Von Josef Maria Mayer
„Und die mystische Brunst nimmt zu an Leidenschaft.“
(Rimbaud)
DIE HEILIGE APHRA
Sonette
1
Narzissus Bischof war und Felix Diakon,
Sie lebten Christus treu im süßen Lande Spanien.
Der Cäsar Roms jedoch, der Abgott auf dem Thron,
Er trieb die beiden fort von Spanien nach Germanien.
Der Cäsar Roms war stolz und sah sich an als Gott,
Des Hochmuts Inbegriff, unglaublich aufgeblasen!
Für Jesus hatte er nichts als nur Hohn und Spott,
Vor Zorn und Eifersucht sah man den Kaiser rasen.
Narzissus also sah man mit dem Freunde traben
Nach Rätien hinauf, ins gottgeliebte Schwaben,
Augusta war geweiht in Augsburgs Stadt die Burg.
Narzissus betete: Frau Weisheit, Demiurg,
Frau Weisheit, deinem Sohn und Mann die Schritte lenke!
Zu Aphra kamen sie in ihre Herbergs-Schenke.
2
Frau Aphra war sehr schön, wie eine Lilienblüte,
Der Schönheit Inbegriff, Bild der Urania.
Frau Aphra war geweiht der Aphrodite
Von ihrem Mütterchen, der Frau Hilaria.
Stets ein Soldat von Rom war in der Nacht als Buhle
In ihrem Freudenhaus und liebte Aphra da,
Sie liebte jeden Mann, der Göttin Hierodule,
Sie prostituierte sich zum Lob der Cypria.
Die Mutter und die Magd und auch der Mutterbruder
Dionysos im Haus dort lebten mit dem Luder.
Und Aphra war sehr stolz auf ihre große Brust
Und ihre Liebeskunst. Die flüchtig süße Lust
Sie gab allnächtlich Roms Soldaten hin freiwillig.
Nicht spröde geizte sie mit Reizen, gab sich billig.
3
Als nun Narzissus saß in ihrem Haus am Tisch,
Da sprach er ein Gebet: Gott, du hast uns gegeben
Zur Speise weißes Brot und Eier auch und Fisch,
Zu allem Überfluß dazu den Saft der Reben!
Da staunte Aphra schon, als sie Narzissus sah
Bei seinem Dankgebet. Allein des Nachts im Dunkeln
In seinem Kämmerchen Narzissus wachend da
Die Nacht lang im Gebet saß bei der Sterne Funkeln.
Und Aphra dachte sich: Was ist das für ein Gott,
Der solche Liebe weckt? Ein Odem im Schamott
Ist doch der Mensch und muß den Geist zur Gottheit hauchen.
Den Atem Gottes sah aus Gottes Mund ich rauchen!
Narzissus, lehre mich, sprich vom Mysterium
Des Atems Gottes und vom Evangelium!
4
Narzissus sprach zu ihr von Gottes schöner Liebe
Und von dem Retter, der für sie gestorben ist!
Narzissus sprach davon, wie Gott mit starkem Triebe
Vom Tode auferweckt den Retter Jesus Christ.
Narzissus sprach davon, wie Christi Auferstehung
Auch auferstehen lässt die ganze Christenheit.
In Aphras Denken da vollzog sich eine Drehung,
Sie wollte auch vom Herrn des Lebens Ewigkeit!
Gott goss ihr ein den Geist im Wasserbad der Taufe,
Daß er die Seele ihr vom Sündenlohn loskaufe,
Der Inkel ward getauft, die Mutter und die Magd.
Und Aphra hat sich von der Unzucht losgesagt,
Von der Befriedigung der animalischen Triebe
Bekehrte Aphra sich zur Gottheit Ewiger Liebe!
5
Und Aphras Freudenhaus ward nun zum Gotteshaus,
Geweiht der lieben Frau, der Jungfrau Immaculata!
Der Herr in seinem Fleisch ging darin ein und aus
Und sprach in seinem Wort: Man las dort die Vulgata.
Und Aphra atmete den Geist der Liebe ein,
Den Sactus Spiritus, vereint dem Leib Marias.
Und sie vereinigte in liebendem Verein
Erotisch-mystisch sich dem Körper des Messias.
Sie gab das Götzenbild den Ratten, das Idol
Der Göttin, die den Sex verkörperte frivol,
Und betete nicht mehr zur Göttin Venus felix.
Barmherzig stand sie bei dem Diakonen Felix
Und gab den Armen Brot und Kindern Zärtlichkeit,
In süßer Herzlichkeit des Herrn Barmherzigkeit.
6
Narzissus aber war ein Ärgerniserreger,
Als Zeuge zeugte er, wie böse war die Welt.
Drum schickte auch die Welt die Häscher und die Jäger,
Die an den Pranger ihn vor aller Welt gestellt.
Wie hat sein Zeugnis doch die Finsternis der Heiden
Erschreckt, wie hat sein Licht die Heiden provoziert!
Er, der im Frieden war, sanftmütig und bescheiden,
Ohrfeigen er bekam von mancher Hand geschmiert.
Zuletzt erstach man ihn mit scharfem Schwert der Schmerzen!
Doch das war sein Triumph! Das Schwert in seinem Herzen,
Des bösen Feindes Schwert er machte leidend stumpf!
Er säte aus sein Blut, das Blut des Marterzeugen,
In Heidenseelen noch den Glauben zu erzeugen,
Und so bezeugte er: Vom Kreuz kommt der Triumph!
7
Die Männer hatten für den Liebesglauben Aphras
Im stolzen Herzen nichts als bösen Hohn und Spott:
O Aphrodite du geboren aus dem Aphros,
O Aphrodite du geboren aus dem Aphros,
Du Schaumgeborene, ersetz den Judengott
Und seinen Schwächlings-Sohn, den Jesus Nazarenus!
Drei Grazien vereint in Einer Göttin sind!
Groß ist die Heiligkeit der Hurengöttin Venus,
Gott Eros ist der Herr! Der Liebesgott ist blind!
O Aphra, nackt und bloß, von Reizen reich gezierte,
Der Göttin wieder dien als Tempelprostituierte!
Wer mit dir schläft, der schläft mit Aphrodite nackt!
O Große Göttin, du bist voll Potenz und Akt,
Wir beten voller Brunst zu deinen nackten Brüsten!
Sexfeindlich ist der Gott der Prüderie der Christen!
8
Oh welche Lust hab ich an diesem harten Pfahl,
An den die Heiden mich zur Agonie gebunden!
Oh du mein Marterpfahl, oh du mein Brautgemahl!
Ich habe meinen Gott im Liebestod gefunden!
Man stellt mich an den Pfahl, dich hängt man an das Kreuz,
Zusammen und vereint sind wir im Tod gebettet!
Mein Gott hat durch den Pfahl voll großer Liebe Reiz
Die Braut im Ehebett getötet und gerettet!
Oh welche große Lust hab ich an dieser Glut,
Des Lichtes Überfluß, der Gottheit fließender Flut!
Zu Tode beißen mich die heißen Flammenschlangen!
Die Kupferschlange hat im Tode mich empfangen!
Die Kupferschlange an dem Kreuz ist Jesus Christ,
Der körperlich in mich jetzt eingegangen ist!
9
In dieser Stunde, Gott, da ich verscheiden darf,
Bin ich geheilt, dein Kind, geheilt von Seelenwunden,
Die mir die Sünde schlug! O dass ich ewig harf
Der Liebe meines Herrn, die ich im Tod gefunden!
Jetzt aber bin ich froh, da meine Seele lässt
Den Todesleib zurück und aufsteigt zu der Feier
Der Schönen Liebe, zu der Hochzeit Freudenfest!
Dort spielt auf mir der Herr als wär ich seine Leier.
Jetzt hat die neue Welt der Ewigkeit begonnen,
Da Gott hat an mir Lust, da ewig sind die Wonnen
Des ewigen Lebens, ah, der Liebes-Ewigkeit!
Mit Gott dem Herrn vereint in höchster Hochzeitswonne,
Wo auferwacht mein Leib, wie schönste Sommersonne,
Versink ich in den Schoß des Herrn Barmherzigkeit!
PHRYNE VOR GERICHT
Sonette
1
Die schöne Phryne war illustre Kurtisane,
Bei weitestem war nie ein andres Weib so schön.
Du, junges Mädchen, jung erst vierzehn Jahr, ich ahne,
Du weißt von Phryne nichts und allem dem Gestöhn.
Doch sollst du wissen das, man machte einst der Phryne
Vor griechischer Justiz unheilig den Prozess.
Wie half sich selber da die Heilige, die Kühne,
Wie schwor die Heilige der Göttin die Profess?
