest uns doch helfen.
TOCHTER PHARAO
Dir helfen, dass du fliehst mit deinem Ehemann?
Sag, wie ich helfen kann, was ich da machen kann?
HELENA
Wir wollen uns nicht mehr dem strengen Schicksal fügen,
Den jungen Pharao, wir wollen ihn betrügen.
TOCHTER PHARAO
Die Götter hassen das, all diesen bösen Lug
Und all die böse List, den listigen Betrug.
HELENA
Der junge Pharao wird mich doch lieber töten,
Mit meines Mannes Blut gern seinen Säbel röten.
TOCHTER PHARAO
Zu Lüge und Betrug kann ich euch helfen nicht,
Doch Schweigen ist seit je mir höchste Götterpflicht.
In Lüge und Betrug kann ich nicht Falsches zeugen,
Doch dass dein Gatte lebt, ja, das kann ich verschweigen.
Ich lüge nicht und sag nichts Falsches, doch ich will
Vorm jungen Pharao ganz einfach schweigen still.
HELENA
Die Götter wollen so, das ist der Götter Wille.
Es schweigt die Seherin, die Seherin ist stille.


VIERTE SZENE


MENELAOS
Wie kommen wir zurück ins schöne Griechenland?
Die Weisheit übersteigt den männlichen Verstand!
HELENA
Der Tod gibt Leben doch. Das wollen wir gebrauchen.
Die Himmlischen zu mir den Plan der Rettung hauchen.
MENELAOS
Sind wir vergessen nicht von allen Göttern hier?
Der junge Pharao als wie ein goldner Stier
Beherrscht Ägyptenland. Es herrschen in Ägypten
Die Todesgötter doch, die Toten in den Krypten.
HELENA
Sie lieben so den Tod, als einen Gott den Tod,
Wir durch des Todes Nacht uns nahn dem Morgenrot.
MENELAOS
Wie meinst du das, o Frau, um die ich lang geworben,
Zehn Jahre bin im Krieg ich Tag für Tag gestorben.
HELENA
So höre meinen Plan: Dem jungen Pharao
Ich werde sagen, dass du starbest irgendwo,
Daß deinen Leichnam wir nicht in Ägypten haben,
Symbolisch aber doch wir möchten dich begraben.
Weil Menelaos nun gestorben auf dem Meer,
Weil Schiffbruch er erlitt mit seinem ganzen Heer,
Drum fordert das Gebot der religiösen Griechen,
Daß nicht die Lebenden in Todestrauer siechen,
Daß ich den Leichnam, den ich leider zwar nicht hab,
Begrabe in der See, begrab im Meeresgrab.
So will ich bitten dann, dass ich vom Küstenkliffe
Darf fahren auf das Meer, ich frag nach einem Schiffe,
Dem toten Ehemann ein Totenopfer will
Ich bringen auf der See, den Toten ehren still,
Und wenn ich dann begrub den toten Ehegatten,
Dem jungen Pharao will ich mich bräutlich gatten.
MENELAOS
Das wird dem jungen Mann doch rauben den Verstand,
Wenn er das von dir hört, dass in Ägyptenland
Du sein willst Königin und seine Ehegattin.
HELENA
Heil Himmelskönigin, o Retterin und Göttin,
Gelingen laß den Plan, o Himmelskönigin,
O Mutter, weil ich Kind doch deiner Liebe bin!
MENELAOS
Heil Himmelskönigin, trotz all der Spötter Spott,
Ich trau auf Helena, die Tochter ist von Gott.


