Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Herr Reinecke


Eine satirische Komödie
Von Josef Maria Mayer

Ort und Zeit: Sankt Pauli im Jahre 2000.


ERSTE SZENE


(Im Haus des Herrn Reinecke. Reinecke, ein Mann von fünfzig Jahren, mit seinem jungen Diener Harlekin.)

REINECKE
Mein Diener Harlekin, ich bin ein reicher Mann,
Ich schau mir allzu gern das Gold des Schatzes an,
Ich nehme doch im Geld ein Bad gern, und ich bade
In Edelsteinen wie Saphir, Nephrit und Jade.
Das Goldene Äon, das war das Paradies,
Der goldne Honig ist mehr als der Zucker süß,
Die goldne Venus ist die Königin der Liebe,
Auch Hermes schätzt das Gold und Geld als Gott der Diebe,
Das Gold das Gotteshaus von Salomo verziert,
Zu Gold der Heilige im Feuer wird purgiert,
In einem Goldnen Haus einst wohnte Kaiser Nero,
Leander schenkte Gold der vielgeliebten Hero,
Die Kinder Israel auch tanzten allenthalb
Um einen Goldnen Stier, ich mein’ das goldne Kalb,
Man sagt von einem Freund, der übt die Freundschaftstreue,
Er sei so treu wie Gold, dass man sich an ihm freue,
Man sagt, das Reden sei wie Silber, aber hold
Das Schweigen einer Frau sei edel wie das Gold.
Auch König Salomo in seiner Weisheit redet
Und zu dem großen Gott in seiner Weisheit betet:
Die Weisheit ist sehr gut mit einem Erbbesitz,
Und ist gesegnet wer in seiner Weisheit Witz
Mit großem Geld und Gut, das Geld beschafft ihm alles.
Auch in dem Paradies vorm Fluch des Sündenfalles
Vorhanden reichlich war das Gold vollkommen rein,
Des Paradieses Gold und Edens Schoham-Stein.
HARLEKIN
In allen Zeiten war ich schon auf dieser Erde.
Im Weltenanbeginn sprach Gott der Herr: Es werde
Das All und Harlekin! Die Seele in der Welt
Einst lebte in dem Wald, dann im Nomadenzelt,
In Eden spielte ich mit Evas Knaben Abel,
Ich baute mit am Turm der großen Tochter Babel,
Ich sah dem Mauerbau im alten China zu,
Der Pekingoper Narr war ich, der dumme Chou,
Ich war im Kriege auch um Helena von Sparta,
Thersites war ich da, ich war der Koch bei Martha,
Als ich den Braten briet mit Brot und Käse gern
Für ihre Schwester und den Bruder und den Herrn,
Im Mittelalter ich mit Hunger und mit Durst
Hab ich gelebt als Narr, man nannte mich Hans Wurst,
Zu Tische saß ich auch, beim großen Gotte Janus,
Mit Tischnachbaren schlecht, da hieß ich Grobianus,
Ich war ein feiner Narr, Paris im Rokkoko
Beim Sonnenkönig sah mit armen Clown Pierrot,
Da Colombine trug die lockendste Visage,
Dann war ich in Bordeaux, dort hieß ich Jean Pottage,
Bei Königin Elisabeth im Reich Brittania
Hieß Pickelhering ich, da ich den Shakespeare sah,
Ich war beim Papst in Rom, man nannte mich Brighella,
Und in Neapel hieß ich weiland Pulcinella,
Nun in Sankt Pauli ich Herrn Reinecke bediene,
Ich heiße Harlekin, träum oft von Colombine.
REINECKE
Erbschleicher lud ich ein, sie wollen alle nur
Mein vielgeliebtes Geld! Der Mensch ist eine Hur!
Doch wollen sie mein Geld und wollen mich beerben
Und beten: Satanas, laß ihn doch endlich sterben!

(Eintritt der Advocat Bartholomäus.)

BARTHOLOMÄUS
Herr Reinecke, gesund? Gesundheit ist doch alles!
HARLEKIN
Wir kränkeln alle, ach, vom Biss des Sündenfalles!
Schwerhörig ist der Mensch, an beiden Ohren taub!
REINECKE
Du hast was mitgebracht? Geschenke, wie ich glaub?
BARTHOLOMÄUS
Ja, eine Flasche Wein, gekeltert von Silenus,
Dazu die Statue der splitternackten Venus!

(Eintritt der Möchtegern-Politiker Herr Dutschke.)

DUTSCHKE
Herr Reinecke, gesund? Ein Arzt am Sterbebett
Des großen Kapitals, das wäre doch nicht nett.
Du möchtest Opium fürs Volk, die Todesschmerzen
Mit Jenseitsreligion vertröstend wegzuscherzen?
REINECKE
Hast du auch ein Geschenk mir mitgebracht, mein Freund?
DUTSCHKE
Ja, die Ikone hier von Ché Guevarra, meint
Man doch, der gute Ché vertreibe alle Übel,
Dazu dies heilge Buch, die rote Mao-Bibel!

(Eintritt Jürgen Niemand.)

JÜRGEN NIEMAND
O Reinecke, mein Freund, ich komme vom Büro
Und dachte eben nichts und dachte eben so:
Den Reinecke will ich aus Freundschaft heut besuchen.
Mein Weib hier sendet dir den süßen Feigenkuchen!
REINECKE
Die Feige fica heißt, auf englisch heißt sie fig.
Dein Weib hat so viel Charme in ihrem warmen Blick.
Sag Zöli, deinem Weib: Herr Reinecke, der kranke,
Dem wundervollen Weib von ganzem Herzen danke.
JÜRGEN NIEMAND
Ein Erbe wird gesucht für all dein Hab und Gut?
Hast du denn keinen Sohn aus deinem eignen Blut?
REINECKE
Ich hab nur Bastard-Brut von den Zigeunerinnen,
Von Prostituierten und von dicken Negerinnen,
Den Hermaphroditen, der stets redet wie ein Buch,
Dazu kommt noch der Clown, dazu noch der Eunuch,
Die lüstern ich gezeugt in meinem Jugendmorgen.
Für dieses Volk kann nur der liebe Gott noch sorgen!


ZWEITE SZENE


(Der Möchtegern-Politiker Herr Dutschke und seine Frau Dutschke auf der Straße, streitend.)

HERR DUTSCHKE
Ich denke wiederum an meine erste Frau,
Ich sah sie in Paris, wie schön ihr Körperbau,
Wie groß der Busen war an dieser schönen Schlanken,
Wie lang das Jamben-Paar, wie zitterten die Flanken,
Wie selig war ich doch im Erdenparadies,
Als sie ein Kind gebar im herrlichen Paris!
FRAU DUTSCHKE
Du ungetreuer Hund, du hast dein Weib verlassen,
Dein Kindlein in Paris allein zurückgelassen!
Gebrochen hast du so der ersten Frau das Herz,
Noch heute grämt sie sich in bitterlichem Schmerz!
HERR DUTSCHKE
Weil das Familienglück wir Revolutionäre
Verachteten zutiefst! Es war des Mannes Ehre,
Ein Kämpfender zu sein für einen neuen Staat.
Da war die Ehe nur kleinbürgerlich, privat
Der Bürger-Ehe Glück, drauf konnte ich verzichten.
Der freien Liebe Spiel, das waren nun Geschichten,
Erzählte ich sie dir, der freien Liebe Held,
Schrieb ich sie auf, das Buch wär breiter als die Welt.
FRAU DUTSCHKE
Nur keinen Monolog, du linker Casanoca,
Der antiklerikal erlebt die Vita Nova
Der freien Liebe! Ich hab so die Schnauze voll
Von deiner Poesie, du närrischer Apoll!
HERR DUTSCHKE
So bist du nun, mein Weib. Jedoch die erste Gattin
Schwebt immer mir noch vor wie eine Jugendgöttin!
Welch einen Adel hat der Schmerz ihr doch verliehn!
Sie hat ihr Leben lang die Schuld mir nicht verziehn.
FRAU DUTSCHKE
Vergebung, was ist das? Das sollst du unterlassen!
Der Zorn ist produktiv und stark macht dich das Hassen!
War nicht der Hass Programm für unsre Rebellion?
War Maos Gattin nicht ein tödlicher Skorpion?
Vergebung, Ehe und Familie lehren Pfaffen,
Wir schärfen voller Zorn die Zunge und die Waffen,
Befrein die Menschheit und befreien die Kultur
Und Sexualität. Zurück dann zur Natur!
Befreit vom Kirchenjoch die unterdrückten Triebe,
Die Sexualität wird frei durch freie Liebe!
HERR DUTSCHKE
Im Alter aber doch ich werde gläubig wie
Ein Hinduist und üb die Sexualmagie.
Im Lotosblütenkelch steckt das Juwel – mein Mantra,
Erleuchtung kommt durch Sex, durch religiösen Tantra.
FRAU DUTSCHKE
Das steht in deinem Buch, das kennst du nur vom Buch,
Du armer alter Mann lebst schon wie ein Eunuch.
Was nützte dir es denn, das junge schlanke Leibchen
Der zweiten Ehefrau? Was tust du deinem Weibchen?
HERR DUTSCHKE
Die Weisen lehrten mich, wie man den Samen spart.
FRAU DUTSCHKE
Dein Shiva-Lingam wird nur einfach nicht mehr hart!
Ich aber muss jetzt fort, du abgenutzter Buhle,
Die Sexualität ich lehre in der Schule.

