Von Josef Maria Mayer
ERSTE SZENE
AKBAR
Du schreibe die Geschichte meines Lebens!
HOFHISTORIKER
Wie wurdest du geboren, Übergroßer?
AKBAR
Mein Vater Humayun war in Verbannung
Und lebte in der Schmach der bittern Armut,
Da nicht in Indien gebar die Mutter.
Sie gab den Namen des Propheten mir,
Mohammed – Friede sei mit dem Propheten!
HOFHISTORIKER
Warum wirst du Mohammed nicht genannt?
AKBAR
Die Inder nennen mich den Über-Großen,
Weil König Akbar ist ein Übermensch!
HOFHISTORIKER
Wer aber sind des Übermenschen Ahnen?
AKBAR
Die Ahnen auch sind selber Übermenschen.
Da ist der Löwe Babar, der Mogul,
Da ist der Herrscher Timur, hochgepriesen
Von allen orientalischen Poeten,
Da ist vor allem Dschingis Khan mein Ahne.
HOFHISTORIKER
Wie in der Schule wurdest du gebildet?
AKBAR
Ich hatte viele hochgelehrte Lehrer,
Ich selber aber ging nicht gern zur Schule,
Ich wies die Lehrer ab und wehrte mich
Und wollt nicht lesen lernen oder schreiben.
Ich liebte mehr den Sport, den wilden Sport,
Ich ritt die schnellsten Hengste, spielte Polo,
Zu reiten hinter einen kleinen Ball her
War mehr Vergnügen mir als Bücherlesen,
Ich war ein Meister in dem Polo-Spiel,
Auch gern auf Löwenjagd und Tigerjagd
Bin ich gegangen, liebte die Gefahr.
HOFHISTORIKER
Wie männlich warst du in der wilden Jugend?
AKBAR
Ich war ein echter Türke und empfand
Nicht den geringsten Ekel vor dem Blut
Von Menschen, das verzagte Weiber fürchten.
Ich zählte eben vierzehn Jahre, als
Ich mir erwarb den Ehrentitel Ghazi,
Ein Mörder der ungläubigen Giauren,
Das ist ein Ghazi, ich war dieser Mörder,
In Allahs Namen mordend Glaubenslose,
Mit Einem Streiche meines Türkensäbels
Schlug ich dem Glaubenslosen seinen Kopf ab!
HOFHISTORIKER
O Stern des Humanismus, Licht der Weisheit
Und weiser Meister menschlicher Vernunft!
Wer in der Jugend niemals töricht war,
Der wird dann töricht werden in dem Alter.
AKBAR
Als ich dann achtzehn Jahre zählte und
Der Staatsgeschäfte Führung übernahm,
Erstreckte meine Herrschaft sich im Osten
Bis nach Benares. Meines Vaters Vater
Bin ich gefolgt und weitete die Herrschaft
Durch schonungslose Kriege aus und wurde
Der Großmogul des ganzen Hindustan.
HOFHISTORIKER
Doch bist du nicht berühmt als Militär,
Nein, als vernünftiger ziviler Herrscher.
AKBAR
Ja, nach den schonungslosen Kriegen kehrte
Ich heim in meine Residenz und schuf
Die Staatsverwaltung, denn ich träumte von
Dem idealen Staat des großen Weisen.
HOFHISTORIKER
Wie schaut des Weisen idealer Staat aus?
AKBAR
Der Herrscher herrscht alleine absolut,
Die Fürsten der Provinzen werden alle
Vom absoluten Herrscher eingesetzt.
Vier Helfer hat der absolute Herrscher:
Den Präsidenten der Minister (den Vakir)
Den Präsidenten der Minister (den Vakir)
Und den Minister der Finanzen (den
Wesir, der aber Diwan auch genannt wird),
Hofmeister ist der Bachschi, und zuletzt,
Wenn nicht zuerst, der Primas des Islam,
Das Haupt der Religion der Islamisten.
HOFHISTORIKER
Ich werde alles in die Chronik schreiben.
AKBAR
Mach mich zum Muster eines weisen Herrschers!
ZWEITE SZENE
AKBAR
Ich bin allein der absolute Kaiser,
Ich gebe die Gesetze und ich richte,
Ich führe die Gesetze aus im Staat.
Ich bin der Höchste Richter in dem Staat.
Jetzt aber an dem heiligen Gerichtshof
Gewähr ich Audienz den Gegnern allen
In den Prozessen der Justitia.
ERSTER PROZESSGEGNER
O Richter, unsre Kinder sind noch klein,
Sie wissen nicht, wen sie sich wählen sollen
Zur Ehe. Leidenschaften treiben sie
Und irdische Begierden. Aber wir
Als Eltern wissen um den rechten Partner
Und wollen unsre Kinder schon vermählen.
AKBAR
Ich aber nun verbiete Kinder-Ehen!
Die Söhne und die Töchter sollen selbst
Den einen treuen Ehepartner wählen
Und hören auf die Stimme des Gewissens
Und Gott im Inneren der Busen. Ihr
Als Eltern sollt die Kinder so erziehen,
Daß sie die Reinheit lieben, Selbstbeherrschung,
Daß sie die Leidenschaften zügeln und
Begierden zähmen und das Schöne lieben,
Die Wahrheit und die Güte in dem Leben.
Erzieht zu Geistern sie und nicht zu Tieren,
Dann werden sie auch selber weise wählen.
ZWEITER PROZESSGEGNER
O Richter, voller Liebe unsre Witwen
Zu ihren einzigtreuen Ehemännern,
Sie sind doch Indiens Ruhm, die treuen Witwen,
Die nach dem Tode ihres Ehemannes
Nicht wieder einen neuen Mann sich wählen,
Vielmehr mit ihrem Manne sich verbrennen
Und in dem Totenreiche sich vermählen.
