Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

WEISHEIT UND LIEBE


Von Josef Maria Mayer

In Demut nahe dich des großen Gottes Throne
Und gib um diese Welt nicht eine rote Bohne!



ERSTER TEIL
DER GARTEN DER WEISHEIT


Übergroße Ehrerbietung
Wird aufdringlich mit der Zeit
Und ein Übermaß von Vorsicht
Wird zu feiger Ängstlichkeit.
Tapferkeit soll nicht ausarten
Zu gemeiner Rüpelei
Und die große Wahrheitsliebe
Scheint oft rücksichtslose Grobheit.

Scheint es dir, dass zu bemerken
An dir schon Vollkommenheit?
Du befindest dich im Irrtum!
Denn du bist schon stehn geblieben,
Wenn du nicht gar rückwärts gehst!

Groß die Weisheit, groß der Himmel,
Groß die schwarze Mutter Erde!
Menschen schauen auf die Erde,
Erde aufschaut zu den Himmeln,
Alle Himmel schaun zur Weisheit,
Gottes Weisheit schaut sich selber.

Beim Ersteigen einer Höhe
Erst verstehe ich die Enge
Dieses menschlichen Geschlechts.
Beim Betrachten weiter Ferne
Erst erkenne ich das Eitle
Und das Nichtige der Welt!
Also wende ich das Haupt,
Kehre wieder in mein Haus,
In das enge Stadtgemäuer,
Ich bin wie ein Körnchen Weizen
In der riesengroßen Scheuer.

Fragst du mich, warum ich hier
In der blauen Sphäre wohne,
Bleib ich stumm und lächle nur,
Voller Frieden ist mein Herz.

Auf dem Wasser Pfirsichblüten
Treiben in die dunkle Ferne.
Himmel ist und Mutter Erde,
Welche nicht von dieser Welt.

Wenn man einen Menschen trifft –
Lohnt es sich mit ihm zu sprechen –
Doch man redet mit ihm nicht,
Hat den Menschen man verloren!
Wenn man einen Menschen trifft,
Doch er ist ein hohler Dummkopf
Und man redet doch mit ihm,
Hat die Worte man verschwendet!
Doch ein weiser Mann verliert nicht
Eine wirklich weisen Mann
Noch verschwendet seine Worte
Je der Weise an die Torheit.

Förderlich ist eine Freundschaft
Mit den graden Menschenseelen,
Förderlich ist eine Freundschaft
Mit gerechten Wahrheitsfreunden,
Förderlich ist eine Freundschaft
Mit erfahrungsreichen Menschen.
Schädlich aber ist die Freundschaft
Mit den Menschen voller List,
Schädlich aber ist die Freundschaft
Mit den Schmeichlern, Speichelleckern,
Schädlich aber ist die Freundschaft
Mit den aufgeblasnen Prahlern.

Du verbinde kleine Mittel,
So erreichst du große Ziele.
Hanf, zu einem Strick gebunden,
Fesselt sogar Elefanten.

Feuer hat nicht Holz genug,
Meer hat nicht genug des Wassers,
Tod hat Beute nie genug,
Schönheit nie genug der Männer.

O, die Weisheit von dem Himmel
Gleicht geschicktem Bogenspanner:
Hohes drückt sie kräftig nieder,
Niedres hebt sie kraftvoll hoch.

O, die Weisheit von dem Himmel
Nimmt den Überfluss des Reichen
Und beschenkt des Armen Mangel.
Anders aber sind die Leute,
Denn sie rauben aus die Armen
Und beschenken noch die Reichen.

Wahre Tugend prahlt nicht stolz,
Darum ist sie wahre Tugend.
Niedre Tugend kommt nicht los
Von dem eitlen Eigenlob,
Darum ist sie niedre Tugend.

Kaum dass er sie kennen lernte,
Schlugen ihre beiden Herzen
Wie vereint zu Einem Herzschlag!...

Leere ist in meinem Bett,
Darum bin ich immer wach,
Immer größer wird die Kälte
Und der Nachtwind bläst mich an,
Beinah wie des Meeres Rauschen
Das Geräusch des Vorhangs rauscht.
Wäre es doch nur das Meer,
Das mich trägt zu der Geliebten!

Menschliche Wertschätzung kann
Schon infolge kleiner Gründe
Eines Tags in Hass umschlagen!
Gottes Liebe aber dauert
Unveränderlich für immer!

Glaube nicht, Gott durch Gebete
Könntest du gefällig machen,
Dein Gebet erinnre dich,
Daß du Gott gehorsam seist!

Freundlichkeit und Güte leiten
Sogar große Elefanten
Nur an einer hanfnen Schnur.

Bist du einsam mit dir selber,
Denk an deine eignen Sünden!
Bist du aber unter Leuten,
Übersieh der Menschen Schwächen!

Wer beim Wortgefecht wird zornig,
Streitet nicht mehr für die Wahrheit,
Nur noch um die eigne Ehre.

Selten ist die Seele groß
In dem Wirken auf der Erde,
Aber immer überriesig
In den Zielen ihrer Wünsche.

Als die Dame sah den Mond,
Sah die Jungfrau auf der Sichel,
Neigte sie sich zugewandt
Voller Demut vor der Jungfrau.
Ach, kein Mensch verstand die Dame!
Nachtwind blies in ihre Seide.

Langsam fächle ich den Fächer
Aus den weißen Taubenfedern
Und mit offenem Gewand
Sitze ich im grünen Garten
Und ich hebe meine Mütze,
Häng sie auf den Stein voll Moos,
Über meinem bloßen Schädel
Weht der Wind vom Tannenwipfel.

