Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

PARADIES-SONNE



Ein Italien-Poem
Von Josef Maria Mayer

Nach einem Entwurf von Peter-Torstein Schwanke



ERSTER GESANG

Sing, Muse, wie ich Donna Mara schaute,
Wie ich in ihre Monden-Augen sah,
Wie ich sie dann verlor und wie mir graute
Allein in dieser Welt, dem Tode nah,
Wie ich sie wiederfand, mich ihr vertraute,
Wie gnädig mir gewesen Cypria
Und wie wir standen an dem blauen Meere,
Einschiffend uns zur Insel der Cythere.

Es war dereinst in einem Kaffeehause,
Genau gesagt, im Café Florian,
Dahin ich aus der Eremitenklause
Gegangen, als zwei Doppel-Monde sahn
In meine Seele und oh welch Gebrause
War da in meiner Seele Ozean
Und gleich sprach ich mit heißem Liebes-Hauche:
Ich liebe dich so sehr, dass ich dich brauche!

Doch Donna Mara suchte Göttin Freiheit,
Um ungebunden und allein zu sein,
Sie wollte nicht der Ehe Einerleiheit,
Prophanen Alltags öde Todespein,
Die Liebe, diese Einheit in der Dreiheit,
Die Liebe liegt zugrunde allem Sein,
Sie suchte nicht die Liebe in der Ehe,
Sie suchte selbst der Ewigen Liebe Nähe.

Wie konnte ihre Schönheit mich bewegen,
Entzücken, bis ich den Verstand verlor!
Die Liebe wie ein heißer Tränenregen
Mir troff aus meiner Augen Himmelstor.
Doch Donna Mara gab mir ihren Segen
Und hauchte Segensworte in mein Ohr:
Seh ich dich, Pietro, in dem Sessel thronen,
So schenkt der Genius mir Visionen!

Ach, Donna Mara war die Schöne Dame,
Die zu mir kam vom Stern der Phantasie.
Doch leider war ein Omen auch ihr Name,
Ins Meer der Bitterkeit versenkte sie
Die Seele mir, dass meiner Seele Same
Erlitten ein Martyrium und schrie:
Ach Mara, Liebe mein, ich kanns nicht fassen,
O Liebe, Liebe, dass du mich verlassen!

Doch habt ihr nichts zu essen, lieben Freunde?
Stellt warm mir die Lasagne auf den Tisch!
Ich heb den Becher Wein auf meine Feinde,
Getrunken, bis die Galle wieder frisch.
Die Galle? Ja, das weiß wohl die Gemeinde,
Wie heilsam ist die Galle von dem Fisch,
Die Satan wegtrieb von der schönen Sara.
Den letzten Schluck des Weins auf Donna Mara!

Mit Donna Mara wollt ich in dem Kahne
Auf dem Canale Grande fahren hier.
Doch sitze ich im schwarzen Trauerschwane,
Torquato Tasso singt der Gondolier,
Mit alten Weibern drei mit Einem Zahne
Und muß mich ekeln vor dem Anblick hier,
Da Anmutlose neben Anmutlose
Sich setzt, ob vorn auch glüht die rote Rose.

Venezia, du Schöne! O wie hässlich
Die alten Weiber in der Gondel sind,
Die grauen Greisinnen sind einfach grässlich
Und so verstummt mir völlig mein Gedicht
Und da die Muse heute ist unpässlich –
Ist Hässlichkeit das einzige Gesicht,
Die Todin schickt mir Nonna über Nonna,
Nur fehlt es an der lieblichen Madonna!

Doch seh ich die Madonna vom Mirakel,
Sie schickte ihren kleinen Sohn zu mir.
Da war ein Karneval und ein Spektakel,
Armida schön besang der Gondolier.
Im Wasserspiegel sah ich ohne Makel
Madonna Tizians erscheinen hier,
Auf ihrem Arme Jesus Nazarenus,
Madonna, oder wars die junge Venus?

Wo Marco Polo sah ins Reich der Mitte,
Schlitzäugiger Poeten Bambusland,
Dort wurde mir gepredigt von der Sitte,
Der ich vor Lust verloren den Verstand!
Als ob ein Schwan durch Edens Flüsse glitte,
Die Gondel schwebte durch das Sonnenland.
Nur weg mit euch, teutonische Touristen!
Venezia empfängt allein die Christen!

Nun klagte mir ein armer Freund und Bruder:
Zwei Frauen herrschen über meinen Leib,
Die eine kalt, die andre wie ein Luder,
O Dichter, meine Seelenqual beschreib,
Des Universums Hitzetod voll Puder –
Des Universums Kältetod das Weib!
Dort Wollust, dort die Zunge zänkisch-züchtig,
Und eine auf die andre eifersüchtig.

