Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

FIGEROS HOCHZEIT






Eine Komödie von Josef Maria Mayer

Zeit: Das Jahr 2000 A.D. Ort: Der großherzogliche Residenzort des Großherzogs von Oldenburg in Oldenburg, Rastede, im Schloß und Schlosspark von Rastede.

PERSONEN
Peter Friedrich – Großherzog von Oldenburg
Rosine Sophia – Großherzogin von Oldenburg
Figeros – Diener des Großherzogs
Susanne – Dienerin der Großherzogin
Erna Marcia – die Haushälterin des Schlosses
Dr. Bartholdy – ein Winkeladvocat
Seraphim – der Hofpoet der Großherzogin Sophia


ERSTE SZENE



(Figeros und Susanne betrachten den Raum im Schloß, in dem sie nach ihrer ersehnten Hochzeit wohnen wollen. Der Raum ist neben den Gemächern des Großherzogs und durch eine Tür mit diesen verbunden. Figeros stellt gerade das neue Doppelbett auf. Susanne schaut amüsiert ihrem Zimmermann zu.)

FIGEROS
Geliebte, schönste Braut, hier ist das Brautgemach
Des Himmels, dieser Raum dem Paradies gleich, ach,
Wenn wir erst sind vermählt, du Niedliche und Nette,
Und schlafen Arm in Arm in diesem Himmelsbette!
O Weib der Weiber, du bist ein Mysterium!
SUSANNE
(haucht)
Ich ein Mysterium? Warum, mein Schatz, warum?
FIGEROS
Victor Hugo war einst verliebt in Juliette,
Die Göttliche! Er sprach von Juliettes Bette
So warm und liebevoll: Die rue de paradis
Die Straße war, da Sie gelebt, gelitten, Sie
Geliebt! Die Straße war, die Wohnung und das Zimmer
Und ihr durchwühltes Bett in nackter Birne Schimmer
Fürwahr mein Himmelreich, fürwahr mein Paradies!
SUSANNE
Warum? Was ist denn an so einem Bett so süß?
FIGEROS
Gleich, Freundin, klatsch ich dir auf deinen Apfelhintern!
SUSANNE
Wie steht es denn, mein Schatz, mit gottgeschenkten Kindern?
FIGEROS
Ach, denke ich, o Braut, an unsre Hochzeitsnacht!
Bei Gott! Wie werden doch die Kinderlein gemacht?
Bei Nacht im Kerzenschein, wenn Engel mystisch schweigen,
Dann wollen wir mit Gott auch wohl ein Kindlein zeugen!
SUSANNE
Eins, lieber Bräutigam? Ich möchte lieber zwei!
Und Oldenburger Recht ist die Geheimzahl Drei!
Und wenn wir uns dann noch wie in der Brautnacht lieben,
Dann möchte ich wohl sechs, dann möchte ich wohl sieben!
FIGEROS
Und all die Blagen soll ich füttern dann mit Brot?
O Herrgott Zebaoth, bewahr uns vor der Not!
SUSANNE
Und weißt du: Dort die Tür, sie geht zu dem Gemache
Des Herzogs. Aber das ist eine eigne Sache.
FIGEROS
Was ist mit jener Tür und was mit dem Gemach?
SUSANNE
Der Herzog schleicht mir auf verbotnen Wegen nach.
FIGEROS
Der alte Fall! Ganz klar! Als Adam war in Eden
Im Gartenparadies, da hörte Adam reden
Jehowah unsern Herrn: Die Feige dort zwar nickt
Dir lüstern zu, mein Sohn, doch wird sie nicht gepflückt!
Ein göttliches Gesetz! Doch zeugen alle Zeugen
Von Adams Sündenart, dass die verbotnen Feigen
Am allerköstlichsten erscheinen jedem Mann!
SUSANNE
Er küsste meine Hand schon zärtlich dann und wann.
FIGEROS
Ja, einen Handkuss, ja, den darf er sich erhaschen,
Doch darf er nie, nein nie, von meiner Pflaume naschen!
SUSANNE
Der Herzog ist nun mal vor Lust für mich entbrannt,
Es hat ihn die Begier gewaltig übermannt!
FIGEROS
Ich sorge schon dafür – beim Sakrament der Ehe –
Daß unser lieber Herr und Fürst zu weit nicht gehe!
SUSANNE
Es schmeichelt mir ja doch, will mich ein Fürst verehren
Und eine arme Magd zur Herrscherin begehren.
FIGEROS
Des Weibes Eitelkeit liebt sehr die Schmeichelei,
Das Süßholzraspeln so, als ob es Manna sei.
SUSANNE
Den Herzog reih ich nie in Reihen der Erhörten –
Doch darf ich manchmal nicht ein bisschen mit ihm flirten?
FIGEROS
Susanne, süßes Weib, so niedlich und so nett,
Charmantes Wesen du, auch du, auch du kokett?
SUSANNE
Nein, keusch bin ich und fromm, nicht ähnlich den Kokotten,
Sind in der Kirche doch wir zwei der Hugenotten.
FIGEROS
Der Ehebund ist zwar nichts als ein weltlich Ding,
Doch ha! wenn man sich so ein liebes Täubchen fing,
Dann lebt auf Erden man bereits im Himmelreiche!
SUSANNE
Gott Vater hat wohl auch für uns noch Backenstreiche!


ZWEITE SZENE


(Die Küche des Schlosses. Die Haushälterin Erna Marcia sitzt mit dem Advocaten Dr. Bartholdy am Küchentisch beim Kaffee.)

