Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Die Nichte


Eine Komödie


Von Josef Maria Mayer



ERSTER AKT


ERSTE SZENE


(Student der Physik, namens Mark, und ein Soldat auf der Straße.)

MARK
Komm mit mir, mein Soldat, in Tante Ellis Haus!
Dort geht das Narrenvolk freimütig ein und aus.
Ein Universum ists, die Sterne weithin fliehen,
Ein Raum und eine Zeit, dort wandeln Galaxieen,
Ein Makrokosmos ists, viel Mikrokosmen dort,
Da tönt es von Musik, voll Schall ertönt das Wort,
Dort findest du den Papst und auch den Dalai Lama,
Es ist ein Kaleidoskop und Weltenpanorama.
SOLDAT
Bei meinem Vaterland, bei dem Vereidigen
Aufs deutsche Grundgesetz, ich will verteidigen
Den schönen deutschen Wald, die liebe deutsche Heimat.
Ob Tante Elli auch für Kämpfer einen Reim hat?
Hat Tante Elli Sinn für heldenhaften Krieg,
Für einen Friedensschluß auch ohne einen Sieg?
Denn ich verteidige die Heimat meiner Ahnen,
Ich war am Hindukusch und kämpfte mit Afghanen.
MARK
Die Tante Elli ist zwar Pazifistin, doch
Soldaten, welche in dem Busen noch kein Loch,
Die noch lebendig sind, trotz allen Kampfes Bürde,
Ehrt Tante Elli auch, wie alle Menschenwürde.
SOLDAT
Und gibt es nach dem Blut und Staub und Kampfesschweiß
Auch Weine dunkelrot und Weine goldenweiß?
MARK
Ja, nicht nur Weine rot und weiß, auch goldne Biere,
Auch Japans Pflaumenwein und fruchtige Liköre.
SOLDAT
Und gibt es für den Mann auch was zu beißen? Fleisch?
MARK
Zwar Tante Elli isst nur vegetarisch keusch,
Doch Schokolade gibt’s und Honig für die Kinder,
Für Männer aber Fleisch, ja, Enten, Schweine, Rinder,
Vom Hühnchen eine Brust, vom Hahn den Schenkel rund,
Nur Ratten gibt es nicht und gibt auch keinen Hund,
So isst in China man. So wahr ich Gottes Enkel,
Der Gottesmutter Sohn, vom Frosch auch keinen Schenkel!
Doch Fisch! Forellen und von Krabben den Salat,
Langusten, Krebse und den rosigen Granat
Und weißen Tintenfisch und schließlich Austernmuscheln.
Von dieser Küche kann man nur das Beste tuscheln.
SOLDAT
Zum Tod fürs Vaterland bin allzeit ich bereit.
MARK
Zu Tante Ellis Haus der Weg ist nicht so weit.


ZWEITE SZENE


(Tante Ellis Nichte Luna, vierzehn Jahre jung, und der silberhaarige dicke Bischof in Rente.)

BISCHOF
Du süßes Mädchen Luna, süße Hündin,
Ganz Hündin du wie Helena von Sparta,
Die auch ja grade vierzehn Jahre zählte,
Als Venus sie dem Menelaos nahm
Und sie dem schönen Prinzen Paris gab.
Im Alter du der Heiratsmündigkeit
Sollst also heute einen Mann dir wählen.
Der Patriarch, der Onkel Eduard,
Hat dich als seine Erbin eingesetzt.
Du weißt, der Onkel Eduard ist reich.
Drum, wer dich nimmt zu seinem Eheweib,
Bekommt auch Geld, das alle Menschen lieben.
LUNA
Ach, nach der Heirat steht mir nicht der Sinn.
Wer will sich denn ein Leben lang schon binden?
Kann ich denn jetzt schon wissen, wen ich später
Noch lieben werde, wem ich noch begegne?
Du selber lebst doch auch ganz ohne Frau,
Mein lieber Patenonkel, als ein Bischof.
BISCHOF
Zwar ohne Gattin, doch nicht ohne Liebe!
LUNA
Du meinst bestimmt die heilige Maria?
BISCHOF
Ja, ja, gewiß, die heilige Maria,
Dazu die Kinder auch der Pfarrgemeinde,
Besonders diese Ministranten-Knaben
Sind wunderschön, ein jeder ist ein Amor,
Der mir mit seinem Pfeil das Herz durchbohrt.
LUNA
Und warum kriegst du eigentlich schon Rente?
BISCHOF
Ach, meine Liebe zu den Ministranten
War meinen Vorgesetzten doch zu groß.
LUNA
Was machst du nun in deiner Freiheit, Onkel?
BISCHOF
Ich dichte in platonischer Poetik
Von Philosophen und von Knabenliebe.
Da denk ich immer an die Ministranten,
Die süßen Knaben mit dem Rosenpopo.
LUNA
Die Mädchen interessieren dich nicht sehr?
BISCHOF
Die Mädchen? Ich hab doch gelobt die Keuschheit!
Doch ach, doch ach, die süßen Jesusknaben...


DRITTE SZENE


(Tante Elli, Doktor Kirch, der Arzt ist, Luna, Herr Goldmann, der ein Reicher ist, später kommt Anna hinzu, welche Tante Ellis Busenfreundin ist.)

TANTE ELLI
Mein lieber Doktor Kirch, was hat denn Eduard?
Woran krankt denn sein Leib? Das sei mir offenbart.
DOKTOR KIRCH
Blutkörperchen im Blut, die roten und die weißen,
Im Blute spielen Krieg und sich wie Feinde beißen
Und in der Adern Bahn in höchst rasantem Lauf
Die Weißen fressen noch die Roten hungrig auf.
TANTE ELLI
Ob er es noch erlebt, wie Luna sich begattet,
Daß er das Testament und Erbe noch erstattet?
DOKTOR KIRCH
Jetzt wird es aber Zeit! Nicht ewig ist beseelt
Der Körper Eduards. Wenn Luna sich vermählt,
Dann soll sie’s heute tun. Auch der Poetik Vater
Sankt Aristoteles ja fordert vom Theater,
Daß alles, was geschieht, an Einem Tag geschieht,
Wogegen sündigt oft doch William Shakespeares Lied.
HERR GOLDMANN
Ja, wenn es schnell gehn soll, so bin ich schon zur Stelle.
Mit Gold gepflastert ist der breite Weg zur Hölle,
Die Liebe aber ist der Goldnen Venus süß,
Der Goldnen Venus Reich ist doch das Paradies!
LUNA
Was interessiert mich das? Du Reicher bist ein Alter,
Ich aber bin noch jung und flattre wie ein Falter.
Du zwar verdienst viel Geld, doch kannst nicht mädchenhaft
Mit Grillenlaunigkeit und Launen launenhaft
Wie Enten in dem Teich so kichern und so schnattern
Und wie ein Schmetterling so flüchtig-lustig flattern!
HERR GOLDMANN
Ein junger Schmetterling auch goldnen Nektar braucht,
Braucht nicht nur, was der Lenz mit seinen Lüften haucht.
Man lebt doch nicht von Luft allein und von der Liebe!
Die Liebe doch vergleicht man oft auch einem Diebe.
Die Liebe ist es nicht, die diese Erdenwelt
Im Allerinnersten so schön zusammen hält.
Was fließt denn dieser Welt durch jegliche Arterie,
Was fließt denn durch das Erz der irdischen Materie?
Es ist das reine Gold, es ist das liebe Geld!
LUNA
Herr Goldmann, du bist ja ein wahrer Liebesheld!
Glücksgöttin, segne mich, du launische Fortuna!
Ich möchte frei sein, ich, das hübsche Mädchen Luna.

(Busenfreundin Anna tritt auf.)

TANTE ELLI
Ach Busenfreundin mein, ach liebste Anna mein,
Zwei Hälften wollen wir von Einem Apfel sein!


VIERTE SZENE


(Tante Elli, Busenfreundin Anna, Doktor Kirch.)

DOKTOR KIRCH
Ich hatte einen ärmlichen Patienten,
Der sich beim Sohne seiner Herzensfreundin
Einst angesteckt und einen schrecklichen
Keuchhusten hatte jeden Morgen, aber
Er dachte, dieser Husten käme nur
Vom Rauchen, denn er rauchte Zigaretten
In höchstem Übermaß, wohl fünfzig Stück
An einem Tag, und ruinierte so
Die beiden Lungenflügel seiner Brust.
Er sagte also sich: Was soll ich denn
Beim Arzt, wenn mir der Doktor Kirch nur sagt,
Daß Zigarettenrauchen ungesund?
Das weiß doch jeder Knabe in der Schule.
Da ich das Rauchen doch nicht lassen kann,
So geh ich gar nicht erst zum Doktor Kirch.
ANNA
Die liebe Luna aber ist so blass!
TANTE ELLI
Ja, oftmals plagt sie eine Übelkeit,
Kopfschmerzen plagen sie und schlechte Laune.
Auch hat sie einen seltsamen Geschmack
Und isst zur Schokolade saure Gurken.
DOKTOR KIRCH
Bachblütentherapie kann ihr da helfen.
Denn dieser weise Mediziner Bach
Erkannte, dass die Krankheit einen Sinn hat.
Es sind ja alle Leiden selbstverschuldet
Durch eignes Fehlverhalten. Wenn der Arzt
Mit der Chemie der Mediziner aber
Die Krankheit unterdrückt, so lernt der Kranke
Nicht, seiner Krankheit Weisung zu erkennen.
Denn jede Krankheit will uns etwas sagen.
Rein geistige Potenzen nun der Blüten
Erleuchten reiner Geistigkeit den Geist
Und reinigen die Aura einer Seele
Und bringen Heilungskräfte der Natur
Und ihrer elementaren Geister ein
In den sublimen Stoff des Ätherkörpers
Und aktivieren so die Heilungskräfte,
Die in dem Inneren der Seele liegen.
Selbstheilung nennt man das und Selbsterlösung.
ANNA
Davon versteh ich nichts. Ich mach mir Sorgen
Um Luna, warum ihr so übel ist.
Hat sie Probleme mit der Menstruation?
TANTE ELLI
Wir sublunaren femininen Wesen
Sind doch regiert vom Mond und seiner Regel.
ANNA
Nun, Luna wird’s bald wieder besser gehen,
Nach jedem Regen kommt der Sonnenschein.


FÜNFTE SZENE


(Tante Elli, Bischof, Doktor Kirch, Mark und der Soldat.)

MARK
Da ist der Bischof, Herr, der Doktor für die Seele!
Und dort der Arzt, ja weiß der Arzt denn, was mir fehle?
Wie krank ist meine Haut doch von dem Muttermal,
So schneide mir es fort mit einem scharfen Stahl!
BISCHOF
Du bist ein Protestant? Sag, was ist dein Bekenntnis?
Gestehe, was du glaubst, dein sündiges Geständnis!
MARK
Den falschen Gegengott Muslime beten an,
Es steht doch die Moschee ganz in des Teufels Bann!
Beim Katzenjammer, ach, der Perser bidamag buden –
Das auserwählte Volk, das ist das Volk der Juden.
Wenn zum Messias sich bekehrt das Volk von El,
Dann kommt der Herr zurück zum Staate Israel.
Der Doktor Luther war ein heiliger Apostel.
Die Lutheraner heut im deutschen Fallingbostel
Sind Hure Babylon, wie ihre Schwester auch.
Es weht jedoch der Geist in feierheißem Hauch
Seit Zinzendorf im Kreis der Schar der Pietisten,
Die Neugebornen sinds, die neugebornen Christen.
John Wesley war ein Mann, ein gottgeliebter Christ,
Beinahe wär ich selbst ein frommer Methodist.
Den Glauben fand ich auch der bibeltreuen Christen
Bei Anglikanern, doch noch mehr bei den Baptisten.
Herrnhuter trinken Tee statt Wein zum Abendmahl,
Sie essen graues Brot nur zum Gedächtnismahl.
Jedoch die Jesus-Freaks gar Coca Cola trinken
Und mit Kartoffelchips anstatt der Hostie winken.
BISCHOF
Es hat doch unser Herr gebaut auf Peters Fels.
MARK
O Herrgott Zebaoth, o Herrgott Israels,
Nun ist die Kirche gar ein Mädchen, eine Mutter?
Der Fünfte Evangelist ist Doktor Martin Luther!
TANTE ELLI
Seit dreißig Jahren schlagt ihr euch die Köpfe ein,
Wer sei in Wahrheit nun der heilige Verein.
Was Protestantismus, was der alte Katholizismus?
So übt doch Toleranz und ehrt den Relativismus!
MARK
Wie Preußens Friedrich sprach, dass selig werden soll
Ein jeder, wie er will? Ich habe die Schnauze voll
Von dieser Häresie, es habe jedes Tierchen,
Die Hündin wie der Hund, sein eigenes Pläsierchen!