Wir wissen davon nichts aus Hellas Kunstgeschichte,
Doch dass ich heute von der schönen Phryne dichte,
Das kommt vom reinen Wort, von der Beredsamkeit.
Es sang der Phryne Lob so mancherlei Orator,
Daß Phrynes Körper sei der Schönheit Triumphator,
Daß schöner sie sei nackt als in dem keuschen Kleid.
2
Dreihundertfünfzig Jahr vor Christus, da stand Phryne
Als Angeklagte vorm unheiligen Gericht.
Kein Zeitgenosse schrieb, wie selbst sich half die Kühne,
Indem sie offenbart der Brüste weißes Licht!
Wir wissen vom Prozess durch Schriften der Sophisten,
Denn Athenäus schrieb davon, es schrieb Plutarch
Von Phryne vorm Gericht, von ihren bloßen Brüsten,
Als man ihr drohte, sie zu legen in den Sarg.
Und Athenäus und Plutarch vernahmen alles
Von des Hermippus Wort, der sagte schönen Schalles
Von Phrynes Körper nackt und ihrer nackten Brust.
Von Idomeus von Lampsacus hatte dieses
Hermippus einst gehört. Dies Weib des Paradieses
Ist mir in Traurigkeit mein Trost und meine Lust.
3
Euthias war der Mann, der unsre Frau verklagte,
Enttäuscht war dieser Mann und voller Bitterkeit,
Weil Phryne sich ihm einst zum Liebesakt versagte,
Euthias’ Leidenschaft ward zur Gehässigkeit.
Er sagte heuchlerisch, dass Phryne gottlos wäre,
Er sagte im Gericht, dass die Gottlosigkeit
Durch Todesstrafe nur gesühnt wird, zu der Ehre
Der Götter Griechenlands und ihrer Seligkeit.
Anaximenes von Lampsacus war rhetorisch
Geschickter Advocat, verfasste oratorisch
Anklagend eine Schrift und hielt die Rede auch.
Was aber ist ein Wort von törichten Sophisten?
Ohnmächtig ist es ganz vor Phrynes bloßen Brüsten,
Reißt sie die Tunika herab bis zu dem Bauch!
4
Doch Hyperides war Verteidiger der Phryne,
Er war in sie verliebt, er liebte Phryne sehr.
Gib mir Erinnerung, o Muse Mnemosyne,
Wie Phryne war so schön wie aufgeschäumtes Meer.
Ach, Hyperides, wie du saugtest an den Brüsten,
Wie du die Weisheit und die Liebe sogest ein,
Die Weisheit saugtest du, die Weisheit der Sophisten,
Du trankest Liebeslust wie feuerroten Wein.
Zwar Hyperides nicht die Phryne nur alleine
Zur Liebeslust erkor, er war der allgemeine
Verehrer aller der Hetären voller Reiz.
So liebte er auch sehr die Kurtisane Thais,
So liebte er auch sehr die Kurtisane Lais,
Denn Frauenliebe war des Hyperides Kreuz!
5
Du, Hyperides, warst oft auf dem Fischmarkt, schauen
Du wolltest Frauen an, die dorten wandelten,
Ein wahrer Kenner du der Schönheit schöner Frauen,
Wenn feilschend auf dem Markt um Fisch sie handelten.
Und immer lüstern du, wenn Frauen auf dem Markte
In Händen hielten und noch zappelte der Fisch,
Dann deine Manneskraft in Herrlichkeit erstarkte
Und deine Lebenskraft erneuert war und frisch.
Doch mehr noch liebtest du des Abends die Exzesse
Der tollen Trunkenheit, wenn segensreiche Nässe
Geströmt ist und benetzt die Lippen einer Frau
Und albern ward die Frau und heiter übermütig
Und willig ward zur Lust und hitzig und heißblütig
Und wollte lecken noch den letzten Tropfen Tau.
6
Euthias klagte an die wunderschöne Phryne,
Sprach, dass sie gottlos sei, doch das war Heuchelei.
Der Rede Mittelpunkt verklagte zwar die Kühne
Der Götterlästerung und Todesstrafe sei
Die Strafe dieser Schuld. In Wahrheit doch politisch
Euthias gings darum, juristisch den Rival
Zu treffen, der die Gunst der Phryne aphroditisch
So oft genossen hat, besuchte oft ihr Tal.
Wie tödlich streiten sich politische Rivalen
Im Spiel der Politik! Das muss er mir bezahlen,
Daß gegen mich gekämpft hat mein politischer Feind!
Ich strafe meinen Feind, indem ich die Hetäre,
Die ihn erquicket hat, beraube ihrer Ehre!
Dem Gottesfreunde Fluch, der schönen Phryne Freund!
7
Euthias aber sprach: Die Phryne, die Hetäre,
Sie hat gesündigt, in Schamlosigkeit gelebt,
Sie gab sich willig gleich, sobald sie wer begehre,
Ganz öffentlich hat ihr die große Brust gebebt!
Und ungesetzlich hat sie Freundschaften begründet
Von Männern und von Fraun im Geist des Epikur.
Der Freundschaft Garten war der Ort, wo sie gesündet,
Wo Wollust trieben sie im Schoße der Natur.
Und einen Neuen Gott, den nie wir Griechen kannten,
Verehrte Phryne, sie sprach von dem Unbekannten,
Den wir nicht kennen, sie nur kennt den Neuen Gott.
Der Phryne Neuer Gott ist Weisen nur ein Spott!
So sehr sie reizt uns auch mit erogenem Reize,
Der Phryne Neuen Gott verdammen wir zum Kreuze!
8
Doch Hyperides war der Freund von Aristogeiton.
Beim Gott Hyperion, Aristogeitons Licht
Tat Hyperides stets im Lebenskampf begleiten,
Und Aristogeiston stand in Wahrheit vorm Gericht.
O Männerfreundschaft, o du Freundschaftsbund der Brüder!
Unsterblich ist in Gott der Freunde Brüderbund!
Dem Geist der Freiheit wir die Oden, Hymnen, Lieder
Aufjauchzen jubelnd laut mit weinbenetztem Mund!
Dem Gott der Freiheit wir das Leben weihn als kühne
Genossen unsres Herrn, mit uns ist Freundin Phryne,
Denn Freundinnen sind auch in unserm Freundschaftsbund!
O Schwester Phryne, du als Freundin und als Schwester,
Du regst uns an, dass wir die Schwerter fassen fester,
Mit brüderlichem Kuß wir küssen deinen Mund!
9
Euthias voller Zorn und heiß erhitzt zur Rache,
Nicht aus Gerechtigkeit, nein, dass ihr recht versteht,
Nicht aus Gerechtigkeit er kämpfte für die Sache,
Allein, weil Phryne ihn verlassen und verschmäht!
O hätte sie ihn doch im Liebesakt vergottet,
Im Kleinen Liebestod ins Paradies geschickt!
Doch hat die Hure ihn verachtet und verspottet,
Beim Zorn des Zeus, sie hat den Anderen gefickt!
Und Hyperides? War er wirklich der Gerechte?
Nein, voll von heißem Dank für all die Liebesnächte,
Da er die Lüstlingin im Lotterbett erkannt,
Hat er verteidigt sie vorm griechischen Gerichte,
Weil er gelegen dicht, o Dichter, dichte, dichte,
An ihrer Götterbrust, von Wollust übermannt!
10
Und Phrynes Freundin war die Bacchis, die Hetäre.
Vergleichen will ich nicht die Reize dieser Fraun,
Denn jede dieser Fraun inbrünstig ich verehre
Und will sie splitternackt in meinem Bette schaun!
An ihrer Nacktheit will ich heiß die Augen weiden
Und wünsch mir sehnsuchtsheiß in meiner Einsamkeit,
Daß mich besuchen doch um Mitternacht die beiden
Und dass liebkosen mich die Freundinnen zu zweit!
Und Bacchis lächelte: Euthias, der Verschmähte,
In Rache lodert auf, sein Eingeweide drehte
Sich ihm im Innern um, Zorn brennt ihm in der Brust,
Weil Hyperides ist der Phryne Auserwählter,
Von ihrem Atem er ein liebesheiß Beseelter,
Weil Hyperides ist der Champion ihrer Lust!
11
Beim Eleusinischen Mysterium erhob sich
Die schöne Phryne nackt wie aus dem Meeresschaum.
Vom weisen Sokrates sie holte einst ihr Lob sich,
Als bei Praxiteles er sah sie in dem Raum.
Und Aristoteles ließ sie auf seinem Rücken
Gern reiten, wenn er ihr gedient als starkes Ross.
Praxiteles gab ihr Gestaltung zum Entzücken!
Die Aphrodite in dem Kleid begehrte Kos,
Und zwischen Eros und der Aphrodite, Phryne
Im Tempel Delphis stand, da forderte die Kühne
Praxiteles zum Akt der Lust im Tempel auf.
