Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

APHRODITE IN FLAMMEN


Eine Komödie von Josef Maria Mayer


ERSTE SZENE


(Homer allein in seinem Haus.)

HOMER
Nun bin ich fünfzig Jahre alt,
Der Tod naht mir mit Machtgewalt,
Doch wen die jungen Götter lieben,
So steht es in der Schrift geschrieben,
Den lassen sie auch jung versterben
Und das Elysium ererben.
Das Alter ist ein grauer Mann,
Er klopft ganz ungelegen an
Und stört mich in der schönen Muße
Und ruft zu Reue auf und Buße.
Nun, den Geburtstag soll ich feiern,
Soll stimmen meine goldnen Leiern
Und Hymnen singen für den Tag,
Da ich geboren ward. Ich mag
Es meiner Mutter gar nicht sagen,
Doch muß ich diesen Tag beklagen:
Weh, Mutter, dass du mich geboren,
Der in der blinden Welt verloren
Als Götterseher unter Blinden,
Um nichts als Jammernot zu finden!
Doch Aphrodite ist gesellig,
Sie feiert mich. Doch unterschwellig
Sie feiert selber sich und will,
Daß ich nicht einsam bin und still,
Daß ich bereite in dem Neste
Die Fröhlichkeit von einem Feste.
Daß Aphrodite auf der Szene
Nicht einsam ist, kommt auch Athene,
Der Aphrodite Busenfreundin
Und meine schlimmste Minnefeindin.
Der fromme Dichter soll nicht lästern,
Die beiden schönen Himmelsschwestern
Schon zwanzig Jahre mich ergötzen.
Sie fingen an als junge Metzen,
Nun sind sie fromme alte Nonnen
Und keusch wie heilige Madonnen.
Doch Aphrodite eifersüchtig
Betrachtet, wenn Athene züchtig
Mich reißt zu Leidenschaften hin,
Der klug ich wie Odysseus bin
Und bet zum Strahlenaug Athene
Und weine Träne über Träne
Vor Liebessehnsucht jede Nacht.
Doch Aphrodite gerne lacht.
Jetzt aber sag ich ein Geheimnis,
Jetzt ohne weiteres Versäumnis
Erwart ich das Geburtstagsfest,
Weil sich was Neues sehen lässt.
Das Neue aber ist das Alte.
In meiner Jugend in dem Walde,
Da liebte ich das keusche Reh,
Die Hindin, die so weiß wie Schnee,
Mondgöttin in der Finsternis,
Die Jugendliebe Artemis!
Und Artemis schrieb einen Brief
Mit Liebesworten schön und tief,
Sie wolle wieder mich besuchen
Und mit mir kosten Feigenkuchen
Und über alte Zeiten plaudern.
Ihr Musen, mich befällt ein Schaudern!
Wenn Artemis tritt auf die Szene,
Vergleichen will ich sie Athene.
In meiner Kammer stillem Saal
Schau meiner Jugend Ideal
Beim Ideale meines Alters
Ich sitzen. Saiten meines Psalters,
Wen werdet ihr dann rühmen, loben?
Wem werden meine Sinne toben?
Ach, Artemis in ihrer Jugend
War Jungfraungöttin voller Tugend,
Und Aphrodite an der Küste
Wild schüttelte die großen Brüste,
Athene aber in Hesperien
Mich unterwies in den Mysterien.
Drei Göttinnen, o welche Pein,
Sie sollten alle Eine sein!
Wie Artemis sie sollte schreiten
Und keusch wie eine Hindin gleiten,
Wie Aphrodite sollt sie lachen
Und lauter liebe Sachen machen
Und sollte wie Athene reden
Nur von Elysium und Eden.
Ich bin ganz aufgeregt, ihr Musen,
Ich bräuchte Aphrodites Busen,
Den völlig aufgewühlten Willen
An Aphrodites Brust zu stillen!
Daß nach der Todesfinsternis
Ich wieder sehn soll Artemis!
Jedoch, es klingelt an dem Tor,
Die Aphrodite steht davor,
Die Göttin mit dem schönen Hintern,
Sie kommt mit ihren lieben Kindern.


ZWEITE SZENE


(Homer, die fünfzigjährige Aphrodite, mit ihrem Sohn, dem zehnjährigen Apoll,
und den sechsjährigen Zwillingen Eros und Anteros. Eros und Anteros treten fröhlich lärmend in Homeros Eremitenzelle.)

