Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

LULU






Ein Trauerspiel
Von Josef Maria Mayer


ERSTER AKT


ERSTE SZENE


(Berlin, Spandau. Der Bürokrat Georg Schönling und seine Maitresse Lulu.)

BÜROKRAT
Ich habe dich gerettet aus der Gosse,
Da streuntest du herum mit schwarzen Katzen.
LULU
Ich bin ja selber eine schwarze Katze,
Geliebter, und du bist mein roter Fuchs.
BÜROKRAT
Du Streunerin, du armes Straßenmädchen,
Verlassen warest du von deinem Vater
Und aufgegeben von der armen Mutter,
Ich aber fand dich, und ich dachte gleich:
Die Dirne hat betörend schöne Brüste!
LULU
Ich war für dich die reizende Lolita,
Nichts als dein Lustobjekt und Sexidol.
BÜROKRAT
Die bürgerliche Ehe hasste ich
Und dieses Ideal des Christentums
Von Keuschheit und vom Sakrament der Ehe.
Ich kam und sah und siegte über dich!
LULU
Und hättest du mich mehr geachtet, Georg,
Wenn ich mich lange Zeit verweigert hätte?
BÜROKRAT
O große Göttin der Gelegenheit!
Als Aphrodite einst Anchises sah,
Besann sich nicht sehr lang die Liebesgöttin
Und liebte gleich ihn auf dem Ida-Berg.
LULU
Wer ist denn diese Göttin Aphrodite?
Sag, gibt es diese Liebesgöttin wirklich?
BÜROKRAT
Du, Lulu, bist die Göttin Aphrodite!
Als ich dich sah, erkannte ich sogleich,
Daß Göttin Aphrodite mir erschienen
In ihrer Erden-Stellvertreterin,
Wenn ich die Stellvertreterin beschlafe,
Beschlafe ich die Göttin Aphrodite.
LULU
Und als du mich genommen in dein Haus,
Da lagen wir sogleich im breiten Bett.
Sag, hat dir meine Liebe Lust bereitet?
BÜROKRAT
Du schufest mir die Lust des dritten Himmels!


ZWEITE SZENE


(Dieselben.)

BÜROKRAT
Maitresse, oder sag ich Konkubine,
Ich liebe nicht das Leben der Bohème,
Ich bin kein Künstler und bin kein Student,
Kein Bettelmönch, kein trunkner Vagabund.
LULU
Was kümmert mich das alles, liebst du mich?
BÜROKRAT
Ja, Liebe, Liebe... Leidenschaft ist schön
Und Wollust ist wohl köstlich zu genießen,
Doch dieser Liebestraum nicht lange dauert,
Dann kommt die Wirklichkeit und fordert Geld.
LULU
Was ist denn Geld im Angesicht der Liebe?
BÜROKRAT
Ach, Träumerin, das Geld regiert die Welt.
Ich schaute eben heute auf mein Konto,
Wie groß geworden ist mein Schuldenberg!
LULU
Die Vögelein ernährt die Liebe immer.
BÜROKRAT
Der Ernst des Lebens fordert mehr als das.
Ich lernte kennen eine Millionärin.
LULU
Und ist die Millionärin schön wie ich?
BÜROKRAT
Ach, fünfzig Jahre zählt die Millionärin,
Doch will sie mich zum Ehemanne nehmen.
LULU
Was soll aus deiner kleinen Lulu werden?
BÜROKRAT
Ich kenne einen alten Mediziner,
Der kennt die Medizin auch der Chinesen,
Kann Brustkrebs therapieren durch das Atmen
Und Meditieren über Yin und Yang,
Den hab ich dir zum Gatten auserwählt.
LULU
Ach, bleibst du heimlich dennoch mein Geliebter?
BÜROKRAT
Erst einmal nicht. Ich muß der Millionärin
Vertrauen doch gewinnen, ihr Vertrauen
Ist meine Zukunft, meine Altersrente.
LULU
Was immer du begehrst, das will ich tun,
Doch Einmal sollst du heut noch mit mir schlafen!
BÜROKRAT
Ich kann nicht mehr, bin impotent geworden,
Ich schlafe lieber nachts auf meinem Sofa.


DRITTE SZENE


(Lulu und der junge Dichter Schwarz.)

LULU
Willst du denn nicht an meinen Brüsten liegen?
DICHTER SCHWARZ
Gebettet zwischen deinen Brüsten, sing ich
Die Ode an die Brüste Aphrodites.
LULU
Du schreibe immer, schreibe was du willst,
Ich frage nicht danach, doch wenn du singst
Von mir, dann will ich es auch gerne lesen.
DICHTER
Die Alten fabelten von Himmelsmusen,
Von Göttinnen, die inspirierten sie,
Dein Mund soll mir die Musenküsse geben!
LULU
Ja, küssen will ich dich und mit den Lippen
Liebkosen jedes Glied dir, mein Adonis.
DICHTER
Was will der Dichter mehr als einen Becher
Voll schweren dunklen Rotweins von Bordeaux,
Sein kleines Büchlein mit der Odyssee
Und willig wartend in dem Bett ein Weib!
LULU
Ich wüsste nicht, wie sonst ein Dichter sollte
Von Liebe singen können, von der Göttin
Der Liebe und der Schönheit, wenn nicht eine
Geliebte Frau ihn inspirieren würde.
DICHTER
Der Glaube an die Himmlischen ist Wahnsinn,
Das Musenpriestertum ist Wahnsinn auch
Und die Erotik ist ein wilder Wahnsinn!
Das ist mit Einem Wort mein Platonismus.
LULU
Vom Platonismus hörte ich, die Liebe
Sei übersinnlich, reine Seelenliebe.
Und körperliche Liebe, mein Poet,
Willst du von mir die körperliche Liebe?
DICHTER
Wenn ich gesungen hab die Abendhymnen
An die astrale Venus und getrunken
Den Becher Wein, ja, auch den dritten Becher,
Will ich mich schleichen in dein Kämmerlein
Und will mich legen in dein weiches Bett
Und will mit Leib und Seele dich liebkosen.
LULU
Ich lehre dich die Liebeskünste alle,
Dann schreibst du ein didaktisches Poem
Und singst, wie einst Ovid Corinna sang.