Ja, Phryne selber war die Knidia, die Nackte,
Ein Mann begehrte sie so sehr zum Liebesakte,
Er masturbierte auf der Venus Schenkel drauf.
12
Illustre Lüstlingin war Phryne unbestritten.
Du, Mädchen, du bist jung, hast du davon gehört?
Ein wahres Wunderwerk des Schöpfers ihre Titten,
Die haben Griechenland verzaubert und betört!
Vor dem Gericht bestand sie drauf, dass man ihr Leben
Betrachte, ihren Ruhm und wie verehrt sie ward.
Nicht einzig nur ließ sie die Götterbrüste beben,
Auch Tränen weinte sie sensibel, zärtlich zart.
Als Tränen sie geweint, da klatschten die Juroren
In ihre Hände laut, die armen blinden Toren,
Weil Tränen weint doch auch Ägyptens Krokodil.
Doch Phryne wusste wohl, dass falsche Weibertränen
Die Männer bringen oft zum Seufzen und zum Stöhnen.
So hatte sie erreicht vor dem Gericht ihr Ziel.
13
In der Tragödie sieht man oftmals arme Frauen
Um Gnade flehen an die reiche Männerwelt,
Worauf die Frauen da erbarmungsvoll vertrauen,
Wird von der Dichter Kunst den Kommenden erzählt.
Zuerst die Arme weint viel bitterliche Tränen,
Die Tränendrüsen drückt die Jämmerliche aus.
Dann seufzt die arme Frau und muß so kläglich stöhnen,
Als ob die Seele schon verlässt des Körpers Haus.
Dann raufen sich die Fraun sehr gern die langen Haare,
Wie Klageweiber auch an eines Vaters Bahre,
Sie reißen sich das Haar in Büscheln aus dem Schopf.
Dann aber schlagen sie wehklagend an die Brüste,
Ein Bild voll Jammer und doch voll geheimer Lüste!
So bringen arme Fraun die Männer um den Kopf.
14
Als der Verteidiger mit Worten nichts erreichte
Und seine Rede blieb so fruchtlos wie ein Traum,
Der Paraklete nun die Hand der Dirne reichte
Und führte sie herum, da stand sie in dem Raum,
Daß jeder im Gericht die schöne Frau betrachtet,
Die Schönheit in Person, in weißer Tunika.
Wo hätte je ein Mann den Liebreiz nicht geachtet?
Erotisch, reizend und bezaubernd stand sie da!
Und Hyperides riß von ihrem Schulterpaare
Das feine Trägerpaar der Tunika und baare
Delphinenschultern ließ sie sehn zu aller Lust,
Er riß die Tunica – o Stoff, wie leichte Lüfte –
Er riß die Tunika herab bis zu der Hüfte –
Gott offenbarte sich im Meisterwerk der Brust!
15
Da Aphrodite selbst in Phryne offenbarte
Die höchste Göttlichkeit der Schönheit ihrer Brust,
Der Richter ehrfurchtsvoll auf Phrynes Brüste starrte,
Voll Reverenz vor Ihr, der Göttin aller Lust!
Die Ehrfurcht vor der Macht der Gottheit kann erschrecken,
Der Richter auch erschrak in seinem frommen Sinn!
Nein, Aphrodite soll die Brüste nicht bedecken!
Nein, Aphrodite soll die Brüste nicht bedecken!
Der Aphrodite Magd, Prophetin, Priesterin
Macht, dass der Richter schon geraten in Ekstase,
Da Aphrodite selbst als Gottes Hypostase
In hypostatischer Union mit Phrynes Leib
Erschienen im Gericht, vom Scheitel bis zur Wade
Sich offenbarte nackt! Und so gebot die Gnade:
Von der Verdammnis frei gesprochen wird das Weib!
Von der Verdammnis frei gesprochen wird das Weib!
EROTISCHE VERSE
1
Fürwahr, zuallererst entstand des Chaos Leere,
Alsdann die Mutter Erd, die Heilige und Hehre,
Die Große Mutter Erd mit ihrer breiten Brust,
Wo die Unsterblichen gewohnt in schöner Lust,
Die wohnen auf dem Berg, auf des Olympus Gipfel,
Von weißem Schnee bedeckt dort der Zypressen Wipfel,
Doch unten ist das Reich des dunklen Tartaros,
Die Straße führt hinab bis in der Erde Schoß.
Gott Eros aber ist der Schönste aller Götter,
Unsterblich ist der Gott, was sonst auch sagen Spööter,
Der Gliederlösende! Der Gott mit seiner Lust
Zwingt allen Himmlischen und Menschen ihre Brust!
2
Gott Eros, du allein bist in dem All der Sieger
In jedem Kampf und Krieg der Kämpfer und der Krieger,
Auf Frauenwangen weiß und rot du zärtlich lebst,
Der über Meeren du und Stürmen dich erhebst,
Wohnst auf dem Bauernhof und wandelst durch die Felder
Und wandelst mit dem Mond des nachts durch Buchenwälder.
Kein Himmlischer vor dir und keine Kreatur
Des lichten Erdentags vor deiner Gottnatur
Entrinnen könnte je, wenn du mit heißem Blasen
Aus deinem Feuermund die Wesen lässest rasen!
3
Im Anbeginn der Zeit war Chaos nur und Dunkel,
Noch war die Erde nicht, kein himmlisches Gefunkel,
Nur Chaos, Erebos und Nacht und Tartaros.
Im Anbeginn gebar die Nacht aus ihrem Schoß
Und brütete ein Ei als Keim aus – vierzig Wochen –
Bis Eros lichtumstrahlt ist aus dem Ei gekrochen,
Ein goldnes Flügelpaar an Schultern trug das Kind
Und wirbelte wie Sturm und stürmte wie der Wind
Und mit dem Chaos hat, der mütterlichen Taube,
Gott Eros sich gepaart, und also, wie ich glaube,
Geboren ward die Welt und alle Kinderlein,
Wie Flügel spreizen froh die schönsten Vögelein!
4
Ja, aus dem Welt-Ei, aus dem Ur-Keim, nun entsiegelt,
Gott Eros stieg hinauf, mit goldnem Licht beflügelt,
Begabt mit Stimme, wie laut brüllend spricht ein Stier,
Erzeugte Himmel, Welt und Mensch und Grün und Tier.
5
Gott Eros aber spielt mit allen lieben Göttern,
Spielt mit den Menschen gern, den Frommen und den Spöttern,
Der zu dem Himmelreich das Schlüsselpaar bewahrt,
Zum Vater Äther und zum Meer, zur Erde zart,
Zur Mutter Erde mit den wohlgeformten Hüften
Und zu den Zeugenden, den Geistern in den Lüften.
6
Gott Eros herrsche in den Himmeln höchster Wonnen,
Gott Eros, denn in Ihm der Kosmos hat begonnen.
7
Zeus sprach zur Tochter, sprach zur goldnen Aphrodite:
Dir nicht das Werk des Kriegs zur Herrschaft ich gebiete,
Dir nicht das Werk des Kriegs zur Herrschaft ich gebiete,
Nein, Aphrodite, du besorge, ewig-jung,
Im menschlichen Geschlecht den Akt der Einigung!
8
Schau, was auf Erden kriecht, was in den Lüften flattert,
Was auf dem Wasserteich im frohen Lärmen schnattert,
Die ganze Schöpfungswelt lädt Aphrodite ein
Zu glücklichem Genuß und seligem Verein,
Durch Aphrodites Macht die prallen Früchte strotzen
Und zärtlich treffen sich die Schwänze und die Fotzen!
9
O Jungfrau Artemis von Ephesos, Erbarmen
Hab mit uns Liebenden, uns Elenden und Armen,
Denn Aphrodite hetzt uns in das schwarze Loch!
O Jungfrau, du bewahr uns vor dem Ehejoch!
Wenn Aphrodite uns verführt durch ihre Mode,
Führ nicht zur Ehe uns, nein, lieber zu dem Tode!
10
Ach, unser heitrer Schwarm ist nicht ganz frei von Schmerzen,
Denn Aphrodite herrscht in unsern leichten Scherzen,
Sie haucht die Liebe ein dem Odem im Schamott,
Zur Rechten steht sie ja von Zeus, dem Vatergott,
Des Leichtsinns Göttin herrscht auf dem Olympusberg,
Und ehren muß man sie bei jedem ernsten Werk.
11
Der Vater Himmel will der Mutter Erde nahen.
Ja, Mutter Erde wir vor Sehnsucht glühen sahen,
Denn Mutter Erde mit dem vielgeschickten Mund
Begierig sehnte sich nach frohem Hochzeitsbund.
