Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

TANNHÄUSER



Eine Oper
Von Josef Maria Mayer



ERSTER AKT

ERSTE SZENE


(Südfrankreich. Grotte mit Quelle. Umher Weinberge. In der Grotte auf einem breiten roten Samtbett mit vielen Kissen die Venus und in ihren Armen Tannhäuser. Turteltauben gurren.)

VENUS
Wohin ist alle Welt? Verschwunden ist die Erde!
TANNHÄUSER
Und nicht als Hirte mehr ich weide meine Herde!
VENUS
Groß wie das Weltenall ist unsre Einsamkeit.
TANNHÄUSER
Doch diese Einsamkeit ist unsre Zweisamkeit.
VENUS
Wir liegen Arm in Arm, wir beiden Weltentrückten.
TANNHÄUSER
Mag reden alle Welt von Narren und Verrückten.
VENUS
Im All sind wir allein, Zweieinheit in dem All.
TANNHÄUSER
Im Rosenkelche ruht und trinkt die Nachtigall.
VENUS
Ich bade meinen Leib in Sonnenlicht und Mondschein.
TANNHÄUSER
Ich bade meinen Geist in deiner Lippen Rotwein.
VENUS
Hier schmäht uns keiner mehr für unsre Himmelslust.
TANNHÄUSER
Wie selig unbewusst ich ruh an deiner Brust!
VENUS
Die Götter stören nicht, hier schweigen selbst die Musen.
TANNHÄUSER
Ich trink der Liebe Milch aus deinem Taubenbusen.
VENUS
Hier lacht kein Philosoph und schmäht der Liebe Leib.
TANNHÄUSER
Der Mann vollkommen ist, vollkommen ist das Weib.
VENUS
Gedanken schweigen still, wir lächeln leise selig.
TANNHÄUSER
So still ist mein Gemüt, so heiter doch und fröhlich.
VENUS
Die Liebe ist allein die Seligmacherin.
TANNHÄUSER
Ich glaube, dass ich schon im Paradiese bin!
VENUS
Und mehr und immer mehr genieß ich deine Küsse.
TANNHÄUSER
Es ist Elysium voll trunkener Genüsse.
VENUS
Die Liebe ist wie Milch und Wabenhonig süß.
TANNHÄUSER
Dein lieber lichter Leib ist all mein Paradies!
VENUS
Die wir auf Erden schon wie Himmelsgeister leben...
TANNHÄUSER
Dein Busen fruchtbar ist und prall wie trunkne Reben!
VENUS
Im Weinberg ruhen wir, die Sonne lächelt mild.
TANNHÄUSER
Es ist Elysium dies selige Gefild.
VENUS
Mein lieber Leib sich hüllt in nichts als Licht der Sonne.
TANNHÄUSER
Dein Antlitz heiter schön ist meines Lebens Wonne.
VENUS
In meine Augen schau nur Einen Augenblick.
TANNHÄUSER
Ich seh den Ozean der Liebe voller Glück.
VENUS
Ah, diese Wonne wird in Ewigkeit nicht enden!
TANNHÄUSER
Aus deiner Augen Blau die lichten Blitze blenden!
VENUS
Mein Mann und mein Gemahl! Mein Liebling und mein Kind!
TANNHÄUSER
Geblendet, Göttliche, ich bin geblendet, blind!
Ich kann die Augen jetzt nicht mehr an Venus weiden,
Jetzt muß ich in die Welt und leiden, leiden, leiden!
Geblendet von dem Licht der Gottheit, deinem Glanz,
Ist um mich dunkle Nacht! Ich seh den Dornenkranz!
Nein, deine Schönheit kann man nicht in Marmor meißeln.
Ich aber dürste jetzt nach Schlägen, Peitschen, Geißeln!
Nicht schmecken darf ich jetzt mehr deines Leibes Brot.
Komm jetzt, Martyrium, komm, Sühneopfertod!
VENUS
Du gehst jetzt in die Welt, zu stillen dein Begehren
Nach Martern? Doch du wirst zu Venus wiederkehren!
(Tannhäuser wirft sich einen Purpurmantel um und verlässt die Grotte der Venus.)


ZWEITE SZENE


(Mittelalterliches Deutschland, also das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Um den Fluch der Pestratten abzuwehren, ziehen Flagellanten in einer Buß-Prozession durch die kotigen Gossen.)