Wenn die Menschen was betrachten,
Sehn sie Wandel aller Dinge,
Sehen nicht der Seelen Wandel.
Wer will reisen in die Ferne,
Der hat keine leise Ahnung
Von dem Schatz des innern Lebens.
Reisen in die Ferne hängen
Ab von tausend Außendingen.
Reisen in das Innenleben
Finden alles in sich selber.
Das ist wahre Kunst des Reisens.

Überquere viele Flüsse,
Schau, du kommst an einen See,
Spähe aus, soweit du kannst,
Du erreichst das andre Ufer
Nicht mit angestrengten Augen.
Alles das, was dich begleitet,
Bleibt an diesem See zurück.
Aber du musst weiter wandern!
Wer die andern Menschen braucht,
Der bleibt immerdar gefesselt.
Wer gebraucht wird von den andern,
Ach, den plagen tausend Sorgen.
Wirf die Fesseln ab, mein Freund,
Lass die schwarze Trauer fahren!
Mit Frau Weisheit bleib alleine,
Bis du in den Himmel fährst!

Vor dem Fenster sinkt die Sonne
Und das Abendrot erscheint.
Ach in meiner schönen Wohnung
Keiner sieht, wie ich geweint!

In dem stillen Garten geht
Auch der Frühling rasch zuende.
Blüten liegen da verstreut.
Meine Türe bleibt verschlossen.

Von dem Himmelswasser lautlos
Wird umrauscht der große Bambus.
Westlich von dem Bambusrohre
Blüht das Gras, vom Lenz liebkost.
Und ich schaute nach dem Schilfdach,
Saß den ganzen Tag und schaute.
Leise eine Elster flog
Und die Wolke wachte schweigend.

Zwischen Mann und Frau vor allem
Eng sei seelische Gemeinschaft.
Ist Gemeinschaft leiblich nur,
Wird sie Quelle sein des Streits
Bei dem Mann und bei der Frau.

Wer die andern Menschen kennt,
Der hat die Vernunft verstanden.
Wer sich aber selber kennt,
Ist erleuchtet von der Weisheit.
Wer den andern überwindet,
Ist fürwahr ein starker Mann.
Wer sich selber überwindet,
Der hat Vollmacht von dem Herrn.

Als ich jung im Garten spielte,
Wusst ich nichts von Liebeskummer.
Nun ich schminke mich im Frühling
Und ich schaue in die Ferne.
Plötzlich seh ich an dem Zaun
Weiden, grüne, grüne Weiden.
Hätt ich nie doch den Geliebten
In die Ferne ziehen lassen!

O, der Höhe Weihrauchfass
Glüht von goldnen Purpurwolken
Und ich schau zum Wasserfall
Und dem tanzenden Gewässer.
Wasser schweben, Wasser stürzen
Weiten Weg in Abgrundtiefe!
O, der Silberstrom der Sterne
Trieft den Segen von dem Himmel!

Wenn der Frühlingsatem weht,
Dann erblühen hundert Blumen.
Wenn die Weisheit Gottes wirkt,
Dann entfaltet sich der Frühling
Und es wird der Sommer kommen.
Ach, ich hörte, dass die Leute
Blindlings ihrer Straße folgen
Und des Weges Ziel nicht kennen.
Doch da ist ein weiser Mann.

Demut ist verwandt der Tugend,
Einfachheit in dem Charakter
Ist verwandt der Heiligkeit,
Ehrlichkeit im Menschenleben
Ist verwandt der Wahrheit Gottes.
Wer in Tugend lebt auf Erden,
Ob er manchmal auch noch fällt,
Geht den Weg der Heiligkeit.

O, die jungen grünen Gräser
Rascheln leis wie grüne Seide
Und die rosaweißen Blüten
An den Bäumchen sind noch klein.
Wenn du wieder gehst nach Hause,
Ach, da wird das Herz mir brechen!
Ich und diese Frühlingslüfte
Sind uns unbekannt und fremd.
Warum schleichen sie sich denn
Ein in meines Vorhangs Seide?

Von dem Wahrheitswege die
Hälfte nur zurückzulegen
Und dann elend schwach zu werden,
Das ists, was du fürchten solltest.

Jener zählt nicht zu den Armen,
Der nur wenig Geld besitzt,
Sondern jener, der als Reicher
Immer noch mehr Geld begehrt.

In der Jugend lebe so,
Daß du wartest auf ein Alter
In der Altersweisheit Frieden.
An dem Tage lebe so,
Daß du nachts gut schlafen kannst.

Wahrheitsworte sind nicht schmeichelnd,
Schmeichelworte sind nicht wahrhaft.

Dann bist du in deinem Wesen,
Wenn du deinen Trieb beherrschst
Und verzichtest auf Begierden.
Nur in deiner Phantasie
Scheint dir das Verzichten schwer,
Doch in Wahrheit ist es einfach.

Hohe Menschen doch allein
Haben Einblick in des Lebens
Innere Notwendigkeit.
Darum auch zu schweren Zeiten
Sind sie ruhig und gelassen.
Doch dagegen kleine Geister
Kennen nur den Augenblick
Und des blinden Zufalls Launen.
Darum sind sie voller Sorgen,
Aufgeregt und ohne Frieden.

Rosen pflanzt mein Schatz im Garten.
Einen Tag sie nicht zu sehen,
Ist mir wie drei lange Monde.
Tulpen sucht die Vielgeliebte.
Einen Tag sie nicht zu sehen,
Ist mir wie drei lange Lenze.
Nelken pflückt sich die Geliebte.
Einen Tag sie nicht zu sehen,
Ist mir wie drei lange Jahre.

Menschen lieben, die uns lieben,
Diese Liebe ist sehr menschlich.
Menschen lieben, die uns hassen,
Diese Liebe ist sehr göttlich.

Keine Schätze häuft der Weise.
Was er für die andern tut,
Das ist wirklich sein Besitz,
Und je mehr er andern schenkt,
Um so reicher wird er selbst.

