Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

DER HEXENSABBATH






Von Josef Maria Mayer


(Ein Gebirge, auf dem sich die Hexen zur Schwarzen Messe am Hexen-Sabbath versammeln. Bischof Theophilus und der Dämon Asmodäus.)

ASMODÄUS
Willst du auf einem Besen reiten?
Ich wünschte mir in diesen Zeiten,
Zu reiten einen Ziegenbock!
THEOPHILUS
Ich wollte reiten einen Rock!
Doch jetzt genügt der Wanderstab,
Den ich in meiner Rechten hab.
Wie labyrinthisch ist der Wald
In diesen Tälern mannigfalt,
Den Felsen möchte ich besteigen,
Die Quelle mögest du mir zeigen.
Das Wandern ist des Müller Lust!
Den Frühling spür ich in der Brust,
In Spanien und auch in Germanien,
Den Frühling spüren die Kastanien
Und auch die jungen schlanken Birken.
Der Lenz beginnt in mir zu wirken!
ASMODÄUS
Ich fühle nichts von Frühlingslust,
Ich habe Frost in meiner Brust,
Nicht Lenzes süßes Liebesweh,
Ich liebe Frostigkeit und Schnee.
Wie traurig schleicht am Horizont
Die Luna hin, man nennt sie Mond,
Die Luna gibt so matten Schimmer,
Man stößt sich an den Steinen immer.
Hinan, hinan zum Felsenturm!
Die Wege der Johanniswurm
Uns zeige! Ach Johannestrieb,
Der ist den alten Weisen lieb!
He du, Johanniswürmchen da,
Du kleiner Glühwurm, komm nur nah,
Flieg uns voran den Waldeswipfel
Und zeig den Weg hinan zum Gipfel!
JOHANNISWÜRMCHEN
In Ehrfurcht meine Reverenz!
Ich führe euch durch diesen Lenz,
Traut mir als trautet ihr den Engeln,
Wo sich hinan die Pfade schlängeln.
ASMODÄUS
Den Engeln denkst du’s nachzuahmen?
So schlängle dich, in Satans Namen,
Sonst blas ich dir als wie ein Weib
Die Seele aus dem heißen Leib!
JOHANNISWÜRMCHEN
Ich merke wohl, vom Herrn und Meister
Bist einer du der bösen Geister,
Gehorchen will ich meinem Herrn!
Doch Freitag ists, beim Venusstern,
Die Hexen reiten auf dem Besen,
Die Weiber treiben toll ihr Wesen!
THEOPHILUS
In Träume, wie sie träumen Schlangen,
In Träume sind wir eingegangen.
THEOPHILUS UND ASMODÄUS
Johanniswürmchen, durch die Träume
Führ uns durch dunkle leere Räume!
JOHANNISWÜRMCHEN
Wie rasch die Bäume sich verrücken,
Wie sich die Felsenspitzen bücken,
Die Gipfel mit den steilen Nasen,
Die Windsbraut saust, um scharf zu blasen!
THEOPHILUS
Auch die Quelle sprudelt nieder!
Hör ich freche Gassenlieder,
Gassenhauer voller Klage?
Lebt sie heute noch, die Sage,
Von dem Schlüssel Salomonis
Und von Venus und Adonis?
JOHANNISWÜRMCHEN
Uhu! Tödliches Geheule!
Uhu heult und Schleiereule!
THEOPHILUS
Wo wir einer mit dem andern
Durch die dunklen Wälder wandern,
Labyrinthe und Mäander,
Wie im Feuer Salamander!
ASMODÄUS
Und aus Höhle und Gehäuse
Scharenweise weiße Mäuse,
In den Büschen, wie im Schatten,
Huschen hin die fetten Ratten.
Nicht nur Ratten, nicht nur Mäuse,
Auch die Flöhe, auch die Läuse!
THEOPHILUS
Aber ob wir Menschen stehen,
Sich um uns die Welten drehen,
Oder ob wir Menschen wandern,
Stille stehen alle andern?
THEOPHILUS UND ASMODÄUS
Alles scheint um uns zu wanken,
Scheint zu taumeln, scheint zu schwanken,
Tote in den Bäumen baumeln,
Trunkne torkeln, Trunkne taumeln!
ASMODÄUS
Fasse meines Rockes Zipfel,
Schauen wir von diesem Gipfel
Zu dem alten Gott von Ammon,