SECHSTE SZENE


(Soldat, Advokat, Mark, Tante Elli.)

SOLDAT
Das älteste Gedicht der Liebe ist
Ein babylonisches Gedicht vom Krieg
Der Liebe, von dem Krieg der Liebesgöttin
Inanna, der entbrannt um den Salatkopf
Inannas: Der Salatkopf ist die Vulva,
Um diese Vulva ward ein Krieg geführt,
Des Mannes Waffe seine Manneskraft,
Des Weibes Feuerpfeile ihre Blicke,
Die langen Seidenwimpern ihre Dolche,
Die Brüste explodierende Granaten!
Sex-Bombe nämlich ist die Liebesgöttin!
Frau Liebe selbst ist eine Liebes-Bombe,
Und wie die Napalm-Bombe Feuer ausgießt,
Das nicht zu löschen ist von Ozeanen,
So ist die Liebe eine Flamme Gottes,
Die nicht zu löschen ist von Wasserfluten.
ADVOKAT
Ihr seid so Schwätzer! Seh ich den Studenten,
Den Ewigen Studenten, der so schmutzig
Ist wie die Ratten in Zigeunerlagern,
Seh ich den Ewigen Studenten, der
Gleich einem Bettelmönche, der entlaufen
Dem Bettelorden ist, um Wein zu saufen,
Empört sich heiß das ehrliche Gewissen
Des Mannes, der noch fleißig Geld verdient.
MARK
Ja, was das Geld betrifft, das liebe Geld,
Da sagt die Herrin Weisheit, dass die Liebe
Zum Geld die Wurzel ist der tausend Übel.
Großzügig aber ist die Herrin Weisheit
Und schenkt jedwedem Menschen ihre Gaben.
Auch Onkel Eduard, der Patriarch,
Hat seine eigne Lebensphilosophie.
Wie Atomisten Griechenlands sagt er,
Die Welt sei nur aus Zufall von Atomen.
Wie Epikur in seiner Freundschaft Garten
Er sagt, es gäbe keine Himmelsgötter
Und nicht unsterblich sei des Menschen Seele.
Wie Aristippus lehrt auch Eduard,
Genuß und Freude sei des Lebens Sinn.
Das ist des Patriarchen Lebensphilosophie,
Ist Materialismus, Hedonismus.
Sankt Augustinus schätzte diese Weisheit
Und sagte: Gäbe es den lieben Gott nicht,
So wäre es die höchste Weisheit doch,
Das Leben auf der Erde zu genießen
Mit schönen Lüsten in der Freundschaft Garten.


SIEBENTE SZENE


(Tante Elli, Patriarch Eduard, Politiker, Mark.)

MARK
Ach, der Politiker, der grenzenlose Schwätzer,
Ein wahrer Antichrist, Ungläubiger und Ketzer!
TANTE ELLI
Wen meinst du denn damit, du lieber Gottessohn?
MARK
Den Revolutionär der Sexus-Revolution!
TANTE ELLI
Ach, willst du denn zurück zur prüden Einerleiheit?
Liebst du den Eros nicht, die sexuelle Freiheit?
MARK
Marxisten wollten einst Proleten-Revolution,
Ein Himmelsparadies im Tal der Tränen schon.
Der schöne Traum ging in der Wirklichkeit verloren,
Der Kommunismus war Diktat der Diktatoren.
Jedoch der Neu-Marxist, der Neo-Sozialist
Der Schule Frankfurts sah: Das größte Übel ist
Die christliche Kultur, des Abendlandes Lilie,
Am allerschlimmsten sind die Ehe und Familie.
Für Tugend und Moral sprach Romas Pontifex,
Jedoch der Sozialist, er wollte wilden Sex,
Der freien Liebe Lust, enthemmten Hedonismus!
Zur Ware ward die Lust im Materialismus,
Es kam die Hurerei, es kam die Pornographie,
Abtreibung, Ehebruch, der Unzucht Anarchie!
POLITIKER
Du, junger Freund, bist jung und glaubst an Offenbarung,
Doch ich Politiker, ich habe viel Erfahrung.
Die Freiheitsrevolution marxistischer Kultur
Von Sklaverei erlöst, befreite die Natur,
Vom Kirchenpatriarchat lang unterdrückte Triebe
Befreit die Revolution der ungehemmten Liebe,
Vorbei die Prüderie, der Unterdrückung Frust,
Die Freie Liebe herrscht, die Herrscherin der Lust!
PATRIARCH EDUARD
Ich schau den Staatsmann an, der Völkerfrieden stiftet,
Es hat die Religion die Völker oft vergiftet.
Ist unten Hölle nicht und oben Himmel nicht,
Ist irdischer Genuß des Menschen höchste Pflicht.
Dann kommt der Völker Wohl, dann werden augenblicklich
Die Völker satt, die Welt genießt, der Mensch ist glücklich,
Dann herrscht die Herrscherin, die ich auf Erden seh
Als Seligmacherin, die Göttin Hedone!
MARK
Ach, Tante Elli, ach, ich kam zum Mittagessen,
Ich wollte Ente braun und Erdnussbutter essen.
TANTE ELLI
Kommt alle jetzt zum Mahl, der Tisch ist schon gedeckt,
Die Silberlöffel sind so blank wie abgeleckt,
Es werde heute satt die ganze Menschentruppe,
Es gibt zum Kürbisbrot gewürzte Kürbissuppe.


CHORUS


(Die Muse der Komödie, Thalia, und die Muse der Liebespoesie, Erato, und der siebenjährige Kleine Gott Amor.)

THALIA
Nun sind alle die Personen
Vorgestellt im ersten Akte?
ERATO
Eine Schönheit aber fehlt doch,
Eine Ewig-Musterhafte,
Wie die andern edlen Frauen
Vom Parnaß des Dichterhimmels.
THALIA
Ist die junge Hündin Luna
Nicht lasziv genug und reizend?
ERATO
Etwas liederlich und lüstern!
Nein, die Damen unsrer Dichter
Waren Heilige der Tugend!
THALIA
Wie erscheint dir Tante Elli?
Ist sie Herrin nicht des Hauses?
ERATO
Doch dass ich sie lieben könnte,
Müsste sie die Wahrheit lieben.
THALIA
Und die Busenfreundin Anna?
ERATO
Ach, auch sie ist nicht vollkommen.
THALIA
Immer bist du unbefriedigt!
Ach ich weiß, ihr armen Dichter,
Leicht wohl kann man Kränze flechten,
Aber schwerer ist zu finden
Doch ein Haupt, des Kranzes würdig.
ERATO
Was macht grade unser Dichter?
AMOR
Heute traf er seine Herrin,
Die mit streng verschlossnem Antlitz
Seine Liebe abgewiesen!
Aber als er noch gesprochen
Von der Göttlichkeit der Liebe,
Lächelte die Schöne Dame,
Voller Mitgefühl die Blicke,
Und er küsste ihr das Händchen!
Jetzo sitzt er in der Zelle,
Voller Wehmut, voller Schwermut!
ERATO
Kleines liebes Gottchen Amor,
Ach ich bitte dich fürsprechend,
Bringe meinem Liebesdichter
Heute nacht zwei Flaschen Rotwein!


ZWEITER AKT


ERSTE SZENE


(Tante Ellis Nichte Luna, ihre alte Kinderamme, ihre Freundin Lena, die die vierzehnjährige Tochter von Anna ist.)

AMME
Nun, liebe Luna, liebes Herzilein,
Du sollst ja bald den Tag der Hochzeit feiern.
Vielleicht kommt ja ein Prinz auf seinem Schimmel
Und macht dich zur Prinzessin seines Schlosses?
LUNA
Ich bin zu alt für solche Kindermärchen.
AMME
Nun sammle immer auch die kleinsten Münzen
In einem großen Glas für schöne Schuhe,
Brautschuhe, ach, die Träume der Prinzessin,
Schon wegen dieser Schuhe lohnt die Hochzeit.
LENA
Doch wenn die Tauben gurren Ruckediguh?
AMME
Da ist der reiche Mann, der sich bewirbt,
Dann gibt es auf dem Brot nicht Pflanzenfett
Und sonntags nur die gute deutsche Butter,
Nein, allezeit dann speist du die Langusten
Und Gambas mit dem Knoblauch und dem Öl.
Im Urlaub fährst du nicht nur an die Ostsee,
Du fliegst zu den Kanaren und nach Kuba.
LUNA
Wie würde ich dann heißen? Luna Goldmann?
LENA
Dein Name wäre Luna Silberfrau.
AMME
Ja, ja, Herr Goldmann und Frau Silberfrau,
Das wäre eine mystische Union.
LUNA
Ha, mystische Union? Du meinst wohl Sex!
AMME
Und wenn dich nun der Advokat Bartory
Zur Gattin nähme, wärst du Advokatin.
LENA
O Advocata nostra, ora pro nobis!
AMME
Da könntest du im schnellen Wagen fahren,
Denn reiche Männer haben schöne Frauen
Und reiche Männer haben teure Autos,
Ein reicher Mann mit einem teuren Auto
Hat neben sich gewiß ein schönes Weib.
LUNA
Was soll ich denn mit diesen alten Säcken?
Ich möchte lieber Super-Model werden!
AMME
Jetzt bist du jung und schön noch, Herzilein,
Doch wenn du alt und hässlich erst geworden,
Dann will dich keiner mehr zum Weibe haben.


ZWEITE SZENE


(Amme, Luna, Lena, Anna, Friseur.)