(Frau Dutschke ab. Der junge Paul Bartholomäus kommt vorbei. Er stellt sich zum alten Herrn Dutschke wie zu einem väterlichen Freund.)

HERR DUTSCHKE
Hello, my friend? Do you speak English?
PAUL
A little bit. I can’t speak English, but I read English books.
HERR DUTSCHKE
Oh, do you read Shakespeare in English?
PAUL
No, but I read his comrades Ben Jonson and Edmund Spenser in English and also Lord Byron.
HERR DUTSCHKE
I was an English-teacher at school. But I speak american english, not oxford English.
PAUL
I know nothing about American literature. I only know from noth-america Walt Whitman and from south-america Pablo Neruda and Ernesto Cardenal.
HERR DUTSCHKE
Ernesto Cardenal? He had blessed the weapons of the revolutionary troops of Nicaragua. But the Pope said: Stop! No communist revolution!
PAUL
The Christian faith not allows to take the weapons and to kill the rich men.
HERR DUTSCHKE
You are a fool! You don’t know the misery of the poor in south-america. They must make revolution and kill the dictators. Ernesto Cardenal saw Cuba an said, it was the paradise on earth.
PAUL
Ernesto Cardenal is a fool. He mixes the catholic faith with the lies of Marxism. But there is no bridge between heaven and hell.
HERR DUTSCHKE
The capitalism makes the whole country of Africa hungry. The children are dying, because the western civilization of capitalism has stolen all the goods from Africa. So they make revolution. There was a communist party in Angola and Ethiopia.
PAUL
Ethiopia! I love Ethiopia! The emperor of Ethiopia was a son of king Salomon and a disciple of Jesus Christ.
HERR DUTSCHKE
The emperor? I didn’t like any emperor. In the middle age the emperors with the Pope were dictators. All the poor people were suffering.
PAUL
The poor people had a better life under the Czar as under the dictator Stalin.
HERR DUTSCHKE
I was in Moscow as a socialist and I do know, there was justice and liberty in the socialist world.
PAUL
There was no freedom! The Russian people love God and Gods Mother, but in communism it was forbidden to believe in God. Look on North-Korea. The punishment of death awaits you, if you had a bible.
HERR DUTSCHKE
Do you mean the same bible, where I did read, first created was Adam and then out of Adam his wife Eve?
PAUL
This story is a story of deep wisdom.
HERR DUTSCHKE
I have red the first lines of the bible, but as I saw that little Eve, I didn’t read further more.
PAUL
You have little interest in the Holy Scripture.
HERR DUTSCHKE
What you call holy! There is no God!
PAUL
I believe in the Love of God!
HERR DUTSCHKE
Buddha says: All is nothingness and emptiness.
PAUL
Salomo says: Vanitas vanitatem! Lady Vanity, Lady Vanity, all that she have is a vanity-bag!
HERR DUTSCHE
Ha, ha!


DRITTE SZENE


(Eine Straßenbühne wird aufgebaut von Harlekin. Herr Reinecke verkleidet als Taoistenpapst mit dem Gelben Turban tritt auf und verkündet als Großmeister des Chi die Weisheit der chinesischen Medizin. Paul steht am Wegesrand. Die Straßenbühne steht vor dem Haus von Jürgen Niemand und seiner engelgleichen Frau Zöli.)

REINECKE
Wan fu! Das ist mein Gruß: Zehntausendfaches Glück!
Tsing an! Und das heißt: Pax! Der Friede kehr zurück!
Ihr Pöbel in der Welt, ihr abgestumpften Narren,
Ihr betet Ärzte an, die Heilung zu erharren.
Ihr seht den Arzt als Gott, als Gott der Heilungskunst,
Als Gott Asklepios. Das alles ist nur Dunst!
Die ganze Wissenschaft des dummen Abendlandes
Verglichen mit dem Heil des weisen Morgenlandes
Ist Eitelkeit, ist Nichts! Das üble Christentum
Bringt Wissenschaft hervor, verletzt das Heiligtum
Der heiligen Natur und fördert die Maschinen,
Den toten Aperrat, Chemie der Medizinen.
Schulmedizin, hinweg! Ihr wollt das Leben rauben,
Die Weisheit der Natur, die nennt ihr Aberglauben.
Schamanen wussten längst, wie heilig die Natur,
Wie Geister wirken, und sie waren auf der Spur
Des Großen Geistes und der Myriaden Geister.
In Trance verstehen das die eingeweihten Meister.
Man muss ein Seher sein, dass man ein Heiler ist,
Durch Handauflegung heilt der Heiler, dass ihr’s wisst.
Schamanen, Seher und Druiden, weise Meister,
Beherrschen dieses Reich der immanenten Geister.
Weg mit der Wissenschaft, des Westens Christentum,
Schamanenweisheit her und Chinas Heidentum!
So lernt die Weisheit erst, lernt der Chinesen Sprache,
Der Phönix ist das Weib, der Kaiser ist der Drache.
Feng Shui lehre euch, zu bauen euer Haus.
Ruht ihr euch nämlich nachts in euren Betten aus,
Sei über eurem Haupt des Kaisers goldner Drache!
Bedenkt, dass euer Bett ist keine tote Sache,
Der Wasserader folgt, der Energieen Drang,
Daß sich vereinigt dann das Yin mit seinem Yang,
So sollt ihr euch im Bett vor toten Werken retten,
Ihr sollt das starke Yang ins sanfte Yin einbetten
Und in der Mystik dann energischer Vermählung
Weltseelen-Energie euch werde zur Beseelung.
Und nun zur Medizin! Ich lehre euch das Chi,
Das ist nicht Heilig Geist, wie Christen sagen, wie
Einst sprach ein Synkretist. Das Chi ist energetisch
Die Kraft aus Yin und Yang. Ich rede hier prophetisch,
Das Chi ist Atem, Geist. So kannte ich ein Weib,
Blockiert die Energie war in dem kranken Leib,
So ward der schöne Leib des lieben Weibs ein kranker,
In ihrer großen Brust, da wütete der Cancer,
Des Todes böser Krebs. Als Meister sprach ich da:
Der Atem in dem Leib, der ist das O und A,
Des Atems Energie muß fließen, ruhig eilen,
Dann fließt des Atems Chi, das wird den Körper heilen,
Dann löst sich auf der Krebs mit seinem krummen Gang,
Wenn wirkt das Phönix-Yin vereint dem Drachen-Yang,
Dann leben Weib und Mann in Einem Leib harmonisch.
Jedoch der Arzt, dein Gott, der grinste nur ironisch,
Nur Okkultismus war ihm dieses gute Chi.
Er gab dem armen Krebs die Chemo-Therapie
Und tötete das Weib, vergiftete das Weibchen.
So ist das Christentum todfeindlich zu dem Leibchen!
Ich hadere mit Gott, was man so preist als Gott,
Dem Mörder dieses Weibs, ihm gilt mein ganzer Spott!
PAUL
Mein lieber Abba Gott, vergib dem armen Toren
Und laß ihn gehen nicht im Höllenpfuhl verloren!
REINECKE
Gesundheits-Göttin, o Hygiene-Göttin du!
Gesundheit schenk dem Leib, der Seele Seelenruh!
Gesundheitsgöttin, heil die Seele in dem Blute,
Die wir dich beten an: Heil unserm Höchsten Gute!
Wir grüßen dich, o Frau und Göttin, mit dem Mund,
Mach unsern Todesleib mit deiner Huld gesund
Und unsrer Psyche schenk schon hier den Garten Eden,
Vom Jenseits wollen wir vertröstend nicht mehr reden,
Nein, diese schöne Welt ist unser Paradies!
Als Heilungssakrament schenk Schnaps uns aus Anis,
Gieß Schnaps uns aus Anis in unsre kranken Venen
Und laß die Adern sich vor Liebeslust ausdehnen
Und laß in Wasser und Anis uns schon in Bausch
Und gen selig sein im liebestrunknen Rausch,
Bis wir in deiner Huld mit unserm Seelenfunken
Im Rausch der Seligkeit der Wollust ganz versunken
Betrunken schlafen ein auf unserm Todesbett!
Da lacht das Yang zum Yin: He, Liebste, sei so nett!
Da lass das Yin nicht sein so launisch und so grillig,
Da lass das Yin doch sein zur Liebe allzeit willig!
Laß wissen doch dem Yin: Das Yang zum Leben taugt,
Wenn sie die Kraft des Yang aus Mannes Lende saugt!
PAUL
Gebet der Häresie, so betet man häretisch
Und meint, die Religion sei Weisheit diätetisch.
Wie es dann im Gericht dem Totengeiste geht,
Der Götzen widmete das heilige Gebet?
Gott, lieber Abba, hab mit diesem Elend-Armen
Doch Mitleid, Jesu Herz, und herzliches Erbarmen!