PRIESTER
O Herr, uns plagt der Tod, der Schwarze Tod, die Pest,
Der Roma deutsches Reich ward ganz zum Rattennest,
Wo Seuchen überall und böse Geister lungern,
Die Krankheit ist zum Tod, die Armen Gottes hungern,
Uns plagt die Teuerung, wir fürchten uns vorm Sieg
Des Antichristen, der uns überzieht mit Krieg.
FLAGELLANTEN
Maria, Königin uns Elenden und Armen,
Schenk uns dein Mutterherz voll herzlichem Erbarmen!
PRIESTER
Die Sünde klagt uns an, wir selber sind die Sünder,
Zu Huren gingen wir und schändeten die Kinder!
Zur Hure Babylon die Kirche wurde fast,
Der Papst in Avignon ist bei den Sündern Gast.
Wir, die wir ein Idol aus Felsenherzen meißeln,
Wir unsern armen Herrn und Heiland wieder geißeln,
Mit Peitschen peitschen wir den armen Gottessohn,
Indem wir frevelhaft begehn die Kommunion.
Des Krieges Opfer schrein mit schriller Stimme Gellen,
Die Mönche gleichen gar den Homosexuellen,
Wie Heiden leben wir und heißen Christen doch
Und gehen Belial und Beelzebul im Joch!
FLAGELLANTEN
Maria, Königin uns Elenden und Armen,
Schenk uns dein Mutterherz voll herzlichem Erbarmen!
PRIESTER
Doch Gottes Kelch ist voll, jetzt überfließt der Born
Des Grimmes Gottes, Gott schenkt Wein uns ein im Zorn,
Die bittre Hefe noch wir lecken, trunkne Zecher,
Wenn Gott zerschlägt den Kelch, zu Scherben schmeißt den Becher,
Der Donner donnert laut, Gottvaters Donnerstimm’
Zutiefst erschreckt die Welt, Gott zürnt in seinem Grimm!
FLAGELLANTEN
Maria, Königin uns Elenden und Armen,
Schenk uns dein Mutterherz voll herzlichem Erbarmen!
PRIESTER
Herr Jesus steht jetzt auf, in seiner Rechten hält
Der Totenrichter jetzt und starke Gottesheld
Den Bogen Gottes und des Gotteszornes Pfeile!
Sein Pfeil, das ist die Pest! Wir wichen ab vom Heile
Und leiden Strafe jetzt, wenn Gott der Herr sich rächt,
Des Herrn Gerechtigkeit im Zorn uns tödlich schwächt!
FLAGELLANTEN
Maria, Königin uns Elenden und Armen,
Schenk uns dein Mutterherz voll herzlichem Erbarmen!
PRIESTER
Die Sünden sühnen wir und gehn den Weg der Buß’,
Wir grüßen Unsre Frau mit ehrfurchtsvollem Gruß,
Die Schönste aller Fraun vom weiblichen Geschlechte!
Im Zorn erhoben ist noch Jesu Christi Rechte,
Doch Unsre Liebe Frau hält Gottes rechten Arm
Zurück durch ihr Gebet voll liebevollem Charme!
Wenn Jesus Christus zürnt, der Herr zürnt seinen Schafen,
Wenn Gott der Richter kommt, die Sündenwelt zu strafen,
Dann bittet Unsre Frau für uns um Gottes Huld,
Des Herrn Barmherzigkeit mit aller unsrer Schuld,
Erbittet uns Verzeihn für unsern Sündenwandel
Und deckt die Christenheit mit ihrem Sternenmantel.
Sie hält allein zurück des Herrn Gerechtigkeit
Durch ihre Frauenhuld, der Frau Barmherzigkeit!
FLAGELLANTEN
Maria, Königin uns Elenden und Armen,
Schenk uns dein Mutterherz voll herzlichem Erbarmen!
PRIESTER
Wenn an dem Jüngsten Tag einst an dem Weltgericht
Gottvater ernst verhüllt sein lichtes Angesicht
Und schaut zum Gottessohn, ob Gnade wir gefunden
Bei Jesus unserm Herrn, dann sehn wir seine Wunden,
Die wir verursacht selbst durch alle unsre Schuld.
Wird Jesus haben dann mit unsrer Schuld Geduld?
Doch Hoffnung haben wir, wir orthodoxen Christen,
Denn dann wird Unsre Frau stehn mit entblößten Brüsten
Und sagen zu dem Sohn: O Jesus, Seelengast,
Schau diese nackte Brust, dran du gesogen hast,
Der du als Menschensohn gesogen an dem Busen,
Erbarme dich der Welt, der wirren und konfusen,
Bei meiner Milch, o Sohn, erbarme dich der Welt!
So kommt der Christenmensch doch noch ins Himmelszelt.
FLAGELLANTEN
Maria, Königin uns Elenden und Armen,
Schenk uns dein Mutterherz voll herzlichem Erbarmen!
(Stille.)
TANNHÄUSER
Gott schuf das Chaos erst, das ungestalte Meer,
Das Universum schuf dann herrlich Gott der Herr,
Gott schuf dann die Natur, Gott schuf die Menschenaffen,
Gott schuf den ersten Mann, das Urbild aller Pfaffen,
Der Schöpfung Krone schuf dann Gott der Schöpfer, schau,
Da war es wirklich gut, als Gott erschuf die Frau,
Gott sprach: Es ist sehr gut! Und in des Himmels Hafen
Zufrieden ging der Herr mit seiner Weisheit schlafen.


DRITTE SZENE


(In einer Burg in Deutschland. Zwei Minnesänger nehmen Tannhäuser in ihren parnassischen Orden auf.)