FÜNFTE SZENE


CHOR
Wir sind ja nicht wie freche Spötter,
Wir ehren unsre alten Götter,
Wir geben alle ganz uns hin
Der hohen Himmelskönigin,
Wir sind die guten, milden Schwestern,
Die nicht die hohe Herrin lästern.
Doch, o bei aller Götter Gott,
Wir müssen hören bösen Spott
Von dreisten Spöttern, die sich irren,
Die sich im Labyrinth verwirren.
Was soll da sagen unser Chor?
Es ist kein Gott, so denkt der Tor!
Sie haben sich vereint verschworen,
Die blinden Blindenführer, Toren,
Gesetzlos, gottvergessen, blind,
Die blinde Blindenführer sind.
Sind wir die Schwestern, welche sehen?
Sehn wir die Tänze der Ideen?
Wie herrlich die Ideen sind
Hoch überm Erdenlabyrinth
Auf Universums Sphärenbahnen,
Ach, können das die Schwestern ahnen?
Was hat die Weisheit uns gebracht
Als eine tiefe Mitternacht,
Als Einsamkeit im Tal der Tränen?
Und wenn sich, ach, die Schwestern sehnen
Ins lieblichste Elysium,
Sind wir nicht wie die Dummen dumm?
Was wissen wir vom Anbeginne,
Bevor begonnen unsre Sinne?
Was steht denn in des Schicksals Buch?
Ach, hören müssen wir den Fluch,
Verflucht von Gott sind jene Toren,
Die von der Seele dies beschworen,
Vor der Empfängnis lebten sie
Schon im Ideenhimmel, wie
Ein Himmelswesen, eine Göttin,
Als schöne Psyche, Gottes Gattin!
Doch was erwartet nach dem Tod
Die Seele in dem Morgenrot?
Was sollen hoffend wir erwarten?
Die Weisen sagen: Keinen Garten
Und keine Liebesgötter nackt
Und Nymphen für den Liebesakt,
Das denken nur die Toren schwächlich.
Die Gottheit ist doch unaussprechlich,
Wir sind auf Erden bloß und blind,
Verwirrt im Erdenlabyrinth,
Wir uns im Labyrinth verirren,
Wie Bären brummen, Tauben girren.



VIERTER AKT


ERSTE SZENE


HELENA
O junger Pharao, mein Herr, ich bitte dich,
Gewähr mir einen Wunsch, o Herr, erhöre mich.
PHARAO
Du findest meine Huld, denn du bist wohlgelitten,
Ich stets der schönen Frau gewähre alle Bitten.
Was auf dem Herzen liegt dir schwer, o Frau? So sprich!
HELENA
Mein Ehemann ist tot, unglaublich leide ich!
Zwar stirbt der Pharao, wie gleichfalls stirbt der Bauer,
Doch stirbt der Ehemann, wie groß ist dann die Trauer!
Für diese Trauer, ach, ich keine Worte hab.
O Herr, gewähre mir, zu sorgen für sein Grab!
PHARAO
Die Totengötter ihn im Totenreich erlaben,
Was willst du seinen Leib denn weiter noch begraben?
HELENA
Der Geisterschatte freut sich am geschmückten Grab,
Wenn ich auch seinen Leib geehrt in Ehrfurcht hab.
PHARAO
Es steigt hinan das Ka, wie Falke oder Taube,
Doch sind wir alle ja im Leib nur Staub vom Staube.
HELENA
Mein vielgeliebter Mann, den ich jetzt nicht mehr seh,
Er starb ja nicht zu Land, er starb auf wilder See,
Im aufgewühlten Meer mein Gatte ist ertrunken
Und unter Wasser mir erlosch sein Seelenfunken.
PHARAO
Auch in der Trauer bist du noch ein schönes Weib.
Wo ist vom Gatten jetzt der seelenlose Leib?
Es wird der Knochenstaub doch täglich grau und grauer,
Doch deine Seele, Weib, ist schön auch in der Trauer.
HELENA
Bei Griechen ist es Kult, wenn starb ein Mann zur See,
Verschlungen ihn der Gischt, der Meeresschaum wie Schnee,
Ein Opfer bringt man dar, ein Opfer auf dem Meere,
Das Totenopfer riecht im Hades dann der Hehre,
Drum will ich auf das Meer, ein Opfer bringen dar,
Gib bitte mir ein Schiff, zur Seefahrt mach es klar.
PHARAO
Das Schiff sei dir gewährt und auch die Seebestattung.
Ist aber wirklich tot dein Liebling der Begattung,
Ist hier ein Grieche auch, der seinen Tod bezeugt?
HELENA
Den Griechen kenn ich, der von Menelas nicht schweigt.