AKBAR
Ich aber nun verbiete die Verbrennung
Der Witwen und erlaube eine neue
Vermählung hinterbliebner Witwen. Aber
Ich meine doch, es wär der Witwe besser,
Wenn sie sich kann enthalten der Begierde,
Das Leben nach dem Tode ihres Mannes
Zu widmen einsam-fromm dem Gottesdienst.
Das sage ich als Rat, nicht als Gebot.
DRITTER PROZESSGEGNER
O Richter, schächten wollen wir die Tiere
Und Allah Blut von Opfertieren weihen.
AKBAR
Das aber ist die Ehre Indiens, dass
Die Tiere leben dürfen. Ich verbiete
Den Mord der Opfertiere für die Götter
Und gebe zu bedenken, dass die Gottheit
Nicht dürstend ist nach Blut von Böcken oder
Dem Fleisch von Lämmern. Wollt ihr opfern Gott,
So opfert Gott des Herzens Dankbarkeit.
VIERTER PROZESSGEGNER
O Richter, der Islam ist Gottes Wahrheit
Und Lügner sind die Heiden, Juden, Christen!
So soll in der islamischen Gesellschaft
Der Hindu höhere Steuern zahlen und
Die Juden und die Christen sollen nicht
Erzogen werden in den hohen Schulen,
Das hieße Gotteslästerer zu fördern.
Ja, die Elite in dem Staate soll
Gebildet werden von den Islamisten.
AKBAR
Ich aber nun verbiet die Unterscheidung
Der Menschen nach der Rasse und dem Glauben.
Der Moslem zahlt genauso wie der Hindu
Die Steuer an den Staat. Die Juden sollen
Die Bildung fördern und die Jesuiten.
In meinem Kaiserreich ist Menschenrecht,
Ein allgemeines Menschenrecht, die Bildung.
FÜNFTER PROZESSGEGNER
O Richter, Gott ist Einer und Mohammed
Ist Sein Prophet. Die Heiden, Juden, Christen,
Verehren andre Götter neben Gott,
Verehren neben Gott auch noch den Moses,
Verehren neben Gott auch den Messias
Und des Messias Mutter Miriam.
Man sollte diesen Gottesdienst verbieten,
Denn dieser Gottesdienst ist Götzendienst.
AKBAR
Ich aber nun als allerhöchster Richter
Gebiete allen meinen Landeskindern,
Zu suchen ernsthaft nach der Höchsten Wahrheit.
Das ist die Pflicht, die alle Menschen haben,
Zu suchen nach der Wahrheit. Doch in Freiheit
Soll jeder seinen Glauben selber wählen,
Und jeder Fromme soll die Freiheit haben,
In den Moscheen, in den Synagogen,
In Tempeln der verschiednen Götter und
In Kirchen ihrem eignen Gott zu dienen.
DRITTE SZENE
ERSTE FRAU
Der Herrscher hat die meisten Tugenden:
Er ist voll Frömmigkeit und voller Hoffnung
Er ist voll Frömmigkeit und voller Hoffnung
Auf die Unsterblichkeit und voller Liebe
Zur Höchsten Wesenheit und allen Menschen,
Voll Klugheit ist die Weite seines Geistes,
Voll Starkmut ist die Fülle seines Herzens,
Sein Lustverlangen ist voll Mäßigung,
So ist der Mann gebildet als Gerechter.
Dazu ist er der allerschönste Mann
Und keiner reitet so wie er das Ross!
ZWEITE FRAU
O Freundin, du bist blind! In Wirklichkeit
Hat er ja lange Arme, krumme Beine,
Schlitzaugen, wie sie die Mongolen haben,
Nicht ebenmäßig ist sein Kopf gebildet,
Sein Angesicht ist etwas schief geformt
Und er hat eine Warze auf der Nase.
ERSTE FRAU
Ich aber liebe seine Sauberkeit,
Die Sauberkeit des Geistes und des Herzens,
Ich liebe seine Würde, seine Ehre,
Er ist von würdevollem Seelenadel,
Beruhigend ist auch die Gelassenheit,
Mit der er schaut auf dieser Erde Treiben.
Vor allem aber seiner Augen Strahlen
Ist schön, die Liebesglut in seinen Blicken,
Die Augen dieses Mannes sind so leuchtend,
So strahlt ein Ozean im Sonnenschein.
Doch jäh auch können seine Augen blitzen
Und Blitze schleudern heiß wie Höllenflammen,
Gottlose Übeltäter zu erschrecken!
Die Kleider immer einfach, eine Hose
Von Leinen, eine feine Leinenbluse,
Barfüßig geht er wie ein strenger Büßer.
In seiner Jugend aß er wenig Fleisch,
In seinem reifen Alter gar kein Fleisch mehr,
Denn er macht seinen Magen nicht zum Friedhof
Von armen hingewürgten Tierkadavern.
Und trotzdem ist sein Körper voller Stärke
Und Lebensenergie, und ausgezeichnet
Ist er im Ballspiel und des Reitens Meister.
ZWEITE FRAU
Er ist so impulsiv wie seine Ahnen,
Gewaltsam wie der Vater seines Vaters
Und gierig wie sein Vater nach der Welt.
In seiner Jugend war er ohne Scham,
Probleme zu erledigen durch Mord,
Fanatisch war er, ohne Toleranz,
Ein Fundamentalist der Islamisten.
ERSTE FRAU
Er lernte es, auf dem Vulkan zu sitzen,
Auf dem Vulkan der heißen Leidenschaften!
Er überragt die Zeitgenossenschaft
In der Gerechtigkeit des eignen Handelns
In aller milden Menschenfreundlichkeit.