Der schlanken weißen Lilie gleich die Venus
Frigida, keuscher noch als Schnee und Eis,
Nichts ahnt sie von der Weisheit Nazarenus
Von Gottes Liebesflammen überheiß,
Wenn rot ich würde von dem Wein Silenus,
Eisblumen gleich bleibt Venus frostig-weiß,
Und will ich gar – du weißt schon – tut sie zanken
Und schimpft mich einen irren Seelenkranken!

Nur lieblos ist sie, ist nicht keusch und züchtig,
Als ob die Hölle zugefroren ist,
Ist wie Skorpione giftig eifersüchtig,
Daß meine Zunge eine andre küsst.
Doch Venus Porné ist wahrhaftig tüchtig,
Daß man in ihrem Schoß die Welt vergisst.
Die Porné der Frigida nicht vergleichbar,
Doch ach, ist Venus Porné unerreichbar!

Die Venus Porné nackt aus Meeresschäumen
Auftauchen ich in meiner Jugend sah,
Nun sehn ich mich an der Lagune Säumen
Nach dieser Kitzlerin von Cypria
Und kann nur einzig träumen, ewig träumen,
Die Aphrodite von der Adria
Im Traum anstaunen mit den heißen Augen,
Ich träum, sie täte mir das Mark aussaugen.

Doch fröstelnd die Frigida noch im Bade,
Die Rippen bohren spitz sich durch das Fleisch,
Verhängnisvolle Venus ohne Gnade,
Sie zankt mich aus, hysterisch ihr Gekreisch,
Ich denk nur immer: Schade, Venus, schade,
Du täuschst nur vor, du wärest rein und keusch,
Doch keuscher ist der Porné Ganzhingabe.
O Porné, deine Lippen, welche Labe!

Ich aber sah die Königin Madonna,
Wie sie gesehn, gemalt hat Tizian.
Nicht alt war sie wie eine greise Nonna,
Der Jugend Inbild meine Augen sahn.
Und rot wie eine Rose war ihr Gonna,
Ihr Rock war feuerrot. Auf ihrer Bahn
Gen Himmel folgten nach der Makellosen
Aus Edens Garten feuerrote Rosen.

So sie verließ das irdische Theater,
Da lächelte die Herrin, sich bewusst,
Sie geht zum Friedefürst, zum Wunderrater,
Zum Paradiesesgarten voller Lust.
Nun auf zu dir, all-liebevoller Vater,
Nun auf zu deiner Liebe Mutterbrust!
So selig kann allein der Tod beglücken,
Die lächelnde Madonna süß verzücken.

Am Sterbebett zu ihrem Fuß saß Peter,
Johannes hielt Madonna zart die Hand.
Nun schauten sie Madonnas Leib von Äther
Bei Gott im sommerlichen Sonnenland.
Ihr nach, ihr nach! so seufzten heiß die Väter,
Madonna raubte ihnen den Verstand!
Sankt Tomas sah des Liebreizgürtels Zipfel
Und brachte ihn auf des Olympus Gipfel.

Jetzt sah ich sie, die Venus von Urbino,
Ich schaute sie in einem Himmelssaal.
So liebten nicht Pierrot und Arlecchino
Die Colombine, die ihr Ideal.
So liebte auch nicht Pietro Aretino
Den Harem der Hetären ohne Zahl.
Zum Lohn des Glaubens gibt mir Nazarenus
In Ewigkeit den nackten Leib der Venus!

Beischläferin der Götter, dir ich diene
Als meiner Herrin in der Erdenwelt,
Du, Gott des Bräutigames Konkubine,
Erwartest mich im blauen Himmelszelt.
Voll Charme und Liebreiz deine süße Miene,
Die eine Hand den Kranz der Rosen hält,
Die andre Hand wühlt in der Vulva innen,
Du Göttin Kitzlerin der Kitzlerinnen!

Bleikammern! Dieser Körper ist ein Kerker,
Entkommen will ich diesem Kerkerloch!
Ob wüten auch Vandalen und Berserker,
Einst leg ich nieder meines Kreuzes Joch!
O Donna Mara, oben an dem Erker,
Noch winken deine weißen Hände, noch
Der Minnesänger singt zur Mandoline,
Pierrot liebt immer noch die Colombine.

Hier in dem Kerker war auch Casanova
Und wollte fliehn aus finsterem Verließ.
O Vielgeliebte, meine Vita Nova
Sieht wandeln dich im Sonnenparadies,
So strahlend du wie eine Super-Nova!
Doch Kinderstimmen rufen: Nimm und lies!
Was will die Liebe mir denn offenbaren?
Was sagen Casanovas Memoiren?