ZWEITE SZENE


HELENA
Mein junger Pharao, hier habe ich den Zeugen,
Der von dem Tode wird des Menelas nicht schweigen.
PHARAO
Zerrissen und zerfetzt, in allergrößter Not,
Wer bist du, armer Mann? Ist Menelaos tot?
MENELAOS
Ja, tot ist Menelas, ja, tot ist Menelaos!
Der Elemente Streit im Weltgetrieb des Chaos
Hat ihn verschlungen und zunichte ganz gemacht
Und so sank er hinab ins Schattenreich der Nacht.
PHARAO
Lebt Menelaos nicht mehr in des Lichtes Klarheit?
Ist er im Schattenreich? Und sagst du auch die Wahrheit?
MENELAOS
So wahr die Königin des Totenreiches lebt!
Denk ich an seinen Tod, mein Herz mir jetzt noch bebt!
Doch starb er ohne Angst, in tiefem Gottvertrauen,
Was ihn erwartete auch immer, tiefes Grauen
Im Schattenreich der Nacht, ob Seligkeit des Glücks,
In Gottvertrauen er hinab ging an den Styx!
PHARAO
Zum Hades ging sein Ka? Was ward aus seinem Leibe?
Was ward aus seinem Leib, der Wonne war dem Weibe?
MENELAOS
Wir Griechen denken so, mein junger Pharao,
Der Leib ein Kerker ist, wir Griechen denken so,
Die Seele ist ein Geist, das Geistige ist stärker
Als die Materia, der Körper ist ein Kerker,
Jedoch wenn unser Geist mit schrillem Adlerschrei
Aus dem Gefängnis flieht, so ist die Seele frei!
PHARAO
Ja, bangt denn nicht das Ka vor den Dämonenratten,
Den Schöffen des Gerichts, dem Richter aller Schatten?
MENELAOS
Was ihr Osiris nennt, das nennen Minos wir,
Von dem Gericht im Tod auch redet weise ihr,
Wir Griechen aber auch, die Redner und die Dichter,
Bekennen, dass der Geist muß vor den Totenrichter.
Wer gottlos lebte, der muß an dem Lethefluß
Die Lebensfrüchte sehn und doch wie Tantalus
Kann er die Lebensfrucht nicht greifen, all die prallen
Begierlichschönen ihm dort in den Schoß nicht fallen,
Nein, ewig hungrig wird in ewigem Geschmacht
Vergeblich er die Frucht begehren in der Nacht.
Die aber fromm gelebt, die werden auf den Wiesen
Des Jenseits wandeln mit den Nymphen von Elysen!
PHARAO
Was ist denn das Geschick des toten Menelas?
Liebt in Elysium er ohne Unterlass?
MENELAOS
Wie blind die Menschen in des Weltgetriebes Chaos!
Ich wüsste gerne das Geschick des Menelaos!


DRITTE SZENE


PHARAO
O schöne Helena, o schönste Helena,
Die Schönheitsgöttin steht vor mir im Bilde da,
O Schönheitsgöttin du, o Königin der Schwäne,
Tief bete ich dich an, du göttliche Helene!
HELENA
Du redest nicht gemein, nicht stofflich, sinnlich, grob,
Ich danke für den Ruhm, ich danke für dein Lob,
So freut sich stets die Frau an eines Mannes Schmeicheln,
Des Mannes Schmeichelwort weiß ihr das Herz zu streicheln.
PHARAO
Da tot ist Menelas, da Menelaos tot,
Jetzt geht mir auf dein Licht, ich seh das Morgenrot!
Wie tief war doch die Nacht, wie stand ich doch im Dunkeln,
Da in der tiefsten Nacht mir keine Sterne funkeln,
Mir selbst der Venus Stern als Aster nicht erblüht,
Jetzt aber hoffnungsvoll mir neues Leben glüht!
HELENA
So sprich nur alles aus, lass aus dem Busen offen
Mir strömen alle Glut. Was lässt dich wieder hoffen?
PHARAO
Wie herzlich die Vision, die ich vor Augen hab!
Da Menelaos’ Leib gelegt wird in sein Grab,
Nach ihres Gatten Tod ist wieder frei die Gattin,
Jetzt wirst du mein, o Weib, du wahre Schönheitsgöttin!
HELENA
Bist du dir sicher des, dass alles will dein Geist,
Was dir dein Morgentraum so hoffnungsschön verheißt?
PHARAO
Sei Aphrodite Ruhm! Ägypten preise Hathor!
Die schöne Liebe ist zuletzt doch Triumphator!
HELENA
Wenn ich gesenkt ins Grab des toten Körpers Rumpf,
Dann hoffst du auf das Heil der Liebe, den Triumph
Der Aphrodite dann? O Göttin Aphrodite,
Aus Meeresschaum geborn, du weiße Lotosblüte,
Was will der Mann von mir? Sind Männer denn nur geil
Auf meinen schönen Leib? Wer will mein Seelenheil?
Wer für mein Seelenheil hinab geht zu den Schatten,
Den wähle ich allein zu meinem Seelengatten!
PHARAO
Lass mir die Hoffnung, lass der Aphrodite Ruhm,
Dass Helena mir schenkt der Ehe Heiligtum,
Wenn Menelaos erst ist feierlich begraben,
Dass Helena mich dann wird voller Lust erlaben!
Oh lass mich ruhen nur an deiner vollen Brust!
Heil, Aphrodite, Heil! Heil, Liebe voller Lust!