ERSTER MINNESÄNGER
Oh, die Prinzessin, oh! Als ich zuerst gesehn
Die wunderschöne Maid, wie Gottes Tochter schön,
Schien sie mir unbefleckt und rein wie eine Göttin,
Ganz reiner Geist zu sein, wie Gottes eigne Gattin!
An ihrer Stirne sah ein Zeichen, ohne Spott,
Ich strahlend klar und licht, da schaute ich den Gott,
Den Gott der Liebe sah ich licht auf ihrer Stirne!
Ich schämte mich: Ich war verliebt in eine Dirne,
Der niedern Minne Lust, gemeine Fleischeslust
Genoss ich Sünder einst an einer Dirne Brust.
Jetzt aber kam die Maid, die geistig-reine, keusche,
Ich schämte mich der Lust, der Sinnlichkeit im Fleische.
Wer wird je würdig sein, dass er die Jungfrau preist?
Sie ist ein Engel rein, ein makelloser Geist.
Fort mit der Sinnlichkeit und mit den Konkubinen,
Urania allein im reinen Geist zu dienen,
Urania allein zu singen Lob und Preis!
Mein Platon steht mir bei, der von der Liebe weiß,
Die Himmlische allein, die Heilige und Reine
Ist rühmenswert und nicht die Irdische, Gemeine.
Vergeistigt will ich sein und werden ohne Spott
Durch meiner Göttin Gunst ein junger schöner Gott
Und in Elysium lustwandeln, trotz der Spötter,
Die Göttin und ihr Gott, glückselig wie die Götter!
ZWEITER MINNESÄNGER
Als meines Herzens Herz und Geistesaugen sahn
Den Christus jung und wild, da schien er mir der Wahn,
War Magdalena ihm Geliebte, war die pure
Hetäre, Sünderin und ewigliche Hure!
Die Hure und der Wahn, der Gott und seine Braut,
So in der Jugend hab ich Christus angeschaut.
Doch eines Tages sah ich die Prinzessin, siehe,
Sie war der Morgenstern der rosa Morgenfrühe,
Sie war so makellos, ein reiner Himmelsschein,
Sie war die Weiße Frau, die Schöne Dame rein,
Sie war so ohne Fleck und Fehl und ohne Mängel,
Kein Mensch mehr, sondern ein geoffenbarter Engel,
Nicht irgendeine Frau – die Ewigliche Sie,
Ein Engel, der erschien vom Stern der Phantasie,
Ein Engel war fortan für mich die Schöne Dame
Und Engel war fortan für mich des Gottes Name.
TANNHÄUSER
Ich sah in einem Bild die Hure Babylon,
Ich sah im Dasein sie, ich, Gottes Lieblingssohn,
Auf einem Löwen ritt die wilde nackte Hure,
Die Göttin aller Lust und Wollust, ja die pure
Hetäre, offenbar war ihre bloße Brust,
Der Löwe, den sie ritt, der Löwe war die Lust,
Die Haarflut wallte lang auf ihre großen Brüste,
Der Inbegriff der Lust, die Spenderin der Lüste,
Sie hielt in ihrer Hand den Kelch mit Zypernwein,
Gewürzt mit Nelken und von blutigrotem Schein,
Den Wein der Hurerei sie schenkte in den Becher,
Lustknaben waren da betrunken ihre Zecher,
Auf sieben Hügeln sie als wilde Wölfin lag,
Blutrünstig sah ich sie an ihrem Jubeltag
Die Lippen lecken sich, besoffen von dem Blute
Der Heiligen des Herrn, die sie im Übermute
Geschlachtet am Altar der Götzenhurerei,
Die Heiligen des Herrn mit einem lauten Schrei
Noch segneten mit Gott die Hure aller Huren
Und triumphierend dann in Gottes Himmel fuhren!
Dann habe ich im Geist die reine Maid geschaut,
Die Nymphe Gottes sie, des Lammes Jungfrau-Braut,
Jerusalem, die Maid, die Heilige und Reine,
Erschien im weißen Kleid, im goldnen Glorienscheine,
Jungfräulich rein und keusch, im weißen Linnen sie,
Umtönt vom Engelchor, der Sphären Harmonie,
Vom Himmel kam herab die Heilige und Reine,
Von Jaspis, Jade und von manchem Edelsteine,
Saphir und Onyx und von Lapislazuli,
Türkis und Malachit geschmückt die reinste Sie,
Mit Tränenperlen war geschmückt der Jungfrau Krone,
Von Elfenbein gebaut der Thron, sie saß in ihrem Throne,
Im Thron von Elfenbein zu sehen Gottes Lamm,
Gott Ja und Amen als der Jungfrau Bräutigam!
ERSTER MINNESÄNGER
Ja, die Prinzessin ists! Die Ewigliche Schöne!
Mit deinem Minnesang du die Prinzessin kröne!
ZWEITER MINNESÄNGER
Ja, die Prinzessin hat als Engel offenbart
Dir die Vision von Gott, die reine Jungfrau zart.
TANNHÄUSER
Wenn die Prinzessin ihr verehrt als Frau der Frauen,
Will die Prinzessin ich in ihrem Leibe schauen!
Ist sie ein Geist allein? Lebt sie im lichten Leib?
Ach, die Prinzessin muß wohl sein ein Überweib!


ZWEITER AKT


ERSTE SZENE

(Die Prinzessin vor ihrem Spiegel.)

