Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

DER HEILIGE STEFAN UND DIE SELIGE GISELA






Hagio-Drama
Von Josef Maria Mayer


ERSTE SZENE


(Esztergom in Ungarn. Der Magyaren Großfürst Géza, sein Sohn Stefan, Stefans Patenonkel Deodatus.)

DEODAT
Die wilden Magyaren sind Räuber und Pferdediebe, Heiden schlimmster Sorte! Vater Géza und Stefan, du deines Vaters Sohn, wisst ihr die Gnade Gottes zu schätzen, der euch das Sakrament der Taufe gespendet hat?
VATER GEZA
Ja, auch meinen Schädel haben drei Tropfen geweihten Taufwassers benetzt. Dem Namen nach bin auch ich ein Christ. Dem Christentum gehört das neue Europa. Aber wenn man Einen Gott im Himmel verehrt, werden dann nicht alle andern Götter eifersüchtig? Ich bekenne mich als Christ zum Christentum, aber ich ehre auch den Donnergott, ich ehre auch den Sonnengott und die Göttin des Mondes, ich ehre das heilige Feuer und die Nixen des Wassers. Der großen Mutter Erde mit den breiten Brüsten werde ich immer dankbar sein, dass sie mich mit dem täglichen Brot ernährt, und dem Weingott werde ich immer dankbar sein für den edlen magyarischen Wein!
DEODAT
Und du, Stefan, denkst du wie dein Vater?
STEFAN
Soll ein Sohn nicht seinen Vater ehren? Soll ein Sohn nicht die Lebensweisheit seines Vaters beherzigen?
DEODAT
Als Bischof Adalbert von Prag dir das Sakrament der Taufe gespendet hat, da nahm dich Unser Vater in den Himmeln als seinen Sohn in Christus an.
STEFAN
Wenn ich den Vater im Himmel lobe und das Vaterunser bete, denke ich mir Gott immer wie meinen starken, klugen, lebensfrohen Vater.
DEODAT
Und doch hat Jesus einmal gesagt: Ihr sollt niemanden auf Erden Vater nennen, denn Einer nur ist euer Vater, Gott, der Vater in den Himmeln. Und des weiteren hat Jesus gesagt: Wer Vater oder Mutter mehr liebt als Mich, der ist Meiner nicht wert!
STEFAN
Und doch hat Gott in den Zehn Geboten gesprochen: Ehre Vater und Mutter, auf dass du lange lebst auf Erden.
DEODAT
Aber im Evangelium heißt es auch: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen! Nun, mein lieber Patensohn Stefan, bekenne deinen Glauben: Glaubst du an den Einen Gott und den Herrn Jesus Christus? Oder glaubst du an die Götter der Heiden, die Elemente dieser Welt, an die Götzen, die in Wahrheit Dämonen sind?
STEFAN
Ich glaube, dass Gott mich geschaffen hat. Ich glaube, dass allein Jesus Christus mir das Ewige Leben schenken kann. Ich glaube, dass der Geist der Liebe in meinem Herzen ausgegossen ist.
DEODAT
Wer hat dir diesen Glauben geschenkt?
STEFAN
Christus selbst hat sich mir offenbart und mir aus reiner Gnade den Glauben an Gott geschenkt.
DEODAT
Wer lehrte dich die Lehre Jesu? Wer unterweist dich im Willen Gottes? Durch wen führt dich der Heilige Geist zur Heiligkeit?
STEFAN
Dies alles tut der lebendige Gott durch die heilige Mutter Kirche.
DEODAT
Warum nennst du die Kirche der Apostel deine Mutter?
STEFAN
Sie hat mich neugeboren in dem Becken der Taufe zu einem Kinde Gottes. Meine leibliche Mutter hat mich geboren für das zeitliche irdische Leben, das mit dem Tod endet. Aber die heilige Mutter Kirche hat mich im Becken der Taufe neugeboren für das Ewige Leben im Königreich der Himmel.


ZWEITE SZENE


(Fürst Stefan von Ungarn und die bayrische Fürstentochter Gisela. Ihre Hochzeit.)