Er floh auf einem schwarzen Gondelschwane,
Die andern Gondeln waren alle bunt,
Doch seine Frauen strichen Kahn um Kahne
Mit schwarzer Farbe an aus diesem Grund,
Daß Casanova auf dem Ozeane
Mit seines schwarzen Schwanes Rosenmund
Nicht kann gefunden werden von den Häschern,
So künden Plauderlippen mir von Wäschern.

Bleikammern! Körperkerker, nicht mehr drücke
Mit deinen Lasten nieder meinen Geist!
Ich tret noch einmal auf die Seufzerbrücke,
Die Seele Einmal noch Venedig preist
Und seine komischen Theaterstücke,
Wo Harlekin Pierrot in Stücke reißt,
Der Witz noch einmal mir das Leben würze,
Ich zupfe Colombine an der Schürze!

Sospira! Seufzen muß ich, Colombine,
Ich bin noch heut nach deiner Schürze geil!
Sospira! Seufzen muß ich, Konkubine,
Die Alltags-Ehe macht mir Langeweil.
Sospira! Seufzen muß ich, Guillotine,
Jetzt ruhig fallen lass dein scharfes Beil!
Die Verse werde ich in Keilschrift kerben:
Ich sah Venezia – jetzt kann ich sterben!

Die Schürze hier der Zofe Colombine
Und hier der weiße Umhang von Pierrot
Und hier die Maske von dem Harlekine!
Bin ich in einem Bilde von Watteau?
Sind Coralline hier und Smeraldine
Und schmachtet Paul Verlaine Ah und Oh?
Das ist zu sehn in keinem Film im Kino,
Die Maske nehm ich mit von Arlecchino.

Einst sollen mit der Arlecchino-Maske
Die schönsten Knaben spielen lustig-froh.
Ob Preuße dieser Knabe oder Baske,
Ich werde weise sein wie Salomo,
Mein Gegenspieler wird der Bergamaske,
Dann spielen wir wie Gottes Engel so
Und wie der Teufel soll er euch erschrecken,
Ich will euch dann mit Arlecchino necken.

Passati tempi! Wohin sind die Knaben?
Wohin ist dieses vielgeliebte Kind?
Wohin sind alle meine Liebesgaben?
Wer sagt mir, wo die kleinen Engel sind?
Wie wir mit Harlekin gealbert haben,
Wie bangte süß mein kleiner Amor blind,
Tat Amor ich mit Harlekin erschrecken,
Im Bette wollte Amor sich verstecken!

Milano nahm die Knaben auf, die Knaben,
Die mir geschenkt den schönsten Liebeslenz!
Wie Amoretten wussten zu erlaben
Die Knaben mich, wie Gottes Evidenz!
Wie viele Maler sie gepinselt haben,
Die Engel in dem Dome von Florenz!
Dahin ist diese lebensfrohe Ära!
Gestorben ist die Donna Primavera!

Wohin ist Donna Mara mir entschwunden?
Ich bleib zurück, ein Turm in Einsamkeit!
Von Elfenbein der Turm, von Blut die Wunden,
Ich denke nur noch an die Ewigkeit!
Wie waren wir in Liebe doch verbunden,
In Eines Fleisches süßer Zweisamkeit!
Ach, tot ist auch die vielgeliebte Oma!
So will ich pilgern zu dem Papst von Roma.


ZWEITER GESANG


Wohl denen, die in dir zur Wallfahrt rüsten,
Madonna, pilgern zu Sankt Peters Dom.
Hier ist die Hauptstadt aller wahren Christen,
Von diesem Dom geht aus ein Gnadenstrom.
Hier beben alle Herzen in den Brüsten,
Was wäre ohne schöne Liebe Rom?
Dem Papste bieten wir den Dienst der Künste,
Die Kultivierung unsrer Liebesbrünste!

Ach könnte ich wie Raffael nur malen,
Der früh die liebe Mutter schon verlor!
Nun sah er immer nach der idealen
Geliebten in der schönen Frauen Chor,
Bedingungslose Liebe allzumalen
Verlangte er und ging als Weiser vor,
Im Schönsein aller schönen Fraun zu sehen
Die Schönheit der Idea der Ideen!

So liebte er die Dame Fornarina,
Die Gattin eines andern Ehemanns.
Sie war ihm Engel, Muse, Madonnina,
Madonna in der Sommersonne Glanz,
Sie war ihm seine göttliche Sextina,
Die tanzte auf der Wolke ihren Tanz,
Sie, eines andern Ehemannes Gattin,
Sie inspirierte ihn als Musengöttin.

Doch Raffael war auch ein Erotomane,
Sein Hunger nach den Frauen war sehr groß!
Er konnte malen nicht nach seinem Plane,
War die Geliebte ihm nicht nah, ihr Schoß
War seine Farbpalette, und ich ahne,
Wie er den Pinsel tauchte hemmungslos
In diese Farbenorgie, schön zu pinseln
Die Liebesgöttin auf den Liebesinseln.