Des Orientes absolute Herrscher
Sind sonst Tyrannen und Despoten, die
Die Landeskinder nur wie Sklaven halten,
Doch er regiert mehr wie ein weiser Vater
In ernster Autorität mit milder Liebe,
Und seine Großmut und Freigiebigkeit
Wird hochgelobt von allen Menschenkindern.
Er gibt ja allzeit große Summen aus
Für die geliebten Menschen und vor allem
Für die zumeist geliebten Armen, Kleinen.
Die kleinen und bescheidnen Gaben und
Geschenke armer Menschen freuen ihn
Vielmehr als alle die verschwenderischen
Geschenke reicher Leute. Von den Armen
Empfängt er die bescheidnen Gaben dankbar
Und nimmt die Gaben freundlich in die Hände,
Als sei der weiße Kieselstein des Kindes
Mehr wert als all das Gold der reichen Väter.
ZWEITE FRAU
Ich aber sehe einen andern Mann,
Ich sehe einen, der vom Wahnsinn ist
Besessen, der oft stürzt in tiefe Ohnmacht
Und jammernd liegt am Boden, fast gestorben,
Der Halluzinationen hat und hält sie
Für himmlische Visionen, welcher lallend
Dann Laute spricht, die keine Menschensprache,
Der dann die Geister und Dämonen schaut,
Mit Toten spricht wie mit den Lebenden
Und wie ein Schatten auf der Erde schleicht.
Dann seh ich ihn in solcher Jammernot,
Daß er das ganze Elend seines Daseins
Ersäuft in einem Übermaß von Wein
Und süchtig ist nach Rausch und Trunkenheit
Und länger nicht ertragen kann sein Elend,
Wenn er sich nicht mit Opium betäubt.
ERSTE FRAU
Wo große Weisheit ist, ist großes Weh.
VIERTE SZENE
AKBAR
Nun bist du meine Ehefrau geworden.
PRINZESSIN
Wie viele Ehefrauen hast du denn?
AKBAR
Achthundert Ehefrauen habe ich.
PRINZESSIN
So muß ich mich entschließen, die achthundert
Und erste Ehefrau im Haus zu sein.
AKBAR
Doch halt mich nicht für einen wilden Wüstling.
Die Frauen nahm ich nur aus Politik,
Die väterlichen Fürsten zu verbinden
Mit meinem Kaiserreiche durch die Heirat.
PRINZESSIN
Aus welchem Volke sind die schönsten Frauen?
AKBAR
Die Perserinnen sind ja weltberühmt
Für ihre Schönheit, auch Tscherkessinnen
Sind vielgepriesen wegen ihrer Schönheit,
Die Türkinnen vom Bosporus sind schön
Mit ihren großen schwarzen Huri-Augen,
Die Inderinnen aber sind besonders
Betörend schön, der dunkelbraune Teint,
Die Hindu-Augen einer Mutterkuh,
So schön sind diese schönen Inderinnen,
Daß Künstler gerne meißeln sie aus Stein
Und schaffen so die nackte Liebesgöttin.
PRINZESSIN
So viele Frauen nun in deinem Harem,
Aus vielen Völkern wunderschöne Frauen,
Da ist doch sicher religiöse Vielfalt.
Die Frauen sind besonders religiös,
Das Religiöse wird getragen immer
Von religiösen Frauen. Welche Götter
Beschützen deine Frauen in dem Harem?
AKBAR
Ich habe eine Frau in meinem Harem,
Die anhängt der Jaina-Religion.
Sehr viele Frauen beten zu dem Buddha
Und manche auch zur Mitleidsgöttin Kwanyin.
Die reizenden Musliminnen wie Huris
Anbeten Allah überm Paradies.
Die Inderinnen dienen ihren Göttern,
Sie beten Vischnu an und Krischna auch,
Sie beten Shiva an und auch Parvati
Und manche beten auch zur Maha-Devi!
PRINZESSIN
Und welche Gottheit flehst du selber an?
AKBAR
Die Eine unaussprechlich große Gottheit!
Die Menschen geben ihr verschiedne Namen.
Doch meinen Frauen bau ich Göttertempel,
Den Tempel für die Mitleidsgöttin Kwanyin
Hab ich erbaut vor zwanzig langen Jahren.
Zehn Jahre ist es her, da baute ich
Das Haus für Shiva und Parvati in
Der Mystik tantrischer Kopulation.
PRINZESSIN
Baust du mir auch ein Haus für meine Göttin?
AKBAR
Wen rufst du unter allen Göttern an?
PRINZESSIN
Ich bete an die Muttergöttin Devi!
AKBAR
Die Muttergöttin mit den großen Brüsten
Und mit dem breiten Becher ihres Beckens?
Ich bau ein Heiligtum für Maha-Devi!
PRINZESSIN
An Unsre Liebe Große Muttergöttin
Vertrauensvoll sich schmiegen alle Tiere.
AKBAR
In Agra und in Fathpur-Sikri habe
Ich über tausend weiße Elefanten,
Gezähmt hab ich die weißen Elefanten,
Sie lassen führen sich von einer Hanfschnur.
So ist der Mann, der seine Leidenschaften
Und irdischen Begierden zähmt und zügelt.
Er wird gelenkt vom Hauche der Vernunft.
Ich habe dreißig Pferde, edle Renner,
Die Stuten sind so schön wie du, Prinzessin.
Wie schön den Stuten ihre Flanken beben
Und wie sie werfen ihre schlanken Jamben!
Wie schnaubt und schäumt das Hengstmaul auch des Hengstes,
Wie wiehert laut der Hengst in seiner Brunst,
Wie steht sein Hengstglied, schäumt des Hengstes Samen!