APHRODITE
Viel Liebeswonne und viel Segen,
Mein Schatz, auf allen deinen Wegen!
HOMER
Was schenkst du mir zum Jammertag?
APHRODITE
Was du dir wünschst, mein Liebling, sag!
HOMER
O, einmal möcht ich dich noch küssen!
Wie schwer, die Küsse zu vermissen!
APHRODITE
Hier auf die weiche Pfirsichwange
Bei meiner braunen Lockenschlange?
HOMER
Nein, Aphrodite, auf die Lippen!
Und nicht nur so am Mündchen nippen!
Nein, heiße Küsse sollen taugen,
Den Saft mir aus dem Mark zu saugen!
(Aphrodite küsst Homeros.)
APHRODITE
Nun, meine vielgeliebten Kinder,
Homeros ist ein Überwinder,
Er war im weltlichen Theater
Euch wie ein lieber Herzensvater!
Kommt, fasst euch an den Patschehändchen,
Bringt Väterchen Homer ein Ständchen!
DIE KINDER
(singen)
Wie schön, dass du geboren bist,
Wir hätten dich sonst sehr vermisst!
APOLL
Homer, die vielen Bücher da
Hast du gelesen, Vater, ja?
HOMER
Hab viele Bücher schon gehabt
Von schlechten Dichtern unbegabt
Und auch von trefflichen Poeten,
Von Musenpriestern und Propheten!
Wenn ich sie alle heut noch hätte,
Sie reichten mir zu meinem Bette,
Ich fände dann in meinem Stübchen
Doch keinen Platz mehr für ein Liebchen!
EROS
Wann darf ich wieder bei dir schlafen?
Mein Schiff will in den Heimathafen!
Man nennt mich Schelm und Schalk und Bube,
Wohl ist mir nur in deiner Stube!
APOLL
Ja, in der Stube ungelüftet
Es stets nach Süßigkeiten düftet!
ANTEROS
Was machst du mit den vielen Flaschen?
Hast du was Leckeres zu naschen?
HOMER
Für Aphrodite Feigenkuchen
Und auch noch zwei Rosinenkuchen.
APHORODITE
Ein Feigenkuchen, welche Lust!
Wie hüpft das Herz mir in der Brust!
Und zwei Rosinenkuchen auch!
Ein Falter flattert mir im Bauch!
APOLL
Komm, Eros, zu der Spielzeugkiste!
EROS
Erst, wenn mich mein Homeros küsste!
APOLL
Anteros, komm, wir wollen spielen,
Hier in der Spielzeugkiste wühlen.
EROS
Ich bin der süße Knabe Eros
Und du mein Väterchen Homeros,
Ich will auf deinem Schoße sitzen,
Mit Blicken dir ins Auge blitzen,
Die Arme schlingen um den Hals
Und küssen will ich jedenfalls
Mit meinen Lippen deine Lippen
Und dann am Apfelnektar nippen.
APHRODITE
Mein Kind, so wahr lebt Jesus Christ,
Du weißt, dass du der Liebling bist
Und dass das Väterchen Homeros
Verliebt ist närrisch in den Eros!
Doch hab Erbarmen mit der Mutter,
Mein Busen ist so weiß wie Butter,
Ich wurde wegen meinem Busen
Auch eine von Homeros Musen,
Als ich noch war die Lustig-Junge!
HOMER
Ja, Schatz, und wegen deiner Zunge!
APHRODITE
Wie, wegen meinem dummen Schwatzen,
Wie, oder wegen meinem Schmatzen?
HOMER
Wie deine Zunge mich liebkost!
Erinnerungen sind mein Trost!
(Es klingelt an der Tür.)


DRITTE SZENE


(Homer, Aphrodite und ihre Kinder, die fünfzigjährige Athene tritt ein.)