AMME
Nun, liebe Luna, soll dich der Friseur frisieren.
FRISEUR
Du junges Fräulein sollst dich nicht so schamhaft zieren,
Wie schön geschaffen dich die heilige Natur,
Noch schöner wirst du sein, mach ich dir die Frisur.
Hör gut mir zu, mein Kind, was ich dir offenbare,
Der Zauber einer Frau liegt in der Macht der Haare.
LUNA
Noch ist mein Haar ja blond und ist nicht silbergrau.
FRISEUR
Doch du bist solch ein Weib von solcher Art von Frau,
Dir tut der Eros-Schalk in allen Haaren sitzen,
Ob blond, ob rot, ob schwarz, er sitzt in deinen Spitzen,
Einst sitzt der Eros-Schalk in deinen Strähnen grau,
Allmächtig ist dein Reiz, du wunderschöne Frau!
ANNA
Doch wenn die Krankheit kommt und dir zerfrisst die Glieder
Und Krebs zerfrisst die Brust, den Busen in dem Mieder,
Wenn dir der Arzt dann nimmt vom Leibe eine Brust,
Bist du nicht Venus mehr, die Königin der Lust.
FRISEUR
Der Doktor hat erzählt, dass Jungfrau Luna kränkelt,
Es plage Übelkeit die Jungfrau schöngeschenkelt?
AMME
Ja, irgendetwas treibt in ihrem blauen Blut,
Es hüpft das Ei im Schoß mit namenloser Wut.
Ich kann mich wehren nicht der schrecklichen Gedanken:
Wär doch nicht Schwangerschaft der jungen Frau Erkranken!
LUNA
Um Gottes Willen, nein! Nur keine Schwangerschaft!
Wo wäre hin mein Reiz und alle Liebeskraft?
Ich müsste Ammen gleich mit heiligen Christkindeln
Im Bette liegen und den Rosenpopo windeln
Und hören Kinder schrein, die Brüste nicht mehr straff,
Von Kindern ausgesaugt, die leere Beutel schlaff!
ANNA
Wenn ich an Lena denk, mein Busen war ihr Futter,
Wie glücklich macht ein Kind die liebevolle Mutter!
Ein Kinderlachen macht so froh und auch ihr Schrein,
Ich möchte ewig nichts als liebe Mutter sein.
FRISEUR
Wenn Luna aber krankt, so ruft doch den Doktoren,
Den großen Doktor Kirch, den beten an die Toren,
In weißem Kittel kommt er an in ernstem Trott,
Der Herrgott ist dein Arzt, der Doktor ist dein Gott!
Der Doktor ist ein Gott im Kreis der reichen Männer,
Der Angebetete ein Gott und Alleskönner!


DRITTE SZENE


(Tante Elli, Busenfreundin Anna, Luna, Lena, Doktor Kirch, Advokat Bartory.)

TANTE ELLI
Du meine liebe süße Nichte Luna,
Ich wollt, du hättest Tiffany geheißen.
Für mich bleibst immer du die Tiffany!
DOKTOR
Jetzt aber muß ich dich zur Ader lassen.
O Luna, o du schönes weißes Weib,
Ich stech die Spritze in das Rückenmark
Und sauge Blut aus deinem Becken aus
Und untersuche dann dein Blut auf Fett.
LENA
Blutegel, deine beiden Töchter heißen:
Gib her! Gib her! So sagte Salomon.
DOKTOR
Ich bin doch kein Vampir, bin keine Lilith,
Und selbst Vampire haben nicht die Macht
Das Blut der Marmorvenus auszusaugen.
LENA
O heilig Blut! Martyrium des Herrn!
In allem Blut das Blut des Heilands seh ich!
TANTE ELLI
Nun sollst du auch noch einen Gatten kriegen.
Schau, wie vom Himmel her kommt galoppiert
Der Advokat Bartory, er, dein Retter!
Ein gottgesandter Bräutigam für dich!
DOKTOR
Ja, unser lieber Advokat Bartory
Hat oft mit mir im Tennisspiel gekämpft,
Wir beide liebe sehr das Tennisspiel.
TANTE ELLI
Ja, ja, weil dort die Tennisspielerinnen
So kurze Röckchen überm Popo haben.
DOKTOR
Der Advokat Bartory ist ein Sieger
In jedem Tennis-Match! Und ein Turnier
Ist schon benannt nach ihm, und der Pokal
Des Herrn-Bartory-Tennisspiel-Turniers
Ist sehr begehrt, umkämpft mit Leidenschaft.
TANTE ELLI
Doch hat Herr Goldmann nicht noch größern Reichtum?
LUNA
Nun, Geld genug muß schon mein Gatte haben,
Ich will ja nicht in einer kleinen Zweiraumwohnung
Nur Erbsensuppe essen oder Nudeln,
Ich möchte in Marokko Cous-Cous essen
Und dann in Kuba nehmen einen Drink
Und dann zurück sein zum Café au lait
Am Nachmittage in Paris und abends
In der Toskana trinken weißen Wein.
TANTE ELLI
Herr Goldmann kann dir dieses alles bieten.


VIERTE SZENE


(Herr Goldmann und der Bischof in Rente.)

HERR GOLDMANN
In Spanien sah ich einst ein Kirchlein ganz von Gold,
Da hab ich beten gar in diesem Dom gewollt.
Auch die Alhambra sah ich mit geheimem Schauren,
Wie schön ist doch das Gold der Araber und Mauren.
BISCHOF
Ich auch fürs liebe Geld üb aus mein Priesteramt,
Und dass die Seele nicht in Ewigkeit verdammt,
Man gibt mir liebes Geld, dass ich die Messe singe,
Ich singe ja so schön, wenn nur das Silber klinge
Im Klingelbeutel so, ich bin ja nun geweiht
Und angestellt beim Papst, so muß ich meine Zeit
Ableisten auch im Dienst. Doch soll man mich nicht stören
Bei meinem guten Schlaf, dann möchte ich nicht hören
Das dumme Telephon und Menschen, die in Not:
Herr Bischof, kommen Sie, es naht der Bruder Tod,
So geben Sie der Frau die Sterbesakramente!
Ich war noch fett und faul von der gebratnen Ente
Und schlummerte so süß in meinem weichen Bett
Und sagte also nur, dass keine Zeit ich hätt.
HERR GOLDMANN
Wie viel verdienst du denn in deinen Gottesstaaten?
BISCHOF
Ach, nicht so schlecht! So viel vielleicht wie Advokaten.
Nur junge Eiferer kann ich nicht leiden gut,
Die Charismatiker mit ihrer Inbrunst Glut.
Da lieber sind mir doch, und wären’s Protestanten,
Die kuchenessenden und kaffeetrinkenden Tanten.
HERR GOLDMANN
Ich spende etwas Geld für deine Kirche, schau,
Baufällig ist ja schon der ungenutzte Bau,
Mit diesem Spendengeld bau einen goldnen Tempel
Und stifte ihn der Kunst, da sollen zum Exempel
Konzerte finden statt und Orgeln tönen schön,
Dann wird die Kirche auch Besucher wieder sehn.
Hier hunderttausend Mark, nein, heute heißt es Euro,
Die hunderttausend Mark sind fünfzigtausend Teuro.
BISCHOF
Was kann denn ich dir tun zu deinem Seelenheil?
Frag nicht um ein Gebet, das macht mir Langeweil.
HERR GOLDMANN
Fürsprecher kannst du sein beim jungen Mädchen Luna,
Sag ihr, gesegnet sei ich von der Frau Fortuna,
Daß über meinem Haupt sich dreht das Rad des Glücks.
BISCHOF
Fürsprecher will ich sein, dann kommt die Liebe fix.


FÜNFTE SZENE


(Friseur, Advokat, Doktor, Herr Goldmann, Mark, Luna, Lena, Tante Elli.)

FRISEUR
Oh, diese Hündin Luna will ich haben,
Sie hat das allerschönste Haar der Welt!
Ja, meinetwegen nehmt das Weib mir weg,
Doch lasst mir ihre langen Seidenhaare!
Ich hebe keinen Milchzahn auf von ihr,
Den Milchzahn schenk ich gerne ihrer Zahnfee,
Doch eine Lockenspitze will ich haben
Und eingeschlossen in dem Medaillon
Will ich die Liebe immer bei mir haben,
Die mit der Spitze Eines ihrer Haare
Die Mannesbrust zu Tode mir verwundet!
ADVOKAT
Ich will die junge Hündin Luna haben,
Daß in die seelenloseste Kanzlei
Die blonde Seele einzieht mit dem Lachen
Der Unbekümmertheit und Heiterkeit!
DOKTOR KIRCH
Ich will den Leib der jungen Hündin Luna,
Sezieren möchte ich des Weibes Körper
Und mit dem scharfen Messer operieren
Und will dem Körper folgen bis zum Grunde,
Ob ich im Stoffe der Materie finde
Die Seele. Denn wo ist der Seele Sitz?
Sitzt ihre Seele in dem Mädchenhirne,
Sitzt ihre Seele in dem Mädchenherzen,
Sitzt ihre Seele in dem Monatsblut?
HERR GOLDMANN
Ich will die schmucke Hündin Luna haben,
Weil ich mich zeigen will mit einer Schönheit.
Was ist in der Gesellschaft dieser Welt
Ein Reicher ohne schmuckes Weib am Arm?
Die schmucke Luna sei des Reichen Schmuckstück.
MARK
Und keiner redet von dem Mädchen Lena?
Ich aber hab geträumt vom Mädchen Lena.
LENA
Was hast du denn von mir geträumt, mein Mark?
MARK
Ich war mit meinem Freund und Glaubensbruder
In einem Gottesdienst, da las man vor
Das Wort des Herrn. Mein Freund und Glaubensbruder
Und ich an seiner Seite schlummerten,
Wir kannten alles, was in Gottes Wort steht.
Du aber hörtest Gottes Worte zu
Und schlugest auf die Genesis von Mose
Und lasest ganz genau in Gottes Wort
Wie eine Schülerin des Wortes Gottes.


SECHSTE SZENE


(Patriarch Eduard, Friseur, Doktor, Advokat, Politiker, Bischof, Herr Goldmann, Tante Elli, Anna, Mark, Luna, Lena.)

PATRIARCH EDUARD
Wer Luna haben will, der höre mein Gebot:
Gott Mammon ist allein der Herrscher und der Gott,
Gott Mammon, der erlöst uns aus der Armut Knechtschaft,
Der Lebenslust verschafft, der Glück zum Menschenrecht schafft,
Auf jede Münze prägt man Kaiserbilder ein,
Gott Mammon soll allein euch Gott und Kaiser sein.
Gott Mammon dient allein, sonst Gott und allen Göttern
Begegnet voller Hohn, mit Lustigkeit von Spöttern,
Gott Mammon bringt allein des Arbeitsschweißes Frucht,
Gott Mammon ist ein Gott von heißer Eifersucht.
Wer nämlich diesen Gott verschmäht und gar verachtet,
Der lebt in Einsamkeit, in Wahnsinn und umnachtet.
Wer diesen Gott verschmäht, noch Kind und Kindeskind
Wird strafen dieser Gott, sie ernten nichts als Wind.
Wer aber Mammon liebt, wird von dem Gott gesegnet
Und Sternentaler-Gold vom Himmel reichlich regnet.
Nie schmähe du das Geld! Wer nicht den Pfennig ehrt,
Ist wert auch nicht der Mark, so sehr er sie begehrt.
Weltspartag ehre du, da bringe du dein Sparschwein,
Weltspartag ist das Fest, da eisern soll gespart sein.
Sei fleißig alle Zeit und sage den Besuchern
Des Aktienmarkts, man soll mit den Talenten wuchern.
Auch Sonntags fleißig seid und geht in das Geschäft,
Vom Handel lebt die Welt, das schreib dir in dein Heft.
Den Vater ehre du, denn muß der Vater sterben,
Von seinem Testament wirst du den Reichtum erben.
Begehrst du eine Frau geheimer Sympathie,
Mit Geld, Geschenk von Gold und Schmuck du kaufe sie,
Begehrst du eine Frau, so runzle nicht die Stirne,
Denn will das Weibchen nicht, so kauf dir eine Dirne.
Begehrst du gar ein Haus, das alte Omilein
Von nebenan betrüg und lad zum Tee sie ein,
Daß sie dir unterschreibt, was gar nicht sie verstanden,
Und schon ist dein ihr Haus. Ist alles dann vorhanden,
So dankt dem goldnen Gott, wenn ihr zu beten wisst:
O Vater Mammon du, der du mein Himmel bist!
TANTE ELLI
Kriegt Luna einen Mann, was soll der Gatte glauben?
PATRIARCH EDUARD
Die Religionen doch die Ruhe mir nicht rauben.
Ob Jesus, Buddha, ob Allah und Mohammed,
Ob Zarathustra, ob da Hare Rama steht
In seinem Taufschein, das ist gleich. Die Protestanten,
Die Orthodoxen und die Katholiken-Tanten
Sind blinde Hühner doch und picken nicht so tief.
Nur eines sicher ist, dass Wahrheit relativ.
Das glaube dieser Mann. Die Wahrheit ist die gute,
Nur Relativismus ist die Wahrheit, absolute!