Umarmt hat er die Ideale Charis,
Drei Charitinnen nackend dargestellt,
So Galathea kam als Stella Maris
Zu ihm als Nymphe aus der Wasserwelt.
Er schaute Venus wie der Hirte Paris,
Er schaute Amor auch, den Herrn der Welt,
Er sah den Amor-Knaben – starb! – Pax vobis!
Sankt Raffael (der Papst sprach), ora pro nobis!

So kam ich also zu dem Dom Sankt Peter,
Im Vatikan fand statt die Audienz
Des Papstes, der gelehrt die Kirchenväter
Und der gelehrt von Gottes Evidenz.
Von Adam sprach und Eva er und später
Vom Garten Eden in dem Schöpfungslenz
Und wie sie lebten in der Gottheit Nähe
Und sich vereinigt haben in der Ehe.

Die Unschuld der bedingungslosen Liebe
Verklärte er, wie Adam sich geschenkt,
Bis dann die Schlange kam gleich einem Diebe
Und Adams Sinn auf die Begier gelenkt
Und Adam in dem Hunger seiner Triebe
Der Selbstsucht sich in Evas Schoß versenkt
Und gierig nach der Zierrat ihrer Zierde
Sie nahm, allein zu stillen die Begierde.

Dann pries der Papst jedoch die reinen Herzen,
Die Gott in allen Kreaturen schaun,
Die ganz purgiert im Feuer ihrer Schmerzen
Die Schönheit Gottes schaun in schönen Fraun
Und ob sie sich verzehren wie die Kerzen,
Der Liebe Feuerflamme sich vertraun
Und sind im Geist der Heiligkeit zusammen
Von Gottes Feuersglut zwei Liebesflammen!

Dann sprach der Vater auch vom schönen Nackten
Und wie doch gottgefällig sei der Leib
Und wie die Künstler malten in den Akten
Das Meisterwerk der Schöpfermacht, das Weib,
Wenn Musen sie an ihren Pinseln packten,
Die Muse sprach zum Dichter: Hör und schreib,
Und was ich lasse dich in Blöße schauen,
Das singe: Gottes Schönheit in den Frauen!

Sankt Eva, droben an dem Thron Marias,
Wo Dante Alighieri dich geschaut,
Sankt Eva, Lebensmutter des Messias,
Auch du, auch du, des Neuen Adams Braut,
Sankt Eva, Abbild Hagia Sophias,
Ich habe meine Sehnsucht dir vertraut.
So wahr der Papst Nachfolger ist von Kefa:
Ich liebe dich von ganzem Herzen, Eva!

Ich muss doch sagen noch von der Susanna,
Patronin Romas in dem Pantheon,
In ihrer Kirche speiste ich das Manna
Und trank das Traubenblut vom Gottessohn
Und sang mit Engelschören Hosianna
Und Sanctus, Sanctus, Sanctus Gott im Thron
Und bat Susanna dann um ihren Segen,
Mich zu beschützen vor dem trüben Regen.

Ja, wollen Kinder Süßigkeiten haschen
Und Bonbons sammeln auf am Straßenrand
Und Zuckerkandis dann und Honig naschen,
Der König reitet gnädig durch das Land,
Champagner strömt aus Hälsen breiter Flaschen,
Dann, bei der Liebe über den Verstand,
Susanna bitte ich, uns zu bewahren
Vor schlechtem Wetterdruck und Blitzgefahren.

Susanna? Welche denn? – Des Papstes Nichte,
Die keusche Jungfrau wollte bleiben rein!
Aus ganz bestimmtem Grund ich davon dichte,
Susanna könnte lieblicher nicht sein,
Seh ich sie in prophetischem Gesichte
In ihrem Bade nackend stehn allein,
Verschleiert ganz allein vom Wasserdampfe,
So ring ich mit mir selbst im innern Kampfe!

Susanna nämlich in dem Alten Bunde
Auch badete in ihrem Garten nackt,
Im schwarzen Haar, mit rotem Muschelmunde,
Der Künstler gern gestaltet diesen Akt,
Ob auch zwei Männer da, zwei geile Hunde,
Sie hätten gar zu gern voll Gier gepackt
Und hätten gern gestillt die geilen Lüste,
Betätschelt dieser Badenixe Brüste!

Wie groß die Keuschheit war doch der Susanna,
Ja, selbst noch in der Ehe war sie keusch!
Wer seufzt nach ihres Fleisches süßem Manna
Und will zur Kommunion mit ihrem Fleisch?
Ein Halleluja und ein Hosianna
Erhebe ich mit stöhnendem Gekreisch,
Wenn d i e s e Sankt Susanna aus dem Bade
Mir doch noch spendet ihre Frauengnade!