ATHENE
Homer, mein Freund, ich wünsch dir Glück!
HOMER
Zum Ungeborensein zurück?
ATHENE
Das Glück steht erst am Ziele, sieh,
Die Ewige Eudämonie
Erwartet dich! Doch überleg:
Das Glück ist dienlich nicht als Weg.
APHRODITE
Suchst das Geheimnis du des Glücks?
Such eine Freundin dir am Styx...
ATHENE
Ach Aphrodite, Busenfreundin,
Du meine schlimmste Herzensfeindin,
Tyrannin aller Himmelsgötter,
Heut hoffentlich ist schönes Wetter,
Ich will spazieren noch durchs Feldchen
Zum stillen schönen Eichenwäldchen.
APHRODITE
Was willst denn du im Walde suchen?
Hier wartet dein der Feigenkuchen!
ATHENE
O, Kuchen! Wie im Paradies!
Die Feige ist doch honigsüß!
APHRODITE
Und schau, Homer, der alte Knilch,
Hat einen Krug voll Ziegenmilch.
ATHENE
Er nennt uns beide: alte Zicken
Und sehnt sich schon nach jungen Ricken!
APHRODITE
Ob alte Zicken, junge Ricken,
Die Männer wollen immer ficken!
HOMER
In meiner Jugend ein Gedicht
Las ich dir vor, da reimt ich schlicht
Der Glocke baumelndes Gebimmel
Auf Gottes Heiterkeit im Himmel.
APHRODITE
Ich reimte: Himmel und Gebimmel,
Ich weiß, Homer, das reimt auf Pimmel.
ATHENE
Er nennt uns auch schon: alte Huren!
Doch wir sind Göttliche Naturen!
Wenn wir uns selber so verachten
Und uns als Tempelhuren achten,
Sind selbst wir an der Schande schuld.
Doch pflegen wir den Ego-Kult
Und lieben selber uns am meisten,
Dann wird uns unser Selbst begeisten,
Dann sind wir Göttinnen im All.
HOMER
Ja, ich bin deine Nachtigall,
Athene, du bist Gottes Rose!
APHRODITE
Und heut kommt auch die Makellose,
Die Jungfraungöttin voller Tugend,
Die Vielgeliebte deiner Jugend,
Die alte Dame Artemis?
HOMER
Sie stürzte mich in Finsternis,
Mein Herzblut sprudelte blutrot,
Da griff nach mir schon Bruder Tod!
ATHENE
O Aphrodite, Stern der Schwestern,
Laß über Artemis uns lästern!
Hast du gesehen je ihr Bild?
Sie lebt ja scheu im Wald und wild.
APHRODITE
Ich sah ihr Bildnis von Apelles,
Das Augenpaar ein mondweiß helles,
Doch, bei dem Mittler und Versöhner,
Ich bin doch wirklich vielmals schöner!
Der Artemis Gesicht ist spitz,
Die Brust kein hüpfend Zwillingskitz,
Die krausen Locken dunkelblond,
Das Antlitz bleich und nicht besonnt.
ATHENE
Homeros, Aphrodites Ex,
Er hatte damals keinen Sex
Mit Artemis in seiner Jugend,
Drum preist er sie als Stern der Tugend.
HOMER
Athene, meine Weisheitsgöttin,
Mein Ideal, ersehnte Gattin!
Schon zwanzig Jahre lieb ich dich
Und widme deinem Dienst mein Ich,
Doch hab ich oftmals mich gesehnt
Und vor Verlangen heiß gestöhnt,
Daß ich dich sehe, neben dir
Frau Artemis in ihrer Zier,
Und dann euch beiden Gnadenreichen
Wollt prüfen ich und streng vergleichen.
APHRODITE
Du betest diese beiden an?
Ich aber liebe dich, mein Mann!
(Es klingelt an der Tür.)


VIERTE SZENE


(Zu den Vorigen, Artemis tritt ein.)