ERNA MARCIA
Sie sind ein Gentleman, dass Sie es nicht verschmähn,
In dieser Küche hier dem Weibchen beizustehn!
DR. BARTHOLDY
Nur nicht bescheiden sein! Sie sind ein armes Weib,
Das ist zwar nicht so schön, doch schön ist ja Ihr Leib!
ERNA MARCIA
Sie sind ja wirklich nett! Sie wissen ja zu schmeicheln!
DR. BARTHOLDY
Und dabei muss ich noch nicht einmal listig heucheln.
Ach, gute Küchenmagd, so sagen Sie: Was ist
Ein Advocat als nur ein Füchslein voller List?
ERNA MARCIA
Gerechtigkeit, ach ja! Die Wahrheit ist vielfältig,
Ist auch ein gutes Weib selbst manchmal hinterhältig.
DR. BARTHOLDY
Der Kaffee ist sehr stark, o Frau, den Sie gekocht,
Was wär denn sonst der Grund, dass mir die Ader pocht?
ERNA MARCIA
Herr Peter Friedrich, der mein Herzog, ist ein Zecher,
Und wenn er in der Nacht den Wein sog aus dem Becher,
Wenn ich ihn morgens dann zerknautscht, zerknittert seh,
Dann braucht er Türkentrank, recht schwärzlichen Kaffee,
Ja, eine Kanne leert am Morgen er, ein Prasser!
DR. BARTHOLDY
Ach geben Sie mir doch dazu ein wenig Wasser.
Nun aber zu dem Fall. Sie sagen, was geschah,
Ich ruf die Göttin an, die Frau Justitia!
ERNA MARCIA
Die Göttin? O mein Gott! Die Wahrheit nur, die pure!
DR. BARTHOLDY
Justitia, fürwahr, die Göttin gilt als Hure,
Justitia regiert als Göttin zwar die Welt,
Doch schiebt man in den Strumpf ihr Scheine, gutes Geld,
Justitia wird dann als Göttin herrlich fechten
Zum schließlichen Triumph der zahlenden Gerechten.
ERNA MARCIA
Nun hab ich wenig Geld, ich bin nur angestellt.
DR. BARTHOLDY
In Wahrheit ja das Geld regiert die liebe Welt,
Ich drück ein Auge zu, bei solchem süßen Weibchen
Kann zahlen auch das Weib mit ihrem eignen Leibchen!
ERNA MARCIA
Wie? Ich verstehe nicht? Doch lieber guter Mann,
Hört einmal voll Geduld Geschwätz des Weibes an!
DR. BARTHOLDY
Ich sage Du zu dir, du liebe arme Seele,
Erzähle, was geschah, von Anfang an erzähle.
ERNA MARCIA
Ich bin schon vierzig Jahr, Figeros zwanzig Jahr,
Figeros aber fand mich einmal wunderbar.
Damit ich ließe ihn in meines Rockes Nähe,
Versprach Figeros mir für später mal die Ehe.
Figeros aber nun Susanne schaut nur an
Und will zur Hochzeit sie, bedienen sie als Mann.
So kann man doch fürwahr gegebene Versprechen
Nach Lust und Laune nicht und eine Ehe brechen,
Die zwar vollzogen nicht und nicht gesetzlich ist,
Die doch versprochen war in Lüsternheit und List.
DR. BARTHOLDY
Fürwahr, da schnaubt mein Hengst aus seinen feuchten Nüstern,
Was nicht ein Mann verspricht, ist er nach Weibern lüstern!
Die Griechen sagten einst: Die Götter hören nicht,
Was so ein Männchen schwört, wenn ihm das Herze bricht
Und er will nur im Bett das süße Weib betören,
Die Götter hören nicht, was dann ein Mann wird schwören.
ERNA MARCIA
Bei Göttern mag das sein, doch nicht bei Gottes Kind,
Wir alle hier im Schloß doch Hugenotten sind.
DR. BARTHOLDY
Ja, alle Göttinnen ich wagte zu verspotten,
Doch Ehre in der Höh dem Herrn der Hugenotten!
Nun, liebes armes Weib, was ist jetzt dein Begehr?
Figeros, was soll er dir tun, was könnte er
Dir irgend Gutes tun? Sags, du musst dich nicht schämen.
ERNA MARCIA
Justitia soll ihm gebieten: Er soll nehmen
Mich in sein Ehebett als seine Ehefrau,
Wie einst es mir versprach mein Füchslein listig schlau.
DR. BARTHOLDY
Ja, mit Gesetzes Macht wir werden ihn schon zwingen,
Daß er dich herzlich liebt vor allen andern Dingen!
Gesetzes Macht ist groß, Justitia ist groß,
Sie treibt ihn mit Gewalt und Macht in deinen Schoß!
ERNA MARCIA
Wird er gezwungen erst – bei meinem Sündenleben –
Steckt er erst in dem Schoß, so bleibt er schon noch kleben!


DRITTE SZENE


(Susanne in ihrem Schlafzimmer. Bei ihr der junge Hofpoet der Großherzogin Rosine Sophia, der Dichter Seraphim.)

SERAPHIM
Susanne, glaube mir, Madonna gestern Nacht
Hat mit den Augen mich so feurig angelacht
Und sagte seufzend mir, dass sie schon fast zerrönne
Und länger sich nicht mehr, ah weh, beherrschen könne!
SUSANNE
Du bist ein Schwärmer, nun, du bist ja ein Poet,
Der immer in der Glut, der Liebe Weißglut steht.
SERAPHIM
Doch was mich traurig macht, so trunken melancholisch:
Im Hugenottenhaus bin ich allein katholisch.
SUSANNE
Ein jedes Tierchen sein Pläsier und Ideal,
Wir sind ja tolerant und offen liberal.
SERAPHIM
Martinus Luther doch mit seinem Vetter Micheln
Nicht unterlässt es, stets scharf ketzerisch zu sticheln!
SUSANNE
Empfindsamkeit, du bist von zärtlicher Natur,
Jedoch ist ein Schakal die Menschenkreatur.
SERAPHIM
Ich dichtete bereits den Psalm auf Sankt Susanna,
Die das Martyrium erlitt für Gottes Manna.
SUSANNE
Du schmeichelst als Poet wohl jedem hübschen Weib?
Entzündet wirklich dich ein jeder schöne Leib?
SERAPHIM
Die Nymphen seh ich all im Tanz im Himmelssaale
Und alle Nymphen sind die Eine Ideale!
SUSANNE
Was ist dein Ideal? Die Jungfrau rein und keusch?
SERAPHIM
Ja, willig ist der Geist und reizend ist das Fleisch!
SUSANNE
Und unsre Herzogin? Was singst du für Rosine
Sophia, ihr zum Lob? Als Dichter sie bediene
Mit Ode, Hymne, Psalm, wie’s ihrer würdig ist,
Und sei im Liebeslied nur auch ein frommer Christ!
SERAPHIM
Wenn ich Sophia seh, Rosine sehe spreizen
Den kleinen Finger zart, verzückt von ihren Reizen
Ich bet als Gott sie an, der Schönheit Ur-Idee,
Wie sie den Finger spreizt an ihrer Tasse Tee!