So sind die Menschen, die die Leidenschaften
Nicht zügeln, Männer, die nach Weibern wiehern,
Die wiehern nach den Weibern andrer Männer!
Ich hab auch vierzehnhundert zahme Hirsche,
Die Hirsche, die nach Wasserquellen röhren.
So röhrt ein Fremdling auch im fremden Lande
Nach fernen Wasserstellen seiner Heimat.
PRINZESSIN
O, bei den zahmen Hindinnen und Hirschen,
Ihr schönen Frauen in dem Harem Akbars,
Weckt mich nicht auf, bis ich von selbst erwache,
Stört nicht mein Liebesspiel mit meinem Herrn!
FÜNFTE SZENE
AKBAR
Du bringst mir neue Bücher, Jesuit?
JESUIT
Ja, in Europa ist die Kunst erfunden,
Mit Lettern, die aus Blei sind und beweglich,
Zu drucken Bücher. Diese schwarze Kunst
Verbreitet in Europa jetzt die Bildung.
AKBAR
Ach, der moderne Fortschritt in der Technik
Bleibt mir doch zweifelhaft. In alter Zeit,
Da schrieb man Bücher mühsam mit der Hand ab
Und illustrierte diese Bücher kunstvoll.
Da überlegte sich der Mönch und Schreiber,
Was für ein Buch er wählte, abzuschreiben,
Ob auch der Inhalt sich der Mühe lohne.
Jetzt aber gibt es Massenware, jetzt
Sind Bücher billig, jedermann kann alles
Besitzen, und geschrieben wird so viel,
Ein jeder Narr schreibt jetzt ein Ritterepos
Und lässt es drucken, diese Massenware
Nun überschwemmt den Büchermarkt, das Volk
Verwechselt Mäusedreck mit Koriandern
Und so verblödet immer mehr die Masse.
JESUIT
Die schönsten Buchdruck-Bücher schenk ich dir,
Hier schenke ich dir die Vulgata-Bibel
Und hier die Schriften unsres Philosophen,
Des großen Meisters Aristoteles.
AKBAR
Ich neige auch zum Metaphysischen.
Zwei Quellen habe ich, aus denen ich
Das Metaphysische studieren kann:
Die Philosophen des Islam, die lehren,
Die Philosophen des Islam, die lehren,
Daß die Vernunft steht über dem Koran,
Daß menschliche Vernunft der Philosophen
Erkennt die Wahrheit in Vollkommenheit,
Wobei die Verse des Koran dem Volk
Die Wahrheit einfach in Verhüllung sagen,
In Mythen und in Märchen eingehüllt,
Wo aber Widersprüche zwischen dem
Koran und der Vernunft erkennbar sind,
Entscheide die Vernunft der Philosophen,
Die Philosophen lehren einen Gott,
Der Ursprung ist des Kosmos und des Menschen,
Sie lehren die Unsterblichkeit des Geistes,
Des unpersönlichen, des Geistes Gottes,
Der in den Menschenseelen wirkt, verleugnen
Doch aber die Unsterblichkeit der Seele
Und lächeln über der Muslime Träume
Von Huris, die mit großen schwarzen Augen
Im Paradiese die Gerechten lieben,
Die in dem grünen Paradiesesgarten
Von schönen Knaben sich beschenken lassen
Und trinken Wein, der keinen Kopfschmerz macht,
Und essen ihr Geflügelfleisch im Himmel.
Auch lern ich metaphysische Gedanken
Vom Upanishad, da meditiert die Seele
Und konzentriert sich auf das Wahre Selbst
Und findet so das Transzendente Ego,
Das Transzendente Ego, das bin ich,
Das bist auch du, das ist die ganze Welt,
Das ist der Atem Gottes, ist die Gottheit,
Das Transzendente Ich ist Eins und Alles,
Wer dieses Transzendente Ich gefunden
Und hat erkannt sein Einssein mit dem Geist,
Der ist erlöst von dem Geborenwerden,
Erlöst von seiner Individuation
Und löst sich auf im absoluten Nichts
So wie ein Tropfen in dem Ozean.
JESUIT
Ein Dichter Roms schrieb einmal ein Gedicht,
Der Landmann wäre lieber doch ein Seemann,
Der Seemann aber wäre lieber Landmann.
Die Philosophen träumen stets davon,
Daß einmal selber sie der Kaiser wären
Und schüfen einen idealen Staat
Und schüfen ein utopisches Atlantis.
Die Kaiser aber träumen selbst davon,
Sie wären selber Philosophen
Und sprächen nur mit dem Daimonium.
AKBAR
Als Kaiser muß ich immer aktiv handeln
Und herrschen über alle Landesfürsten
Und väterlich um alle Landeskinder
Mich kümmern, dass sie Brot und Wasser haben.
In meiner Seele aber lebt ein Traum,
In Einsamkeit allein zu kontemplieren,
Ja, hoch in einer Bergeinsiedelei
Bei etwas Reis und Salz und klarem Wasser
Zu leben selig still als Gottes Nachbar
Und schon auf Erden wie im Himmelreich
Den absoluten Gott zu kontemplieren.
JESUIT
Betrachtest du im Geist die Weisheit Gottes,
Dann bringe du die Flamme der Erkenntnis
Herab zur Welt betörter Kindermenschen!
AKBAR
Und wäre doch so gern allein mit Gott.
SECHSTE SZENE
AKBAR
O Kunst der Poesie, ich liebe dich,
Ich lieb euch, Musenpriester, Musensöhne!
Ich zahl euch jährlich eine große Rente,
Ein Dichter soll in einem Monde haben
Sechshundertsechsundsechzig Taler Gold.
DICHTER
Wir leben jetzt in einer großen Zeit,
Da ist es Freude, ein Poet zu sein.