VIERTE SZENE


(Lulu und der Dichter Schwarz liegen leicht bekleidet Arm in Arm im Bett.)

DICHTER
Geliebte Göttin, welche Lust der Liebe!
LULU
Da fehlen selbst dem Dichter alle Worte?
DICHTER
Ich fühl in meinem Innern süße Lust!
O süße Lust, die mir die Liebe schenkt!
LULU
Hab ich die Liebe dir im Fleisch geschenkt?
DICHTER
Es drängte in mir zur Vereinigung
Und du hast die Vereinigung gewährt!
LULU
Soll das das letzte Mal gewesen sein?
DICHTER
Geliebte! Solches will ich jeden Tag!

(Man hört Schritte vor der Tür.)

LULU
Wer stört da unsre traute Zweisamkeit?

(Lulus Gatte, der alte Mediziner Dr. Groll, poltert herein.)

MEDIZINER
Was muss ich sehen, liederliche Dirne?
In deinem Bett mit einem andern Mann?
LULU
Was soll ich sagen? – Denk du an dein Herz!
MEDIZINER
Du liederliche Lulu, Teufelin,
Mein Vorhofflimmern bricht im Herzen an,
Mein Herzschrittmacher schlägt im Herz nicht mehr.

(Er holt sich schnell sein Pillendöschen aus der Jackentasche und wirft sich eine Pille ein.)

Ach, auch die Medizin will nicht mehr helfen.
Du, du bist schuld an meinem Herzinfarkt,
Gemeine Dirne, stadtbekannte Dirne,
Du, Lulu, hast den Gatten umgebracht,
Mein Herz gebrochen! Gott erbarm sich deiner!

(Der alte Mediziner Dr. Groll stirbt am Herzinfarkt.)

LULU
Ach, Tod und Hochzeit, das ist alles eins!


ZWEITER AKT


ERSTE SZENE

(Lulu im roten Brautkleid, mit tiefem Décolleté, die Schultern bloß, das Kleid reicht auf die Oberschenkel. Der Dichter schwarz gekleidet wie ein melancholischer Student des Existentialismus. Sie haben eben geheiratet.)

LULU
Mein Dichter! Jetzo sind wir Mann und Weib!
DICHTER
Ja, ich bin Adam, du bist meine Eva!
LULU
Ich Aphrodite, du mein Mann Adonis!
DICHTER
Nun keiner stört mehr unsre Zweisamkeit
Und Tag für Tag wir lieben uns im Bett!
LULU
Wir brauchen keine große schöne Wohnung,
Dein Zimmer sei nur groß genug für deine
Geliebten Bücher und die Manuskripte
Und mir, Geliebter, mir genügt die Kammer,
Die eben groß genug fürs breite Bett!
Ein kleines Tischchen vor dem Bette reicht,
Dort staple ich erotische Romane.
DICHTER
Das aber muß sich ändern, liebste Lulu,
Daß du erotische Romane nur
Und andre schlechte Belletristik liest.
LULU
Ich habe den Gefallen dir getan
Und Tolstois Auferstehung durchgelesen.
DICHTER
Was denkst du über dieses Buch, Geliebte?
LULU
Mein lieber Schatz! Ich muß mein Leben ändern!
DICHTER
Nun komm, Geliebte, gehn wir in die Kammer,
Ich möchte deinen bloßen Busen sehen
Und betten mich im Tale deiner Brüste,
Denn dieses Tal inmitten deiner Brüste
In Wahrheit ist das Liebesnest Cupidos.
LULU
Cupido? Ach, ich möchte einen Knaben!
Ach, mach mir einen kleinen Benjamin!
DICHTER
O göttlicher Cupido, herrsche nun!

(Sie verschwinden in der Bettenkammer.)


ZWEITE SZENE


(Der Dichter Schwarz allein, er liest die Oden von Horaz.)

DICHTER
Was will nur Lulu bei dem Georg Schönling,
Warum muss sie den Bürokraten treffen?
Die ganze Nacht ist sie bei ihm geblieben!
Ach, wenn ich daran denke, dass der Hund
Gebissen ihr in ihre weiße Schulter
Und ihr beim Liebesspiel die Haut zerkratzt,
Die Galle quält mich in den Eingeweiden!

(Er wendet sich zur Marmorstatue der nackten Aphrodite.)