ARTEMIS
Homer, so lange nicht gesehn
Seit unsrer tollen Jugend schön,
Und doch erkennen wir uns wieder!
Und singst du heut noch deine Lieder?
HOMER
Vorstellen will ich dir die Schwestern,
Die Vögelinnen in den Nestern.
Dort die, um die ich mich bemühte,
Die Liebesgöttin Aphrodite,
Und dort die Quelle mancher Träne,
Die Weisheitskönigin Athene.
APHRODITE
Du also bist die Artemis?
O, bei der Höllenfinsternis,
Weißt du denn auch, dass mich verließ
Homeros in dem Paradies,
In allen Lüsten unsrer Jugend,
Weil er begehrte deine Tugend?
ARTEMIS
Ja, ja, wir waren jung und rein,
Ich aber lud ihn niemals ein,
Er wählte mich zur Auserkornen,
Doch war ich stachlig wie die Dornen,
Er konnte lispeln, lallen, fisteln,
Ich glich den Nesseln und den Disteln,
Homeros aber kennt kein Nein,
Da machte er mir manche Pein,
Da stand er immer vorm Balkon
Bei dem Kastanienpavillon
Und sang dort immer zur Gitarre:
O Artemis, ich harre, harre,
Ich harre bis zu meinem Tod
Und in der letzten Todesnot
Und selber nach dem Tode doch
Lieb ich dich trotzdem immer noch!
So sang der närrische Homeros.
APHRODITE
Worüber lachst du, lieber Eros?
EROS
Ach, diese spitze Hakennase
Der Dame Artemis! Ich rase!
Und diese schmalen, dünnen Lippen,
Die immer schwarzen Tee nur nippen!
ARTEMIS
Homer, woher kommt dieser Bube,
Ja, all die Kinder in der Stube?
HOMER
Ich habe selber keine Kinder,
Doch alle Griechen, alle Inder,
Das ganze irdische Theater
Lieb ich als herzensguter Vater.
Und, Artemis, bist du auch Mutter?
War je dein Busen voll von Butter?
ARTEMIS
Was weißt du denn von meinen Brüsten?
HOMER
Im Bade einst mich tats gelüsten,
Du warst im Badezimmer nackt,
Ganz ein Modell für einen Akt.
ARTEMIS
Wer sollte je mich nackend finden,
Den reih ich in die Schar der Blinden.
APHRODITE
Was tust du dich so züchtig zieren,
Willst du denn keinen Mann verführen?
ARTEMIS
Ach, diese arroganten Männer,
Die einen spielen Alleskönner,
Die andern spielen Müßiggänger
Und Taugenichts und Grillenfänger!
Nein, lieber bleibe ich allein,
Ich bin noch Jungfrau keusch und rein,
Bin selbstbestimmt, ein freies Weib,
Mir ganz allein gehört mein Leib,
Mir ganz allein gehört mein Bauch!
HOMER
Ist alles nichts als eitler Hauch!
Im Alter bist du noch ein Mädchen,
Im Lockenhaar schon Silberfädchen,
Du alte Jungfer Trockenpflaume!
Dich sah ich einst in meinem Traume
Und hielt dich für die Maid Maria
Und für die Hagia Sophia?
APOLL
Komm, lass uns lieber Karten spielen!
Hier die Zentaurenkrieger zielen!
ANTEROS
Ich geb dir dafür Amazonen,
Auch Drachentöter und Äonen!
Laß mich in deine Karten schauen!
EROS
Ich hab drei Kleine Meerjungfrauen!


FÜNFTE SZENE


(Wäldchen vor Homeros Hütte. Artemis und Athene gehen zusammen spazieren.)

ATHENE
Ich hielt es nicht mehr länger aus
In diesem muffig-dumpfen Haus,
Den Besen hat er nie benutzt,
Nie Staub von Büchern abgeputzt.
ARTEMIS
So war er schon in seiner Jugend,
Die Reinheit ist nicht seine Tugend.
ATHENE
Wie war er in der Jugend denn?
Erzähl mir von dem Liebenden!
ARTEMIS
Er betete zu mir, als wäre
Ich Gott! Das ist zuviel der Ehre!
Ich sprach in meinem weißen Rock:
Ich aber habe keinen Bock
Auf deine Leidenschaft der Triebe
Und deine religiöse Liebe!
ATHENE
Hat er dich da in Ruh gelassen?
ARTEMIS
Denk ich daran, muß ich ihn hassen!
Er lagerte vor meiner Türe,
Er streckte tierisch alle Viere
Und bettelnd wie ein Straßenhund
Er schrie: Ich bin am Herzen wund!
O Retterin, du musst mich heilen!
Komm, Vielgeliebte, lass uns eilen!
Wir sind doch schon seit Millionen
Von überhimmlischen Äonen
Zu einem Liebespaar bestimmt!
ATHENE
O, wie mir meine Seele grimmt!
Da werd ich armes Weibchen männlich,
Entzündlich und im Zorne brennlich,
Weil seines Mundes übler Hauch
Zu mir das Gleiche sagte auch!
ARTEMIS
Er predigte auch dir wie Pfaffen,
Du seiest nur für ihn erschaffen?
ATHENE
Bevor die Mutter ihn empfangen,
Wir wären schon vor Gott gegangen
Als Eheleute Hand in Hand,
Vereinigt im Ideenland!
ARTEMIS
Da siehst du seine ganze Narrheit!
Es ist doch wahrlich Gottes Wahrheit
Getreuer als der weise Plato
Und als der Advocate Cato.
ATHENE
Das sind nun meine lieben Leute.
Doch frag ich mich, was das bedeute,
Daß unser Narr noch nach dem Tod
Will schenken mir die Rose rot
Und in Elysium mich freien,
Im Himmel würde ich mich weihen
Schlussendlich seinem Durst der Triebe
Und stillen ihn mit meiner Liebe!
ARTEMIS
Das sagte er ja auch zu mir:
O Jungfrau voll der Zierrat Zier,
Ich lieb dich bis zur Todesstunde
Und schwöre dir mit heißem Munde,
Ich lieb dich nach dem Tode noch
Als Engel in dem Himmel doch!
ATHENE
Wie er in trunkener Ekstase
Nur immer lallt die gleiche Phrase!
ARTEMIS
Ich aber zornig sagte ihm:
Du Schwärmer! Du liebst zu sublim
Ja nur die Himmlische Idee!
In deinem blauen Auge seh
Ich die Ikone der Maria,
Den Glanz der Hagia Sophia!
Doch ich bin aus der Welt der Schatten,
Ich will mich einem Schatten gatten!
Du aber liebe immer wilder
Ideen, Ideale, Bilder!
ATHENE
Er hat es selber mir gestanden,
Als er war in der Liebe Banden:
Ich liebe niemals eine Frau,
Allein der Ideale Schau,
Wenn über einem Weib ich seh
Den Glanz der Himmlischen Idee!
Die Himmelskönigin Madonne
Allein ist meine Liebeswonne!
ARTEMIS
Er liegt gewiss grad jetzt zu Füßen
Der Aphrodite, um der Süßen
Den selben Unsinn zu erzählen
Von ihren parallelen Seelen!
ATHENE
Wie leid tut mir Urania!
ARTEMIS
Der arme Dichter! Ha, ha, ha!