(Zöli tritt aus dem Haus)

ZÖLI
Ein Prediger von Gott? Hör vom Mysterium
Der Weisheit Gottes ich, vom Evangelium?
REINECKE
(zu Harlekin)
Das ist das süße Weib, mein ewiges Verlangen!
Mein ganzes Paradies mit all den Lockenschlangen!
Schau, hinter ihrem Haus hängt sie die Wäsche auf,
Lauf, o mein Harlekin, in ihren Garten lauf,
Nicht achte auf dem Busch, nicht achte auf die Rose,
Nimm von der Leine ab der Liebsten Unterhose!
Die Schleier fallen lässt die Gottheit einst im Strip –
O Gottheit, reiß herab auch noch den letzten Slip!


VIERTE SZENE


(Reinecke und Harlekin in Reineckes Haus. Reinecke trinkt allerteuersten Wein aus Spanien und Harlekin einen billig Essig aus einem Papp-Karton, europäischen Verschnitt.)

REINECKE
Die Pfaffenkirche ist mir ganz und gar zuwider,
Die alten Herren sind des Christusleibes Glieder,
Ja, männlich, alt und grau, so ist der Christusleib.
Ich aber sehne mich nach einem jungen Weib!
HARLEKIN
Schon wieder Weiber, Herr! So allerlei Geschichten
Mit Weibern hattest du, ich könnte davon dichten.
Doch das ist ganz normal. Ein jeder junger Mann
Ist so wie der Poet Lord Byron Don Juan
Und jeder alte Mann wie Dantes Vita Nova
Ist noch ein Frauenheld wie weiland Casanova.
REINECKE
Sei immer nur galant und niemals Ehemann,
Sei Hausfreund bei der Frau des Nächsten, nämlich dann
Darf sich der Ehemann zur Plackerei beweiben,
Da kannst du voller Lust die Zeit bei ihr vertreiben.
HARLEKIN
In abgetaner Zeit war Harlekin schon blau
Und Colombine war ihm Schwester oder Frau.
REINECKE
Es ist doch jedes Weib, die lüsterne, die pure,
Ein wandernder Pokal, die große Wanderhure.
HARLEKIN
Wie heißt der Schmetterling, der selig trunken fliegt
Von einem Blütenkelch zum nächsten angeschmiegt?
REINECKE
Wie heißt die Blume denn, bei meinem hohen Alter,
Die Blume, welche fliegt von Schmetterling zu Falter?
HARLEKIN
Langweilig ist der Bund der Ehe, ewig treu,
Ich liebe Mädchen nur, die allzeit jung und neu.
REINECKE
Die wahre Liebeslust erfreut sich nur am Wandern,
Frau Liebe wandert stets von einem zu dem andern.
HARLEKIN
Auch traf ich noch kein Weib, die Einem Mann nur treu,
Die sich am Andern nicht daneben auch noch freu.
REINECKE
Der Ehegatte darf sich bei der Arbeit placken,
Der Hausfreund aber darf massieren ihr den Nacken.
HARLEKIN
Unzuverlässig ist das Weib wie Frau Fortuna
Und launisch, grillig ist sie wie die Göttin Luna.
REINECKE
Wenn alle Weiber, die ich hatte je im Bett,
Jetzt bei mir wären, ich gar einen Harem hätt!
Doch all der Weiber Schar, ich will sie nicht mehr sehen,
Was interessieren mich die älteren Trophäen?
Ein Weib gibt es allein, die grausam mich zerreißt,
Raubt mir Verstand und Sinn, macht mutlos meinen Geist!
Du weißt, die Zöli ists! Ich will allein verehren
Die Angebetete, mein brennendes Begehren!
HARLEKIN
In frommer Armut lebt sie, klagt nicht über Geiz,
Doch sparsam ist sie nicht mit ihrem reichen Reiz!
REINECKE
Hast du das Hemd gesehn, die transparente Seide,
Den Zaubergürtel auch, gegürtet um die Scheide,
Den schwarzen Unterrock, der auf die Schenkel fiel?
So muß man träumen ja von wildem Liebesspiel!
HARLEKIN
Es stammt doch jeder Mann von Adam ab, dem Affen,
Was immer predigen die prüden frommen Pfaffen.
Der liebe Ehemann ist dem Gorilla gleich,
Lebt dem Familienglück und ist an Kindern reich,
Doch des Gorillas Schwanz, sein Penis ist ein kleiner!
Schimpansen aber gleich des Eheglücks Verneiner,
Stets der Schimpanse viel Schimpansenweibchen fickt,
Das ist so seine Art, darin ist er geschickt,
Drum riesig ist sein Glied! Der Hausfreund ist so einer.
Gorillapenisse, sie werden immer kleiner,
Der faule Ehemann schnarcht lieber ganz allein,
Ob auch das Weibchen seufzt vor heißer Liebespein.
Doch dem Schimpansen gleicht der Hausfreund und sein Penis
Fickt Artemis zuerst, Athene dann, dann Venus!
Denn so gebietet es die Mutter, die Natur,
Die freie Liebe der erotischen Kultur.
REINECKE
Ja, Julia, Marie und Susi, bei dem Glanze
Weiß ich zu wählen nicht! Ich will mit meinem Schwanze
Beglücken jedes Weib! Sei jedes Weib beglückt,
Von hinten und von vorn sei jedes Weib gefickt!
Ich kehr mich jede Nacht, der Sterblichkeit zum Trotze,
Zuerst zur Flasche Wein und dann zur Hurenfotze!
HARLEKIN
Die Zöli aber scheint mir fromm zu sein und keusch!
REINECKE
Ja, Gott ist mein Rival! Mir aber juckt mein Fleisch,
Ich fühle geile Brunst in meinem Blute kochen,
Der Ader Sinnlichkeit in meinem Phallus pochen!
HARLEKIN
Tod, Teufel und Frau Welt! Bei meinem Satanspakt,
Das weiß der Teufel wohl, das Weib hol ich dir nackt!
So klug wie Salomo, Odysseus gleich an Listen,
Ich schaff sie dir heran mit ihren süßen Brüsten!
Der Teufel bläst mir ein gewiß noch einen Trick,
Bei Lilith, ich besorg dir den ersehnten Fick!
REINECKE
Wenn nur mein Samenfluß in ihre Vulva quölle,
Das wär mir wahrlich wert die Ewigkeit der Hölle!


FÜNFTE SZENE


(Jürgen Niemand und seine Frau Zöli in ihrem Haus.)

JÜRGEN
Du bist ein schlechtes Weib, weil du dich schlecht erlabst
An diesem Mystiker, dem Taoistenpapst!
Du lauschst ja jedem Wort, du Über-Religiöse,
Und legst dabei die Hand an die erregte Möse!
ZÖLI
Und denkst du schon nicht keusch, so red doch bitte keusch!
JÜRGEN
Du ganz verdorbnes Weib, voll Sünden ist dein Fleisch,
Du dienst Asklepios wie einst die Hierodulen,
Du brichst den Ehebund, mit einem Schwanz zu buhlen!
ZÖLI
Was hab ich denn getan? Ich hab ja nur gelauscht,
Ob etwa Weisheit in des Meisters Worten rauscht.
JÜRGEN
Die Rede ist wohl schön von deinem Meister Kallos,
Doch alles, was du willst, das ist von Stein ein Phallos,
Das wäre für dein Herz die Seelenmedizin,
Du steckst ja in dein Loch den harten Phallus, ihn
An deiner Klitoris zu reiben und zu kitzeln!
ZÖLI
Wie Pöbelabschaum sprichst du, sündiglich zu witzeln.
Wie deine Rede mir befleckt das Muschelohr!
Ich geh, zu hören jetzt der reinen Engel Chor,
Weil deine Worte mir mit schuldbeflecktem Schwätzen
Die Mädchenseele, ach, beschmutzen und verletzen!
Ich bete lieber jetzt an meinem Hausaltar
Zu Gott, der sein wird, ist und der schon immer war.
(Zöli ab)
JÜRGEN
Die Weiber sind doch ganz verdorbene Naturen,
Sie tun wie Heilige und sind doch nichts als Huren!
Wie keusch und kühl ihr Blick, gerichtet auf das Heil,
Doch sind im Innersten die Weiber so sehr geil,
Daß sie nichts wollen als das Becken in dem Tanze
Zu schwenken um den Gott von Stein mit seinem Schwanze!
Nein, nirgend in der Welt ist heut noch keusche Zucht!
Ach, heiß wie Höllenglut ist meine Eifersucht!

(Harlekin tritt ein.)

