Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

DER ANGENAGELTE PROMETHEUS






Tragödie
Von Josef Maria Mayer


ERSTER AKT


(Am Kaukasos. Der hinkende Gott Vulkan und der Titane Kraft schleifen in Ketten den armen Prometheus zu dem Felsen, an dem er angenagelt werden soll.)

KRAFT
Ich, der Titane Kraft, ich bin der Sohn des Styx,
Ich freue mich im Hass, ich hasse voll des Glücks,
Daß der Prometheus jetzt, der Mann der Menschenliebe,
Wird angenagelt an dem Berg. Die Lebenstriebe
Sind dem Titanen Kraft erfüllt von hartem Hass.
Mich ekelt an der Mann! Wie aber Wein im Fass,
Ist lange schon gegärt mein Zürnen und mein Grimmen!
Prometheus soll im Leid, in Ozeanen schwimmen,
Im Tränen-Ozean, im schwarzen Kummer-Meer!
Den Becher saufe er, der voller Leiden, leer!
Ich, der Titane Kraft, aus Hass bin ich so mutig,
Und du, Prometheus, du, du weine Tränen blutig!
VULKAN
Was dich erwartet hier für alle Lebenszeit,
Prometheus, das ist nichts als nackte Einsamkeit!
Die Götter im Olymp in Scherzen sind gemeinsam,
Doch du, nichts als ein Mann, auf Erden bist du einsam.
Tags schreist du laut vor Schmerz und nachts flieht dich der Schlummer,
Ertrinken wirst du in dem Ozean aus Kummer,
Dich schlägt des Himmels Zorn, der Zorn der höchsten Macht,
Die Sinne sind dir tief getaucht in dunkle Nacht,
Die Seele ist getaucht in abgrundtiefes Dunkel,
In deiner dunklen Nacht kein einzig Sterngefunkel,
Dein Menschengeist getaucht ins Meer der Bitternis,
Der Gottheit Blitz ist dir wie dichte Finsternis,
Die Menschenliebe, die geblutet dir im Herzen,
Die Liebe dir besteht aus nichts als Todesschmerzen!
Nur noch um deinen Tod du bei dem Himmel wirbst
Und musst doch leben, ach! Gott will, dass du nicht stirbst!
KRAFT
Die Götter allesamt, im Zorn dir heimzuzahlen
Die Menschenliebe, sie verschwören sich, dir Qualen
Zu schenken, ihre Gunst in diesem Jammertal,
Der Götter Gunst für dich ist tausendfache Qual!
Ich will mehr Qualen noch dir Heißgehasstem machen,
Und stirbst du fast vor Schmerz, so werd ich höhnisch lachen!
PROMETHEUS
Die Menschenliebe ist aus Schmerzen, wie ich seh,
Aus Liebe leide ich! Ah weh mir, weh mir, weh!
KRAFT
Sonst redetest du stolz, Prometheus, unbescheiden,
Der Gott das Feuer stahl, jetzt strafen dich die Leiden,
Mein, des Titanen Kraft, mein heißer Hass bezeugt,
Daß dich, den Liebenden, der Götter Zorn gebeugt,
Jetzt wär dir schon ein Trost nur eine milde Wehmut
In abgrundtiefer Qual. So Gott lehrt dich die Demut.
Vulkanos, der du hinkst, der Venus Ehemann,
Prometheus schlage du an diesen Gipfel an!
VULKAN
Gerecht ist Gottes Zorn. Der Mensch erduld bescheiden,
Was zumisst ihm der Herr, die ganze Zahl der Leiden.
So leide denn der Mensch! Doch seh ich seine Not,
So groß, dass er sich wünscht nichts andres als den Tod,
Seh ich in Seelenqual zerrissen diesen Armen,
Mein Götterherz erfüllt ein herzliches Erbarmen.
Könnt lindern ich die Not, tät ich ein gutes Werk.
Doch muß ich schlagen ihn an diesen harten Berg,
Weil Jove es so will. Gehorsam muß ich üben,
Ob mich der Zorn des Herrn auch herzlich muß betrüben.
Geduldig leide du, Prometheus, mit Geduld
Abbüße du vor Gott durch Leiden alle Schuld.
Was hilft die Sehnsucht dir? Vergeblich alles Sehnen,
Gott hat bereits gezählt die große Zahl der Tränen,
Die du noch weinen musst. Und ist dein Herz wie Glas,
Die Trauer ordnet Gott nach Ordnung, Zahl und Maß.
Und wähnest du dich ganz von Himmlischen vergessen,
Die Schicksalsgöttinnen das Maß der Tränen messen,
Und bis die Zahl vollbracht, die Gott dir vorbestimmt,
Wein heiße Tränen du, bis Jove nicht mehr grimmt.
KRAFT
So weichen Herzens, Gott Vulkanos, bei dem Jammer?
Vulkanos, Hinkender, erhebe deinen Hammer
Und schlag Prometheus an an seiner Leiden Berg,
Vollführe Gottes Zorn und tu des Himmels Werk.
Was kümmert dich es, Herr, ob seine Seele heile?
Gott zürnt dem Menschen ja! Vulkanos, eile, eile,
Nur rascher schlage zu, beeile dich, o Gott,
Es muß der Liebende rasch werden jetzt zu Spott,
Er, der die Menschenwelt durch Liebe wollt vergotten,
Die Götter allesamt den Narren jetzt verspotten!
Verspritze er sein Blut und allen Lebenssaft,
Ich hass den Menschen heiß, ich, der Titane Kraft!
VULKAN
Freiwillig tu ich’s nicht, doch hat es Gott geboten!
Als Lebenden es geht doch besser noch den Toten,
Als Toten besser noch, wer nie geboren ward!
KRAFT
Laß ab vom weichen Herz! Mach hart dein Herz, steinhart!
VULKAN
So schlagen wir den Mann jetzt an der Leiden Gipfel!
KRAFT
Hinab den Lendenschurz, der letzten Keuschheit Zipfel!
VULKAN
Soll leiden so der Mann, wie Gott ihn schuf, ganz nackt!
KRAFT
Ja, ja, den ganzen Mann des Leidens Kralle packt!
VULKAN
Soll schlagen ich den Pfahl durch seine nackten Füße?
KRAFT
Für alle Schritte er der Menschenkinder büße!
VULKAN
Soll schlagen ich den Pfahl durch seine zarte Hand?
KRAFT