Vom Vater Himmel strömt durch alle seine Glieder
Ein segensreicher Tau auf Mutter Erde nieder
Und macht sie schwanger. Sie in ihrer Wehen Not
Der Menschenwelt gebiert die Trauben und das Brot,
Der Lämmer leckres Fleisch, der Bäume süße Feigen.
Ich, Aphrodite, bin die Macht in allem Zeugen!
12
Zeus, Vater Äther du, Zeus, Unser Vater Äther,
So priesen dich dereinst die Dichter und die Väter,
Die Mutter Erde mit den breiten Brüsten du
Befruchtest allezeit und schwängerst immerzu,
Die Jungfrau so empfängt, als Mutter zu gebären
Des Weinstocks Fruchtbarkeit, die Fruchtbarkeit der Ähren,
Sie schafft die Weide mit dem saftig-grünen Gras,
Da wird das sanfte Moos vom Tau des Himmels naß,
Da auf der Weide stehn die Schafe und die Rinder,
Und Mutter Erde auch gebiert die Menschenkinder!
13
Schau, der Allmächtige, schau, Unser Vater Äther,
Sank liebend sich herab auf Mutter Erde, Väter,
Befruchtet mit dem Tau aus seinem Gliede groß
Die Höchstbeseligte, der Mutter Erde Schoß.
Groß unser Vater ist, erhaben, schrecklich, furchtbar!
Gesellt der Jungfrau sich und macht die Mutter fruchtbar!
Und so erzeugt der Gott die ganze Fruchtbarkeit,
Da zwitschern Vögelein des nachts in Dunkelheit
Und brünstig brüllt der Stier zur Mutterkuh um Paarung,
Der Acker aufgewühlt aus Samen bringt uns Nahrung.
14
Der Vater Himmel still die Mutter Erde küsste,
Als ob sie nun von ihm stets sehnlich träumen müsste.
15
Als Zeus und seine Frau einander in den Armen
Die Liebe gaben hin in herzlichem Erbarmen,
An dieses Götterpaars Glückseligkeit und Heil
Der lichte Äther und die Erde nahmen teil.
Die Erde unten blüht, wie Büsche sind die Gräser,
Von Tau benetzt der Klee, da flattern auch die Leser,
Die lesen Nektar aus dem blauen Krokus-Schoß,
In dichter Üppigkeit gebettet auf dem Moos
Die Menschen einen sich, die Männer und die Frauen,
Wie goldne Wolken in den Kelch der Rosen tauen.
16
Wie gliederlösend mich besiegt hat die Begierde
Nach der Geliebten und nach ihrer Zierrat Zierde!
17
Verlangen nach der Lust ist mir ins Herz gekrochen,
Vor meinem Auge ist die Nacht hereingebrochen,
Und dies Verlangen nach der Vielgeliebten Lust
Hat mir so ganz geraubt den Geist aus meiner Brust!
18
In großer Sehnsucht lieg ich matt in meiner Kammer
Und fühle mich gelähmt von all dem trüben Jammer,
Entseelt! Auf das Geheiß der Götter voller Pein
Von Schmerzen ganz durchbohrt bis tief in mein Gebein!
19
Sie hielt den Rosenstrauß in ihren kleinen Händen,
Das lange Lockenhaar fiel bis zu ihren Lenden.
20
Ach, dürfte ich doch nur der Liebsten Hand berühren
Und nur die sanfte Haut der Fingerspitzen spüren!
21
Wie geil will ich mich auf den Leib der Liebsten werfen,
Mit meinem heißen Leib ihr ihren Körper schärfen,
Daß meine Schenkel sich auf ihre Schenkel fest
Aufdrücken und der Mund die roten Lippen presst!
22
Ach, Unser Vater Zeus, mir ward der Ehe Frieden
Nach höchsten Schicksals Plan und Vorsicht nicht beschieden!
23
Dir blüht die Haut nicht mehr wie Schnee so weiß, der Alten
Ist nicht geschmeidig mehr die Haut, ist voller Falten.
24
Erneut schlug Eros mich mit seinem harten Hammer
Und alle Glut der Lust erlosch im Meer von Jammer!
25
Was wär mir eine Lust und was wär mir das Leben,
Wenn Aphrodite nicht mehr Gnade mir gegeben?
Ach, wär ich lieber doch in Mutter Grab gelegt,
Wenn Aphrodite nicht das Herz mir mehr bewegt,
Geheime Liebeslust, der Liebestränen Fließen,
Der Jugendliebe Flor mit Freuden zu genießen!
26
Ach dürft ich doch gesund und frei von bittern Sorgen
Mit fünfzig Jahren sein im Totenreich geborgen!
27
Wenn du mich aber liest, du Freundin meiner Wonnen,
Dann schreibe besser du, als ich es hab ersonnen,
Dann schreibe du mich um, bei deiner Brüste Paar:
Ach dürft ich, Vater Zeus, doch werden hundert Jahr!
Ach dürft ich, Vater Zeus, doch werden hundert Jahr!
28
Erneut schaut Eros zu mir aus den feuchten Augen
Und wirft erneut das Netz, als könnt ich wieder taugen
Zum Spiel der Liebeslust, wie sommers in dem Süd,
Ich aber bin zu alt, ich bin des Lebens müd!
29
Die Liebe mich durchströmt, ja, Aphrodite schwärmend
Mich blickte reizend an, die Seele mir erwärmend!
30
O Mutter, ganz umsonst ich mich im Haushalt mühte,
Denn mit der Lieblingin mich peinigt Aphrodite!
31
Ach Anaktoria, nun bist du in der Ferne!
Wie gerne säh ich dich doch wieder, o wie gerne,
Die vollen Lippen und die vielgeschickte Hand,
Das säh ich lieber als die Kriege in dem Land!
32
Vom fernen, fernen Land, da kommt sie nicht hinüber,
Du aber denkst an sie, sie wird dir immer lieber,
Ob auch die Blütenblust wie Meeresschaum und Schnee
Und Hummeln summen süß durch Wiesen voller Klee
Und Schmetterlinge sich in Lenzeslüften kosen
Und an dem Gartentor aufranken rote Rosen,
Da flüsterst leise du: Komm zu mir, Liebste, dicht!
Sie aber naht dir nicht, sie aber naht dir nicht!
33
Ich wollt nicht leben, Frau, allein in dunklen Wintern
Und wissen fern von mir das Leid von Waisenkindern!
34
Gruß dir, Melittas Grab, die Frau liegt hier begraben,
Die einen Mann allein recht wusste zu erlaben,
Den du geliebt hast, ach, wie keine ihn geliebt!
Wie sollte er nun nicht allein und tief betrübt
Nach dir sich sehnen, nach der vielgeliebten Toten?
Melitta flüsterte mit Stimmenhauch von Boten:
Gruß dir, mein lieber Schatz, sei nicht so traurig trüb,
Gruß dir, mein lieber Schatz, sei nicht so traurig trüb,
Behalte bitte du doch meine Söhne lieb!
35
Kydile sprach als Geist: Ich liebe meinen Gatten
Auch jetzt im Tode noch! Wie tat er mich bestatten,
Wie betete mein Mann zu Gott an meinem Grab,
Die ich ein schönes Grab jetzt voll Zypressen hab,
Wie hat als Dichter er die vielgeliebte Gattin
Für die genossne Lust verklärt zur Liebesgöttin!
36
Die Schicksalsgöttin wars, die mich hinweggerissen
Aus meines Mannes Bett mit traurig-süßen Küssen,
Parmonis, die ich war als Gattin lieb und treu.
Und denken Menschen noch an mich? Und freu
Ich ihr Erinnern noch? Ich lebte für die Liebe!
So bitt ich meinen Mann: Laß von der Trauer Trübe
So bitt ich meinen Mann: Laß von der Trauer Trübe
Und schenk dem Herzen Ruh von allem Schreckensleid
Und von des Aufruhrs Sturm flieh in die Einsamkeit!
37
Ein über-süßer Tod ist es, vereint zu sterben
Mit der Geliebten und vereint die Lust zu erben,
Wenn es ein guter Gott aus Gnade so verhängt,
Weil alles sich in mir zum Liebestode drängt!
38
Von dieser Höh ich wollt mich stürzen in die Flammen
Und mit der Lieblingin vereint im Leid zusammen,
Vereinigt Brust und Brust und liegend Arm in Arm
Hinabzuwallen in den Tod, daß Gott erbarm,
Daß ich nicht länger bin allein im Tageslichte
Und in dem Schattenreich dir beiwohn dichte, dichte!
39
Die Totenklage klagt der Minner seinem Engel:
Die du das Heiligtum verachtest nicht der Schenkel,
Die du das Heiligtum verachtest nicht der Schenkel,
Bist du nun undankbar für manchen heißen Kuß
Und fliehst im Totenreich den lüsternen Genuß?