PRINZESSIN
Ihr Minnesänger all, ihr liebt ja nicht die Frauen,
Ihr wollt Ideen nur in eurer Seele schauen!
Der Minnesänger singt, was er im Innern sah,
Die eigne Seele schaut er, seine Anima.
Er schaut Ikonen an und wunderbare Tücher
Und träumt von Musen, Feen. Die Damen seiner Bücher
Umtanzen seinen Geist, da schaut er ideal
Der Schönheit Ur-Idee aus dem Ideensaal.
Pandora ist es wohl! Athene gab ihr Weisheit
Und Aphrodite Charme, charmanten Lächelns Leisheit,
Und Hera gab den Arm, den lilienweißen Arm,
Und Kybele die Brust! O dass sich Gott erbarm,
Pandora soll ich sein und die Idee der Frauen!
Was alles ein Poet in einer Frau will schauen!
Das aber bin ich nicht, bin nicht Maria mild
Und Aphrodite schön, ich bin kein Marmorbild.
Wer aber liebt mich selbst in meinem eignen Wesen?
In keinem Minnelied hab ich bisher gelesen,
Was selber ich gefühlt und wie ich selber bin,
Kein Minnesänger weiß von meinem innern Sinn.
Wer also liebt mich selbst? Ihr Neider, werdet gelber!
Ich liebe mich allein, ich lieb mich eben selber!
Gewiss, es schmeichelt mir, die Schönste aller Fraun
Zu sein im Minnesang, die Sulamithin braun,
Die Venus Hesiods, Athene des Homeros,
Wenn ich das Ideal von Weisheit und von Eros,
Wenn, Magdalena ich, anbete vor dem Kreuz,
Zugleich die Venus bin, der Inbegriff von Reiz,
Ich Feenkönigin, ich Zauberin Morgana,
Mondgöttin keusch und weiß, die himmlische Diana,
Die Himmelsliebe selbst bin ich, Urania,
Die Schönste aller Fraun, die schöne Helena,
Von Tyrus Helena und Helena von Sparta,
Mal Magdalena bin und mal die Schwester Martha,
Wenn angebetet ich wie Hagia Sophia,
Das Frauenideal wie Unsre Frau Maria,
Das schmeichelt mir, gewiss. Doch weiß ich, der Poet
In Eros Flammen stets im Fegefeuer steht,
Er tut so fromm und keusch, doch will er mit mir schlafen,
Er will doch eigentlich nur in den Ehehafen,
Ob er jungfräulich auch im Zölibate keusch
Lebt wie ein Engelsgeist, doch stärker ist das Fleisch,
Doch stärker ist der Trieb, die Sinnlichkeit der Sinne,
Er möcht zu gern von mir im Gras die niedre Minne!
Und wenn nun predigt gar der Minner und Poet
Und spielt den großen Geist, begeistert als Prophet
Von Gottesliebe spricht und von der Nächstenliebe,
Wenn er von Liebe spricht, dann reimt er immer Triebe!
Ach, Gott zu lieben und den Nächsten, was ist das?
Das kommt von ganz allein, bei Göttin Veritas,
Das kommt von ganz allein, wenn ich mich selber liebe!
Ihr Minnesänger seid begierig Herzensdiebe,
Ich aber schenk mein Herz nicht einem Minner hin,
Weil ich nicht Hälfte nur, ein halber Apfel bin,
Der ganz erst wird und heil durch eines Mannes Gnade.
Nein, ich bin nicht geschnitzt aus eines Mannes Wade!
Ich bin ein Teil von Gott, ich bin von Gott ein Stück!
In meinem eignen Selbst wohnt ganz allein mein Glück!
Lieb ich mich selber nicht, wie soll ich Gott dann lieben,
Lieb ich mich selber nicht, so steht es doch geschrieben,
Wie soll ich lieben dann den Nächsten wie mich selbst?
Zwar sterben muß mein Ich, dann lebt mein Wahres Selbst,
Mein Wahres Selbst jedoch ist Gottheit, Mensch geworden!
Was soll ich denn als Frau in eurem Männerorden?
Ich bin ein Stück von Gott, bin Gottheit inkarniert!
Ihr aber gebt euch hin, dass ihr euch selbst verliert!
Hingebt ihr euer Herz, wollt euer Herz mir schenken,
Wollt euer Liebesherz tief in mein Herz versenken,
Laß sterben euer Herz, auf dass es aufersteht
In meiner Lust an euch! Drum jammert der Poet:
Sie liebt mich nicht, ach sie ist Mörderin und mordet
Mein ganzes Lebensglück! Von Jammer überbordet
Wird krank dann der Poet, gerät in irren Wahn,
Zum Selbstmord schleicht sein Geist auf kranken Wahnsinns Bahn
Und wenn er dann sich selbst gemordet mit dem Messer,
Dann sage ich mir selbst: Ich aber mach es besser!
Wo ist ein Menschengeist, der mich zutiefst versteht,
Ein Geist, der mich erfreut, ein Freund, der mit mir geht,
Ein Hoherpriester, der verzeiht mir alle Sünden,
Und ein Prophet, der nicht mein Fehlen will verkünden,
Wo eine Mutter, die mich tröstet in dem Schmerz,
Wo eine Liebe, wo, die ganz erfüllt mein Herz?
Das alles ist mein Selbst! Ja, allen den Betrübten
Sagt jetzt mein Wahres Selbst: Allein die Selbst-Verliebten
Im Orden ihres Ichs glückselig sind allein!
Ich bleib mit meinem Selbst in Einsamkeit allein!


ZWEITE SZENE


(Die Prinzessin in ihrem Rosengarten. Tannhäuser kniet vor ihr.)