O Venus, steh du deinem Diener bei,
Denn meine vielgeliebte Lulu ist
Mir untreu! Sie ist fremdgegangen mit
Dem Rüden Georg Schönling, diesem Hund!
O Göttin Venus, du in deiner Allmacht,
Geh bitte jetzt zu Lulu und gebiete
Der ungetreuen Vielgeliebten, dass
Sie eben jetzt in Liebe an mich denkt
Und dass ihr alles Lustverlangen schwindet
Im Bette Georg Schönlings, dass die Liebe
Zu mir allein ihr ganzes Fleisch durchzückt!
O Venus, droben nickt dein Abendstern
Erhörung meinem frommen Flehen zu!

(Die Tür geht auf und Lulu tritt ein.)

LULU
Verzeih mir, mein Poet, mein süßer Schatz,
Gestehen muß ich: Ich bin fremdgegangen!
Ich lag bei Georg Schönling in dem Bett,
Wir lagen nackend in dem Bett zusammen
Und machten eben Liebe miteinander,
Da plötzlich konnte ich an dich nur denken,
Ich unterbrach den Liebesakt mit Georg
Und zog mich an und eilte gleich zu dir
Und also bin ich hier. Was willst du nun?
DICHTER
Gemeine stadtbekannte Dirne, Lulu,
Wie soll ich jemals wieder dir vertrauen?
LULU
Ich liebe dich noch mehr als einen Bruder!
Was aber deinen Nebenbuhler angeht,
Das ist nur Sex und hat nichts zu bedeuten.
DICHTER
Du brichst mir immerzu das Herz, Geliebte!


DRITTE SZENE


(Der Dichter Schwarz nachts unter einer Blutbuche, in der Hand ein Messer.)

DICHTER SCHWARZ
Weg die Geliebte! Weg der Sinn des Lebens!
Der Satan hat in mich gepflanzt den Wahnsinn,
Die Hölle tat sich auf, sie stank wie Schwefel
Und Ratten kamen aus der Hölle, Ratten!
Ja, Mephistopheles ist Fürst der Ratten,
Da huschen überall an jedem Zaun
Die Ratten, rascheln unter jeder Hecke.
Vielleicht sinds Amseln und vielleicht sinds Igel,
Nein, Ratten sind es, Satan schwarze Ratten,
Die stinken wie die Pest, wie faule Eier.
Dort oben an dem Himmel eine Wolke,
Die Wolke sieht wie Indien aus, ich seh,
Die Menschen stellen Opferspeisen für
Den Elefantengott Ganesha hin
Und Ratten fressen diese Opferspeise.
Jetzt seh ich den Himalaya am Himmel
Und eine Riesen-Ratte steigt hinan,
Verseucht den Quell des Ganges, über Indien
Es regnet Pest, die Flöhe aus den Ratten.
Am Himmel seh ich eine Ratten-Wolke
Und eine Wolke, einem Engel gleich,
Der in der Rechen hält ein scharfes Schwert,
Sankt Michael, der tötet alle Ratten.
Doch habe ich die Biblia bei mir,
Was sagt mir das Orakel diese Stunde?

(Er schlägt die Bibel auf und sticht mit dem Finger einen Vers und liest)

Ich werde heute Nacht dich schlagen mit
Dem Schwert und keiner wird dich finden und
Verbinden deine Wunden an dem Arm.-
Gott sagt es, das ist der Befehl des Herrn,
Komm, Messer, schneide mir die Adern auf!

(Er nimmt das Messer und schneidet sich die Pulsadern auf. Verblutend spricht er seufzend)

Ach Lulu, ich bin wie zerriebne Myrrhe!
Maria, wartest du bereits auf mich?

(Er stirbt.)


VIERTE SZENE


(Lulu und der Bürokrat Georg Schönling.)

LULU
Was willst du denn, mein bester Bürokrat,
Du Vater aller Götter und der Menschen?
BÜROKRAT
Als ich die Millionärin nahm zur Frau,
Wir schlossen den Vertrag der Ehe ab,
Bei einer Scheidung ich bekäm ein Drittel.
Geschieden bin ich nun und reich genug.
LULU
Und willst du mich zu deiner Gattin nehmen?
BÜROKRAT
Soll ich dich nehmen, die kein andrer will?
Das brächte mir ja keinen Steuervorteil.
LULU
Doch liebe mich! Ich will, du sollst mich lieben!
BÜROKRAT
Ach, Liebe, das ist was für junge Schwärmer,
Romantische Poeten blauer Blumen.
Gewohnheit aber, oder höchstens Freundschaft,
Das geb ich, wirst du meine Konkubine.
LULU
Weil ich verliebt bin in dein schwarzes Haar...
BÜROKRAT
Und ich begehre deine hübschen Brüste!
LULU
Nun, wenn kein Fundament von Felsen, dann
Ein Fundament von Sand, darauf gebaut
Ein Wolkenkuckucksheim für Vögelein.
BÜROKRAT
Was soll ein ganzes Ja zu Einem Menschen?
In Wahrheit will ich Alle Frauen haben!
LULU
Was soll ein ganzes Ja zu Einem Mann?
Weiß ich, ob ich dich morgen auch noch liebe?
Nein, treu bin ich nur meinem eignen Stern!
BÜROKRAT
Doch manchmal will ich kommen in dein Bett.
LULU
Schlaf ich geborgen dann in deinen Armen
In einer zärtlichen Umarmung ein?
BÜROKRAT
Ein rascher Liebesakt, das ist genug,
Dann treff ich mich mit meinem Freund zum Bier.
LULU
Ach, ach, die zärtliche Geborgenheit...
BÜROKRAT
Du willst nur und du forderst nur, mein Schatz,
Sei du zufrieden, wenn dich einer nimmt!