STEFAN
Die Magyaren wollen Frieden schließen mit den Bayern. Ich Magyar und du Bayerin, wir wollen Friedensstifter sein.
GISELA
Jesus sagt: Selig sind die, die Frieden stiften, sie werden das Land besitzen.
STEFAN
Dein Vater Heinrich der Zänker war gegen die Versöhnung der Bayern mit den Magyaren. Jetzt ist er tot, jetzt können wir Frieden schließen.
GISELA
Stefan, verzeih meinem Vater! Versuche, ihn zu verstehen: Die wilden Magyaren haben oft als Räuber die frommen Bayern überfallen.
STEFAN
Auch die Magyaren werden sich bekehren zu Jesus, dem Friedefürsten. Wie geht es deiner Mutter?
GISELA
Meine Mutter Gisela ist fest gegründet im tiefen Vertrauen auf Gott. Ihr habe ich meine christliche Erziehung zu verdanken.
STEFAN
Hat deine Mutter Gisela dich selber unterwiesen in der Weisheit der heiligen Mutter Kirche?
GISELA
Sie hat vor allem durch das Beispiel einer christlichen Güte mich geprägt. Die religiöse Unterweisung hat mir Bischof Wolfgang von Regensburg erteilt.
STEFAN
Der Bischof Wolfgang hat dich getauft?
GISELA
Ja, durch die Gnade der Taufe bin ich geworden eine Tochter Gottes des Vaters und der heiligen Mutter Kirche.
STEFAN
Ich selber wurde getauft von Bischof Adalbert von Prag. So ich nun einer der Söhne Gottes geworden bin, du aber Gottes Tochter, Gisela, siehe, so sind wir ja als Kinder Gottes Bruder und Schwester.
GISELA
Wie es in den Liebesliedern Salomos heißt, die in der Heiligen Schrift zu lesen sind: Ich, deine Freundin, bin deine Schwester-Braut!
STEFAN
Aber man nennt dich, Gisela, eine Geisel des Glaubens, eine Geisel der Kirche von Rom.
GISELA
Sollen die bösen Zungen doch lästern!
STEFAN
Ich werde dir beweisen, dass ich nicht allein aus Staatsräson mit dir die Ehe schließe, sondern dass ich dich lieben, ehren und achten will in guten und in schlechten Zeiten, bis der Tod uns scheidet. Ich will dir nicht ein diplomatisches Ja-Wort geben, sondern bewusst im Angesicht Gottes dir die Treue meiner Liebe versprechen.
GISELA
Die Ehen werden ja im Himmel geschlossen. Man kann sich nicht selber überreden, einen Menschen zu lieben, sondern die Liebe ist – wie die Dichter sagen - eine Himmelsmacht, ein Geschenk Gottes!
STEFAN
Ja, wie die antiken Dichter sprachen vom Liebespfeil des Liebesgottes Amor, der die Herzen trifft und die Liebe entzündet. Nun, der Kleine Gott Amor hat einen Liebespfeil mit Gift an der Spitze, und wer von diesem Pfeil am Herzen verwundet wird, der liebt, doch findet keine Gegenliebe!
GISELA
Ach der Arme! Gott erbarme sich seiner!
STEFAN
Aber uns hat der kleine Liebesgott mit jenem Liebespfeil getroffen, dessen Spitze in Honig getaucht ist. Unsre Liebe ist wechselseitiges Geben und Nehmen, nicht wahr, meine Liebe?
GISELA
Ja. Ich werde mich immer zurücknehmen, um dich zu empfangen.
STEFAN
Auch ich, auch ich, Geliebte, werde mich immer zurücknehmen, um dich zu empfangen.
GISELA
Du wirst mir deine klaren klugen Gedanken schenken.
STEFAN
Und du wirst mir die Gedanken, bereichert mit deiner tiefen Intuition, wiederschenken.
GISELA
Wir wollen eine mustergültige christliche Ehe führen.
STEFAN
Ja, Heilige wollen wir werden, aber zusammen wollen wir Heilige werden als ein heiliges Ehepaar!


DRITTE SZENE


(Fürst Stefan und sein Onkel, der Fürst Koppány.)

ONKEL KOPPANY
Mein Neffe! Dein Vater, mein Bruder, ach, der Großfürst Géza ist gestorben!
STEFAN
Gott sei seiner Armen Seele gnädig!
ONKEL KOPPANY
Er war ein echter Magyar. Er konnte reiten wie kein Zweiter und führte das Schwert wie ein herrlicher Krieger.
STEFAN
Ach, es tut mir in der Seele weh, dass mein Vater auf dem Sterbebett das Kreuz des Retters nicht geküsst hat.
ONKEL KOPPANY
Stefan, deine Religion ist gut für alte Weiber, die stricken und am Webstuhl sitzen und, um besser einschlafen zu können, den Rosenkranz murmeln. Aber wir Magyaren brauchen Fürsten, die Männer sind, echte Männer, die nicht mit der Bibel in der Hand durch Ungarn pilgern, sondern die zu kämpfen wissen, die ihren Mann stehen in den kriegerischen Auseinandersetzungen unserer Zeit.
STEFAN
Wer wird dem Großfürsten Géza auf dem Throne folgen, lieber Onkel, du oder ich?
ONKEL KOPPANY
Das ist die Schicksalsfrage Ungarns. Wird Ungarn ein Land von weibischen Mönchen in langen Röcken? Oder wird Ungarn bleiben, was es ist, die freie Welt der reitenden und streitenden Krieger? Die Götter sollen entscheiden!
STEFAN
Ich will Großfürst werden, auf dass der Geist Christi zur Seele des ungarischen Volkes werde.
ONKEL KOPPANY
Was ist das, der Geist Christi? Die Demut von Weibern und Mönchen in langen Röcken? Nein, bei den alten Göttern der Elemente! Der Magyar soll weiter seinen Esel schlachten und saufen den starken roten Wein und Krieg führen gegen die Feinde!
STEFAN
Ich will mich beraten mit Gott.
ONKEL KOPPANY
Ja, ja, frage du nur deinen lieben Gott! Hat er denn einen Mund, dass er reden kann?