Ach, wie trostlos wär die Welt
Voller Sünde, voller Bosheit,
Würden nicht doch immer wieder
Kleine Kinderlein geboren
Mit der Unschuld in den Augen!

Lieber, werde niemals zornig,
Sonst gerätst du in die Hände
Deiner hasserfüllten Feinde!

Du kannst vielen Lehren folgen,
Doch das Heil kommt von der Liebe!
Nur in wessen Seele lebt
Liebe, der geht nicht im Finstern,
Kommt im Tod ins Reich des Lichts!

Allgemeine Sünden lassen
Sich auf Eine Art nur tilgen:
Jage nach der Heiligkeit
Und vollende in dir Liebe!

Schau, die Pflaumen fallen schon,
Sieben hängen noch am Zweig.
Wer mich will, der kriegt mich jetzt!
Schau, die Pflaumen fallen schon,
Drei nur hängen noch am Zweig.
Wer mich will, der nehm mich jetzt!
Pflaumen fallen schon vom Baum,
Fallen in das grüne Gras.
Wer mich will, der hat mich jetzt,
Jetzt ist junger Liebe Zeit!

Als die Schöne bei mir war,
War mein Haus ein Blumengarten.
Jetzt gegangen ist die Schöne,
Einsam ist es jetzt im Bett.
Auf dem Lager meine Decke,
Keinen hat sie mehr zu decken.
Und das Kissen in der Ecke
Duftet noch nach schöner Liebe.
O, der Duft verlässt mich nicht!
Aber sie kommt nie mehr wieder!
Doch ich denke stets an dich
Und der Tau tropft auf das Moos.

Ja, die Weisesten der Weisen,
Sie genossen dieses Leben,
Aber wenn der Tod herankommt,
Gehen sie zu einer Hochzeit!

Jedem Mensch verzeihe alles,
Dir verzeihe gar nichts selber!

Kleine Kinder in den schwachen
Händchen halten mehr der Weisheit
Als die großen starken Menschen
In den Fäusten tragen können.

Wirklich schöpferische Werke,
Aus der Sehnsucht nur geboren
Werden sie nach Herzensreinheit.

Wie die Wolke ist ihr Kleid,
Wie die Blume ihr Gesicht.
O, es duften Lenzparfüme!
Wie verliebt ist doch der Lenz!
Wird sie in der Höhe stehen,
Wage ich nicht aufzuschauen.
Wird sie sich dem Himmel weihen,
Bin ich unter ihr auf Erden.
Wie verliebt ist doch der Lenz!

Auf dem Wege sah ich Mädchen,
Die wie feine Wolken waren.
Waren sie auch wie Gewölke,
Keine wollte ich besitzen.
Haben will ich nur die Eine:
Weiß und blau ist ihr Gewand,
Sie allein ist meine Wonne!
Auf dem Wege fand ich Frauen
Ähnlich einem Rosengarten.
Mochten sie den Rosen gleichen,
Haben wollte ich doch keine!
Nur die Eine will ich lieben,
Weiß und blau ist ihr Gewand,
Sie ist meiner Seele Wonne!

Isst du zuviel Süßigkeit,
Aber das ist keine Sünde.
Trinkst du zuviel roten Wein,
Keinem schadest du damit.
Doch es gibt auch eine Sünde
Gegen deine Menschenwürde.
Gott, der in dir lebt und webt,
Dir gebietet Mäßigung.

Ich durchwanderte die Erde
Und ich suchte nach dem Licht,
Das mich allzeit führen könnte.
Tag und Nacht hab ich gesucht,
Bis ich fand den Herrn und Meister!
Er hat offenbart das Licht.
Dieser Meister aber wohnt
Tief in meiner innern Seele
Und das Licht, das er mir schenkt,
Leuchtet in des Herzens Reinheit.

Ob nun deine Freundin schön ist,
Schau, sie würde es nicht wissen,
Wenn du’s ihr nicht sagen würdest.
Aber ob sie es nun weiß
Oder ob sie nicht es weiß,
Ändert nichts an ihrer Schönheit,
Denn ihr Wesen ist die Schönheit.

Wer vereint ist mit Frau Weisheit,
Dessen Seele ist unsterblich.
Ob im Tode auch sein Körper
Scheidet sich von seiner Seele,
Bleibt der Mensch in Ewigkeit.