SECHSTE SZENE


(Homer und Aphrodite allein in der Kammer.)

HOMER
Die Kinder spielen draußen schön!
Ach Aphrodite! Hör, ich stöhn:
Wenn ich doch noch ein Kindlein wäre
Und mein Großmütterchen voll Ehre
Mich wieder in die Arme nähme!
APHRODITE
Vor Aphrodite dich nicht schäme
Der Trauer schwachen Augenblicke.
Schau, wie ich lächelnd gnädig nicke!
HOMER
Apoll sprach gestern ein Gedicht.
APHRODITE
Sag, wie mein Sohn in Reimen spricht!
HOMER
(zitiert)
Von Blut zu Blut die Todesleiden
Wild wühlen in den Eingeweiden!
APHRODITE
Das spricht dir ganz aus deinem Herzen,
Nicht wahr, du Mann der Liebesschmerzen?
Wie schön du mit den Kindern spielst
Und auch mit ihrem Kummer fühlst,
In diesem tragischen Theater
Des Jammertals ein lieber Vater.
Weißt du, mein Ehemann Vulkan
Sah dich nur immer neidisch an,
Er klagte seiner Mutter das,
Der Göttin Juno. Weißt du, was
Die Göttin Juno da gesagt?
Ich höre, wie Vulkanos klagt,
Homeros sei sein Überwinder,
Homeros sei der Gott der Kinder!
Apoll, Anteros und der Eros
Sind doch gezeugt von dem Homeros,
Und dem Vulkan, dem Sohn, dem lieben,
Du tatest sie dann unterschieben!
So sprach die Göttin Juno. Ha,
Homer, das sagt Urania:
Ich liebe dich mit ganzem Triebe
Für deine treue Kinderliebe!
Und dafür will ich dich belohnen,
Erlaube dir, mir beizuwohnen!
HOMER
Was sagt dazu dein Ehegatte,
Der Satansbraten, diese Ratte?
APHRODITE
Wir leben ja in Griechenland,
Hier schrieb kein Gott mit seiner Hand
Auf Felsentafeln seinen Fluch,
Ich Göttin lieb den Ehebruch,
Im Goldenen Äone wars,
Als ich Vulkan betrog mit Mars!
HOMER
Ja, weißt du noch, in unsrer Jugend,
Als wir noch töricht frei von Tugend,
Wie wir da in der Sommersonne
Genossen wilde Liebeswonne?
APHRODITE
Willst du dich wieder auf mir wälzen
Wie damals bei dem Klippenfelsen?
HOMER
Auch das war schön, doch denke ich,
Wie ich dereinst genossen dich
Süß unterm Blütenpavillon
Kastanienbaums auf dem Balkon.
APHRODITE
Ah, ich erlange die Erhellung,
Du meinst die wunderschöne Stellung,
Da Kopf und Füße man vertauscht?
HOMER
Oh, ich bin ganz von Lust berauscht!
APHRODITE
Nun zieh mir meine Kleider aus,
Wir sind ja ganz allein im Haus,
Wir wollen nach der Liebe Regeln
Wie Tauben-Eheleute vögeln!
HOMER
O du Modell für einen Akt,
Wie göttlichschön bist du doch nackt,
Du Liebe voller Liebeslüste,
Wie majestätisch deine Brüste!
APHRODITE
Du wirst mit deinem Lied mich krönen.
Den Apfel schenkst du mir, der Schönen?
HOMER
Den Apfel hast du auch verdient,
Weil du der Liebe gut gedient
Als Magd der Götter, Hierodule!
Die Magd der Götter meine Buhle!
Nun ich dich fleißig auch bediene,
O Göttin, meine Konkubine!
(Sie verschwinden im Schlafzimmer.)