Wer große Männer preisen will und Herrscher,
Der hat in dir ein Herrscher-Musterbild.
Wer religiös die Götter preisen will,
Der schaut hier Tempel aller Religionen,
Wo Vischnu Mensch geworden ist in Krischna,
In Hare Rama und in Jesus Christus,
Und Buddha ist der große Sohn des Brahma,
Und wo die Muttergöttinnen verehrt
Und angebetet werden, Maha-Devi,
Maria, Guan Yin und Sarasvati.
Wer aber schöne Frauen singen will,
Der schaue sich nur um in deinem Harem.
Ob er nun liebt die langen schwarzen Haare
Der schönen Huris aus dem Garten Eden,
Das Goldblond der Tscherkesserinnen liebt,
Ob er mehr Liebe fühlt für die Brünetten,
Bei reifen Frauen die Erfahrung sucht,
Bei jungen Mädchen Schönheit, Anmut, Liebreiz,
Ist alles da in deinem Frauenhaus.
Will einer dichten Verse der Didaktik
Und will sich messen mit der großen Gita,
Der Philosophen Weisheitslehren reimen,
Studiere er die Veden-Theosophen,
Den Taoismus und Konfuzius,
Roms und Arabiens Aristoteles,
Eklektisch raube er von allen Weisen
Und mische Yoga, Logik, Alchemie,
Die Mystiker und Theosophen alle,
Und schütte alles in den Suppentopf,
Kartoffeln, Wurzeln, Blumenkohl und Bohnen
Und Soyakäse, rühre kräftig um,
Die Suppe kocht der Weisheit dieser Welt.
Den Indern wird es schmecken. Einzig nur
Der Katholik vermisst darin das Fleisch.
Frau Weisheit aber, diese Suppenköchin,
Liebt die Gewürze aller Religionen,
Nur nicht das Salz des Christentums von Rom.
AKBAR
Ich liebe deine bissige Satire
Auf diese arroganten Jesuiten!
DICHTER
In deinem Auftrag, großer Musenkaiser,
Ich übersetze grad das Mahabaratha
Ins Persische, grad bin ich bei der Gita.
Dann übersetz ich auch das Heldenepos
Vom Helden Ram und seiner lieben Sita
Und schreibe noch als persischer Poet
Vom Affen Hannemann und seinem Schwanz.
AKBAR
Der Jesuit preist immer den Vergil,
Erzählte mir von Troja und Odysseus.
Was sind die Dichter denn des Abendlandes
Verglichen mit des Morgenlandes Dichtern?
Was in dem Abendland als Epos gilt,
Das gilt in Indien erst als erster Cantus
Des großen Heldenlieds von hundertzwanzig
Gesängen. Indiens Muse ist sehr fruchtbar!
DICHTER
Wir alle klagen aber über Birbal.
AKBAR
Ja, Birbal wirklich war mein Lieblingsdichter!
Sechshundertsechsundsechzig Taler Gold
Gab ich ihm monatlich als seine Rente.
Wenn er jedoch zuviel verschwendet hatte
Für Rauschgift, Wein und leichte Freudenmädchen,
Hab ich ihn wie ein Vater unterstützt.
Ich gab ihm eine Wohnung groß genug,
Ich schenkte ihm ein Übermaß an Muße,
Gewährte allezeit ihm freien Zutritt
Zu meinem Harem schönster Konkubinen.
Ja, ich ernannte ihn zum General
Und machte ihn zu einem stolzen Krieger,
Er aber fiel im Krieg von Feindeshand.
Verwaist ist jetzt der Thron des wahren Dichters.
DICHTER
Ich höre allezeit die Moslems schimpfen,
Der Dichter Birbal sei ein wüster Heide
Und sei als Krieger feig im Krieg gewesen
Und wär aus Todesfurcht davongelaufen
In seiner Heidenangst vorm Heldentod
Und darum habe Allah ihn verdammt,
Daß er im tiefsten Höllenkerkerloch
Alltäglich wird gefressen von den Ratten!
ARCHITEKT
Ich bau ein Mausoleum für den Dichter,
Es wird das schönste Bauwerk dieser Welt.
Ich werde meißeln in die Eingangspforte:
Wer reinen Herzens ist, kommt in den Himmel,
Wer reinen Herzens ist, kommt in den Himmel,
Der wird die Huri schaun im Garten Eden!
SIEBENTE SZENE
AKBAR
Ich wäre doch zu gerne Philosoph,
Ich liebe es, die ganze Nacht zu grübeln.
Jedoch, je mehr ich alles das studiere,
Verwirrt es mich doch mehr und mehr, wie viele
Verschiedne Meinungen es gibt auf Erden.
Da sind so viele Philosophen, Weise,
Sind Mystiker und Theosophen, Mönche,
Propheten, Eremiten, Schriftgelehrte,
Ein jeder sieht doch anders Gott und Welt.
Und Gott? Was ist das Wesen nun der Gottheit?
Die einen glauben nun an viele Götter,
Die andern sagen, dass die vielen Götter
Aspekte nur des einen Gottes seien,
Die andern sagen, dass es keinen Gott gibt,
Das Höchste sei die absolute Leere,
Und andre sagen, dass da ist ein Gott,
Der keine andern Götter bei sich duldet,
Und andre sagen, dass der eine Gott
In drei Personen existieren kann.
Dies alles, sag ich euch, verwirrt mich sehr.
Doch kann ich es mir anders nicht erklären,
Als dass das alles eins ist und dasselbe.
BUDDHIST
Der weise Meister Buddha sagte einst,
Ein Elefant ward untersucht von Blinden.
Der eine untersuchte nun das Bein
Und sprach: Ein Elefant gleicht einer Säule.