Gedenke, Engelin, in deinen Ätherwelten,
Wie taten wir vereint in holder Wildnis zelten!
O denke an den Druck der Schenkel straff gespannt
Und wie – du wolltest es – ich dich dann übermannt!
INANNAS ABSTIEG IN DIE UNTERWELT
(geschrieben am 15. August 2010)
Vorm Himmel tat sie auf ihr Ohr zum Totenreich,
Die Göttin schien ihr Ohr dem Totenreich zu neigen,
Sie öffnete ihr Ohr den Totenschatten gleich.
Vom Himmel ging sie fort, zum Tod hinabzusteigen,
Und von der Erde fort hinab zur Unterwelt,
Die Himmelskönigin trat in den Toten-Reigen.
Den Tempel Uruks sie verließ, der Göttin Zelt,
Aus Badibira ging sie fort, hinabzusinken,
Aus Zabalam sie schwand, wie tot ein Körper fällt,
Aus Adab ging sie fort, vom Totenfluß zu trinken,
Aus Nippur ging sie fort, hinunter zu dem Tod,
Auch Kisch verließ sie, noch ein letztes Mal zu winken,
Und Akkad sie verließ im blauen Abendrot.
Die sieben Kronen nahm sie in die weißen Hände
Und nahm das Brautgewand für ihre letzte Not.
Die Krone setzte sie auf ihren Kopf behände
Und zog das schwarze Haar um ihre weiße Stirn,
Die Perlenschnur tat sie um ihren Hals, als bände
Sie einen Rosenkranz, dann nahm die junge Dirn
Die lange Perlenschnur und tat sie an die Brüste,
Die weißen Brüste, die im Tod noch triumphiern,
Und tat den Mantel an um ihres Leibes Lüste,
Die Augen schminkte sie mit einer Salbe dann,
Die nennt man: Komm zu mir, komm an der Wonnen Küste!
An ihren weißen Hals tat sie den Talisman
Als einen Silberschild um ihren weißen Nacken,
Es heißt der Talisman: O komm, o komm, mein Mann!
Um dann den goldnen Reif mit ihrer Hand zu packen
Und ihn zu legen an das schmale Handgelenk.
Von Lapislazuli den Stab mit spitzen Zacken
Nahm sie in ihre Hand, ein göttliches Geschenk,
Und so Inanna ging hinab zur Welt der Schatten.
Sie sprach zu ihrer Magd: O Dienerin, ich denk,
Mein Schutzgeist du, gib Rat, geh ich zu Blumenmatten
Der Unterwelt hinab, du edle Kämpferin,
Ich steige in das Loch jetzt der Dämonenratten,
Und komm ich nicht zurück, o meine Dienerin,
So klage laut um mich bei allen Trümmersteinen,
Und schlag die Trommel laut, weil ich gestorben bin!
Umkreise Tempel dann, im Leid dich zu vereinen
Den Göttern, schreie laut und deine Schenkel spreiz
Und reiß die Augen auf und laß die Augen weinen.
Wie eine Bettlerin in Lumpen geh zum Geiz
Und geh zu Gotteshaus von Enlil, unserm Vater,
Und tritt zum Schrein und sprich Gebete voller Reiz:
Gott, laß nicht zu, o Gott, dass deine Tochter, Vater,
Gott, laß nicht zu, o Gott, dass deine Tochter, Vater,
Getötet wird vom Tod in finstrer Unterwelt
Und laß nicht zu, o Gott, du unser aller Vater,
Daß diese Silberschmuck in ekle Hände fällt,
Der Lapislazuli zerstrümmert wird vom Hammer
Und dass der Buchsbaum wird vom Zimmermann gefällt
Und laß nicht zu, o Gott, dass in des Todes Kammer
Getötet wird vom Tod die Himmelskönigin!
So bete du zu Gott in namenlosem Jammer.
Hilft Vater Enlil nicht, o meine Dienerin,
So geh im Tempel du in Ur von Vater Nanna.
Hilft Vater Nanna nicht, du edle Kämpferin,
Hilft Vater Nanna nicht der sterbenden Inanna,
So geh nach Eridu zu Enkis Gotteshaus.
Der Gott der Weisheit kennt den Nektar und das Manna,
Es kennt des Lebens Brot, dass ich es beiß als Maus,
Er kennt des Heiles Wein. Ja, Enki, der Allweise,
In den Mysterien geht ewig ein und aus.
Und wenn ich speisen darf des ewigen Lebens Speise
Und wenn ich trinken darf des Seelenheiles Wein,
Dann werde leben ich zu meines Gottes Preise.
Er lässt mich sterben nicht. – Inanna nun allein
Ging in das Totenreich, sie noch zum Abschied sagte
Zu ihrer Dienerin: Du sollst nicht traurig sein
Und sei nicht mutlos und sei nicht mehr die Verzagte
Und denke an das Wort, das heut ich dir gesagt. –
Jedoch die Dienerin beim Abschied traurig klagte.
Inanna aber schritt zum Tode unverzagt
Und klopfte an das Tor und rief mit wilder Stimme:
O Neti, tu die Tür des Todes auf, dich fragt
O Neti, tu die Tür des Todes auf, dich fragt
Die Himmelskönigin in ihrem Zorn und Grimme,
Ich möchte treten ein. Der Wächter aber sprach:
O Himmelskönigin, so süß wie eine Imme,
O Himmelskönigin, so süß wie eine Imme,
Wie ist dein Name, sag! Inanna sagte, ach:
Inanna heiße ich! Ich wandele gen Osten,
Inanna heiße ich! Ich wandele gen Osten,
Dort wird der Morgenstern im Morgengrauen wach.
Der Wächter aber sprach: Ich stehe meinen Posten,
Bist du die Himmelsfrau und willst zum Morgenrot,
Was gehst du diesen Weg? Viel wird der Weg dich kosten,
Denn keiner kehrte noch zurück vom dunklen Tod.
Inanna aber sprach: Ach wegen meiner Schwester,
Die liebe Schwester starb noch vor dem Abendrot.
Der Fuchs die Grube hat, die Tauben haben Nester,
Begraben möchte ich im Trauerritual
Die liebe Schwester, die ich liebe immer fester,
Und gießen will den Wein ich in den Becher schmal
Und zur Erinnerung an meine Schwester trinken,
Denn meine Schwester war liebreizend ideal!
Der Wächter aber sprach und ging mit letztem Winken:
Inanna, warte hier! Des Todes Königin
Inanna, warte hier! Des Todes Königin
Befrage ich für dich. Muß die Verwesung stinken?
Inanna, was du mir gesagt, der Herrscherin
Des Totenreiches bring ich diese deine Kunde,
Ob sie vielleicht erweicht den felsenharten Sinn.
So Neti also sprach, der Wächter, mit dem Munde:
O Totenkönigin! Ein junges Mädchen steht
O Totenkönigin! Ein junges Mädchen steht
Vorm hoffnungslosen Tor zum tiefen Untergrunde.
Hoch wie der Himmel ist das junge Mädchen, geht
Bis zu dem Morgenstern, und breit wie Mutter Erde
Ist ihrer Brüste Paar, darum die Haarflut weht.
Als Hirtin scheint sie mir zu hüten ihre Herde.
O, ihre Brüste sind fest wie ein Mauerwall
Und voller Liebreiz ist der Lächelnden Gebärde.
Die sieben Kronen trägt die Königin des All,
Sie richtete sich her mit ihrem Schmuck sehr reizend,
Die Krone auf dem Haupt, der Haare Wasserfall,
Um ihre weiße Stirn das schwarze Haar nicht geizend,
Sehr herrlich die Frisur, um ihren Schwanenhals
Trägt Perlenschnüre sie, und ihre Finger spreizend
Nimmt Perlenschnüre sie und tut sie allenfalls
Auf Gottes Meisterwerk, die großen weißen Brüste,
Die fest wie Kugeln sind, weiß wie des Flockenfalls
Wie Licht so reiner Schnee, o Liebe voller Lüste,
Wie lüstern ist ihr Leib, vom Mantel eingehüllt,
Die Augen sind geschminkt. O, wer die Wimpern küsste,
Glückselig wäre der! Die Augenschminke füllt
Die schmalen Augen aus, wie Mandeln sind die Schlitze,
Die Schminke heißt: Komm, Mann, du wirst von mir gestillt!
Um ihre Wonnebrust trägt sie den Schild wie Blitze,
Aus Silber licht und klar, es ist ein Talisman:
Komm, Mann, und in dem Tal der Wonnebrüste sitze!
Komm, Mann, und in dem Tal der Wonnebrüste sitze!