HARLEKIN
O Jürgen Niemand, Freund, du wirst bald freichlich erben,
Herr Reinecke, dein Freund, wird ohne Gnade sterben.
JÜRGEN
Verlässt Herr Reinecke die schöne Erdenwelt,
Schenkt er als Testament dann mir sein liebes Geld?
HARLEKIN
Herr Bartholomäus ist da auch noch im Gespräche,
Es schleimt sich schmierig ein der ekelhafte Freche.
JÜRGEN
Was kann denn ich da tun, mein lieber Harlekin,
Daß ich die Gnade mir des reichen Herrn verdien?
HARLEKIN
Herr Reinecke ist alt, und nachts in seinem Bette,
Da ist ihm kalt, er möcht da eine niedlich Nette,
Die ihm als Helferin und als des Herren Magd
Sehr liebevoll und sanft das Bett zum Ofen macht.
JÜRGEN
Es soll die Helferin als liebevolles Weibchen
Den alten Todesleib erwärmen mit dem Leibchen?
HARLEKIN
Das ist sein großer Wunsch, worauf er sich verspitzt,
Daß ihn ein heißes Weib im Sterbebett erhitzt!
Er möchte sterben nach der Sterbekünste Regeln,
Will sich ins Paradies der Himmelsvenus vögeln!
JÜRGEN
Wie kann ich helfen da? Nach wem verlangt der Mann,
Daß selig sterbe er im Schoß des Weibes dann?
HARLEKIN
Herr Bartholomäus hat die Tochter schon, die junge,
Versprochen mit dem Mund und der geschickten Zunge,
Er sprach: Herr Reinecke, bei deinem Tod ist da
Als Seligmacherin die Jungfrau Julia.
JÜRGEN
Die Jungfrau Julia mit ihrer engen Spalte,
Nach ihr verlangt der Herr, der Ewige und Alte?
Ich weiß ein schönes Weib, das ist viel schöner noch,
Ein Himmelsparadies ist ihr geliebtes Loch!
Sie weiß mit einem Schwung vom mächtig breiten Becken
Den Toten selber aus der Hölle zu erwecken!
HARLEKIN
Die gib du meinem Herrn! Er werde auferweckt
Vom Tod, wenn sie den Mund sich mit der Zunge leckt!
JÜRGEN
Es ist mein Eheweib, ist meine Ehegattin,
Erotischer ist sie als Venus selbst, die Göttin!
(Harlekin ab)
Mein schönes Weib, ich ruf dich, liebe Frau!
(Auftritt Zöli)
ZÖLI
In meinen Augen noch der Buße Tränentau.
JÜRGEN
Doch nun nicht mehr geweint, nicht Fasten mehr und Wachen!
Du, wie ein Engel schön, sollst wie die Engel lachen!
ZÖLI
Was ist der Freude Grund? Glück, das mich nicht verlässt?
JÜRGEN
Heut gehen wir zum Freund, der Nachbar gibt ein Fest.
Du brauchst den schönen Leib nicht allzu keusch verschleiern,
Wir wollen lachen, Weib, wir wollen lustig feiern!
ZÖLI
Die Freude an dem Herrn ist meine große Kraft!
JÜRGEN
Der Geist entflamme dir die große Leidenschaft!
ZÖLI
Wie Turteltauben sanft soll mir mein Auge blicken.
JÜRGEN
Wie Turteltauben sollst du rucken, schnäbeln, picken!
ZÖLI
Ich gehe jetzt ins Bad und mache mich zurecht.
(Zöli ab)
JÜRGEN
Das schöne keusche Weib versteht mich herzlich schlecht!
Doch ob sie noch so fromm wie Gottes Taube gurre,
So manche Heilige war weiland eine Hure.
Sankt Aphra steh ihr bei, die einst so schön gehurt
Und heut im Paradies voll Liebesinbrunst gurrt!


SECHSTE SZENE


(In dem Haus des Advocaten Bartholomäus, Vater Bartholomäus und Sohn Paul.)

BARTHOLOMÄUS
Herr Reinecke vererbt ein riesengroßes Erbe,
Doch ich vererbe nichts dir, wenn ich einmal sterbe.
Zum Glück ist ja für mich als meine Erbin da
Die liebste Tochter mein, die Jungfrau Julia.
O Jungfrau Julia, du Fleisch von meinem Fleische!
Sie ist mein Ebenbild, die Reizende und Keusche,
Den Samen sät ich gut, im Acker meine Saat,
Die Advocatin schön gebar dem Advocat
Die Jungfrau Julia. Sie ist ganz meine Gleiche,
Die edel ist und schön, Vornehme sie und Reiche.
Sie ist so modisch schön, von lauter Liebreiz hell,
Der Mode Inbegriff, ein liebliches Modell,
Modell der Venus sie in der Madonna Mode!
Was soll mir, dummer Paul, die abgeschmackte Ode
Der großen Torheit dein? Du bist ein reiner Tor,
Der den Verstand im Wahn verschwendet, ja verlor.
Ich mag dich einfach nicht! Die familiären Freunde
Sind selten heutzutag. Du zählst zu meinem Feinde!
Nun gut, das Erbe will und goldnen Geldes Saat
Von Reineckes Besitz der große Advocat.
Ich bot dem Reinecke bereits mein hübsches Mädchen,
In ihrem Haar, brünett, kein einzig Silberfädchen,
Gebaut das Mädchen schlank, das zarte Becken eng!
Wohl jenem Mann, wenn er sich in das Mädchen dräng!
Doch Reinecke, der Narr, o bei Regina Coeli,
Will lieber jenes Weib von Jürgen Niemand, Zöli.
Was soll ich also tun? O bei der Weisheit Witz,
Ich schenke Reinecke den ganzen Landbesitz
Und all mein liebes Geld, o bei der Immaculata,
Was selber ich geerbt mit meiner Advocata,
Als deren Vater starb. Ja, Reinecke gewinnt
All deinen Erbbesitz, dass er sich bald besinnt
Und setzt mich ein allein als seinen lieben Erben.
Dann kann der gute Mann in meiner Gnade sterben!
Doch du gehst leer aus, Sohn, beim Nichtigkeit des Nichts,
Du bist ein Tunichtgut, du bist ein Taugenichts,
Fortuna darf zu Recht dir alle Güter rauben,
Beweise so an Gott den lächerlichen Glauben,
Ob dir vom lieben Gott ein reiches Erbteil kommt,
Daß deinem Lebensglück für alle Zeiten frommt.
PAUL
So wahr die Letter L für Beischlaf steht, mein Vater,
So wahr die Katze schnurrt, den Schwanz versteift der Kater,
Ich armer Tunichtgut und freier Taugenichts
Will von dem ganzen Gut des Gottes Mammon nichts!
Allein mein großer Schatz ist himmlisch und ist seelisch!
Hör der Geschichte zu, dem Gleichnis evangelisch:
Es war einmal ein Mann, zwei Söhne hatte der,
Den einen stolzen Sohn, den liebte dieser Herr,
Den armen andern Sohn, der war am Geist umnachtet,
Den hat der stolze Herr verspottet und verachtet.
Nun starb der stolze Mann, das Herz der Sünden voll,
Starb ohne Gnade, fuhr hinab in den Scheol.
Um seinen Leichnam noch, o bei dem weisen Nathan,
Sich stritten Luzifer und Belial und Satan.
Der arme Sohn ging leer beim Testamente aus,
Er ging zum lieben Gott ins schöne Gotteshaus
Und sprach zum Bischof da: O sage meinem Bruder,
Daß er das Erbe teilt! Wie geizig ist das Luder,
Wie geldgeil ist der Kerl! Doch ich bin elend arm,
Im Namen Jesu Christ, dass sich mein Gott erbarm!
Der weise Bischof war ein bibeltreuer Frommer,
Er sagte zu dem Sohn: Zwar starb in diesem Sommer
Dein Vater ohne Huld, dein Vater fern von Gott,
Auf seiner Lippe noch im Sterbebett ein Spott,
So blieb der Sünder fern dem Glück des Gottesstaates
Und brennt im Feuer nun beim Totengotte Hades,
Was kümmert aber mich, dass ihr ums Erbe kämpft?
Wer sagt euch, dass der Herr solch einen Streitfall dämpft?
Ich schließ den Eingang auf zum Liebeshimmelszelte!
Was kümmert mich der Krieg ums Erbe von dem Gelde?
So sprach der Bischof in Persona Jesum Christ,
Ein wahrer Bischof doch ein Andrer Christus ist.
BARTHOLOMÄUS
Da siehst du, Sohn, du Tor, Gott weiß nichts vom Realen!
Was weiß denn Jesus schon, dein Gott, vom Steuerzahlen?
Der liebe Gott ist doch ganz weltfremd, in der Welt
Ist nicht daheim dein Gott! Was weiß vom lieben Geld
Dein frommer Jesus Christ, was weiß er von dem Schekel?
Vor Mammon hat dein Gott nur abgrundtiefen Ekel!
PAUL
Ein Gott der Liebe ist allein im Himmelreich,
Ein Gott auf Erden ist, Gott Mammon, der macht reich,
Und ob dir auch der Sack von Silber überquölle,
Gott Mammons goldner Weg führt gradwegs in die Hölle!
BARTHOLOMÄUS
Die Hölle schreckt mich nicht, wie auch kein faules Ei,
Denn in dem Höllenpfuhl, da gibt es Hurerei!
Du aber, frommer Narr, sollst beten, beten, beten,
Scheiß in die Hände dir, den eignen Kot zu kneten!
(Bartholomäus ab.)
PAUL
Enterbt bin ich? Nun denn! Häuf tausend Sünden an
Und werde du an Schuld ein großer reicher Mann,
Beladen noch so schwer die schwankenden Kamele
Nicht kommen in das Reich der Seligkeit der Seele.
Was häuft ihr doch das Gold in Säcken noch und noch?
Nackt müsst ihr einst hinab in Mutter Erde Loch!
Dahin ist aller Dunst, des Goldes Soll und Haben,
Den Reichen wird man nackt im bloßen Staub begraben!
Jedoch der Fromme, arm, aus reinem Glauben arm,
Verzichtend für den Herrn, auf dass sich Gott erbarm,
Er sammelt sich bei Gott die allergrößten Schätze,
Daß er an Gottes Schatz sich ewiglich ergötze!
Wie arm bist du vor Gott, geldgieriges Kamel,
Wie reich der Fromme ist, lebt Gott in seiner Seel,
Nur Einen Reichtum schätzt, den Schatz der reichen Gnade,
Daß in der Gnade Schatz er seine Seele bade!
Du reicher Advocat, ich spucke auf dein Geld!
Frau Liebe wartet schon im Liebeshimmelszelt,
Frau Liebe nackt und bloß, den Geistlich-Armen rettend,
Den Hunger stillend und im Überfluß ihn bettend!