TANNHÄUSER
Je vous salue, Marie! – Prinzessin, meine Liebe!
PRINZESSIN
Ja, ja, ich weiß, Poet: Der Mächtigste der Triebe!
TANNHÄUSER
Du bist so wunderschön! Allmächtig ist dein Reiz!
PRINZESSIN
Gleich sagt du noch, Poet, ich schlüge dich ans Kreuz!
TANNHÄUSER
All meines Lebens Sinn, mein Atem, meine Seele!
PRINZESSIN
Wann schenkst du wieder mir von Goldschmuck und Juwele?
TANNHÄSUER
Anbetung fühle ich, ich knie vor meinem Gott!
PRINZESSIN
Und morgen hast du nur für meine Torheit Spott.
TANNHÄUSER
O Rosa Mystica, ich bin dein trunkner Falter!
PRINZESSIN
Ja, weil ich jung und schön. Was aber dann im Alter?
TANNHÄUSER
O, meine Liebe ist ganz rein, platonisch keusch!
PRINZESSIN
Was aber, wenn ich erst dir kitzele dein Fleisch?
TANNHÄUSER
Ach lieb mich doch, mein Gott, du Gottes Gottheit heilig!
PRINZESSIN
Ist erst der Reiz dahin, dann bin ich dir langweilig.
TANNHÄUSER
Ach Engel, liebe mich, ich fleh dich an voll Scheu!
PRINZESSIN
Die Liebesschwüre sind ja allesamt nicht neu.
TANNHÄUSER
In Minnehofs Gericht bist du mein Seelenrichter!
PRINZESSIN
Das sagten andre schon, das ist gestohlen, Dichter!
TANNHÄUSER
Allah selbst fleht dich an, du göttliche Allath!
PRINZESSIN
Das immerhin, Poet, das ist kein Plagiat...
TANNHÄUSER
Du raubtest mir mein Herz, du Königin der Diebe!
PRINZESSIN
Begreife endlich dies doch, dass ich dich nicht liebe!
Ich lieb dich nicht, ich lieb dich nicht, ich lieb dich nicht!
TANNHÄUSER
Prinzessin! Jetzt ist wohl der Jammer meine Pflicht?
In tragischer Manier ich blute vor der Rose,
Warum ist nicht ein Weib ein Blümchen Dornenlose?
Wie reizend ist der Kelch! Wie stechend ist der Dorn!
Kein Zorn ist ja so schlimm wie wilden Weibes Zorn!
Der arme Israel bei Lea und bei Rachel –
Dort Schlangenschwanz und dort der Skorpionenstachel!
Ich bat wohl meinen Gott um einen leckern Fisch,
Seezunge, Scholle, Butt auf meinem Mittagstisch,
Da gibt mir dann mein Gott, da bin ich gar nicht bange,
Da gibt mir dann mein Gott bestimmt nicht eine Schlange!
Ich bat einst meinen Gott als Beter fromm und frei:
O lieber Gott, ich bitt dich, gib mir dieses Ei!
Da gibt mir Gott nicht den Skorpion mit seinem Gifte!
Ich schrieb einst ein Gebet mit meinem flinken Stifte:
Dies weiße Dampfbrot, Gott, gib mir dies heiße Brot!
Meinst du, dass mir mein Gott da einen Kiesel bot?
Was also soll ich laut aufjammern, schreien, klagen?
Soll ich der Rose Dorn ins Herz mir selber jagen?
Ja, so tut ein Poet! Die wahre Nachtigall
Durchbohrt sich selbst die Brust, so lieblich wird ihr Schall,
Das ist der Nachtigall von Amor zuzumuten,
Der Rose spitzer Dorn lässt Nachtigallen bluten,
So wird der Lorbeerkranz Poeten nur zuteil,
Drum Heil dir, Schlangenschwanz, Skorpionenstachel, Heil!
Ja, schlag mich an das Kreuz, das wird mich noch vergotten!
Nein, üble Laune lässt mich über Weiber spotten!
Hanswurst nimm dir zum Mann und dien ihm als Gemahlin,
Ich bin kein Troubadour, du bist nicht Provencalin.
Dein Körper ist gebaut wie Aphrodites Leib,
Von Marmor ein Idol dein Körper, schönes Weib.
Fragt mich dein stumpfer Blick, was mir noch weiter fehle?
In deinem Golem-Leib fehlt eine schöne Seele.
Zwar denkt zu gern ein Mann: Dies Mädchen herrlich blüht
Wie Pflaumenblüte schön, drum schön ist ihr Gemüt.
Doch irrt sich oft der Mann. Was sollen alle Reize
Des Körpers einem Mann bei kargem Herzensgeize?
Nicht Schmuck und Schminke und ein Reizkleid schmückt den Leib,
Die Liebe ists allein, die lieblich macht ein Weib!
Doch du bist solch ein Weib, die Liebe weiß zu wecken,
Dein eignes Herz jedoch im Busen zu verstecken,
Die du verehrt wirst und geliebt und man vergisst,
Daß steinern ist dein Herz und dass du lieblos bist!


DRITTE SZENE


(Auf der Burg der Prinzessin. Prinzessin, Tannhäuser und zwei Minnesänger. Minnehof, Sängerwettstreit.)

PRINZESSIN
Singt, Minnesänger, singt dem Mächtigsten der Triebe,
Ich schenke meinen Kranz dem schönsten Lob der Liebe!
ERSTER MINNESÄNGER
Die Liebe, die ich preis, ist Platons Ideal,
Die Liebe zur Idee aus dem Ideensaal.
Ein Mann sieht eine Frau, er hebt die Augenbraunen
Und glättet seine Stirn, verwirrt steht er voll Staunen
Und schaut die Göttin an in lichter Gloria,
Er schaut die Venus selbst, ich mein, Urania!
Nicht die konkrete Frau, die irdisch ist und sterblich
Und deren Schönheit ist der Zahn der Zeit verderblich,
Die liebt er wahrlich nicht, er liebt nur die Idee.
Idee ist nicht die Frau? Das ist ja all sein Weh!
Doch drüber soll ein Narr und Idiot nicht spotten,
Es will der Platonist die Lieblingin vergotten,
Bis sie geworden ist: Werd, was ich in dir seh,
Werd Gottes Ebenbild und himmlische Idee!
PRINZESSIN
Du musst noch den Begriff der Liebeskunst erweitern,
Denn dieser Platonist wird an der Liebe scheitern!
ZWEITER MINNESÄNGER
Ich lieb die Liebe nicht, der Leidenschaften Fron,
Frau Minne ist allein mir Kult und Religion.
Die Hohe Minne soll den Minnenden erlösen
Von seinem eignen Ich, dem Schlimmsten aller Bösen!
Erlöserin allein ist Sie, die Hohe Frau,
Die Göttin-Dame in des hohen Minners Schau.
Er betet rein und fromm zur ewig nicht Verführten,
Zur Keuschheit in Person, zur hohen Unberührten,
Die klar ist wie das Eis, wie Eiskristall so keusch,
Ein reiner Engelsgeist, ein Hauch ist all ihr Fleisch.
Er kniet vor ihrem Thron, sie sklavisch anzubeten.
Sie ist nicht Eva ihm, laszives Weib aus Eden,
Sie ist Madonna ihm, ist Unsre Liebe Frau,
Ihr Kleid ist seidenweiß, ihr Mantel himmelblau,
Zu Füßen ihr der Mond, umglänzt sie Gottes Sonne,
Wie Unsre Liebe Frau die Muse und Madonne,
In einer Aura sie der höchsten Gottheit steht,
In Ihr verehrt den Herrn der liebende Poet!
PRINZESSIN
Gewiss, die Dame wird den Minner nicht vergotten,
Den Sklaven wird die Frau mit scharfem Spott verspotten!
TANNHÄUSER
Urania lobpreist der trunkne Platonist,
Madonna tief verehrt der Minner und der Christ.
Doch ich bin ein Poet, der Enkel des Homeros,
Ich preis als meinen Gott den Gott der Liebe, Eros!
Ja, Eros triumphiert in meinem Hohen Lied,
Priapus triumphiert mit seinem Mannesglied!
Was Platonismus und was religiöse Minne?
Glückselig machen mich die Lüste meiner Sinne!
Ich will, ich will zurück zum Schoße der Natur,
Ich suche Glück und Lust, mich lehre Epikur,
Des goldenen Äons elysisch-heitre Zeiten
Schmeck ich erneut im Fest der süßen Sinnlichkeiten!
Idee und Religion? Ich liebe mehr die Brunst!
Ja, Venus lehrte selbst mich ihre Liebeskunst!
Ja, Venus lehrte selbst mein Mannesglied das Zeugen!
Ich sprech Mysterien, drum will ich mystisch schweigen.
PRINZESSIN
Wann lehrte Venus dich und wo der Liebe Werk?
TANNHÄUSER
Als ich geborgen war dereinst im Venusberg!
PRINZESSIN
Bei Davids großem Sohn, bei Salomo und Nathan,
Geh, Schlange Luzifer, geh, roter Drache Satan!
Geh, pilgere zu Fuß, zerreiße dir den Fuß,
Geh, pilgre barfuß du und unbeschuht zur Buß,
Verlass der eitlen Welt Theater, Weltenbühne,
Und opfere dich selbst in reuevoller Sühne,
Daß du nicht länger mehr im Venusberg priapst,
Geh du nach Avignon und flehe an den Papst,
Er möge alle Schuld des Fleisches dir vergeben
Und wieder geben dir des Herzens reines Leben
Und spende dir von Gott dem Herrn die Absolution
Und spende dir von Gott dem Herrn die Kommunion
Und reih dich in die Schar geweihter Gotteskinder.
Tannhäuser, weg von mir, du wüster wilder Sünder!
Epikuräerschwein bist du und Hedonist!
Bekehre dich, Poet, und werde wahrer Christ!
Gott will aus deinem Block noch einen Menschen meißeln!
Zum Papst nach Avignon! Geh! Muß ich dich erst geißeln!