Der andre untersuchte nun den Rüssel
Und sprach: Ein Elefant gleicht einer Schlange.
Der dritte untersuchte nun das Ohr
Und sprach: Ein Elefant gleicht einem Lappen.
So ist auch die Erkenntnis aller Lehrer
Nur Stückwerk. Gott bleibt ewig unerkennbar.
HINDUIST
Der Brite sagt zum Wasser water, der
Lateiner sagt zum Wasser aqua, aber
Es ist doch stets das gleiche Element.
So nennt der Moslem seinen Gott Allah,
Der Hindu sagt: Allah ist Hare Rama.
AKBAR
Ihr allesamt beruft euch doch auf Schriften,
Die Offenbarungen enthalten sollen.
HINDUIST
Wir haben unsern Veda, das heißt Wissen,
Rig-Veda-Hymnen preisen Gott und Götter.
Der Upanishad enthält der Weisen Summen,
Die Lehren aller Theosophen-Meister.
Die Bhagavad-Gita ist die Offenbarung,
Da Krischna Yoga lehrt und Gottesliebe.
MOSLEM
Gott selbst diktierte Mahom den Koran,
Mohammed ist nur Gottes Sekretär.
Gott spricht in seinem heiligen Koran
Und offenbart sich als der Weltenschöpfer
Und Weltenrichter, als der Eine Gott,
Der keine andern Götter bei sich duldet
Und der auch nie gezeugt hat einen Sohn.
JUDE
Gott offenbarte sich am Sinai
Und reichte Moses die Gesetzestafeln.
Das ganze heilige Gesetz, die Tora,
Steht aufgeschrieben in den Moses-Büchern.
Das ungeschriebene Gesetz, die Tora,
Die mündlich überliefert wurde, steht
In dem Talmud und in der Kabbala.
CHRIST
Gott offenbarte sich in seinem Sohn,
Gott ist in seinem Sohn ein Mensch geworden,
Der Gottessohn und Menschensohn zugleich,
Der offenbarte uns das Wesen Gottes
Als Gott, der Vater, Sohn und Heilige Geist.
AKBAR
Wie kann ein Gott denn drei Personen sein?
CHRIST
Wie Aristoteles, der Philosoph,
Gelehrt, ist Gott die göttliche Vernunft,
Ist Gott der reine Geist, der sich erkennt.
Und Plotin sagt, die höchste Gottheit ist
Der Denker, das Gedachte und das Denken.
AKBAR
Mein Hinduist, was meinst denn du dazu:
Der Denker, das Gedachte und das Denken?
Der Denker, das Gedachte und das Denken?
HINDUIST
So höchst subtile Dinge kenn ich nicht,
Ich weiß nur Eines: Gott ist meine Mutter!
AKBAR
Auch alle eure Offenbarungen
Erklären mir das Wesen Gottes nicht.
Denn jede Gottheit offenbart sich anders.
Darum beschließe ich, dass die Vernunft,
Die menschliche Vernunft entscheiden soll,
Die menschliche Vernunft steht überm Glauben.
ACHTE SZENE
AKBAR
Mein lieber Portugiese, ich verehre
Die hohen Götter aller Religionen.
Erzogen wurde ich zwar im Islam
Und ehre den Islam wie meine Oma,
Doch als ich las im Epos Mahabaratha
Und in dem Weisheitsepos Bhagavadgita
Und als ich las die Mystiker-Poeten
Der Hindu und die Hohenlieder Krishnas
Und seiner Brautgenossin Radha, da
Begann ich, an die Seelenwanderung
Zu glauben. Das empörte sehr die Moslems.
Ein alter Jude aber sagte mir,
Die Mystiker der Juden, Kabbalisten,
Auch glaubten an die Seelenwanderung
Wie auch Pythagoras, der Philosoph.
Doch auch bei den Propheten Zarathustra
Fand ich die Lehre von dem guten Gott
Und von der Heiligkeit des Sonnenfeuers,
Drum trage ich als Jünger Zarathustras
Das Büßerhemd, den Gürtel Zarathustras.
Auch die Jaina-Religion erscheint
Mir Lebensfreundlichkeit zu sein und Liebe.
In meiner Jugend liebte ich die Jagd
Und jagte wilde Löwen, wilde Tiger.
Doch für die Jünger des Jaina-Glaubens
Beschloss ich, alles Jagen zu verbieten,
Ja, an bestimmten Tagen auch das Schlachten
Von Opfertieren für der Götter Hunger,
Das konnten auch die Moslems nicht ertragen.
Ich aber habe für den Staat beschlossen,
Daß alle Religionen ihre Kulte
Frei praktizieren dürfen. Toleranz
In meinem Staat ist das Gesetz des Kaisers.
Der Kaiser ist das tolerante Vorbild,
Drum nahm ich Weiber auch verschiednen Glaubens.
Die Weiber, die an Buddha glauben, die
Verehren Guan Yin als Mitleidsgöttin,
Die Fraun, die den Barhmanenglauben haben,
Die glauben an die Göttin Maha-Devi,
Die Weiber, die erzogen im Islam,
Vertrauen auf die Hand der Fatima.
Jetzt fehlen nur noch Katholikinnen
In meinem Harem, die Maria lieben.
JESUIT
Was denkst du über unsern Glauben, Kaiser?
AKBAR
Ich weiß es nicht. Ich hörte schon als Moslem
Von Jesus, dem Messias und Propheten,
Der weder Gott sei noch ein Sohn Allahs.
Die Moslems sagen zwar, die Tora Moses
Und Jesu Evangelium sei Botschaft
Vom einen Gott Allah, allein die Juden
Und Christen fälschten diese Offenbarung.