(Es klopft an der Tür zu Susannes Schlafzimmer.)

SUSANNE
Wer klopft an meine Tür? Doch hoffentlich kein Schuster!
HERZOG
(von draußen)
Susanne, Dienerin, den Herzog lass ins Duster!
SUSANNE
(laut)
Mein Herzog, Gott sei Dank, mein Herzog, Gott sei Dank!
(leise zu Seraphim)
Mein Seraphim, versteck dich in dem Wäscheschrank!
SERAPHIM
(sich im Wäscheschrank versteckend)
Die schönsten Schlüpfer hier, die feinsten Büstenhalter!
In der Narzisse Kelch glückselig steckt der Falter!
SUSANNE
(laut)
Mein Herzog, Gott sei Dank, dass Ihr mich hier beehrt!

(Der Großherzog Peter Friedrich tritt ein.)

HERZOG
Du weißt, Susanne, dass der Herzog dich begehrt!
SUSANNE
(fällt scheinbar in Ohnmacht)
Ach, ach, mein Herzog, ach, ich fühle mich so schwächlich!
Ich bin ein schwaches Weib, so zart und so zerbrechlich!
(Es raschelt im Wäscheschrank)
HERZOG
In deinem Wäscheschrank, sag, lebt da eine Maus?
Geht in dem Wäscheschrank ein Mäuschen ein und aus?

(Der Großherzog öffnet den Wäscheschrank und entdeckt den Dichter Seraphim, die Nase in den Seidenspitzenunterhöschen tief versteckt.)

SERAPHIM
Mein Herzog und mein Herr, Verzeihung und Erbarmen,
Verzeiht dem Elenden, dem Liebeskranken-Armen!
HERZOG
Du fauler Knecht, ich schick dich zu der Bundeswehr,
Die Waffe halten lern als deutscher Ritter Er!

(Figeros tritt ein, er hörte noch die letzten Worte und fügt spöttisch hinzu)

FIGEROS
Ja, zärtlicher Poet, du wahrhaft Gottes Affe,
Poliere als Soldat soldatisch deine Waffe!
Empfindlicher Papist, du opferst Gottes Lamm,
Du krieche nur verliebt durch schwarzer Erde Schlamm!


VIERTE SZENE


(Susanne mit Seraphim allein in ihrem Schlafzimmer.)

SUSANNE
Ach junger Seraphim, du Sehnsuchtshungerleider,
Ich kleide jetzt dich ein in rote Frauenkleider,
Erwarte in Geduld so meine Hochzeit du!
Und kleide ich mich um, so schau mir immer zu!
SERAPHIM
(während er ein kurzes rotes Kleid mit Spaghetti-Trägern anzieht)
Ich denk an Attis heut, den Heros der Kybele,
Die Magna Mater war Kybele, meine Seele,
Die Große Mutter Gott. Ihr Sohn-Geliebter war
Der Heros Attis, der der Göttin Priester war,
Und weil er diente ihr als Sehnsuchtshungerleider,
Ihr gleich er wollte sein, drum trug er Frauenkleider,
Und wenn er opferte der Göttin einen Bock,
Dann stand der Priester da im roten Frauenrock.
Nicht an der Vorhaut nur der Priester war beschnitten,
Die Göttin-Priester der Entmannung Schmerz erlitten
Und so verstümmelt als ein heiliger Eunuch
Der Göttin opferte er Weihrauchs Wohlgeruch.
Origenes, ich denk an diesen Kirchenvater,
Er diente Gott dem Herrn, nicht Göttin Magna Mater,
Im Evangelium las einst Origenes,
Wer in dem Himmelreich sucht Ewigseiendes,
Der lebe ehelos für Gott im Zölibat,
Als heiliger Eunuch und seliger Kastrat.
Origenes gleich nahm ein scharfgeschliffnes Messer,
Er damals nicht verstand die Worte Jesu besser,
Er schnitt sich ab sein Glied, sein bestes Mannesstück,
Weil Gottes Paradies war all sein Liebesglück.
Die Mutter Kirche auch, die heilig, apostolisch,
Des Herrn Ecclesia, die einig und katholisch,
Hat eine Priesterschaft in ihrem Gottesstaat,
Die leben nur für Gott im keuschen Zölibat
Und weihen sich dem Herrn in allen Erdenländern
Und dienen Gott dem Herrn in weiblichen Gewändern
Und in der Liturgie in langem Priesterrock
Sie opfern Gottes Lamm, der Sünder Sündenbock.
Ich aber als Poet, als Sekretär der Musen,
Bei deinem roten Kleid denk deinen weißen Busen
Und inspiriert allein von der Liebfrauenbrust
Ich sing mein Liebeslied voll Leidenschaft und Lust,
Denn lustvoll träume ich von meiner Seelengattin,
Madonna, Muse mir, Schutzengelin und Göttin!

(Es klopft an die Tür.)
SUSANNE
Wer möchte da herein zu Gottes armer Magd?
HERZOG
(von draußen)
Susanne, ach, erbarm! Dem Himmel sei’s geklagt!
Darf ich in deinem Schoß nicht heute übernachten,
Verzehr ich mich zu Tod und sterbe vor Verschmachten!
SUSANNE
Nur einen Augenblick, mein Herzog und mein Fürst!
HERZOG
Rasch, öffne mir die Tür, verschmachtend ich verdürst!
SUSANNE
(leise zu Seraphim)
Der Herzog als Vampir wie nächtliche Gespenster
Will zu der Magd des Herrn. Du fliehe durch das Fenster!

(Seraphim im kurzen Frauenkleid flüchtet durch das Fenster aus Susannes Schlafzimmer. Susanne öffnet dem Herzog Peter Friedrich die Tür.)