Schwer lastet Gottes Hand auf diesem Menschenland!
VULKAN
Soll krönen ich sein Haupt mit spitzen Rosendornen?
KRAFT
Die Rose Dornen nur schenkt diesem Auserkornen!
VULKAN
Soll ich durchbohren ihm mit spitzem Pfeil das Herz?
KRAFT
Durchbohren wird sein Herz der tiefste Liebesschmerz!
VULKAN
Und wird er vor der Zeit sein Leben schon verbluten?
KRAFT
Ein langes Leben, ha, schenk Jove diesem Guten!
VULKAN
Soll auf sein Schulterpaar ich legen ihm dies Holz?
KRAFT
Des Daseins schwere Last zerquetsche seinen Stolz!
VULKAN
Soll reißen ich entzwei ihm seine beiden Arme?
KRAFT
Ja, reiße ihn entzwei, ob er auch schreit: Erbarme!
VULKAN
Soll ich ihm speien auch mit Speichel ins Gesicht?
KRAFT
Ihn anzuspucken ist der Menschenkinder Pflicht!
VULKAN
Ohrfeigen soll ich ihn? Zerkratzen ihm die Wange?
KRAFT
Ja, beiße ihn der Zahn voll Gift der kalten Schlange!
VULKAN
Soll schlagen ich aus ihm die Blutestropfen rot?
KRAFT
Ja, quäle ihn zu Tod, doch gönn ihm nicht den Tod!
VULKAN
Und wenn ich all das tu, davon nichts unterlasse?
KRAFT
Ich freu mich wie ein Gott in meinem Todeshasse!
PROMETHEUS
O Pater Uranos! Erbarme dich, erbarm,
Erbarm dich meiner, Gott! Ich bin ein Würmlein arm,
Nicht gleich dem goldnen Haus, von Elfenbein dem Turme,
Es zuckt in mir mein Trieb, der Trieb von einem Wurme!
Der Dieb hat mich geraubt, ich ward des Diebes Raub!
Ach, läge ich schon tot in Mutter Erde Staub!
Ach, nimm von mir, o Gott, den Geist mir und die Seele!
Ach, wäre Mutter Grab mir letzter Zuflucht Höhle!
Gebrochen ist mein Herz, mir brach des Lebens Stab!
Komm, Schwester Made, komm, geliebte Mutter Grab!
Ein Seufzerschatten ich, vom Staub bin ich, vom Staube!
Ich brumme wie ein Bär, ich gurr wie eine Taube!
Der Bärenmutter gleich, der man die Jungen raubt,
Ist Pater Uranos, wie meine Seele glaubt,
Dem Pantherweibchen gleich, mich gierig zu zerfleischen
Ist Pater Uranos! Heil, dreimal Heil dem keuschen
Und unberührten Gott, den ich nicht mehr begreif!
O Gott, mein letztes Kleid mir von dem Leibe streif
Und stell mich so vor dich! Ich heiße nackte Seele
In heißer Liebesgier, so sehr ich mich auch quäle,
Ich schrei zu dir, mein Gott! Trotz aller Feinde Spott,
Ich schrei zu dir, mein Gott! O Gott, o Gott, o Gott!
Ich schmelze in der Glut, der Liebesglut wie Butter!
Erbarme dich, erbarm, o hohe Göttermutter!
In meiner tiefen Not, in meiner letzten Not
Ich halt an deinem Rock mich fest, und kommt der Tod,
Denn schließlich kommt der Tod nach eitlem Erdenwandel,
Ich klammre, Mutter, mich an deinen blauen Mantel!
Erbarme dich, erbarm dich in Barmherzigkeit,
Denn unaussprechlich schwer drückt nieder mich das Leid,
Es blutet mir mein Herz, das Blut in meinen Venen
Strömt blutig aus der Stirn, ich weine heiße Tränen,
In diesem Tränental, in diesem Jammertal,
In diesem Elende, o Mutter, voller Qual,
Kann ich mir wünschen nur im elenden Verderben,
Daß Gott mir schenkt den Tod und lässt mich endlich sterben!
Ich hab am Leben, ach, nicht mehr die Lebenslust,
Nimm, Mutter, mir den Geist! O birg an deiner Brust
Barmherzig mich, gib Trost von deinem Mutterbusen!
Ah, Schwanenjungfraun nahn, die Grazien und Musen.
CHOR DER DORIDEN
Erbarmen, Uranos, erbarm,
Gib Zuflucht, Gott, in deinem Arm!
Des Mitleids Schwestern wir, die Schwäne,
Wir trocknen dir die Trauerträne.
Ja, wir verstehen deinen Schmerz,
Wir schauen tief dir in dein Herz.
Die Qualen alle und die Peinen
Bewegen uns, wir müssen weinen.
Die Träne tropft uns blutig rot,
Wir leiden mit in deiner Not.
Gott schlug dich zwar mit hartem Hammer,
Dein Herz zerfließt in lauter Jammer,
Doch unser Mitleid steht dir bei.
Ach, werde von dem Kummer frei,
Doch wage nicht, den Herrn zu lästern,
Denn fromm sind deine schönen Schwestern,
Voll herzlicher Barmherzigkeit.
Geduldig trage du dein Leid,
Geschlagen an an diesem Felsen,
Selbst harte Herzen würden schmelzen,
Sähn sie dein Leiden, deine Not.
O weine Tränen blutig rot,
Ich will mit meinen langen Locken
Von Tränentau dich reiben trocken.
In tiefer Trauer dein Genuß
Sei meiner Gnade sanfter Kuss!
So schenken dir den Seelenfrieden
Die frommen Schwestern, die Doriden.
Du bist doch weise und du weißt,
Daß unsichtbar bei dir der Geist,
Wie schönste Nymphen ohne Mängel
Sind mit dir Gottes gute Engel.
Wenn du in allertiefster Not
Nur flehen kannst noch um den Tod
Und in der irdischen Gemeinde
Der Freund geworden ist zum Feinde
Und du in namenloser Pein
Auf Erden findest dich allein,
Nimm Zuflucht zu den frommen Toten!
Die Geister kommen dann als Boten
Und schenken dir in Qual und Pein
Uralt-geläutert Feuerwein
Zum Trost dem wilden Todestriebe
Und trösten dich mit Engelsliebe!
Doriden, Schwestern, näher nun,
Du sollst am Schwanenbusen ruhn,
Und solltest du gar Jove lästern,
Fürbittend beten für dich Schwestern,
Der Schwesterliebe Überfluss
Empfange du, der Gnade Kuss!