ZWEITER TEIL
DIE VIER ARTEN DER LIEBE


ZUNEIGUNG


Zuneigung ist die Liebe, Zärtlichkeit,
Vor allem von den Eltern zu den Kindern.
Das ist die Mutter mit dem Kind im Arm,
Die Katze, die die Katzenjungen leckt.
Da ist ein Quietschen und ein Schnüffeln, Schnurren,
Ein Plappern, Lecken, Milch, Geruch des Lebens.
Des Kinds Bedürftigkeit ist offensichtlich.
Die Mutter schenkt, schenkt Leben, Schutz und Nahrung.
Bedürftig ist die Liebe eines Kindes,
Doch das Bedürfnis einer Mutter ist
Das Schenken. Liebe ist es, die zwar schenkt,
Doch braucht sie den, der sie bedürftig braucht.
Zuneigung kennt des Alters Schranken nicht,
Der Klasse, des Geschlechts und der Erziehung.
Zuneigung gibt es zwischen einem Jüngling
Von humanistischer Gelehrsamkeit
Und einer liebevollen Kinderamme.
Zuneigung existiert, obwohl auch nicht
Die leiseste Gemeinsamkeit besteht
Von Interessen und Ideen. Solche
Vermögen miteinander nicht zu reden,
Sonst würden sie sich streiten, aber sie
Empfinden gegenseitige Zuneigung,
Wie Don Quichote gefühlt für Sancho Pansa.
Das Kind liebt einen schlechtgelaunten Gärtner,
Der kaum das Kind beachtet, aber scheut
Vor einem Mann zurück, der dieses Kind
Für sich gewinnen will mit allen Mitteln,
Doch dieser Gärtner ist ein alter Gärtner,
Er war schon immer da, im langen Immer
Der süßen Kinderzeit des kleinen Kindes.
Zuneigung ist die schlichte Form der Liebe,
Die sich nicht wichtig macht, sie ist bescheiden.
„Hausbackene Gesichter lass zu Hause!“
Zuneigung aber ist hausbacken und
Gewöhnlich. Und sie gilt oft solchen Menschen
Mit ganz gewöhnlichen Gesichtern. Nein,
Das zeugt nicht von Geschmack, dass wir sie lieben,
Dass sie uns lieben zeugt nicht von Geschmack.
Zuneigungsliebe wird uns erst bewusst,
Wenn wir den Menschen, ach, verloren haben.
Zuneigung nehmen wir für selbstverständlich.
Die Selbstverständlichkeit, in der Erotik
Ist sie Beleidigung! In der Zuneigung
Ist sie das richtige und angemessne.
Zuneigung wäre nicht Zuneigung mehr,
Wenn einer lauthals sie verkünden würde.
Was die erotische Verliebtheit angeht,
Was wäre sie denn ohne die Zuneigung?
Sie wäre engelhaft! Sie wäre tierisch!
In einem Augenblicke engelhaft
Und über alle Fähigkeit des Menschen
Und in dem nächsten Augenblicke tierisch
Und unter aller Würdigkeit des Menschen.
Auch in erotischer Verliebtheit liegt
Magie in jenen Augenblicken, wo
Der Eros eingerollt liegt in der Ecke
Und wir alltäglich und behaglich sind
Und brauchen Worte nicht noch Zärtlichkeiten,
Nur mit dem Wachs am Kerzendocht zu spielen.
Zuneigung und Erotik, beide neigen
Zum Kinderlallen. Auch die Amseln schwatzen
Zur Brunftzeit in dem Mai wie Amselkinder,
Wie nicht erwachsne Amseln diskutieren.
Verschiedne Zärtlichkeit bleibt Zärtlichkeit,
Und wie der Knabe mit der Amme sprach,
So spricht der Liebende mit der Geliebten.
Die Freunde wählen wir, weil sie so klug sind,
Die Frau des Herzens wegen ihrer Schönheit,
Die Freunde, füreinander wie geschaffen,
Und die Verliebten, auserwählt vom Schicksal!
Zuneigung aber bindet uns an Menschen,
Die wirklich nicht für uns geschaffen sind,
Der Zufall führte sie in unser Leben.
Zuneigung ziert sich nicht, bläht sich nicht auf,
Zuneigung liebt noch selbst das Unscheinbare,
Zuneigung liebt auch, was nicht liebenswert,
Erwartet nicht zuviel, verzeiht die Fehler,
Erholt sich rasch von Zank und Streitigkeiten,
Langmütig, freundlich ist sie, gern verzeihend,
Zuneigung ist wie Heiligkeit der Demut.
Doch Gott ist der Rivale! Gottes Schönheit
Ist schrecklich wie der Schrecken der Medusa,
Die Schlangen in den langen schwarzen Haaren!
Gott kann mir jederzeit die Liebste nehmen!
Gott kann mir jederzeit die Kinder nehmen!
Gott ist der Dieb! Ich leide an dem Diebstahl!

*

Wie schlecht doch die Manieren oft der Eltern
Den Kindern gegenüber! Wenn der Vater
Mit einem andern jungen Mann so reden würde
Wie mit dem ungeliebten Sohn, so wäre
Die Freundschaft gleich vorbei! Unhöflichkeit
Des Vaters ist doch oftmals gar zu garstig,
Der Vater redet stolz von Dingen, die
Er nicht versteht, im Gegensatz zum Sohn,
Er fällt dem Sohn ins Wort und widerspricht
Ihm ins Gesicht und zieht ins Lächerliche
Die Poesie und Religion des Sohnes
Und spottet über seine Freundinnen.
Dann klagt der Vater: Warum kommt der Sohn
Nicht mehr nach Hause? Warum ist er lieber
Bei andern väterlichen Ehrenmännern?
Die Antwort fällt nicht schwer: Wer zieht nicht vor
Wertschätzung der erniedernden Verachtung?
Zwei Brüder denke dir, die in der Kindheit
Gespielt zusammen, Indianer waren
Und auf die selben Bäume kletterten
Und Störtebecker auf der Mordsee spielten,
Briefmarken sammelten und dann es ließen.
Der eine Bruder aber bricht dann aus,
Entdeckt die Poesie, die Religion,
Bekehrte sich zu Christus, und der Glaube
Durchströmt das ganze Leben nun des Bruders.
Der andre Bruder aber bleibt zurück.
Da ist in dem Zurückgebliebnen nur
Die Eifersucht auf Christus und die Kunst,
Den Glauben nennt er religiöses Zeug
Und Poesie erscheint ihm lächerlich.
Es gibt in einer Zivilisation
Und einem Lande, das im Frieden lebt,
Nichts, was so teuflisch ist, wie jene Bosheit,
Mit der die gottvergessene Familie
Sich stürzt auf einen Sohn, der Christ geworden,
Nichts Bösere als eine dumme Sippe,
Die sich auf einen stürzt, der Denker ist.
Sie sagen dann: Man nahm uns unsern Jungen,
Einst war er einer doch von uns, und jetzt?
Wer hat das Recht, uns unsern Sohn zu nehmen?
Er war doch einmal unsres Geistes Kind!
Dann sagen Eltern und dann sagen Brüder:
Die Religion und Liebespoesie
Ist nichts als Unsinn, nichts als dummes Zeug.
Doch einmal angenommen, aber nein,
Das darf nicht sein, doch einmal angenommen,
Es gäbe Christus wirklich und es wäre
Der Sohn und Bruder wirklich ein Poet
Von Gottes Gnaden, wenn er wirklich nun
Ein neues Land betreten, welches wir
Noch nie gesehn! Wie ungerecht ist das!
Und warum grade er, warum nicht wir?
Dann sagen sie: Der naseweise Kerl,
Der neunmalkluge Bursche! Dieser soll
Geheimnisse erkennen, die verschlossen
Den Eltern und der ganzen Sippe sind?
Unglaublich! Darum ist es sicherer,
Zu denken, dass der Glaube Aberglaube
Und dass die Poesie nur Faulheit ist.
Zuneigung einer Mutter, welch ein Glück!