Zu dem goldnen Gotte Mammon!
THEOPHILUS
Steckt das Gold doch in den Erzen,
Aber mehr noch in den Herzen,
Steckt das Gold in rauen Felsen,
Komme Feuer, Gold zu schmelzen,
Einzig wegen diesem Feuer
Ist das reine Gold uns teuer!
Nur das Purgatorium
Macht das Gold zum Heiligtum!
ASMODÄUS
Vater Mammon hat Gefallen
Hier an diesen offnen Hallen,
Mammon dünkte, Mammon däuchte,
Daß uns Mammons Glanz erleuchte!
O die Feiern, o die Feste!
Wir sind ungebetne Gäste!
THEOPHILUS
O wie scharf die Windsbraut bläht
Ihre Backen, o wie weht
Dort die Windsbraut, mich zu packen,
Hockt sich mir auf meinen Nacken!
ASMODÄUS
Hier an dieser steilen Klippe
Halte fest die alte Rippe!
Sonst wird dich die Windsbraut stürzen
Und das Leben dir verkürzen!
Graue Nebelschleier fließen
Über diese leeren Wiesen!
Wölfe in den Wäldern heulen,
Von den Bäumen schaun die Eulen!
In der Ulme hängen Fische!
Welch ein Blasen, ein Gezische,
Wie sich schlängeln die Lianen,
Wandern Schatten, sinds die Ahnen,
Eichen stürzen, Eichen splittern
In den donnernden Gewittern!
Einsam gurrt der Turteltauber!
Weiber heulen Liebeszauber!
CHOR DER HEXEN
Die Hexen ziehn zur Sabbatfeier,
Es ist doch nur die alte Leier,
Du, Eva, möchtest einen Freier,
Du, nackte Eva, fragst nicht lange,
Du packst am Schwanze gleich die Schlange!
EINE HEXE
Demeter soll uns Göttin sein,
Sie kommt auf einem Mutterschwein!
O große Göttin, Gottheit-Frau,
Wir weihen dir die alte Sau!
CHOR DER HEXEN
Viel Ferkel an der Säue Zitzen!
Wir sehen auf den Säuen sitzen
Demeter, die uns backt das Brot!
Ach, Kore tot, ach, Kore tot!
EINE HEXE
Ich will, dass alle Mütter platzen,
Ich will aus ihren Schößen kratzen
Und reißen aus dem Mutterschoß
Die Leibesfrüchte, Embryos!
DIE MAGIER
Die Frauen stets das Böse spüren,
Drum sollen uns die Frauen führen.
Wir Männer, wahre Frauenkenner,
Den Frauen folgen wir, die Männer.
CHOR DER HEXEN
Lasst nicht die Mutterkühe kalben!
Zum Fluge wollen wir uns salben!
Der Mohn mit seiner Milch ist gut,
Stechapfel schafft uns Übermut,
Tollkirsche schafft uns Todeswut,
Der Schierling schafft die innre Glut!
ASMODÄUS
Wie Besen dort an Besen klappert,
Das Weibchen mit dem Weibchen plappert,
Die Hexe furzt, die Hexe brennt,
Das ist der Weiber Element!
Theophilus, wo bist du jetzt?
THEOPHILUS
Die Hexe da hat mich verletzt!
ASMODÄUS
Gehorche, Hexe, deinem Herrn,
Ich komm vom Meister Luzifern!
THEOPHILUS
Welträtsel will ich alle lösen!
Da! Weiber in der Macht des Bösen!
ASMODÄUS
Wolfsrudel oder Hunderudel,
Die Weiber treiben dort im Strudel,
Nur fort und fort, hinan nach oben,
Zum Bösen drängts, da wird geschoben.
ALTE HEXE VOM FLOHMARKT
Wandrer, schleiche nicht so lahm
Hier vorüber, sieh den Kram,
Altes ist als Neues besser,
Siehe hier die scharfen Messer,
Menschen taten selbst sich töten,
Schaue hier die goldnen Kröten,
Schau, bereit für Gift der Becher,
Mancher Ehemann war Zecher,
Als von seinem Eheweibe
Gift ging ein zu seinem Leibe.
ASMODÄUS
Alte Weiber, breite Spalten!
Alte, weg mit deinem Alten!
An den Engen, an den Neuen
Kann ein Mann sich nur erfreuen!
THEOPHILUS
Bist du nun ein Dämon, Herr,
Oder nur ein Magier?