(Onkel Koppany geht ab. Stefan kniet vor der Ikone der Gottesmutter Maria.)

STEFAN
O Mutter Gottes, führe Ungarn und die heidnischen Magyaren alle zu deinem göttlichen Sohn! Ich will dein Diener sein und die Magyaren zu deinen Kindern machen, himmlische Mutter!

(Der gottselige Einsiedler Günther tritt ein. Er ist ärmlich gekleidet und trägt am Gürtel einen Rosenkranz.)

EINSIEDLER GÜNTHER
Mein Fürst, du hast mich zu dir gerufen?
STEFAN
Gottseliger Einsiedler, guter Günther, ich weiß, du hast einen besonders intimen Umgang mit Gott dem Herrn.
GÜNTHER
Ja, ich weiß, mein Stefan. Ich, der elendste aller Knechte Gottes, bin reich begnadet worden von Gott. Warum es Gott in seiner freien Gnade gefällt, gerade mich, der ich der wildeste Sünder aller Magyaren bin, so reich zu beschenken mit mystischen Gnaden, weiß ich nicht zu sagen. Es erfüllt mich aber eher mit zitternder Furcht als mit Stolz.
STEFAN
Was denkst du, gottseliger Mann, wer soll als Großfürst die Magyaren führen? Will Gott der Herr den starken, streitbaren, weltliebenden Koppany als Großfürsten Ungarns oder will Gott der Herr mich, seinen geringsten Diener Stefan, zum Vater des ungarischen Volkes ernennen?
GÜNTHER
Stefan, Stefan! Christus will, dass du der Schutzengel der wilden Magyaren wirst und sie führst ins Königreich der Himmel. Christus will, dass du dabei ganz auf die Hilfe Seiner Mutter vertraust. Christus wird nicht eher ruhen, bis Seine heilige Mutter feierlich zur Königin des ungarischen Volkes ernannt worden ist.
STEFAN
So sei es. Gott steh mir bei!


VIERTE SZENE


(Rom. Der Gesandte des Großfürsten Stefan, Aristicus, wird vom Heiligen Vater Sylvester II. in einer Audienz empfangen. Auch der deutsche Kaiser Otto III. ist anwesend.)

HEILIGER VATER
Rede, mein Sohn!
ARISTICUS
Heiliger Vater! Großfürst Stefan von Ungarn versichert Eurer Heiligkeit seinen Glaubensgehorsam und seine kindliche Liebe. Desselben versichert die Großfürstin Gisela von Ungarn Eurer Heiligkeit ihres beständigen Gebets für EureN apostolischen Dienst.
HEILIGER VATER
Das hören wir gerne, mein Sohn. Richte bitte dem Großfürsten Stefan und der Großfürstin Gisela aus, dass wir beim täglichen Opfer ihrer gedenken und für sie beten.
ARISTICUS
Der Großfürst Stefan von Ungarn, in völliger ehelicher Harmonie mit seiner geliebten Gemahlin Gisela, bittet in Demut Eure Heiligkeit, ihm die königliche Krone zu verleihen.
HEILIGER VATER
Stefan will König werden?
ARISTICUS
Ja, Eure Heiligkeit. Und er will das Königreich Ungarn eng anschließen an den Heiligen Stuhl.
HEILIGER VATER
Stefan wendet sich nicht an die Ostkirche?
ARISTICUS
Eure Heiligkeit, Stefan ist vom Bischof Adalbert von Prag im alleinseligmachenden Glauben der römisch-katholischen Kirche unterwiesen worden. Die ihm in kirchlicher Kopulation sakramental anvertraute Ehefrau Gisela ist von Bischof Wolfgang von Regensburg unterwiesen worden in dem wahren Glauben der einen Kirche Christi, die vom Nachfolger Petri geführt wird.
HEILIGER VATER
Wir sind zufrieden mit unserm Sohne Stefan. Die Frömmigkeit unserer Tochter Gisela ist auch schon zu unsern Ohren gedrungen.
ARISTICUS
Heiliger Vater, was darf ich meinem Landesherrn Stefan sagen? Wird der Stellvertreter Christi auf Erden meinen Herrn Stefan zum König von Ungarn krönen?
HEILIGER VATER
Mein Sohn Otto, tritt hinzu und sprich!
ARISTICUS
(verneigt sich vor dem Kaiser)
Eure Kaiserliche Majestät Otto, Gottes Gnade ruht auf Eurem Haupt!
OTTO III
Heiliger Vater, wollt Ihr meine Meinung hören?
HEILIGER VATER
Ja, mein Sohn Otto. Wir wissen von deinem Glauben und deiner staatsmännischen Weisheit. Der Nachfolger Petri ist kein absolutistischer Alleinherrscher, sondern der Diener der Diener Christi. Der Papst berät sich gerne mit den Weisen. Was meinst du, mein Sohn Otto, sollen wir den Großfürsten Stefan zum König von Ungarn krönen?
OTTO III
Heiliger Vater, ich weiß, wir haben dieselbe Vision für Europa. Wir wollen ein christliches Abendland, dessen Seele der Glaube an Christus ist. Wir wollen die Völker Europas geeint sehen in einem Imperium Romanum, beseelt vom Geiste Christi. Ich, der deutsche Kaiser, kenne die Großfürstin Gisela. Ihr Vater Heinrich der Zänker und ihre fromme Mutter Gisela sind mir bekannt und ebenfalls ihr Bruder Heinrich. Dieser Bruder Heinrich wird noch in die Geschicke Europas eingreifen. Das klare Bekenntnis des Großfürsten Stefan und der Großfürstin Gisela zum Heiligen Stuhl und zur Kirche Christi scheint mir ein Zeichen zu sein, dass mit der Krönung Stefans zum König von Ungarn die Bildung eines christlich-römischen Abendlandes voranschreitet.
HEILIGER VATER
Du sprichst mir aus dem Herzen, mein Sohn Otto. Aristicus, mein geliebter Sohn, bringe du Stefan die Krone des Königs und Gisela die Krone der Königin. Du aber, Aristicus, sollst als Bischof Hirte der ungarischen Landeskirche sein.