HERZOG
Als Freier stehe ich auf Freiersfüßen hier
Und ich bekenne dir: Ich ganz gehöre dir!
SUSANNE
Ach, Eure Majestät, des höchsten Adels Heros,
Gehör ich doch dem Knecht, dem elenden Figeros.
Ihr, Majestät, Ihr seid ein wahrer Edelmann,
Figeros einer, den man nicht verderben kann,
Weil, er ist durchaus schlecht, den kann man nicht verderben.
Doch, Eure Majestät, lasst nicht die Tugend sterben!
Der Geist ist willig, ah! Begierlich ist das Fleisch!
Sophia, Eure Frau und Herrscherin, ist keusch
Und sie vertraute ganz sich Euch in frommer Ehe.
Was wollt Ihr dann bei mir in so intimer Nähe?
HERZOG
Das göttliche Gesetz verbietet Ehebruch,
Ich hör die Botschaft wohl, den ernstgemeinten Spruch,
Seh wandeln aber ich vor meinen Augen solche
Urphänomenale Frau – die langen Wimpern Dolche –
Mein Jesus, ich bin schwach, Erbarmen, lieber Gott,
Ich bin ja nur ein Hauch, mein Leib von Lehm, Schamott,
Ich kann auf dich, o Magd der Götter, nicht verzichten,
Nicht weise mich zurück, du würdest mich vernichten!
SUSANNE
O Peter Friedrich, Fürst in Eurer Majestät,
Euch bittet Gottes Magd: Geht zu Sophia, geht!


FÜNFTE SZENE


(Figeros in seiner Kammer. Er sitzt am Schreibtisch, vor ihm ein jungfräuliches weißes Blatt Papier. Er schüttelt seinen Füllfederhalter etwas heftig, so dass die königsblaue Tinte herausspritzt.)

FIGEROS
Jetzt schreib ich einen Brief, doch einen anonymen,
An Peter Friedrich, an den Herzog, nicht zu rühmen
Den Herzog, sondern um zu warnen ihn sehr streng,
Daß er in dieser Welt engherzigem Gedräng
Der Hochzeit ferne bleib Figeros’ und Susannes,
Weil sonst ihn Zorn erreicht des anonymen Mannes.
Ich rede als Prophet, im Dunkelmännerton,
Orakelhaft, wie ein moderner Musensohn,
Anspielungen, ein Wink, ich droh, ihn zu verraten
An seine Ehefrau, ich werde ihn beraten,
Wie er die Ehe mit Sophia neu erfrischt,
Auch wird ihm Marktgeschwätz von Weibern aufgetischt.
Bleib du der Hochzeit fern – in Gottes großem Namen –
Bleib du der Hochzeit fern – das ist des Briefes Amen.

(Er schreibt. Nach einer Weile - )

Nun fertig ist der Brief, und roter Siegellack.
Die Marke auf den Brief, ein seltsamer Geschmack,
Daß man die Marke noch muß mit der Zunge lecken,
Wie kleine Kinder, die die Lutschestange schlecken.

(Die Großherzogin Rosine Sophia tritt plötzlich herein.)

ROSINE SOPHIA
Figeros, mir verzeih, ich hab nicht angeklopft.
Was tut mein Diener hier so angestrengt verkopft?
FIGEROS
Ach, nichts, o Herrscherin, in Muße und in Nichtstun
Verbring ich meine Zeit, will ewig in dem Nichts ruhn.
ROSINE SOPHIA
Mein Hugenotte und mein neugeborner Christ
Ersehnt das reine Nichts? Du wurdest gar Buddhist?
FIGEROS
Nein, meine Herrscherin, beim fünften Elemente,
Doch wie der Römer singt vom dolce far niente,
Der Muße Göttin sei alltäglich mir gegrüßt,
Der Muße Göttin, die mir meinen Tag versüßt!
ROSINE SOPHIA
Das stammt von Hölderlin. Ich kenne die Poetik.
Von Calvin ist das nicht und seiner Arbeitsethik.
FIGEROS
Auch Calvin war ein Mensch und lag wohl manchmal schief.
ROSINE SOPHIA
Was aber ist denn das? Ein anonymer Brief?
Den anonymen Brief, den hast du selbst geschrieben
An Peter Friedrich, an den Mann, den darf ich lieben!

(Rosine Sophia öffnet den Brief und liest ihn.)

FIGEROS
Verzeiht mir, Herzogin, und nehmts nicht zu genau,
Ich war ja nur besorgt um meine liebe Frau.

(Sophia will eben antworten, da klopft es an der Tür und Dr. Bartholdy und Erna Marcia treten ein.)

DR. BARTHOLDY
Ich bin im übrigen der festen Überzeugung:
Karthago wird besiegt! Historische Bezeugung
Des Advocatentums schon in dem Altertum!
Im Neuen Testament gibt’s Advocatentum,
Der Advovat, das ist das Beistandsamt des Geistes
Und Advocatin ist Maria uns, so heißt es.
Der Anwalt, Beistand, ist der Geist, der Paraklet.
Ein jeder Moslem meint, das wäre Mohammed.
Karthago wird besiegt! Ja, meine lieben Damen,
Karthago wird besiegt! Das ist des Anwalts Amen.
ROSINE SOPHIA
Von Weisheit zeugt das nicht, was Sie da reden, Mann,
Doch was Sie wollen hier, das sagen Sie uns an.
DR. BARTHOLDY
Figeros, dieser Kerl und Hund von einem Manne,
Er will die Ehe mit der reizenden Susanne.
Weiß auch die Herrscherin, dass er die Ehe brach,
Hier dieser Köchin einst den Ehebund versprach?
ROSINE SOPHIA
Marcia Erna, bei dem Kochtopf und dem Kessel,
Spricht Wahrheit dieser Mann? In deiner Haare Fessel
Figeros fingst du ein? Du bist doch gut und nett,
Figeros wirklich lag bereits in deinem Bett?
ERNA MARCIA
Nicht dass ich wüsste, Frau und Herrscherin, doch aber
Und ja und aber doch, unendliches Gelaber
Ließ er vom Stapel einst, wie lieb er mich doch hätt
Und wie sein Paradies im Himmel wär mein Bett
Und wie er atmen könnt allein in meiner Nähe
Und wie vollziehen wollt die Pflichten er der Ehe!
ROSINE SOPHIA
Figeros, das ist ernst! Was sagst denn du dazu?
FIGEROS
Ich will Susanne nur, bis zu der Ewgen Ruh!
ROSINE SOPHIA
Fruchtwasser Unsrer Frau, Marias Mutterkuchen!
Nun, den verstrickten Fall, den muß ich untersuchen.
Die Hochzeit jedenfalls verschieb ich erst einmal.
Figeros, sage klar: Wer ist dein Ideal?


