Eine Tragödie
Von Josef Maria Mayer
ERSTER AKT
ERSTE SZENE
APHRODITE
Ich bin die Leidenschaft und Feuerskraft der Liebe,
Die Welt entflamme ich im Innersten der Triebe,
Die heiße Feuersglut der Liebe leuchtet licht
Der Sonne im Gesicht, dem Monde im Gesicht,
Die Liebe reguliert die Bahnen der Planeten,
Die Liebe inspiriert die Lyra der Poeten,
Der Liebe Allgewalt wird feiern den Triumph
Und aller Feinde Speer und Pfeile werden stumpf,
Der Poetaster Volk, die allzu lieblos klimpern,
Die straft der Zornesblitz des Dolches meiner Wimpern,
Ich hetze Frau auf Frau, die Knaben auf den Mann,
Der Hirte schaut mit Lust die schwarze Zicke an,
Es sehnt der Philosoph sich nach den süßen Kindern,
Die Männer voller Kraft es treiben mit den Rindern,
Es schaut ein alter Mann nach jedem kurzen Rock,
Der Zicke hinten springt hinauf der Ziegenbock,
Die Hirsche röhren laut nach Rehen an den Quellen,
Wie brünstig seufzen heiß die hüpfenden Gazellen,
Die Nymphen baden nackt voll heißer Lust im Strom,
Es kopulieren heiß die Teile im Atom,
Das Universum selbst treibt Aphrodites Werke,
Die Schöpfung neigt sich tief vor Aphrodites Stärke!
Jedoch, ich klage laut, was da mein Schauen sieht,
Ich seh im Zölibat den keuschen Hippolit!
Er weigert sich der Lust, der Wollust wilden Wonne,
Will Liebe spielen nicht im Land der heißen Sonne,
Er betet nicht und stöhnt vor einer nackten Brust
Und keuschen Geistes er verschmäht des Weibes Lust,
Der Mann im Zölibat verwehrt sich den Gesetzen
Der Liebesleidenschaft. Ich werde Phädra hetzen,
Wie eine Jägerin die arme Hindin jagt,
Bis sie, die wird verschmäht, nur nach dem Tod noch klagt,
Weil ganz vergeblich ist ihr glühendheißes Werben,
Bis Phädra nichts mehr will als durch sich selbst zu sterben!
Mein Auge dann noch nicht befriedigt nieder sieht,
Befriedigt bin ich erst, wenn tot ist Hippolit,
Wenn ich bezwungen ihn mit meiner Rache Zwange
Und Hippolit ist tot, gemordet von der Schlange!
Er schaue dann – oh bei der Glut in meinem Schoß! –
Ob Artemis dann hilft, die Maid von Ephesos,
Ob sie allmächtig wie die Göttin heißer Lüste,
Ob sie ihn nimmt hinauf an ihre neunzehn Brüste?
Ah, meiner Wollust ist der Zölibat abscheulich,
Er, der für Artemis lebt heilig, keusch, jungfräulich!
ZWEITE SZENE
HIPPOLIT
O Magna Mater, o du Gottheit voll der Macht,
Dein Bild von schwarzem Stein ist wie die dunkle Nacht!
Was hilft mir anders denn in meiner Seele Dunkel
Als deine Augen, Mond, du himmlisches Gefunkel,
Dein Licht in dunkler Nacht, du Mutter schwarzer Nacht?
Fast hat die Dunkelheit mein Ich schon umgebracht,
Fast schnitt den Faden ab schon Athropos, die Parze,
Da ruf ich flehend an die Magna Mater: Schwarze,
Du Nacht von meiner Nacht, ich selbst mir unbewusst
Die neunzehn Brüste küss ich, Göttin, deiner Brust!
CHOR DER JUNGFRAUEN
Ihr Männer betet an die Göttin thronend oben,
Hochthronend seht ihr sie, um sklavisch sie zu loben!
Wir Mädchen aber sind der schönen Jungfrau freund,
Weil Schwestergöttin sie den lieben Schwestern scheint.
Der Fuchs schlüpft in das Loch, es rucket in den Nestern,
Die Jungfrau lächelt sanft als Schwester zu den Schwestern,
Sie geht den Weg voran, sie weist den schmalen Pfad.
HIPPOLIT
Ich aber weihe mich im keuschen Zölibat
Der Himmelskönigin, der hohen Jungfraungöttin,
Die Allerkeuscheste ist meine Seelengattin!
CHOR DER JUNGFRAUEN
Wir Jungfraun auch sind schön, und Herzen in der Brust
Sind voll der Heiligkeit und stiller Himmelslust,
Und noch sind Mädchen wir, doch einst sind wir die Alten,
Dann sind wir Gottes Braut mit Runzeln und mit Falten.
HIPPOLIT
Und wenn mich eine von den Frauen reizen könnt,
Mein Geist im Herzen doch mit der Vernunft erkennt,
Ich könnte lieben sie, wenn sie mit neunzig Jahren
Mit silbergrauem Haar erneut mit schwarzen Haaren
Als Jungfrau stünd vor mir, sie, die geboren schon,
Natürlich schon gebar dem Gatten Sohn um Sohn,
Wenn wieder Jungfrau sie mit unverletztem Hymen,
Dann wollte ich sie als mein Ideal wohl rühmen.
CHOR DER JUNGFRAUEN
Du liebst die Ewige Jungfräulichkeit allein?
HIPPOLIT
Die Jungfrau Artemis von Ephesos ist mein!
DRITTE SZENE
ALTER DIENER
Ein alter Diener ich, nichts als ein alter Diener!
Die Jugend voller Mut ist fröhlicher und kühner,
Doch töricht ist sie auch, die wilde Jugendzeit.
Geläutert bin ich, ach, von langen Lebens Leid
Und hoffe auf Vertraun, wenn ich zu einem Spruche
Das Herz dir öffne weit und meiner Weisheit Buche.
HIPPOLIT
Ein Jüngling bin ich noch, die Göttin-Jungfrau jung
Hab ich im Geist gesehn in der Begeisterung,
Das Göttin-Mädchen schön, ganz ohne Fleck und Falte,
Doch hör ich gerne zu, wenn predigt mir der Alte.
ALTER DIENER
Ich höre, dass du willst bezähmen streng das Fleisch
Mit Fasten und Gebet, durch Opfer werden keusch,
Doch bist du allzu streng, von solchem hartem Holze
Geschnitzt wird nur ein Mann, der mächtig ist im Stolze.
Vergiss nicht in der Welt der Götter Überfluss
Und labe dich am Wein und speise mit Genuss,
Die Liebe ehre du im himmlischen Gebiete,
Verschmäh die Göttin nicht, die schönste Aphrodite!
HIPPOLIT
Wer Aphrodite sich ergab und wer sein Herz
Der Liebe weihte, der zugrunde ging im Schmerz,
So alt der Reim auch ist: Aus Aphrodites Herzen,
Wie Rosen dornenreich, nur fließen Todesschmerzen!
ALTER DIENER
Was ist die Keuschheit denn und die Jungfräulichkeit,
Wenn sie nicht Liebe ist für alle Ewigkeit?
Will Jungfrau Artemis von Ephesos den Keuschen
Im Feuer braten gar und wie ein Hund zerfleischen?
Will sie nicht lieben auch, die Jungfraungöttin schön,
Freut sich die Jungfrau nicht am seufzenden Gestöhn?
Was ist das Fasten denn, was sind denn die Gebete,
Wenn sie der Jungfrau nicht erzeugen Wangenröte?