SIEBENTE SZENE


(In Homeros Wohnzimmer. Die Kinder spielen. Aphrodite isst Feigenkuchen. Artemis und Athene diskutieren. Homer beobachtet alles.)

ARTEMIS
Die Herren Männer halten sich
Fürs Ebenbild von Gottes Ich,
Als Erste in der Welt erschienen,
Daß alle Frauen ihnen dienen.
Wir sollen still sein und demütig
Und lieblich, zärtlich und sanftmütig,
Als ewig sanfte stille Weibchen
Erquicken sie mit unsern Leibchen,
Empfänglich stets, nur lauschen stille,
Was uns verkündet Männerwille
Und zu des Wortes Mannessamen
Als Mägde sagen Ja und Amen.
ATHENE
Der Urmensch war doch androgyn!
In meiner Weisheit sag ich kühn
Wie einst Aristophanes sprach,
Daß Gott das Urgeschöpf zerbrach,
Daß alles strebend jetzt erfleht
Erneut die Androgynität,
Daß Weiber männlich werden müssen
Und Männer wieder weiblich küssen.
Wenn männlich wird das Feminine
Und weiblich wird das Maskuline.
Der Urmensch, androgyner Zwitter,
Erscheint erneut. Doch das ist bitter
Für jene maskulinen Kerle,
Die suchen nur des Weibes Perle
Und sagen: Weiber, seid doch weiblich,
Seid ewigweiblich seelisch-leiblich,
Seid Töchter, Mädchen, werdet Mütter.
Die Kerle hassen dann den Zwitter,
Den Gott der Schöpfer einst zerbrach,
Sie wollen ihre Weibchen schwach
Und immer gütig, immer mild
Und schön wie ein Madonnenbild
Und starren allezeit hypnotisch
Auf Weibes Leibchen hoch erotisch.
ARTEMIS
Das alles ist doch patriarchalisch,
Der Anfang aber matriarchalisch
War Frauenherrschaft in der Welt.
Kein Herrgott sprach vom Himmelszelt,
Auf Erden war die Große Mutter,
Ein Paradies von Seim und Butter!
Der Großen Mutter Priesterinnen,
Das waren Jungfraunköniginnen.
Dort herrschten nicht die Hausfraunmütter,
Die Kindersorgen haben bitter,
Den Kindern geben Seim zu naschen,
Dann eilen Wäsche sie zu waschen,
Dann waschen sie die Kinderköpfe
Und putzen Pfannen dann und Töpfe,
Die Mütter voller Alltagssorgen
Regierten nicht am Weltenmorgen,
Vielmehr die femininen Nonnen,
Voll Geist jungfräuliche Madonnen,
Der Jungfraungöttin Priesterinnen,
Jungfräulich-reine Königinnen.
ATHENE
Kein väterlicher Geist vom Himmel
Dort ordnete das Weltgewimmel,
Kein Geist erzeugte dort die Formen,
Gott war nicht Geist und gab nicht Normen
Der patriarchalischen Ehe-Ethik
Und patriarchalischer Poetik,
Nein, an dem Anbeginn kein Vater
Die Welt erschuf, die Magna Mater
War Mater, war Materia,
Materia war immer da,
Materia im Anbeginn.
Ich Materialistin bin!
Materia gebar die Stoffe
Und wird gebären, wie ich hoffe,
Wenn diese Welt zugrunde geht,
Dann eine neue Welt entsteht,
So fort und fort in Ewigkeit.
Nicht linear zum Ziel die Zeit
Führt uns zum Himmel, wo wir strahlen,
Die Zeit bewegt sich in Spiralen,
Und nach der Patriarchen Krieg
Erneut erscheint der Mutter Sieg,
Da kommt die göttliche Asträa
Als Magna Mater Bona Dea
Und Frauenherrschaft bringt den Frieden,
Dann ist das Paradies hienieden.
ARTEMIS
Wir Jungfraun aber unbemannt,
Die Göttin haben wir erkannt.
ATHENE
Die Weisheit zeigt sich uns erkennlich,
Wenn wir als Weiber werden männlich,
Nicht lieblich-feminin, nein, bitter,
Voll Zank und Zürnen, starke Zwitter!
ARTEMIS
Ja, Weiber sollen zänkisch werden!
Dann kommt das Paradies auf Erden!


