Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

DIE TANTRISCHE PARTNERIN DEVI




Von Josef Maria Mayer


ERSTES LIED


Es war einmal ein Eremit,
Der lebte so asketisch,
Daß alle Götter bangten um
Die Herrschaft in dem Himmel.

Der Himmelskönig Indra ihm
Die Frau Urvaschi schickte,
Apsara war Urvaschi, schön
Und reizend und erotisch!

Und als der Eremit geschaut
Die reizende Urvaschi,
Den Mannessamen schüttelte
Er in den Schoß der Erde.

Und so verlor der Eremit
Die Geistkraft der Askese.
Des Eremiten Spermien
Nun die Gazelle leckte –

Und die Gazelle so gebar
Des Eremiten Sprössling,
Den Sohn mit dem Gazellenhorn,
Gezeugt von seinem Samen.

Der Eremit bereute heiß
Die sündige Verfehlung,
Die Selbstbeherrschung er zurück
Gewann durch Buße, Fasten.

Er zog im Dschungel auf den Sohn
Inmitten wilder Tiere
Und fern von Frauen voller Reiz
Und lehrte ihn das Beten.

Im Lande eine Trockenheit
Verhängte König Indra
Für ein Vergehn im Königshaus,
So Buße ward benötigt.

Zum Ritual der Fruchtbarkeit,
Zu einem Regenzauber
Der Sohn mit dem Gazellenhorn
Gelockt ward aus dem Dschungel.

Er sollte an dem Königshof
Sich einen der Prinzessin
In ritueller Einigung
Als Zauber kopulieren.

Der Sohn mit dem Gazellenhorn
Den Eremiten-Vater
In Demut und in Ehrfurcht ehrt
Und neigt sich vor dem Vater.

Doch die Prinzessin an dem Hof,
Des Königs Kurtisanen,
Sie heuchelten die Demut nur,
Verhöhnten nur den Alten.

Den Jungen doch gewannen sie,
Der Jüngling blieb vereinigt
Mit der Prinzessin in dem Akt,
Zum Zauber kopulierend.

Der rituelle Liebesakt
Des schwülen Regenzaubers
Des Regens lebensspendende
Befruchtung rief hernieder.

Doch nach dem Liebesritual
Der Sohn mit seinem Vater
Ging wieder in die Einsamkeit,
Zu büßen in dem Dschungel.


ZWEITES LIED


O Devi, meine Königin,
Du allerhöchste Göttin,
Ich preise deiner Brüste Paar,
Ich lobe deinen Busen!

Die Doppelbrüste sind wie Schnee
In Nepal oder Tibet,
Erhabener Himalaya,
O Göttin, ist dein Busen!

Die Brüste glänzen wie der Mond,
Sind rund, von reinem Silber,
Aus diesem Monde tropft die Milch
Für alle Menschen nieder.

Von dem erhabenen Gebirg
Der Brust der Großen Mutter,
Von ihren Jadeknospen spritzt
Die süße Milch des Trostes!

Herab von dem Himalaya
Der Ganga Fluten strömen,
Doch von der Göttin Mutterbrust
Die Galaxieen fluten.

O Devi, Göttin, Königin,
Du bist die Große Mutter,
Ich berge mich an deiner Brust,
Am Herzen und am Busen.

Du, Devi, birgst mich an der Brust,
Mit Muttermilch mich stillend,
Und lispelst voller Zärtlichkeit:
Ist alles gut, mein Söhnchen!

O Devi, Göttin, Königin,
Du Ewige Geliebte,
Ich preise deine Himmelsbrust,
Die Brüste paradiesisch!

Der Maya Schleier noch verbirgt
Der Göttin bloße Brüste,
Der Maya Schleier, seidenweiß,
Verhüllt die Himmelsbrüste.

O Devi, meine Königin
Und große Liebesgöttin,
Doch du hast mir schon offenbart
Die Süße deiner Brüste!