HIPPOLIT
Ach, was ihr Liebe nennt, ist nichts als geile Lust!
Ein leichtes Mädchen zeigt euch ihre nackte Brust,
So nennt ihr göttlich gar den nackten Mädchenbusen
Und preist die nackte Brust mit Hilfe aller Musen
Und ist doch Wollust nur und sexueller Trieb!
Die Jungfraungöttin ist im reinen Geiste lieb
Und will nichts wissen von der Tierheit in dem Fleische.
Allein der reine Geist verehrt die Heilig-Keusche.
ALTER DIENER
Doch trau dem alten Greis wie einem Pontifex:
In Wahrheit heilig ist der gottgeschenkte Sex!
In Wahrheit heilig ist der gottgeschenkte Sex!
So sehr du dich bemühst, du wirst nicht los den Sexus!
Der Falter flattert stets im süßen Solarplexus!
HIPPOLIT
Ach, Sexualität, ach, Aphrodite nackt!
Der reine Geist allein ist ewiglicher Fakt!
VIERTE SZENE
DER CHOR
Der König Theseus es nicht sieht,
Sein süßer Sprössling Hippolit
Von Theseus’ Gattin wird voll Kraft
Begehrt mit aller Leidenschaft!
Ach Phädra, Phädra! Armes Weib!
Wie plagst du dich in deinem Leib!
Wie ward die Liebe dir zur Qual!
Durchbohrt dein Herz von Schwertes Stahl!
Ach, des Geliebten Wangenrot
Ist schrecklich! Süßer ist der Tod!
Wenn seiner Augen keuscher Zorn
Und Wimperndolche wie ein Dorn
Durchbohren dich im tiefsten Fleisch,
Dann schreist du: Wär er nur nicht keusch!
Kein Atem mehr in deiner Brust,
In deiner Seele keine Lust,
Zerfressen ward dein Busen dir
Von deiner brennenden Begier!
Die Aphrodite wütet so
Und Knabe Eros, A und O,
Daß du verloren den Verstand
Und betest an den bunten Tand,
Den du gestohlen Hippolit,
Weil deine Seele gläubig sieht
In Hippolith, trotz allem Spott,
In Hippolit den Schönen Gott!
Er ist ja mehr als süßer Reiz,
Dein Theos ist er und dein Zeus!
Er ist das Alles, das du willst,
Ob Blut du aus der Seele quillst,
Ob Seufzer fliehn von deinem Mund,
Ob deine arme Seele wund,
Ob Schlangen glühn in deinem Blut,
Ob wild du in des Wahnsinns Wut,
Ob schrecklich dir die Furien nahn,
Ob Thanatos dir schenkt den Wahn,
Du die Vernunft wirfst über Bord,
Du planst der eignen Seele Mord,
Ob Hippolit den Tod dir schickt!
Daß er nur Einmal Gnade nickt
Und küsst den schwesterlichen Mund,
Die Seele würde dir gesund!
ZWEITER AKT
ERSTE SZENE
PHÄDRA
Unglaublich, Amme mein, und einfach unaussprechlich!
Wie ist die Kreatur fragil doch und zerbrechlich!
Von Schwermut bin ich voll und an der Seele krank,
Von schwarzen Blumen mich umrankendes Gerank,
Ein Trauerflor um mich, wie Muschelseiden-Byssus,
Ein Abgrund unter mir, ein finsterer Abyssus!
AMME
Die Welt geht leicht dahin in ihrem Alltagstrott,
Doch du bist in der Nacht! Und rettet dich kein Gott?
PHÄDRA
Ich habe laut geschrien zu allen Himmelsgöttern,
Zu unbekannten auch! Doch jetzt glaub ich den Spöttern,
Es ist kein Gott, der hilft, der rettet in der Not!
Ich kenne Einen Gott allein, das ist der Tod,
Der gute Heiland Tod, der rettet aus der Trauer!
Nein, zwischen Gott und mir ist eine hohe Mauer,
Ob auch der höchste Gott ein reines Dasein sei,
Kein Gott erhörte je den abgrundtiefen Schrei!
AMME
Mein Kind, der Sonnenschein folgt immer auf den Regen
Und nach den Qualen kommt erneut ein froher Segen.
PHÄDRA
Ach, keiner das versteht, die Hoffnungslosigkeit
Und der Verzweiflung Nacht! Wie unaussprechlich ist das Leid!
Im schreienden Gebet ich finde keine Worte,
Ich poche nur noch an des Bruders Todes Pforte
Und bitte nur allein in bodenloser Not:
O Himmelsgötter, gebt mir Elenden den Tod!
O Himmelsgötter, gebt mir Elenden den Tod!
AMME
Die Todespforte steht uns allen einmal offen,
Doch du verzage nicht, wir sollen alle hoffen.
PHÄDRA
So krank war nie ein Mensch, ich leide solche Pein,
Als wär in Hades Reich ich ewiglich allein!
Ich sehe in dem Geist die bösesten Dämonen
In allen Menschen und in allen Völkern thronen
Und ich alleine steh dagegen in dem Kampf
Und schwitze Blut und Schweiß in heißer Tränen Dampf
Und unterliege doch in jämmerlicher Schwäche,
Verzweiflung, Ohnmacht! Ach, ihr Himmlischen, ich breche!
AMME
Ich bring ein Opfer dar zu deinem Seelenheil,
Auch dir wird Liebe noch von Himmlischen zuteil.
ZWEITE SZENE
CHORFÜHRERIN
Was hat denn Phädra nur und woran krankt die Herrin?
AMME
Ach, ist sie denn verrückt wie eine arme Närrin?
Soll ich die Ärztezunft ihr rufen an das Bett?
CHORFÜHRERIN
Wenn sie bei andern ist, dann ist sie lieb und nett,
Doch ist allein sie dann, sie scheint wie die Verrückten,
Die Doppelt-Elenden, im Übermaß Verzückten!
AMME
Hippokrates erklär mir das, ich weiß nicht mehr,
Asklepios, der Gott, er helfe als ein Herr.
Mal schreit sie schrecklich auf, vor Totengeistern panisch,
Dann lacht sie voller Lust, der Wahnsinn ist ja manisch.
CHORFÜHRERIN
Prophetin ist vielleicht und Seherin die Frau,
Zutiefst erschrocken von der Schreckensgötter Schau?
AMME
Vielleicht ist Künstlerin die launenhafte Dame
Und trägt in sich ein Werk, es drängt des Wortes Same?
CHORFÜHRERIN
Doch ich versteh sie nicht, die ganze Welt hat Spaß
Und alle Jugend ist so voll Serenitas,
Sie schweben alle auf, hinan die Himmelsleiter,
Die Götter Griechenlands sind lustvoll doch und heiter!
AMME
Ob sie vielleicht der Macht der Dämonie erlag,
Sich wandte an die Nacht, abwandte sich dem Tag,
Ob sie in der Magie bewandert, Riesenechsen
Lädt in ihr altes Haus wie alte Zauberhexen?
CHORFÜHRERIN
Ergründe nur den Grund von solcher Krankheit Qual,
Dann folgt die Therapie auch in der Ärzte Saal.
AMME
Doch ich verstehe nicht den Abgrund solcher Schrecken,
Und frage ich danach, so möchte sie mich necken
Und sagt nichts andres als: Ulyß ins Totenreich
Stieg auch dereinst hinab, Odysseus bin ich gleich
Und steige auch hinab zur Unterwelt der Schatten,
Daß Kore ich verehr, dem Hades mich zu gatten!