VIERTE SZENE


MENELAOS
Ich Grieche, ich ein Knecht, des Götterkönigs Sklave,
Ich bitte Gott: O Herr, abwende du die Strafe!
Ein Opfer bring ich dar für alle Sterbenden
Zum Höchsten Gut hinan, für alle Lebenden
Und für die Toten auch, ja, auch für unsre Toten!
Die Götter senden sie zu uns als Götterboten,
Als Schatten stehen sie unsichtbar um den Tisch,
Es dürstet sie nach Wein, es hungert sie nach Fisch,
Ja, dass die Toten sich an unsern Opfergaben
Mit ihrem Seelenmund im Jenseits noch erlaben,
Drum bringen heute wir, der ganze Griechenstamm,
Das Opfer unserm Herrn, Zeus opfern wir das Lamm!
CHOR
Wir Sklavinnen dazu aufopfern unsre Schmerzen
Und statten Toten ab die Dankesschuld von Herzen!
MENELAOS
Den Leichnam tragen wir im Meere jetzt zu Grab,
Zeus nahm die Seele fort, Zeus einst die Seele gab,
Wir opfern Zeus ein Lamm, dass fromm der Geist entweiche
Und Frieden findet auch die seelenlose Leiche.
Ist das Gefängnis leer, so wie der Körper heißt
Den Griechen Kerker nur, so frei ist jetzt der Geist.
CHOR
Die Seele steigt hinan die sieben Sphärenstufen,
Wir Sklavinnen dem Geist noch nach ein Selig rufen,
Sei selig bald, o Geist, nach aller Peinigung
Und aller Feuersglut der wehen Reinigung
Nehm Vater Zeus dich auf ins selige Elysen,
Dort tanze jung und nackt in Gartenparadiesen!
MENELAOS
Auf dass die Seele im Elysium zum Gott
Mit andern Göttern wird, von Lehm frei und Schamott,
Unsterblich ist der Geist, trotz Philosophen-Spöttern,
Die Seele wird ein Gott, lebt selig bei den Göttern
Und Göttinnen bei Zeus. Der Mann, ich sag es kurz,
Schön ist er wie Apoll, trägt einen Lendenschurz,
Die Frau als Göttin ist die schönste Augenweide,
Zeus’ Nymphe trägt ein Kleid von hingehauchter Seide.
Doch dass es so auch wird, so schön und süß und klar,
Als Priester bringe ich das Lamm dem Vater dar!
CHOR
Ob die Ägypter auch die Adlernasen rümpfen,
Zeus feiert Hochzeit doch mit allen nackten Nymphen!


FÜNFTE SZENE


CHOR
Gefahren ist hinaus das Schiff,
Das Totenschiff vom Felsenkliff,
Zwar keinen Leichnam aufzubahren,
Doch zum Begräbnis auszufahren.
Das Opfer ist gebracht, das Lamm
Als Sühne für den Griechenstamm.
Im Meeresgrund die Leichen modern,
Auf Totenschiffen Feuer lodern.
Die hohen Flammen züngeln auf
Zum Sonnengott in seinem Lauf.
Ja, Helena, die Heilig-Hehre,
Ich seh sie fahren überm Meere,
Die schöner noch als jeder Traum.
Die Göttin aus dem Meeresschaum
An Schönheit gleicht nur der Helene,
Der weißen Königin der Schwäne,
Der weißen Göttin unsrer Lust
Mit Schwanenhals und Taubenbrust,
Sie, unser Reimwort auf die Sonne,
Die freie Göttin wilder Wonne,
Der freien Liebe Göttin sie,
Die wie ein Schwan im Sterben schrie,
Wenn Menelas auf ihrem Rücken
In Wonnen wollte sie verzücken,
Die Scharlachrose feuerrot!
Ah, nun ist der Geliebte tot!
Kann nicht in ihrem Schoß mehr zeugen!
O wehe, wenn die Götter schweigen,
Der Gott der Götter schweigt voll Spott,
Abwesend scheint der Götter Gott,
Die Feinde dir das Leben rauben,
Du kaum noch mehr vermagst zu glauben,
Du zweifelst an dem Schicksalsplan,
Am Vatergott, am Gott im Schwan,
Du zweifelst an des Vaters Güte,
Nur Mitternacht in dem Gemüte,
Kein Gott scheint im Ideensaal,
Da deine Seele kennt nur Qual,
Die Lenden deiner Seele zittern,
Du nimmst den vollen Kelch, den bittern,
Den Gott dir selbst entgegenträgt,
Die Vaterhand, die hart dich schlägt,
Fast deine Seele will ermorden,
Die ehrst du noch im frommen Orden
Und mit dem Schwert in deiner Brust
Nur Sterben ist noch deine Lust,
Nachts träumst du dann mit wildem Triebe
Von Aphrodites freier Liebe!