FÜNFTE SZENE


(Krönung. Stefan und Gisela, der Bischof der ungarischen Landeskirche, Klerus, Grafen und Volk.)

BISCHOF VON UNGARN
Im Auftrag des obersten Hirten der universalen Kirche überreiche ich dem König Stefan die königliche Stefanskrone des christlichen Königreichs Ungarn!

(Der Bischof krönt den knieenden Stefan zum Ersten König von Ungarn.)

STEFAN
Ich, König Stefan von Ungarn, König von Gottes Gnaden, will tragen das weltliche Schwert der Gerechtigkeit im Namen Jesu Christi, des Richters der Lebenden und der Toten, des Königs der Könige.
BISCHOF
Kraft seiner apostolischen Autorität als Nachfolger des Ersten Papstes Petrus verleiht Seine Heiligkeit Papst Sylvester II. der Großfürstin Gisela die Krone der Königin von Ungarn.

(Die knieende Gisela empfängt vom Bischof der ungarischen Landeskirche die Krone der Königin.)

GISELA
Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Obwohl ich von der göttlichen Gnade zur Königin von Ungarn erhoben worden bin, bleibe ich die demütige Dienerin des Herrn und des ganzen Volkes Gottes.
BISCHOF
König Stefan und Königin Gisela, Heil euch! Möget ihr als König und Königin im Königreich Ungarn herrschen als Diener Gottes des Herrn. Möge eure Herrschaft ein Gleichnis sein der vereinigten Herzen Jesu und Mariens. König Stefan herrsche im Geiste der opferbereiten Liebe des heiligsten Herzens Jesu, und Königin Gisela regiere im Sinne des allerzärtlichsten Unbefleckten Herzens Mariens!
DIE GRAFEN
König Stefan! Du hast die alten Stammesgebiete der heidnischen Häuptlinge aufgelöst und ein zivilisiertes Staatswesen im Sinne römischer Staatsweisheit begründet, indem du Ungarn eingeteilt hast in vierzig Grafschaften. Wir, die Grafen von Ungarn, sind die Verwalter unserer Grafschaften und die Heerführer unserer freien Kriegerverbände. Heute, am Tage deiner feierlichen Krönung zum König von Ungarn, schwören wir, die Grafen Ungarns, dir als unserm Herrn die Treue!
DAS VOLK
Heil dir, Stefan! Unser König Stefan lebe lang! Heil dir, Königin Gisela! Unsere Gisela lebe lang! Lange lebe Königin Gisela!
KÖNIG STEFAN
Meine allergeliebteste Königin und Frau, Regina Gisela! Hochwürdigster Bischof unserer geliebten ungarischen Landeskirche! Heiliger Klerus der ungarischen Kirche! Treue und edle Grafen der vierzig Grafschaften Ungarns! All ihr meine zärtlich geliebten Landeskinder! In der Kraft der göttlichen Gnade, die mir im Gottesgnaden-Königtum verliehen worden ist, in der Kraft meines Glaubens an Jesus Christus und Seine heilige Kirche, und in der Kraft der mir von Gottes heiligem Geist verliehenen Weisheit der Regierungskunst, werde ich nach bestem Wissen und Gewissen sorgen für mein ganzes Volk. Die Kirche hat die volle Freiheit, das Evangelium zu verkünden. Überall sollen neue herrliche Gotteshäuser errichtet werden. Missionare sollen nach Ungarn kommen. Ich werde ein guter König aller Magyaren sein, nicht allein der Christen, sondern auch der armen Heiden. Ich werde für religiösen, politischen und sozialen Frieden im Lande sorgen. Mein besonderes landesväterliches Wohlwollen gilt den Armen des Landes. Ich bitte alle ungarischen Gläubigen, für mich zu beten bei Gott unserm Herrn.


SECHSTE SZENE


(Im Marien-Dom. Die Heilige Messe ist vorübergegangen. König Stefan weiht in einem feierlichen Weiheakt sein Königreich Ungarn dem Unbefleckten Herzens Mariens.)