Und an das Handgelenk tat sie den Armreif an
Und in geschickter Hand hält sie den Stab, den blauen,
Von Lapislazuli. Ich steh in ihrem Bann. –
Die Totenkönigin, die Schrecklichste der Frauen,
Vernahm des Wächters Wort, sich auf die Lippen biß,
Es war ein schönes Bild, sehr reizend anzuschauen,
Schlug auf die Schenkel sich, ihr Kleid herunterriß,
Und schlug sich jammernd laut auf ihre baaren Brüste.
Zum Wächter also sprach die Frau der Finsternis:
Hör, Neti, auf mein Wort: Kommt an des Todes Küste
Die Himmelskönigin Inanna, schließe zu
Die sieben Pforte du. O Liebe voller Lüste,
Der Himmelskönigin die Türen öffne du,
Nur immer einen Spalt, und bitt sie einzutreten.
Und tritt die Herrin ein in weiser Seelenruh,
Dann wird die Königin von meinem Knecht gebeten,
Sie lege allen Schmuck und alle Kleider ab!
Nackt ist geboren sie, um nackend abzutreten.
Der Wächter hörte dies, da nahm er seinen Stab
Und nahm das Schlüsselpaar und schloß des Todes Pforten,
Und zugesiegelt war der Eingang in das Grab.
Die erste Tür schloß auf der Wächter mit den Worten:
Inanna, komm herein, leg ab vom Haupt den Kranz,
Inanna, komm herein, leg ab vom Haupt den Kranz,
Denn Kronen nützen nichts an dunklen Todes-Orten.
Da legte sie den Kranz der Krone ab. Voll Glanz
Erstrahlte ihr das Haupt. Da rauschten Schatten-Erlen.
Inanna weiter ging, ihr Wandeln war wie Tanz,
Sie kam zum zweiten Tor, da sangen schwarze Merlen.
Der Wächter Neti sprach: Leg ab vom Schwanenhals
Die lange Perlenschnur der freudenreichen Perlen!
Sie schüttelte die Flut des vollen Wasserfalls
Des langen schwarzen Haars und tat die Perlen fort.
Nun mit der Festigkeit des runden Mauerwalls
Der kugelförmigen schneeweißen Brüste dort
Sie stand am dritten Tor. Der Wächter Neti sagte:
Inanna, du nahst nun dem schattenreichen Port,
Inanna, du nahst nun dem schattenreichen Port,
Wo keiner noch dem Tod je einen Wunsch versagte,
Leg ab die Perlenschnur von deinen vollen Brüsten!
Inanna weiter nichts im Augenblick erfragte,
Die Perlen tat sie ab vom Busen. O, gelüsten
Muß es doch jedermann nach dieser Busens Pracht!
Glückselig alle, die Inannas Busen küssten!
In ihrem Busen war Inannas Übermacht,
Vor allem, wenn die Milch aus ihrer Brust gespritzt!
Wie Marmorkugeln weiß der volle Busen lacht
Und die Rosine sich auf ihrem Weinberg spitzt!
Gewiss, ein junger Scherz liegt zwischen diesen Brüsten,
Mutwillig dieser Scherz auf diesem Busen sitzt!
Sie kam zum vierten Tor. Um sie zu überlisten,
Der Wächter Neti sprach: Nimm ab den Talisman,
Das Silbermedaillon mit dunklen Amethysten!
Inanna tat es gleich, ganz in des Todes Bann,
Ob dieser Talisman geboten auch, zu kommen
Dem vielgeliebten Mann: O komm, o komm, mein Mann!
Sie kam zum fünften Tor und hat es eingenommen,
Da Neti zu ihr sprach: Leg ab jetzt deinen Ring
Von deiner schlanken Hand! Gehorsam, wie die Frommen
Dem Herrn gehorsam sind, Inanna tat das Ding
Von ihrem Handgelenk und zeigte ihre Hände.
Sie kam zum sechsten Tor. O Chor der Geister, sing!
Inanna sehen wir an Totenreiches Ende.
Sie legte ab den Stab von Lapislazuli.
Inanna, wunderschön vom Mund bis zu der Lende,
In ihrem schönsten Kleid stand vor der Pforte sie.
Der Wächter Neti sprach: Dies Nichts von einem Kleide
Reiß jetzt herunter! Zeig des Körpers Symmetrie!
Inanna, Königin des Himmels, ihre Seide
Vom Körper gleiten ließ, und schau, da stand sie nackt!
Die Himmelskönigin stand nackt bis auf die Scheide!
Nun nackt und tief gebückt nach der Enthüllung Akt
Inanna trat jetzt ein zum Totensaal, zum Throne.
Die Totenkönigin schloß mit dem Tod den Pakt,
Da sprach die Richterin der Himmelsfürstin Hohne,
Die Advocatin all der finstern Unterwelt
Verdammte sie zum Tod für immer zweifelsohne.
Die Totenkönigin schaut und ihr Schauen fällt
Auf unsre liebe Frau, da sagte sie im Zorne:
Verdammt bist du, o Frau, da rettet dich kein Held!
Verdammt bist du, o Frau, da rettet dich kein Held!
Die Totenkönigin an des Vergessens Borne
Der Himmelskönigin auf ihre Backen schlägt
Und schlägt sie noch einmal und wiederum von vorne.
Inannas toter Leib in Leinen ward gelegt
Und angenagelt dann an einem schlimmen Kreuze
Und scharfer Winterfrost kalt durch die Hölle fegt.
So bitter ist der Tod, der Tod mit seinem Geize,
Der Himmelskönigin ist aller Zauber hin,
Mit allem ihrem Charme ist tot sie jetzt und Reize.
Doch in der Erdenwelt die treue Dienerin
Am dritten Tage laut wehklagte bei Ruinen,
Da schlug die Trommel laut die edle Kämpferin,
Sie ging zum Gotteshaus, wo Gott die Frommen dienen,
Sie riß die Augen auf, sie sperrte auf den Mund,
Die Schenkel spreizte sie, die licht und strahlend schienen,
Nach Nippur ging sie zu dem frommen Tempelgrund,
Zu Enlils Gotteshaus und betete vorm Schreine:
O Vater, laß nicht zu, dass deine Tochter wund
O Vater, laß nicht zu, dass deine Tochter wund
Im Totenreiche bleibt und dass verstirbt die Reine,
Laß nicht den Silberschmuck der ekelhaften Hand,
Den Lapislazuli im himmelblauen Scheine
Zertrümmre nicht, o Gott, im harten Totenland
Und laß den Buchsbaum nicht die Zimmermänner fällen,
Die Himmelskönigin, die dir zutiefst bekannt,
Laß nicht versinken, ach, in des Vergessens Wellen. –
Der Vater aber sprach zur Dienerin in Not:
Inanna wollte sich den Toten zugesellen,
Inanna wollte sich den Toten zugesellen,
Inanna bleibe so für alle Zeiten tot. –
Da ging die Dienerin zum Gotteshaus des Nanna
Und vor des Gottes Schrein sie ihm ihr Leben bot
Und betete zu Gott ums Leben der Inanna:
O Vater, laß nicht zu, dass deine Tochter bleibt
O Vater, laß nicht zu, dass deine Tochter bleibt
Im dunklen Totenreich, beim Nektar und beim Manna,
O Vater, laß nicht zu, dass seine Späße treibt
Der Tod mit deinem Kind und dass die Silberzierde
Befleckt wird von dem Schmutz und dass der Tod zerreibt
Den Lapislazuli verzehrender Begierde
Und dass der Zimmermann den schlanken Buchsbaum fällt
Und dass die Königin zerbricht an dieser Bürde
Und bei den Toten bleibt in dunkler Unterwelt. –
Der Vater aber sprach, der strenge Vater Nanna:
Die Himmelskönigin erlösen kann kein Held!
Die Himmelskönigin erlösen kann kein Held!
Hinab zum Totenreich begehrte ja Inanna
Und hatte keine Lust am Erdenleben mehr –
Was soll ich spenden ihr den Nektar und das Manna?
Die nackend aufgetaucht aus aufgeschäumtem Meer,
Sie bleibe drunten auch und ewiglich im Tode,
Kein heller Morgenstern mehr in der Sterne Heer.
Da ging die Dienerin im dritten Morgenrote
Zum schönen Eridu, zu Enkis Gottesschrein,
Dem Gott der Weisheit sang sie klagend manche Note
Und trat ins Gotteshaus und betete allein:
O Gott der Weisheit du, erbarm dich deines Kindes,
O Gott der Weisheit du, erbarm dich deines Kindes,
Daß nicht der Silberschmuck von blitzend hellem Schein
Befleckt wird von dem Schmutz, dass nicht im Sturm des Windes
Der Donnersturm zerschlägt den Lapislazuli,
Daß nicht das Bäumchen schön, ein säuselndes und lindes,
Vom Zimmermanne wird gefällt und dass nicht sie,
Die Himmelskönigin, verbleibt im Totenreiche,
Die doch so oft zu dir, o Gott der Weisheit, schrie!