FÜNFTE SZENE


(Abend. Lulu und ihr Hausfreund beim Abendbrot. Der Bürokrat kommt aus dem Büro.)

LULU
Und magst du gerne weichen Ziegenkäse?
HAUSFREUND
Ja, warme Brötchen, reich besetzt mit Körnern,
Mohnsamen oder Sesamsamen auch,
Darauf die Butter von der guten Mutter
Und dicke Scheiben weichen Ziegenkäses
Und oben drauf die grünlichen Oliven,
Die ohne Kerne sind, gefüllt mit Knoblauch.
LULU
Und möchtest du dazu ein Tässchen Tee?
Sag, oder möchtest du ein Tässchen Kaffee?
HAUSFREUND
Was trinkst denn du, du Angebetete?
LULU
Ich trinke grünen Tee Darjeeling nur.
HAUSFREUND
So mir auch eine Tasse grünen Tee.
LULU
Eisbergsalat mit Sonnenblumenkernen!
Hier Mozarella-Käse mit Tomaten!
Sag, oder möchtest du ein bisschen Wurst?
HAUSFREUND
Nein, meine vegetarische Geliebte!
Ich lebe nur von keuscher Luft und Liebe!
LULU
(Sie lauscht nach der Tür)
Da kommt der Bürokrat aus dem Büro.
HAUSFREUND
Nur leisetreten! Jetzt kommt mein Rival!

(Der Bürokrat Georg Schönling tritt ein.)

BÜROKRAT
Ach, ich verdiene also nur das Geld,
Du Weib, du sitzt den ganzen Tag nur müßig,
Hast auch gefunden einen Hausfreund schon?
Und du, mein lieber Freund und Kupferstecher,
Kannst du zuhaus nicht essen Abendbrot?
Willst du von meinem Gelde dich ernähren?
LULU
Sei nicht so geizig, Mann! Er liebt mich doch!
BÜROKRAT
Er liebt dich? Er liebt meine Konkubine?
HAUSFREUND
(listig lächelnd)
Du, Georg, Ehemann von Gottes Gnaden,
Ich liebe deine Freundin rein platonisch!


DRITTER AKT


ERSTE SZENE


(Lulu und ihr Verehrer, der Prügelknabe Quintus Kraft.)

QUINTUS KRAFT
Schau meine Muskeln an, geliebtes Weib,
Schau meinen Gang mit breiten Beinen an,
Ich bin der maskuline Supermann,
Ich werde retten alle Universen!
LULU
Anbetung dir, dem großen Supermann,
Zu Recht, o Freund, trägst du den Namen Kraft,
Denn Christus heißet Gottes Kraft und Weisheit,
Du sollst mein Christus sein, die Gottes-Kraft,
Kraft Gottes bist du, die ich bete an,
Kraft Gottes bist du, Gott in meinem Innern!
QUINTUS KRAFT
Wenn du dich ganz mir anvertraust, o Weib,
Dann bau ich dir ein wunderschönes Landhaus,
Von meinem Geld kauf ich dir eine Villa
Mit einem riesengroßen Blumengarten
Und schenke Hengste dir und schenk dir Stuten
Und Kesselflicker-Ponys, wenn du willst!
LULU
Auf alle Ponys will ich gern verzichten,
Wenn du mein Hengst nur bist, du Gott der Kraft!
QUINTUS KRAFT
Ja, du bist meine Helena von Sparta,
Die geile Hündin, welche läufig ist!
Schau nur aus deinem Fenster, Aphrodite,
Zünd eine Lampe an in deinem Fenster!
LULU
Wenn ich die Hündin bin, die läufig ist,
Der Rüde du, der mich bestiegen hat!
QUINTUS KRAFT
In einem sehr erotischen Roman
Aus China las ich einst von einem Mann,
Des Penis war nicht lang und breit genug,
Doch Chinas Mediziner konnten helfen,
Er wurde operiert, in seinen Penis
Ein Teil von einem Hunde-Penis ward
Dem Mannespenis eingefügt und so
War dieser Mann so kraftvoll wie ein Rüde.
LULU
Mein Gott der Kraft, dein Penis ist für mich,
So wie er ist, so lang und breit er ist,
Das beste Stück, das ich gesehen habe.
Was soll mir Dichterliebe, Dichterehre,
O Kraft, wenn ich nur deinen Penis habe!