CHORFÜHRERIN
Bringt sie sich selber um? O steh der Armen bei,
Daß sie nicht selber sich macht von den Schmerzen frei!
AMME
Der Selbstmord bringt ja nur in ewigliche Schulden!
Ich sage Phädra nur: Hier gilt nur dulden, dulden!
DRITTE SZENE
PHÄDRA
Geliebte Amme mein, dein süßes Mutterherz
Heilt alle meine Qual und allen Seelenschmerz,
Ob auch die Schmerzen noch die Schwerter feindlich schärfen
Und wie in Fiebersglut entbrannt sind meine Nerven
Und Schrecken in der Nacht durch meine Seele fährt,
Ein Feuer ist in mir, das gänzlich mich verzehrt!
AMME
Sei ausgeglichner nur und sondre dich nicht ab,
Die Einsamkeit zuletzt erwartet dich im Grab,
Sei menschenfreundlich zu den Kleinsten und den Größten
Und manches sanfte Herz wird deine Seele trösten.
PHÄDRA
Doch kaum ertrag ich noch die Menschen dieser Welt,
Die Welt scheint mir ein Wolf, der in die Lämmer fällt.
Was kann ein Lamm allein, wer kann dem Armen helfen,
Verblutet ihm das Herz, zerfleischt von hundert Wölfen?
AMME
Du Lamm bist nicht allein, auch andre Lämmer sieht
Mein mütterliches Aug. Denk nur an Hippolit!
PHÄDRA
Der Name ist so süß, des Gotteswortes Same
Gesät in meinen Schoß der Seele ist der Name,
Der Name ist voll Macht, erweckt den Lebenstrieb,
Der Name ist so sanft, so gütig und so lieb,
Der Name mitleidvoll erbarmt sich aller Armen,
Der Name ist so gut, voll herzlichem Erbarmen,
Der Name ist voll Pracht und macht mir Lebensmut,
Der Name ist so schön, so mild, so süß, so gut,
Der Name rettet mich, wenn ich verzweifelt stöhne,
Der Name ist so schön, von göttergleicher Schöne,
Der Name ist so tief, so hoch, so lang, so breit,
Der Name ewig ist in alle Ewigkeit,
Der Name ist mein Geist, die Seele meiner Seele,
Daß ich dem Namen mich in Ewigkeit vermähle
Und selbst den Namen trag voll Liebe je und je!
AMME
Du redest trunken, Kind, als lallst du Evoe!
PHÄDRA
Die Musen über mich mit Feuerzungen kamen!
AMME
Doch welchen Namen meinst du mit dem schönen Namen?
PHÄDRA
Mein Seelchen immer seufzt: Ach süßer Hippolit!
Ach Hippolith, mein Herz! Mein Herz, ach Hippolit!
AMME
Jetzt ist mir alles klar, als ob ein Gott es schriebe:
Die Krankheit, die du trägst, die Krankheit ist die Liebe!
Die Krankheit, die du trägst, die Krankheit ist die Liebe!
VIERTE SZENE
CHOR
Ja, Aphrodite lebt! Ja, Aphrodite lebt!
In Aphrodite lebt die ganze Welt und bebt!
Doch Aphrodite ist nicht nur die Menschengöttin,
Nicht Ares’ Bettgenoss, nicht Vulkans Ehegattin,
Nein, Aphrodite ist die allerhöchste Macht,
Macht über alle Macht, die sie hervorgebracht
Das ganze große All mit schöpferischem Triebe
Allein aus Überfluß des Herzens ihrer Liebe!
PHÄDRA
Ach, Liebe ist nur Schmerz! Die Liebe, Rose rot,
Die Liebe ist vereint dem bitterlichsten Tod.
Die Liebe weiß allein nur Leiden zu vererben,
Willst du vor Liebe fliehn, so eile du zu sterben!
Der Tod allein erlöst aus ihrem Schlangenarm!
Ich schrei in Höllenglut: O Heiland Tod, erbarm!
Ich schrei in Höllenglut: O Heiland Tod, erbarm!
Die Liebe sehe ich mit feuerroten Wangen,
Die Liebe sehe ich mit schwarzen Lockenschlangen,
Die Liebe sehe ich mit einem Leib wie Schnee,
Die Liebe fühle ich, und alles tut mir weh,
Und tief in Geist und Fleisch, in Seele und im Herzen
Ist alles nichts als Qual und untragbare Schmerzen,
Besessen bin ich von der Liebe! Will ich fort,
Bleibt zur Befreiung nur des eignen Lebens Mord!
AMME
Der Aphrodite in demütigster Ergebung
Ergib dich, liebes Kind, dann schenkt sie dir Belebung,
Was Aphrodite ja am allermeisten liebt,
Ist, wenn voll Demut sich ein Menschenherz ergibt
Und gibt der Liebe Raum, das Leben zu gestalten,
Lässt Aphrodite nur im eignen Leben walten.
CHOR
Ergebung ja gebührt der höchsten Allgewalt
Der Liebe! Gottheit in unsichtbarer Gestalt,
O Aphrodite, du allein der Seele Labe,
Wir geben uns dir hin in voller Ganzhingabe!
Du Gottheit, du hast Lust an uns, wenn nach der Nacht
Dein Morgenstern erscheint, du aller Mächte Macht,
Wenn deiner Liebe sich Gewalten all und Mächte
Ergeben sich, dann freut dein Innres die Gerechte,
Die ganz sich gibt dir hin mit Seele und mit Sinn,
Dir, Aphrodite, gibt sich die Gerechte hin,
Du wirst ihr das Begehr mit heißer Liebe stillen
Und sie mit Götterlust im Innersten erfüllen!
FÜNFTE SZENE
AMME
Wie wird dir Hilfe und wie wird dir guter Rat?
PHÄDRA
Nie wird zum runden Kreis das eckige Quadrat,
Nie Weisheit einig ist mit der verliebten Jugend.
AMME
Die Meister helfen doch, die lehren fromme Tugend.
Der Mensch ist wie ein Vieh und hungert nach dem Fleisch,
Ist voller wilder Wut, begierig, doch nicht keusch,
Der Mensch ist ähnlich auch den tödlichen Dämonen,
Ein Mörder ist der Mensch, den Menschen nicht zu schonen,
Der Mensch ist Genius, ist nahezu ein Gott,
Die Schönheit anzuschaun, die Göttin ohne Spott.
Wenn du dies Ziel verfolgst mit deinem innern Herzen,
Zu schaun die Schönheit an, dann weichen deine Schmerzen.
Was macht denn solche Not, was solche Qualen dir?
Es ist der Appetit der fleischlichen Begier!
Weil Fleischeslüste dir dich selbst verzehrend glühten
Und in dir lodert Zorn und leidenschaftlich Wüten!
Doch zähme diese Brunst und zähme diese Brunft
Doch zähme diese Brunst und zähme diese Brunft
Und folge ganz allein der leuchtenden Vernunft
Und ordne die Begier und alles Wüten unter
Der heiligen Vernunft, dann wirst du wieder munter
Und von dir flieht die Qual, der unglücksatte Schmerz,
Denn Götter schauen wird das makellose Herz.
PHÄDRA
Obwohl mein Leiden auch betitelt wird moralisch
Und meine Leidenschaft getauft wird infernalisch,
So hilft mir Weisheit nicht aus dem Ideensaal
Und nicht die Tugenden, nicht Ethik und Moral.
AMME
Unheilbar willst du sein? O hoffnungslose Jugend!