SIEBENTE SZENE


(Mark und Lena.)

MARK
O Lena, du bist eine Grazie Gottes,
Charme Gottes lächelt dir auf deinem Antlitz!
Du bist so weiß wie eine weiße Lilie,
Du bist so rot wie eine rote Rose
Und schwarz wie Ebenholz der Haare Schleier!
Wie lieblich lächeln deine süßen Lippen
Und wie charmant die klugen Blicke blitzen!
Was soll ich dir von deiner Nase sagen?
Ich finde, Gott der Herr als Liebesdichter
Im Hohen Liebes-Liede Salomos
Hat für die Nase da gewählt ein Gleichnis,
Das etwas seltsam ist. Doch deine Nase
Ist ganz vollkommen, wunderschöne Lena.
LENA
Ich danke dir für deine Komplimente.
MARK
Sag, magst du etwa gar den Advokaten?
LENA
Ich finde, dass sein Herz wie Eisen hart ist!
MARK
Schau hier, auf diesem Zettel steht ein Spruch,
Den hab ich aus der Bibel abgeschrieben.
Das lehrte mich der Jude Salomo,
Daß diese Worte sind ein Liebeszauber.
LENA
Magie? Die Liebe lässt sich niemals zwingen!
MARK
O Freund, du hast doch deinen eignen Brunnen,
Die eigne Quelle frischen Lebenswassers!
So trinke doch aus deiner eignen Quelle!
Willst etwa du, dass deiner Quelle Wasser
Auf alle Straßen fließt, in alle Gassen?
Das Wasser deiner Quelle teile nicht
Mit andern Männern. Trink du es allein,
Für dich allein soll deine Quelle sprudeln!
So freue dich an deiner lieben Frau,
Die du als schönes Mädchen dir genommen!
Sie soll dir viele liebe Knaben schenken!
Wie die Gazelle ist dein Weibchen schön
Und voller Anmut wie die Antilope!
Berausche allzeit dich an ihren Brüsten!
An ihren Brüsten du vergiß dich selbst!
LENA
Jetzt hast du mich mit Gottes Wort bezaubert!


CHORUS


(Thalia, Erato und der Kleine Gott Amor.)

THALIA
Das Poem ist fortgeschritten,
Die Personen sind bekannter,
Auch die Liebe ist erschienen!
ERATO
Ja, die Grazie Gottes, Lena,
Hat mir wirklich gut gefallen,
Dieser Zauber, diese Anmut,
Dieser Charme und dieser Liebreiz,
Ganz betörend, keusch und reizend!
AMOR
Aber ich hab heut gesehen
Sankt Maria Magdalena,
Schönste aller Sünderinnen!
ERATO
Wirklich, sie die Allerschönste?
Wie viel Sünderinnen kennst du?
AMOR
Ah, ich sah die Dirne Aphra,
Die zur Liebe sich bekehrte,
Schaute die Hetäre Thais,
Die ein Eremit bekehrte,
Sah Pelagia, die Hure,
Welche sang und welche tanzte
Und dann eremitisch lebte,
Die ägyptische Maria
Sah ich nackend auf dem Schiffe
Kopulieren mit Matrosen
Und dann in der Wüste büßen.
ERATO
O die Heiligen des Himmels!
Welch ein Paradies des Himmels,
Wo ein Christ, der Christus glaubte,
Trifft Ägyptiaca, Aphra,
Sankt Pelagia und Thais!
AMOR
Doch Maria Magdalena
Hatte doch den schönsten Körper,
Schlank wie eine Dattelpalme,
Traubengleiche weiche Brüste,
Schenkel straff wie goldne Spangen,
Lippen rot wie Rosenblüten,
Augen sanft wie Taubenaugen!
O die Liebe voller Lüste
Offenbarte Gottes Flamme,
Lebensvolle Liebesflamme!
ERATO
Ihre Schönheit sie verführte
Wohl zur Unzucht freier Liebe?
AMOR
Doch der Narr, der Joker Gottes,
Sie erlöste und verklärte
Sie zu einer Menschengöttin!


DRITTER AKT


ERSTE SZENE


(Apotheker, Friseur, Amme, Lena.)

APOTHEKER
Sie wollen alle jetzt nur essen den Gagant,
Der weiße Weizen wird von aller Welt verkannt,
Man liebt die Medizin Sankt Hildegards voll Dünkel
Und isst nur noch das Brot gebacken aus dem Dinkel.
Erdnüsse isst man nicht und nicht die Haselnuß
Und nicht die Walnuss mehr, jetzt nur noch Mandelmus.
Und isst man braunes Fleisch, so nicht mehr von der Ente,
Weil sich die Ente nährt vom Schmutz der Elemente,
Und isst man auch noch Fisch, so nicht den fetten Aal,
Der auf dem Meeresgrund aus Kot sich macht sein Mahl.
Stattdessen schützt man sich vor ungesunden Strahlen
Mit Edelsteinen, die doch kaum sind zu bezahlen.
AMME
Ich lieb den Hefekloß, Vanillesauce heiß,
Mit Heidelbeeren blau, auch süßen Birnen weiß.
Ein weißes Brötchen lieb, mit Honigmilch, nicht bitter,
Geröstet auf dem Herd, das nennt man Armen Ritter.
FRISEUR
So ist der Tisch gedeckt zum Lob des Gotts des Glücks,
Nicht diesem Jammerbild an seinem Kruzifix,
Der Glücksgott Chinas ist mit seinem dicken Bauche
Der Segen unsres Mahls, und was ich weiter brauche,
Die Schicksalsgöttin gibt’s. Der Schicksalsgöttin Lob!
Wie findet man den Weg? Man fragt das Horoskop.
Der Jupiter-Planet, das ist der Gott des Glückes,
Und kommt zu dir das Glück, so heb die Hand und pflück es!
Planet der Venus ist der Schicksalsgöttin Ort,
Die Göttin Manath ists, genannt in Gottes Wort,
Ich meine den Koran, die Göttin Manath-Venus,
Die Göttin Meni nennt sie Jesus Nazarenus
In seiner Biblia. Und Manath-Meni ist
Die Schicksalsgöttin, die das Schicksal zubemisst,
Denn Meni kommt von Mens, vom Monde und vom Meter
Und von der Menstruation (Was wissen Kirchenväter!)
Die Göttin Meni misst uns unsre Speise zu.
Die Todesstunde kommt, da führt zu unsrer Ruh
Ins Venusparadies die Göttin Venus! Veni
Creator spiritus! Ich lieb die Göttin Meni!
LENA
Ich aber lieb den Gott, der Amen ist und Ja,
Der Liebe Flamme ist die Glut der Gottheit Jah!


ZWEITE SZENE


(Mark und der Soldat.)

MARK
Von alten Frauen hörte ich, die einst
Katholisch waren und Maria ehrten
Und dann vom Glauben abgefallen sind
Und beteten des Mondes Göttin an,
Die himmlische Diana, die der Mond ist.
SOLDAT
Nichts ist der Mond als nur ein toter Stein.
MARK
Ich aber bete zu der Intelligenz,
Der hundert Milliarden Galaxien
Erschaffen hat und ist auch aktuell
Noch schöpferisch in dem Bereich der Quanten.
SOLDAT
Dies große Universum macht mir Angst!
Wie soll ich gegen schwarze Löcher kämpfen?
MARK
Das ungeheuerliche Übergroße
Bis zu dem Horizont des Universums,
Das ungeheuerliche Überkleine
Der Spukgespenster Quanten oder Quäntchen,
Sind die Extreme, doch im Zentrum steht
Der Mensch mit seinem denkenden Gehirn,
Das ist komplexer als das Universum.
SOLDAT
Ich will nicht denken! Die Gedanken sind
Nur störend bei dem Liebeskrieg mit Frauen!
Schenk lieber ein den Becher des Vergessens!
MARK
Ja, meine vielgeliebte Freundin ist
Ein Weinberg! Aber dieser Weinberg ist
Der Weinberg der galaktischen Carina
Und ist verschleiert von den Sternen-Nebeln.
Dort find ich keine blauen Donner-Disteln,
Taubnesseln nicht, Brennesseln nicht, nicht Dornen,
Nein, pralle Trauben nur wie volle Brüste,
So prall, sie spritzen fast den Wein schon aus!
SOLDAT
Wenn ich in irgendeinem Liebeskrieg
Ein Weib erobert, überwunden habe,
Vergesse ich ihr Angesicht am Morgen
Nach der durchzechten Nacht, da wir gezecht
Wacholderschnaps bis zur Vergessenheit,
Doch ihre Brüste werd ich nie vergessen!
MARK
So liebe ich die Biblia, die Frau,
Die rechte Brust des Alten Testamentes
Gibt Muttermilch, die süß wie Honig ist,
Die linke Brust des Neuen Testamentes
Gibt Wein von Kana, Wein der Hochzeitswonne,
Ekstase, Rausch, Vereinigung und Liebe!


DRITTE SZENE


(Tante Elli, Doktor Kirch, Apotheker, die Amme trägt die kranke Luna vorüber.)

TANTE ELLI
Was hat das arme Kind? Ach Amme, woran krankt sie?
Für ihrer Krankheit Heil und Gnade, Amme, dankt sie?
Denn wer der Krankheit Grund durchschaut und dann durchstößt
Zum wahren Seelenheil, der hat sich selbst erlöst.
Von Krankheit wird erlöst, wer sich befreit vom Karma.
AMME
Doloris veneris, o crux amoris arma!
TANTE ELLI
Seit wann sprichst du Latein, ein Küchenmagd-Latein?
AMME
Man nannte Küchengift Sankt Hildegardilein.
TANTE ELLI
Was aber hat das Kind, woran denn krankt die Luna?
DOKTOR KIRCH
Ungnädig ist ihr wohl die göttliche Fortuna?
Ja, dieser dicke Bauch wohl angeschwollen ist
Von einer Wassersucht? Wer zu viel in sich frisst
Von süßen Leckerli, von süßer Schokolade,
Kriegt einen dicken Bauch. Das rächt sich ohne Gnade.
Da habe ich gehört vom Nönnchen gar ein Wort:
Wenn dich das Fleisch bedrängt, dann treib gefälligst Sport!
APOTHEKER
Was unsre Luna plagt, sind Launen nur und Grillen,
Ich geb ihr Baldrian, ist in Likör zu füllen.
Es kommt nur dummes Zeug heraus, wenn jemand wacht
Auch noch nach Mitternacht und schläft nicht in der Nacht.
DOKTOR KIRCH
Vielleicht hat Luna auch schon eine Gürtelrose?
APOTHEKER
Ach, sie ist schizophren, ich sehe die Psychose.
DOKTOR KIRCH
Nein, an der Schwermut krank sie, blass ist ihre Haut.
Ist sie verzweifelt gar? Da hilft Johanniskraut!
APOTHEKER
Johanneskraut hilft nicht, auch nicht die Milch vom Mohne,
Auch nicht das Morphium, da braucht es Glückshormone!
DOKTOR KIRCH
Hormone, ja, das ists! Es ist die Pubertät,
Jetzt kommt das Glückshormon der Sexualität.
LUNA
Ach wehe mir, ach weh! Stellt mich nicht an den Pranger!
Ich bin zu Tode krank! Nur hoffentlich nicht schwanger!


VIERTE SZENE


(Advokat Bartory und der reiche Herr Goldmann mit dem Studenten Mark.)

