Von Josef Maria Mayer
„Dich will ich singen, himmlisches Mädchen...!“
(Homer)
ERSTER TEIL
ERSTER GESANG
Singe, o Muse, die preisende Hymne der göttlichen Venus!
Nicht wie die törichten Theologien antikischer Dichter
Will ich fabeln von der heiligen Mutter Dione,
Jener Tochter der Doris und des Ozeanus, weder
Glaub ich, dass Zeus im Meer begehrt die Mutter Dione,
Noch dass der titanische Kronos den Vatergott hasste
Und verstümmelte Gottvater an dem männlichen Gliede.
Nein, wir griechischen Philosophen als Monotheisten
Glauben, die Liebe sei Tochter des himmlischen Vaters alleine.
Nämlich der Same des himmlischen Vaters trieb in dem Meere,
Meerschaum entstand aus dem Samen des himmlischen Vaters,
Aus dem Meerschaum geboren die Göttin der Liebe
Hob sich aus den gischtenden Fluten und wandelte nackend
Auf dem Wasser und wrang den Schaum aus den flutenden Haaren
Und bedeckte mit ihrer rechten das weibliche Schamteil.
Schamerfreute ist Anadyomene, die Göttin,
Keusche Mädchengöttin ist sie der himmlischen Liebe.
Wohlgebildet ist ihr weißer weiblicher Körper,
Schlank die Taille, aber breit das weibliche Becken,
Schlank die weißen nackten Arme, doch mächtig der Busen,
Weiblich ihr Antlitz, meerblau ihre zärtlichen Blicke,
Schwarz, wie passend zur griechischen Schönheit, die wallende Haarflut,
Klein die Nase, empfindsam zitternd die Flügel der Nase,
Zärtlich zitternd die Lippen, volle wollüstige Lippen!
Anadyomene stand auf der rosigen Muschel,
Stand auf der rosigen Muschel des femininen Geschlechtes,
Schwamm so durch das Meer, vorüber der Insel Kythere,
Darum heißt sie auch Kythereia und Göttin Cythere,
Aber sie wollte nach Zypern, wollte zum heiligen Paphos,
Darum tauchte beim Felsen Petra tou Romiou nackend
Sie aus dem Meeresschaum, trat an den heißen weißlichen Sandstrand,
Schließlich erhob sie sich, wanderte in das Innre der Insel,
Unter den kleinen kühlen Füßchen, den schneeweißen Füßchen
Blühten stolze Rosen und bescheidene Veilchen.
Kypris traf nun die immerbetenden Horen,
Da sie im Mittag spazierte über die zyprische Insel.
Unter allen den reizenden und jungfräulichen Horen,
Eben geschlechtsreif gewordnen, höchst liebreizenden Mädchen
War die Sext die Herrscherin in der Stunde des Mittags.
Alle die Horen kleideten nun die göttliche Kypris,
Reichten der Göttin Kypris den Slip, den schwarzen, gestickten,
Reichten ihr dann den Büstenhalter, den schwarzen, gestickten,
Gaben ihr dann das Kleidchen, ein kurzes, bis zu den Schenkeln,
Bis zu den Oberschenkeln reichte das reizende Kleidchen,
Welches frei ließ und sichtbar die weißen Elfenbeinschultern,
Welches so fein gewoben war aus serischer Seide,
Daß die hingehauchte Seide war durchsichtig, siehe!
Aphrodites Körper schimmerte weiß durch die Seide.
Dann die reizenden Horen schminkten die Zehen der Füße
Der liebreizenden Göttin mit der Röte des Henna,
Von der zyprischen Kopher-Traube. Sie schminkten die Lippen
Der liebreizenden Göttin mit dem dunkelsten Scharlach.
Dann begannen die Horen, die Göttin Venus zu schmücken,
Um die Knöchel der nackten Füße banden sie Kettchen,
Silbern klingelnde Kettchen mit kleinen goldenen Glöckchen.
Um den runden Oberarm der himmlischen Venus
Schmiedeten sie einen Armreif in der Form einer Schlange,
Einer Schlange, die den Schlangenschwanz in das Maul nimmt.