Ich glaube an die menschliche Vernunft
Und will die Sache selber untersuchen.
Drum bitte ich die Jesuiten innig,
Das Evangelium zu übersetzen
Und Indien, Persien und der Mongolei
In ihrer Muttersprache zu verkünden
Das Evangelium von Jesus Christus.
JESUIT
Das soll geschehen. Darf die Kirche auch
Frei ihre Botschaft von der Liebe Gottes
In Jesus Christus allen Menschen künden
Und predigen und missionieren frei,
Wie frei sind die Buddhisten und Brahmanen
Und frei die Moslems sind in deinem Reich?
AKBAR
Ja, jeder Fromme jeder Religion
Darf frei das eigne Gottesbild verkünden,
Die Jesuiten auch und ihre Kirche.
JESUIT
Darf auch das Evangelium verkünden
Die Kirche Christi hier an deinem Hof?
AKBAR
Dir, Jesuit, vertraue ich sogar
Zur Bildung meinen Erstgebornen an.
Erziehe ihn im Glauben deiner Kirche,
Sprich von der Liebe Gottes, von Maria!
Doch bitte ich dich eines, Jesuit,
Erschrecke meinen kleinen Knaben nicht
Mit finsteren Geschichten von dem Teufel
Und mit Berichten von den Höllenqualen!
JESUIT
Je mehr ich eine Menschenseele liebe,
Je mehr will ich die Menschenseele führen
Zur absoluten, unbedingten Liebe
Des Gottes, der die Menschenkinder liebt!
Sie sollen keine Angst vorm Vater haben!
Ich selber will als väterlicher Lehrer
Des lieben Gottes Vaterherz verkörpern
Und möchte deinem erstgebornen Sohne
Nichts bringen als bedingungslose Liebe!
AKBAR
So werde du der Lehrer meines Sohnes.
NEUNTE SZENE
AKBAR
Besonders die Muslime und die Christen
Versperren sich der großen Toleranz.
Ihr redet stets von eurer Offenbarung,
Ihr pocht darauf, dass Gott sich offenbart.
Wie aber offenbart sich Gott in Wahrheit?
Ist Gott der Eine, welcher einzig ist,
Ist Gott der Eine, welcher einzig ist,
Ist Gott der Eine in den drei Personen?
MUFTI
Die Christen sind die großen Gottgeseller!
Denn wenn die Heiden von den Göttern reden,
So glauben sie ja nicht an Gott den Einen.
Die Christen aber sagen, dass sie glauben
An Gott den Einen, dann behaupten sie,
Auch Jesus und Maria seien Gott.
FRANCOIS XAVIER
Unkenntnis unsres Glaubens ist das nur.
Wir glauben an das Eine Wesen Gottes,
Die Einheit seiner göttlichen Natur,
Doch Gott hat sich in Jesus offenbart
Als Eine Gottheit, doch in drei Personen.
Die erste Gottperson ist Vaterschaft
Und ist die liebende Person in Gott,
Die zweite Gottperson ist Sohnschaft und
Ist die Person, die die geliebte ist,
Die dritte Gottperson ist Geistigkeit
Und ist Vereinigung der zwei Personen
Und ist die Liebe, welche göttlich ist.
So glauben wir an Eine Gottheit, die
In sich ist eine liebende Gemeinschaft,
Und darum auch bekennen nur wir Christen,
Daß Gott die Liebe ist. Ja, Gott ist Liebe!
MUFTI
Gott ist nur Einer, der Allmächtige,
Dem alle sich zu unterwerfen haben!
Drum nur die orthodoxen Moslems sind
Die wahren Gläubigen, die Unterworfnen,
Die wahren Sklaven des Allmächtigen.
AKBAR
Laßt mich in Ruhe mit der Offenbarung!
Ich will nicht blind vertrauen euern Büchern!
Die Krone der Natur ist der Verstand
Des Menschen. Was ich nicht erkennen kann
Vom Göttlichen, das will ich auch nicht glauben.
Ich habe von dem Upanishad gelernt,
Daß alle die verschiednen Namen Gottes
In Wahrheit nur den Einen Gott bezeichnen.
Allah ist ja der Vater in dem Himmel!
MUFTI
Allah ist Unser Vater in dem Himmel?
FRANCOIS XAVIER
Und Jesus Christus ist der Sohn Allahs?
MUFTI
Das ist ja Ketzerei und Blasphemie!
Allah hat keine Töchter, nicht Allath,
All-Uzza nicht, die Schwanengöttinnen,
Fürsprecherinnen nicht im Himmelreich,
Allah hat auch nicht einen Sohn gezeugt!
Ja, Jesus ist ein heiliger Prophet,
Doch der Messias ist nicht Gottes Sohn!
FRANCOIS XAVIER
Wer aber nicht bekennt, dass Gott ein Mensch
Geworden ist in Jesus dem Messias,
Stammt vom Mysterium des Antichristen!
MUFTI
Jetzt zünden wir den Feuerofen an
Und heizen siebenfach das Feuer an,
Dann nehm ich in die Hände den Koran,
Das wahre Buch der Offenbarung Gottes,
Du Christ nimmst in die Hände deine Bibel,
Wir werfen dann uns in den Feuerofen!
Dann wird der Herr das Gottesurteil fällen!
Denn du mit deiner Bibel wirst verbrennen,
Der heilige Koran wird nicht verbrennen!
FRANCOIS XAVIER
Du sollst den Herrn, den Schöpfer, nicht versuchen!
Nie werde ich das Buch der Bücher nehmen
Und selbst die Bibel in das Feuer werfen!
So können nur die Feinde Gottes reden!
AKBAR
Ich ehre, Mufti, deinen starken Glauben.