FÜNFTER AKT


ERSTE SZENE


ÄGYPTISCHER BOTE
Mein Herr und Pharao, entkommen großer Not
Bin ich zuletzt allein. Barbarisch ist der Tod.
PHARAO
Sag und gestehe nur dem göttlichen Tyrannen,
Was ist geworden denn aus deinen Brüder-Mannen?
BOTE
Die schöne Helena, die milde Helena,
Die angenehmste Frau, die ich im Leben sah,
Sie ging aufs Totenschiff, den Gatten zu begraben
Und seinen Schattengeist mit Opfern zu erlaben.
Der Griechenbote war bei ihr, zerlumpt, zerfetzt,
Der sich auf einen Stuhl an ihrer Seite setzt.
Ägypter waren da, ägyptische Matrosen,
Zu dienen ihr, der Frau, der Königin der Rosen.
Der Griechenbote rief auch eine Griechenschar,
Vom Schiffswrack kamen sie, sie folgten offenbar
Dem Griechenboten, der verehrte sehr die Hehre.
Und schließlich waren wir auf offnem Mittelmeere,
Da betete zu Gott die schöne Helena,
Der Griechenbote an der Herrin Seite da
Rief zu der Griechenschar: Bei unsrer Mutter Erde,
Greift, Griechen, kräftig zu, greift mit der Hand zum Schwerte!
Mit kriegerischem Lärm den Boden mit Gestampf
Des Schiffes tretet auf, es geht zum wilden Kampf,
Wir kämpfen für die Frau, die Rose aller Rosen!
Rasch, die Ägypter fällt, ja, schlachtet die Matrosen!
Zwar die Ägypter all, die Stöcke in der Hand,
Sie kämpften für den Herrn und für Ägyptenland,
Doch fielen alle sie, o Herrscher, mein Verehrter,
All die Ägypter sind dahin durch Griechenschwerter!
Nur ich allein entkam, dass ich es melde dir,
O göttlicher Tyrann, so steh ich zitternd hier.
PHARAO
Verrat am Pharao! Ja, sind es Demokraten,
Die an dem Gottesstaat verüben Freveltaten?
Ist es der König und die hohe Königin
Von Spartas starkem Staat, den Genius im Sinn?
BOTE
Das habe ich erkannt in dieser Kämpfe Chaos:
Zur Seite Helenas, ja, das war Menelaos!
PHARAO
Ah weh mir, so entgeht mir dieses süße Weib!
Wie wollte ich voll Lust genießen ihren Leib!
Die Schwanenbrüste wollt ich saugen, Mondmilch trinken
Und in der Himmelslust auf Erden schon versinken!
So falsch ist stets das Weib! Die Liebe stets ein Wahn!
Die schönste Frau der Welt ist wie ein Schlangenzahn!
Das Übel dieser Welt ward doch vom Weib gestiftet,
Und ich auch, ach, auch ich vom Schlangenweib vergiftet!