An die muschelförmigen Ohrläppchen hängten die Horen
Silberne Ohrringe mit dem Schmuck von schneeweißem Mondstein,
Um den schlanken langen Schwanenhals hängten die Horen
Eine silberne Kette mit Lapislazuli, blauem
Lapislazuli aus dem fernen Lande Ägypten.
In die schwarze Haarflut der Venus steckten die Horen
Eine goldne Spange, der Heiratsmündigkeit Nadel.
So betrat die mit über alle Maße mit Reizen
Ausgestattete Göttin allen Liebreizes lächelnd
Die olympische Burg, die Halle der himmlischen Götter.
Alle Olympier gleich begehrten die reizende Göttin!
Als die reizende Cypria in den Olympus gefahren,
Fuhr die Göttin der Lust im balsamischen Chariot-Wagen,
Der ward gezogen von den immerturtelnden Tauben.
O wie die Venus liebt die immerturtelnden Tauben,
Wenn vom Kastanienbaume ruft der Täuberich gurrend
Seine Taube zum heitergeselligen Treffen der Liebe,
Wenn der Täuberich und die Taube in ehlicher Liebe
Öffentlich rechtlich verbunden in heiliger ehlicher Liebe
Fliegen vom Kastanienwipfel zum Wipfel der Eiche,
Gehen spazieren, immer turtelnd, die engere Gasse
Oder im höchsten Wonnemonat des seligen Maien
In den Wipfeln der Tannen spielen Spiele der Liebe,
Da sie picken mit dem Schnabel spitz in den Busen,
Spreizen die Schwingen, schlagen die Flügel beim Spiele der Liebe,
Daß die Tannenwipfel krachen vor brünstiger Wollust!
Aber wie liebt auch die Venus den Schwan, den König der Wasser,
König der Wasservögel, aller der Enten und Gänse
Und der schreienden Lachmöwen, kreisend um Elfenbeintürme.
Aphrodite ritt auf dem Schwan, dem schwärzlichen Schwane,
Hielt sich fest mit der reizenden Hand an dem Halse des Schwanes,
Wild der Schwan mit den Schwingen schlug, der Schwanenhals zuckte,
Aphrodite bäumte sich auf auf dem Rücken des Schwanes,
Ihre Mähne flatterte, mächtig bebten die Brüste,
Als mit den straffen Schenkeln sie presste die Flanken des Schwanes.
Singend wie in unsterblichen Teichen Elysiums jauchzend
Stieg der Schwan hinan zur olympischen Halle der Götter.
Hera empfing die Göttin, die lilienarmige Hera,
Schwester und Gattin des allerhöchsten Kronion.
Hestia blies in die Flamme, die Hüterin war sie des Herdes.
Artemis kam von der Jagd, die jungfräuliche Jägerin jagte
Einen Hirsch und hetzte den armen Aktäon zu Tode.
Jungfräulich weise blickte die Zeustochter, Strahlaug Athene,
Die den einfallsreichen Odysseus immer geführt hat.
Seine goldenen Locken schüttelte Schönling Apollon,
Alle Musen bemühten sich, ihrem Gott zu gefallen.
Seine blaue Mähne schüttelte mächtig Poseidon,
Der sich gestritten mit Amphitrite, der zänkischen Hausfrau.
Hermes, der Gott der Diebe, der Führer gestorbener Seelen,
Zählte die Götter und fragte: Wo ist der göttliche Ares?
Spricht man von Ares, siehe, so kommt gleich der herrliche Ares,
Ares trat in die himmlische Wohnung olympischer Götter,
Zeus der Vater begrüßte seinen göttlichen Sprössling:
Setz dich zum Mahl und speise Ambrosia, Liebling,
Setz dich zum Mahl und speise Ambrosia, Liebling,
Nimm den Kelch, mein Sohn, und trinke vom himmlischen Nektar!
So lud Zeus der Vater zum seligen Abendmahl alle,
Alle Götter und Göttinnen ein. Zeus selber den Ganymed-Knaben
Bat, den Lieblichsten aller jungen Lieblinge Gottes,
Ihm den mächtigen Becher zu füllen mit schäumendem Nektar!