DRITTER AKT


ERSTE SZENE

(Eine arme Bauernmagd in ihrem Sterbebett. Auf dem Bett sitzt der erste Minnesänger und hält der Bauernmagd die Hand. Neben ihnen sitzt eine unbekannte Schöne.)

BAUERNMAGD
Ich sterbe jetzt, mein Freund, ich fürchte mich vorm Tod!
Sag, wird es Abendrot, sag, wird es Morgenrot?
MINNESÄNGER
Ich weiß nur eins allein, ich fühl in meinem Herzen
Wie Nadelstiche spitz die allerschärfsten Schmerzen.
BAUERNMAGD
Nun sterbe ich allein und bin in großer Not,
Sag mir von deiner Pein, bei meinem armen Tod!
MINNESÄNGER
Ach, die Prinzessin quält mich lieblos fast zu Tode!
Ach, käme doch zu mir des Todes heitrer Bote!
BAUERNMAGD
Halt noch ein wenig aus und dulde deine Qual,
Maria steht dir bei in diesem Tränental.
MINNESÄNGER
Ich war beim Priester ja voll Reue und voll Buße,
Maria grüßte ich mit ehrfurchtsvollem Gruße.
BAUERNMAGD
Sprach dich der Priester los, ob du auch wenig keusch
Und immer noch so sehr begehrst in deinem Fleisch?
MINNESÄNGER
Der Priester gab voll Huld mir ein geweihtes Bildnis,
Da Sulamith steht nackt in Edens holder Wildnis!
BAUERNMAGD
Wie sieht denn Sulamith auf jenem Bilde aus?
Wie die Prinzessin schön vor ihrem schönen Haus?
MINNESÄNGER
Ja, die Prinzessin sah ich so im Licht der Sonne
Wie diese Sulamith, die Paradies-Madonne!
BAUERNMAGD
Halt noch ein wenig aus, mein Minnesänger süß,
Bald lädt Maria dich doch in ihr Paradies!
MINNESÄNGER
Ach liebe Freundin mein, wenn deine Gunst mir bliebe!
Ich danke dir zutiefst für alle deine Liebe!
BAUERNMAGD
Nun lass uns schweigen, Freund. Mein Engel mit mir spricht.
Ich sehe Christi Leib in einem süßen Licht!
(Sie schweigen.)
UNBEKANNTE SCHÖNE
Die liebe Freundin schläft. Schau, wie sie lieblich lächelt!
MINNESÄNGER
Wie deine Wimper schön dir überm Auge fächelt!
Wie deine Nase stolz doch nach Damaskus schaut!
Des Mohrenkönigs bist du die erwählte Braut?
Wo, als im offnen Aug, ist doch die Seele nackter?
Die Adlernase zeugt von herrlichem Charakter.
Des Angesichts Oval, wo hab ich das geschaut?
Noch nie bisher sah ich so makellose Haut!
Die Lippen lächeln süß, charmanten Lächelns küsslich,
Zu küssen deinen Mund, ja sag ich’s? wär genüsslich!
Wie hoch ist die Gestalt! O wie ein Palmenbaum!
Wie Venus bist du schlank, als sie getaucht aus Schaum!
Dein langes weißes Kleid ist wie das Licht der Sonne,
Allmächtig ist dein Reiz, du irdische Madonne,
Jedoch dein Gürtelschmuck, o Gott im Himmelszelt,
Dein Liebreizgürtel ist der Venus Zauber-Belt!
UNBEKANNTE SCHÖNE
Welch eine Ehre, Mann, tust du mir an so freundlich!
Man sagt von dir, du seist sonst allen Frauen feindlich,
Nur die Prinzessin schön sei tief von dir verehrt,
Doch zarte Hoffnung hast du jetzt in mir genährt.
MINNESÄNGER
Wer bist du, schöne Frau? Ich hörte eine Mythe,
Der Gott der Götter Zeus erschuf mit Aphrodite
Ein Weib, ich meine, du bist dieses Weib, denn du
Bist Venus’ Tochter, du raubst mir die Seelenruh!
UNBEKANNTE SCHÖNE
Charmanter Schmeichler! Wär ich eine der Koketten,
Ich würde mich mit dir im Liebeslager betten!
MINNESÄNGER
Die Tote aber, wird sie Werwolf werden, Tier,
Ein Wiedergänger, ein Gespenst, vielleicht Vampir?
UNBEKANNTE SCHÖNE
Ha, ich bin ein Vampir! Ha, meine Lippen taugen,
Dir all dein Lebensmark aus dem Gebein zu saugen!
Doch schau, mein lieber Freund, die Freundin ist erwacht.
BAUERNMAGD
Mein Minnesänger süß, in dieser letzten Nacht
Sprich nicht von dem Vampir, lobpreise nicht die Biester!
Nun geh mit Gott, mein Freund! Gleich kommt zu mir der Priester,
Nach meiner Beichte ich erhoff die Absolution,
Daß ich empfang des Herrn Leib in der Kommunion!
Nun geh mit Gott, mein Freund, du starker Überwinder,
Als frommer Pate du versorge meine Kinder!