SECHSTE SZENE


(Im großen Saal des Schlosses treffen sich der Großherzog und die Großherzogin.)

HERZOG
Ach, gar nichts weiß ich mehr, bin ganz leer von Gedanken,
Ich bin so sehr verwirrt, so wie die psychisch Kranken.
Vorsehung? Was ist das? Was ist denn Gottes Plan?
Ich sehe Irrsinn nur, Verstrickung nur und Wahn!
Der eine Mann liebt die, und die liebt einen andern.
Die Schicksalsfäden wirr als Labyrinth mäandern.
HERZOGIN
Mein Hirte ist der Herr, ich bin ja nur sein Schaf.
Geliebter Mann, du brauchst heut einen tiefen Schlaf.

(Der Herzog geht. Susanne kommt.)

SUSANNE
O meine Herrscherin, Ihr also habt gerufen?
Bei allen Elohim, die die Adame schufen,
Sagt, was ist Euer Wunsch, der Majestät Begehr?
Jehowah Zebaoth im Himmel sei die Ehr!
HERZOGIN
Ich habe einen Plan: Du sollst den Fürst erwarten
In dieser Frühlingszeit in diesem Schlosspark-Garten,
Doch trage du das Kleid der Herzogin dabei,
Ich gebe dir mein Kleid, mein Kind, ich bin so frei,
Mein allerschönstes Kleid von feiner weißer Seide,
Dein liebes Leibchen wird darin zur Augenweide.
Wenn dich der Herzog dann im Schlosspark so erblickt,
Von deiner Herrlichkeit der Herzog ist entzückt!
SUSANNE
Warum denn dieser Plan? Was ist denn Euer Wille?
HERZOGIN
Nur stille, liebes Kind, mein liebes Kind, nur stille,
Vertraue meinem Plan, ich löse alles auf,
Die Schicksalsgöttin nimmt oft den gewundnen Lauf.
Was du, Susanne, jetzt noch gar nicht kannst durchschauen,
Einst klärt sich auf dein Blick, du musst mir nur vertrauen,
Am Ende triumphiert die Liebe sonnenklar,
Entsprechend ihrem Stand gesellt sich Paar um Paar,
Zufrieden jeder Mann mit seinem rechten Bräutchen,
Zufrieden auch die Braut mit keuschem Jungfernhäutchen,
Wenn sie der rechte Mann vom Mädchentum erlöst
Und kirchlich kopuliert und zärtlich sie durchstößt.
SUSANNE
Ich hab ja aufgespart vorm Ehestand als Braut
Nur für den Einzigen die keusche Jungfernhaut.
HERZOGIN
Und so allein ists recht, so ist das fromme Wesen,
Wovon seit Kindheit an ich in der Schrift gelesen.

(Die Herzogin übergibt Susanne ihr feines weißes Seidenkleid, streicht ihr übers Haar und geht. Susanne befingert die feine Seide und verbirgt das Kleid dann in einer Schachtel. Nun kommt Figeros und gesellt sich zu Susanne.)

FIGEROS
Wie geht’s, wie stehts, o Braut, wie fühlst du dich, o Braut?
SUSANNE
Ich habe in den Kelch des Schicksals tief geschaut.
Hör, unsre Herzogin Sophia, Frau Rosine,
Die schönste Herrscherin, der ich in Demut diene,
Hat untersucht den Fall Marcia Erna und
Figeros, was gesagt angeblich hat dein Mund.
Ich künde dir Triumph, du hast den Advocaten
Besiegt, mein bester Freund, dem ist es schlecht geraten.
Der Winkeladvocat, der Fuchs mit seiner List,
Vom höchsten Weltgericht bereits gerichtet ist!
FIGEROS
Susanne, meine Braut, mein Atem und mein Leben,
Was hat der Herzogin Erforschung denn ergeben?
SUSANNE
Marcia Erna ist dein Mütterchen, mein Herz,
Die unter Wehen dich geboren einst voll Schmerz.
FIGEROS
Wer aber in der Welt irrsinnigem Theater
Ist durch den Zeugungsakt auf rechte Art mein Vater?
SUSANNE
Ah, mothers baby, ah, but fathers maybe, Schatz,
So spricht in England man den zweifelhaften Satz.
Doch kurz und gut, mein Herz, als Bastard bist geboren.
Marcia Erna hat dich frühe schon verloren
Und sie vergaß dich ganz, jedoch ihr Mutterherz
Erwachte wiederum voll liebevollem Schmerz,
Als sie dich wiedersah. Du musst es ihr verzeihen,
Die eigne Mutter dein wollt dich als Gatten freien.
FIGEROS
Susanne, Liebste mein, bei deinem Rosenmund,
Nun nichts entgegen steht mehr unserm Hochzeitsbund!
SUSANNE
Ach, Peter Friedrich schäumt, im Wüten überheblich,
All seine Schmeichelei, Verführungskunst vergeblich!
Ich hörte eben ihn laut schreien voller Zorn:
Weh mir, Begehrteste, verschlossner Wonneborn!


SIEBENTE SZENE


(Großherzogin Rosine Sophia sitzt an ihrem Schreibtisch und schreibt einen Brief.)