Hilft dir die Weisheit nicht, die Lehre nicht der Tugend,
Hilft dir vielleicht der Arzt mit seiner Medizin?
Frag nur den weisen Arzt, um Hilfe bitte ihn,
Denn was verwirrt dich sonst als schlecht gemischte Säfte?
Doch er kennt der Natur Physik, Selbstheilungskräfte
Der Organisation der Seele und des Leibs,
Er kennt die Mischung der Natura eines Weibs
Und kennt auch das Gehirn und seine Elemente
Und kennt die Galle auch und alle Temperamente,
Die Niere und die Milz, und seine Medizin
Stellt die Gesundheit her, so wende dich an ihn.
PHÄDRA
Unheilbar aber ist der Liebeskrankheit Wunde
Und heil wird erst das Kind in seiner Todesstunde!
Nur Eine Medizin die schwarze Galle heilt:
Wenn Hippolit am Hals - am Busen Phädras weilt!
Wenn Hippolit am Hals - am Busen Phädras weilt!
SECHSTE SZENE
CHOR
Der Erste aller Götter ist
Gott Eros, wie ihr alle wisst.
Gott Eros trieb die Mutter Nacht,
Die Liebe mit dem Wind gemacht
Und hat das Ei der Welt gelegt,
Gott Eros sich im Ur-Ei regt
Und so entfaltet diese Welt
Und innerlich zusammen hält.
Gott Eros ist der Götter Herr,
Die Göttinnen führt einzig Er,
Von Gott und Göttin ist ein Paar,
Weil Eros Ehestifter war.
Und Gott und Menschenseele sind
Vereint durch Eros, dieses Kind.
Gott Eros lebt auch in dem Kraut,
Wenn es verliebt zum Busche schaut.
Gott Eros antreibt jedes Tier,
So hetzt er auf die Kuh den Stier,
Die Zicke treibt er mit dem Stock,
Die Zicke zu dem Ziegenbock,
Dem Rehbock sagt er: Rehbock, geh
Zur Quelle und zum schönen Reh!
Das Mädchen mit der Jungfernhaut,
Gott Eros macht sie bald zur Braut
Und stiftet Hymens Ehebund
Und öffnet ihren Muttermund
Zur segensreichen Fruchtbarkeit.
Gott Eros macht den Mann bereit,
Daß er vereinigt sich der Frau
Und schenkt ihr seinen Samen-Tau.
Gott Eros führt dem Weibe ein
Den Mann und zeugt die Kinderlein.
Gott Eros kleinen Kindern schon
Die Liebe schenkt, dem kleinen Sohn,
Der zärtlichsüßen Tochter auch,
Sie leben schon von seinem Hauch.
Gott Eros in sublimer Brunst
Die Lyrik stiftet und die Kunst,
In Malerei und Marmorblock
Steht Kypris da im kurzen Rock.
Mysteriöstester Magie
Gott Eros in der Philosophie
Den Weisen führt den Weg genau
Zur Gotterkenntnis, Gottesschau!
DRITTER AKT
ERSTE SZENE
PHÄDRA
Die liebe Amme mein, um für mich fürzusprechen
Beim schönen Hippolit, sie wird das Herz mir brechen!
CHORFÜHRERIN
Wie willst du Hippolit gewinnen, wenn du nicht
Ihm offenbarst dein Herz, dein inneres Gesicht?
PHÄDRA
Nun sagte sie ihm gar von meinen Liebesflammen!
Wie zuckte er entsetzt vor der Gewalt zusammen!
CHORFÜHRERIN
Die Liebe hat doch Macht! So musst du ihn für dich
Erobern, wenn du ihm vermachst dein ganzes Ich!
PHÄDRA
Ach, alle Leidenschaft wird nicht sein Herz gewinnen,
Er schaudert ja zurück vor Wollust in den Sinnen.
CHORFÜHRERIN
Die Amme kennt dein Herz, und spricht sie für dich für,
So wird sie, Peitho, ihm erwecken die Begier.
PHÄDRA
Der Liebste ahnt nichts von der Seelenliebe Zierde,
Er hält das alles nur für fleischliche Begierde.
CHORFÜHRERIN
Er ist doch auch ein Mann! Du öffne ihm die Brust,
Entflamme mit der Brust im Herzen ihm die Lust!
PHÄDRA
Ach nein, ich bin verdammt! Aus himmelweiten Fernen
Bin ich verflucht, verdammt, von unheilvollen Sternen!
HIPPOLIT
(Aus dem Inneren des Hauses)Du alte Kupplerin der Dirnen-Buhlerin!
Du denkst, dass ich ein Mann der geilen Unzucht bin?
AMME
Nein, nein, mein lieber Herr! Mit ganzem Lebenstriebe
Gibt Phädra alles hin, dir ihre ganze Liebe!
HIPPOLIT
Sie, meines Vaters Braut, die sie die Ehe bricht,
Wo Ehetreue doch der wahren Liebe Pflicht?
AMME
Der Liebe Macht kennt kein Gesetz! Und Leidenschaften,
Die kann kein armes Weib am eignen Leib verkraften!
HIPPOLIT
Wie tierisch ist die Brunst, die Geilheit in dem Fleisch!
Ich dien der Jungfrau nur, der reinen Göttin keusch!
AMME
Die Jungfraungöttin selbst hat keine süßen Triebe?
Dient sie denn selber nicht der Gottheit schöner Liebe?
HIPPOLIT
Die reinste Liebe wohnt in ihrer hohen Brust!
Doch was ihr Liebe nennt, das ist der Affen Lust!
ZWEITE SZENE
AMME
Bist du ein Weiberfeind? Und liebst du nicht die Liebe?
HIPPOLIT
Ich liebe nicht das Fleisch und nicht die geilen Triebe.
AMME
Hast du nicht Liebe für das Feuer in der Brust?
HIPPOLIT
Wie flüchtig ist der Rausch der eitlen Fleischeslust!
AMME
Und betest du nicht an des Weibes Leibesschöne?
HIPPOLIT
Einst ist der Maden Kot, wonach ich brünstig stöhne.
AMME
Ist dir nicht Götterlust der sexuelle Akt?
HIPPOLIT
Die Göttin selber schenkt der Liebe Katarakt!
AMME
Hab Mitleid mit dem Weib, das dich um Liebe bittet!
HIPPOLIT
Sie liebt sich selber nur in Ich-Sucht ungesittet.
AMME
So ist denn jedes Wort umsonst und alles Flehn?
HIPPOLIT
Ich habe manches Weib auf Erden schon gesehn,
Ich sah die Eitelkeit in ihrem bunten Putze,
Ich sah die Hurerei in ihrem eklen Schmutze,
Ich sah die Lüsternheit in ihrem geilen Fleisch,
Die alles hasste, was gottselig war und keusch,
Ich sah die heiße Gier, die mit des Geiers Schwingen
Sich alle Stoffe nahm von allen toten Dingen,
Ich sah die Ehefrau, die einen guten Mann
Bezaubert hat und dann sprach über ihn den Bann
Und holte ihn herab von seinen Geistesflügen,
Daß er sich sollte an die toten Dinge schmiegen,
Ich sah den Heiligen, wie er verließ den Leib
Und schaute Götter an, bis ihn verführt das Weib
Und er verließ den Geist der weisheitsvollen Griechen,
Um in dem Alltagsstaub als dummer Wurm zu kriechen,
Ich sah den Dichter auch, anbetend eine Frau
Und sie verehren als der Gottesschönheit Schau,
Wie sie ihn dann gelockt hat in das Lotterbette,
Daß sie ihn an den Staub des eitlen Alltags kette,
Ich sah den weisen Mann, der lebte nur dem Geist,
Der die Hetäre selbst als Gottesschönheit preist,
Zur Strafe seiner Lust Gott gab ihm seine Buße
Und er verlor das Glück der weisheitsvollen Muße,
So dass ich ganz geheilt von Erdenwollust bin!