Der Maya-Schleier teilte sich,
In Wollust der Erleuchtung
Ich sah der Göttin Himmelsbrust,
Des Paradieses Brüste!

Aus Mayas Schleier quollen mir
Die Brüste Devis milchweiß,
Ich sah bereits das Paradies
An ihren Brüsten baumeln.

Im Himmelsgarten war ich schon
Und sah die Wollust strömen
Und Muttermilch der Galaxie
Von Devis prallen Brüsten!

Ach, Leben ist ein Leiden nur,
Ein Unglück der Geburtstag,
Verlöschen will ich in dem Meer
Der Milch der Brüste Devis!

O weltenschöpferische Lust!
Als Gott die Welt erschaffen,
War der Allmächtige erregt
Von Devis reinem Busen!

Als Devi schüttelte die Brust,
Der Schöpfer, der Potente,
Potenz verwandelte in Akt
Und schuf die Galaxieen.

Zuletzt vergehen Raum und Zeit,
Der Maya Schleier fallen,
Ich liege dann im Paradies
An Devis Himmelsbrüsten!

O Göttin Devi, deine Brust
Erlöse mich vom Leiden,
An deine Brust gebettet, ich
Verschmelz mit deiner Liebe!


DRITTES LIED


Gott Shiva suchte einmal heim
Den Ashram der Asketen
Und ihrer Ehefrauen auch,
Die lebten auch asketisch,

Und ihrer kleinen Kinder auch,
Die lernten meditieren,
Es war in einem Zedernwald
Des großen Himalaya.

Hier stiftet Gott den Phallus-Kult,
Den Phallus nennt man Lingam.
Denn Gott ging nackend in den Hain
Der büßenden Asketen.

Die Eremiten waren fort,
Sie sammelten die Früchte
Zur Speise in dem Zedernwald
Des großen Himalaya.

Die Ehefrauen reizten Gott
Erotischer Gebärden,
Sie reizten durch erotische
Gespräche Deva Shiva.

Der Gott befriedigte die Lust
Der schönen Ehefrauen
Und ihrer hübschen Töchter auch
Durch beste Liebesakte.

Als die Asketen kehrten heim
Von ihrem Früchtesammeln,
Da schmähten sie den großen Gott,
Der ihren Fraun befriedigt.

Um deines Phallus willen, Herr,
Du nahmst uns unsre Frauen,
Um deines Phallus willen, Herr,
Du nahmst uns unsre Mädchen!

Und der Asketen Männerschar
Verwünschte Deva Shiva:
Verlieren wirst du, Herr, dein Glied,
Verlieren deinen Phallus!

Der Fluch ging in Erfüllung, Gott
Verlor den eignen Phallus,
Der Phallus fiel zu Boden und
Verbrannte Mutter Erde,

Verbrannte fast das ganze All!
Gott Vischnu kam als Retter
Und kam als eines Weibes Scham,
Als einer Göttin Vulva.

Der großen Göttin Vulva nun
Empfing des Gottes Phallus
Und Shiva findet Ruhe in
Dem Schoß der Göttin Devi.

Gott gab den Menschen Frieden, wie
Die Welt nicht gibt den Frieden:
Nur ehret Gottes Phallus und
Der Göttin Devi Vulva!


VIERTES LIED


Gott Shiva der Askese gab
Sich hin mit Beten, Fasten.
Der Allerhöchste Himmelsgott
Doch hatte andren Willen.

Gott Shiva sollte zeugen mit
Der göttlichen Parvati
Den Helden, der als Retter schützt
Die Welt vor den Dämonen.

Der Allerhöchste Himmelsgott
Berief den Herrscher Kama:
Gott Kama, Gott der Liebeslust,
Stör Shivas Meditieren!

Gott Kama, Gott der Liebeslust,
Er störte Shivas Fasten,
Sein immerwährendes Gebet,
Sein Büßen, Meditieren.