SIEBENTE SZENE


(Der Möchtegern-Politiker Herr Dutschke und Frau Dutschke auf der Straße.)

HERR DUTSCHKE
All diese Prediger, verstummen sollen sie,
Die missionieren stets von Gottes Sympathie,
Sie sollen schweigen und verstummen auf der Stelle!
Vom Fegefeuer nicht ein Wort und von der Hölle!
Todsünden? Dieses Wort soll stets verschwiegen sein,
Kein Wort von Satanas und seiner Höllenpein!
Wenn noch ein Prediger von Satan, Tod und Hölle
Ein Wort verliert, ich will ihn töten auf der Stelle!
FRAU DUTSCHKE
Was schreist du wieder so? Ich habe, gottseidank,
Die Nase gründlich voll von deinem Zorn und Zank!
HERR DUTSCHKE
Was schimpfst du so mit mir? Du wirst zu einer Zicke!
FRAU DUTSCHKE
Ja; alter Mann, du suchst nach einer jungen Ricke?
Ein Mädchen sanft und lieb, mit reinem Herzen, gut,
Ein Mädchen immerjung erregt des Alten Blut.
Ihr alten Männer liebt das junge Feminine,
Ihr sucht die Magd des Herrn, die lächelt süß: Ich diene!
Das, Kommunist, ist nur katholischer Machismus,
Nicht dafür kämpfte ich den Kampf des Feminismus.
Ob feministisch die, die andre feminin,
Die starke Heldin kämpft, das Weibchen spricht: Ich dien.
Den Feminismus liebt ihr nicht, das Feminine
Des Weibchens liebt ihr sehr. Ich will das Maskuline
In meinem Wesen auch, bin starke Kriegerin,
Bin hohe Herrscherin, der bessre Mann ich bin,
Ich bin nicht Magd des Herrn, nicht feminine Närrin,
Der Göttin Tochter ich, des Männchens starke Herrin!
Der Mann ist heute schwach, der Mann ist impotent,
Der Göttin Tochter ist in ihrem Element,
Ist sie die Herrscherin, ist er ihr Knecht und Sklave.
Maria dient als Magd dem Vatergotte Jahwe,
Das ist das Patriarchat, die Herrenreligion.
Die Göttin nimmt sich den Geliebten und den Sohn,
Denn Gott ist eine Frau und Gott ist eine Mutter,
Gott ist ein Paradies von Honigseim und Butter,
Und göttlich ist die Frau und weiblich ist mein Gott.
Den alten Pfaffen ist das Weib nur Hohn und Spott,
Drum kann die Kirche ich der alten Herrn nicht leiden,
Viel freier waren da die alten frommen Heiden.
Nicht Platons Ideal, Idee im Himmelssaal,
Den Feministen nützt nichts Platons Ideal,
Nicht Aristoteles und seine Männerlogik,
Der Päderasten Gott und seine Pädagogik
Ist patriarchal. Jedoch das alte Mutterrecht
Erneuern wir im Kampf, im ewigen Gefecht
Des Weibes mit dem Mann, im sexuellen Krieg,
Der Göttin Mutterrecht behält zuletzt den Sieg!
HERR DUTSCHKE
Ich bin ein armer Narr! Du warst in deiner Jugend
Mitstreiterin im Kampf der Rebellion, der Tugend
Des Klassenhasses. Ich, der ewige Hans Dampf
In allen Gassen, hör nun vom Geschlechterkampf.
FRAU DUTSCHKE
Geschlechterkampf? Mich juckts in meinem Solarplexus.
Es ist schon patriarchal die Rede von dem Sexus.
Ach, der Konfuzius wie Moses auch vergeht
Und auch des Vaters Sohn, der Mann von Nazareth,
Die Schriften alle sind Papyrus, das ist brennlich.
Die Weiber werden selbst mehr als die Männer männlich.
HERR DUTSCHKE
Was einst die Venus war und Sankt Urania,
Wird jetzt mit Peitsche und mit Geißel Domina!
Ist besser doch allein im Winkel unterm Dache
Als mit der Zankenden vereint in einer Sache.
FRAU DUTSCHKE
Das hat schon einen Grund, wenn deine Herrin zankt,
Weil sie von dir genervt, an deinen Launen krankt.
Ja, werdet zänkisch, all ihr Weiber! Stärkt den Willen,
Lebt eure Launen aus und femininen Grillen,
Denn die moderne Frau ist übermenschlich frei,
Befreit vom Sexus und des Mannes Tyrannei!
HERR DUTSCHKE
Wir standen doch vereint und stürmten den Montmartre,
Simone de Bouvoir warst du und ich war Sartre!
FRAU DUTSCHKE
Du warst das starke Yang und ich das schwache Yin?
Fort mit dem Quatsch von Sex und Sexus, denn ich bin
Ein Weib zwar von Natur und doch die mehr als Kühne,
Gynander bin ich und das große Androgyne.
HERR DUTSCHKE
Die rosa Revolution war homosexuell,
Ich aber doch ein Mann beim Weibe bin und stell
Mich aufrecht hin als Mann vor Taillen schlank wie Wespen,
Ich schade mir doch selbst, verehre ich die Lesben.
FRAU DUTSCHKE
Die Lesbierinnen sind die wahrhaft freien Fraun,
Befreit vom Männersex. Ich habe nur Vertraun
Zu andern Frauen, denn die Freiheit unbeschreiblich,
Die Göttin Freiheit ist die große Göttin weiblich!
HERR DUTSCHKE
So lieb du andre Fraun, lieb lesbisch andre Fraun,
Ich will nach Nebenfraun zur freien Liebe schaun.
FRAU DUTSCHKE
Weg mit den Christen und mit allen Platonisten!
Heil Lesben, Homos, Heil ihr freien Bigamisten!
HERR DUTSCHKE
Wenn du nur weiter den Priapus auch verehrst!
Ansonsten weiß ich, was du deine Schüler lehrst:
Der Sexualmagie befreite Pädagogik
Lehrt freie Liebe und enthemmten Sexus Logik.
FRAU DUTSCHKE
Ihr Kommunisten habt versucht die Revolution,
Wir Feministinnen, wir stürzen erst den Thron,
Der Weltenpräsident, Gottvater voller Grauen,
Im sexuellen Krieg gestürzt wird von den Frauen!
HERR DUTSCHKE
Doch reitest weiter du den abgehetzten Gaul?
FRAU DUTSCHKE
Du bist ein armer Hund, du Untermensch! Halt’s Maul!


ACHTE SZENE


(Jürgen Niemand und Zöli vor der Tür von Reineckes Haus.)