*

Hat eine Seele nun ein Mutterherz
Mit einer Liebe, die sich schenken will,
Doch der Bedürfnis ist das Liebeschenken,
Die braucht ein Kind, das ihre Liebe braucht,
So wisse sie: Das Ziel des Schenkens ist,
Daß der Beschenkte weiterkommt und schließlich
Die Gabe nicht mehr braucht! Wir füttern Kinder,
Damit die Kinder selber essen lernen,
Wir lehren sie, damit sie unsre Lehre
Und unsern Unterricht einst nicht mehr brauchen.
Ein Auftrag lastet auf der Mutterliebe
Und Vaterliebe: Diese arbeite
Auf ihre eigene Abdankung hin!
Du strebe, dass du überflüssig wirst!
So wirst du eines Tages sagen können:
Die lieben Kindlein brauchen mich nicht mehr!
Und das sei dir der Lohn für deine Liebe.


FREUNDSCHAFT


Wenn einer redet von dem heißen Eros,
Dann hören ihm die Leute immer zu.
Ach Eros! Eros wird doch überschätzt!
Ich aber singe jetzt das Lob der Freundschaft.
Nicht Tristan und Isolde singe ich
Und nicht Kleopatra und Mark Anton,
Ich singe jetzto Jonathan und David,
Pylades und Orest in seinem Wahnsinn.
Im Altertum galt ja die Männerfreundschaft
Als allerbeste aller Liebesarten,
Der Tugend Schule und des Lebens Krone.
Schon Aristoteles im Katalog
Der Tugenden lobpreist die Philia
Und Cicero pries Amicitia.
Die Freundschaft ist die unnatürliche,
Die supernaturale Liebesweise,
Nicht von Instinkt geleitet oder Trieb.
Notwendig ist die Männerfreundschaft nicht.
Sie macht den Nerven auch nicht schwer zu schaffen,
Raubt dir den Atem nicht, macht dich nicht bleich.
Zwei Männer also schließen eine Freundschaft
Und grenzen schon sich von der Herde ab.
Der Eros zeugt uns, die Zuneigung pflegt uns,
Wir könnten leben ohne Freundschaft und
Fortpflanzung ohne Freundschaft, das geht auch.
Die Menschheit braucht sie biologisch nicht.
Die supernaturale Qualität
Der Freundschaft ist der Grund, warum die Alten
In der Antike und im Mittelalter
Die Freundschaft priesen, denn ihr Denken war
Asketisch, und Natur und Leib gefürchtet,
Gefährlich für die Seele, und verachtet,
Denn sie erniedrigen des Menschen Seele.
So stand am höchsten jene Liebesart,
Die nicht von der Natur abhing, sogar
Zuwiderhandelte Natur und Trieb.
Zuneigung und Erotik hängen eng
Zusammen mit den Nerven und verbinden
Uns mit den animalischen Geschöpfen.
Ach, Eros rüttelt an den Eingeweiden
Und flattert wie ein Schmetterling im Zwerchfell.
Doch in der Freundschaft, dieser klaren stillen
Vernunftwelt frei gewählter Bindungen,
Lässt man die Eingeweide hinter sich,
Das Zwerchfell und die ganze Nervenkrankheit!
Die Freundschaft unter allen Liebesarten
Macht uns am meisten doch den Göttern ähnlich.
Wir können zwar für eine und die selbe
Person empfinden Freundschaft und Erotik,
Doch Freundschaft und Verliebtheit sind verschieden.
Der Freier redet immer über Liebe,
Die Freunde reden nicht von ihrer Freundschaft.
Der Freier schaut die Vielgeliebte an,
Die Freunde schaun gemeinsam auf den Gott.
Verwandte Seelen sind auf Erden rar!
Die Freundschaft aber ist voll Ähnlichkeit
Mit Gottes Himmel, wo die Seligen
Den Seligen zurufen Sanctus Sanctus,
Je mehr der Seligen im Himmel sind,
Umso glückseliger die Seligen.
Je mehr die Freunde miteinander teilen
Das Brot des Himmels, umso mehr empfängt
Ein jeder Freund in gottgeweihter Freundschaft.
Vielleicht begründet Religion die Freundschaft,
Vielleicht gemeinsam auch das Studium,
Da alle die Studenten Kameraden,
Doch zwei sind oder drei sind unsre Freunde.
Und fragt der Freund den Freund: Sag, liebst du mich?
Bedeutet das: Erkennst du auch die selbe
Geliebte Wahrheit, die auch ich erkenne?
Beschäftigt dich zumindest denn die selbe
Geliebte Wahrheit, die auch mich beschäftigt?
Wer zustimmt, dass die Frage wichtig ist,
Die uns bewegt, nur der kann unser Freund sein,
Die Antwort muss da nicht die selbe sein.
Dann tun die Freunde etwas miteinander,
Arbeiten an dem selben Werke, das
Die Welt noch nicht beachtet, stehen Seite
An Seite, doch die Augen schaun nach oben.