ROSINE SOPHIA
Komm, wehe, Geist des Herrn, durch meine Seele wehe,
O du mein Genius, zur Ehre meiner Ehe
Will schreiben ich den Brief, der von der Liebe spricht,
Ob es an Worten auch der armen Frau gebricht.
Ich möchte anonym dem Herzog Liebe künden,
In großer Leidenschaft, mit Süßigkeit von Sünden,
Ich will die ganze Glut ergießen aus der Brust
Und in dem guten Mann erwecken alle Lust,
Was man nur sagen kann von Liebe einem Manne.
Dann schick ich mit dem Brief zu ihm die Magd Susanne,
Soll er doch denken, dass Susanne ihn begehrt,
Anbetend anschaut und als Heiligen verehrt!
In Wahrheit liebe ich den großen Friedrich Peter,
Wie meine Mütter nicht einst liebten seine Väter,
Denn solche Liebe gab es noch nicht auf der Welt,
Weil dieser Mann fast mehr als Jesus mir gefällt.
Mein Jesus, ach, verzeih, der Abgott meiner Liebe
Scheint mir allmächtig fast, mit allem Lebenstriebe
Und jedem Fäserchen des Herzens bet ich an
Den Einen, Einzigen und Ewigen, den Mann!
Zur großen Liebe auch in übergroßer Stärke
Geselle sich die Lust, weil Amors gute Werke
Nicht Liebe nur allein betreiben, auch die Kraft
Der Wollust treibt sie an, der Lust und Leidenschaft!
Platonisch nicht allein sei meine Hohe Minne,
Auch kitzeln will ich ihn an dem Geschlecht der Sinne.
Ein Dichter mag allein als reiner Platonist
Anbeten eine Frau, ein neugeborner Christ
Glaubt aber an das Wort, das wahrhaft Fleisch geworden,
Und nicht wie Nonnen nur in ihrem Jungfraun-Orden
Will Liebe singen ich mit heiß erglühtem Mund,
Nein, Liebe singe ich und sing den Ehebund,
Die Liebe nämlich ist verschieden, vielgestaltig.
Doch Mann und Frau und auch ein Kind, das ist dreifaltig
Wie die Dreifaltigkeit des allerhöchsten Herrn.
Nun, kurz und gut, mein Mann: Ich hab dich schrecklich gern!

(Sie läutet. Susanne tritt ein.)

SUSANNE
Was wollt Ihr, Herzogin, von Eurer Magd Susanne?
ROSINE SOPHIA
Bring diesen Liebesbrief zu meinem Ehemanne!

(Sophia begibt sich in ein Nebenzimmer. Susanne will eben fortgehen, den Brief zu überbringen, da stürmt der Herzog Peter Friedrich zornig herein.)

HERZOG
Gottvater, Blitz und Zorn! Ich hatte ihn verbannt,
Den Dichter Seraphim! Jetzt hab ich ihn erkannt,
Er lebt ja immer noch in meinem Herzogsschlosse,
In Frauenkleidern geht der singende Genosse
In meinen Hallen um. Ein Harem scheint ihm wohl
Mein weißes Herzogsschloß? Die Frauen, die sind hohl,
Ein Hohlraum ist die Frau! Und er, er will sie füllen,
Den schönen Innenraum erfüllen, diesen stillen.
Ja, eben sah ich ihn, er las in einem Buch,
Der Dichter Seraphim, im Harem ein Eunuch.
Wie lange will er noch in meinem Schlosse wohnen?
Die Köchin kocht ihm gar zu Nudeln rote Bohnen,
Obwohl doch jeder weiß, so sagt Pythagoras,
Die Bohne isst man nicht, es ist gesetzlich das,
Wie Ja und Amen in der Kirche, weil in Bohnen
Die toten Ahnen und die toten Freunde wohnen!
Dann aber Seraphim als Buhle unverzagt
Macht an Susanne sich heran, Sophias Magd,
Und dichtet Oden ihr in nächtlicher Vigilie
Und nennt sie tiefen Kelch der keuschen weißen Lilie!
Ich weiß wohl, was er meint mit seiner Ode, welch
Geheimnis er besingt im tiefen Lilienkelch!
Doch nicht allein die Magd, die wunderschöne Närrin,
Bedichtet Seraphim, er feiert auch die Herrin
Und preist Sophia, preist Rosine ohne Spott
Und rühmt so hoch sie, als wär sie der liebe Gott!
Bei Gott, das geht zu weit, dass dieser Grillenfänger,
Daß dieser Taugenichts und faule Müßiggänger
Und Tor und Tunichtgut in meinem Schlosse wohnt
Und keinen Weiberrock mit seinem Lied verschont!
SUSANNE
Verzeiht dem armen Tor, ein Tor in Christo ist er,
Wir alle ehren ihn, wir betenden Geschwister,
Weil er in Gottes Geist frohlockt und jubiliert
Und für uns alle stets die Psalmen psalmodiert.
Jedoch, vergesst ihn nur, er ist halt krumm und schief.
Doch, o mein lieber Herr, lest diesen Liebesbrief!

(Susanne gibt den Liebesbrief dem Herzog. Der liest, beruhigt sich, sein Antlitz wird weich und verliebt und darum töricht.)

HERZOG
Wer so von Liebe spricht, von tiefsten Liebesleiden
Und dabei mild und keusch, demütig und bescheiden,
Der kennt der Liebe Macht. Nun stillt sich meine Wut,
Befriedigt bin ich, ah, von solcher Liebesglut!


ACHTE SZENE


(Im Schlosspark erscheint die Großherzogin Sophia Rosine, verkleidet als Susanne. Um sie herum scharwenzeln der Großherzog Peter Friedrich, der Diener Figeros und der Dichter Seraphim.)

ROSINE SOPHIA
Wie schön im Frühling sind im Schlosspark doch die Tulpen!
SERAPHIM
Wie Minnesänger und Kreuzritter gehn in Stulpen
Und dienen mit dem Geist und ganzem Körperbau
Der Minneherrscherin, der wunderschönen Frau!
Ob diese Frau vermählt ist aber einem Manne
Das stört den Dichter nicht! O göttliche Susanne!
ROSINE SOPHIA
Wie schön und feuerrot die Nelke hier doch flammt!
SERAPHIM
O roter Nelkenschoß von allerfeinstem Samt!
Ja, von der Gottheit Schoß die Universen stammen,
Heim in der Gottheit Schoß will ich in Liebesflammen!
ROSINE SOPHIA
Wie königlich sind doch die Edelrosen rot!
SERAPHIM
Die christliche Passion ist doch ein Liebestod,
Der Gott und Bräutigam in wilden Liebesschmerzen
Verletzen ließ vom Dorn sich tief an seinem Herzen,
Verblutend liebevoll er für die Liebste starb
Und Jungfrau Kirche so zum Bräutchen sich erwarb!
ROSINE SOPHIA
Die Osterglocken schau – selbstliebende Narzissen!
SERAPHIM
Susanne, Osterlamm, laß dich nur einmal küssen!
Sankt Paulus uns gebot: Grüßt euch mit heilgem Kuss!
Durch einen Liebeskuss zu sterben – ein Genuss!
Darf ich die Lippen nicht dir küssen – doch dein Wänglein!
Dein Wänglein küssen lass, du Elfe und du Englein!
ROSINE SOPHIA
Der Christ die Christin grüßt, die Christin grüßt den Christ,
Geschwisterlichen Kuss man in der Kirche küsst!