Und weil du mir zutiefst sympathisch bist,
Drum bitt ich dich, steig schon mal in das Feuer,
Vielleicht traut sich der Christ, dir nachzufolgen,
Dir kann ja nichts passieren, lieber Mufti.
Ich jedenfalls will den Verstand behalten
Und traue Averrhoes und Avicenna,
Daß die Vernunft des Menschen weiser ist
Als der Koran, als des Propheten Worte.
FRANCOIS XAVIER
Wenn die Vernunft des Menschen nicht erleuchtet
Wird von dem Glauben an die Offenbarung,
Erkennt die menschliche Vernunft allein
Nicht die Dreifaltigkeit des einen Gottes.
AKBAR
Ich treff mich lieber mit den rationalen
Vertretern reiner menschlicher Erkenntnis,
Mit Rationalisten und mit Humanisten,
Als mit den frommen Fundamentalisten
Und blinden Hörigen der Offenbarung.
ZEHNTE SZENE
AKBAR
Ich will in meinem Kaiserreiche Indien
Ein religiös geeintes Volk, ich will
Auf die Vernunft begründet einen Glauben,
Der alle die Bekenntnisse und Sekten
Vereinigt in dem einen Credo: Gott
Ist Gott und alle Menschen seine Kinder.
MUSLIMISCHER PHILOSOPH
Wir bringen Philosophenwissenschaft
In diese neue Einheitskirche ein,
Daß nicht die trennenden Bekenntnisse
Und Offenbarungen und Dogmen zählen,
Allein die rationale Logik zählt,
Wie Aristoteles sie uns gelehrt.
DERWISCH
Die Mystik des Islam bringt in die Kirche
Des Einen Gottes ein die Trunkenheit,
Den Tanz, ja, selbst das Tanzen auf den Gräbern!
BRAHMANE
Die heilige Brahmanenkaste Indiens
Schenkt unsrer neuen Einheitskirche Weisheit
Und Wege zur Vereinigung mit Gott
Durch theosophische Erkenntnis, dass
Das Wahre Selbst ist eins mit Gottes Geist.
JAINA-MÖNCH
Die Jünger der Jaina-Religion
Der Einheitskirche machen zum Geschenk,
Daß Gott der Schöpfer aller Kreaturen
Und dass vernünftige Geschöpfe wie
Die Menschen niemals Tiere essen sollen.
BUDDHIST
Wir Jünger unsres großen Meisters Buddha
Der Einheitskirche schenken die Versenkung,
Das Meditieren, das Erlöschen und
Die Ich-Erlösung in der großen Leere.
AKBAR
Und so sind alle Gotteskinder Brüder.
Jedoch den Pfaffen der Ecclesia
Catholica hab ich nicht eingeladen.
Ich weiß, er ist der Meinung, dass die Kirche
Von Rom allein die wahre Kirche ist
Und dass der Glaube dieser wahren Kirche
Der wahre Glaube an den wahren Gott ist.
Und darum lehnt auch dieser Pfaffe ab
Das Einheits-Ethos unsres Synkretismus.
DERWISCH
Um eines doch beneiden wir die Römer:
Um ihren Papst, den Stellvertreter Gottes.
Um ihren Papst, den Stellvertreter Gottes.
AKBAR
Um dieses Element der Religion
In unsre Einheitskirche aufzunehmen,
Erkläre ich mich selbst, der große Akbar,
Zum Papst und Cäsar unsrer Einheitskirche!
Als Oberhaupt der Einheitskirche Indiens
Ist Akbar als Cäsaropapst unfehlbar
Und definiert den einen wahren Glauben.
ALLE
Wir alle stimmen deinem Credo zu.
AKBAR
Wir glauben an den Einen Gott der Götter,
Der unerkennbar ist und namenlos.
Die Gottheit offenbart sich in der Welt,
Die Schöpfung ist der Schleier dieser Gottheit.
Der Gott ist Eins und Alles. Gott ist Welt.
Ja, jede Seele ist ein Funke Gottes.
Gott ist der Schöpfer aller Lebewesen
Und darum kündet unser sanfter Glaube
Die Lebensrechte aller Kreaturen
Und predigt vegetarische Ernährung.
Von aller Pflanzennahrung sind verboten
Die Bohnen. In den Bohnen nämlich wohnen
Die Ahnenseelen, die wir ehren sollen.
Desweiteren beschließt die Einheitskirche,
Daß es fortan verboten ist, Moscheen
Zum Gottesdienste zu besuchen und
Verboten gleichfalls, Kirchen zu errichten,
In denen Gottes Sohn geopfert wird.
Die Gotteshäuser aller Religionen
Verwandeln wir in Pferdeställe, Schenken,
Tanzhäuser oder Freudenmädchenhäuser.
Kein Gott soll fortan mehr in Indiens Reich
Verehrt und angebetet werden als
Der Eine Einheitsgott des Synkretismus!
DERWISCH
Ich wusste immer, dass der wahre Gott
Nicht wohnt in Kirchen, Tempeln und Moscheen,
Daß Gottes Wahrheit wohnt vielmehr im Wein!
BUDDHIST
Ich wusste immer, dass die Götter alle
Bedürftig der Erlösung sind, dass über
Den Göttern steht die absolute Leere.
HINDUIST
Ich wusste immer, dass die Götter alle
Ein Gott nur sind und dieser Gott ist Welt.
JAINA-MÖNCH
Ich wusste immer, dass man Gott nicht liebt,
Wenn man das Fleisch von einem Tier frisst.
MOSLEM
Ich wusste immer, dass der eine Gott
Ist einer und der Einzige allein.
AKBAR
Gott ist der Kosmos! Gott ist Ich und Du!
Ein Anathem den Katholiken Roms!