ZWEITE SZENE


(Der Minnesänger an einem Wegkreuz, das er mit Butterblumen schmückt. Tannhäuser kommt.)

MINNESÄNGER
Tannhäuser, warest du in Avignon beim Papst?
TANNHÄUSER
Sag mir zuerst, mein Freund, ob du im Traum priapst?
Ich seh in jedem Traum zu allen Mondenphasen
Die Venus mit dem Mund die Knochenflöte blasen!
MINNESÄNGER
Hast du gebeichtet, Freund? Hat dir dann Gottes Sohn
Die Gnade zugeströmt, Verzeihn der Absolution?
TANNHÄUSER
Ach, Avignon ist schön! Dort schwingen sich die Brücken,
Die Mädchen tanzen schön zum seligen Entzücken,
Wie flattert doch das Haar, wie zappelt dort der Rock!
Im Garten machte man zum Gärtner dort den Bock!
Der Papst von Avignon in seinem frommen Wahne
Ist selber ein Poet und großer Erotomane!
MINNESÄNGER
Sahst du die Reihen auch der Kardinäle dort,
Die Priester dort vereint, und sahst du an dem Ort
Die lieben Knaben auch, die schönen Ministranten,
So schön herausgeputzt von ihren frommen Tanten?
TANNHÄUSER
Der Weihrauch hat zumeist wie Rauschgift mich berauscht!
Dem Singsang hab ich auch und dem Latein gelauscht.
Ich hörte auch den Papst in der Karsamstagspredigt.
MINNESÄNGER
Und hast du deiner Schuld des Fleisches dich entledigt?
TANNHÄUSER
Ich klopfte an beim Papst, stand schon vor seiner Tür,
Er sprach: Mein Sohn, ich hab heut keine Zeit dafür,
Komm morgen wieder, Sohn, und seufze deine feuchte
Selbstoffenbarung, Sohn, der Fleischeslüste Beichte.
MINNESÄNGER
So kamest du zurück vom Papst aus Avignon
Und hast gebeichtet nicht, du Venus’ Hurensohn?
TANNHÄUSER
Ich hatte doch Geduld. Es wird der Hohepriester
Mich wohl erlösen noch von meinem Seelendüster.
Ich harrte einen Tag und eine Woche noch.
Der Weiße Sonntag wars nach Ostern, da ins Joch
Der Buß ich mich ergab, um mit dem heißen Stöhnen
Mich mit dem lieben Gott barmherzig zu versöhnen!
MINNESÄNGER
Zur Ohrenbeichte warst du also bei dem Papst?
TANNHÄUSER
Sag mir, mein lieber Freund, ob du im Traum priapst!
Dann sage mir, mein Freund, muß man denn auch die feuchten
Versuchungen im Traum der Mutter Kirche beichten?
MINNESÄNGER
Wenn sie den Atem in die Knochenflöte stößt,
Wenn Venus mit dem Mund die Jubelflöte bläst?
TANNHÄUSER
Ich sagte zu dem Papst, wie Venus göttlich flötet!
Der Greis im weißen Haar, ich glaub, er ist errötet.
MINNESÄNGER
Gab seine Absolution der Papa Pontifex?
TANNHÄUSER
Er nannte Götzendienst den Kult der Göttin Sex!
Mich loszusprechen von der Heidengöttin Venus
Er habe Vollmacht nicht von Jesus Nazarenus.
Wenn Gott ein Wunder tut, der Stab des Papstes blüht,
Dann erst kann er verzeihn, dass wieder ich das Glied
An Christi Corpus sei. Der ich gesündigt habe,
Muß warten, bis ihm sprießt die Spitze an dem Stabe!
MINNESÄNGER
Bei Aphrodites und des Bacchus Sohn Priap!
Schoß auf in Blütenblust des Heilgen Vaters Stab?
TANNHÄUSER
So oft der Schwengel schwang in großen Kirchenglocken,
Der Stab des Pontifex blieb ohne Säfte trocken!
MINNESÄNGER
Vielleicht geschieht doch noch ein Wunder Gottes bald!
TANNHÄUSER
Ich aber will zurück in Venus dichten Wald,
Zum Busen der Natur, in Venus’ feuchte Grotte,
Daß ich das Leben leb von einem jungen Gotte!
MINNESÄNGER
Mein Freund, ich schließ dich ein in mein Gebet zur Nacht,
Daß Gottes Gnad für dich doch noch ein Wunder macht.
TANNHÄSUER
Wenn Jesus sich erbarmt mit herzlichem Erbarmen,
Dann lieg ich selig schon in Aphrodites Armen!
Und spricht mich Gottes Sohn von allen Sünden los,
Dann lieg ich trunken schon in Aphrodites Schoß!
(Tannhäuser wandert weiter. Der Minnesänger kniet vor dem Kruzifix am Wegrand.)