ZWEITE SZENE


(Lulu und der schwärmerische Student Johannes Hardenberg)

JOHANNES HARDENBERG
Ich hab von dir geträumt, geliebte Frau,
Ich schaute deinen weißen Körper fast
Ganz nackt, nur transparente Schleier
Umwehten deinen schönen nackten Leib,
Ich schaute deinen Rücken, deinen Po,
Das Haar trugst du zum Knoten aufgesteckt,
Du wandeltest mit deinen nackten Füßen
Auf blauem Wasser in der dunklen Nacht
Und auf dem blauen Wasser schwammen Blumen,
Die allerreinsten weißen Lotosblumen,
So schrittest du auf einen Vollmond zu,
Der hing wie eine Hostie in der Nacht,
Rein wie ein unbefleckter Spiegel Gottes.
LULU
Was du so träumst! Ist das denn meine Seele?
Ist das nicht vielmehr deine eigne Seele?
JOHANNES HARDENBERG
Wie kannst du nur so grausam sein, Geliebte,
Die du die Seele meiner Seele bist!
Du hast geraubt mir meine eigne Seele,
Den Atem und das Leben meiner Seele
Hast du mir weggenommen, o Geliebte!
Nun wandelst du davon mit meiner Seele
Und ich bin nichts als unbelebter Staub!
LULU
Ich bin nicht deine Seele! Meine Seele
Ist meine eigne Seele, ganz mein eigen,
Ich bin ich selbst, ich bin mein Wahres Selbst,
Gott hauchte mir die eigne Seele ein,
Doch deine Seele, Schwärmer, bin ich nicht!
JOHANNES HARDENBERG
Doch habe ich verloren meine Seele
Und bitte dich, gib mir die Seele wieder!
Ach, wenn du meine Seele gar nicht willst,
Dann gib mir meine Seele bitte wieder!
Sei nicht so seelenlos, du kalte Frau,
Belebe bitte meinen toten Staub!
LULU
Ich seelenlos? Ich bin nicht seelenlos!
In Wahrheit hab ich nämlich sieben Seelen!
Ja, wie die Katze sieben Leben hat,
Im Innern leben sieben Seelen mir!
JOHANNES HARDENBERG
Ich weiß nicht, ob es sieben Seelen sind,
Vielleicht auch sind es sieben böse Geister!
LULU
So liebst du mich – und nennst mich einen Teufel?
Geh, lass mich heut allein, ich will allein sein!


DRITTE SZENE


(Lulu liegt mit dem Jüngling Michael im Bett.)

MICHAEL
Mein Mütterchen, die Millionärin, liebt
Mich nicht, sie liebt ja nichts als Gold und Geld,
Mein Vater ist ein kalter Bürokrat
Und hat kein Herz in seinem harten Busen,
O Lulu, meine Schutzfrau, meine Liebe,
Ich suche Zuflucht unter deinem Rock!
LULU
Ich, deines Vaters Konkubine, bin
Des Sohnes Konkubine auch, Geliebter,
Und Schutzfrau deiner depressiven Seele.
Komm, ruhe dich an meinen Brüsten aus
Und sauge Trost aus meinen vollen Brüsten!
MICHAEL
In dieser Welt gibt’s leider keine Liebe,
An einen lieben Gott kann ich nicht glauben,
Nein, mein Altar, das ist allein dein Bett!

(Jemand rüttelt an der Tür, aber sie ist abgeschlossen.)

GEORG SCHÖNLING
(von draußen)
Ich rüttle an der Tür, ich klopfe an,
Du Teufelin, was hast du abgeschlossen?
LULU
Machst du mir wieder großen Psycho-Stress!
Ha, sehen, sehen sollst du, wen ich liebe,
Und spüren, dass ich dich nicht länger liebe!

(Die leichtbekleidete Lulu schließt die Tür auf. Georg Schönling tritt ein und sieht seinen Sohn Michael in dem Bette seiner Geliebten.)

GEORG SCHÖNLING
Ah, Lulu, das zerfetzt die Seele mir!
LULU
Ja, aller Männer Herzen will ich brechen!
GEORG SCHÖNLING
Du bist ein böses Weib! Du bist ein Teufel!
LULU
Du willst mir fluchen? Fluchen ist verboten!
Nein, lieber Freier, segne deine Feindin!
GEORG SCHÖNLING
Ach, fluchen will ich, fluchen und verdammen,
Doch meine böse Feindin muss ich segnen!
So fluch ich Satanas und Satans Braut!


VIERTE SZENE


(Georg Schönling mit Pistole, und Lulu.)

GEORG SCHÖNLING
Ich habe lange drüber nachgedacht,
Du schienst mir eine stadtbekannte Dirne,
Das aber wäre harmlos, liebe Lulu,
Jetzt weiß ich, du bist eine Fledermaus,
Die Gräfin Dracula von Siebenbürgen!
Um deine schlechte Seele noch zu retten,
Du müsstest brennen auf dem Scheiterhaufen,
Doch heut verbrennt man Hexen ja nicht mehr.
Dämonisches Gelichter munter geht umher,
Kein Pfaffe spricht den Exorzismus heute.
Nun gut, du schlechtes Weib, du böses Weib,
Du, Lulu, sollst mich nicht zum Selbstmord treiben,
Wie du es mit dem Dichter Schwarz gemacht!
Hier also reiche ich dir die Pistole,
Genosse Mauser, Revolutionärin,
Und fordere dich auf, dich zu erschießen!
LULU
Ha! Das ist eine herrliche Idee!
Ich habe um das Leben nicht gebeten,
Ich geb die Eintrittskarte zu der Welt
Hohnlachend meinem Schöpfergott zurück!