(Seraphim küsst Sophia Rosine auf ihre Wange.)

SERAPHIM
Ich habe Gott geküsst! Ein Kuss auf Gottes Wange!
Ich küss in Ewigkeit, dort küss ich lange, lange!

(Der Herzog tritt hinzu. Figeros steht hinter Seraphim.)

HERZOG
Du Dichter Seraphim, der du ein Heide bist,
Figeros Braut hast du, Susanne du geküsst?
Die Strafe deiner Schuld sollst du am Leibe tragen :
Ohrfeigen will ich dir auf deine Backe schlagen!

(Der Herzog will Seraphim ohrfeigen, der Dichter weicht geschickt aus und die rechte Hand des Herzogs landet auf Figeros’ Wange.)

FIGEROS
Ach, ach, mein hoher Herr, Ihr habt mich ohrgefeigt!
Mein Vater und mein Herr, ich bin Euch zugeneigt!
Ihr schlagt mich mehr und mehr, als Vater mich zu züchtgen,
Ich lieb Euch immer mehr und diene Euch im Tüchtgen.

(Figeros und Seraphim verlieren sich im Schlosspark. Der Großherzog will der als Susanne verkleideten Großherzogin den Hof machen, aber diese entzieht sich immer wieder geschickt. Je weiter die sogenannte Susanne sich im Schlosspark verliert, desto brünstiger eilt Peter Friedrich ihr nach.)

HERZOG
So ist es auch mit Gott: Je mehr ich Gott entdeckt,
Je tiefer hat sich Gott verborgen und versteckt!
Ja, eine schöne Frau ist Gottheit einem Manne,
Der Schönheit Göttin du, o göttliche Susanne!
ROSINE SOPHIA
Mein Herzog, ist Euch ernst der Hohe Minnekult,
Beweist der Hohen Frau, Ihr dient ihr in Geduld!
HERZOG
Nach Luftgespinsten soll ich wie die Toren haschen?
Vom Zuckerkandismund Susannes will ich naschen!
Soll ich denn irren wie ein Irrer tief im Wahn?
Die Brüste kosten lass, die süß wie Marzipan!
ROSINE SOPHIA
Die wahre Liebe ist ein Festmahl dir zum Schlickern?
Soll Liebe spielen ich mit einem immer Dickern?
HERZOG
Ja, eilig will ich, Frau, betreiben Liebes-Sport!
Mein Muskeltraining sei die Liebe fort und fort!


NEUNTE SZENE


(Schlosspark. Die als Susanne verkleidete Großherzogin ist verschwunden. Figeros und Seraphim stehen schweigend im Garten, als die wahre Susanne erscheint, aber als Großherzogin Rosine Sophia verkleidet.)

SERAPHIM
Sophia, Herrscherin, o göttliche Sophia,
Wie Jesus Christus Gott und lieblich wie Maria,
Erschrocken bin ich, Frau, von deiner Allgewalt,
In deinen Händen mich und meine Seele halt!
Der Erde Enden vier, von allen Erdenecken
Die Menschheit schreit zu dir: O Gottheit, unser Schrecken!
SUSANNE
Die Liebe aber ist dem Liebenden stets süß,
Der Kleine Liebestod ist doch ein Paradies!
FIGEROS
Sophia, oder soll Rosine ich Euch nennen,
Die Sünden Anderer, die muß ich Euch bekennen!
SUSANNE
Anhören muß ich all die Sünden in Geduld,
Wann aber beichtest du denn deine eigne Schuld?
FIGEROS
Ich mach das selber klar mit Gott dem Unerreichten,
Wir Hugenotten, Frau und Herrscherin, nicht beichten.
Gesündigt tapfer stets, wie Luther sprach voll Reiz,
Denn alle Schuld vergab vorlängst der Herr am Kreuz.
SUSANNE
Gesündigt tapfer? Nun, was willst du mir verkünden
Von eines andern Manns und seines Schwanzes Sünden?
FIGEROS
Ha, Euer Ehemann schleicht der Susanne nach!
Wer weiß, ob er nicht schon den Bund der Ehe brach?
Susanne zwar ist schön, wie schön ist alle Jugend,
Den Herzog nur bewahrt Susannes keusche Tugend,
Wenn sie ihm nicht verwehrt das Ehebrechen hätt,
Er hätt gewiss sie schon erkannt in ihrem Bett!
SUSANNE
Ja, mit dem Schwanze denkt die Art von einem Manne!
Du aber glaubst, es sei wie Lilien keusch Susanne?
FIGEROS
Sophia, Herrscherin, gottgleiche Kaiserin,
Für ihre Keuschheit geb ich meine Seele hin!
SUSANNE
Und Peter Friedrich? Er hüpft hinter jedem Röcklein
Als Freier hinterher, den Zicken nach als Böcklein?
FIGEROS
Sophia, leider ja, ich sags mit Scham und Scheu,
Ich jedenfalls bin treu und keine Schuld bereu,
Der Herzog aber ist ein Sünder, ist ein Buhle,
Es scheint sein Ideal der Venus Hierodule!

(Der Großherzog Peter Friedrich erscheint.)

HERZOG
Man redet über mich, ich seh es euch doch an,
Ihr kichert! Was denn schwatzt ihr über mich, den Mann?
SUSANNE
Mein Herzog und mein Herr, man sagt, du habest Schwächen
Und wolltest allzu gern einmal die Ehe brechen?
HERZOG
Wer sagt denn das von mir? Ich bin ein frommer Christ,
Der zwar ein Sünder war und sein wird und auch ist,
Und doch bemüh ich mich, nicht andrer Frauen Wade
Zu fassen sündlich an. Doch alles ist nur Gnade!
FIGEROS
Susanne aber, Herr, bei Christi Blut und Fleisch,
Die nähmet gerne Ihr, so reizend sie und keusch!