ACHTE SZENE


(Homer und Aphrodite sitzen Arm in Arm auf dem Sopha und flüstern. Die Kinder werden plötzlich verdächtig still! Artemis und Athene verabschieden sich.)


ATHENE
Es war sehr schön bei dir, Homer,
Nun werde dir dein Herz nicht schwer,
Ergib dich keinen Liebesleiden,
Athene muß jetzt von dir scheiden.
ARTEMIS
Wie schön, dass wir uns wiedersahn,
Jetzt muß ich nach des Schicksals Plan
Von dannen gehn. Du sollst nicht fluchen
Und sollst mich auch nicht weiter suchen!
(Athene und Artemis ab.)
APHRODITE
Es ist mit einem Mal so stille!
Mein Freund, was wäre jetzt dein Wille?
HOMER
Geliebte, alles was wir müssen,
Das ist uns küssen, küssen, küssen.
Du liebes Weib, mit einem Wort:
Komm, treiben wir der Liebe Sport!
APHRODITE
Bei meinem hochverehrten Hintern:
Ich muß erst schauen nach den Kindern.
HOMER
Ich aber frag mich langsam auch:
Was machen sie? Hier riechts nach Rauch!
ANTEROS
Ach liebe Mutter, nicht mehr schwätzen!
Ich, Mama, will dir jetzt was petzen!
Der Eros machte Feuer an!
Das darf nur ein erwachsner Mann.
Er spielte mit dem Feuerzeug!
EROS
Anteros, halt den Schnabel, schweig!
HOMER
Ich glaube, meine Wohnung brennt!
Rasch, vielgeliebte Kinder, rennt!
APHRODITE
Homer, mit Macht von Überwindern
Sei du der Retter meinen Kindern!
Das Feuer, des Geprassels Prasser,
Ich will es löschen mit dem Wasser!
(Homer nimmt Eros auf den Arm, Anteros an die Hand und ruft Apoll zu, so eilen sie hinaus. Das ganze Haus steht in Flammen.)
EROS
Homer, Homer, es ist zu spät!
Die Aphrodite untergeht!
APOLL
Wie hart schlägt Gottes Vaterhand!
Weh, Aphrodite ist verbrannt!
HOMER
Herr Jesus hat sie doch gerettet
Und sie im Paradies gebettet!
Da feiert Jesus Nazarenus
Die Hochzeit mit der Göttin Venus!
EROS
Ach, Aphrodite ohne Mängel,
Ist jetzt geworden unser Engel!
ANTEROS
Was soll jetzt aus uns Kindern werden
In diesem Jammertal der Erden?
HOMER
Ich bringe euch zu dem Zentauren!
Ihr Kinder sollt nicht länger trauren!
Seht, Chiron ist ein Pädagog,
Der Kinder nie gewaltsam bog,
Er macht den einen und den andern
Als Pädagog zu Alexandern,
So klug wie Aristoteles
Und so verliebt wie Sokrates
In Alkibiades gewesen,
Das können wir bei Platon lesen.
Ihr werdet auf Atlantis leben
Und über euch wird segnend schweben
Sankt Aphrodite ohne Mängel,
Fürsprecherin und Hüte-Engel,
Für immer sei euch Advocata
Sankt Aphrodite Immaculata!
EROS
(umschlingt den Hals von Homer und weint)
Ach Herzensväterchen Homeros,
Du liebstes Papachen von Eros,
Wie war die Zeit mit dir so schön!
HOMER
Wir werden uns nie wieder sehn!
Wie grausam, Gott, ist der Verlust!
Ich heul an Aphrodites Brust,
Mich tröste Aphrodites Busen!
Vor Kummer schweigen meine Musen!
Fort ist am Dasein alle Lust
Durch diesen grässlichen Verlust!
Wie soll es mit mir weitergehen?
APOLL
Wird Aphrodite auferstehen?
HOMER
Gott wird sie auferwecken, ja,
Die Selige Urania!