(Sie nimmt die Pistole, richtet den Lauf auf Georg Schönling und erschießt ihn! Georg fällt tot zu Boden, wie ein toter Körper fällt.)

LULU
Der ging mir ja schon lange auf die Nerven!

(Eine Nachbarin stürzt herein, die den Schuss gehört hat.)

NACHBARIN
Ach Fräulein Lulu, ist dir was passiert?
LULU
Mir? Mir ist nichts passiert! Doch Er ist tot!
NACHBARIN
Zu Hilfe! Polizei! Ein Mensch ist tot!
Der Mann ermordet von dem bösen Weib!
LULU
Susannchen, bitte deinen Gott für mich,
Denn leider, ach, ich bin ein böses Weib,
Bin nicht so fromm wie du, du reine Lilie,
Besessen bin ich von Dämonen, Christin,
Drum sprich ein Ave du für meine Seele.
NACHBARIN
Gegrüßet seist du Neue Eva! Amen!


VIERTER AKT


(Die Szene des vierten Aktes ist Paris, Quartier Latin. Lulu erscheint als Halbweltdame im Kreise der Bohème.)

ERSTE SZENE

LULU
Paris, du wunderschöne Stadt der Liebe,
Nun ich entlassen bin aus dem Gefängnis
Und bin befreit von allen meinen Feinden,
Nun kann ich in der Stadt der Liebe leben!
Ich werde vor der Kirche Notre Dame
Mit einem klugen Ziegenbocke tanzen
Und werde einen Gottesmann bezaubern,
Der die Magie betreibt in seiner Zelle.
Ich werde vor der Kirche Notre Dame
Ein Croissant zum Frühstück essen und
Wenn Pöbel kommt und sagt: Das Volk hat leider
Kein Brot, sag ich den Revolutionären:
So soll das arme Volk doch Kuchen essen!
Ich werde mit Kamelienblumen mich
Am Abend im Theater schmücken und
Poeten laden ein in meine Zimmer
Und inspirieren die Poeten, die
Mein breites Bett für einen Himmel halten!
Ich habe meine Reize nicht umsonst,
Kalypso will ich sein auf ihrer Insel,
Paris ist mir die Insel der Kalypso,
Und wenn Odysseus kommt, der einfallsreiche,
Dann lasse ich ihn nicht aus meinen Armen.
Ich habe nie verstanden, dass Odysseus
Aus der lasziven Liebesgöttin Armen
Geflohen ist zur Frau Penelope,
Zur Langeweile ihrer Ehetreue.
Die jungen Männer werde ich bezirzen
Und nennen sollen sie mich: Göttliche!
Ich werde in Paris berühmt sein als
Maitresse von Marquisen, Kurtisane
Der Philosophen, Muse und Madonna
Und Engelin der trunkenen Poeten.
Wenn sie in meinem Himmelsbett gewesen
Und angebetet meinen Gott Priap,
Den Gott Priap, den Schutzgott meines Bettes,
Dann werden niemals mehr sie mich vergessen.
Ich geh in die Geschichte ein der Dichtkunst
Als Göttliche, als Hure der Poeten!


ZWEITE SZENE


(Lulu und ein Bankier.)

LULU
Ich brauche etwas Geld noch von der Bank.
BANKIER
Das Geld ist aber alles ausgegeben.
LULU
Mein Geld ist weg? Wovon soll ich jetzt leben?
BANKIER
Du hättest eben richtig rechnen müssen.
Schreib dir in Zukunft auf, wofür du all
Dein Geld ausgibst, in einer Spalte schreibst
Du auf, was du für Essenssachen ausgibst,
Wie viel für Kleidung und wie viel für Schuhe,
Wie viel für Schmuck und andre Kostbarkeiten,
Für Gouloise-Zigaretten und
Für Rotwein aus Bordeaux und für Champagner.
Dann schaust du, wie viel Geld du ausgegeben
In einem Monat, wie viel Geld bekommen,
Und untersuchst, wo du jetzt sparen könntest.
LULU
Am Essen kann der Mensch doch immer sparen,
Doch nicht an Gouloise-Zigaretten.
BANKIER
Nein, der Franzose denkt da anders, Lulu,
An allem könnte sparen der Franzose,
Doch nicht am Essen. Das tun nur die Deutschen.
LULU
Ich habe objektiv zu wenig Geld.
BANKIER
Nun, wenn das so ist! Unsre Bank ist aber
Kein Esel, welcher Gold-Dukaten scheißt,
Und keine Kuh, die man stets melken kann.
LULU
Ach, ruiniert bin ich! Jetzt müssen Tricks
Mir von dem Vater Staat das Geld ergaunern.
BANKIER
Der Vater Staat, ja, ja, der Vater Staat!
Hast du denn keinen reichen Vater mehr,
Der deine Schulden dir begleichen kann?
LULU
Mein Vater ist als armer Mann gestorben,
Er hatte spekuliert, erlitt Verluste.
BANKIER
Da weiß ich eines nur: Such einen Mann
Mit vollem Beutel in der Hosentasche
Und prostituiere dich und gib dich hin
In körperlicher Liebe einem Reichen
Und lasse dich vom reichen Mann ernähren,
Für deine körperliche Liebe soll
Er zahlen dir mit Schmuck und mit Parfümen,
Mit Schmuck, Gemälden und antiken Göttern.