Und in dem Pantheon der Frauenliebe
Mein Herz ich schütte aus Sankt Valentin:
Ach große Trübsal, der Tristesse Trübe,
Hat mir die Vielgeliebte nicht verziehn,
Daß ich begehre sie mit wildem Triebe
Und alle meine innern Sinne schrien
Und näher wollt ich noch in ihre Nähe
Und war voll Eifersucht auf ihre Ehe?

Sankt Valentin, im schärfsten Winterfroste
Die Liebste hat mich aus dem Haus gejagt
Und weltenfern von allem milden Troste
Ich gottverlassen hab es Gott geklagt,
In einer Agonie mit letztem Proste
Den bittern Becher ausgeleert verzagt
Und von dem Kelch der Tränen tief betrunken
Wär fast erloschen mir der Lebensfunken.

Sankt Valentin, an deinem Feiertage
Die Vielgeliebte hab ich nicht gegrüßt,
Mit einer bitteren Verzweiflung Klage
Den Frauen habe ich den Tag versüßt
Und grüßte schöne Frauen, ohne Frage,
Die eigne Liebe habe ich gebüßt
Und durfte meine Liebe ihr nicht zeigen,
Die ehern mich verdammt zu tiefem Schweigen.

Sankt Valentin, die Treueste der Schwestern
An deinem Feiertag im Sterben lag.
Freimaurer zwar und Neue Heiden lästern,
Doch kam mein Herr und Gott an jenem Tag,
Zwei Sünderinnen in den Betten-Nestern
Zum Heiland in der Hostie schauten zag
Und baten beide: Gott, in Kommunionen
Komm, deinen beiden Bräuten beizuwohnen!

Sankt Valentin, du Schutzpatron der Liebe,
Die treue Schwester in der Agonie
Vernahm die Beichte meiner Trauertrübe,
Da beichtend meine Seele: Gnade! schrie,
Erbarmen meinem peingequälten Triebe,
Erbarmen und Barmherzigkeit, denn Sie - -
Die Schwester starb mit einem süßen Lächeln,
Vom Himmel her mir Tröstung zuzufächeln.

Zurück nun zu dem Dome von Sankt Peter,
Ich treff den Kardinale Borgia.
Was wisst ihr von dem Eros, Kirchenväter?
Doch Borgia die Macht des Eros sah!
Er liebte die Vanozza, aber später
Er liebte heiß die Bella Julia.
Ach, Eros allezeit vertreibt die Tugend
Und Schönheit ist ein Privileg der Jugend.

Der Kardinal in seinem Purpurmantel
Auf einer Orgie sah die Julia,
Das braune Auge in der Form der Mandel,
Ihm wars, als ob er die Madonna sah.
Er folgte ja in seinem Lebenswandel
Dem Gotte Eros und Urania.
Und Julia in ihrer Antlitz-Blässe
Dem Kardinale diente als Mätresse.

Ach, welche Dienerinnen sind Mätressen!
O Kunst der Venus, wie du doch erlabst!
Der Kardinal in Liebe selbstvergessen!
Priapus, wie du doch in Rom priapst!
Der Kardinal gesungen hat die Messen,
Ward vom Kollegium gewählt zum Papst,
Zum Stellvertreter Des, der uns entschuldigt,
Und Julia hat auch dem Papst gehuldigt.

Und Bella Julia, die Jugendfrische,
Dem Papste nahte in dem Vatikan,
Sie tanzte reizend vor ihm auf dem Tische,
Daß seine Augen ihre Schenkel sahn.
O Papst, ein Fischer bist du keuscher Fische,
Willst du jedoch dem Schoß des Weibes nahn,
Ergeben dich erotischem Getümmel,
Das kostet dich das Königreich der Himmel!

Ich möchte beten an der Nymphe Grabe,
Wo auf dem Grab die reizende Gestalt
Der nackten Julia zu sehn zur Labe.
Wie ihr die lange braune Haarflut wallt
Auf ihrer Apfelbrüste Liebesgabe!
Im Paradiese ewig jung, nicht alt,
Braucht Julia mit Reizen nicht zu geizen,
Darf noch im Vatikan die Beine spreizen!

Nun weih ich mich der Herrin meiner Schmerzen,
Ehrwürdigster Madonna Pieta,
Als zündete ich für die Toten Kerzen,
Die ich auf ihrem Totenlager sah,
Betrachte ich Madonna mit dem Herzen,
O du Platonische Urania,
Wie in der Kerzenflamme stirbt die Motte,
Geh ich, o Frau, zu deinem toten Gotte!

Wie wir in unsern Seelenschmerzen stöhnen
Und brechen oft zusammen unterm Kreuz,
Wenn mir wie auch den andern Musensöhnen
Die Frauen wehtun mit dem Liebesgeiz,
So seh ich ewig doch zur Schmerzensschönen,
In tiefster Trauer voll der Anmut Reiz,
So sah die Muse ich, als einst die Parzen
Den Vater holten heim, im Kleid, im schwarzen.