Dein geiles Weib ist mir nichts als Verführerin,
Ich aber lass mich nicht von Fleischeslust verführen,
Ich will die Göttin selbst zu meiner Gattin küren!
DRITTE SZENE
PHÄDRA
Ach Amme, sag, warum sprachst du zu Hippolit
Von meiner Liebe, wie mein Busen für ihn glüht?
Nun wird mich Hippolit im heißen Zorn verachten!
Ich fühle meinen Geist im Unglück sich umnachten!
AMME
Wenn du ihm nicht gestehst, du seist in ihn verliebt,
Dann bleibst du doch allein und jämmerlich betrübt.
Wenn du ihm offenbarst den Andrang deiner Triebe
Und wie in Leidenschaft verzehrt dich deine Liebe
Und wie sein Angesicht verzaubernd dich betört,
Dann wirst du glücklich erst, wenn er dich doch erhört.
PHÄDRA
Das weiß ich aber wohl, das kann mein Geist noch fassen,
Will einer lieben nicht, so wird er schließlich hassen,
Wenn er geliebt wird von dem Herz, das er nicht liebt,
Wenn die, die er nicht liebt, ihm ihre Liebe gibt,
Dann ekelt ihn das an, dann ist ihm das zuwider.
Ah wehe, Amme mein, ich stürz zu Tode nieder!
CHOR
Wir fanden in der Not die Rettung dennoch oft,
Verzweifeln muss nur der, der in der Not nicht hofft,
Wer aber in der Nacht hält seinen Busen offen
Dem Rettenden, der darf auch auf den Retter hoffen.
PHÄDRA
Den Retter seh ich auch, der Rettung Morgenrot,
Der Rettung Abendrot, das ist der Heiland Tod!
O Heiland Tod, erbarm dich meiner, lass mich sterben,
Laß in Elysium mich Seelenruhe erben
Und in der Nymphenschar Elysiums voll Lust
Ich tanze mit als Geist, ein Schwert in meiner Brust!
Nur Schmerz, nur Schmerz, nur Schmerz mir Liebe war hienieden
Und erst im Schattenreich die Schatten haben Frieden.
Die Seele im Verließ, im Körper voller Qual,
Entfliehen möchte sie in den Ideensaal
Und möchte nymphengleich die himmlischen Ideen,
Wie sie im Tanze sich bewegen, selig sehen.
Auf Erden ist kein Licht, nur dichte Finsternis,
Zu Seiten mir der Tod und vor mir der Abyss,
Von Thanatos’ Kultur, der Übermacht des Bösen,
Das Schwert nur in der Brust kann einzig mich erlösen,
Mein eignes Salamis, mein eignes Schwert der Parther,
Eudämonie in Gott mein Ziel, der Weg die Marter!
Die Liebe gleiche ich der Schärfe eines Schwerts,
Altar des Eros, Herr, ich schlachte dir mein Herz!
VIERTE SZENE
CHOR
Wer stirbt, der wird nach seinem Tod,
Entkommen letzter Erdennot,
Geführt ins geisterhafte Licht
Zu Minos, kommt dort ins Gericht,
Empfängt dort seinen Urteilsspruch,
Den Bösen Minos spricht den Fluch,
Die treten in den Hades ein,
Wie Tantalos voll Durst zu sein,
Wo über ihm hängt prall die Frucht,
So köstlich, doch in steter Flucht!
Stets unerreichbar, süß und prall!
So quälen sich Verdammte all!
Wer weder gut noch böse war,
Wer mittelmäßig in der Schar
Gewöhnlich war, ob Mann ob Frau,
Nicht kalt, nicht heiß zu Gott, nur lau,
Die kommen in den Zwischenort
Und brennen in den Feuern dort,
Die brennen in dem Phlegeton,
Die brennen in dem Acheron
Und weinen Tränen ihrer Reu
Und machen ihre Seelen neu,
Sie waschen sich die Kleider weiß
Mit Reuetränen feucht und heiß,
Und wenn gereinigt sie dann sind
Und voller Unschuld wie ein Kind,
Sie kommen nach Elysium.
O Wonne, Wonne, um und um!
Die Heiligen, die da gerecht
Gewesen, ihre Liebe echt,
Hier, wo die Herzen offenbar,
Ist klar, dass ihre Liebe wahr,
Hier selig ist der Philosoph,
Der diente an der Weisheit Hof,
Ideen sieht er hier im Glanz
Wie Nymphen drehen sich im Tanz,
Wie Jungfraun keusch und rein und süß
In diesem Himmelsparadies.
Die Göttin Weisheit selbst erscheint,
Der Philosoph vor Freude weint,
Jetzt Philo schaut glückselig Sie,
Die übergöttliche Sophie! –
Oh welcher Liebe Überfluss
Im delikatesten Genuss!
Genießend ewig – ewig Sie,
Die Seligmacherin Sophie!
VIERTER AKT
ERSTE SZENE
CHOR
Ah weh, ah weh, ah weh! Ach, Phädra ist gestorben,
Dahin die liebe Frau, von Todes Hand verdorben!
AMME
Ah weh, mein Kindchen mein, du warst mein liebstes Kind,
Unschuldig warest du wie kleine Kinder sind,
Einfältig warest du, naiv, von treuem Herzen.
Ach ich begreife nicht die grimmen Todesschmerzen,
Daß Gott mir nahm mein Kind, dass sie jetzt nicht mehr ist,
Daß meine Seele, ach, sie ewig jetzt vermisst,
Daß sie, die all mein Ruhm, die meiner Tugend Ehre,
Ging in das Schattenreich, in wesenlose Leere.
CHOR
Wir jammern alle laut! Aus Quellen des Gesichts
Die Tränen strömen uns! Weh, bodenloses Nichts!
Die Gute starb dahin, lebendig blieben Schlechte,
Die Erde sich verbirgt in tiefe Mitternächte,
Die Erde ist erstarrt in schrecklich-starrem Frost.
O welcher Gott hat jetzt für uns noch einen Trost?
Denn Phädra ging hinab in Hades’ düstre Kammer,
Auf Erden bleibt uns nichts als namenloser Jammer!
AMME
Doch ein Gedanke, ach, mit Schrecken mich befällt,
Freiwillig Phädra, ach, verließ die Erdenwelt,
Sie, die durch den Beschluss der Götter ist geworden,
Sie wagte, ach, zuviel, sich selber zu ermorden.
CHOR
Zu schelten weiß ich nicht des Menschen Suizid,
Zu weinen weiß ich nur mit Tränen im Gemüt,
Wenn Menschen wollen selbst von dieser Erde scheiden,
Dann weiß ich nur voll Leid mit ihnen mitzuleiden,
Denn schrecklich ist die Nacht der Angst in Einsamkeit,
Die Götter fleh ich an, ach, um Barmherzigkeit!
AMME
Und irrt sie immer noch voll Angst im Schattenreich der Toten?
Und kommt sie nie zurück zu uns wie Götterboten?
CHOR
Wir bringen Opfer dar, wir opfern Brot und Wein.