ZWEITER AKT


DER OZEAN
Nun schütte mir dein Herz in Ruhe aus, Geliebter!
PROMETHEUS
Geliebten nenn mich nicht, sag lieber: Mein Betrübter!
Ach, dass geboren mich der dunkle Mutterschoß,
Der ich nur Jammer seh, nur Seelenschmerzen groß!
Ach wäre ich im Schoß der Mutter doch gestorben
Und wie die Fehlgeburt im Mutterschoß verdorben!
Ach warum nur gebar die Mutter mich der Nacht,
Die all mein Leben mir verhüllt mit finstrer Macht?
Was kam ich aus dem Schoß, der Mutter innern Kammer,
Der ich nichts andres seh als Gram und Grimm und Jammer?
Verflucht sei jener Tag, da ich geboren ward,
Es soll ein Zauberer mit langem weißem Bart
Die Stunde der Geburt und Tag und Jahr verfluchen,
Da ich verlassen hab den dunklen Mutterkuchen
Und eingetreten bin ins grelle Licht der Welt,
Da stand ein böser Stern am finstern Himmelszelt,
Mars stand im Skorpion und grimmig schaute Eros
Und bannte von mir weg den herrlichen Anteros!
Stets einsam war ich, ach, Komet am Himmelszelt,
Ich war im Streite mit dem ganzen Rest der Welt,
Und einsam weinend saß ich in der dunklen Kammer,
War angefüllt mit Gram und Schwermut voller Jammer,
Mit Schwermut, die mich nie, als treue Frau, verlässt,
War mit den Frohen nie gesellig auf dem Fest,
Trank meinen Wein allein, der Tränen bittern Becher,
War nie betrunken froh im Kreis der wilden Zecher,
Trank keinen süßen Wein, ich trank die Bitterkeit
Wie Tränenflut, wie Blut, in tiefster Einsamkeit.
So wurde ich zum Spott der weltverliebten Spötter,
Als hielte ich mich selbst, ein Gott im Kreis der Götter,
Für einen Heros gar! Ein Heros war ich ja,
Bei Pater Uranos und bei Urania,
Der Schönheit Königin, ich mehr als Philosophe,
Ich feierte den Thron des Götterkönigs Jove,
Ich sprach mit Jove: Herr, erbarme dich der Welt!
Und Jove sprach zu mir: Die Welt mir nicht gefällt,
Wie diese Menschen all viel Sünden schlimm verrichten,
Ich werde diese Welt in einer Flut vernichten!
Ich sprach zu Jove für die arme Menschenwelt:
O Jove, König, Herr und Gott im Himmelszelt,
Vernichte nicht die Welt, vernichte nicht die Leute!
Und was tat Jove da? Wie findest du mich heute?
Der über alle Welt ergrimmt, der hat den Grimm
Mir auferlegt allein, drum geht es mir so schlimm,
Jetzt Jove mich allein aus Ingrimm will verderben!
O großer Ozean, Gott, dürfte ich nur sterben!
OZEAN
Man nannte dich doch klug, man nannte dich doch weise,
Der Weisheit Himmelsbrot war täglich deine Speise,
Wo ist die Weisheit jetzt mit ihrem Trost und Rat?
Viel Weise in der Welt, die weise für den Staat,
Die raten, wie die Welt in Frieden lebt gemeinsam,
Unweise sind sie doch, sind sie allein und einsam.
Und andre Weise sind, die wissen keinen Rat
Den lieben Frauen und den Männern in dem Staat,
Für sich alleine nur die innerlichen Weisen
Die Wege wissen, die die guten Geister weisen.
Und mancher Weise auch ist in dem großen Land,
Von aller Welt verkannt, den Menschen unbekannt.
Die Feinde nahn der Stadt und alle Wächter weichen,
Die Torheit findet man bei Mächtigen und Reichen,
Da ist ein armer Mann, der aber weise ist,
Doch ach, die ganze Welt den armen Mann vergisst,
Wenn ihr ihn nur gefragt um gute Weisung hättet,
Vielleicht der arme Mann, er hätte euch gerettet.
PROMETHEUS
Die Weisheit wich von mir und leer sind Hirn und Herz,
Gedanken flohen mich, es herrscht allein der Schmerz!
O Liebesschmerzen, die im Herzen ihr mir glühtet,
Wie habt ihr mit Gewalt in meinem Geist gewütet!
Jetzt kein Gedanke mir kommt von der Weisheit mehr,
Von Todesschmerzen ist mein Hirn gedankenleer!
OZEAN
Du hast getröstet doch mit Tröstungen so viele,
Die Kindermenschen, die verletzten sich im Spiele,
Die armen Einsamen, die Leidenden, die krank,
Die Sterbenden zuletzt, sie waren voller Dank,
Weil du und dein Genie die Sterbenden erlösten,
Es war dein Amt, die Welt im Todeskampf zu trösten.
Jetzt leidest selber du und findest keinen Trost?
PROMETHEUS
O Leidensbecher voll blutroter Tränen, Prost!
OZEAN
Du weißt nichts anderes der abgrundtiefen Schwermut
Als diesen Becher voll von Blut, das Sternbild Wermut?
PROMETHEUS
Den Kindermenschen hab versöhnt ich allen Zank,
Jetzt aber bin ich, ach, jetzt bin ich liebeskrank!
OZEAN
O guter Seelenarzt, jetzt helfe dir doch selber!
Ward Galle dir und Milz nur schwärzer noch und gelber?
Arzt, hilf dir selber doch und tu ein gutes Werk
Auch an dir selber doch! So steig herab vom Berg!
PROMETHEUS
So tröste mich, Musik! Ich hab getröstet alle!
O Himmelsharmonie mit unhörbarem Schalle,
Nun tröste du doch mich, nimm dir ein Vorbild an
Prometheus. Trostlos, ach, und nichts als Schmerzensmann!
OZEAN
Ich will zu Joves Thron, für deine Seele bitten!
Du hast doch nun genug dein Lebensleid gelitten.
Ich bet für dich zu Gott, dass Gott erbarme sich
Und von dem Leid befrei und von den Schmerzen dich.
Die schöne Liebe herrscht im ganzen Weltgebäude,
So freue du dich auch mit grenzenloser Freude,
So bitte ich für dich, dass Gott dir nimmt das Leid,
Daß Gott dir wieder schenkt des Herzens Heiterkeit.
Ist Gott nicht groß und gut, nicht gut und schön in Wahrheit?
Was trauerst du denn noch? Erhebe dich zur Klarheit
Der lichten Heiterkeit. Ich schwöre dir bei Styx,
Ich bitte für dich Gott, den Ursprung allen Glücks.
PROMETHEUS
Ach Vater Ozean, du redest treu und schicklich,