Gott Shiva wütete voll Zorn:
Ein blinder Abgott Kama,
Du Gott der schwülen Sinnlichkeit,
Du wüster Ehebrecher,

Der sündigen Erotik Gott,
Des Ehebruchs, der Unzucht,
Nicht stör mein heiliges Gebet
Durch Phantasien der Wollust!

Gott Shiva musste aber doch,
Weil Kama es so wollte,
Gott Shiva musste aber doch
Begehren eine Göttin!

Gott Shiva aber voller Zorn
Mit seinem dritten Auge
Des Zornes Blitze schleuderte
Und so verbrannte Kama.

Gott Kama tot, Gott Kama tot!
Gestorben ist die Liebe!
Gott Kama aber auferstand!
Erstanden ist die Liebe!

Gott Kama, der allmächtige,
Gebot dem Gotte Shiva:
Die göttliche Parvati du
In heißer Wollust liebe!

Der göttlichen Parvati Reiz
Ist doch der Gott erlegen,
Allmächtig ist der Göttin Reiz,
Allmächtig Devis Reize!

Nun Ewigkeit um Ewigkeit
Der Gott die Göttin liebte,
Ein Liebesakt in Ewigkeit,
Ein Kopulieren ewig!

Der Allerhöchste Himmelsgott
Sah, dass verbrennt der Kosmos,
Wenn Gott die Göttin ewig liebt
In heißen Liebesakten!

Der Allerhöchste Himmelsgott
Den Gott des Feuers sandte,
Gott Agni also ward geschickt
Zum Liebespaar in Paarung.

Der Gott des Feuers also sprach:
Gott, es verbrennt der Kosmos,
Wenn du in heißer Leidenschaft
Erkennst die Göttin Devi!

Kehr um und tue wieder Buß
Und bete, bete, bete,
Bei Wasser faste du und Brot
Und mystisch kontempliere!

Wenn Shiva handelt als Asket
In tiefstem Kontemplieren,
Die göttliche Parvati auch
Wird stille meditieren.

Wenn Shiva aber lodernd glüht
In göttlicher Erotik,
Der göttlichen Parvati Reiz
Wird überaus erotisch!


FÜNFTES LIED


Sechstausend Jahre im Gebet
Der Philosoph Vasischta,
Als Saraswati ihm erschien,
Die große Weisheitsgöttin:

Ich zeige dir den Weg zum Heil,
Geh du nach Mahachina!
So also ging der Philosoph
Und kam nach Mahachina.

Dort schaute er den großen Gott,
Den Gott des Lebens, Vishnu,
Verkörpert war der Gott im Fleisch
Des makellosen Buddha.

Gott Buddha sah der Philosoph
Nicht mystisch meditieren,
Nein, Buddha kopulierte wild
Mit vielen nackten Weibern.

Der Philosoph die Stellungen
Sah Buddhas in der Liebe,
Mund-Einung praktizierte gar
An Buddha einen Nonne.

Da staunte doch der Philosoph,
Doch Buddha weise lächelnd
Zum Philosophen leise sprach:
Ist mystische Erotik.

Schau dort, die Männer stark und nackt,
Sie wollen kopulieren
Und liebend sich vereinigen
Der Göttin Devi Vulva!

Nicht aus gemeiner Sinnlichkeit,
Gemeinen Fleischeslüsten
Sie wollen sich vereinigen
Der Göttin Devi Vulva.

Sie beten Göttin Devi an
Als Große Muttergöttin,
Erleuchtet werden sie im Akt
Der Einigung mit Devi!

Erleuchtung findet so der Mann
Durch Einigung mit Devi,
Versinkt im lichten Ozean
Der Absoluten Liebe!


SECHSTES LIED


Man spricht vom Dalai Lama viel,
Vom sechsten Dalai Lama,
Der in der Klosterzelle sehr
Geliebt hat Wein und Weiber

Und Lieder von der Liebeslust
In der Askese Orden.
Von Mönchen und von Laien ward
Verehrt der Dalai Lama.