MARK
Ich suchte lange nach dem Sinn des Lebens.
HERR GOLDMANN
Du bist ein Narr! Frag alle deine Freunde,
Ob einer nach dem Sinn des Lebens sucht.
Ja, wenn es gäbe einen Gott und Schöpfer,
Vielleicht, dann hätte dieses Leben Sinn.
Doch weiß die Wissenschaft, dass diese Welt
Aus Zufall ist entstanden, ohne Sinn,
Daß ich Produkt des Zufalls bin, ein Staub
Im Universum, mich das Nichts erwartet.
Einst bin ich Leiche, gelblich-bleich wie Wachs,
Verwesend unter einer Marmortafel
Und nichts bleibt übrig als der Maden Kot.
Du hast nur dieses eine Leben, also
Genieße du in vollen Zügen, iß gut,
Trink guten Cognac, liebe schöne Frauen,
Und ist die eine tot, lieb eine andre,
Freu dich an der Musik, am Kartenspiel,
Am Tennis oder Golf mit Advokaten.
ADVOKAT
Ja, auf dem Golfplatz ist mein Paradies.
MARK
Hab nun Juristerei studiert und ach,
Auch Theologie und leider Philosophie.
ADVOKAT
Zerstreut wie ein Professor scheinst du mir.
Doch was im Leben zählt, ist hartes Geld!
MARK
Ist nicht Gerechtigkeit dein Höchstes Gut?
ADVOKAT
Gerechtigkeit ist eine feile Hure!
Den Angeklagten zu verteidigen
Mit allen Künsten eines Advokaten,
Ist mein Beruf. Was kümmert mich Moral?
Was kümmert mich Gerechtigkeit im Lande?
Ich tue meinen Job, auf dass das Geld stimmt.
Du kannst es dir erlauben, mein zerstreuter
Professor, in die Galaxien zu gucken,
Doch Sternentalter bleiben nur ein Märchen.
Weißt du denn nichts von harter Wirklichkeit?
MARK
Auch Thales von Milet sah in den Himmel
Und prophezeite Sonnenfinsternisse
Und stolperte auf Erden doch und fiel
In eine Pfütze, ausgelacht hat ihn
Die Putzfrau, die sich auskennt mit den Pfützen.
Was aber ist die harte Wirklichkeit?
Materie ist nur ein Gedanke Gottes,
Ist ein verschleierter Gedanke Gottes!


FÜNFTE SZENE


(Arzt, Bischof, Politiker, der Patriarch Eduard liegt im Sterben, Anna kommt hinzu.)

PATRIARCH EDUARD
Ich kann nicht atmen mehr, ach, mir zerreißt die Lunge!
Wo ist denn Luna nur, die Reizende und Junge?
DOKTOR KIRCH
Du musst dich schonen, Freund, schweig lieber stille, still,
Ob ich dich auferweck, ich sorgsam schauen will.
Die Lunge tatest du mit Tabak dir verstopfen.
Hier, nimm du für dein Herz zur Heilung diese Tropfen.
PATRIARCH
Tut meiner Luna kund: Ist in der Schule sie
Gelehrig fleißig und fehlt in der Schule nie,
Bringt gute Noten heim aus gernbesuchter Schule,
So zahl ich ihr viel Geld. Auch möge sie ein Buhle
Beglücken in der Welt, doch so ein Dummkopf nicht,
Der nicht mit Menschen, der mit Hunden lieber spricht.
POLITIKER
Nun, ferne sei der Tod, da mach ich keine Witze,
Doch leidest du zu sehr, erfleh die Todesspritze!
PATRIARCH
Sprich nur nicht von dem Tod, in meinem Herzen stichts,
Ich steh vorm nackten Tod, ich steh vorm blanken Nichts!
In Kerzenflammen auch versterben nachts die Motten.
Ach, alter Sensemann, ich habe Lust zu spotten!
BISCHOF
Hast du vergeben auch den Menschen in der Welt
Und dir vergeben selbst, so sterbe wie ein Held,
Denn in das Himmelreich kommt jeder doch am Ende,
Da brauchst du nicht das Öl, die Sterbesakramente.
Du hast gespendet doch den Armen in der Welt,
Gott zahle dir zurück mit Zinsen all dein Geld.
PATRIARCH
Ach sprich vom Tode nicht, ich höre keine Tuba
Mit Auferstehungsschall. Ich wollte noch in Kuba
Am Strande liegen und im Erdenparadies
Die jungen Mädchen sehn in kurzen Röckchen süß!
DOKTOR KIRCH
Es ist die Medizin bereits so fortgeschritten,
Bald keiner mehr am Tod zu Tode hat gelitten,
Es kommt ein Apparat, ja bald ist es soweit,
Da die Maschine dir beschert Unsterblichkeit.
PATRIARCH
Warum gab man am Kreuz dem Christus Essig? – Morphium!

(Anna tritt ein.)

ANNA
O plena gratia! O ave verum corpum!


SECHSTE SZENE


(Mark, Politiker, Herr Goldmann, Bischof.)

POLITIKER
Es gibt zu viele Menschen auf der Welt,
Ganz Afrika vermehrt sich wie Kaninchen.
MARK
O Zorn des Lammes! Mich erfüllt der Grimm,
Der Grimm erfüllt mich, nichts als Gram und Zorn!
Amerika hat einen Präsidenten
Begrüßt wie einen irdischen Messias
Und dieser Präsident geboten hat,
Den Hunger Afrikas nur dann zu stillen,
Wenn Afrika bereit, die schwarze Frauen
Bereit sind, ihre Kinder zu ermorden,
Im Mutterschoße Embryos zu töten!
Der Holocaust am ungebornen Leben
Schreit wie das Blut des Evas-Sohnes Abel
Und ruft herab die Strafgerichte Gottes!
HERR GOLDMANN
Die reichen Deutschen spenden immer Geld
Den armen Schwarzen, aber die verschwenden
Das Geld in Korruption von Diktatoren.
Schwarz-Afrika braucht unsre Demokratie,
Selbstregulierungskraft des freien Marktes.
MARK
In Afrika nicht herrschen Präsidenten,
Das Militär nicht, nicht die Diktatoren,
Ein Weltimperium von großen Banken
Versklavt den Kontinent und beutet aus,
Der Internationale Währungsfond
Zusammen mit der Weltbank beutet aus
Schwarzafrika, lässt Afrika verhungern!
HERR GOLDMANN
Ich dachte, du bist Christ, du hörst dich an
Wie so ein Sozialist und Kommunist.
MARK
Süßwasser wird verschwendet in Europa
Und Nordamerika, die Industrie
Verschwendet Wasser, das man trinken könnte.
So teuer ist in Mexiko das Wasser,
Daß eine arme Mexikanerin
Dem kleinen Sohn nicht Wasser kaufen kann,
Doch Coca Cola, die ist billiger.
Amerikas Konzern von Coca Cola
Kauft internationale Wasserquellen,
Auf dass sie allzeit produzieren können
Ihr chemisches Getränk voll weißen Zuckers,
Obwohl in Afrika die Frauen müssen
Drei Stunden wandern, bis sie Wasser finden.
POLITIKER
Was schwatzt du allezeit von Afrika?
MARK
Ein Kind in Afrika ist heute Jesus!


SIEBENTE SZENE


(Mark, Politiker, Herr Goldmann, Amme, Patriarch Eduard und Doktor Kirch.)

MARK
Ich fragte mich, was heißt der Name Luna wohl?
Nun war es mir im Hirn so schrecklich leer und hohl,
Ich sah ins Wörterbuch und lernte akademisch,
Was ich von Luna sag. Das ist doch nicht blasphemisch,
Denn Luna heißt der Mond, poetisch Monat auch,
Ein Honigmond ist bei den Jungverliebten Brauch,
So dumm wie Luna ist das Spiel von kleinen Kindern
Und einem Vollmond gleich ist Lunas praller Hintern.
Und launisch ist sie auch und wechselt oft ihr Licht,
Pausbäckig aber ist der Luna Mondgesicht.
AMME
Dem stimm ich zu, gewiß, dem Vollmond gleicht ihr Hintern,
Doch widerspreche ich, dass dumm das Spiel von Kindern.
PATRIARCH
Wo ist denn Luna jetzt? Ist sie in Sippenhaft?
AMME
So hört genau mir zu: Der Luna Schwangerschaft
Ist allen offenbar, und wie ich deutlich sehe,
Ist schwanger dieses Kind, doch lebt nicht in der Ehe.
POLITIKER
Das ist doch heut egal! Was schert den Muttermund
Das kirchliche Gebot vom ehelichen Bund?
AMME
Ach, dieses junge Ding, von irgendeinem schwanger,
So jung, fast noch ein Kind! Wer stellt sie an den Pranger?
Die Nachbarn sicherlich, denn wie ein alter Gaul
Die Nachbarn lästerlich zerreißen sich das Maul!
POLITIKER
Sie braucht das Kind ja nicht im Schoße auszutragen.
Wenn sie es abtreibt, wird sie niemand doch verklagen.
MARK
So seid ihr! Erst die Lust genießen ohne Zucht,
Dann töten mörderisch die arme Leibesfrucht!
POLITIKER
Du Fundamentalist, nun schweig doch einmal stille!
Doch warum nahm das Kind, das Mädchen, nicht die Pille?
Sie wusste doch, sie wirkt auf Männer attraktiv!
Ein Mädchen habe stets bei sich ein Präservativ!
Wer unverhütend tat in junger Wollust lieben,
Der ist dann selber schuld. Doch werde abgetrieben
Das da in ihrem Schoß, dann ist das Ding sie los,
Es wird ganz einfach ihr gekratzt aus ihrem Schoß!
AMME
Ach arme Kinderchen! Staubsauger wollen saugen
Die Früchtchen aus dem Schoß! Ach geht mir aus den Augen!


CHORUS


(Thalia, Erato und der Kleine Gott Amor.)

THALIA
Ist der Kindermord denn komisch?
Das Verrecken eines Alten,
Ist das denn ein Stoff zum Lachen?
Ein Gesetz in der Komödie
Ist es: Niemals einen Toten!
Laßt doch in Tragödien Leichen
Scheitern an dem Fels des Schicksals!
Aber in Komödien sollen
Liebe Leute Hochzeit feiern!
ERATO
Mark soll seine Venus haben!
THALIA
Diese zynische Satire
Ist mir aber allzu bitter.
Der Komödiendichter sicher
Hat an dieser Welt gelitten!
AMOR
Mich verehrt der Liebesdichter
In dem dunklen Kult Mors-Amor!
Allzeit betet er: Mos-Amor,
Heiland Tod, Erbarmen, Heiland!
O Mors-Amor, laß verlöschen
Mich im Meer der Ewigkeiten!
THALIA
Soll ich einen Witz erzählen?
Wollten Ministranten-Knaben
Einmal gute Taten üben,
Einer alten Dame helfen
Auf die andre Straßenseite,
Führten helfend sie hinüber,
Da sprach doch die alte Dame:
Ach, ich wollte nicht hinüber!
ERATO
Vanitates vanitatem!
Aber ist es nicht zum Lachen,
Alle diese Eitelkeiten,
Alle diese dreisten Toren?
THALIA
Aber schildert doch die Toren
Liebevoller, kluge Dichter!
Seid ihr selber etwa Richter?
AMOR
Ach, mein armer Liebesdichter
Fürchtet sich vorm Weltgerichte,
Weil der Dichter heimlich wühlte
In dem Kleiderschranke Gottes
Und genommen hat von Byssus
Von Veronika ein Schweißtuch!
THALIA
Das ist lustig! Das gefällt mir!


VIERTER AKT


ERSTE SZENE


(Die Schwarze Witwe, Anna, Friseur.)