Ich auch, ich wäre gern in meiner Seele glücklich,
Doch darf es ja nicht sein. Des Gottes Herrlichkeit
Erfüllt mit Schrecken mich und füllt mich an mit Leid,
Denn Gott ist schrecklich, der Allmächtige ist schrecklich!
Ja, bete nur Gebet, als wäre es erwecklich,
Gott bleibt doch stumm und schweigt, Gott schweigt und bleibt mir stumm.
Ich zittere vor Gott in dem Mysterium
Der Gottesfinsternis! Der Gottesschönheit Schrecken
Will mich zerreißen fast, ich muß die Arme recken,
Die Arme ausgestreckt, das Herz im Busen schreit,
So schrecklich es auch ist, die Seele will das Leid!
OZEAN
Ach, das versteh ich nicht, ich frage dich bescheiden:
Der Himmelsgötter Glück bedeutet dir nur Leiden?
PROMETHEUS
Ach, frage mich nur nicht, denn, ach, ich bin entsetzt,
Im tiefsten Seelengrund von Gottes Zorn verletzt,
Ein Geist ergreift mich jäh als Windstoß bei den Locken,
Ich schaute Gottes Blitz und, ach, ich war erschrocken,
Des Lichtes Finsternis hat mich zutiefst erschreckt,
Nun dichte dunkle Nacht den Geist im Busen deckt!
Ja, Gott ist schrecklich, Gott, den meine Seele liebt,
Ich liebe meinen Gott, der mich zu Tod betrübt,
Der Gott, der Schönheit ist, die Gottesschönheit furchtbar,
Mein Gottesleiden ist im Menschenbusen fruchtbar!
OZEAN
Du redest irre, Mensch, es hört sich an wie Spott,
Soll ich nicht sprechen für dein Herz beim großen Gott?
PROMETHEUS
Ja, rede nur mit Gott! Doch was wirst du bezwecken?
Gott wird dich kreuzigen, dich mit der Hölle schrecken!
OZEAN
Ergib dich drein, mein Freund, und leide in Geduld,
Du büßest sicher ab die eigne Menschenschuld,
Und büßest du nicht selbst die eignen Sündenschulden,
So büßt du für die Welt. So lerne dich gedulden.
PROMETHEUS
Und doch empör ich mich! Ich schwöre dir bei Styx:
Geschaffen bin ich für die Seligkeit des Glücks!
OZEAN
Die Demut lerne du, gehorsam sei, bescheiden,
Denn über alle Welt ergeht das bittre Leiden.
Wer bist du denn, o Mensch, was blähst du dich voll Stolz?
Will Gott dein Leiden, nun, so leide du! Was solls?
PROMETHEUS
Was predigst du mir so das Leid des Gottesstaates?
Das Leid, ich bin gewiß, das Leid stammt aus dem Hades!
OZEAN
Ja, aus dem Hades stammt das bitterliche Leid,
Doch manchen brachte es bereits zur Herrlichkeit.
Das Leben ist dein Leid? Ein Leiden ist dein Leben?
So unterwirf dich Gott und leide gottergeben!
PROMETHEUS
Ach wär es nur ein Tag und dann die süße Nacht,
Da Schlummer mir und Traum die Seele glücklich macht!
Am Abend, sagt man wohl, am Abend musst du weinen,
Doch lachen wirst du froh, wenn Morgensterne scheinen.
Mit Tränen säst du aus der Tränen reiche Saat,
Als Ernte wird dir Glück. Mir aber ist genaht
Die Hoffnungslosigkeit, da musste ich verzweifeln
Und Nacht und Morgen, ach, ich wünscht zu allen Teufeln,
Und endlos schien mir und unendlich alle Not,
Allein mein Retter scheint zu sein der Heiland Tod!
OZEAN
Doch bist du einer ja vom Menschensöhne-Orden,
So ich beschwöre dich, dich selbst nicht zu ermorden!
Der Selbstmord ist gewiß die allergrößte Schuld,
Nein, gottergeben du, ach, leide in Geduld.
PROMETHEUS
Ach, wär der Selbstmord nur Erlösung von den Leiden,
Doch leider ist er’s nicht, ich sage es bescheiden,
Ich weiß, wer Selbstmord übt, er wird im Acheron
Das Leiden immer neu erleben, Schmerzenssohn,
Und nicht Erlösung kommt mit eines Kusses Gruße,
Bis er den Selbstmord hat gebüßt in weher Buße,
Und so Erlösung ist nicht aus den Lebensleiden,
Bis Gott den Geist uns küsst und ruft uns abzuscheiden.
Ich bete jeden Tag, wie all ihr Geister wisst,
Daß Gottes Gnade mich mit Todeslippen küsst!
OZEAN
Jetzt scheide ich, mein Freund. Ein Dürsten ruft den Zecher,
Ich will in meinem Bett aussaugen meinen Becher!
CHOR DER DORIDEN
Ach weh, ach, fromme Schwestern, weh,
Prometheus naht, in seiner Näh,
Ihr Schwäne aus den Schwanennestern,
Schenkt Tröstung ihm, ihr milden Schwestern!
Zum Mitleid rufe ich die Welt,
Im Leiden ist er ja ein Held.
Ob wir sein Leid auch nicht erlösten,
Doch möchten wir ihn gerne trösten.
O tröste ihn, du große Rom,
O tröste ihn, du Tiber-Strom,
O tröstet ihn im Schmerzensbrande,
Ihr Grazien vom Griechenlande,
O tröstet ihn in Reu und Buß,
Ihr Beter in der alten Rusj,
Mit Märchen tröstet ihn und Mythen,
Mit Haschisch tröstet ihn, ihr Skythen.
Gib, Gottheit, deiner Gnade Kuss,
Den Weinstock gib vom Kaukasus.
Ihr Jungfraun gleich der Madonnina,
Ihn tröstet, Frauen ihr von China.
Ich ruf den ganzen Weltenplan,
Euch, Göttinnen von Hindostan,
In Medien und Susa alle,
O tröstet ihn mit schönen Schalle,
O tröste, Königin von Ur,
Du Muttergöttin der Natur,
Du tröste auch, du Tochter Babel,
Und Jungfrau du, der Erde Nabel,
Jungfräuliche Jerusalem,
O Mädchen du von Bethlehem,
O tröstet, Ahnen in den Krypten,
Und du, o Isis von Ägypten,
Ihr Ahnen all von Afrika,
Seid, Ahnen, ihr noch alle da?
Der Vater Nil mit gelben Fluten
Mir tröste diesen Edel-Guten,
Ihr in Rosette an dem Riff
Und du, vollbusig Tarsis-Schiff,
Und Herakles bei seinen Säulen,
O höret meines Helden Heulen,
Und du, Atlantis-Inselreich,
Mit Küssen komme zärtlich weich,
O tröstet meinen Gottesseher,
Im weißen Eis ihr Hyperboräer,
Ihr alle unterm Himmelsdom,
Und Magna Mater du von Rom,
Prometheus tröstet in den Schmerzen,
Weil Liebe herrscht in seinem Herzen!