ZÖLI
Was Aristoteles gelehrt hat von der Freundschaft,
Schrieb er in meinem Sinn. Denn Freundschaft ist nicht Feindschaft.
Des Nutzens Freundschaft ist die allertiefste Art,
Da fühlt ein guter Freund wohl hilfsbereit und zart,
Die Freundin aber will die Hilfe nur, den Nutzen,
Er soll der Kinderschar Po, Mund und Nase putzen,
Aufpassen auf die Schar der lieben Kinderlein,
So kann die Freundin frei in ihrem Urlaub sein.
Des Mannes innrer Wert und betende Gedanken
Erfragt die Freundin nicht, er soll nur ihr, der Kranken,
Die Sorgen nehmen ab, des Alltags Mühen fort,
Ansonsten rede er kein geisterfülltes Wort.
Die Freundschaft für die Lust, die liebt man in der Jugend.
Die wahre Liebe ist noch unbekannt, die Tugend,
Der Mann will von dem Weib nichts andres als die Lust,
Berauschen will er sich an ihrer großen Brust,
Beglücken soll sie ihn mit ihres Körpers Reizen,
Den Zonen erogen, sie soll die Beine spreizen!
Wenn überdrüssig ist der Mann des Weibes Lust,
Folgt üble Laune nur und ekelhafter Frust,
Die Freundschaft ist nicht mehr, der Freundschaft Sommersonne
Versank in Winternacht, da fort der Wollust Wonne.
Charakterfreundschaft nun ist wahre Freundschaft erst,
Wo du nicht Nutzen und nicht Lust vom Weib begehrst,
Wo den Charakter du der edlen Dame achtest,
Nach ihrer Seele Geist als frommer Schwärmer schmachtest,
Wo deine Freundin dir, fern allem Hohn und Spott,
Als Gnadenreiche hilft auf deinem Weg zu Gott!
Wer solche Freundin fand, ist schon auf Erden selig
Und darf zurecht auch sein wie kleine Kinder fröhlich.
JÜRGEN
Ein Frömmeleigeschwätz, des Weibes Religion!
Nein, andres will von dir des Gottes Mammon Sohn,
Herr Reinecke liegt schon im gnadenlosen Sterben
Und ich will von dem Mann das Gut des Geldes erben.
Daß wohlgesonnen er sei seinem besten Freund,
Ich meine damit mich, obwohl ich bin sein Feind,
Gewinne du sein Herz! O Zöli, dich nicht ziere,
Beim reichen Reinecke für Geld dich prostituiere!
ZÖLI
Prophetin ist die Frau, tagt Gott an ihrer Stirn,
Dem Pöbel ist sie nur die allgemeine Dirn!
Der Tugend Siegeskranz, den will ich nicht verlieren,
Nie werde meinen Leib für Geld ich prostituieren!
Mein Leib gehört allein der ehelichen Pflicht,
Mein Leib gewiss gehört verhurter Unzucht nicht!
JÜRGEN
O Zöli, sei charmant, als Niedliche und Nette
Sei zärtlich, liebevoll, liebkose ihn im Bette!
Nun komm, mein Eheweib, hilf mir zum Erbe, komm,
Sei nicht so tugendhaft, sei nicht so keusch und fromm!

(Sie treten in Reineckes Haus ein. Herr Reinecke liegt in seinem Bett. Harlekin bringt gerade eine große Kanne Kaffee.)

REINECKE
O Zöli, Traumfrau mein! Wie Gott will ich verehren
Die große Seele dein, den schönen Leib begehren
Als Gottes schönen Leib, als der Weltseele Leib,
Mein Universum du, mein großes Überweib!
ZÖLI
Ach nein, das bin ich nicht, bin keine Himmelsgöttin,
Bin Mensch von Fleisch und Blut und Jürgen Niemands Gattin.
REINECKE
Du müsstest dich nur erst mit meinen Augen sehn,
Die Herrlichkeit des Herrn ist kaum wie du so schön!
Die absolute Frau bist du, du bist die absolute
Geliebte meines Bluts, du lebst in meinem Blute!
Die schöne Venus taucht aus aufgeschäumtem Meer,
Du aber kommst zu mir vom dritten Himmel her!
Ja, Gott erscheint mir selbst in deinem lichten Leib,
Gott wurde wieder Mensch in dir, du Göttin-Weib!
ZÖLI
Das schmeichelt einer Frau, so schwärmendes Verehren,
Doch will ich eines nicht, du sollst mich nicht begehren,
Weil niemals ich dein Fleisch mit meinem Leib erfreu,
Denn ich bin meinem Mann vor Gottes Antlitz treu.
HARLEKIN
Das fromme keusche Weib, man kann es kaum beschreiben,
Vor ihrem Ehemann will sie’s nicht mit dir treiben!
JÜRGEN
Dann geh ich also jetzt und überlass mein Weib
Dem vielgeliebten Freund mit Seele und mit Leib.
(Jürgen ab.)

REINECKE
Wenn ich der Herrgott wär, ich gäbe zum Gebote:
Gastfreundschaft fordert dies: Kommt wandernd nun ein Bote
In eines Mannes Haus und wird geladen ein,
Gastgeber, gib dem Gast die Ehegattin dein!
ZÖLI
Gastfreundschaft heißt allein, lass uns zusammen essen,
Auch Gott zu danken wir beim Mahle nie vergessen.
REINECKE
Ich lade dich zum Mahl, heut gibt es Schweineschwanz,
Gebraten in dem Fett, von ganz besondrem Glanz,
Zum Schweineschwanz dazu gibt’s eines Stieres Hoden.
In Frankreich speist man so, das sind so Frankreichs Moden.
ZÖLI
Ich aber speis kein Fleisch, ich speis nur grünes Kraut,
Auch esse ich kein Ei und keine Entenhaut.
REINECKE
Nun, lesen wir ein Buch. Die Diamanten-Sutra
Gautama Buddhas hier und hier das Kamasutra.
ZÖLI
Wie, dort ein nackter Gott mit einer Göttin nackt,
Er Gottheit voll Potenz, sie Gottheit voller Akt?
Ich weiß, so denkt sich aus die Himmlischen der Heide,
Gott Penis mystisch ist vereint mit Göttin Scheide!
Ein Aberglauben das, ein lästerlicher Spott,
Gott ist die Liebe, ja, doch reiner Geist ist Gott!
REINECKE
Doch schau, hier lernst du noch, schau diesen Schattenriss,
So beißt im Liebesspiel die Frau mit scharfem Biss,
Schau pornographisch hier ekstatische Genüsse,
Auf Lippe, Stirn und Hals und auf die Schenkel Küsse,
Schau hier im Liebesakt im ehelichen Saal
Des Weibes Taze hier, sie kratzt ein Nägelmal,
Hier kopulierend steht der eheliche Gatte,
Die Freundin schwingt sich auf des starken Mannes Latte,
Hier liegt sie unter ihm, Empfängnis ganz und nackt,
Er göttlicher Potenz vollzieht den Liebesakt,
Zuletzt – ich liebe das, du mögest mich bemuttern –
Dein breites Becken schwing, die Stellung nennt man buttern!
ZÖLI
Das ist ja Wollust pur und nackende Begier,
Nein, solch ein Liebesspiel lebt nicht im Innern mir,
Ich will mit meinem Geist, dem Herzen und der Seele
Und auch dazu dem Leib, dass nicht der Körper fehle,
Verschenken mich allein dem treuen Ehemann,
Wie auch mein Ehemann sich liebend hingibt dann
Und wir ekstatisch eins – so schön wie bei den Indern –
Mitschöpfer werden dann mit Gott von lieben Kindern!
REINECKE
Nein, Gott verhüte das! Nur viele Kinder nicht!
Nicht treu ein Leben lang! Nur keine Ehepflicht!
Nein! Sexualität bacchantisch, orgiastisch,
Als Quickie einen Fick – ich sag es eben drastisch.
ZÖLI
Errötend treibst du mir die Röte in die Scham!
Ich will sofort, sofort zu meinem Bräutigam!


NEUNTE SZENE


(Möchtegern-Politiker Herr Dutschke und Paul auf der Straße.)