Wer Wein und Weiber und Gesang
Nicht liebt, der ist ein Dummkopf!
Ein religiöses Vorbild für
Das Leben in Askese

Der sechste Dalai Lama ist,
Da voll die Klosterzellen
Von der erotischen Begier
Der wunderschönen Frauen!

Gedanken denkt der Inder ja,
Denkt an des Mannes Stärkung
Durch der Erotik Reiz der Frau,
Doch nicht nur theoretisch,

Nein, praktisch ist der Frauen Reiz
Unmittelbar Erfahrung.
So der Erotik Sprache spricht
Der Mönch in seiner Mystik.

In dem Buddhismus hat ein Wort
Auch geistige Aspekte
Und leibliche Aspekte auch,
Ist alles doppelsinnig.

Die Gleichheit der Gefühle ist
Das Einssein im Genießen,
Das ist der beste Koitus,
Die Einheit des Genießens.

Gedanken unterdrücke du,
Du spare deinen Samen!
Den Gang des Atems halte an,
Den Samen nicht verschütte!

Ein wildes Weib der Wollust ist
Die Göttin höchster Weisheit!
Ja, ein verficktes Luder ist
Die Herrin aller Einsicht!

Gott Vater ist im Himmelreich,
Die Göttin ist die Mutter.
Gott Vater ist der große Yab
Und Yum die Große Mutter.

Von Yab und Yum die Einigung
Ist mystische Erotik.
Da kommt die Zunge auch ins Spiel,
Erlösung zu erreichen.

Gott Vater ist der große Yab
Und Yum die Große Mutter
Und Yab und Yum die Einigung
Des Deva mit der Devi.

Bei Hinduisten aber ist
Der Gott passiv und statisch,
Die Göttin aber ist aktiv,
Sie reitet auf dem Gotte.

Bei Lamaisten aber ist
Der Gott aktiv und kräftig,
Die Göttin aber ist passiv,
Die Devi ist Empfängnis.

Ja, heiligste Empfängnis ist
Bei Lamaisten Devi,
Bei Hinduisten wird der Gott
Von Devis Kraft geritten!


SIEBENTES LIED


Im Kamasutra lesen wir
Von der besondern Stellung
Der umgekehrten Liebeslust,
Von Dichtern oft besungen,

So Kalidasa schrieb davon
Und davon schrieb Amaru,
Die umgekehrte Liebeslust
Hat ihnen gut gefallen!

Im Kamasutra lesen wir
Vom Mundverkehr, im Süden
Geläufig ist der Mundverkehr,
Der heißt Auparishtaka.

Gesetzeslehrer Indiens,
Der Ethik Moralisten,
Zwar rügen sehr den Mundverkehr,
Doch sieht man ihn in Tempeln.

Auch Buddha, der Erleuchtete,
An seinem Lingam liebte
Mit Lippen und mit Zungenspiel
Das Saugen seiner Shakti.

Und das Gesetz des Manu spricht
Von der Gandharven-Ehe,
Beruhend auf der liebenden
Begierde nach Vereinung.

Empfohlen wird die Stellung auch
Des Aktes in dem Wasser,
Der Mann vereinigt sich der Frau
In einem Badebecken!


ACHTES LIED


Die Frauen sind den Blumen gleich,
Der Frauen Ganzhingabe
Ist scharf wie Kamas Blütenpfeil,
Des Papageien-Reiters!

Verletzlich ist die schöne Frau
Und gleicht auch einer Waffe,
Ach, Kamas sanfter Blumenpfeil
Ist hart wie Diamanten!

Die Liebenden entfliehn der Welt,
Gehn zur Natur, der Mutter,
Von Menschen zu den Tieren, sehn
Der Turteltauben Treue,

Wie treu die Schwanin ist dem Schwan,
Wie treu der Erpel-Witwer
Um seine Ente trauert, ach,
Der Erpel-Witwer einsam!