DRITTER AKT


DORIS
(Chorführerin der Doriden)
Prometheus, lieber Mensch, wenn ich dein Schicksal seh,
An Atlas denk ich dann und wie er trägt sein Weh.
PROMETHEUS
Nach Tarschisch reise du im Geiste der Gedanken,
Die Säulen schaue du von Herkules, die blanken,
Schau nach Atlantis aus. Wo einst die Insel war,
Schau den Atlantik an, das Meer bei Gibraltar.
Fahr dann nach Afrika und denke an Rosette,
Wo sich der Vater Nil ergießt ins Meeresbette,
Der siebenmündige, der Gelbe Vater Nil.
Karthago schau dir an, wo Fürstin Dido fiel
Von ihrer eignen Hand, das schaute Schwester Anna,
Aus Liebe dieser Tod zu einem schönen Mann, ah.
Zur Wüste gehe dann, die man Sahara nennt,
Wo Helios so heiß wie sieben Sonnen brennt.
Schau die Gebirge dort, schau an die Atlas-Berge.
Die Eseltreiber dort erscheinen dir wie Zwerge.
Den Anti-Atlas-Berg schau in der Wüste an,
Dann denk den Helden dir, titanisch dieser Mann,
Der auf den Schultern trägt des ganzen Weltalls Lasten
Und hebt das All empor. Die Arme stark umfassten
Den großen Atlas-Berg, auf seinem Schulternpaar
Das Universum ruht, da heimlich-offenbar
Weltseele geistig weht, doch all den dichten Stoffen
Ist Schwere eigen. Er nun über alles Hoffen
Auf die Erlösung hofft. Unglücklich ist er doch,
Ja, unglückselig er, es drückt ihn hart das Joch,
Er sehnt verzweifelt sich nach jenen Augenblicken,
Da kommt der Jovis-Sohn, um Atlas zu erquicken.
Der nimmt die Last ihm ab, die auf den Schultern drückt,
Dann Herkules voll Kraft an Atlas’ Stelle rückt,
Und Herkules das All wird auf die Schultern laden
Und tragen diese Welt, der Held von Gottes Gnaden,
Und Atlas wird befreit, der sich zur Erde bückt
Und an der Mutter sich erneuert und erquickt!
DORIS
Doch Herkules muß noch zum Hesperiden-Garten,
Die Hesperiden dort mit Liebesäpfeln warten.
PROMETHEUS
Der Drache vor dem Baum, die Schlange in dem Baum,
Erlaubt es Herkules vor gelbem Neide kaum,
Zu pflücken sich die Frucht vom Baum der Hesperiden,
Doch findet Herkules allein im Garten Frieden,
Wenn er die Äpfel pflückt der Hesperiden schön.
DORIS
Ich höre seufzen dich sehnsüchtiges Gestöhn.
PROMETHEUS
Ach, ließe mich auch Gott in diesen Seelenfrieden,
Dürft in den Garten ich der schönen Hesperiden!
DORIS
Du brachtest allen Trost, Ur-Becher voller Trost,
Und findest selbst nicht Trost? Trink blutigroten Most!
PROMETHEUS
Was habe ich gebracht den lieben Menschenkindern?
Ich brachte ein Geschenk und machte sie zu Findern,
Der Weisheit Gaben ich den Menschen brachte, denk
Dir, Doris, Schwanin, wie ich brachte das Geschenk
Der Zimmermännerkunst, das wissen weise Kenner,
Urweisheit ist Geschick der guten Zimmermänner.
Ich zeigte ihnen, wie man Tempel baut perfekt,
Die Weisheit ist ja selbst des Kosmos Architekt.
Ich malte ihnen vor in heiligen Exempeln
Die Gottesschönheit, die da wohnt in schönen Tempeln.
Ich lehrte sie die Kunst, wie Kinder man erzieht
Mit Zeit und Zärtlichkeit, Zuwendung, und man sieht,
Daß ich als Meister sie gelehrt die Pädagogik,
Da Autorität vereint mit Liebe ist die Logik,
Die innre Logik der Erziehung. Frauen auch
Die Weisheit brachte ich, dass großen Geistes Hauch
Auf frommen Frauen ruht, und ob die Männer führend
Und tätig in dem Werk, die Frauen inspirierend
Des Mannes Seele sind. Ich lehrte auch die Kunst
In jeder Hinsicht, die sublime Liebesbrunst
Das schöne Kunstwerk schafft, da zeigte ich die Richtung
Der Poesie für Gott, der heilig-schönen Dichtung.
Skulpturen zeigte ich, da Schönheit feiert Sieg,
Und Schönheitsmalerei und liebliche Musik,
Wie man das Schicksal ehrt und Gott, den Himmelsvater,
Wie man die Vorsicht ehrt in dem Sakraltheater.
Ich lehrte sie, wie man sich einen Weinberg baut,
Wie man den Weinberg liebt als vielgeliebte Braut,
Wie von dem Weinstock man empfängt das innre Leben,
Wie aus dem Weinstock saugt den Saft der Mund der Reben.
Ihr lehrte Liebe sie im Geiste und im Leib,
Wie sich vereinige der Mann mit seinem Weib,
Wie die Vereinigung soll geistig, seelisch, leiblich
Ein Wesen bilden, das zweieinig, männlich-weiblich,
Und lehrte, wie der Mann massiert der Frau die Brust
Und wie des Weibes Mund dem Mann bereitet Lust
Und wie die liebe Frau zu seligsten Genüssen
Den Mann, den Liebenden, soll sanft und zärtlich küssen.
Ich lehre sie den Kuss und wie man küsst den Hals,
Wo flutet schwarzes Haar wie Flut des Wasserfalls.
Ich lehrte sie den Geist, die Weisheit der Ideen,
Daß sie in der Natur die Schönheit Gottes sehen,
Urschönheit Gottes hab ich ihnen offenbart,
Urschönheit Gottes, Quell der Frauenschönheit zart.
Die ganze Weisheit gab ich Heiligen und Dirnen.
Und will mir darum Gott mit heißer Rage zürnen?
Weil ich den Menschen gab der Weisheit Höchstes Gut,
Drum Jove zürnt mit Grimm, mit väterlicher Wut?
DORIS
Die andern Männer doch, vor Neid sie werden gelber
Und gelber stets vor Neid. Du hilf dir doch auch selber!
Du spendest allen Trost und deiner Weisheit Gunst,
Machst ihnen zum Geschenk die Weisheit und die Kunst.
Denk an dich selber auch, an dich auch selbst zu denken,
Gebiet ich dir, und dir auch selber Gunst zu schenken.
Ein Vater warest du für alle Kinderlein,