SCHWARZE WITWE
Frisiere mich, mein himmlischer Friseur!
FRISEUR
Du hast ja keine Läuse auf dem Kopf.
SCHWARZE WITWE
Ich hab auch keine Flöhe in dem Schamhaar.
FRISEUR
Das Haar ist auch nicht schwarz und nicht brünett.
SCHWARZE WITWE
Einst war es blond, jetzt ist es silbergrau.
FRISEUR
Das weiße Haar ist doch des Alters Würde.
SCHWARZE WITWE
Doch Silberhaar schützt leider nicht vor Torheit.
FRISEUR
Die Weisen wie die Toren müssen sterben.
SCHWARZE WITWE
Sprich nicht vom Tod! Ich habe Angst vorm Tod!
FRISEUR
Heut werden Frauen dreiundneunzig Jahre.
SCHWARZE WITWE
Frisiere mich, dass Männer ich bezaubre!
FRISEUR
Ist eine Hündin, die am Leben ist,
Nicht besser als die tote Löwenmutter?
SCHWARZE WITWE
Ich kann doch keine Totenseele lieben!
Auch eine Witwe braucht noch einen Mann.
FRISEUR
Wer soll denn sonst dir loben die Frisur?
SCHWARZE WITWE
Kannst du das Silber nicht mit Henna färben?
FRISEUR
Ja, rotes Haar wie Venus Medici!
SCHWARZE WITWE
Ich möcht noch einmal vierundzwanzig sein.
FRISEUR
Man ist genau so jung, wie man sich fühlt.
SCHWARZE WITWE
Man ist genau so jung, wie man sich anfühlt!
ANNA
Das ging ja fix mit deinem neuen Freund.
SCHWARZE WITWE
Man lebt nur Einmal und dann kommt der Tod.
ANNA
Die Kirche konnte dich nicht trösten, Witwe?
SCHWARZE WITWE
Du lieber Gott, die Orgeln tönen schön,
Mein Freund jedoch macht süße Komplimente.
FRISEUR
Er wird noch sagen, dass der Gott Cupido
Noch triumphiert in deinen grauen Strähnen.


ZWEITE SZENE


(Anna, Mark, Advokat Bartory.)

MARK
Je vous salue, Marie, und Ave gratia plena –
Wo ist das Mädchen jetzt, die wunderschöne Lena ?
ANNA
In ihrem Zimmerchen, im oberen Gemach.
MARK
Ach, eine Göttin ist das Mädchen Lena, ach!
ADVOKAT
Ich will sie haben auch, nicht um sie anzubeten,
Dien nicht dem Venuskult wie törichte Poeten,
Ich will sie nehmen mir alltäglich und gesund
In aller Nüchternheit zum trocknen Ehebund.
MARK
Ich hatte ein Gesicht! Ich sah das ganze Weltall,
Es klang das Firmament, es war im Himmelszelt Schall,
Gott schrieb die Symphonie, ich hörte ihren Schall,
Die Galaxieen und die Quanten schallten Hall,
Doch mitten in dem All sah eine junge Frau ich,
Frau Weisheit ist es wohl, so dacht ich wonneschaurig,
Frau Weisheit aber glich dem Mädchen Lena ganz,
Von Gottes Intelligenz lag auf ihr Geistesglanz,
Verkörperung war sie der universalen Töne,
Weltseele in Person die makellose Schöne!
ADVOKAT
Du liebst nur einen Traum gebaut aus Sternenlicht,
Liebst deine Venus nur als Gottes Angesicht.
Ich liebe ihren Reiz, sie ist doch eine Fesche,
Doch soll sie waschen auch mir meine Unterwäsche
Und kochen mittags mir ein leckres Mittagsmahl
Und nachts im Ehebett beglücken den Gemahl
Und Kinder bringen mir als Ehe-Hierodule
Und Kinder mir erziehn und Kindern nach der Schule
Das Schreiben bringen bei, das Malen einer Zahl.
Ich bin in Wirklichkeit der treuere Gemahl.
MARK
Du siehst in ihr ein Ding nur in der Alltagswildnis,
Ich sehe in ihr Gott in seinem Ebenbildnis!
ADVOKAT
Doch Gott macht sie nicht satt, verscheucht den Hunger nicht,
Es lebt doch keine Frau allein vom Sternenlicht,
Vertreibe ihre Angst und weltlich ihre Sorgen,
Denn jede Frau will doch beim Manne sein geborgen.
MARK
Ach, und die Leidenschaft? Träumst du von ihrer Brust?
Ist sie dir Königin und Göttin aller Lust?
ADVOKAT
Ach junger Schwärmer du und junger Philosoph, ah,
Ich lieber schlage ganz allein auf meinem Sopha,
Mich interessieren nicht die Triebe geiler Brunst
Und nicht das Liebesspiel nach aller Regeln Kunst.
ANNA
Ich weiß, die Lena träumt, bei den vier Elementen,
Und bei der Quintessenz, alleine vom Studenten.


DRITTE SZENE


(Politiker, Patriarch Eduard, Herr Goldmann.)

PATRIARCH
Nun ist die arme Närrin Luna schwanger,
Hat immer keinen Ehegatten noch,
Doch will ich ihr noch einen Gatten finden.
POLITIKER
Sie ist doch eine reizende Partie!
Gewiß, wir alle Herrn Politiker
Mit Fünfzig scheiden uns von unsern Frauen,
Wir nehmen uns dann lieber junge Mädchen.
PATRIARCH
Die Seele wird uns eben immer jünger.
POLITIKER
Wenn nur die Mütter nicht der Mädchen wären!
Die hüten sie wie Äpfel ihrer Augen,
Wie Drachen vor den Hesperiden-Äpfeln.
PATRIARCH
Oft sind die jungen Mädchen auch so stolz
Und wollen nichts von reifen Herren wissen.
Jedoch, wenn zu dem grauen Haar der Schläfe
Ein dickes Portemonnaie am Hintern kommt,
Dann sind die jungen Mädchen allzeit willig.
HERR GOLDMANN
Doch ob die jungen Mädchen uns dann lieben,
Uns selber, die wir doch so liebenswürdig
Und so charmant sind, oder nur das Geld?
PATRIARCH
Ach Liebe und romantische Verliebtheit
Sind was für Dichter, welche manisch sind.
Zur Ehe auch gehört die Wirklichkeit
Des Geldes. Viele gehen nur zur Kirche,
Weil ihnen das bringt einen Steuervorteil.
Ja, knallhart wird gerechnet in der Ehe
Und wie ein Staatsvertrag ist der Vertrag
Der Eheleute bei der Eheschließung,
Wer in dem Falle einer Ehescheidung was
Bekommt. Der reiche Ehegatte schützt sich,
Daß nicht das arme Weib ihn völlig aussaugt!
HERR GOLDMANN
Ja, Ehen schließen sie mit reichen Männern,
Um dann im Scheidungsfalle reich zu werden.
PATRIARCH
Doch junge Mädchen schätzen die Erfahrung
Der reifen Männer in der Kunst der Liebe.
POLITIKER
Ja, magisch ist die Jahrszahl Neunundsechzig.
PATRIARCH
Da schätzte man die Lust der Liebe noch!
Heut schließt man Ehen nur zum Steuervorteil.
Nun, Luna immerhin ist meine Erbin,
Und bringt sie Reichtum mit in ihre Ehe,
So akzeptiert man wohl auch einen Bastard.


VIERTE SZENE


(Lena, Mark, Bischof.)

MARK
Ach Lena, Mädchen du, wie deine Lippenrosen
Ich schaue gerne an und möchte sie liebkosen,
Ach Lena, Mädchen mein, wie deine Seidenhaut
So weich und weiß und glatt ich streicheln möchte traut,
Ach Lena, Mädchen mein, wie deine langen Wimpern
Bezaubern mich, ich möcht auf diesen Saiten klimpern,
Ach Lena, Mädchen mein, die Wangen rot und weiß
Durchschauern mich so süß wie Sommernächte heiß,
Ach Lena, Mädchen mein, wie zauberhaft dein Lächeln,
Ich möchte allzeit dir mit Chinas Fächer fächeln,
Ach Lena, Mädchen mein, die schwarze Lockenflut
Versetzt in Raserei mich und in Tanzeswut,
Ach Lena, Mädchen mein, dein liliengleiches Leibchen
Ist all mein Himmelstraum, du junges Götterweibchen!
Mit meinen Bissen schreib auf deine Brust ich Schrift
Und in den Busen flöß ich ein dir Schlangengift
Und sterbe ich, es sei im Angesicht der Engel,
Und sterbe ich, es sei inmitten deiner Schenkel!
LENA
Wird deine Liebe sein unsterblich, frommer Mann?
Schaust du mich noch im Tod als deinen Himmel an?
MARK
Der Tod allein ist echt. An dir will ich mich weiden
Und nicht einmal der Tod soll uns vonander scheiden.
LENA
Wenn ich ein Engel bin im dritten Himmel schön,
Seufzt du mir schmachtend nach mit liebendem Gestöhn?
MARK
Dann gibt es keinen Trost als Rotwein in dem Becher,
Ich halte Treue dann der Seligen als Zecher.
LENA
Und wirst du auf der Erde schon ein guter Freund mir sein?
MARK
Ich bin dein Freund allein, ich bin dein Mann allein!
Die andern allesamt der irdischen Gemeinde,
Spaßvögel allesamt, sind nichts als beste Feinde!
LENA
So habe du allein auf meine Liebe Recht.
MARK
Ich bin dein Herr vor Gott, doch in der Welt dein Knecht.
BISCHOF
In Liebestrunkenheit ihr jugendlichen Schwätzer,
In Liebeshäresie seid unglaubliche Ketzer.
Daß Liebe Arbeit ist und nicht Romantik pur,
Daß Liebe Arbeit ist, nicht Seeleneinheit nur,
Sag ich als Realist. So nehmt euch sakramentalisch,
Denn Gottes Gleichnis ist die Wollust infernalisch.


FÜNFTE SZENE


(Advokat, Mark, Lena, Bischof.)

ADVOKAT
O Lena, ich bereite dir ein Leben
Auf dieser Erde in geputzter Wohnung,
Du sollst dich plagen nicht mit Alltagsmühen,
Denn ich bereite dir ein schönes Leben.
Und willst du Kinder, müssen unbedingt
Aus deinem Schoße Kinder dir entspringen,
So sollst du Kinder haben, wenn es sein muß.
MARK
O Lena, ich bereite dir den Himmel
Nur durch mein ewiges Gebet für dich.
ADVOKAT
Ich werde dein getreuer Gatte sein,
Bis dass der bittre Tod uns scheiden wird.
MARK
O Lena, schon auf Erden in dem Himmel
Wir werden sein inmitten unsrer Schmerzen
Und nach dem Tode lieben wir uns noch
In Jesus als geschwisterliche Engel.
LENA
Ich frage nichts nach Reichtum oder Geld,
Die Ehre dieser Welt ist mir nur eitel.
Doch Liebe, die unsterblich, ohne Ende,
Und doch auf Erden schon beginnt, die lieb ich.
Du, Advokat, du hast ein teures Auto,
Du hast ein schönes Haus mit großem Garten.
Du, Mark, hast nichts als nur allein dein Fernrohr
In deiner schmutzigen Studentenbude,
Doch liebe ich die Armut und den Wahnsinn!
ADVOKAT
Ja, Wahnsinn liebst du? Laß dich untersuchen
Vom Psychotherapeuten auf dem Sopha!
MARK
Den Wahnsinn liebst du also? Halleluja,
Die Kunst und Wissenschaft ist nichts als Wahnsinn,
Die metaphysische Idee ist Wahnsinn,
Die Religion von Gott ist wahrhaft Wahnsinn!
Liebst du den Wahnsinn? Also liebst du mich!
LENA
Aller Wahnsinnigen Wahnsinnigsten!
Ich liebe dich auch noch im Paradies!
BISCHOF
Ich bin ein armer Sünder, Kinderschänder,
Ich bin ein Sünder, bin ein armer Säufer,
Ich bin kaputt, ein ruinierter Mensch.
Doch durch die Weihe meines Priesteramtes
Hab ich die Vollmacht von dem Papst bekommen,
Euch zu dem Ehebunde zu vermählen,
Dich, Christus Mark, und dich, Maria Lena.