STEFAN
Ein Volk, das im Finstern und im Schatten des Todes saß, sah ein großes Licht! Ein Stern ist aufgegangen in Israel. Unsere Liebe Frau, erleuchte alle Seelen, die in Finsternis und Schatten des Todes sitzen!
VOLK
Ave gratia plena! Benedictus fructus ventris tui!
STEFAN
Wir sind verwirrt und unser Geist erfasst die Geheimnisse der Liebe Gottes nicht. Unsere Liebe Frau, schenke unsern umnachteten Geistern den lichten Strahl der göttlichen Weisheit!
VOLK
Ave gratia plena! Benedictus fructus ventris tui!
STEFAN
Wir sind erschrocken, wie über alle hin das Leid geschieht. Unsere Seelen tränen angesichts des Leidens der Kinder, der Armen, der Kranken, der Sterbenden und der Armen Seelen. Unsere Liebe Frau, zeige uns nach diesem Elend das Land der Lebendigen!
VOLK
Ave gratia plena! Benedictus fructus ventris tui!
STEFAN
Angesichts der Flut der schwarzen Magie, der Anbetung der Natur, der Kindermorde durch die Hexen, der Befragung der Totengeister, der Verehrung der falschen Götter, des Aberglaubens und des Irrglaubens, bitten wir dich, Unsere Liebe Frau, erleuchte unsere inneren Sinne mit dem schönen Licht der Ewigen Liebe Gottes!
VOLK
Ave gratia plena! Benedictus fructus ventris tui!
STEFAN
Unsere Frauen wünschen sich vor allem eins: den Frieden! Wir sehnen die Zeit herbei, da unsere Knaben nicht mehr das Kriegshandwerk lernen. Wir sehnen uns nach Frieden mit Gott, Frieden im Herzen, Versöhnung mit uns selber, Versöhnung in der Familie, Versöhnung mit den Nachbarn, ja, nach dem Frieden in der ganzen Schöpfung. Unsere Liebe Frau, schenke uns das liebliche Lächeln deiner sanften und süßen Güte und befriede unsere aufgewühlten Seelen!
VOLK
Ave gratia plena! Benedictus fructus ventris tui!
STEFAN
Ich, der Erste König Ungarns, weihe dir das Könighaus von Ungarn. Unsere Liebe Frau, du bist die Königin des Königs, nimm mich als deinen Sklaven an! Mein Platz ist zu deinen Füßen, um voller Verehrung zu dir aufzuschauen!
VOLK
Ave gratia plena! Benedictus fructus ventris tui!
STEFAN
Meine Ehefrau, die Königin Gisela, sei deiner Güte und Gnade anvertraut. Unsere Liebe Frau, nimm meine geliebte Frau als deine Freundin und Schwester an!
VOLK
Ave gratia plena! Benedictus fructus ventris tui!
STEFAN
Die gottgeweihten Seelen, die ehelos leben für das Königreich der Himmel, benötigen dringend den zärtlichen Beistand deiner süßen Liebe! Unsere Liebe Frau, schenke ihnen die Reinheit einer selbstlosen Liebe und erlöse sie von allen ungeordneten Begierden und lass sie allezeit in ihrem Nächsten das Ebenbild Gottes schauen!
VOLK
Ave gratia plena! Benedictus fructus ventris tui!
STEFAN
Ich weihe dir den Adel des Volkes. Unsere Liebe Frau, hilf du dem Adel, die Berufung zur Heiligkeit zu erkennen und schenke ihnen die Demut, zu erkennen, dass auch die aristokratischen Menschen nichts als deine allergeringsten Sklaven sind!
VOLK
Ave gratia plena! Benedictus fructus ventris tui!
STEFAN
Ich weihe dir die Bürger von Ungarn. Lehre du durch deine evangelische Armut die Bürger, den wahren Reichtum zu ergreifen, den Reichtum der Liebe, auf dass sie den Schatz des Himmels erwählen. Unsere Liebe Frau, ich vertraue dir auch die Finanzen unseres Landes an.
VOLK
Ave gratia plena! Benedictus fructus ventris tui!
STEFAN
Mein Staat sei ein Staat der Arbeiter und der Bauern. Unsere Liebe Frau, du Frau des Zimmermannes, ich weihe dir alle Zimmerer. Unsere Mutter, ich weihe dir die Bauern. Liebe Frau, lass allezeit die Euter der Kühe prall sein und strotzen vor Milch! Herrin, segne unsre Hengste und Stuten!
VOLK
Ave gratia plena! Benedictus fructus ventris tui!
STEFAN
Amen.