O, über allen unsern Herzenswunden
Die Eine Wunde ist der bittre Tod.
Madonna, sei in unsern letzten Stunden
Uns nah, erlös uns von des Lebens Not
Und wie der Hirte hat sein Schaf gefunden
Und gibt den Sterbenden des Lebens Brot,
So grüßen wir dich mit dem Himmelsboten
Und weihen dir, Madonna, unsre Toten.

Doch ewig ist die Schönheit deiner Reize,
Unsterblich ist dein Liebreiz und dein Charme.
Das letzte Wort, das haben nicht die Kreuze,
Das letzte Wort ist nur ein: Herr, erbarm!
Dies Dasein mit dem bitterlichen Geize
Wird einst zu einem Sommerhimmel warm,
Die Toten baden in dem schönsten Frieden
Und Ewige Liebe lebt im heißen Süden!

Madonna Pieta, Genie der Musen,
An meine Fabel muß ich denken doch,
Wo find ich Donna Maras weißen Busen,
Wo find ich Donna Maras schwarzes Loch?
Verzeihe dem wahnsinnigen, konfusen
Genie, denn leider, Frau, ich lebe noch,
Der Erotomane noch, der Seelenkranke,
Ein genialer göttlicher Gedanke!


DRITTER GESANG


Neapel! Hier ich stehe an der Krippe
Als wie in Bethlehem im dunklen Stall.
O Muse, mir befeuchte meine Lippe!
Es herrschte Mitternacht im ganzen All,
Gevatter Tod ging um mit seiner Hippe,
Der Tod ging durch die Welt als Sündenfall,
Da sprang das Wort von Gott zur Erde nieder.
O Wort, durchtöne meine Liebeslieder!

Hier an der Krippe stehen Rattenfallen,
Denn Ratten wollten fressen Gottes Kind!
Wie hat das Kindlein mir so gut gefallen,
Wie Kinder doch dem Sohne ähnlich sind!
Die Fahne seh ich in dem Winde wallen,
Die Fahnen klirren in dem kalten Wind.
Weh mir! Wo nehm ich Blumen her im Winter?
Wo sind sie alle hin, die schönen Kinder?

Die Ratte Satans aber ward gefangen,
Der Kammerjäger Gabriel war da!
Noch schleichen um die Grotte leise Schlangen,
Die Jungfrau, die Madonna Pieta
Kommt nieder in dem Stroh und angefangen
Hat eine neue Schöpfung. Gott ist da,
Die Engel mit den armen Hirten reden,
Madonna öffnete die Tür nach Eden!

Madonna, lass mich zu dir in die Grotte,
Laß in die Krippe mich zum Jesuskind,
Ich möchte schlafen da bei meinem Gotte
Und flüstern leise wie des Nachts der Wind
Ein Lullabei für Jesus, trotz dem Spotte,
Weil Jesulein und ich wie Kinder sind
Und meine Lippen Jesu Lippen küssten
Und wir uns bargen an Marias Brüsten!

Madonna, hoch im Himmel ist dein Wandel,
Ich ruf allein zu dir in dunkler Nacht,
Komm, decke uns mit deinem Sternenmantel,
O Frau, dein Minnesänger einsam wacht,
Barmherzig schau aus deiner Augenmandel
Aufs Kindlein, das im Traum so selig lacht
Und schaut im Traume Süßigkeiten süße
Und träumt von Eden in dem Paradiese.

Ich fand dich wieder, schöne Dame Mara,
Du Engel in dem weißen Seidenkleid.
Ich Vater Abraham, du Mutter Sara,
Du lachtest leis in schöner Heiterkeit.
Nicht Tonja liebte ich, ich liebte Lara,
Doch Lara war von mir so weit, so weit
Entfernt. Ach hilf mir klagen, Bruder Puschkin,
Hilf klagen, lieber Idiot, Fürst Myschkin!

Jetzt aber stand vor mir die Schöne Dame,
Nicht Donna Mara, - Unsre Liebe Frau!
Ein Omen war ja Donna Maras Name,
Madonna sah, Maria sah ich! Schau,
Glückselige Vision! Da springen Lahme,
Da hören Taube, Blinde sehen, blau
Ihr Himmelsmantel, goldner Sterne Weide,
Ihr Kleid von weißer hingehauchter Seide!

Die Weiße Frau sah ich, die Schöne Dame,
Glückselige Vision vom Engelsgeist,
Die Muse sie, Urania ihr Name,
Die mir den Weg zum Himmelreiche weist,
Der Lilie gleich, der schneeigen Zyklame,
Madonnenlilie, die im Lichtglanz gleißt,
Die Anima, die Psyche meiner Seele,
Braut Gottes, die Geliebte ohne Fehle.