HERR DUTSCHKE
Sei immerzu galant zu allen hübschen Frauen,
Vor ihren Grillen soll dir innerlich nicht grauen,
Und wie mit Porzellan geh mit dem Mädchen um,
Das noch behütet hat des Hymens Heiligtum!
Sie wachsen ja erst auf, sie sind noch so zerbrechlich!
Der Wechseljahre Zeit macht dann die Frauen schwächlich,
Da habe du Geduld, und wenn sie dir mit Zank
Die Nerven reiben auf, sag immer: Lieben Dank!
Der Wechseljahre Zeit, der Lebensmitte Grenze,
Die Männer führt sie oft zu ihrem zweiten Lenze.
Von Männern schweigen wir, die doch nur Narren sind,
Und du, mein guter Paul, bist noch ein rechtes Kind!
PAUL
Ich danke, Väterchen, in Ehrfurcht und Verehrung
Im Geist der Schülerschaft für alle die Belehrung.
HERR DUTSCHKE
Nur saubre Kleidung trag und gute Schuhe auch,
Nicht stinkenden Tabak mit deiner Lunge rauch,
Trink nicht soviel vom Wein, das schadet dem Gehirne,
Den Trunknen lüstets dann nach einer geilen Dirne.
PAUL
Die Weisheit in Person hier redet als Dozent,
Erfahrungsschätze sind des Alten Element.
HERR DUTSCHKE
Wenn spricht ein kluger Mann, sollst du gehorsam lauschen,
Ich lasse ja mein Wort an deine Ohren rauschen,
Da sauge alles ein, die Weisheit mein Besitz,
Nicht scherze drüber und verbeiß dir frechen Witz,
Vor allem sollst du nicht wie die verdorbnen frechen
Lausbuben in der Welt dem Alten widersprechen!
PAUL
Papst Gregor sagte einst, die Hochmuts-Wissenschaft
Voll Überheblichkeit vertraut der eignen Kraft,
Dozierend arrogant herab von dem Katheder,
Es ducke wie ein Hund sich vor dem Lehrer jeder,
Ob keiner auch den Schatz des Lehrers haben will,
Sei alles ehrfurchtsvoll vorm Oberlehrer still!
Die Demuts-Wissenschaft ist wie ein Freund und Bruder
Und hilft mit zartem Rat noch dem geliebten Luder,
Den Weg zu gehn zu Gott, die Demuts-Wissenschaft
Will nicht erobern, nein, sie dient mit aller Kraft,
Sie fragt den Menschen erst, was ist denn sein Bedürfen,
Um dann für den Bedarf im Weisheitsschatz zu schürfen,
Dann lernt der Schüler gern, wenn nicht die Arroganz
Ihn macht gering und klein und ohne eignen Glanz,
Nein, wenn die Wissenschaft ihm gibt nach dem Bedarfe,
Dann ist die Weisheit süß wie David auf der Harfe.
HERR DUTSCHKE
Papst Gregor sagte das? Geh weg mir mit dem Papst!
Daß du mit deinem Papst die Narrenwelt erlabst!
Ausbeuter ist der Papst, Ausbeuter wie der Kaiser,
Ausbeuter ist der Papst, da ist ein Bauer weiser!
Die Abschussliste schon bereit dem Papste steht
Wie auch dem Kaisertum und Seiner Majestät!
Die Zeichen dieser Zeit, sie künden Kommunisten
Und Sozialisten an und schließlich Anarchisten!
Weg mit dem Kapital! Die Wirtschaftskrise ist
Ein Zeichen, wie das Geld die ganze Erde frisst,
Die Krise ist global, regieren doch die Banken,
Die Armen in der Welt am großen Mangel kranken.
PAUL
Wir brauchen eine Welt und Zivilisation,
Da Liebe sich vereint mit Weisheit in dem Thron!
HERR DUTSCHKE
Du redest ideal, da höre ich den Hegel,
Nach jedem Modewind du richtest wohl dein Segel?
Den Hegel stelle ich von seinem Kopfstand nun
Auf seine Füße. Und schon Lenin fragt: Was tun?
Das Fressen kommt zuerst und dann erst kommt die Ethik!
Was nützt dem Armen denn platonische Poetik?
Dem Armen stopf den Bauch und lad ihn ein zum Mahl
Und ist der Bauch erst voll, dann kommt auch die Moral.

(Frau Dutschke kommt hinzu.)

FRAU DUTSCHKE
Der predigt wieder mal als neuer Dalai Lama,
Den unterm Feigenbaum erleuchtet Hare Rama?
Du aufgeblasner Kerl, berauscht vom eignen Ich,
In Selbstbetrunkenheit hört keinen Mann als sich,
In arrogantem Stolz und Hochmut aufgeblasen!
HERR DUTSCHKE
Weib, hast du wieder heut der Monatsregel Phasen?
FRAU DUTSCHKE
Der Zorn hat über dich die Zunge mir geschärft,
Weil deine Arroganz mich schon seit Jahren nervt!
Zum Wasserbüffel bet und lehre noch vom Tao,
Dann werde ich Skorpion zur Ehefrau von Mao!


ZEHNTE SZENE


(Gericht. Herr Reinecke als Ankläger. Herr Bartholomäus als zweiter Ankläger. Paul und Zöli als Angeklagte. Advocatin Uschi Winkel als Richterin.)

REINECKE
Das Paulchen ist ein Narr, der mit den Tieren spricht,
Es fehlt ihm der Verstand, der Logik Geisteslicht,
Die Zöli liebt er als Gazelle und als Hindin,
Er sieht sich als Gemahl und sie als seine Hündin.
BARTHOLOMÄUS
Denn eine Hündin ist die schöne Helena
Und eine Hure ist das Weib Justitia!
Sie nimmt die Binde ab und schaut mit beiden Augen,
Wem könne sie sein Gold aus seinem Beutel saugen,
Und hinterm Rücken sie das Händchen offen hält,
Ob ihr ein reicher Mann gibt ungerechtes Geld.
Ja, die Gerechtigkeit, die Göttliche, die Pure,
Bei Licht besehen ist sie eine schnöde Hure!
Als Prostituierte liebt für Geld Justitia.
Bei Licht besehen, ist die schöne Helena
Ja eine Hündin auch und allgemeine Schlampe!
REINECKE
Beim großen Buddha und dem Glücksgott mit der Wampe,
Ich hörte oft den Paul und seine eilige
Belehrung war nur dies, dass Zöli Heilige
Sei und die Anima des Universums selber.
Wird Jürgen Niemand nicht vor Eifer immer gelber,
Wenn so du Zöli preist? Sie ist doch Ehefrau!
Er sprach: Ich aber Gott auf ihrem Antlitz schau!
Die Frommen reden so, die Stolzen und die Frechen,
Und Minnereligion heißt, Ehen frech zu brechen!
BARTHOLOMÄUS
Auf die Gesinnung schau! Scheinheilig tut er wohl
Als ehre er den Bund der Ehe, bei Scheol,
Er aber, Minner von des Minneordens Innung,
Ein Ehebrecher er im Innern der Gesinnung.
REINECKE
Und Zöli wäre rein? Sie tut so tugendvoll
Und hört doch immer nur auf ihren Gott Apoll
Und Jürgen Niemand ist für sie der Geistig-Schwache,
Allein vom frommen Paul empfängt sie ihre Sprache
Und plappert allzeit nach, was Paulchen sie gelehrt.
BARTHOLOMÄUS
Der offen sie belehrt und heimlich sie begehrt!
USCHI WINKEL
Das interessiert mich nicht! Was kümmern mich die Herzen
Der Freundin und des Freunds? Des armen Paulchens Schmerzen
Sind wie die dumme Welt Millionen Jahre alt
Und lassen mich genau wie alle Leiden kalt.
Willst du in dieser Welt die Lebenslust verfeinern,
So mögest du dein Herz verhärten und versteinern!
Was Herzschmerz, Tränenglut? Ich sage nur: Was soll’s?
Verlierer der und die ist Siegerin voll Stolz!
Ich sage allezeit: Geschehe nur mein Wille!
Drum trage ich ja auch die schwarze Sonnenbrille,
Daß keine Seele mir in meine Augen schaut,
Daß keiner Seele vor der toten Seele graut!
BARTHOLOMÄUS
Ich aber als Jurist Verteidiger und Mittler
Stünd gern als Advocat und Beistand bei dem Hitler
Und rette den Mann aus der Verdammnis Netz,
Ist eine Lücke wohl für ihn auch im Gesetz.
Als Winkeladvocat will ich mich eilig sputen,
Ich stehe jedem bei, den Bösen wie den Guten.
Ich bin der Richter nicht von Gut und Böse, nein,
Ich scherze mit dem Recht und lass die Wahrheit sein
Ein Ding für die Moral. Was kümmert mich Moral?
Justitia allein, die Hure, herrscht im Saal!
REINECKE
Von Huren redest du? Das ist für mich ein Futter,
Denn abgesehen nur von meiner eignen Mutter
Sind alle Weiber in der Erdenwelt verhurt!
Auch Zöli flirtet gern und wie ein Täubchen gurrt.
Ob ihre Ohren auch das Päulchen nicht erhörten,
Mag sie doch buhlerisch sehr gerne mit ihm flirten,
Romantik liebt sie ja und frommer Minne Schmalz
Und der Erotik Schwatz voll Pfeffer und voll Salz,
Dann tanzt der Schmetterling in ihrem Solarplexus,
Wenn Paulchen scherzt kokett und kitzelt ihr den Sexus!
USCHI WINKEL
Das interessiert mich nicht, was da das Paulchen meint!
Der Böse ist mein Freund und Paulchen ist mein Feind!
Die arme Zöli ist nur eine arme Närrin,
Ich bin in dieser Welt gerecht allein und Herrin!
Laß doch das Minneweib und ihren Minner dichten,
Als Feinde will ich sie jetzt richten und vernichten!
PAUL
Zusammen suchen wir nichts als den lieben Gott.
REINECKE
Dein lieber, lieber Gott, das ist ein Narrenspott!
USCHI WINKEL
So will ich jetzt den Paul mit seiner Wunderschönen
Verurteilt sehn: Die Welt soll dieses Paar verhöhnen!


ELFTE SZENE

(Reinecke und Harlekin in Reineckes Haus.)