SIEBENTE SZENE


STEFAN
(Vor einer Ikone der Allerheiligsten Dreifaltigkeit)
O meine Majestät, du Allerheiligste Dreifaltigkeit, diese Ikone hat mein Sohn Emmerich gemalt, mein Gott, er hatte eine Vision von dir und war verzückt! O Gott, Kinder sind ein Geschenk des Herrn und Knaben eine Gabe Gottes. Als du mir meinen Liebling Emmerich geschenkt hast, o Jesus, bist du in ihm selber in mein Haus gekommen. Ja, verrückt vor Liebe bekenne ich: Du, Gott, bist mein Sohn geworden...
BOTE
(Eintretend)Mein König!
STEFAN
Was gibt es Neues? Nichts Neues unter der Sonne!
BOTE
Verzeiht mir, mein König! Euer Sohn –
STEFAN
Wie geht es meinem Liebling?
BOTE
Euer einziger Sohn ist –
STEFAN
Der Abgott meines Herzens! Sprich von meinem Liebling!
BOTE
Prinz Emmerich ritt auf Bärenjagd. Der Bär zerfleischte den Prinzen! Mein König, der Prinz ist tot!
STEFAN
Ah weh!
BOTE
Verzeiht dem Hiobsboten.
STEFAN
Geh, ich muß allein sein.
(Bote geht ab.)
Warum, mein Gott? Warum! Warum hast du mir den Liebling genommen? Mein Gott, mein Gott! Ah weh, mein Sohn Emmerich, Emmerich, mein Sohn! Mein Sohn ist tot! Tot, mein Sohn! O Gott! Wie soll ich diesen Schlag tragen, mein Gott? O Gott, Gott, Erbarmen, Erbarmen! Ah, ich hasse dies Leben! Ich hasse die Gewalt des Todes! Wie kannst du mir das antun, mein Gott? Wie ein Bär, dem man die Jungen geraubt hat, ja, wie eine wildgewordene Bärenmutter stürzt du dich auf mich, mein Gott, und zerfleischst mich! Töte mich lieber, Gott! Töte mich! Schlage mich tot, mein Gott!

(König Stefan sitzt in seinem dunklen Gemach allein. Er birgt sein Antlitz in seinen Händen und weint schluchzend, lange, lange rinnen ihm Ströme von heißen Tränen aus den Augen. Nur manchmal entringt sich seiner schluchzenden Kehle ein verzweifelt jammerndes „Gott!“ und wieder muß er herzerschüttert weinen. Langsam, sehr langsam beruhigt sich seine gequälte Seele zu einer unendlich schwarzen Schwermut. Da hockt er in tiefster Resignation, ergeben seinem Schicksal, wie ausgelöscht, wie erstarrt zu seinem steinernen Götzenbild. Über allem liegt der schwarze Schatte des Todes.)

GISELA
(Eintretend)Geliebter!
STEFAN
Ah weh, meine Liebe!
GISELA
Gott hat den Liebling uns geschenkt. Gott hat den Liebling uns genommen. Der Name Gottes ist immer noch die Ewige Liebe!
STEFAN
Gott sprach zum Patriarchen Abraham: Geh, schlachte mir deinen Sohn Isaak!
GISELA
Der Ewige Vater hat seinen einzigen Sohn Jesus Christus für uns am Kreuze hingegeben!
STEFAN
Muss das so sein? Können Gott denn unsre Gebete nicht versöhnen?
GISELA
Es war zur Zeit des Cäsaren Tiberius von Rom, zur Zeit des Gouverneurs Pontius Pilatus, als in Jerusalem in Palästina auf grausamste Weise der Sohn des lebendigen Gottes von den Menschen gekreuzigt worden ist! In schrecklichsten Qualen wurde er gemartert, bis sein Herz vor Liebe verblutet ist! Und nur Ein Tropfen dieses Blutes vermag die ganze Menschheit zu erlösen vom ewigen Tod. Aber Jesus vergoss Ströme seines kostbaren Blutes, um uns zu schenken das Ewige Leben!


ACHTE SZENE


(Stefan in Ritterrüstung auf seinem Kriegsross. Gisela in Bußgewändern auf einem Hügel vor einem Kruzifix zum Gebete knieend.)