Ja, jetzt erscheint die Psyche meiner Seele
Als eine heißverliebte Seele nackt,
Ich sehe diese Psyche ohne Fehle,
Wie einer weißen Marmorvenus Akt,
Es duftet Weihrauch auf dem Glutgeschwele,
Das Liebesfeuer wie ein Katarakt
Seh stürzen ich aus Jesu Christi Augen:
Du, Psyche, sollst mir zur Geliebten taugen!

Vision des Christus Jesus zwischen Sternen,
Die Füße glühen wie das Gold im Erz,
Der Christus wandelt in den Himmelsfernen,
Der Feuerflamme lodernd gleicht sein Herz,
Jetzt darf ich von dem Meister lieben lernen,
Die wahre Liebe, die umarmt den Schmerz,
Fort, fort sind alle elterlichen Flüche:
Geliebte bist du deines Gottes, Psyche!

Ihr Sklaven, dient nur treulich eurem Herren!
Die Zeitung aber spricht von Spartakus,
In der Gazette uns die Narren närren,
Die Göttin Freiheit gäb ihm einen Kuss!
Hier sehen wir die armen Sklaven plärren:
Ihr Reichen lebt in solchem Weltgenuss,
Wir wollen auch die Stoffe so genießen,
Auch uns soll Luxus reiche Früchte sprießen!

Entlaufen Spartakus mit Gladiatoren
Dem Kampfspiel in dem Circus bis aufs Blut!
Senator Marcus jagte nach dem Toren,
Der wütete mit wilden Wolfes Wut.
Wir Sklaven sind zur Freiheit auch geboren,
Begehren auch der reichen Herren Gut!
Das Kämpfen heiß erhitzte die Gemüter!
Ihr Herren, gebt uns eure Erdengüter!

Held Spartakus mit seinem Pöbelhaufen
Verbarg sich an dem Hange des Vesuv.
Die Pöbelmassen, ihren Herrn entlaufen,
Ein Freiheitsreich von Anarchisten schuf.
Sie wollten sich die reichen Ritter kaufen,
Das Kampfspiel war ihr heiliger Beruf,
Die Göttin Freiheit Inhalt ihres Glaubens,
Ihr Kampf ein Kampf des Mordens und des Raubens.

Ihr Sklaven, werdet Revolutionäre
Und baut auf Erden euch ein Paradies!
Den Senatoren, Rittern nehmt die Ehre,
Den Ritter, Bauer, auf die Forke spieß!
Die Göttin Freiheit gibt uns die Gewehre
Und Waffen! Wehr und Waffen! Überdies
Den Braten selber, nicht nur das Aroma!
Sei unser Schlachtruf: Stürzet nieder Roma!

Jetzt vorwärts, Spartakus, mit Pöbelmassen,
Befreit das Lumpenproletariat!
Die Pöbelmasse aus den Gossen, Gassen,
Wird stürzen römischer Cäsaren Staat!
Stürzt Rom! Die Freiheit lüstern zu umfassen,
Der Freiheit opfert Menschenblut zur Saat!
Ja, vorwärts, Kommunisten, Sansculotten
Und Spartakisten, selbst uns zu vergotten!

Ich möchte in das Königreich Sizilien,
Ich will in der Phäaken Königreich,
Die Mädchen allesamt wie schlanke Lilien
Am Strande tanzen, Blumen samtenweich,
Nausikaa in nächtlichen Vigilien
Sprach mit Athena, die sprach gnadenreich:
Willst du nach schönen Liebesfreuden haschen,
Geh, Kindchen, deine Wäsche heut zu waschen!

Nausikaa so eilte zum Gewässer,
Das weiße Linnen reinzuwaschen dort.
Die Mädchen wussten etwas, das ist besser,
Sie spielten mit dem Balle Fangen, fort
Und fort die schönen Mädchen, scharf wie Messer,
Im Spiele scherzten, schwatzten Wort um Wort,
Bis schließlich jener Ball von dannen rollte,
Als ob er in den tiefen Brunnen wollte.

Ulyß verlassen hatte die Kalypse,
Die süße Göttin höchster Sinnlichkeit,
Doch seine Meeresfahrt, gleich der Eklipse
Der Luna, dunkle Nacht war weit und breit,
Das Element wie in der Apokalypse
Wild wütete, als voller Herrlichkeit
Ulyß sah seine Retterin! Im Büchlein
Homers steht, dass sie sinken ließ ihr Tüchlein.

Der Göttin Leukothea Tüchlein hatte
Gerettet aus dem Wettersturm Ulyß,
Noch war er schwächlich wie ein Todesschatte,
Entkommen dem abgründigen Abyss,
Ein Feigenblatt verhüllte seine Latte,
Als ob er sich vor Gott verbergen müss,
So nackend lag Odysseus an dem Strande
Wie Don Juan dereinst halbtot im Sande.