*

Mit einemmal erkennen da zwei Menschen,
Daß beide sie auf dem geheimen Pfad sind.
Verschiedenen Geschlechts, so wird die Freundschaft
Rasch übergehen in Erotik, ach,
Wenn nicht schon einer einen andern liebt.
Verliebtheit aber kann zu Freundschaft werden,
Doch Freundschaft und Verliebtheit sind verschieden.
Wenn einer erst dein Freund war, dann verliebt ist,
Den Eros teilt man doch mit keinem Dritten!
Doch Freundschaft lässt sich unter viele teilen.
Wenn aber Freundschaft und Verliebtheit können
Bei einem Menschenpaar koexistieren,
Wird deutlich, dass auch Freundschaft Liebe ist,
Daß Freundesliebe groß wie Eros ist.

*

Ich sehe einen Freund und eine Freundin,
Wie sie erschrecken bei des andern Anblick.
Die Herrlichkeit, die einer sah am andern,
Die schaute jeder an sich selber nicht.
Der Freund nun achtete die Freundin höher
Als er in seinen Augen selbst sich sah,
Die Freundin höher achtete den Freund,
Als sie in ihren Augen selbst sich sah.
Da sprach der Freund zu seiner schönen Freundin:
Du bist so schön, viel schöner doch als ich!
Da sprach die Freundin zu dem weisen Freund:
Freund, du bist weise, weiser doch als ich!
Denn Freund und Freundin hatten einst gebadet
In einem Wasserbad der Neugeburt
Und sich gehüllt in lichte weiße Stoffe
Und sich gesalbt mit besten Salbungsölen.
Die Freundschaft ist das Werkzeug, mit dem Gott
Dir eines Andern Schönheit offenbart.
Die Freundschaft ist nicht extraordinär,
Zehntausend Menschen sind genauso schön,
Doch in der Freundschaft öffnet Gott die Augen
Dem einen für die ganz bestimmte Schönheit,
Nur für die Schönheit dieser einen Freundin.
Wie jede Schönheit stammt der Freundin Schönheit
Von Gott, und in der guten Freundschaft wird
Von Gott erhöht die Freundschaft und die Schönheit.
Gott braucht die Freundschaft also als ein Werkzeug
Des Schöpferischen und des Offenbarens.
Gott selber hat beim Fest den Tisch bereitet
Und lädt den Freund und seine Freundin ein,
Der Lachenliebende, der Gott der Freundschaft!


EROS


Es ist doch der Erotiker am Anfang
Von der geliebten Frau ganz eingenommen
Auf allgemeine, unbestimmte Weise.
Ein Mann in diesem Zustand kann nicht denken
An Sex, er ist zu sehr damit beschäftigt,
An die Person zu denken, die er liebt.
Daß sie ein Weib ist, das ist nicht so wichtig,
Daß sie sie selber ist, nur das ist wichtig.
Zwar ist er voll Verlangen, aber dies
Verlangen muss kein sexuelles sein.
Er will nur immer, immer an die denken,
Versunken in Betrachtung der Geliebten.
Doch Eros überwältigt diesen Mann
Wie ein Eroberer und reißt die Herrschaft
Gewaltsam an sich, regelt neu das Land,
Das er besiegt, und stiftet sein Gesetz,
Und viele Burgen hat er schon beschlagnahmt,
Bis er zuletzt den Sexus auch erreicht.
Nun ordnet Eros neu das Reich des Sexus.
Wenn Eros in dem Manne wirkt Verlangen,
So nicht nach irgendeiner Frau, vielmehr
Allein nach dieser ganz bestimmten Frau.
Denn der Erotiker verlangt allein
Nach der Geliebten, nicht nur nach der Lust,
Die sie ihm spenden könnte. Kein Verliebter
Hat je sich eine Herzensfrau erwählt
Mit der Berechnung, dass geschickter sie
In Liebeskünsten, mehr der Lust verschafft.
Wer so berechnet, der ist nicht verliebt.
Doch der Erotiker, wenn man ihn fragt,
Ob jene Frau, die er von Herzen liebt,
Auch sei die Meisterin der Liebeskünste
Und Himmelswollust zu verschaffen wüsste,
Sagt der Erotiker: Gewiss, gewiss!
Wenn der Erotiker die Dame liebt,
So hat er sie zum Fressen gern, so sagt er.
Er denkt sich selbst und sie als reine Engel,
Er denkt, dass ihre Leiber seien Licht,
Daß sie sich körperlich nicht nur umarmen,
Daß sie vielmehr wie Lichter sich durchdringen.
Denn so sagt der Erotiker zur Frau:
Ob ich dich liebe? Ach, ich bin ja du!

*

Mit Paulus aber warn ich vor der Ehe.
Man nimmt einander zu sehr in Beschlag
Und ständig will einander man gefallen
Und Rücksicht nehmen aufeinander und
Der Hausstand lenkt auf manche Weise ab.
Die Ehe kann uns hindern, Gott zu dienen,
Die Ehe selbst, nicht nur das Ehebett.
Recht hat doch der Apostel Paulus. Sorgen
Der Welt, die ganz prosaischen Belange
Des Alltags halten uns am meisten ab,
Die Fliegenschwärme von banalen Sorgen,
Entscheidung für den nächsten Augenblick,
Das stört Gebet doch mehr als Leidenschaft
Und Lust. Denn die Versuchung einer Ehe
Ist nicht die Sinnlichkeit, es ist die Habsucht.
Gewiss neigt der Erotiker dazu,
Besessen von der Lieblingin zu sein,
Ganz in Beschlag genommen von der Frau,
Und das kann sein Gebet behindern, aber
Das Hindernis ist nicht die Sinnlichkeit,
Vielmehr, dass die Geliebte zum Idol wird!