ZWEITE SZENE


PHARAO
Ägypterin, o Weib, du Schlangenzunge, du
Mistkäfer, Basilisk, du raubst mir meine Ruh!
TOCHTER PHARAO
Was ist mir dir, o Herr, was schimpfst du so, mein Bruder?
PHARAO
Im Spinnenwebenkleid bist du ein faules Luder!
TOCHTER PHARAO
Ach, zwar Visionen schau von Göttern ich, es geht
Mein Geist im Jenseits, doch was werde ich geschmäht?
PHARAO
Du zauberst mit Magie, du zeichnest dein Pentakel,
Du Hexe finstrer Nacht, so murmelst du Orakel!
Du Schlangenzunge, du, die dient dem Schlangenkult,
Dass Helena mir fehlt, ach, das ist deine Schuld!
TOCHTER PHARAO
Ich hab, dass Menelas am Leben ist, gesehen,
Ich konnte Helena im Flehn nicht widerstehen,
Doch dass jetzt Helena errungen ihren Sieg,
Das ist nicht meine Schuld. O Pharao, ich schwieg,
Und das ist meine Schuld, sonst nichts, allein mein Schweigen,
Doch sah ich im Gesicht zwei gute reife Feigen,
Zwei gute Feigen sah ich in der Götter Huld.
Ist Helena dir fern, das ist nicht meine Schuld.
Den andern geben stets die Schuld die dreisten Spötter.
Dein Schicksal dulde du, so wirken es die Götter.
PHARAO
Der Götter Schicksalsspruch ist mir ein böser Spott,
Dein Gott, Prophetin, ist gewiss ein böser Gott!
TOCHTER PHARAO
O Mutter Isis du und alle deine Schwestern,
Hör du den Pharao, hör meinen Bruder lästern!
O Mutter Isis du, so mild wie Mondenschein,
Du sollst dem Pharao, dem Bruder mein verzeihn!
PHARAO
Jetzt prüf ich deinen Gott, jetzt prüf ich deine Göttin,
Die schöne Helena, sie ward nicht meine Gattin,
Jetzt bring ich dich, o Weib, in allergrößte Not,
Prophetin, Schwester, ha, jetzt schlage ich dich tot,
Von meinem scharfen Schwert sollst schrecklich du verderben,
So rufe du zum Gott, zur Göttin fleh im Sterben,
Wenn Mutter Isis hilft, hält sie das Schwert zurück,
Wenn Mutter Isis hilft, dann findest du das Glück,
Ist Isis aber nur ein Luftgespinst von Spöttern,
So wird mein Schwert dich jetzt ganz gnadenlos zerschmettern!
TOCHTER PHARAO
O Jungfrau auf dem Mond, hilf, deiner Sklavin hilf,
Das Leviathan-Tier bedrohe du im Schilf!


DRITTE SZENE


(Die Zwillingsgötter erscheinen in den Lüften.)

ZWILLINGSGÖTTER
Fluch dir, o Pharao, du bist ein dreister Spötter,
Laut fluchen dir die Zwillingsgötter!
In deiner Seele ist Betrug und List und Mord,
Nichts ist als Lüge all dein Wort!
Du willst durch eitle List dein Schicksal selbst dir fügen
Und alle Redlichen betrügen!
In deiner Seele herrscht die Finsternis der Nacht,
Begierig bist du nur nach Macht!
Ein Räuber bist du und Erzdieb der falschen Diebe
Und Missbrauch übst du an der Liebe!
Du böser Pharao, der Herr der Erde ist,
Nicht Wahrheit liebst du, sondern List!
Zutiefst verachtest du die Redlichen und Keuschen,
Betrügerisch suchst du zu täuschen,
Doch alle deine List uns Zwillingen ein Spott,
Der Menschensohn, der Sohn von Gott,
Sie lachen über dich mit bitterlicher Lache,
Du spürst der Dioskuren Rache!
PHARAO
Ihr Zwillingsgötter, ach, ich bin der Sonne Sohn,
Ich sprech euch Zwillingen als Herr der Erde Hohn!
ZWILLINGSGÖTTER
Zur Hölle fahr hinab, dort fressen dich die Würmer,
Du geltungsgeiler Gipfelstürmer,
Das Feuer brennt dich dort, dort nagt an dir der Wurm,
Zerbrechen wird dein stolzer Turm,
Das Blut der Opfer wird beflecken dich und röten,
Die Schwester darfst du doch nicht töten!
PHARAO
Die falsche Seherin, die meiner Weisung murrt?
Sie hat mit Menelas im Ehebruch gehurt!
ZWILLINGSGÖTTER
Die reine Seherin darf sich im Himmel betten,
Es werden Zwillinge sie retten!
Dir aber, Sonnensohn, dir hilft auch kein Apoll,
Du musst hinunter in Scheol!
Die reine Seherin in schwarzer Haare Henna
Elysen schaut! Doch du Gehenna!
Fluch dir in Ewigkeit, du böser Pharao,
Verurteilt bist vom A und O!