(Der Herzog wird zornig und verprügelt den Diener Figeros. Voller Zorn geht der Herzog fort. Susanne beugt sich mitleidsvoll über Figeros und streichelt seine Wunden. Da erkennt Figeros in der angeblichen Großherzogin seine Verlobte Susanne.)

FIGEROS
Mein Bruder Seraphim, mein bester Freund und Bruder,
Sophia bete an, Sophia ist kein Luder,
Sophia bete an, den femininen Gott,
Der du bist orthodox, du bist kein Hugenott,
Du bist doch ein Poet, der ewig melancholisch,
Du orthodoxer Christ, der römisch und katholisch.
SERAPHIM
Sophia, du bist schön, der Schönheit Ursprung du!
Dein Schönsein ist perfekt, schön bist du immerzu,
Schön deine Liebe ist, die Mutter aller Tugend,
Schön bist du, makellos, in ewigjunger Jugend,
Schön bist du aller Welt, von Sünden unbefleckt,
Schön bist du ewiglich, dein Schönsein ist perfekt,
Du Schönheit, du bist Gott! Urschönheit, meine Göttin,
Urschönheit, Göttin-gleich, bist meine Ehegattin!
FIGEROS
Ha, jetzt erkenne ich, wie tief im Irrtum ist
Mein armer Katholik, mein sündiger Papist!
Sophia bietest du dich an zum Gottesmanne
Und siehst nicht: Diese Frau ist nur die Magd Susanne!
SERAPHIM
Sophia selber ist Urschönheit, göttlich wohl,
Susanne aber ist mein irdisches Idol!


ZEHNTE SZENE


(Alle sind im Schlosspark versammelt.)

DR. BARTHOLDY
Marcia Erna, dich nehm ich zum Eheweibe!
ERNA MARCIA
Jetzt geb ich dir mich hin mit meinem ganzen Leibe!
HERZOG
Rosine, deine Brust alleine mich erfreu,
Sophia, dir allein bin ich als Gatte treu!
HERZOGIN
Mein Peter, du mein Papst und ich bin deine Kirche,
Mein Friedrich, du mein Baum und ich bin deine Kirsche!
FIGEROS
(kniet vor Susanne mit einer roten Rose)
Susanne, keusche Magd, die du mit mir verlobt,
Wie haben oft wir schon die Kissenschlacht getobt –
Auf heilig-keusche Art, das kann ich wohl bezeugen!
Nimm mich zum Gatten an, ich will auch in dir zeugen
Zwei Kinder, wenn du willst! Jedoch, ich denke grad,
Die Kinder werfen dann uns an die Wand Spinat!
SUSANNE
Ich werde deine Frau und will dich treulich lieben
Und will ich nicht nur zwei und will ich lieber sieben,
Wie immer es auch sei, denn Kinder sind Geschenk
Des lieben Gottes nur, Mann, daran immer denk!
FIGEROS
So kleide dich, o Braut, schneeweiß in sanftem Samte,
Dann eile ich mit dir sogleich zum Standesamte.
SUSANNE
Zur Ehe bürgerlich bin ich bereits bereit,
Vom Pastor aber auch sei unser Bund geweiht,
Wir wollen unserm Herrn den Bund zu Füßen legen:
Herr Jesus, gib uns, Herr, gib, Herr, uns deinen Segen!
FIGEROS
Nicht im Mariendom Geist Gottes auf uns brause,
Sankt Ulrich wähle ich für uns zum Gotteshause,
Sankt Ulrichs Gotteshaus ist in der Welt bekannt
Als Haus des Luthertums, denn ich bin Protestant.
Stiefmütterlich die Brust von Doktor Martin Luther
Mir lieber als die Brust der Großen Gottesmutter!
SUSANNE
Mein Adam bist du doch und ich die Eva dein,
Gott soll der Dritte in dem Bund der Ehe sein!
FIGEROS
Doch in der Hochzeitsnacht, seh Eva ich, die Nackte,
Ist Gott der Dritte auch bei unserm Liebesakte?
SUSANNE
Im Liebesakte Gott im Innern sei dabei,
Die Liebe Gottes in dem Akte schöpfrisch sei!
FIGEROS
Die göttliche Potenz mich mach zum Überwinder
Und zeuge durch den Akt uns anvertrauter Kinder!
ROSINE SOPHIA
Mein armer Seraphim, wo alle Welt sich freit,
Bleibst du allein zurück in Menscheneinsamkeit?
SERAPHIM
O wenn die dumme Welt von meiner Liebe wüsste,
Wie ich allnächtlich sie inbrünstiglichstens küsste!
Die Welt der Narren weiß von meiner Frau nicht, welch
Geliebte sie mir ist! Sie ist des Heiles Kelch,
Ihr breites Becken ist des Ewgen Lebens Becher
Und täglich Tag und Nacht ich zeche als ihr Zecher
Und leck den Kelch noch aus, die Scherben ich noch leck,
Und wenn ich tief berauscht im tiefsten Gottesschreck,
Verzweifelt und verzagt, ob ich von den Erlösten,
So gibt sie ganz sich hin, berauschend mich zu trösten,
Bis ich vergehe fast vor Paradieseslust,
Weil ich im Rausche ruh an ihrer Traubenbrust,
An ihren Brüsten süß, berauschend, prallen Trauben!
An ihre Liebe will ich, an ihr Herz stets glauben,
Weil sie ihr Blut gibt hin, ich trinke dann ihr Blut,
Mit meinem Blut vermischt ihr Blut sich voller Glut,
Und wenn sie mich entblößt, fast tödlich mich zu schwächen,
Will ich den Tränenkelch, den Kummerbecher zechen,
Dann kommt die Liebste an, in bloßer Schönheit an
Und nennt mich Liebesheld! Ihr auserwählter Mann
Bin ich im Liebestod! So herrlich ist mein Schrecken,
So hart die Liebe ist, so süß weiß sie zu necken,
Und wenn sie mich entblößt, im Schrecken fast entherzt,
Wie trunken macht sie dann, wie lustvoll sie mich herzt,
Bis ich betrunken bin von Allgewalt der Liebe,
Ekstatisch bin berauscht im tiefsten Liebestriebe!
Ein Becher meine Braut, sie ist mein Morgenstern,
Denn ich, ich bin vermählt der Trunkenheit des Herrn!