Und Vater Enki sprach, der Weise Ohnegleiche:
Was ist geschehn und was hat nur mein Kind getan?
Was ist geschehn und was hat nur mein Kind getan?
Inanna, Königin im schönsten Himmelreiche,
Was ist geschehn? Ich schau dies all vor Jammer an!
Des Fingernagels Dreck nahm Vater Enki, schaffend
Kugarra, einen Geist, und Gallatu, und dann,
Die Geisterwesen an den Vaterbusen raffend,
Kugarra gab er Brot, des ewigen Lebens Brot,
Und Gallatu den Wein des Heils. Den Busen straffend
Der Vater Enki sprach: Versinkt im Abendrot,
Geht in die Schattenwelt, zur Königin der Toten,
Die Totenkönigin ist schwanger mit dem Tod,
In Wehen stöhnt sie laut. So geht, ihr meine Boten,
Die Totenkönigin im Totenreiche nackt
Mit Brüsten unbedeckt singt trauervolle Noten.
Und schreit die Schreckliche: Mein Eingeweide packt
Des Dämons Würgegriff, so jammert mit der Armen,
Schließt mit der Königin des Mitleids schönen Pakt.
Und schreit die Jammernde: Ah wehe mir, Erbarmen,
Zerfallen will mir jetzt die äußerliche Form,
So haltet mitleidsvoll das Weib in euren Armen,
Denn ihre Trauer ist und Traurigkeit enorm,
Habt Mitleid allezeit, dann wird sie euch begnaden
Und gibt Inannas Leib euch, aller Schönheit Norm,
Inannas bloßen Leib vom Munde zu den Waden.
Inanna in den Mund, auf Lippen rosenrot,
Der noch nicht ist zernagt von Würmern und von Maden,
Inanna in den Mund tut dann des Lebens Brot
Und dann benetzt den Leib mit Feuchte aus dem Becher
Und netzt die Lippen mit dem Wein, dann weicht der Tod,
Inanna wird erstehn und trunken wie die Zecher
In großem Gaudium erstehen voller Jux!
Die Totenkönigin wird schicken ihre Rächer,
Doch ich bewahr den Baum, bewahre meinen Buchs,
Ja, meinen Weinberg voll der trunknen Fruchtbarkeit
Verdirbt nicht der Schakal, der wilde Hund, der Fuchs!
Kugarra also war mit Gallatu bereit,
Hinunter gingen sie zur Unterwelt der Schatten,
Des Lebens Boten sie, die wandelten zu zweit.
Wie Fliegen flogen sie durchs Tor des Todes, hatten
Gefunden schon den Weg zum königlichen Thron
Der Totenkönigin bei blauen Blumenmatten.
Sie sahn die Königin der Totengeister schon,
Da saß sie splitternackt mit splitternackten Brüsten,
Die nackte Ewigkeit im ewigen Äon!
Die Totenkönigin an Totenreiches Küsten
In Wehen stöhnte auf: Mein Eingeweide brennt!
Die Lebensgeister sie mit Mitleidsküssen küssten.
Die Totenkönigin, sie, die kein Name nennt,
Sie schrie in Wehen auf: Ein Feuer mir im Leibe
Den Körper mir verbrennt und oh, beim Element,
Ich gleiche jetzt nur noch dem staubgewordnen Weibe.
Die Lebensgeister sind voll Tröstung honigsüß,
Ihr Trost wie Honig süß, wie Seim der Wabenscheibe.
Die Totenkönigin in Wehen schrie: Ein Spieß
Geht mir durch meinen Bauch, ah wehe meinem Bauche!
Die Lebensgeister da aus Gottes Paradies
Liebkosten ihren Bauch mit zärtlich-süßem Hauche
Und schmeichelten dem Weib, so wie ein Kindlein scherzt,
Aus ihrem Munde kam der Trost gleich blauem Rauche.
Die Totenkönigin schrie laut: Mein Rücken schmerzt!
Die Lebensgeister da massierten ihr den Rücken,
Auch an dem Schulterpaar die Herrin ward geherzt.
Da schrie die Königin: Wer wird mein Herz beglücken?
Unglücklich ist und voll von Traurigkeit mein Herz!
Zersplittert liegt es da wie Glas in tausend Stücken!
Die Lebensgeister da mit liebevollem Scherz
Sie küssten auf das Herz im Inneren der Brüste
Und stillten ihr mit Trost und Liebe ihren Schmerz.
Die Totenkönigin an Totenreiches Küste
Kugarra schaute an und Gallatu und sprach:
Ihr Lebensgeister, seid ihr Götter voller Lüste?
Ihr Lebensgeister, seid ihr Götter voller Lüste?
Seid Menschenkinder ihr und Todgeweihte, ach?
Was wünscht ihr euch von mir? Ich will euch alles geben!
Ich schenk euch einen Fluß, die Quelle und den Bach,
Ich schenke euch ein Tal, den Weinberg voller Reben,
Daß allezeit der Trieb euch zu der Wollust treib!
Die Geister sprachen da in äthergleichem Schweben:
O Totenkönigin, gib uns das Himmelsweib,
O Totenkönigin, gib uns das Himmelsweib,
Die Himmelskönigin in ihrem schönsten Reize,
Den benedeiten gib, den wundervollen Leib,
Der dort genagelt hängt an seinem harten Kreuze!
Die Herrin sprach: Das ist Inannas nackter Leib,
Doch soll man klagen nicht von meinem argen Geize,
Ich schenke euch das Weib, das benedeite Weib,
Wie euren König ehrt die Königin der Himmel!
Die Geister sprachen da: Inanna, bei uns bleib,
O Himmelskönigin, in allem dem Gewimmel
Sei unsre Führerin, denn du wirst auferstehn,
Den Auferstehungsleib in allem dem Getümmel,
Den Auferstehungsleib wir wollen nackend sehn!
Inanna, Königin der Lüste und der Liebe,
Du bist in Ewigkeit ein Wunder wunderschön!
Daß nicht Inanna nun im Totenreiche bliebe,
Sie gaben ihr das Brot, sie gaben ihr den Wein,
Und da erwachten ihr die jungen Lebenstriebe,
Inanna auferstand! Wie süßer Morgenschein
Das junge Mädchen war, das Ideal der Lüste!
Die Liebesgöttin nackt, in ewiger Lust zu sein,
Die Liebesgöttin nackt, in ewiger Lust zu sein,
Zu baden splitternackt an ewiger Wonnen Küste,
Sich zu erquicken an der Seligkeit des Glücks,
Vor Wollust bebten ihr die wundervollen Brüste!
Inanna, ewig sei die Lust des Augenblicks!
HYMNE AN APHRODITE
O Muse, singe mir das Werk der Aphrodite,
Die in den Himmlischen als Schöne Liebe glühte
Und den Geschlechtern schafft der Menschen süße Pein
Und jedes Tier erfüllt und alle Vögelein,
Was auf der Erde lebt, was schwimmt im blauen Meere,
Denn sie gehorchen all der göttlichen Kythere.
Drei Göttinnen allein kann sie beherrschen nicht,
Athene nicht, die Maid mit Augen voller Licht,
Liebt sie die Lust doch nicht, der Aphrodite Siege,
Die Kämpfe liebt sie mehr, die Schlachten und die Kriege,
Zu treiben Männermord, auch lehrt sie manche Kunst,
So lehrt die Menschen sie der Künste feine Brunst,
Den Wagenbau und wie man fährt die schnellen Wagen,
Und in den Häusern auch den Mädchen tat sie sagen
Von mancher schönen Kunst und was der Mädchen Teil.
Auch Artemis, die Maid, die jagt mit goldnem Pfeil,
Zwingt sie zur Liebe nicht, die süße Aphrodite,
Weil Artemis nur für die Jagd in Wäldern glühte,
Die Lyra liebt sie un den frohen Reigentanz,
Sie liebt den dunklen Wald und lichter Gärten Glanz.
Auch Jungfrau Hestia in Keuschheit tief verachtet
Der Aphrodite Werk. Ihr Himmlischen, ihr achtet
Die Hestia und warbt um diese Jungfrau schon,
Du, goldener Apoll, und du, Poseidaon,
Sie aber wollte nicht und trotzig hart sich weigernd
Die Keuschheit durch den Eid des Zölibates steigernd
Berührte sie das Haupt des Donnergottes Zeus:
Ich bleibe Jungfrau mit intakten Hymens Reiz!
Ich bleibe Jungfrau mit intakten Hymens Reiz!