SECHSTE SZENE


(Die Schwarze Witwe und die alte Kinderamme.)

SCHWARZE WITWE
Du alte Hexe du, Großmutter du des Teufels,
Ich kenne den Abyss des rattengleichen Zweifels,
Die du nur ein Gespenst, nur Wiedergängerin,
Ich aber wahrer Mensch mit Leib und Seele bin
Und stehe in der Welt mit meinen beiden Beinen
Auf festem Boden, doch du willst als Geist erscheinen.
Das ist Besessenheit und das ist Dämonie,
Du bist wie ein Vampir und eine Teufels-Sie,
Sie-Teufelin, Gespenst, die du den Wahnsinn stiftest
Und arme Kinder mit der Muttermilch vergiftest!
AMME
Ich armes Mütterchen, ich weiß nicht wie mir wird,
Mein Hirte ist der Herr, Jehowah ist mein Hirt!
SCHWARZE WITWE
Wenn einen Baum man fällt, nur nicht die Nase rümpfe,
In jedem Baume lebt doch eine Wäldernymphe,
Dann dieses Baumes Geist irrt klagend durch die Welt
Und fährt in jenen ein, der diesen Baum gefällt,
Und diese Nymphe dann mit Jammern und mit Klagen
Macht diesen Menschen krank und wird ihn schrecklich plagen.
Was ist der Wahnsinn denn als nur Besessenheit?
Du wirst noch nach dem Tod aus finstrer Ewigkeit
In Menschen fahren ein und diese Menschen dann
Besessen vom Gespenst sind in des Wahnsinns Bann!
AMME
Am Throne Gottes doch ich werde für sie beten,
So finden sie das Tor zum Himmelsgarten Eden.
SCHWARZE WITWE
Nur plage du nicht mich! Die Exorzisten ruf
Ich, die Schamanen und die Heiler von Beruf,
Daß sie dich treiben aus! Ich werde hungernd fasten
Und vegetarisch mich ernähren wie die Kasten
Der Priester Hindostans, ich werd Veganerin,
Bis ich wie ein Skelett nur noch aus Äther bin,
Und reinigen mein Blut mit Tee von Feuernesseln
Und kochen selbst das Gift in großen Hexenkesseln
Und essen Körner nur, bis hundertjährig ich
Der Sechzehnjährigen vergleichbar schön bin! Dich
Verbann ich mit Magie, ich kenn die Zaubersprüche,
Ein blaues Auge häng ich mir in meine Küche,
Das scheucht den bösen Blick. Du hast den bösen Blick!
Mir aber treibst du nicht aus meinem Geist das Glück
Und flößt mir Unglück ein. Ich sage nichts als – merde!
Hab du das Totenreich! Ich hab das Glück der Erde!
AMME
Wenn auf dem Kirchhof ich einst ruh als Gottes Magd,
Mein liebes Kindchen dann vor Gott dem Schöpfer klagt
Und betet zu dem Herrn, dem Hirten der Erlösten,
Dann will als Engelin ich meinen Liebling trösten!


SIEBENTE SZENE


(Patriarch Eduard mit einem neunjährigen Knaben aus der Nachbarschaft, Tante Elli, Anna, Bischof, Mark, Lena.)

PATRIARCH
Du bist doch wirklich goldig, du mein Herzchen,
Du lieber Knabe bist ein reines Goldstück!
KNABE
Kracht dieses Universum einst zusammen,
Ich schlüpf ins parallele Universum.
TANTE ELLI
Tut Kindermund erneut die Wahrheit kund?
KNABE
Wenn erst die Sonne wird zum Roten Riesen,
Wenn dann die Sonne wird zum Weißen Zwerg,
Dann schlüpf ich durch ein warmes feuchtes Loch
Ins parallele Universum, siehe,
Die Mutter Erde mit den breiten Brüsten
Im parallelen Universum ist
Dann wieder jung wie in der Jungsteinzeit
Und ich bin dann im grünen Garten Eden
Und Eva geht im Garten nackt spazieren.
ANNA
Ja, ja, die Eva! Jeder will sie nackt sehn!
BISCHOF
Wir künden aber eine Hochzeit an!
PATRIARCH
Ja, hat die Hündin Luna einen Hund?
BISCHOF
Der evangelikale Mark, Student
Der theoretischen Physik, und Lena,
Die Grazie und Gnade unsres Gottes,
Vermählen sich in Sankt Marien Kirche.
LENA
Kommt alle zu der Hochzeit in die Kirche!
Wir haben so viel Fladenbrot und Käse
Und Paprika und Peperoni und
Oliven, Knoblauch, Chili, Wein und Wasser,
Sie sollen alle kommen, alle Bettler,
Die armen Säufer aus der Innenstadt,
Die Drogensüchtigen und Obdachlosen,
Sie werden alle satt von unserm Brot!
MARK
Wenn auch der Advokat und auch Herr Goldmann
Nicht kommen können wegen der Geschäfte,
So sollen alle Säufer sich betrinken,
Wir öffnen Fässer allerbesten Weines!
BISCHOF
Auch meine Heiligkeit liebt guten Wein.


CHORUS


(Thalia, Erato, der Kleine Gott Amor.)

AMOR
Ich bin Kind und ich bin Gottheit,
Bin ein Gott und bin ein Knabe.
Was muß ich auf Erden sehen?
Schaue ich nach Palästina,
Sehe ich die Islamisten,
Sehe ich die Terroristen,
Nehmen Knaben von neun Jahren,
Binden an den Körper Bomben,
Schicken sie dann zu den Juden,
Daß die Knaben mit den Bomben
Selbst sich jagen in die Lüfte,
Juden in den Tod zu reißen!
Islamisten dann versprechen,
Zweiundsiebzig Huris werden
Sie im Paradies beglücken.
THALIA
Ach das ist nicht lustig, Amor.
AMOR
Was muß ich auf Erden sehen?
In der Kirche der Apostel
Sitzen viele Feinde Gottes,
Geben sich als Gottesmänner,
Schänden lüstern kleine Knaben!
Wehe diesen Kinderschändern!
Hängt den bösen Kinderschändern
Um den Nacken einen Mühlstein
Und ersäuft sie in dem Meere!
THALIA
Ach das ist nicht lustig, Amor.
Gibt es gar nichts denn zu lachen?
ERATO
Mir gefällt die Busenfreundin
Unsrer lieben Tante Elli
Ausgesprochen gut, die Anna.
AMOR
Anna, Anna, ja die Anna!
ERATO
Und die liebe alte Amme!
ERATO
Wie gefällt dir denn die Lena?
AMOR
Ach, die gibt es nicht auf Erden!
Ist nur Traum im Herz des Dichters!
ERATO
Aber doch ein reizend-schönes
Bildnis einer wahren Traumfrau?
AMOR
Ganz wie meine junge Mutter
Venus war mit sechzehn Jahren!


FÜNFTER AKT


ERSTE SZENE


(Friseur, Apotheker.)

FRISEUR
Was macht das kleine Kind der wunderhübschen Luna?
APOTHEKER
Dem kleinen Kinde war nicht günstig die Fortuna,
Denn Luna trieb es ab in schrecklichem Abort!
So mancher nennt das gar doch einen Kindermord!
FRISEUR
Es ist doch die Kultur des ungeheuren Todes.
APOTHEKER
Soll man noch beten für die Seele des Herodes?
Die Muttergottes will das nicht, sprach ein Poet,
Ich weiß nicht, wo das Wort, in welchem Buche steht.
FRISEUR
Nun ist es eben hin, gestorben ist gestorben,
Zum Glück ist Luna nicht bei dieser Tat verdorben.
Ist sie noch reizend schön, noch voller Gratia,
So wie ich sie so süß im leichten Kleidchen sah?
APOTHEKER
Kannst du dir denken denn dies junge Kind als Mutter,
Mit einem Löffel Brei zu füttern mit dem Futter
Ein kleines Baby und zu wischen ab den Kot
Und salben den Popo, der von den Wunden rot,
Das Kind verschleiern mit der Haarflut, der konfusen,
Und lassen saugen das geliebte Kind am Busen?
FRISEUR
O Mädchenbrüste klein und jung und fest und straff!
Nur keine Hängebrust von Müttern welk und schlaff!
APOTHEKER
Und wenn sie Mutter dann geworden ist von Kindern,
Zwein oder dreien gar, ist nicht mehr schön der Hintern.
Und wenn sie dann gelebt, wie es bei Müttern Brauch,
Dann ist nicht mehr so fest und wohlgeformt der Bauch.
Und parfümieren sie des Kinderspeichels Düfte,
Die Taille nicht mehr schlank, kommt Fett an ihre Hüfte.
FRISEUR
Ja, Kinder wirklich sind der Mädchenschönheit Mord,
Die Schönheit rettet nur das Opfer des Abort!
APOTHEKER
In alten Zeiten auch den Göttern Opfer brachten
Und Menschenopfer gar die Menschen und gedachten,
Die eignen Kinderlein dem Moloch-Gott zu weihn,
Die Göttin Jugendreiz will heute Kinderlein!
FRISEUR
Ja, all die Embryos an ihren kleinen Kreuzen,
Geopfert werden sie der Göttin voll von Reizen!
Oh, dass die Göttin auch in immerjungem Reiz
Mit straffem Schenkelpaar die schlanken Beine spreiz!
APOTHEKER
So eben ist nicht gleich der Lieben Frau Maria
Mit ihrem Gott und Sohn die Göttin Luxuria!


ZWEITE SZENE


(Tante Elli, Anna, Amme, Schwarze Witwe, Luna, Lena, Mark.)

MARK
Hier ist das makellose weiße Linnen,
Das Laken über unserm Hochzeitsbette.
Hier seht ihr rote Flecken roten Blutes,
Als ich die Jungfernhaut durchstoßen zärtlich.
TANTE ELLI
Die Griechen nannten doch den Gott der Ehe
Gott Hymen. Sappho und Catullus sangen
Vom Bräutigam und seiner Braut, der Jungfrau,
Der Jungfrau, die verlassen ihre Mädchen,
Gesegnet von der unbefleckten Göttin
Diana, dieser reinen Jungfraungöttin,
So zog die Jungfrau zu dem Bräutigam
Und Hymenäus, Hymen, Hymenäus,
Der keusche Hochzeitsritus ward vollzogen,
Der keuschen Jungfrau Hymen keusch durchstoßen.
MARK
So hab ich öffentlich hier den Beweis,
Daß Lena keusch sich aufgespart zur Hochzeit.
Wir Evangelikalen glauben nämlich,
Daß wahre Liebe bis zur Hochzeit wartet
Mit dem beliebten Akt der Einigung.
AMME
O Lena, Lena, stolz bin ich auf dich,
Denn Reinheit in der Sexualität
Allein macht dich zum Kelch der Liebe Gottes.
MARK
Der Körper ist ein Tempel Gottes ja,
Wer aber Hurerei treibt mit dem Körper,
Der schändet Gottes Heiligtum, den Leib.
LENA
Ich nahm die keusche Jungfrau mir zum Vorbild
Und wollte immer mehr in meiner Seele
Zu einer Anderen Maria werden.
MARK
Auch Gott der Herr hat Jungfrau Israel
Erwählt zur vielgeliebten Brautgenossin.
Ohola aber wie auch Oholiba
Den Herren kränkten durch die Hurerei,
Sie spreizten allen Freiern ihre Beine
Und ließen sich betatschen ihre Titten,
Bis Gott der Herr als Gott und Bräutigam
Die keusche Tochter Zion fand, Maria,
Die Ja gesagt zu Gott dem Bräutigam,
Doch keinen Mann erkannte in dem Bett,
Weil Gottes Geist allein ihr Bräutigam.
AMME
Mit diesem roten Tropfen roten Blutes
Habt ihr ein Fundament gelegt der Ehe,
Drauf könnt ihr nun das Haus der Liebe bauen,
Das Freudenhaus der ehelichen Liebe!