Der Pfauenmann, das Pfauenweib
Im Paradiesesgarten
Stolzieren und spazieren treu
Und prahlen mit den Schwänzen!

Ach, voller Sehnsucht eilt mein Herz
Dem Kranich nach, der droben
Hoch über der Geliebten Haus
Am Himmel einsam wandert!

Und auch die Nymphensittiche
Im Haus des Mädchens schwatzen,
Wenn sie in ihrem Bette liegt,
Den nackten Arm nur zeigend.

Ach Radha, Freundin ihres Herrn,
Sie hasst ihr Wimpernzucken,
Weil dieses Wimpernzucken stört
Das Anschaun des Geliebten!

Das Aug der Angebeteten
Ist blau wie blaue Blumen,
Das Aug der Angebeteten
Ist grausam wie ein Mörder!

Die Luna, die mich sonst erquickt
Mit balsamgleicher Nässe,
Da ich verzweifelt seelenkrank,
Sie tröpfelt Gift statt Nektar.

O Luna, in dem Inneren
Des Schimmers birgst du Kühle,
Den glücklos Liebenden jedoch
Verzehrst du mit der Weißglut!

Des Liebesgottes Asche noch
Bewirkt der Luna Hitze,
Seit Gott die Asche ausgestreut
Auf Lunas Blumen, Bienen.

Der Luna Sichel trägt die Frau,
Die einst Siddharta liebte,
Dem Monde gleich ist Buddhas Stirn,
Der Luna gleich erleuchtend.

Bilkana, du als Liebender
Sinkst nieder vor der Herrin,
Erfuhrst des Kama Leidenschaft
Und früh des Todes Nähe!

Ach Radha, Freundin meines Herrn,
Du bist die Einzelseele,
Die strebt nach der Vereinigung
Mit Gottes Weltenseele.

Ach Radha, Freundin meines Herrn,
Die Liebe ist unstillbar!
Ist unerfüllbar! Darum liebst
Du mehr als alle andern!

Die Singenden verherrlichen
Die Heiligkeit der Liebe,
Wenn die Geliebte nicht Besitz
Ist, sondern ist Verheißung!

Die Liebe gibt nicht Sicherheit,
Die Liebe bleibt ein Wagnis,
Die Liebe ist kein Alltagsjoch,
Die Herrin bleibt Verheißung!


NEUNTES LIED


Wie ist entstanden diese Welt?
Ob Deva meditierte
Und Devi meditierte auch,
Ideen wurden sichtbar?

Wie ist entstanden diese Welt?
Ob Deva kopulierte
Mit Devi in Vereinigung,
Potenz ward so zum Akte?

Ob Deva spielte eben Schach
In Ewigkeit mit Devi
Und sie sich stritten bei dem Spiel –
Und wieder sich versöhnten –

Und die Versöhnung feierten
Mit süßen Liebesspielen
Und schufen in dem Liebesspiel
Vereinigt dieses Weltall?

Ob Devi eifersüchtig ward,
Als Deva sich verguckte
Ins junge Mädchen Ganga, die
Vom Himmel kam hernieder?

Ob Deva einst und Devi einst
Ein einig Wesen waren,
Sich in zwei Götter spalteten
Und ewig sich begehren?

Ob Devi einst im Mundverkehr
Den Lingam Devas schmeckte
Und so der Same sich ergoss,
Aus dem das All entstanden?


ZEHNTES LIED


Hüt dich vor der Verführerin,
Die aussaugt deinen Samen!
Dem Jüngling stellt sie reizend nach,
Im Netz ihn einzufangen!

Die Freundin lüstern hinterm Vorhang sieht,
Wie die Kokotte heuchelt,
Sie wäre eine keusche Magd
Des allerhöchsten Gottes.

Ich sehe Shiva, stürmisch, heiß,
Die göttliche Parvati
Will sich dem Liebenden entziehn,
Weil er zu heiß und stürmisch!