Statt einer Ehe gab der Herr ihr große Ehre,
Daß sie im Gotteshaus vom Opfer nur sich nähre,
Und so verehrt man sie in jedem Gottestempel,
Die Menschen ehren sie, der Heiligkeit Exempel.
Drei Göttinnen kann nicht Cythere narren, doch
Die andern allesamt, sie gehn in ihrem Joch,
Die Himmlischen im All, die Menschenkreaturen,
Ja, selbst Kronion spürt der Aphrodite Spuren,
Der doch der größte Gott und aller Ehre wert.
Wenn Aphrodite will, dass Vater Zeus begehrt
Geblendet eine Frau, so führt sie ihn zu Frauen,
Daß er der göttlichen Gemahlin sein Vertrauen
Entzieht, der Schwester-Braut, der hohen Ehefrau,
Die Schönste sie im Kleid, wie lichte Himmel blau,
Sie, die erhabene, die allerhöchste Göttin,
Kronions Ehefrau, des Allerhöchsten Gattin!
Zeus aber weckte selbst in Kypris die Begier,
Sich einem Manne zu ergeben, dass er ihr
Die Freuden schenkt, das Glück, die Lust in einem Bette.
Denn Aphrodite sonst, die Niedliche und Nette,
Sie rühmte offen sich, sie, die so gerne lacht:
Ich habe es mit Kunst der Lust so weit gebracht,
Ich habe es mit Kunst der Lust so weit gebracht,
Daß alle Himmlischen die Erdenfrauen lieben
Und Göttersöhne es mit Menschentöchtern trieben
Und Erdenfrauen gar geboren Kinderlein
Den Göttersöhnen nach dem liebenden Verein,
Und Himmelsgöttinnen hab ich gesellt zu Männern,
Doriden, Nymphen, gab ich hin den Alleskönnern.
Zeus aber weckte jetzt im Frauenherzen ihr
Nach dem Anchises die verzehrende Begier,
Der auf dem Ida-Berg geweidet seine Rinder
Und selber war so schön wie schönste Gotteskinder.
Die lächelnliebende Cythere hat erblickt
Anchises, liebte ihn, hat mit dem Haupt genickt,
Und in die Sinne drückt die Sehnsucht ihr den Stempel.
Nach Zypern eilte sie und eilte in den Tempel,
Alt-Paphos nahm sie auf, das Heiligtum, das ihr
Gewidmet war, und sie verschloß die Flügeltür
Und Grazien wuschen dort Cythere in dem Bade,
Das Wasser sie umfloss vom Scheitel bis zur Wade,
Und dann ward sie gesalbt mit Rosenölen traut
Und dieses Salböl drang zur Seele durch die Haut.
Sodann den Himmelsleib gehüllt in die Gewänder
Aus nichts als Sonnenlicht, verließ sie Zyperns Länder
Und schwang nach Troja sich den Regenbogen-Steg
Und durch die Wolken glitt sie auf dem schmalen Weg
Und kam zum Ida-Berg, dem Mütterchen der Tiere,
Die Tiere folgten ihr durch Wiesen der Reviere,
Schakale, Wölfe und die wilden Hunde auch
Und schwarze Panther, heiß vor Hunger war ihr Hauch
Nach einem jungen Reh, nach jungen Rehen gierig.
Die Göttin freute das, da war es ihr nicht schwierig,
Zu wecken die Begier, dass alle Böcke hart
Den schwarzen Zicken sich am Bergeshang gepaart.
Die Göttin aber kam jetzt zu den Hirtenhütten,
Und auf der Weide ging Anchises stolz inmitten
Der Herde, schön war er, von Gott begnadet mit
Der Schönheit eines Manns er bei den Schafen schritt
Und ging mit Lämmern still auf grüner Weide Rasen
Und hat als guter Hirt die Flöte auch geblasen.
Cythere trat vor ihn in ihrem weißen Kleid,
Gekleidet rein und keusch wie eine fromme Maid,
Daß er nicht schaudern muß, erschreckend sich entsetzen,
Säh bloß und offenbar er sie, den Wollust-Götzen.
Anchises sah sie, da erfasste Staunen ihn,
Weil sie so schön war und ihr Kleid wie Sonnen schien
Und Strahlen gingen aus von diesem Kleid, erkoren
An Kypris’ Muschelohr ein Ohrring an den Ohren
Und um den Silbermond der weißen vollen Brust
Ein Silber-Talisman, verheißend Liebeslust,
Und Liebe strömte heiß Anchises durch die Glieder,
Da warf er sich vor ihr als einer Gottheit nieder:
Sag, bist du Artemis von Ephesos, bist du
Die goldne Kypris, die stets raubt die Seelenruh,
Bist Aphrodite du, die Anadyomene,
Bist du das Strahlenaug, die heilige Athene,
Bist eine Grazie, die sich in Geselligkeit
Den Göttern zugesellt in der Unsterblichkeit,
Bist du Najade, bist du eine von den Nymphen,
Die barfuß gehen nur, die stolz die Nase rümpfen,
Die in dem Feuchtgebiet den Meerjungfrauen gleich
Aufjauchzen, baden wie die Schwäne in dem Teich?
Altäre bau ich dir, dich Herrin anzubeten,
Und Opfer bring ich dar und Hymnen der Poeten.
Gib deinen Segen mir, dass ich als guter Mann
Der Kinder große Schar den Göttern weihe dann
Und alt und lebenssatt im Gnadenstand versterbe
Und eine Ewigkeit von Wollust-Wonnen erbe!
Die Göttin sah ihn an und sprach: Anchises, nein,
Ich bin nicht Gott, ich bin ein keusches Mägdelein,
Ein armes Mütterchen hat weiland mich geboren,
Mein Vater ist ein Mann, vor vielen auserkoren,
Der Phrygien beherrscht. Doch Trojas Sprache auch
Die Amme lehrte mich mit honigsüßem Hauch.
Die Amme pflegte mich doch mehr noch als die Mutter,
Die Kinderamme, die wie Honig war und Butter.
Doch Hermes raubte mich, der Gott mit seinem Stab,
Als eben tanzend ich mich an den Tanz erlab
Im Chor der Artemis, dem keuschen Göttermädchen,
Viel Mädchen schlank und eng dort tanzten in dem Städtchen,
Da raubte Hermes mich, der Gott mit seinem Stab,
Der deiner Liebe mich zur Vielgeliebten gab.
Berufen sei von Gott ich in Anchises Bette,
Daß ich zur Jugendzeit ihn als Geliebte rette,
Und wenn mich übermannt mein Haupt, mein lieber Herr,
Daß ich ihm Kinderlein zu seinem Glück gebär.
Und so schritt Hermes fort. Von starkem Druck getrieben,
Ich also kam zu dir, zu meinem liebsten Lieben.
Doch flehe ich dich an bei Unserm Vater Zeus:
Als reine Jungfrau mich in keuscher Unschuld Reiz,
Als reine Jungfrau mich in keuscher Unschuld Reiz,
Anchises, nimm mich mit zu unsrer Hochzeitsfeier
Und dann lass fallen ich der keuschen Unschuld Schleier!
Die Göttin sprachs. In ihm erregte sich Begier
Und Liebe zuckte durch Anchises, dass er ihr
Bekundete: Bist du denn sterblich? Deine Mutter
Ist arm und sterblich auch, dein Vater auch ein Futter
Für Hades’ Hunger? Du, gelenkt von einem Gott
Durch seinen goldnen Stab, ich sag es ohne Spott,
Du sollst mir also, o Geliebte, werden Gattin,
Du unter Göttinnen die benedeite Göttin!
Und auf der Stelle will und gleich zu meinem Glück
Ich dich genießen, Weib, in diesem Augenblick
Und will dir wohnen bei! Und sollte ich auch sterben
Durch Pfeile von Apoll, ich würde dennoch werben
Um dich, nach Einem Akt der Liebe will ich gleich
Beseligt wie ein Gott hinab ins Totenreich.
Da griff er ihre Hand. Da lachte Aphrodite,
In ihren Augen heiß der Seelenfunken glühte,
Sie sah zu seinem Bett, Lammwolle weiß und hell
Lag auf dem breiten Bett, des Lammes goldnes Fell.
Nachdem sie beide nun das breite Bett bestiegen
Und liebend Arm in Arm und Bein an Beine liegen,
Nimmt er den Schmuck ihr ab, das goldene Geschmeid,
Er zieht den Rock ihr aus und auch das weiße Kleid
Und löst den Gürtel ihr, den Gürtel ihrer Reize,
Und fleht sie an voll Gier, dass sie die Beine spreize –
Und Aphrodite und Anchises voll Geschick,
Die Göttin und der Mann, vereinten sich im Fick!