NEUNTE SZENE


(Gebirgsgegend, Hain von Ölbäumen, Eichen. Über einer Steineiche eine seltsame Lichterscheinung. Homer staunt die Lichterscheinung an.)

HOMER
Die weißen Laken eines Bettes
Trägt dieses Weib, es ist ein nettes,
Ich sehe kein Gesicht voll Charme
Und seh am Leibe keinen Arm...
(Plötzlicher Windstoß rauscht in den Eichen.)
O Gott, du rauschst in diesem Wind!
Was bin ich armes Menschenkind,
Daß du dich meiner annimmst, Gott?
Ich bin nur Odem im Schamott!
(Plötzlich kommt ein junges Mädchen, sie ist wunderschön, wie das Modell eines Venusmalers.)
Wer bist du, wunderschönes Mädchen?
Du kommst woher, aus welchem Städtchen?
HELENA
Ich bin die Helena von Sparta,
Bin nicht Maria und nicht Martha,
Ich bin die junge Helena,
Die Nichte der Urania!
HOMER
Wie alt? Wie lang sind deine Haare?
HELENA
Ich zähl im Maien sechzehn Jahre.
Die braunen Haare reichen so
Mir beinah bis zu meinem Po.
HOMER
Bildhauer möchte ich sein, bei Amor,
Und hauen deinen Leib aus Marmor.
Ich wäre ein Praxiteles,
Dem zugeschaut einst Sokrates,
Wie er gemeißelt schön die Phryne
So aphrodisisch schön, der Kühne.
Ja, oder ich wär der Apelles,
Ich malte dann ein Bild, ein helles,
Wie Kypris steht auf einer Muschel
In ihrer Lockenflut Gewuschel.
HELENA
Wer bist du denn, bist du ein Maler?
Du bist ein alter Mann, ein kahler,
Ein alter Mann mit dickem Bauch
Und stinkend deines Mundes Hauch.
Ich aber, schön wie Stella Maris,
Ich lieb den schönen Jüngling Paris!
HOMER
Ob Matutina oder Maris,
O Stella, liebe nur den Paris,
Ich will dich ja auch nur bedichten.
Sonst gäb es ja auch nur Geschichten,
Wenn ich dich lieben wollte, Kind.
Du weißt doch, wie die Leute sind.
Ich schreib ein episches Gedicht,
Den Hymnus auf dein Angesicht.
HELENA
Homer, das ist zuviel der Ehre,
Das ist ja mehr als ich begehre.
Ich schon die Iliade seh
Und lese schon die Odyssee.
Doch zeig die Bücher, deinen Veda,
Nicht meiner strengen Mutter Leda!
HOMER
Die Königin ist fromm und züchtig.
HELENA
Sie ist auch rasend eifersüchtig,
Besonders, wenn ein trunkner Dichter
Preist ihrer Tochter Augenlichter
Und schwärmt für ihrer Tochter Charme
Und Reiz und Liebreiz – Gott erbarm! –
Dann wird die Luft für Leda stickig,
Dann wird sie zänkisch, wird sie zickig!
HOMER
Was sagt die Mutter Leda dann?
HELENA
Ja, ja, so ist der böse Mann,
Verrückt nach junger Mädchen Reiz,
Die Alten schlagen sie ans Kreuz,
Nie lieben sie die armen Alten,
Stets nur die Mädchen ohne Falten,
Wo nicht die Brüste welk und schlaff,
Wo Mädchenbrüste fest und straff!
HOMER
Ich mich doch ziemlich irren müsste,
Wenn nicht ganz himmlisch deine Brüste!
HELENA
Doch will ich nicht den Schleier lüpfen!
HOMER
Ich seh der Ricke Kitze hüpfen!
HELENA
Nun gut, du darfst mein Dichter sein,
Das darf nur wissen Gott allein!
HOMER
Urschönheit der Urgottheit, Heil!