DRITTE SZENE


(Venushügel. Unter dichtem Gebüsch verborgen die feuchte Venusgrotte. Tannhäuser steht vor dem Venushügel, in seiner Rechten den Pilgerstab, an dessen Spitze eine Muschel. Über dem Venushügel erscheint die himmlische Venus. Sie trägt ein langes meerschaumweißes Seidenkleid und darüber einen meerblauen Umhang. Ihre langen goldenen Locken verschleiern die Gestalt.)


TANNHÄUSER
O Göttin Venus, ich komm aus dem deutschen Reiche,
Das deutsche Reich ist heut, ach, ganz wie eine Leiche!
Der Sensenmann geht um, das knöcherne Skelett,
Er lockt Germania, die Frau, in Totenbett!
Ich war in Österreich, ich schaute auch den Kaiser,
Der schon verlor den Thron, er betet nun als Weiser.
Ich war am Zürcher See, wo Großmama Natur
Erfindungen streut aus auf lenzlich-lieber Flur,
Wo Freunde baden nackt, wo baden froh die Nackten
Und singen Oden dann in den antiken Takten.
Ja, schön ist die Natur, die Mutter, in der Schweiz!
Die Freiheit sah ich dort in ihrer Schönheit Reiz!
Ich war im Norden der französischen Bretagne,
Ich nahm auch teil am Krieg, am Krieg in der Champagne.
Champagner trank ich dort und große Mengen Sekts.
Auch sprach ich ein Gebet zur Mittagszeit, die Sext.
Ich trank auch Traubensaft vorm Dome Unsrer Dame,
Sah die Zigeunerin mit ihrem Bräutigame.
Wie schön ist doch die Stadt Lutetia-Paris,
Der Liebeslüste Stadt, der Wollust Paradies!
Die Arche sah ich dort, Titanen und Giganten,
Ich sah den Efeuturm und steinerne Trabanten,
Sah eine schöne Frau, ein schwarzes Netz ihr Strumpf,
Ich sah den Bogen auch, der feiert den Triumph,
Champs-Elyssée sah ich, die Felder von Elysen,
Wo Schatten gehen um in Gartenparadiesen.
Jardin du Luxembourg! Ich sah das Pantherweib,
Im Käftig eingesperrt, samtschwarz der Katzenleib!
Flamingos sah ich dort auf Wassers klaren Wellen
Und wunderschön und schlank die hüpfenden Gazellen.
Den Heliotrop, den Phlox sah ich im Garten blühn,
Platanen sah ich breit, die Lebenskrone grün.
Ich schaute in Paris zum Himmel in die Höh:
Ach, die Pariserin starb im Hotel de Dieu!
Ich sah Lavinia, Äneas Pius, Turnus,
Ich sah den Ehering des göttlichen Saturnus,
Die Leier und den Schwan, den Adler auch. Und oh,
Ich trank das rote Blut des Bacchus von Bordeaux!
(Die himmlische Venus strahlt übers ganze Gesicht. Sie lächelt ihr entzückendstes Lächeln und breitet ihre Arme aus zum herzlichen Willkommen.)
VENUS
O mein Geliebter du! Ein herzliches Willkommen!
Jetzt endlich bist du doch zu mir zurückgekommen!
Dir offen steht mein Herz wie eine Rose rot,
Ich schenk dir meinen Leib wie süßes weißes Brot!
Ich habe Lust an dir, Geliebter deiner Göttin,
Ich habe Lust an dir, ich bin doch deine Gattin!
Ich habe Lust an dir, ich habe an dir Lust!
Schau! Venus offenbart dir ihre bloße Brust!
(Venus öffnet ihr weißes Kleid und zeigt Tannhäuser ihre makellose jungfräuliche Mutterbrust. Die Brust ist ohne Muttermal und von perfekter Form und jugendlicher Festigkeit, zugleich von mütterlicher Fülle.)
TANNHÄUSER
Die Worte fehlen mir, der Dichter muss verstummen!
Was soll die Logik mir, der Theologen Summen?
Ich kann nur singen noch der Liebe Hohes Lied!
O Venus, schöner bist du selbst als Sulamith!
Frau Schönheit bist du selbst, so wahr lebt Nazarenus,
Die Schönheit Gottes du, du Schönheitsgöttin Venus!
VENUS
Tannhäuser, jetzt empfang von deiner Lieben Frau
Den Ehrennamen, den ich dir aus Huld vertrau,
Tannhäuser heißt fortan, beim Ringe Salomonis,
Der Venus Ehemann, du heiße jetzt Adonis!
TANNHÄUSER
Ich bin es ja nicht wert, o Venus, solche Huld!
Tannhäuser bin ich nur, Poet im Minnekult.
VENUS
Nur keine falsche Scheu! Wer Venus darf erkennen,
Der darf Adonis sich mit vollem Rechte nennen.
Ich, deine Venus, nehm dich als Adonis an!
Adonis, Buhle und Geliebter, du mein Mann!
Ich deine Buhlin bin, die Keusche und Kokette,
Dir Konkubine bin im schwülen Lotterbette!
TANNHÄUSER
O Liebste Frau, du bist so gnädig, mild und süß!
Je t’aime, je t’aime, je t’aime, oh mon amour Vénus!