DRITTE SZENE


(Lulu und ein Marquis)

LULU
Marquis, wo soll ich hin? Ich weiß nicht weiter!
So arm, ich ende noch im tiefsten Elend!
MARQUIS
Du schönes Weib, die du so reizend bist,
Mit deinem Körper kannst du Geld verdienen.
Uns Männern ist das leider nicht gegeben,
Wir müssen fleißig sein in dem Büro,
Vom Vater Staate leben oder erben.
Ihr Frauen habt es besser, ihr könnt lieben,
Mit euren Reizen könnt ihr Geld verdienen.
LULU
Soll ich als Hure auf die Straße gehen?
MARQUIS
Dafür bist du doch viel zu schön! Die Huren
In den gemeinen Gassen sind nicht schön.
Nein, du bist viel zu schön für diese Welt!
Ich weiß jedoch in Alexandria
Im koptischen Ägypten ein Bordell,
Das ist kein ordinäres Hurenhaus,
Ein Freudenhaus ist das von Edelhuren!
Ich könnte dich vermitteln, liebste Lulu.
LULU
Selbst wenn ich eine Edelhure wäre,
Es wollte doch kein Mann mehr mit mir schlafen.
Ich bin doch keine sechzehn Jahre mehr.
MARQUIS
Nein, wärst du in Ägypten Edelhure,
In Alexandria im Freudenhaus,
So zög ich nach Ägypten, wohnte dort
In Alexandria und wäre täglich
Dein treuer Kunde, ja, dein bester Kunde!
LULU
Doch Hure sein, das ist nicht ehrenhaft.
MARQUIS
Das ist der älteste Beruf der Welt!
Sankt Paulus missionierte in Athen
Bei Philosophen, bei den Stoikern
Und bei den Epikuräern, aber diese
Verlachten ihn und sagten: Körnerpicker!
Dummschwätzer! Paulus eilte nach Korinth
Und in der Hafenstadt Korinth im Hafen
Er missionierte unter Huren, siehe,
Die Huren kommen schneller in den Himmel
Als weise Philosophen von Athen.
Von wem hat Sokrates die Redekunst?
Er hat sie von Aspasia, der Hure!
Maria Magdalena auch war eine
Hetäre, eine wunderschöne Hure,
Und Christus küsste oft sie auf den Mund!


VIERTE SZENE


(Nacht. Lulu packt eilig ihre Tasche.)

LULU
Adieu, Paris, Adieu, du Eifelturm,
Du Efeuturm, Adieu, Champs Elysée,
Arc de Triomphe, Adieu, Adieu, Montmartre
Und Sacré Cœur, Adieu, und Notre Dame,
Adieu, Hotel de Dieu, Adieu, du Metro,
Adieu, du Gard du Nord, Quartier Latin,
Adieu, du Moulin Rouge, Adieu, Pigalle,
Adieu, Café au lait, Adieu, Croissant,
Adieu, Baguette, Adieu, du roter Wein,
Adieu, Salat, Adieu, ihr Käsesorten,
Adieu, du Mousse au chocolat, Adieu,
Adieu, ihr leckern Schenkeln von den Fröschen,
Adieu, ihr vielgeliebten Weinbergschnecken,
Adieu, du Truthahn und Adieu, Champagner,
Adieu, du Cidre, süßer Apfelmost,
Adieu, Maronen und ihr Pommes frites,
Adieu, gebratne Enten, leckre Enten,
Adieu, Tomaten, pommes de paradis,
Adieu, geliebte Liebe, Sinnlichkeit,
Adieu, Französisch, Zunge du der Engel!
NACHTWÄCHTER
(ruft in der Straße)
O Leute, Leutchen, es ist Mitternacht!
LULU
O, Mitternacht, und ich, ich schlafe nicht,
Vor lauter Kummer kann ich gar nicht schlafen,
Die Nachtgespenster lassen mich nicht schlafen.
Jetzt finden mich die Nachtgespenster wachend,
Doch ob ich weise bin wie alte Männer,
Doch ob ich töricht bin wie junge Mädchen,
Das kümmert gar nicht diese Nachtgespenster.
NACHTWÄCHTER
(flüstert)
Ach, ein Gespenst geht in Europa um,
Das ist das Nachtgespenst der Göttin Lilith...
LULU
Wenn der Marquis mich prostituieren will,
So sind nun einmal die Franzosen, sinnlich!
Doch will ich in Ägypten nicht und nicht
In Alexandria als Hure leben.
O Deutschland, Deutschland, meine blonde Mutter!
Nein, wenn ich schon als Hure enden soll,
Dann such ich Zuflucht lieber bei Sankt Pauli!


FÜNFTER AKT


ERSTE SZENE


(Lulu steigt von einem Schiff auf die Landungsbrücken im Hamburger Hafen, gefolgt von zwölf begeisterten Matrosen.)

MATROSEN
Wir danken dir für diese Überfahrt,
Nie war die Reise übers Meer so schön!
LULU
Ich danke euch, dass ihr mich mitgenommen,
Ich konnte doch die Reise nicht bezahlen.
MATROSEN
Du hast bezahlt mit einer andern Währung,
Dein Körper ist mehr wert als reines Gold.
LULU
Nun singt zum Abschied mir noch einen Shanty!
MATROSEN
(singen)

Einst wollte zu dem Heilgen Grabe
Die schöne Evelyn Roe,
Sie hatte aber keine Habe
Als ihren Leib. He-Ho!