Ich sehe eine Nymphe, die
Berechnend leichtbekleidet
Den Freier reizen will, indem
Sie halb entblößt die Brüste

Und mit der weißen Lotoshand
An ihrem Kleidchen nestelt,
Um aufzustacheln die Begier
Des liebestollen Freiers!

Ich seh die Frau dem Baume gleich,
Gleich einem Lebensbaume.
Ich seh auf grünen Wiesen still
Die Liebenden spazieren.

Ich seh die Tropfen Tau im Gras
Und sehe dunkle Wäldchen
Und kenne diese Zeugungslust
Zum Ewiglichen Leben!

Ich hab gesehn das Pfauenpaar
Im Paradiesesgarten
Stolzieren um das Krischna-Kind,
Voll Gier nach Sinneslüsten!

Nur vordergründig ist die Lust
Des Liebesliedes Thema,
Der Kern des Liebesliedes ist
Vereinigung mit Brahma.

Des Lebens Spenderin, die Frau,
Spricht mit dem Papageien,
Der mit dem spitzen Schnabel pickt
In ihren Mittelfinger.

Ich sehe Götterstatuen
Von Nymphen, welche trinken,
Ich denke bei dem Becher Wein
Auch an die Frucht der Liebe.

Dem Beter schreibe in sein Buch,
Daß Weib und Wein betören
Den Weisen! Aber allermeist
Betören sie die Toren!

Ach, einst umarmte mich die Frau,
Dann hat sie mich verlassen.
Ich konnte denken nur an sie,
Ich konnte nur noch seufzen!

Ich fühlte mich so sinnlos leer
Und war unendlich traurig!
Doch schließlich der Asketensohn
Begegnet der Prinzessin,

Die führt zurück ihn zu der Lust,
Zu Lust und Lebensliebe!
Zur Lust an der Geschlechtlichkeit
Und Freude an der Zeugung!

Ich sehe Buddhas Schüler auch,
Den jugendlichen Nanda,
Sundari ihn bezauberte,
Sundari, diese Nymphe.

Wenn sie vorm Spiegel sich geschminkt,
Schminktöpfchen standen offen,
Sie legte, ah, den Lippenstift
An ihre roten Lippen!


ELFTES LIED


Der Liebe Eintracht offenbart
Sich evident im Schauen!
Vereint schaut in den Spiegel ihr,
Wird eure Liebe sichtbar!

Was darf ich in dem Spiegel schaun?
Ich schaue in dem Spiegel
In einem dunklen Innenraum
Des Weines Langhalsflasche.

Des Weines Langhalsflasche steht
In einer schmalen Nische.
Die runde Büchse seh ich auch,
Vom Deckel halb verschlossen.

Die runde Büchse seh ich auch,
Die Büchse mit der Schminke.
Ich seh die Göttin und den Gott
Betrachten sich im Spiegel.

Sie schauen an ihr Spiegelbild,
Sie stehn in einem Garten,
Ich sehe die Fontäne sprühn,
Ergießen ihre Samen.

Im Hintergrunde Liebesspiel
Von einem Affenpärchen.
Die Affen schamlos fingern an
Dem eigenen Geschlechtsteil.

Ich sehe Krishna, wie er schminkt
Die Vielgeliebte Radha
Und schminkt mit rotem Lippenstift
Der Freundin weiche Lippen.

Und Krishna kann sich gar nicht mehr
Losreißen von dem Anblick,
Wie dieser rote Lippenstift
Der Freundin Lippen rötet!

Es gibt ja immer einen Grund
Für einen Mann voll Liebe,
Daß er sich sklavisch niederwirft
Zu seiner Herrin Füßen.

Vielleicht beleidigte der Mann
Versehentlich die Herrin,
So dass die Vielgeliebte schmollt
Mit einem süßen Schmollmund!