(Sie sind auf dem Gipfel angekommen.)

STIMMENGEWIRR
Ja, er kommt, der Satan kommt,
Wie es alten Hexen frommt!
Also freut es Hexenmeister,
Kommt der Herr der bösen Geister!

(Hörner werden geblasen. Qualm. Gestank. Satan erscheint auf dem Gipfel. Die Hexen frohlocken.)

SATANSNOVIZE
Satan, der du Meister bist,
Dir allein will ich gefallen,
Zwar ich bin ein Kommunist,
Doch ich küsse dir die Krallen!
ZEREMONIENMEISTER
Sollst nicht nur die Krallen küssen,
Wirst dich tiefer bücken müssen!
NOVIZE
Was verlangt das Ritual?
ZEREMONIENMEISTER
Wenn du ehren willst den Baal,
Musst du tiefer noch dich bücken,
Tiefer noch, bis untern Rücken,
Bis zu Satan leckst den Arsch!
Hexenmeister reden barsch.
NOVIZE
Komme über mich der Zorn!
Doch ich küss ihn auch von vorn!

(Der Satan, der dem Novizen erst den Arsch gezeigt hat, wendet sich um und dreht ihm seinen starrenden Phallus zu.)

Daß ich Satans rote Nase
Küsse, ihm den Phallus blase!
Aber was begehr ich noch
Als in Satans schwarzes Loch,
Mag es noch so übel riechen,
Satan in den Arsch zu kriechen!

(Stille. Plötzlich kreischen alle alten Hexen laut auf vor Entzücken.)

Was will Satan weiter noch?
Will ich doch ins schwarze Loch!
SATAN
Satans Knecht, du bist erprobt,
Wer so gut wie du gelobt
Satans Arschloch, ohne Heucheln,
Dem wird Satan ewig schmeicheln.

(Mitternacht. Satan setzt sich auf seinen Thron.)

Hier in meinem Weltgericht
Böcke mir zur Rechten dicht,
Sollen sich die Böcke schmiegen
An die Zicken, an die Ziegen,
Jede Zicke sage Dank,
Dankt dem Bock den Bocksgestank!
HEXEN
Fallet nieder in den Staub!
Kommt der Dieb doch jetzt zum Raub!
Dürfen wir in unsern Sünden
Satans Tiefen doch ergründen!
SATAN
Seien euch zwei Dinge hold,
Ehrt zumeist das gelbe Gold,
Der Vergänglichkeit zum Trotze,
Ehrt des Weibes feuchte Fotze!
MAGIER
Dürfen wir in unsern Sünden
Gottes Tiefen doch ergründen!
SATAN
Seien euch zwei Dinge hold,
Ehrt zumeist das gelbe Gold,
Dann zum Becken eurer Tänze
Wie die Schlangen ehrt die Schwänze!
HEXEN
Satan, schenke uns Ekstasen,
Wenn wir Männerschwänze blasen!
EINE HEXE
Ah, auch ich in meinen Sünden
Gottes Tiefe darf ergründen!
ASMODÄUS
(zu einem sechzehnjährigen Mädchen)
Was denn fürchtest du, mein Kind?
Warum zagst du? Sags geschwind!
MÄDCHEN
Ach der große Herr und Meister
Und der Gott der freien Geister
Sprach von Fotzen und von Schwänzen,
Das verletzt der Sitte Grenzen!
ASMODÄUS
Junges Mädchen, hübsche Nichte,
Auf die Wollust nicht verzichte,
Greife nach erhitztem Tanz
Deinem Onkel an den Schwanz!
SATAN
Ihr hübschen Mädchen, schönen Frauen,
Wie lasst ihr gerne euch versauen!
Tags Putzfrau auf des Herren Spuren,
Doch Nachts die allergeilsten Huren,
So preisen euch die Frauenkenner,
Die meine Knechte sind, die Männer.

(Orgie. Die Sauforgie geht rasend über in eine Sexorgie.)