Die Mädchen aber flohen vor dem Nackten,
Nausikaa war voller Sympathie,
In ihren Augen Eros’ Fackeln flackten,
Sie war charmant und reizend wie Haidi,
Als sie die heiligen Eroten packten
Und sie geheimen Wollustschauders schrie,
So steht geschrieben in Homeros Liede,
Als Er vor Ihr erschien mit hartem Gliede!

Romanze, jetzo sing ich Hochzeitswonnen!
Nun Braut und Bräutigam auf dem Vesuv
In heißen Liebesfreuden sind zerronnen,
So nackt, wie Gott sie einst in Eden schuf,
Der Bräutigam hat seine Braut gewonnen,
Nur Liebe war sein heiligster Beruf,
In Ganzhingabe aller Lebenstriebe
Er liebte sie mit Ewiglicher Liebe!

Vulkan Vesuv mit lautem Donnerbeben
Die heiße Lava spuckte aus dem Mund,
Die Eingeweide des Vulkanes streben
Hinaus aus seinem abgrundtiefen Schlund
Und Eisenbälle voll des Feuers Leben
Aufsteigen aus dem innerlichsten Grund
Und wie Raketen Feuerflammen schießen
Und heiße Lavafluten sich ergießen!

Der Magna Mater Magma! Lavafluten
Heiß fluten aus dem brennenden Vulkan,
Vulkan und Venus freiten sich in Gluten
Nach Joves allerhöchstem Weltenplan,
Die Feuerbälle beben, Flammen bluten,
Da Braut und Bräutigam einander nahn
Wie Venus und Vulkanos oder Chawwa
Und Adam! Wie ergoß sich heiß die Lava!

Wie schossen aus dem Abgrund Flammenbälle
Und tanzten wirbelnd in dem Dampf der Luft!
Wie brachen nieder alle Mauerwälle,
Wie brach der Deckel von der Totengruft!
Wie zuckten Flammen auf in heißer Schnelle
Und Magma wälzte sich in Feuerduft
Und heiße Feuerfluten aus dem Felsen
Sich Felsenhänge glühend niederwälzen!

Gott schaut die Berge an, die Berge rauchen,
Vom Berge steigt herauf ein heißer Dampf,
Gott muß nur seinen Feueratem hauchen,
Schon triumphiert die Liebe in dem Kampf,
Erlösung, welche unsre Leiber brauchen,
Erlösung uns erlöst im letzten Krampf,
In Lavaglut der höchsten Reinigungen
Verzücken liebende Vereinigungen!

Ja, ich bin Adam, du bist meine Eva,
Ich bin dein Yang und du bist meine Yin,
Du bist Ecclesia und ich bin Kefa,
Ich Herr und du die Himmelskönigin,
Ich Ritter Lanzelot, du Gineveva,
Ich bin der Buddha, du die Guan Yin,
Komm mit mir, Liebe, über sieben Meere,
Wir segeln jetzt zur Insel der Cythere!

Ich Seelenfunken und du Seelenfunken,
Ich Teilchen Lichts und du ein Teilchen Lichts,
In deine Seele selig ich versunken
Und wir versunken in dem reinen Nichts.
Ich hab an deiner Brust die Milch getrunken,
Du bist die Himmelsmuse des Gedichts.
Komm mit mir, durch die absolute Leere,
Wir segeln bis zur Insel der Cythere!

Ost-Indien du, West-Indien ich, wir beide
Empfinden gleicherweise Gottes Geist.
Ich schwarzer Samt und du die weiße Seide,
Ein Engel uns durch alle Sphären reißt.
Ich drittes Auge, du die Augenweide,
Du Weisheit, die den Weg dem Weisen weist.
Komm mit, zurück bleibt jetzt der Geist der Schwere,
Wir fliegen auf die Insel der Cythere!

Ich bin der Mars und hab den harten Hammer,
Du bist die Venus mit dem Sex-Appeal!
Zurück bleibt jetzt das Tränental voll Jammer,
Es lächelt Seligkeit am Glaubensziel.
Ich war Gebet allein in meiner Kammer,
Du warst die Heiterkeit im Kinderspiel.
Du Engelskönigin, ich Herr der Heere,
Wir leben auf der Insel der Cythere!

Mein Teilchen Licht versunken ist im Westen,
Dein Teilchen Licht erstand im Orient.
Wir feiern selig auf Geburtstagsfesten
In Eden, wo mein Ich dein Ich erkennt.
Die Schönste du, ich einer von den Besten,
In Ewigkeit man uns zusammen nennt!
Ich mich nach deiner Ewigkeit verzehre –
Beglück mich auf der Insel der Cythere!