Der Witwen Ehemann, der Waisen Väterlein,
Du gabest ihnen Geist und mütterlich das Futter.
Prometheus, lieber Mann, sei selbst dir eine Mutter!
Behaglich schaffe du dir einen Innenraum
Und bette dort dich weich und warm auf Schwanenflaum
Und tröste mütterlich, wenn will dein Herz verzagen,
Dann tröste mütterlich mit heiligem Behagen
Dich selber innerlich und nimm dich in die Hut,
Wie eine Mutter sei du zu dir selber gut!
PROMETHEUS
Selbstliebe lehren stets die kalten Egoisten,
Ich aber sehne mich nach liebevollen Brüsten!
DORIS
Was du nicht in dir hast, gibt dir kein andres Herz,
Wenn du dich selbst nicht liebst, wird Liebe dir zum Schmerz,
Wenn Liebe du allein suchst in den andern Herzen,
Dann wirst du finden nichts als bittre Liebesschmerzen.
Die Schönheit suchst du, suchst die Schönheit in der Welt,
In schönen Frauen suchst du Schönheit, o du Held,
Du Schönheit sucht man nicht mit äußerlichen Sinnen,
Denn in dir ist der Glanz der Schönheit, in dir innen!
Die Werke des Gesichts hast du nun lang geübt,
Jedoch die Innre Frau, sie will auch sein geliebt!
PROMETHEUS
O weise Einsamkeit! Der Weise liebe einsam
Sich selbst, sein eignes Ich? Ich aber will gemeinsam
Mit Menschen leben und im Liebesglück sozial
In der Gemeinsamkeit anschaun mein Ideal.
Es sollen Suchende doch werden auch zu Findern,
Ich suche Liebe, ach, bei lieben Menschenkindern,
Ich suche Liebe, ach, ein Herz in jeder Frau,
Ich suche einen Freund, vertraut der Gottesschau.
Die Schönheit suche ich in Rose und in Lilie,
Die Menschheit suche ich als heilige Familie!
DORIS
Du aber bist allein! So sei zufrieden auch!
In tiefster Einsamkeit küsst dich des Geistes Hauch!
Willst du vereinigen dich denn mit eitlen Spöttern?
In deinem Inneren sind Himmel voll von Göttern!
PROMETHEUS
Des Todes Einsamkeit mich zu den Göttern reißt!
Prophetisch greift am Schopf und küsst mich Gottes Geist!
DORIS
Was in dem Spiegel denn des Himmels darfst du sehen?
Was offenbarte dir der Tanz der Ur-Ideen?
PROMETHEUS
Von Gottes Einsamkeit ward manches Wort gesagt,
Als ob der höchste Herr wie wir so einsam klagt.
Doch über dieser Eins, die absolut ist einsam,
Seh ich geheimnisvoll in Liebe Drei gemeinsam!
DORIS
In Liebe diese Drei, in liebendem Verein?
Gott ist nicht absolut ein einsam Einig-Ein?
PROMETHEUS
Die Moira schaute ich, das Schicksal in der Dreiheit,
Mich riß zur Drei hinan der Gottesgeist der Freiheit.
Die Götter allesamt und selbst der Götter Gott
Stehn unterm Schicksal auch, ich Odem im Schamott,
Das Schicksal schaute ich, vernahm des Schicksals Stimme:
Daß Jove ist ein Gott von großem Zorn und Grimme,
Das nimmt ein Ende einst. So hör des Schicksals Rat,
Es raten dir die Drei: Es wird im Gottesstaat
Ein Neuer Gott geborn, es ist der Unbekannte!
Den Unbekannten mir des Schicksals Dreiheit nannte.
Des Schicksals Ratschlag selbst hat dieses mir bezeugt,
Ein Ur-Mysterium. Mein Mund nun mystisch schweigt.
DORIS
Doch welcher Gott im Schoß wird welchen Weibes zeugen?
PROMETHEUS
Oh Göttermutter, oh! Doch ich muß mystisch schweigen.
DORIS
Sprich von dem Neuen Gott, du bitte bleib nicht stumm,
Sprich, was du schautest, Mensch, von dem Mysterium.
PROMETHEUS
Es wird der Neue Gott, ich sage es bescheiden,
Erlösen mich dereinst von allen meinen Leiden!
DORIS
Die Hoffnung kam zu dir, ah, die geschäftige,
Die holde Trösterin, die zärtlich-kräftige?
PROMETHEUS
Die immerjugendlich den Durst der Lebenstriebe
In Ewigkeit mir stillt mit göttingleicher Liebe!
CHOR DER DORIDEN
Jetzt musst du büßen, Menschensohn,
Dein Leichnam dient in strenger Fron.
Jetzt musst du beten, büßen, fasten,
Jetzt musst du schultern deine Lasten.
Die Schwermut jetzt als Ehefrau
Presst aus dir aus den Tränentau.
Jetzt leidest du noch selbst im Schlummer
An Schwermut, Jammer, Trauer, Kummer.
Jetzt bohrt das Schwert sich durch dein Herz,
Die Seele spaltet dir der Schmerz,
Der Tränen ewiges Gewässer
Geht durch das Herz dir wie ein Messer,
Jetzt opferst du der Tränen Blut,
Jetzt wütet Gott in wilder Wut
Ungnädig in den Eingeweiden
Des Menschensohnes voller Leiden,
Jetzt bohrt sich dir durchs Fleisch der Pfahl,
Jetzt bohrt sich ein des Schwertes Stahl,
Verzweifeln musst du, darfst nicht hoffen,
Vom Wein der Traurigkeit besoffen,
Ach wehe dir, ach wehe, weh,
Ich doch in meinem Geiste seh,
Wie du in Leidenschaft und Jugend
Geliebt ein Weib voll frommer Tugend,
Die reizende Hermione!
Ach wehe dir, ach wehe, weh!
Wie Hochzeitslieder du gesungen
Mit Menschen- und mit Engelszungen
Der reizenden Hermione!
Ach wehe dir, ach wehe, weh!
Wie du in hochzeitlichen Tänzen
Die Liebste liebtest in den Lenzen,
Die reizende Hermione!
Ach wehe dir, ach wehe, weh!
Wie ließ sie ihre Wimpern fächeln,
Entzückend ihr charmantes Lächeln,
O reizende Hermione!
Ach wehe dir, ach wehe, weh!
Wie bebten ihre weißen Brüste,
Ihr Leib wie Liebe voller Lüste,
O reizende Hermione!
Ach wehe dir, ach wehe, weh!
Wie unterm Baume mit den Feigen
Euch plötzlich überfiel das Schweigen,
O reizende Hermione!
Ach wehe dir, ach wehe, weh!
Wie ich dich jetzt am Kreuze sehe,
So einsam, Herr! Ach weh dir, wehe!