THEOPHILUS
Daß ich mich nicht selbst vergesse
Bei der schwarzen Satansmesse!
ASMODÄUS
Komm nur her zum breiten Becher,
Sind wir doch die besten Zecher,
Frauen, Geister im Gehirne,
Frauen, nackt wie eine Dirne,
Schönste Frauen aus dem Städtchen,
Doch am allerliebsten Mädchen!
Wollen wir doch nicht verzichten
Auf die kaum verhüllten Nichten!
THEOPHILUS
Aber wer ist jene Frau?
ASMODÄUS
Die studiere du genau!
Lilith ist des Weibes Name,
Sie ist Adams erste Dame.
Ihre Macht liegt in den Haaren,
In den langen schönen Haaren!
Blitze schleudern ihre Augen,
Dir den Samen auszusaugen,
Will sie in der Nacht nicht säumen,
Saugt an dir in deinen Träumen,
Von dem Samen, den du spendest,
Wenn dich ihrem Mund zuwendest,
Sie gebiert Dämonensöhne!
Lilith, Lilith, wie ich stöhne!
THEOPHILUS
Schaue dort die weiche Mutter
Mit dem Busen weiß wie Butter
Und bei ihr das junge Mädchen,
Schönste Dirne aus dem Städtchen!
Nach der Liebeskünste Regeln
Wissen beide wohl zu vögeln!
ASMODÄUS
Heute gibt es keine Ruh,
Also rasch, wir greifen zu!
THEOPHILUS
(mit dem Mädchen flirtend)
Kürzlich hatt ich einen Traum,
Schaute einen Apfelbaum,
Schöne Äpfel, bei den Göttern,
Wollte ich den Baum beklettern!
MÄDCHEN
Hör von Äpfeln immer reden,
Immer von dem Garten Eden,
Äpfel hüpfen, Äpfel nicken,
Tust du nur die Äpfel pflücken!
ASMODÄUS
(mit der Mutter flirtend)
Weichen Herzens, süße Alte,
Wie ein Baum mit breiter Spalte,
An dem Baume hing die Feige,
Doch was weiter kommt? Ich schweige.
MUTTER
Alter Esel! Aber doch
In dem Baum das breite Loch,
Breite Spalte in den Borken,
Stopfe nur hinein den Korken!

(Das junge Mädchen singt. Ihr Gesang ist wie brünstiges Liebesgestöhn, sich steigernd zu animalischer Brunft. Ihr Tanz gleicht den rhythmischen Bewegungen des Beckens beim Liebesakt – fast kopuliert sie auf öffentlicher Bühne – da reißt sich Theophilus los.)

ASMODÄUS
Was willst du dieses Weib nicht necken?
Willst du denn nicht ihr Becken lecken?
THEOPHILUS
Grad, da ich fast sie schon begatte,
Schlüpft aus dem Mund ihr eine Ratte!
ASMODÄUS
Was solls, wenn Ratten quiekend piepen!
Das Mädchen wollt sich lassen lieben!
THEOPHILUS
Ich sehe, siehe, was ich schau - -

(In der Ferne ist Anne-Marie zu sehen, die Jugendgeliebte des Theophilus. Sie ist nackt.)

ASMODÄUS
Was schaust du? Etwa eine Frau?
THEOPHILUS
Siehst du die nackte Frau dort? Sie
Ist meine Liebe, Anne-Marie!
ASMODÄUS
Du leidest Halluzinationen
Und hältst die Träume für Visionen.
Die Frau dort ist nur ein Phantom,
Ein Schatte nur vom Lethe-Strom.
THEOPHILUS
Nein, das ist meiner Jugend Muse!
ASMODÄUS
Du lasest wohl von der Meduse!
THEOPHILUS
Ich seh die Lippen, rosenrote!
Erbarmen! Ach es ist die Tote!
Das ist die Brust, die ich genoss,
Der Schoß, den ich geliebt, der Schoß!
ASMODÄUS
Nein, du verliebter Turteltauber,
Das ist Magie nur, das ist Zauber,
Wie du sie siehst, die nackte Schöne,
So Paris sah einst die Helene.
THEOPHILUS
Ach welche Reue! Welche Leiden!
Ich will von dieser Frau nicht scheiden!

(Gericht. Anne-Marie steht auf dem Scheiterhaufen. Die Söhne des heiligen Dominikus und die Söhne des heiligen Franziskus begleiten sie bis zum Tode.)

DAS FROMME VOLK
Heiliger Gott! Heiliger starker Gott! Heiliger unsterblicher Gott! Wir opfern dir auf den Leib und das Blut, die Seele und die Gottheit unsres Herrn Jesus Christus, deines Sohnes, um Erbarmen zu erlangen für uns und für die ganze Welt! Herr Jesus, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle! Führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen! Ave Maria!
PATER
Du, Anne-Marie, stehst vor dem Tod,
Schrei du aus allertiefster Not
Zu Jesus Christus voll Erbarmen:
Erbarm dich, Jesus, deiner Armen!
Ich traue dir, mein Jesus Christ,
Der du allein mein Retter bist!
Ich bin ein Weib – ein schlechtes Weib –
Doch, Jesus, schenk mir deinen Leib!
O geh du ein zu meinem Munde,
Mein Gott, in meiner Todesstunde!

(Die Erscheinung verlöscht. Die tiefste Nacht bricht über Theophilus herein.)
THEOPHILUS
(allein)
Erbarme dich, Herr Jesus Christus!