REINECKE
Sag allen, dass ich tot bin und gestorben, Knecht,
Sogleich eilt dann heran das hündische Geschlecht,
Schakalen sind sie gleich, sind listig wie die Lüchse,
Wie Wölfe gierig und sind bauernschlau wie Füchse.
HARLEKIN
Ist besser doch, mein Herz, in dieser Welt ein Hund
Als Löwenmajestät im tiefsten Höllengrund.

(Reinecke versteckt sich in einer Kammer. Jürgen Niemand tritt auf.)

JÜRGEN NIEMAND
Wie geht es Reinecke in tödlichen Gefahren?
HARLEKIN
Der liebe Scharlatan gen Himmel ist gefahren!
JÜRGEN NIEMAND
Wo hat der liebe Herr sein letztes Testament,
Da er als Erben mich und Lieblingssohn bekennt?
HARLEKIN
Er sprach im Todesbett, ich kann es dir verbürgen:
Ein Hans Wurst, ja ein Nichts, ist dieser Niemand Jürgen!
Nie will ich schauen mehr die Fratze des Gesichts,
Herr Jürgen Hanswurst ist so hässlich wie das Nichts!
JÜRGEN NIEMAND
Wie? War ich doch sein Freund, sein Kamerad und Bruder,
Wir liebten doch vereint das selbe schlimme Luder!
Nun quält sein Totengeist mich mit Beleidigung
Und noch sein Schatte macht mir Qual mit Peinigung!
(Jürgen ab.)
HARLEKIN
Ja; so was macht mir Spaß, das will ich Tun und Machen,
Die ganze Narrenwelt nun kräftig auszulachen!
Die Welt ein Irrenhaus, ein Mann ein dummes Kind,
Doch Narrenwärter noch die größten Narren sind!

(Advocat Bartholomäus tritt ein.)

BARTHOLOMÄUS
Herr Reinecke, gesund? Ließ Gott ihn noch nicht sterben?
Ich bin sein wahrer Sohn, ich werde von ihm erben.
HARLEKIN
Ach Reinecke ist tot, ach Reinecke ist tot!
Er sprach im Sterbebett: Der größte Idiot
Ist Bartholomäus doch, ein Arschloch, radikales,
Ein Sohn des Satanas gemäß dem Bund des Baales!
BARTHOLOMÄUS
Vereint studierten wir doch der Gesetze Buch
Und nun nichts anderes als noch ein letzter Fluch?
Doch fluche mir nur oft der garstige Unholde,
Ich will den Segen nicht, ich will von seinem Golde!
HARLEKIN
Er sprach: Der Advocat, verdorben, ganz verderbt,
Vom Vater in dem Geist das Söhnchen ist enterbt!
BARTHOLOMÄUS
Dem Lügenvater ich mein Väterchen vergleiche,
Ich spuck auf Reinecke und fluche seiner Leiche!

(Bartholomäus ab.)

HARLEKIN
Man sieht, wie Satanas das Menschenkind versucht,
Bekommt man nicht sein Geld, wird kräftig gleich geflucht.
Ich warte nur noch auf den Dritten, dass der Dritte
Auch werde ausgelacht, bekommt auch seine Tritte.

(Möchtegern-Politiker Herr Dutschke tritt ein.)

HERR DUTSCHKE
Ist Reinecke, mein Freund, an Geist und Leib gesund?
HARLEKIN
Der Leib ist ziemlich krank, der Leib ist todeswund,
Vom Geiste weiß ich nichts, du närrischer Geselle,
Ob Purgatorium ihn aufnahm oder Hölle?
HERR DUTSCHKE
Des toten Lenin Geist ist eingesargt im Herzen
Des Proletariats, wie Gold in Berges Erzen.
HARLEKIN
Doch sprach noch Reinecke kurz vor dem bösen Tod:
Der dumme Dutschke ist wie Höllenfeuer rot!
HERR DUTSCHKE
So hat er mich gekränkt vor seinem bösen Sterben?
Ich hadere mit Gott! Doch will ich ihn beerben!
HARLEKIN
Du wirst nichts erben, Freund! Wer wird beerben ihn?
Sein Erbe ist sein Narr, sein Teufel Harlekin!


ZWÖLFTE SZENE

(Reinecke, verkleidet als buddhistischer Mönch, Harlekin, Dutschke und Bartholomäus, Jürgen Niemand, Zöli und Paul auf dem Marktplatz. Vom Himmel kommt die Justitia Divina, in ihrer Linken die Waage des Weltgerichts und in ihrer Rechten das Schwert des göttlichen Urteilsspruchs. Sie ist eine himmlische Jungfrau in gottähnlicher Schönheit.)

JUSTITIA DIVINA
Herr Reinecke, du Mönch im Ordenskleid des Buddha,
So wahr ich Jungfrau bin des wahren Gottes Mutter,
Jetzt wird dir all dein Gut, das deine Habgier stahl,
Genommen und geschenkt dem Pius-Hospital!
REINECKE
Dem zwölften Pius-Papst? Ah weh! Ich bin vernichtet!
Der Englische Pastor? Der Herr hat mich gerichtet!
JUSTITIA DIVINA
Du selber, Reinecke, du kommst ins Kerkerloch,
Wo Ratten nagen dir am Ohrlapp noch und noch!
REINECKE
Wenn ich schon muß hinab ins Kerkerloch der Hölle,
Sei mit mir Harlekin, mein teuflischer Geselle!
JUSTITIA DIVINA
Du, Harlekin, du Narr, du alter Ziegenbock,
Verprügelt wirst du jetzt, denn dir gebührt der Stock!
Du hast den Reinecke zur Habgier aufgewiegelt,
Drum wirst du toter Hund von Satanas versprügelt!
HARLEKIN
Des Narren Schicksal das, das ist so sein Geschick,
Mir bricht das Schicksal nicht das trotzige Genick!
Dir, o Justitia, und allen Himmelsschwestern
Will ich mit letztem Fluch die keusche Scham verlästern!
JUSTITIA DIVINA
Und du, Herr Möchtegern, du Dutschke! Dir zum Glück
Und deinem Weg gemäß und deiner Politik
Gewähre ich das Glück, zu leben in der Hölle
Auf dieser Erde schon: Ich dir zur Seite stelle
Die böse Ehefrau, den bissigen Skorpion!
So straft Justitia euch voller Spott und Hohn!
HERR DUTSCHKE
O Tibets Berge, fallt doch über euren Schüler!
Der heiße Höllenpfuhl ist als die Ehe kühler!
JUSTITIA DIVINA
Du Winkeladvocat, verdorben und verderbt,
Der seinen eignen Sohn verspottet und enterbt,
Du wirst zur Strafe jetzt für allen stolzen Dünkel
Zum Mann gegeben der Juristin Uschi Winkel!
Der Winkeladvocat und die Juristin hart,
Daß sich das harte Herz dem harten Herzen paart,
Zerplrückt im Ehebett die Eheparagraphen,
Und ob ihr noch so oft mögt miteinander schlafen,
Die Tante Uschi dir kein eignes Kind gebiert,
Weil ich dich mit dem Schwert aus Gottes Zorn kastriert!
BARTHOLOMÄUS
Kastriert am Mannesglied! O frostig-kalter Winter!
Wie gerne hätt ich doch von meiner Lende Kinder!
Die Kinderlosigkeit der Seele ist mein Leid!
Ach diese Einsamkeit, ach diese Einsamkeit!
JUSTITIA DIVINA
Dir, guter frommer Paul, dir gebe ich das Erbe
Des bösen Vaters dein, doch nicht am Geld verderbe!
PAUL
Ich gebe alles Geld den Hungerleidern hin!
Ein Hungerleider ich doch selbst aus Sehnsucht bin!
JUSTITIA DIVINA
Erwähl den Himmelsschatz, der lichter als die Sonne,
Dein Leben weihe ganz der himmlischen Madonne!
PAUL
Maria, Rose rot, dein Duft ist mir vertraut,
Dein Duft ist göttlich süß, du vielgeliebte Braut!
JUSTITIA DIVINA
O Zöli, lieb und schön, geliebt von Jesu Christe,
Wie schön ist doch dein Herz im Schutze deiner Brüste!
Du werde Gottes Braut und gebe Gott dein Ja,
Im Kloster weihe dich der – Santa Spirita!
JÜRGEN NIEMAND
Was aber ist mit mir im Feuer des Gerichts?
Bin ich Herr Niemand denn, bin ich denn Bruder Nichts?
JUSTITIA DIVINA
Du setze dich verkehrt auf einen alten Esel
Und von Sankt Pauli reit zum fernen Städtchen Hesel
Und schreie allzeit laut wie Säufer voller Durst:
Ich bin ein Dummkopf, bin der närrischste Hans Wurst!
Nicht würdig solcher Frau und solcher reinen Gattin!
PAUL
Justitia, gerecht bist du allein, o Göttin!


EPILOG


(Reinecke ganz allein auf der Bühne.)

REINECKE
Ich bin zwar nur ein toter Fuchs –
Das war ein Gaudi und ein Jux!
Klatscht in die Hände zum Applaus!
Jetzt, Mann und Weib, jetzt rasch nach Haus!