VIERTER AKT


ISIS
Ach wehe mir, ach weh, ach wehe mir, ach weh,
Ich irre durch die Welt und keinen Lichtglanz seh,
Kein Stern am Himmel steht, mich tröstend mit Gefunkel,
So schwarz die Wolken sind, so dicht das tiefe Dunkel,
Fast hat mich schon der Schmerz gewaltsam umgebracht,
Die Sinne spüren nichts, der Geist geht in der Nacht,
Verzehrend sehnt sich fort zu meinem Glück die Seele,
Sie weiß nicht, was sie hat, sie weiß nicht, was ihr fehle.
Wie soll ich diesem Leid und dieser Trauer wehren,
Denn ich verzehre mich in brennendem Begehren!
Die Seele ist so leer, das Herz so unerfüllt,
Wo ist die Gotteshuld, die liebend mich erfüllt?
Einst träumte ich des Nachts, ich Jungfrau lag im Bette,
Daß eine Gottheit käm und liebend mich errette.
Ich hatte einen Traum, sah schauend die Vision,
Daß aus der Götter Schar zu mir ein Gottessohn
Gekommen ist, mich nahm zum Bund geheimer Ehe,
Ich Jungfrau ruhte da in eines Gottes Nähe.
In heißer Liebesglut ich eine Seele nackt,
Die Gottheit voll Potenz, voll schöpferischem Akt!
Doch welche Kleine sich vermählt dem Übergroßen,
Die wird in tiefe Nacht, ins Schmerzensreich gestoßen!
Jetzt irre ich umher, der schönen Heimat fern,
In meiner dunklen Nacht am Himmel strahlt kein Stern,
Jetzt nach der Seligkeit von Gottes Liebesküssen
Bin ich im Inneren verwundet und zerrissen,
Ich, die ich selig lag an eines Gottes Herz,
Ich tauchte in das Meer aus Bitterkeit und Schmerz.
Ob meine Küsse auch dem Gottessohn gemundet,
Ich bin jetzt fast schon tot, ich bin zu Tod verwundet,
Und über einen Schlund geh ich auf schmalem Steg
Und durch die Dornen führt mein steiler Tugendweg
Und ob ich einst gehofft, dass mich der Gottherr rette,
Ich mich in Rosen nicht, ich mich in Dornen bette!
Ich Götterlieblingin, ich Gottes Braut und Magd,
Ich wandle voller Angst durch Finsternis verzagt
Und sehne mich hinab in meine Grabeskammer,
Dort wird verstummen erst der armen Seele Jammer!
Bis dahin weine ich viel Tränen blutigrot,
Da mich mein Gott verstieß, ruf ich den Heiland Tod!
PROMETHEUS
O schöne Göttin du, von Schwermut so umnachtet,
Ihr Genien des Lichts nur Dunkelheiten brachtet,
Ich fühle mit dir die Zerrissenheit, dein Weh,
Schmerz öffnet mir den Blick, hellsichtig ich nun seh
Die Zukunftskirche, ah, Gott schüttelt ab die Bösen
Und schöne Liebe wird uns all vom Leid erlösen!
ISIS
Die Zukunftskirche siehst hellsichtig du im Licht,
So gib von der Vision getreulich mir Bericht.
PROMETHEUS
Geh, schöne Göttin du, ins wilde Reich der Skythen,
Dort opfert man im Zelt den Duft von Haschischblüten,
Die Skythen reiten dort, die Rosse sind begehrt,
Die Vielgeliebte man vergleicht mit einem Pferd.
Dann über den Ural und in den fernen Osten
Geh du zum Kaukasus, dort stehe deinen Posten,
Und schau am Kaukasus, am gipfelhohen Kliff,
Nach einem Rettungsboot, nach eines Retters Schiff.
Vom Kaukasus hinab, hinab die Weinterrassen
Gen Westen wende dich und wandere gelassen,
Ja, in Gelassenheit vom hohen Kaukasos
Hinab ans Schwarze Meer und an den Bosporos.
Die Aphrodite von dem Bosporos, die Hehre,
Mit langem schwarzem Haar taucht aus dem Schwarzen Meere.
Europa liegt dir still zur rechten Seite da,
Zur linken Seite liegt die Mutter Asia.
Besuche Asia, die Mutter, die Uralte,
Wo mancher Pilger schon auf Götterspuren wallte,
Und wandere hinab von Mutter Asia
Zur schwarzen Königin im schwarzen Afrika
Und suche dort in Kusch die tiefgeheimen Quellen
Des Gelben Vaters Nil. Woher sind seine Wellen?
Und von dem schwarzen Kusch und durch den Wüstensand
Du pilgere hinan, komm in Ägyptenland,
Und wo der Vater Nil sich eint dem Meeresbette,
Der siebenzüngige, dir schaue an Rosette
Und komm nach Syrien und in der Hirten Land,
Dort ehrt man einen Gott, dem Götter unbekannt.
ISIS
O, dieser Götter Gott, wird er mich nicht verschmähen?
Mich nicht als ein Idol und Götzenbild ansehen?
Als Heidin, Abgott und der Götter heilge Magd?
Ich fürcht mich vor dem Gott! Ich frage dich verzagt!
PROMETHEUS
Ach, all der Götter Schar, die Götter mir verzeihen,
Dich wird ein Göttersohn zur Auserwählten freien,
Der Göttersohn herab kommt von dem Götterthron
Und, Göttin Isis, zeugt in dir den schönsten Sohn!
ISIS
Wenn ich empfange einst von eines Gottes Samen,
So nenne mir den Sohn und sag des Sohnes Namen!
PROMETHEUS
Epaphroditus wird der Göttin Sohn genannt,
In Tyrus lebt er und in Sidon, in dem Land
Am Berge Libanon. Er wird ein Priester werden
Geheimen Ordens und mit klagenden Gebärden
Adon bejammern, der im Herbst gestorben war,
Doch auferstand im Lenz als Rose offenbar.
Epaphroditus wird von Tyrus mit dem Schiffe
Nach Zypern reisen und vorbei dem Römer-Riffe
Bei Paphos landen an und wird in Marion
Und in Kouklia dann beweinen den Adon.
Doch Aphrodite wird Epaphroditus lieben
Und trösten wird sie ihn im Trauern und Betrüben
Und küssen wird sie ihn mit zärtlich-keuschem Kuss
Und jauchzen wird er oft in trunkenem Genuss
Und trinkt den Wein allein und nicht im Kreis der Zecher
Und opfert Paphia die vielen vollen Becher.
Romantisch leben sie am Strand von Salamis
Und schaun nach Susa aus, doch ohne Bitternis,
Beim Oleanderbusch und trauernden Zypressen
Zusammen trinken sie der Traurigkeit Vergessen.
Romanzen träumt man so, wie schön die Götterfrau
Den Sohn der Göttin liebt! Der heitre Himmel blau
Und auf dem Mittelmeer ein schwanenweißes Schäumen,
Läßt sie Glückseligkeit empfinden wie in Träumen.
Doch später, wie ich seh, wird Göttin Paphia
Dem Liebling einen Sohn aus Liebe schenken, da
Beginnt die Dynastie. Die heiligen Dynasten
Von Aphrodites Schoß viel büßen, beten, fasten.
Und von Geschlechtern zu Geschlechtern folgen sich
Dynasten, welche fromm und mystisch, innerlich,
Ein priesterlich Geschlecht, die fromm wie Eremiten,
Und alle Frauen sind wie Nonnen-Aphroditen,
Sie leben heilig, keusch, in Tugend und in Zucht
Und keiner je begehrt von der verbotnen Frucht.
Sie leben alle keusch, jungfräulich, in der Ehe,
Sie leben schwesterlich als wie in Gottes Nähe,
Von diesem glücklichen und heiligen Geschlecht
Kommt nach des Schicksals Rat und höchsten Gottes Recht
Ein Mädchen dann hervor von eben vierzehn Jahren,
Ein Schönheitswunder sie mit langen schwarzen Haaren
Und grünen Augen in der schönsten Mandelform
Und ihre Heiligkeit ist herrlich und enorm.
Und dieses Mädchen in der keuschen Mädchenblüte
Die Erbin ist allein der Göttin Aphrodite.
ISIS
Erzähl mir mehr, o Freund, von dieser jungen Frau!
Wie siehst du im Gesicht das Mädchen deiner Schau?
PROMETHEUS
So vierzehn Jahre zählt die Frau, so sechzehn Jahre,
Ich sehe lang und glatt die schwarzen Seidenhaare,
Ich seh die Augen grün in schöner Mandelform,
Das Antlitz ist oval, harmonisch nach der Norm
Der Schönheitsharmonie, die Haut des Antlitz bräunlich,
Wie von der Sonnenglut gefärbet augenscheinlich,
Ich sehe ihren Mund, seh ihren Lächelmund,
Die Zähne perlenweiß, die Reihen ganz gesund,
Wie kusslich mir und süß erscheinen ihre Lippen,
Der rosenrote Mund, an rotem Wein zu nippen,
Und unter ihrem Haar, der Flut des Wasserfalls,
Ein Turm von Elfenbein, ein langer Schwanenhals,
Ich sehe ihren Leib von Anmut und von Reizen,
Die Finger ihrer Hand sich falten und sich spreizen,
Ich sehe diese Maid in schönster Lenznatur,
In ihren Fingern zart die weiße Perlenschnur.
Da sehe ich den Geist der Götter, ja, ich glaube,
Der Götter guter Geist kam wie die Liebestaube
Und zeugte einen Sohn. Die Taube hat geruckt,
Das schöne Mädchen hat mit offnem Aug geguckt,
Die Liebestaube kam mit Schnäbeln und mit Picken,
Das schöne Mädchen tat voll Huld und Gnade nicken,
Und so das schöne Kind, die Mädchenfrau gebar
Den Unbekannten, der der Neue Gottherr war!
ISIS
Du Seher des Gesichts, verschlossner Augen offen,
Ist dieser Neue Gott dein hoffnungsloses Hoffen?
PROMETHEUS
Sein Name ist der Schmerz! Daß er mein Leiden tröst
Und mich zum guten Schluß von allem Leid erlöst!
ISIS
Wie wird der Neue Gott den Schmerzensmann denn trösten?
Wie ist die Seligkeit denn der von ihm Erlösten?
Schaun sie erlöst auch aus, erlöst von allem Weh?
Ob ich Erlöste je auf schwarzer Erde seh?
PROMETHEUS
Auf Erden Schmerz, Schmerz, Schmerz! Doch dann in Paradiesen
Die Nymphen tanzen wie Ideen in Elysen!
ISIS
Und meine Tochter, sprich, die junge Mädchenfrau,
Was wird aus ihr dereinst nach deiner Geistesschau?
PROMETHEUS
Ach, in Elysium die Frau wird sich entschleiern
Und ich, der Schmerzensmann, mit ihr die Hochzeit feiern!
CHOR DER DORIDEN
Wie schön ist eine Ehe doch,
Da geht der Mann im sanften Joch
Der wundervollen Frauenliebe,
Ergänzung finden da die Triebe
Und in den Seelen keusch und rein
Ereignet schön sich der Verein
Und starke Männer, schöne Weiber
Vereinen zärtlich ihre Leiber
Und wie die beiden liebend sind,
Sie werden fruchtbar in dem Kind.
Ob Indianer oder Inder,
Die Frauen schenken uns die Kinder.
Und die Familie liebevoll,
Bei allen Musen und Apoll,
In Scherz und Ernst und Leid und Lachen
Das Lebensspiel gemeinsam machen
Und heiter wie das kleine Kind
Der Vater und die Mutter sind
Und tanzen wie im Lenz die Falter
Und lieben sich auch noch im Alter
Und wenn dann kommt der bittre Tod
In ihres Lebens Abendrot
In Götterdämmrungen, purpurnen,
Die Aschen ruhen in den Urnen,
Wie sich das Paar die Liebe gab,
Vereinigt noch in Mutter Grab.
Doch wehe, wehe, wehe, wehe,
Wenn einer wählt die Gottes-Ehe!
Dahin ist der Erotik Reiz,
Wie Sklaven hängt er an dem Kreuz!
Gott will ihn schon auf Erden richten
Und fordert radikal Verzichten
Und Opfer fordert ohne Spott
Und schmerzliche Entsagung Gott!
Dann dulden muß man Frevler, Spötter,
Die preisen ihre goldnen Götter,
Dann tausend Tode stirbt man, bis
In allertiefster Finsternis
Sich deine gottverlassne Seele
Dem gottverlassnen Gott vermähle!
Dann erst nach dem Martyrium –
Heil, Heil! – folgt das Elysium!