STEFAN
Nach dem Abscheiden des Thronfolgers erhoben sich meine Vettern mit dem Anspruch, meinen Thron zu erben. Heiden, die sie waren, vertrieb ich sie aus meinem Königreich. Einer floh nach Russland, einer floh nach Polen, einen musste ich blenden lassen. Gisela, bete für meine Seele um Gottes Erbarmen!
GISELA
Die schlimmste Rebellion hat sich jetzt erhoben. Zegzard, der Führer der Heiden, führt Krieg gegen dich. Ungarn darf nicht zurücksinken in die Barbarei heidnischen Aberglaubens!
STEFAN
Ich habe eine Woche lang bei Brot und Wasser gefastet, ich habe gebeichtet, ich habe den Leib des Herrn empfangen und das Wort Gottes gehört. Nun muß ich kämpfen!
GISELA
Wenn die Heiden siegen in Ungarn, dann werden statt des Wortes Gottes wieder die Hellseherinnen und Wahrsagerinnen befragt. Bei den Hexen wird man magische Edelsteine kaufen. Von den Zigeunerinnen lässt man sich aus der Hand sein Schicksal lesen. Statt Gott zu vertrauen, werden die Menschen an die Macht der Sterne glauben. Hexen praktizieren schwarze Magie. Zauberer befragen die Seelen der Toten. Schamanen beschwören Dämonen über den Kranken. Statt zu glauben an den Einen Gott, den Schöpfer aller Himmel und der Mutter Erde, werden die Menschen die Sonne verehren, an die dreifaltige Mondgöttin glauben, der Venusgöttin der Lust folgen, sie werden sich prostituieren, Knaben schänden, Ehen brechen, Verkehr mit Tieren haben! Die Hexen werden mit Gift und andern Zaubereien die Kinder in den Mutterschößen ermorden! Sie werden wieder mit den Gnomen der Erde reden, die Meerjungfrauen der Meere lieben, auf die Luftgeister hoffen und Feuersalamander beschwören. Sie halten die Pferde für heilige Tiere und wahrsagen Zukunft aus dem Wiehern des Hengstes und dem Schnauben der Nüstern der Stute! Alle diese Gräuel sind gräulich, aber der allerschlimmste Gräuelgötze ist die Mondgöttin, der sie die eigenen Kinder schlachten!
STEFAN
Ich werde mit Christi Beistand die Wiederkehr des heidnischen Aberglaubens zurückweisen. Zegzard soll die Macht Christi erfahren. Er hat Wind gesät, er wird Sturm ernten!
GISELA
Während du mit deinen christlichen Rittern unter der Fahne des Kreuzes in den Kampf ziehst, werde ich den heiligen Martin um Hilfe anrufen.
STEFAN
(singt)
Der Sankt Martinus war ein Christ,
Ein glaubensstarker Mann!
Weil heute sein Triumphtag ist,
Zünd ich die Kerze an!
GISELA
Sankt Martin breite seinen Mantel der Barmherzigkeit über alle Magyaren! Die Unbefleckt Empfangene Mutter vom Sieg verhelfe uns zum Triumph über die wachsende Flut des Heidentums! Sankt Michael, der heilige Erzengel, stürze den Satan und alle satanischen Geister in die Hölle! Christus, das Wort Gottes, der König der Könige, reite uns auf seinem weißen Ross voran!
STEFAN
Gisela, bete wie eine Heilige! Ich werde kämpfen wie ein Herkules, der den Saustall des Augias ausmisten musste! Aber der Sieg kommt von Gottes Hilfe allein!
GISELA
Gürte dein Schwert an die Hüfte, Geliebter, sei ein Mann und reite für die Wahrheit! Von deinen Pfeilen sollen deine Feinde niederfallen! Dein Schwert dringe ins Herz der Feinde des Königs!
STEFAN
Auf! Für Gott und Unsere Liebe Frau!


NEUNTE SZENE


(Stefan, Gisela, Stefans Schwester Maria und ihr Sohn Peter.)

STEFAN
Maria, Liebste, wie geht es deinem Gemahl?
MARIA
Dem Dogen von Venedig, mit dem Meer vermählt, macht sein undankbares Volk Ärger. Er sorgt selbstlos für sein Volk, belehrt die Reichen, ehrt die Gelehrten, baut Spitäler für die Kranken und sorgt für Speise den Kindern. Aber er erntet für all seine Liebe – keine Gegenliebe!
GISELA
So kann er sich üben in der christlichen Liebe, denn die christliche Liebe ist eine selbstlose, schenkende Liebe. Als Jesus gesagt hat: Geben ist seliger als Nehmen, da hat er nicht nur an materielle Geschenke gedacht, sondern ich glaube, Jesus wollte sagen: Lieben ist seliger als geliebt zu werden!
STEFAN
Das sagte auch Platon, der Philosoph der Liebe: Der Liebende ist göttlich, nicht der Geliebte.
MARIA
Nun, mein Lieber, du hast mich aus Italien zu dir eingeladen. Mein Lieber, was kann ich für dich tun?
STEFAN
Als unser so innig geliebter Emmerich heimgegangen ist zu Gott, da fehlt uns seitdem der Thronnachfolger. Meine heidnischen Vettern haben sich frech und dreist aufgespielt, aber mein Königreich überlasse ich nicht den Heiden, die Pferde anbeten.
MARIA
Ja, nimm dem Volk die katholischen Priester und sie werden bald wieder die Pferde anbeten.
GISELA
Ich habe lange um eine Lösung des Problems gebetet, bis ich in der Kirche Gottes eine Eingebung hatte. Maria, dein Sohn Peter soll Stefan auf dem Thron folgen!
PETER
Ich? Glaube mir, liebe Tante, ich fühle das Schwert des Henkers über meinem Nacken niederfallen! Ich wollte lieber den Künsten und der Weisheit leben.
GISELA
Alles ist eine Frage der Berufung. Wir sind vom Schöpfer berufen worden, in dies irdische Leben zu kommen. Wir können uns das Leben ja nicht selber geben.
PETER
Verzeih mir, liebe Tante, aber wenn man mich um Erlaubnis gefragt hätte, ob man mich zeugen dürfe, ich hätte gesagt: Nein, bitte lasst das bleiben! Lasst mich bitte einen puren Gedanken im Geiste Christi bleiben und schickt mich nicht in diese Welt, die im Argen ist, und in diese böse Zeit.
MARIA
Mein Sohn ist oft sehr schwermütig. Versucht, ihn zu verstehen.
GISELA
So beruft auch Gott die Könige, die in Christi Namen regieren sollen. Die Ewige Weisheit spricht: Durch Mich regieren die Könige! Wenn Gott dich beruft, mein junger Freund, dann wage es und antworte Gott mit einem: Ja, ich will, mit der Hilfe der seligen Jungfrau Maria!
PETER
Madonna! Ist es Ihr Wille?
MARIA
Ja, die Madonna will es so!
PETER
Alles tu ich, was die Madonna will! Ich bin ihr allergeringster Sklave!
STEFAN
Gut! Das wäre geklärt. Ich selber, der König, werde meinen Neffen unterrichten in der göttlichen Weisheit der Regierungskunst. Wir fangen an mit Platons Lehre von der Monarchie und der Tyrannei, von der Aristokratie und der Oligarchie, von der Demokratie und der Anarchie.
PETER
Platon bevorzugte...?
STEFAN
Platon bevorzugte die Monarchie, die Führung des Staates durch einen weisen und heiligen Menschen. Gott schenke uns die Ewige Weisheit!