DRITTE SZENE


(Mark und der Advokat.)

ADVOKAT
Bei der Justitia, ist eure Ehe auch
Rechtsgültig, so wie es bei allen Völkern Brauch?
MARK
Im süßen Hindostan gibt’s die Gandharven-Ehe,
Wenn ich als Freier schon die Freundin nackend sehe
Und dann beim Meeresschaum und in dem feuchten Sand
Mich unterm Mondenschein voll Lust mit ihr verband
Und wir wie Götter jung in Liebe kopulierten,
Der Götter Liebesspiel in unserm Akt vollführten,
Gandharven schauten zu, Asparas schauten zu
Und segneten den Akt, anschließend süße Ruh.
Die Freundin und der Freund sind trotz der Welt der Spötter
Ein wahres Ehepaar im Himmelreich der Götter.
ADVOKAT
Mahatma Gandhi so die Ehegattin nahm,
Doch das verbietet in Europa uns die Scham,
Hier auf dem Standesamt im Angesicht des Staates
Schließ du den Ehebund nach Rat des Advokates.
MARK
Ja, auf dem Standesamt beschließen öffentlich
Wir unsern Ehebund, den Bund von Du und Ich,
Dann in der Kirche auch vorm heiligen Altare
Vor Gottes Angesicht ich mich der Gattin paare.
ADVOKAT
Vermählt der Bischof euch, der doch ein Sünder ist?
MARK
Der handelt da nur in Persona Jesu Christ,
Ob auch ein Sünder ist der Bischof, doch ich freie
Die Vielgeliebte mir mit Segen seiner Weihe.
ADVOKAT
Wollt ihr denn Kinder auch? Sonst ist die Ehe nicht
Rechtsgültig nach dem Recht der Kirche, nämlich Pflicht
Der Eheleute ists, der Kirche Frucht zu schenken,
Nicht nur zur eignen Lust sich liebend zu versenken.
MARK
Ja, meine Liebste will der lieben Kinder zwei,
Will nicht ein Einzelkind, will zwei, will lieber drei,
Wenn nur die Fruchtbarkeit bei meinem Muttertier
Gesegnet fruchtbar ist, so will sie wohl auch vier.
Bedenk, mit welchem Spaß die Kinderlein gemacht,
So will ich jeden Tag wohl sieben oder acht!
ADVOKAT
Doch wird die Ehe erst rechtsgültig mit dem Akte,
Wenn Bräutigam und Braut vereint als Splitternackte,
Sich ehelich vereint in schöner Kopulation,
Sonst löst die Ehe auf der Herr und Menschensohn.
MARK
Doch davon schweige ich in Keuschheit und bescheiden,
Denn du, mein Advokat, du würdest mich beneiden!


VIERTE SZENE


(Patriarch Eduard, Tante Elli, Doktor Kirch.)

TANTE ELLI
Ach, seh ich meine Nichte Luna an,
Erkenn ich meine Nichte nicht mehr wieder.
Sie scheint von meinem Stamme nicht zu sein.
Denn alle meine Mütter, Müttersmütter,
Großmütter, Urgroßmütter, bis zu Eva,
Sie suchten alle Gott und Gottes Wahrheit.
Doch diese Luna ist wie eine Hündin,
Ganz ein Produkt des Zeitgeists dieser Welt,
Wie loser Flugsand, der im Winde treibt.
Nicht nur, dass sie nicht im Besitz der Tugend,
Auch scheint die Tugend wertlos ihr zu sein.
Getrieben nur vom animalischen
Begehren, von den Trieben des Instinktes,
Ganz Hündin in dem Geist des Hedonismus,
Scheint sie mir meine Nichte nicht zu sein.
DOKTOR KIRCH
Wie kann das sein? Wie löst sich dieser Knoten?
Wir sind im fünften Akte dieses Dramas,
Da muß sich irgendwie der Knoten lösen!
Wie will der Dichter unsres Lebensschauspiels
Dies lösen, dieser Dichter unsres Schicksals,
Der wie ein Gott uns unsre Rollen vorschreibt?
Ich muß die Rolle eines Arztes spielen,
Wie eine Marionette an dem Faden
Des Schöpfers dieses großen Welttheaters
Muß ich die Rolle meines Lebens spielen
In diesem tragikomischen Theater,
Das man das Leben auf der Erde nennt.
PATRIARCH
Der losen Luna möchte ich auch nicht
Im Testament den Reichtum anvertrauen.
Sie brächte es nur durch mit einem Säufer,
Mit einem Vagabunden oder Spieler.
Ach, wenn die würdevolle Lena doch
Die Erbin und die wahre Nichte wäre!
Sie hat ja den Studenten der Physik
Zum rechtlich angetrauten Ehegatten.
Der weiß Verantwortung zu tragen in
Der Ehe und dem Hause vorzustehen
Als Patriarch im Geist der Patriarchen
Und wie ein alter Vater Abraham
Die Frauen und die Kinder und die Herden
Und alle Erdengüter zu bewahren
Und zu vermehren durch den Fleiß der Arbeit
Und so ein familiäres Heim zu schaffen.
Wohlleben herrschen dort und süßer Wohlstand
Und aufgeschlossner Geist der Modernität
Und weisheitsvolle Mildigkeit mit Geld.


FÜNFTE SZENE



(Advokat Bartory, Soldat, Apotheker, Friseur, Politiker, Herr Goldmann, Student Mark, Amme, Tante Elli, Luna und Lena. Alle sind versammelt. Unverständliches Gemurmel im Raum. Schließlich tritt Ellis Busenfreundin Anna ein.)

ANNA
Kennt ihr die Fabel von dem weisen Salomon,
Ein weiser Richter auf Judäas Königsthron,
Zu ihm gekommen einst zwei schöne Tempelhuren,
Die kamen zum Gericht der sündigen Naturen
Mit einem toten Kind und einem lebenden.
Die eine Hure sprach mit einem bebenden
Und trauervollen Ton: Sie hat mein Kind genommen!
Ihr eignes Kind ist nachts im Bette umgekommen!
Die andre Hure sprach, in ihrer Stimme Zorn:
Nein, dieses Kind, das lebt, das ist aus meinem Born.
Der weise Salomon das Schwert nahm des Gerichtes,
Sprach über jenes Kind, das lebt: Ich jetzt vernicht es
Und teil das Kindlein auf! So jede Hure kriegt
Ein halbes totes Kind! So Göttin Weisheit siegt!
Die wahre Mutter schreit: Nein, gib das Kind der Andern,
Mein vielgeliebtes Kind soll nicht im Hades wandern,
Nein, lieber bleib allein auf Erden ich, allein,
Als dass mein liebes Kind erleide eine Pein!
ADVOKAT
Was soll das heißen nun, du jämmerliche Närrin?
Frau Weisheit ist gewiß nicht deine höchste Herrin!
ANNA
Hört meine Beichte an: Als ich geboren einst,
Sprach ich zur Leibesfrucht: Mein armes Kind, du weinst?
Du sollst einst groß und reich und herrlich werden, erben
Sollst du das Hab und Gut des Patriarchen, sterben
Sollst du in Armut nicht. Schau, Tante Elli auch
Hat eine Nichte jetzt von ihrer Schwester Bauch.
O Tante Elli ist so gut, so sanft, so lind,
Bei Tante Elli sollst du leben, liebes Kind.
Wenn Tante Elli dich erzieht nur pädagogisch,
Führt dich zur Heiligkeit der Tugend mystagogisch,
Wirst du ein guter Mensch und eine wahre Frau,
Daß man in deinem Bild die Schönheit Gottes schau!
TANTE ELLI
So meine Nichte ist die Hündin nicht, die Luna?
ANNA
Nein, deine Nichte ist die Heilige, die Lena!


SECHSTE SZENE


(Zu den vorigen kommt Doktor Kirch hinzu.)

DOKTOR KIRCH
Der Patriarch ist tot, er ist gestorben!
Der Patriarch, der unser Vater war,
Er ist nicht mehr, er ist hinweggegangen.
Ganz plötzlich ward er unaussprechlich müde
Und schlief am hellen Tag und in der Nacht
Und fing dann an zu husten und zu röcheln.
Fast schien er zu ersticken. Atemnot
Zusammenpressten ihm die Lungenflügel.
Er spuckte Schleim aus der zerfressnen Lunge,
Er spuckte Blut aus der zerfetzten Lunge
Und rief als seinen Arzt mich an das Bett
Und sprach: Der Affe tot – die Klappe zu!
Mein liebes Geld vermach ich aber Lena.
TANTE ELLI
O Lena, meine vielgeliebte Nichte!
Erst einen Bräutigam und dann das Erbe!
DOKTOR KIRCH
Dann sank der Patriarch in tiefen Schlaf.
Nur seine Augenlider zuckten noch,
Als ob er träumte oder Geister schaute,
Vielleicht Gespenster der Vergangenheit.
Er wachte auf nur, wenn er husten musste
Und wenn er seinen Blutschleim ausgehustet,
Dann schlief er wieder ein wie lebensmüde.
Zwar wollte ich verlängern ihm das Leben,
Allein die Lunge war schon ruiniert,
Das Herz zerstört, die Leber auch vergiftet,
Nichts war mehr heil an seinen Eingeweiden.
Nur einen Augenblick vor seinem Tod
Sah er mir in die Augen, so als ob
Er fragen wollte, ob ich ihm verzeihe.
Dann lachte er: Da kommt der Bruder Tod!
Dann lachte er noch: Ha, ha, ha, ha, ha!
Und so verstorben ist der Patriarch.
TANTE ELLI
Ob auch des Patriarchen Tod beschattet
Den heitern Ausgang des Komödienstückes,
Doch alles hat sich jetzt genau erfüllt.
Die wahre Nichte trat das Erbe an
Und ist vermählt mit einem edlen Christen.
So lebt die Ehe als ein Sakrament
Der Treue Gottes und der Liebe Gottes.
Ihr dürft euch küssen, küssen, Mark und Lena,
Denn die Tragödie endet mit dem Tod,
Doch die Komödie endet mit der Hochzeit!
LENA
Ihr seid verrückt! Ich hab euch alle lieb!
MARK
So segne euch die heilige Name Gottes!


ANSTATT DES CHORUS
DER EPILOG
DER POET
WIDMET DIESES STÜCK
SEINER KAISERLICHEN HOHEIT
OTTO VON HABSBURG

O Kaiserliche Majestät, verzeiht
Dem armen Dichter, einem Idioten,
Daß er Euch diesen Friedensgruß entboten,
Er, der der trunknen Muse nur geweiht.

Allein die Liebe sei gebenedeit
Und Unsre Liebe Frau der Zyprioten!
Gott ist gerecht zu Lebenden und Toten:
Die Liebe bleibt in alle Ewigkeit!

Dies ist ein Spiegel dieser Welt voll Narrheit,
Denn Lüge herrscht, doch Christus ist die Wahrheit,
Die Weisen aber ernten nichts als Spott.

Wer als der deutsche Papst von Rom ist weiser?
Heil Euch, in Christus mein Geheimer Kaiser!
Demütig neigt der Dichter sich vor Gott.