AMME
Ich mische mit dem Wein, die Tränen, die ich wein,
Mein Tränenopfer ists, die Götter zu versöhnen,
Mein Tränenopfer gilt der heimgegangnen Schönen.
ZWEITE SZENE
CHOR
O König Theseus, Herr, dein Eheweib ist tot!
Da liegt das Täubchen, tot, in ihrem Blute rot!
THESEUS
Wie, tot ist meine Frau? Die Liebe ohne Fehle
Ist tot? Gestorben ist mir meine eigne Seele!
Ich liebte meine Frau mehr als mein eignes Kind,
Ich liebte meine Frau, wie Eheleute sind
Geworden eins, Ein Mensch, zwei-einig Menschenwesen,
Zwei Apfelhälften wir sind Einer Frucht gewesen,
Die bessre Hälfte mein ist nun dahin und tot,
Die andre Hälfte bleibt allein in höchster Not,
Der Seele Innerstes, mein Weib, ist mir gestorben,
Mein unbeseelter Leib ist jetzt im Staub verdorben,
Weil Phädra fehlt mir jetzt, das Ebenbild des Lichts,
Bleibt nichts als dunkle Nacht, als Totenreich und Nichts!
CHOR
Ah weh, der arme Mann, im unbeseelten Leibe,
Die Seele schwand ihm mit dem seelenvollen Weibe!
THESEUS
Wenn ihre Seele schwand dahin ins Schattenreich
Und wandelt dorten sie den hohlen Schatten gleich,
Ich hör der Seele Ruf, hör Rufen von dem Weibe:
Der Seele folge mit dem unbeseelten Leibe,
Der Seele folge mit dem unbeseelten Leibe,
Daß Leib und Seele sich vereinen ehegleich
Im Jenseitshochzeitsglück im süßen Totenreich!
CHOR
O Theseus, sei ein Mann, und gürte deine Lenden!
THESEUS
Doch warum tat mein Weib ihr Leben denn beenden?
CHOR
Die arme Phädra ließ dir einen letzten Brief,
Die letzten Worte sind gewiss voll Liebe tief.
Hier ist der Brief, o Herr, vom seelenvollen Wesen,
Du sollst das Testament der Vielgeliebten lesen.
THESEUS
Was schreibt die liebe Frau? – O König Theseus, du
Verzeihe deiner Frau, die nun in Totenruh
Gebettet liegt allein, sich vor der Schande rette,
Weil Hippolit versucht, in deinem Ehebette
Zu lieben deine Frau, doch wollte ich das nicht,
Die Götter hassen den, der Ehen treulos bricht,
Doch Hippolit voll Gier und Feuer in den Lenden,
Des Königs Ehebett versuchte er zu schänden.
Ich scheide jetzt von dir! Von Herzen lieb ich dich,
Doch bitt ich dich bei Gott, mein König, räche mich!
CHOR
Die Rache ist des Herrn! Die Rache sollst du erben?
THESEUS
Weh, Hippolit, mein Sohn! Ja, Hippolit muss sterben!
DRITTE SZENE
HIPPOLIT
O Herzensvater gut, ich hörte deinen Schrei.
Was weinst du, Väterchen? Sag, was es immer sei.
Die Vaterschmerzen sind dem Sohn auch die größten.
O Vater, liebes Herz, sprich, denn ich will dich trösten.
THESEUS
O Torheit, deine Macht ist übermächtig groß!
Es wütet mir der Zorn im Busen und im Schoß,
Schon habe ich mein Weib, die Liebe selbst verloren,
Jetzt höre ich den Spott von diesem jungen Toren!
O Jugend, du bist ganz der Torheit doch vereint,
O Jugend, du bist ganz der Torheit doch vereint,
Dein alter Vater hier in Seelenkummer weint,
Es schämt sich doch der Mann der kleinen Tränentropfen,
Da willst du mir mein Maul mit Frömmelei verstopfen?
Du redest, du seist keusch, der Jungfrau dienst du keusch?
Wenn läufig ist ein Hund, so geil ist auch dein Fleisch,
Ich kenne dieses Fleisch, ich weiß von deinen Schwächen,
Du sprichst vom Zölibat und willst die Ehe brechen?
Der Jungfrau dienst du nicht, dein Zölibat ein Spott,
Die Unzucht liebst du nur, und Eros ist dein Gott!
HIPPOLIT
Die Jungfrau ist ganz rein, sie hat mich auserkoren,
Was kümmert mich der Spott von götterlosen Toren?
Der reinen Jungfrau nur der reine Diener naht,
Ich habe nicht befleckt den keuschen Zölibat,
Ich lebe rein und keusch, trotz meines Fleisches Schwächen,
Die Jungfrau sah mich nie den Bund der Ehe brechen,
Ob auch versucht wird oft mein frevelhaftes Fleisch,
Die Jungfrau mich bewahrt, ich lebe rein und keusch,
Ich halte streng mich frei von allen Unzuchtssünden.
THESEUS
Die Leidenschaften doch die Triebe dir entzünden,
Entzündeten dein Fleisch mit freier Liebe Glut,
Drum wird dir Vaterzorn, des Vaters Grimm und Wut,
Ja, sterben sollst du, Sohn, den Todesbecher zechen,
Den Tod hast du verdient durch deines Fleisches Schwächen.
Doch sterben ist zu schön! In Einem Augenblick
Der Lebensleiden frei, genießt du Hades’ Glück?
Nein, sterben sollst du nicht, ich werde dich verbannen!
Zu ewgen Leiden soll sich Hippolit ermannen!
Ich weiß, der süße Tod ist dein ersehntes Ziel,
Ich aber fluche dir, verbann dich ins Exil!
VIERTE SZENE
HIPPOLIT
O Jungfrau, dir allein ich klage meine Leiden,
Die Menschen nennen mich hochmütig, unbescheiden,
Weil ich dich kenne und auf dich allein vertrau,
Du meine Retterin, du reine Götterfrau!
Man fordert jetzt von mir heroische Ermannung,
Denn tragen soll allein ich Elend und Verbannung.
Wer steht mir denn noch bei in diesem Jammertal,
Dem Tränental, da sind die Tränen ohne Zahl.
Mein Herz wär gern sozial, im Liebesglück gemeinsam
Mit lieben Menschen, doch ich leider bin sehr einsam.
Die Welt ist eine Nacht, ist keine Heimat mehr,
Die Welt ist kahl und kalt, erschreckend liebeleer.
Wann wird mich Bruder Tod vom Todesleib erlösen?
Wie lange muss ich noch ertragen all die Bösen?
Du forderst Demut und Gehorsam und Geduld
Und tragen soll ich all das Leid allein, der Huld
Der Königin allein, der Jungfrau ganz vertrauen.
Die Männer dieser Welt, sie haben ihre Frauen,
Die ihnen Hilfe sind und guter Beistand auch,
Ich habe nichts als dich, nur deiner Gnade Hauch.
Wie ist es oft so schwer, dem unsichtbaren Wesen
Alleine zu vertraun, das mich doch auserlesen.
Mein Vater schickt mich fort aus meinem Vaterland,
Der Vater schlägt mich hart, mich züchtigt seine Hand
Für Sünden, die ich nicht in Schuld begangen habe.
Mir reicht kein Menschenherz die liebevolle Gabe
Der warmen Herzlichkeit. Ich aber bin Gebet,
Ein junger Mann allein, ach, dem entgegensteht
Die ganze kalte Welt. Wir wollen sie erlösen,
O Jungfrau, aber sie stehn in der Macht des Bösen.