*

Wie aber stehen wir zu unserm Leib?
Sind wir Platoniker und sehn den Leib
Als Kerker oder Grab der Seele an,
Ist uns der Körper nur ein Sack voll Kot,
Der Würmer Nahrung, schmutzig und beschämend,
Nur eine Quelle von Versuchungen
Für Sünder und nur eine Quelle von
Demütigungen für die frommen Seelen?
Sind wir wie neue Heiden und Nudisten
Und leiden an dem dunklen Gott des Blutes
Und preisen den élan vital und preisen
Den nackten Leib als eine Götterwonne?
Sind wir denn Katholiken wie Franziskus
Und nennen unsern Körper Bruder Esel?
Kein Mensch verehrt doch einen Esel und
Kein Mensch hasst einen Esel. Er ist kräftig
Und nützlich, faul und widerspenstig und
Geduldig, liebenswert und reizt zur Wut,
Verdient die Rübe bald und bald den Stock,
Auf rührend und groteske Weise schön.
Nun, Bruder Esel, Schwester Eselin,
Wir sind in diesem Leben in der Rolle
Des Harlekins, der seine Schläge kriegt,
Der Colombine, die geohrfeigt wird!

*

Die Sehnsucht, ach, nach der Vereinigung,
Die nur im Fleische möglich ist, wo aber
Das Fleisch, die Körper, die als zwei getrennt sind,
Doch je und je unmöglich macht die Einung,
Die Sehnsucht kann ein metaphysisches
Und unerträglich großes Maß annehmen.
Verliebtheit kann uns wie der Kummer Tränen
In unsre offnen Augenquellen treiben.
Doch Venus kommt nicht immer wie ein Panther!
Grad, weil sie manchmal wie ein Panther auftritt,
Tun wir doch gut daran, ihr gegenüber
Verspielt zu bleiben wie ein kleines Kind.
Wo die Natur als Göttlichkeit daherkommt,
Da warten die Dämonen um die Ecke.
Doch im Geschlecht ist auch ein Sakrament,
Ein Zeugungssakrament des Heidentums.
Im Liebesakt sind wir nicht bloß wir selbst,
Wir sind auch Stellvertreter der Natur.
Uralte, überpersonale Mächte
Durchströmen uns, das Ewigweibliche
Und ebenso das Ewigmännliche.
Hier trifft sich die Potenz und die Empfängnis,
Hier trifft sich Schöpfertum und Ganzhingabe.
Der Mann ist wie der Vater Uranos,
Die Frau ist Gäa mit den breiten Brüsten.
Er ist die Form, sie die Materia.
Sie spielen Gott und Göttin auf der Hochzeit.

*

Doch Eros, wehe! Eros sucht nicht Glück!
Erprobe Eros, und du wirst es finden,
Daß Eros nichts am Glück gelegen ist!
Beweise dem Erotiker, die Frau,
Die er von Herzen liebt, sei all sein Unglück,
Er wird es dir nicht glauben, oder doch,
Doch wenn er dir es glaubt, es ändert nichts:
Ist die geliebte Frau mein Unglück, nun,
Von ganzem Herzen liebe ich mein Unglück!
Und zeigt ihm wer, der Eros nicht versteht,
Ein andres Weib, das könnt ihn glücklich machen,
An jenem Weib ist ihm gelegen nichts,
Er liebt die Eine nur, ihm Herrin Unglück!
Und sagt ihm ein Vernünftiger: Zehn Jahre,
Dann wird der Eros eingeschlafen sein,
Die Zeit wird alle deine Wunden heilen,
So sagt nur der Erotiker: Für immer
Auf dieser Erde bluten meine Wunden,
Verspritze ich mein Blut für die Geliebte!
Ah, besser immerwährend dieser Jammer,
Als Erdenglück, doch ohne die Geliebte!
Und bricht mein Herz auch bis zur Todesstunde –
Wenn Gott sie mir im Paradiese schenkt!

*

Wenn Eros ohne Gottesliebe lebt,
Hassliebe bindet dann die Ehepartner,
Zwei Folterer, vereinigt gnadenlos,
Hassliebe spritzt ihr Schlangengift in sie,
Misshandelt wird das Weib, geplagt der Kerl,
Der Ehemann ist voller Gier im Nehmen,
Die Ehegattin geizig ist im Geben,
Misstrauisch ist das Weib und eifersüchtig,
Nachtragend, um die Oberherrschaft kämpfend,
Entschlossen ist die Ehefrau zur Freiheit,
Dem Ehegatten nicht die Freiheit lassend.
Man lese nur in dem Roman von Anna
Karenina. Das gibt es auch in Deutschland.
Der Schwur, sich gegenseitig aufzufressen,
Wird Fakt in solcher Kannibalen-Ehe!