Da gab sie allen den Matrosen
Den Körper frisch und froh.
Ein jeder durfte zärtlich kosen
Die schöne Evelyn Roe.

So ist sie auf dem Schiff gestorben,
Die arme Evelyn Roe.
Sie hat ums Paradies geworben
In dulce jubilo!

Doch an der Himmelstür Sankt Peter
Zur Sünderin sprach so:
Es ist kein Platz in Gottes Äther
Für Huren, Evelyn Roe!

Zur Hölle musst du ohne Zweifel,
Du Hure Evelyn Roe!
Doch drunten sprach zu ihr der Teufel:
Ach Weib, beim A und O,

Du wolltest zu dem Heilgen Grabe,
Zum Neuen Salomo!
Gabst dafür alle deine Habe,
Dich selber, Evelyn Roe!

Kein Platz ist für dich in der Hölle,
Du fromme Evelyn Roe!
Als Nachtgespenst in Lunas Helle
Spaziere irgendwo!

O Nachtgespenst der Nachtgespenster!
Wir alle lieben so
Die tote Dirne nachts am Fenster,
Die tote Evelyn Roe!


ZWEITE SZENE


(Sankt Pauli. Huren stehen an der Straße. Die beiden Huren Eva und Lulu zusammen.)

LULU
Wie bist du denn gestrandet in Sankt Pauli?
HURE EVA
Ich war Studentin einst in Hamburg, aber
Mein Vater wollte mir kein Geld mehr zahlen,
Weil ich zu lange und zu faul studierte.
Doch mir gefiel so das Studentenleben
Und eine Arbeit wollte ich noch nicht,
Ich brauchte irgendwie nur schnelles Geld,
Da dachte ich bei mir: Ach, Sex macht Spaß,
Was gibt es bessers, als mit Spaß am Sex
Sich schnelles Geld ganz einfach zu verdienen!
LULU
Macht denn der Sex mit Freiern wirklich Spaß?
HURE EVA
Ach, wie man’s träumt, so schön ist’s dann doch nicht.
Die Freier wollen nur mal eben kommen
Und masturbieren nur in deiner Vulva,
Und wenn sie abgespritzt, dann gehen sie
Und unbefriedigt bleibt dein armes Seelchen.
LULU
Ja, willst du nicht mal eine andre Arbeit
Und einen treuen Mann und liebe Kinder?
HURE EVA
Ich dachte einmal: Nicht mehr länger Hure,
Wie gerne wär ich eine Bäckerin!
Da ging ich also in den Bäckerladen
Und sprach zum Bäcker: Lieber Meister Bäcker,
Wie gerne würde ich zur Bäckerin!
Da sprach zu mir der dicke Meister Bäcker:
Was, Mädchen, hast du vorher denn gemacht?
Da sagte ich: Mein lieber Meister Bäcker,
Ich hab gespreizt die Beine jedem Freier!
Da sprach der Meister Bäcker: Ach du Hure,
Dich will ich haben nicht als Bäckerin!
LULU
Ist auch der älteste Beruf der Welt,
Bist eine ehrenhafte Prostituierte.
HURE EVA
Im Alter kommen keine Freier mehr.
LULU
Gott sorgt schon für die kleinen Vögelein.


DRITTE SZENE


(Roterleuchtetes Zimmer. Die Hure Lulu und ein Freier, der Nuttenmörder Black Jack.)

LULU
Karfreitag kommst du in mein Freudenhaus?
BLACK JACK
Karfreitag – weiß nicht – was bedeutet das?
LULU
Die Generalin von der Heilsarmee
Versprach mir grade heute ihr Gebet.
BLACK JACK
Ach ja! Was gab man Jesus noch zu trinken?
Am Kreuz gab man zu trinken ihm – Gin Tonic!
LULU
Ein Spötter also bist du! Nun, mein Spötter,
Karfreitag heut – was willst du, dass ich tue?
BLACK JACK
Die Perversionen aus dem Ausland bitte!
Die Deutschen nennen den Fellatio
Französisch! Weißt du, was die Briten sagen,
Wenn eine Domina den Freier geißelt?
Das nennen Briten eben german love!
LULU
Auspeitschen soll ich dich als Domina?
BLACK JACK
Ja, meine Schlange, ja, mein Skorpion!
Du Domina im schwarzen Netzstrumpf nur,
Ja, geißeln sollst du mich, du Geißel Gottes!
Du Domina und ich dein Flagellant!
LULU
Geh weg, ich habe keinen Bock auf dich!

(Black Jack stiert sie an. Plötzlich zieht er ein Messer und sticht es zornig in ihr Bett.)

BLACK JACK
Ich hasse meine Mutter! Tod der Mutter!
Tod allen Feigen und verdammten Muschis!
LULU
Ich habe keinen Bock auf Psychopathen!

(Black Jack zieht das Messer aus dem Bett, greift sich Lulu und sticht ihr in die linke Brust! Lulu verblutet. Es ist Mitternacht. Vom Dome Michel Glockenläuten.)

LULU
(sterbend)
Ich sterbe! Halleluja! Hallelu - -

(Sie stirbt)