O Jungfrau, deine Huld schuf mich zum Menschenfreund,
Der alle retten will, doch jeder ist mein Feind,
Die Liebsten in der Welt, die eigene Familie,
Die ich gesegnet oft in betender Vigilie,
Sie hasst mich bis zum Tod, verschlossnen Angesichts
Und harten Herzens sie verdammen mich ins Nichts,
Ich blutete für sie aus tausend Herzenswunden,
Doch wie sie mir tun, tun sie nicht mal ihren Hunden,
Ja, besser geht’s dem Hund dort unter ihrem Tisch,
Die Kinder hungern, doch der Hund bekommt den Fisch,
So jagen sie mich fort aus meinem Vaterlande!
O Jungfrau, du verzeih der wilden Räuberbande,
Sie wissen gar nicht, was sie alles Böses tun,
Mich aber lasse du an deinen Brüsten ruhn!
FÜNFTE SZENE
CHOR
Alle suchen die Fortuna,
Die doch launisch wie die Luna,
Der Fortuna nur zu willen,
Ihren launenhaften Grillen,
Jeder wäre gerne glücklich.
Doch das Rad dreht augenblicklich
Die Fortuna unbescheiden
Und der Freude folgen Leiden.
Heute tanzt man auf den Festen,
Morgen wird sie Tod verpesten,
Heute seid ihr reich an Golde,
Scheint Fortuna euch die Holde,
Nach dem Drehen ihres Rades
Morgen jammert ihr im Hades.
Manche Dichter aber sagen
Und zu singen nicht verzagen,
Daß der höchste Gott geboten,
Er, der Richter aller Toten,
Der Fortuna, zu regieren
Und des Zepters Stab zu führen
Und den Menschen zuzuteilen,
Was das Leiden mag zu heilen,
Tags die Arbeit, nachts den Schlummer,
Morgens Wollust, abends Kummer,
Alles deckt sie mit dem Mantel,
Allen wechselvollen Wandel
Stolz verwaltet die Fortuna,
Göttin, thronend auf der Luna.
Doch es singen wahrhaft Weise
Eine andre Weisheit leise,
Denn in wechselnden Geschicken
Sie den Flickenteppich blicken,
Providentia gewoben
Hat den Teppich, schaut von oben
Dieses Teppichs buntes Eden,
Unten sehn wir wirre Fäden,
Sehn in törichter Verwirrung
Nichts als des Geschicks Verirrung,
Wild verschlungne Labyrinthe,
Spreu, geworfelt von dem Winde,
Providentia von oben
Sieht den Teppich, der gewoben
Ist aus Hochzeit, Totenfeier,
Providentia im Schleier
Alles plant unendlich weise.
Also fleht der Weise leise
Providentia zur Leier,
Daß sie schließlich sich entschleier!
FÜNFTER AKT
ERSTE SZENE
BOTE
Mein König und mein Herr! Ich bringe Trauerkunde,
Nur Trauervolles hörst du, ach, aus meinem Munde.
Da du den Sohn verdammt, verbannt hast zum Exil,
Du weißt, o weiser Fürst, das Fluchen ist kein Spiel,
Geritten Hippolit ist aus dem Vaterlande,
Und da er eben ritt voll Schmerz am Meeresstrande,
Empörte sich das Meer mit aufgeschäumter Flut,
Poseidon wütete mit wilder Götterwut,
Und aus des Meeres Schoß kam eine große, lange
Gefleckte Schlange, und die große Meeresschlange
Umschlang mit Todeslust den jungen Hippolit!
THESEUS
Bringt seinen Leichnam her, auf dass mein Auge sieht
Des Todes wilde Wut in der Gestalt der Leiche.
O Todesschlange du, mit deinem Giftzahn weiche!
BOTE
So grausig war es, ach, zu sehen diesen Kampf,
Da Hippolit gezuckt, geschüttelt ward vom Krampf,
Die Schlange glatt und feucht mit listenreichem Flüstern
Umschmeichelte den Leib des Todgeweihten lüstern,
Der Giftzahn wie ein Schwert das Herz des Sohnes ritscht,
Der Schlange nackter Leib um seinen Körper glitscht,
Elektrisch schlägt durch ihn ein Schütteln und ein Zucken,
Kaum kann er noch hinan zum hohen Himmel gucken,
Die Schlange windet sich mit wilder Todeslust
Wie kopulierend um des Todgeweihten Brust,
Als wollte sich der Tod mit seinem Opfer gatten
Und Hochzeit feiern, ach, im Totenreich der Schatten!
THESEUS
O wehe meinem Fluch! Wie Gottes Zorn mir flammt,
Weil ich als Vater bös den eignen Sohn verdammt!
Ist Gott ein Vater nicht mit liebevollem Herzen?
Ich böser Vater tat dem Sohne an nur Schmerzen,
Dem Sohne Hippolit, der Liebe nur gesucht,
Ich böser Vater hab den eignen Sohn verflucht!
Nun traf mein Fluch auch ein! O Schamrot meiner Wange!
Aus meinem Fluche kam hervor die wilde Schlange!
Gerecht ist, dass der Zorn des Höchsten mich nun trifft,
Denn Schlangenzunge war mein Mund voll Fluches Gift!
ZWEITE SZENE
CHOR
O grause Liebe du, voll Allgewalt des Schreckens,
Ich spür nichts mehr von Lust des Scherzens und des Neckens,
Sonst reiztest du den Trieb zur Stillung süßer Lust,
Sonst quoll wie süße Milch der Mutter deine Brust,
Du Urmacht aller Welt, in jedem Lebenstriebe
Erschien in höchstem Reiz die Süßigkeit der Liebe,
Sonst war voll Heiterkeit wie Abendstern dein Blick,
O Lachenliebende, du schönstes Seelenglück,
Frau Aphrodite du, noch heißer als die Sonne
Im Süden sommerlich, voll wollustvoller Wonne!
Jetzt aber schrecklich, ach, in deiner Dämonie,
Dem Tod verbunden in geheimer Sympathie,
Die Beter schrein zu dir von Helikon und Athos,
Die Liebenden voll Leid, sie reden voller Pathos,
Du aber ehern schweigst in starker Grausamkeit
Und bist wie Hades stumm in Götterschweigsamkeit!
Wir suchen alle nur den frohen Augenblick,
Da Liebe uns beglückt, die Wollust schenkt uns Glück,
Da Genien der Welt mit Gnadengunst nicht geizen
Und unsres Daseins Zeit sich füllt mit süßen Reizen!
Du aber, Herrscherin, verjagst uns von dem Ort
Der süßen Heiterkeit, jetzt wütet es wie Mord
In unserem Gebein, von Aphrodites Orden
Die Liebenden voll Leid sich selber jetzt ermorden,
Und wer sich tötet nicht, wer aushält in der Welt,
Wird von der Schlange Zahn verwundet und gefällt,
Und alles stirbt dahin, verwelkend und vermodernd.
Einst in der Jugendlust voll süßer Torheit lodernd,
Die alte Weisheit jetzt macht uns den Schädel kahl,
Der Totenschädel bleich und blass, wie Geister fahl,
Grinst frech uns an, der Tod! Ach, all die jungen Schwestern
Aus Aphrodites Reich jetzt Aphrodite lästern,
Und keiner in der Welt ist voller Liebe mehr.
Wann tauchst du wieder auf aus deinem Mittelmeer?
Bis wir dich wieder sehn, nackt tauchend aus den Schäumen,
Ach Aphrodite, wir nur Schreckensträume träumen.