CARITAS DIVINA


Die Liebesart und –weise der Natur
Wird nicht herabgesetzt, wenn einer sagt,
Vernunft und Anstand sollen sie regieren.
Man denkt doch nicht gering von einem Garten,
Wenn man bekundet, dass er seinen Zaun
Nicht selber aufstellt und das Unkraut nicht
Ausjätet selbst und seinen Obstbaum nicht
Beschneidet selbst, nicht selbst den Rasen mäht.
Ein Garten ist ein Gut, doch diese Tugend
Geht leider einem fruchtbarn Garten ab.
Er bleibt nur dann ein Garten und nicht Wildnis,
Wenn einer alle diese Arbeit tut.
Des Gartens wahre Größe ist doch anders.
Weil er gejätet und beschnitten wird,
Das zeugt von seiner Größe, ja, er strotzt
Von Lebenskraft, in allen Farben leuchtend
Ist er, und duftend ist der Frühlingshimmel
Und bringt zu jeder Zeit hervor die Schönheit,
Die nie ein Mensch erschaffen kann, auch nur
Ersinnen könnt. Der Unterschied jedoch
Von Garten und von Gärtner ist doch klar.
Denk dir nur allgemeines grünes Kraut
Und dann des Gärtners Werkzeug, Spaten, Harke.
Da ist der Garten voller Kraft und Schönheit
Und Fruchtbarkeit. Des Gärtners Werkzeug ist
Ein totes Ding. So Anstand und Vernunft
Sind im Vergleich zur Feuersglut der Liebe.
Und wenn der Garten steht in voller Blüte,
So ist des Gärtners Beitrag nur gering,
Verglichen mit der Pracht der Fruchtbarkeit.
Wenn Leben nicht aus Mutter Erde sprießt
Und Regen, Licht und Glut vom Himmel kommen,
So kann der Gärtner nichts im Garten tun.
Nachhelfen kann er hier, beschneiden dort,
Doch Kraft und Schönheit haben andre Quellen.
Des Gärtners Anteil ist doch klein und mühsam.
Als Gott den Garten angelegt,
Da setzte er den Menschensohn darüber,
Auf dass der Mensch beherrsche diesen Garten,
Der Menschensohn, der Gott nur unterstand.
Als Gott den Garten angelegt der Menschheit,
Da setzte er des Menschen Willen ein.
Nun wachsen Blüten, Früchte unsrer Liebe,
Der Wille aber pflegt die Blüten, Früchte.
Der Wille ist allein nur kalt und trocken.
Wenn Gottes Gnade nicht auf uns herabkommt
Wie Sonnenschein und Regen, nützt das Werkzeug
Des Willens uns nur wenig. Seine Mühen
Sind unerlässlich. Nötig waren sie
Schon, als der Garten paradiesisch war,
Vielmehr noch jetzt, da sauer ist die Erde,
Da Disteln wachsen, Dornen ohne Rosen!

*

In Worten, die den Leser weinen machen,
Beschreibt Sankt Augustin die Traurigkeit,
Trostlosigkeit beim Tode seines Freundes.
Dann zieht er die Moral aus diesem Tod:
Häng du dein Herz an nichts als Gott allein!
Die Menschen sind vergänglich allesamt.
Häng du dein Glück der Seele nicht an etwas,
Was du verlieren kannst. Soll Liebe Segen
Und Freude sein, und nicht nur Qual um Qual,
So halt dich an den einzigen Geliebten,
Des Liebe immerwährend ist und ewig!

*

Doch Liebe heißt, verletzlich sein. Die Liebe!
Wen immer du auch liebst, es wird bestimmt
Dir sehr zu Herzen gehen und vielleicht
Das Herz dir brechen! Willst du sicher sein,
Daß deinem Herzen niemand Schmerz zufügt,
Verschenk dein Herz und deine Liebe keinem.
Doch selbst die wildeste Maßlosigkeit
Der Liebe ist dem Herrgott angenehmer
Als kalter Selbstschutz durch Lieblosigkeit.
Wir sollen Gott uns nähern, aber nicht
Ausweichen einem Leiden an der Liebe,
Vielmehr das Leiden an der Liebe opfern
Als Anteilhabe an des Herrn Passion!
Denn muss gebrochen werden unser Herz,
Wie Christi Herz gebrochen werden musste,
Wählt Christus diesen Weg der Liebesschmerzen,
Um unser Herz zu brechen, wohl! Es sei!

*

Ja, Gott ist Liebe! Das ist Gottes Liebe,
Das Gott zuerst uns liebt! Du fang nicht an
Mit Mystik, die zur Liebe sich erhebt,
Wo ein Geschöpf zu Gottes Liebe steigt,
Nein, sondern erst erkenne, dass Gott liebt,
Wie Gott dich liebt! Urliebe Gottes ist
Die unerschöpfte Liebe, die sich schenkt,
Sich hingibt! Denn in Gott ist kein Begehren,
Kein Hunger, kein Bedürfnis nach der Liebe,
Gott ist kein Gott, den Menschen stillen müssen.
Gott ist die große Liebe, die uns liebt,
Die Liebe, die sich hingibt und verströmt!

*

Die Liebe Gottes schenkt dir eine Liebe,
Dass du zu einem wirst, der liebt und schenkt,
Der liebeschenkend kommt zu seinem Gott.
Doch Gott gehört ja alles, was du hast,
Was also willst du schenken deinem Gott?
Willst deinem Gott du deine Liebe schenken,
So schenk dich selbst, dein Herz und deinen Willen,
Gib deine Freiheit hin der Freiheit Gottes!
Und willst du Gott dann noch mehr Liebe schenken,
So geh ins Hospital, besuche Kranke,
So halte Sterbenden die Hände und
Begrabe Tote, tröste Waisenkinder
Und steh den Witwen bei mit Trost und Rat
Und gib den Bettlern deinen letzten Groschen.
Dann in den Kranken und den Sterbenden
Und in den Waisenkindern voller Trauer
Und in dem Bettler dir begegnet Christus.
Was ihr den allerkleinsten meiner Brüder
Getan habt, habt ihr mir getan, dem Herrn,
Geht ein zu eures Herrn und Meisters Freude!

*

Gott gibt dir eine Liebe, die bedürftig
Und bettelnd ist und hilflos wie ein Kind.
Von Gott allein erwarte alle Liebe,
Dann bist du fähig, Jesus anzubeten.
Du brauchst nicht selbstlos vor dem Herrn zu sein,
Sei wie ein Kind bedürftig, sei ganz arm.
Nichts hast du aus dir selber, Gott ist Alles,
Du bist ein Nichts, und Gott allein ist Liebe!
Gott ist ein Fluß, der sich sein Flussbett schafft,
Gott ist ein Wein, der sich den Becher schafft,
Gott ist die Liebe, die sich schenken will
Und lässt dich arm sein wie ein kleines Kind,
Daß Gott dir schenken kann der Liebe Fülle!
Gott schenkt dir einen Durst nach Mutterliebe,
Daß Gottes Brust dich stillen kann mit Liebe!