VIERTE SZENE


(Die Zwillingsgötter schweben in immer größerer Herrlichkeit über dem Mittelmeer und rufen mit dem Schall des göttlichen Wortes den Segen Helena nach.)

ZWILLINGSGÖTTER
Heil, Heil dir, Menelas, du treuer Ehegatte,
Weissagung dies: Du wirst als Schatte
Eintreten durch das Tor des Tods ins Heiligtum
Der Felder von Elysium
Und tanzend schweben durch die Pforte des Triumphes,
Nach Niederlegung deines Rumpfes
Vergessen trinken aus der Lethe alles Leids
Und mit der Nymphe voller Reiz
In lustvoll-seligem Getümmel und Gewimmel
Glückselig im Ideenhimmel
Vereint mit Helena als ihr vermählter Mann
Die Schönheit Gottes schauen an,
Die nicht zu malen ist mit eines Engels Pinsel,
Glückselig wirst du auf der Insel
Der Seligen vereint mit Helena dort sein
In trunken liebendem Verein
Und beide werdet ihr aufstrahlen wie die Sonne
In Lust vereint und Götterwonne!
Du aber, Helena, du schönste Helena,
Von allen, die die Erde sah,
Die Allerschönste du, von allerschönsten Frauen
Die Allerschönste anzuschauen,
Des Hellenismus Reich als Göttin betet an
Dich, Helena, und jeder Mann
Und jede Frau wird zu der Göttin beten,
Elysisches Gefilde Eden
Wird dir dein Garten sein, wo deine Wohnung steht,
Dort oben du erhörst Gebet,
Wenn Dichter beten an beim Weine des Silenus,
Dann hörst du oben auf der Venus!
Die Aphrodite wird zuletzt vergessen sein,
Man ruft allein den Namen dein,
Dich ruft man an als Frau von idealer Schöne,
Dich preisen alle Sphärentöne,
Die Frauen preisen dich zu lauter Trommeln Schall,
Der Flötenbläserinnen Hall,
Die Männer brünstiglich nach deiner Schönheit stöhnen,
Du Göttin, Königin der Schönen,
Die Liebenden erlöst du aus der Qual des Leids!
Heil, Göttin Helena voll Reiz!


FÜNFTE SZENE


CHOR
Wir knieen nieder vor der Göttin,
Des Menelaos treuer Gattin,
Wir preisen Göttin Helena,
Das Abbild der Urania,
Wir preisen ihre Götterschöne,
Die schönste göttlichste Helene
Im Schleier ihres Ätherkleids,
Gehüllt in nichts als Duft und Reiz,
Und ihre schöngewölbten Wangen
Nur hüllen schwarze Lockenschlangen.
Im Hauchgewand des Leibes Glanz,
So tanzt sie mit den Sphären Tanz.
Wir sie im Schleiertanze sehen
Im Himmelstanze der Ideen.
Der Sterne lodernd heiße Flammen
Ihr Liebreizgürtel hält zusammen.
Ich glaub, ein Krater auf dem Mars
Pries ihre Schönheit, ja, so wars.
Und wie vom Weine des Silenus
Betrunken feierte sie Venus
Und selig in dem Himmelsfrieden
Am Gürtel alle Asteroiden
Lobpriesen Göttin Helena,
Die schönste Sapientia!
Die heiße Muschi auch, die zarte,
Die liebestrunkene Astarte
Am Asteroidengürtel all
Mit Flötenbläsereien Schall
Lobpriesen ihre Götterschöne.
Es schrien zur göttlichen Helene
Im höchsten Himmelsheiligtum
Des Sokrates Daimonium,
In sich vermählenden Äonen
Die guten heiligen Dämonen
Lobpriesen Göttin Helena,
Die Helena-Urania.
Und mit den heiligen Dämonen
Die Götter all auf ihren Thronen
Verneigten sich vor ihrem Reiz
Des Lichtleibs in dem Hauch des Kleids,
Bei Bacchus’ Wein und Ceres’ Weizen,
Anbetend knien vor ihren Reizen
Die Götter all auf ihrem Thron
Und Gottessohn und Menschensohn
Verliebt sind in die Ewigschöne,
Die übergöttliche Helene,
Anbetend kniet vor ihrem Reiz
Der Gott der Götter, Vater Zeus!