FÜNFTER AKT


PSYCHOPOMPUS
(Der Götterbote und Seelenführer der Toten)
Prometheus, alter Narr! Wer ist denn jenes Mädchen,
Das Gott gebären wird? Das Schicksal spinnt die Fädchen
Seit aller Ewigkeit. Von Jove ward geschickt
Ich heute her zu dir. Gott hat dich angeblickt
Und will jetzt wissen: Wer wird jenen Gott gebären,
Den deine Geistvision schon heute tut verehren,
Der dich vom Leid erlöst, der dich erlösen soll,
Ob Jove dir auch zürnt, der Vater-Rage voll?
PROMETHEUS
Ich kenn die Eifersucht der Götter und Göttinnen,
Drum schweige mystisch ich. Ich muß mich doch besinnen.
PSYCHOPOMPUS
Beschreibe mir das Weib noch einmal ganz genau,
Das Wundermädchen, das halb Kind, halb junge Frau.
PROMETHEUS
Die schwarze Katze der Mondgöttin Isis schleicht
Nicht so charmant und sanft, wie dieses Kind entweicht,
Naht ihr ein alter Mann. Ein alter Mann ist dumm
Und wird vor dieser Frau, vor diesem Kinde stumm.
Es ist ein alter Mann dem hübschen Kind abscheulich,
Denn sie ist keusch und rein und immerdar jungfräulich.
PSYCHOPOMPUS
Wie aber sieht sie aus? Das sollst du mir benennen,
Denn Jove will sie dann zur rechten Zeit erkennen.
PROMETHEUS
Sie ist gazellenschlank, anmutig wie ein Reh,
Sie ist so leis und sanft wie frischgefallner Schnee,
Die Stimme flötet süß wie Nachtigallenlieder,
Wie Stäbe Elfenbeins die schlanken Fingerglieder,
Die Brüste fest und klein, der Bauch ist fest und schlank,
Die Augen voll von Licht wie grüne Meere blank,
Geschnitten groß und rund in schönsten Mandelformen,
Sie schaun wie Orient dich groß an, die enormen,
Du siehst das Angesicht der Schönsten aller Fraun,
Es ist des Mädchens Haut von heißer Sonne braun.
PSYCHOPOMPUS
Viel schöne Frauen sind im Tränental der Erde.
Wie ich die Eine in der Schar erkennen werde?
PROMETHEUS
Es gehn die Frauen all auf einem breiten Weg,
Da ist ein Schnattern wie von lauten Gänsen reg,
Betrachtest du die Welt im femininen Scheine,
Dann plötzlich blitzt dir auf: Die Schönste ist die Eine,
Die Frau der Frauen sie, in dem Ideensaal
Der Nymphen der Ideen ist Sie das Ideal!
PSYCHOPOMPUS
Und dieser Frau der Fraun und diesem Himmelsschwane
Bist du verfallen schon im liebevollsten Wahne?
PROMETHEUS
Ja, Wahn ist alles, Wahn! Ich bin ein Idiot!
Komm, küsse mich, o Tod! Du küsst so zärtlich, Tod!
Was will ich von der Welt noch als von Gaben wissen?
Der Frauen-Genius kommt tödlich mich zu küssen!
Wie gut der Tod doch küsst! Was für ein süßer Kuss!
Wie gut doch küssen kann der Frauen-Genius!
PSYCHOPOMPUS
Was Tod? Was Genius der Frauen? O du Tor,
Der liebend den Verstand im Liebeswahn verlor !
PROMETHEUS
Ganz aufgeweicht das Hirn mir aus der Nase schnäuze
Und heule jämmerlich vor tödlich-schönem Reize!
PSYCHOPOMPUS
Doriden, hütet euch vor dieses Manns Manie,
Dem Jove zwar Genie, doch nicht Vernunft verlieh!
Ihr Schwanennymphen, ihr liebreizende Doriden,
Der arme Tor verlor den innern Seelenfrieden,
O hütet euch vor ihm und seinem irren Wahn,
Sein Wahnsinn steckt euch noch mit irren Küssen an!
PROMETHEUS
Doriden-Königin, lass küssen dich, o Doris,
Du Lebensquelle mein, o Mater Creatoris!
PSYCHOPOMPUS
O Doris, hüte dich ! Die Leiden der Manie
Verfluchen sonst auch dich in böser Sympathie,
Denn diesem bösen Mann die Götter alle fluchen
Und Flüche sind auf ihm schon seit dem Mutterkuchen!
DORIS
Doriden, kommt mit mir, ist jede wie ein Schwan,
Er hauche euch nicht an, der Schmerzenssohn im Wahn!
DORIDEN
O Mutter Doris du, du Königin voll Frieden,
Wir schwimmen fort mit dir, jungfräuliche Doriden.
PSYCHOPOMPUS
Ha, jetzt bist du allein! Du Irrer, du bist krank!
Gott schickte Wahnsinn dir! Sag Jove schönen Dank!
PROMETHEUS
Ja, Dank dir, großer Gott, für alle Todesqualen!
So kann ich meine Schuld mit Schmerzen dir bezahlen!
Du liebst es ja, o Gott, wenn einer tödlich stöhnt
Und sich in Todesqual mit deinem Zorn versöhnt!
PSYCHOPOMPUS
Den Geier rufe ich, ich ruf den Lämmergeier!
Hier, wo das Aas ist, kommt der Tod zur Leichenfeier!

(Ein Geier kommt herangeschwebt und bohrt den Schnabel dem Prometheus in die Leber, ihn langsam zerfleischend.)

Für tausend Jahre sollst du leiden, Schmerzensmann,
Für tausend Jahre sei du in der Leiden Bann!
PROMETHEUS
Hochheilige Mutter mein, Erbarmen, ach, Erbarmen,
Hochheilige Mutter mein, ich sterb in deinen Armen!
Hochheilige Mutter mein, ich ärmster Schmerzensmann,
Hochheilige Mutter mein, in tiefster Qualen Bann,
Hochheilige Mutter mein mit honigsüßem Herzen,
Hochheilige Mutter mein, erbarm dich meiner Schmerzen!
Hochheilige Mutter mein, ich schenk dir meine Qual,
Hochheilige Mutter mein, in diesem Tränental!
Hochheilige Mutter mein, von aller Macht des Bösen,
Hochheilige Mutter mein, wollst gnädig mich erlösen!

(Prometheus stirbt.)