ZEHNTE SZENE


(König Stefan in seinem Sterbebett. Nach Empfang der Absolution, des Leibes Christi und der Letzten Ölung segnet ihn der Priester mit dem Zeichen des Kreuzes und verlässt das Sterbezimmer. Königin Gisela tritt ein.)

GISELA
Ach, mein Schatz!
STEFAN
Meine Geliebte, meine beste Freundin! Ich bin zu schwach zum Beten. Bitte wiederhole mir jeden Tag den Satz, den ich dir jetzt vorspreche.
GISELA
Das will ich tun. Was soll ich dir jeden Tag vorsprechen?
STEFAN
Nur Mut! Bald lässt dich Unsere Liebe Frau in ihren Paradiesesgarten!
GISELA
Ich verspreche, dir dies jeden Tag zuzusprechen.
STEFAN
Komm, setz dich zu mir auf mein Bett. Gib mir deine Hand, mein Schatz!

(Königin Gisela sitzt auf dem Sterbebett Stefans und hält eine zeitlang schweigend seine Hand.)

GISELA
Wenn ich an meine beiden Söhne denke, die ich gleich nach der Geburt verloren habe – du wirst sie bald wiedersehen. Und, nicht wahr? Unser Liebling Emmerich war ein Heiliger?
STEFAN
Ja, Emmerich war ein Heiliger! Dir Mutter Kirche wird ihn gewiß bald heilig sprechen!
GISELA
Meinst du, Jesus wird zu dir kommen und seine Engel werden dich in den Himmel tragen?
STEFAN
Ach, ich hab es aufgegeben, mir irdische Bilder vom Himmel zu machen. Es ist eben doch etwas gar zu Großes, was Gott denen bereitet, die ihn lieben. Da reicht eben unsre menschliche Phantasie nicht aus, sich das vorzustellen.
GISELA
Sag, hast du Angst vor dem Tod? Zweifelst du, ob dich das Nichts erwartet oder das Ewige Leben?
STEFAN
Mich überfällt immer wieder die Finsternis der Todesangst und ich fühle wie die elenden Gottlosen einen Horror vor dem Vakuum nach dem Tode!
GISELA
Hilft dir dein Glaube nicht mehr?
STEFAN
Doch, ich weiß, dass mein Erlöser lebt und dass ich ihn in meinem Leibe und mit meinen Augen schauen werde! Aber ich leide die Finsternis der Todesangst all meiner heidnischen Magyaren. Stellvertretend für meine gottlosen Landeskinder leide ich den Horror vor dem Vakuum!
GISELA
Wie kannst du das ertragen? Kannst du denn als ein Gläubiger freiwillig die Todesangst der Gottlosen leiden?
STEFAN
Ach, was können menschliche Worte sagen? Nichts kann man sagen!
GISELA
Sag, dass du nicht verzweifelst!
STEFAN
Ich gehöre Jesus und Jesus ist mein! Ich weiß, ich werde ein Gott in Gott sein...
GISELA
Ein Gott in Gott...?
STEFAN
Das sagen doch die griechischen Väter: Gott ist Mensch geworden, auf dass der Mensch Gott wird. Gott ist Gott seinem Wesen nach, aber der Mensch soll aus Gnade Gottes ein Gott in Gott werden.
GISELA
Denkst du nicht an die Wiese des Jenseits, an den Garten des Paradieses?
STEFAN
Ich kann mir das Jenseits schon gar nicht mehr als Land denken. Ich fühle, wie ich mich langsam auflöse und verlösche in einem Ozean der Ewigen Liebe!
GISELA
Ich werde dir folgen.
STEFAN
Siehst du dort das Licht an der Tür?
GISELA
Nein, ich sehe nichts.
STEFAN
Die heilige Jungfrau ist da! Sie lächelt so charmant... – Ja, Maria....

(Stefan stirbt.)