Gewaltige, wir flehn, wir betteln flehend fromm:
O Schreckensherrscherin, ach Aphrodite, komm!
O Schreckensherrscherin, ach Aphrodite, komm!
DRITTE SZENE
DIE JUNGFRAU
Dich, Vater, klag ich an, der seinen Sohn getötet,
Ja, jetzt ist dir vor Scham die Wange heiß gerötet,
Jetzt jammerst du und weinst, doch steht im Lebensbuch
Für alle Ewigkeit dein todesvoller Fluch.
Den Leib getötet hast du deinem frommen Sohne,
Die Seele hättest du ermordet auch noch ohne
Furcht vor der Schöpfermacht, vor aller Götter Gott,
Denn Götterehrfurcht war dir wert nur einen Spott!
Ich komme zum Gericht und alles Morsche falle
Und alle Bosheit, die für Gott nur hatte Galle
Und Gottes Diener und der Jungfrau Lieblingsknecht
Und Gottes Diener und der Jungfrau Lieblingsknecht
Verspottet und verhöhnt! Wie machtet ihr ihn schlecht,
Der doch mein Liebling war, erkorener Erwählter.
Ihr waret seelenlos, er aber war beseelter
Und liebevoller als die tote Mörderwelt,
Die ihn zuletzt gestürzt, mit kaltem Haß gefällt.
Ihr glaubt, dass auf mein Recht zu richten ich verzichte,
Ihr glaubt nicht, dass ich euch gerecht und heilig richte?
Ihr aber irrt euch sehr! Wo ist jetzt euer Spott,
Den ihr gespendet habt der Jungfrau und dem Gott?
Wie hieltet ihr euch fest an eitlen toten Sachen,
Jetzt ist die Stunde da, euch höhnisch auszulachen!
Ihr wolltet ja den Rat, der Jungfrau Weisung nicht,
Jetzt zittre, Kreatur, vorm heiligen Gericht,
Jetzt erntest du die Frucht aus deinen bösen Taten,
Jetzt hilft dir keine List von Winkeladvokaten,
Denn unbestechlich ist die Jungfrau im Gericht,
Ja, schaue mich nur an, die Königin im Licht,
Was meinem Liebling du getan, ihn zu zerbrechen,
Das wird die Jungfrau jetzt an seinem Vater rächen!
THESEUS
O Herrscherin voll Macht, ich bebe zag und bang,
Wie böse war mein Trieb, wie übel all mein Drang,
Ich falle nieder hier, ein Wurm zu deinem Fuße,
O gib wie Feuer mir ein Leid zu meiner Buße
Und Schmerzen sende mir, der sich zu frech erkühnt,
Ja, leiden will ich Qual, bis alle Schuld gesühnt!
DIE JUNGFRAU
Gerechtigkeit ist groß, doch größer das Erbarmen,
Ihr Reichen seid ja doch die Ärmsten aller Armen,
Es bat für dich dein Sohn, drum gnädig ist mein Herz!
Ja, sühne deine Schuld, aus Huld schenk ich dir Schmerz!
Ja, sühne deine Schuld, aus Huld schenk ich dir Schmerz!
VIERTE SZENE
HIPPOLIT
Jetzt muß ich sterben, ach, da seh ich einen Schimmer,
Den sieht kein andrer Mensch, ich seh ein Lächeln immer,
Geliebte Jungfrau, ach, wie ich mich selig freu,
Daß du zu mir jetzt kommst! Aufrichtig ich bereu,
Was ich gefehlt im Geist, in heimlich-heißen Träumen,
Hab manchmal auch geseufzt nach Kypris weißen Schäumen
Und manchmal auch entfloß ein Seufzer meinem Fleisch
Und immer war ich nicht und allezeit nicht keusch.
Ersetze, was mir fehlt, vorm allerhöchsten Richter,
Bewahre, Göttin, mich vor Hades, dem Vernichter.
DIE JUNGFRAU
Die Jungfrau bin ich doch der Allbarmherzigkeit,
Die ihrem Lieblingsknecht verzeiht, wenn er verzeiht!
HIPPOLIT
Und so verzeihe ich dem Vater seine Strenge
Und seines Herzens Frost und seines Herzens Enge,
Und meiner Mutter auch, dass sie mich einst gebar,
Der ich so selig doch im Schoß der Vorwelt war.
DIE JUNGFRAU
Zeus-Vater bittet dich, dem Vater zu verzeihen
Von ganzem Herzen und den Vater mir zu weihen.
HIPPOLIT
O Theseus, Vater mein, du wie ein Eber hart,
Ich weihe deinen Geist der reinen Jungfrau zart,
Der makellosen Frau, der Göttin ohne Fehle
Für alle Ewigkeit vertrau ich deine Seele!
DIE JUNGFRAU
Der du auf Erden schon mir ganz ergeben warst,
Die Ganzhingabe du an dir selbst offenbarst,
Auf Erden lebtest schon in Geistesparadiesen,
Auf Erden gingest schon wie Geister in Elysen,
Der Jungfrau Liebesgunst, der Huld Mysterium
Führt heute deinen Geist in das Elysium!
HIPPOLIT
O reinste Jungfrau du in höchster Keuschheit Reiz,
Ich fürchte mich vorm Gott, dem Gott der Götter Zeus!
DIE JUNGFRAU
In deinem Sterbebett liegst du auf weißem Kissen,
Ich raube deinen Geist mit liebevollen Küssen!
Sei fröhlich, Hippolit, denn die Jungfräulichkeit
Sei fröhlich, Hippolit, denn die Jungfräulichkeit
Belohnt der Vater Zeus dir mit Glückseligkeit!
HIPPOLIT
In deine Hände, Frau und Göttin, ich befehle
Für alle Ewigkeit dir meine fromme Seele!
(Er stirbt.)FÜNFTE SZENE
CHOR
Hippolit wird nun begraben,
Gerne geben wir die Gaben,
Ehren gern sein Angedenken,
Wollen unsre Liebe schenken
Ihm auch noch nach seinem Tode.
Körper, eines Rasens Sode
Deckt nun deiner Ruhe Schlummer,
Mitbegraben aller Kummer.
Oft noch schleichen uns die Tränen
Aus den Augen und wir sehnen
Oft uns noch nach seiner Liebe,
Seinem süßen Liebestriebe,
Seiner Freundschaft, seiner Güte.
Auf dem Grabe manche Blüte
Lässt sich in dem Frühling sehen,
Die Natur wird auferstehen,
Nach des Winters strenger Grenze
Tanzen wieder wir im Lenze,
Tanzen auf den Gräbern heiter,
Tanzen unsre Liebe weiter.
Hippolit in Paradiesen
Tanzt die Tänze von Elysen
Mit den Horen und den Musen,
Horen mit den schönsten Busen,
Musen mit den schönsten Haaren,
Liebe uns zu offenbaren,
Kommt er von der Welt der Geister,
Von der Welt der weisen Meister,
Philosophen und Sophisten,
Von der Jungfrau neunzehn Brüsten
Singt er ewig seine Oden.
Wir beweinen unsern Toten,
Wir beweinen ihn voll Trauer,
Oft noch strömt ein Tränenschauer
Uns aus unsern dunklen Augen,
Wir am Kummerbecher saugen,
Vor dem Tode trunkne Zecher
Saugen an dem Kummerbecher,
Heißes Blut aus unsern Venen
Mischen wir mit unsern Tränen,
Allzeit traurig zu beweinen
Hippolit, bis uns wird scheinen
Liebe, wie sie spielt die Flöte
Köstlich in der Morgenröte!