Ich sehe Radha, die sich schmückt,
Sich kleidet an vorm Spiegel,
Und Krishna in der Luna Schein,
Er spioniert durchs Fenster.

Doch Radha schaut im Spiegel ihn,
Wie er sie heimlich anstarrt,
Sie zupft ein wenig an dem Kleid,
Lässt halb die Brüste sehen.

Dann bittet sie den Gott herein,
Die Freundin bittet Krishna:
Bemale du die Brüste mir
Mit Henna-Ornamenten!

Der Höhepunkt der Mystik ist
Das Tanzen in Ekstase,
Im weltenschöpferischen Tanz,
Dem Tanz des Liebesaktes!

Die Freundin und die Freundinnen
Verließen ihre Gatten
Und schlossen sich dem Gotte an,
Jetzt betteln sie um Liebe!

Der Gott gibt ihrem Betteln nach
Und lädt sie ein zum Rundtanz,
Doch dann entzieht sich ihnen Gott,
Um dann zurückzukehren,

Daß er die Freundinnen belehrt
Vom Tun der Gottesliebe
Und dass nie fern von denen Gott,
Die Gott im Innern tragen.

Und wieder mit den Freundinnen
Tanzt Krishna seinen Rundtanz,
Der Eine Gott zu Göttern wird –
Ein Gott für jede Freundin!


ZWÖLFTES LIED


Oh, nichts als Liebesstimmungen,
Ein rundes Jahr der Liebe,
Zwölf Monde sehe ich gemalt
Von der Natur der Liebe!

Empfindungen der Liebenden
In allen Jahreszeiten,
Der Liebenden Erotik in
Der Liebe schönem Garten!

Im Wintermonat rücken dicht
Die Liebenden zusammen,
Das Feuer knistert in dem Herd,
Warm werden Leib und Seele.

Dann in den Tagen des Monsun
Das Liebespaar empfindet
Wie Pfauenweib und Pfauenmann.
Die Wolke platzt – es regnet!

Sie denken bei dem Regenguss,
Wenn aufgeplatzt die Wolke,
Ans Hochzeitfest von Himmelreich
Mit Mutter schwarzer Erde!

Dann denken an den Efeu wir,
Umschlingend starken Eichbaum!
An Rebenranken denken wir,
Die ranken an der Ulme!

Wir denken an den heißen Blitz,
Wie wirbt er um die Wolke!
Wir denken an den Donnergott,
In seiner Hand der Hammer!

Wir denken an das Pfauenpaar,
Das Weibchen und das Männchen,
Die künden an mit schrillem Schrei
Die universelle Hochzeit!

Und dann – kurz vor der Regenzeit –
Der Himmel ist voll Wolken,
Voll Regenguss verheißenden,
Voll dicht geballten Wolken.

Da fliegt ein Paar von Kranichen
Hoch überm Liebesgarten
Gen Himmel, um zuerst das Nass
Des Segens zu erhaschen!

Die Dame sitzt allein im Haus,
Erwartet den Geliebten.
Der Pfau entfaltet seinen Schwanz
Erotischen Begehrens!

Ich sehe einen Pavillon
An einem Teich im Garten.
Da gibt sich hin das Liebespaar
Geheimen Liebesfreuden!

In einem Gartenpavillon
Der Gott und seine Freundin
Erwarten, dass der Regen stürzt
Aus dicht geballter Wolke.

Hier treffen sich der Liebenden
Verliebte Augenblitze
Und ihre Augen sprechen aus
Die heimlich-süße Liebe,

Ob sie auch einem anderen
Vermählt ist in der Ehe –
Ob er auch lebt allein als Mönch
Im keuschen Zölibate –

Zehn Stufen bis zum Liebestod!
Der Hund nur und die Hündin
Auf Wiesen dürfen spielen, was
Den Liebenden verboten!

Und nur das Turteltaubenpaar
Darf schnäbeln, rucken, picken!
Erbarm dich unser, Gott und Herr!
Erbarm dich meiner, Devi!