Ares auch hob den Becher und trank auf den Vater der Götter,
Ares trank auf den Vater der Götter, den Vater der Menschen,
Ares trank auf den Donnerer und den Wolkenversammler,
Trank auf die Schwesterbraut, die lilienarmige Hera,
Trank auf die Gattin Gottes, die Mutter der ewigen Götter,
Ares trank auf den göttlichen Wein und die göttliche Liebe,
Bis der Gott berauscht war, da sah er die reizende Kypris!
O wie glühten die schöngewölbten Wangen der Venus,
Feurig erhitzt und errötet von dem feurigen Weine,
O wie glühten die Augen der Venus, wie kosmische Blitze,
Höchst elektrisch geladen mit Energieen des Kosmos!
Ares sagte: Wer bist du, überaus reizende Göttin?
Aphrodite sagte: Komm und siehe, mein Ares,
Schau, wie ich wohne, und werde mein Freund und lerne mich kennen!
Dann saß Aphrodite wieder gedankenversunken,
Tief versunken in die Träume, Mysterien schauend.
Geistesabwesend nahm sie vom Tisch den silbernen Löffel,
Tauchte den Löffel in den Topf voll hymettischem Honig,
Hob den von goldenem Honig triefenden silbernen Löffel
An den Mund und leckte den Wabenhonig vom Löffel.
Ares schaute sie an, er war verliebt in die Venus!
ZWEITER GESANG
Als der König der Götter Zeus noch ein Jüngling gewesen,
Unverheiratet war, da nahm er die eigene Schwester
Hera für die voreheliche Unzucht der Wollust.
Dieser Unzucht und dazu noch inzestuösen Verbindung
Ist entsprungen der Arbeitergott Hephästos, der Bastard.
Zeus aber machte Hephästos zu einem Kunsthandwerksmeister.
Hera aber verabscheute diesen hässlichen Bastard,
Ja, die Mutter warf den eigenen Sohn vom Olympos!
Aber die Meeresgöttin Thetis erbarmte sich seiner,
Zog ihn auf. Er lernte sein Kunsthandwerk, schuf seine Werke,
Um der grimmigen Mutter, der lilienarmigen Hera,
Zu beweisen, dass er wieder mit der Mutter versöhnt war,
Schickte er ein Kunstwerk zur Mutter auf dem Olympus,
Einen Götterthron für die lilienarmige Hera.
Zeus Gemahlin, die Mutter Hera, saß in dem Throne,
Aber sie konnte sich nicht mehr erheben vom heiligen Throne,
Denn Hephästos bannte sie mit magischen Künsten.
Hera schickte Dionysos vom Olympus zur Erde,
Ihren Sohn Hephästos zu holen, dass er sie befreie.
Zeus Sohn und der Semele Sohn Dionysos brachte
Heras Bastard Hephästos einen riesigen Weinschlauch.
Doch Hephästos war ein nüchterner Trinker von Wasser,
Aber Dionysos sagte: Künstler, mach einen Becher,
Breit und wohlgerundet, draus sollst du schlürfen vom Weine,
Aber zuvor sollst du mit deiner Nase schnuppern den Weinduft,
Dann benetze dir der Wein umschmeichelnd die Zunge,
Mit den Geschmacksknospen deines Gaumens schmecke den Rotwein,
Den ich dir besorgt hab aus dem keltischen Gallien.
Kurz, Hephästos war betrunken, er vertrug ja den Wein nicht.
Ha, Dionysos lachte über den Trinker von Wasser,
Aber er legte den Bastard Hephästos schlafend in seinen
Wagen, der gezogen ward von samtschwarzen Panthern,
Ward begleitet von eleganten Raubkatzenweibchen,
Sturzbetrunken Silen ritt auf dem brüllenden Esel,
Auf dem brüllenden Eselshengste mit starrendem Gliede.
Zu den Trommeln und Zymbeln und Triangeln tanzten Mänaden,
Ließen die langen Locken wallen und hüpfen die Brüste,
Schwenkten lasziv die Becken und ließen sie kreisen im Bauchtanz.
So kam der Bastard Hephästos zu den olympischen Göttern.
Vater Zeus begrüßte den Bastard, die Frucht seiner Sünde:
Nun befreie die Mutter, die lilienarmige Hera,
Nun befreie die Mutter, die lilienarmige Hera,
Fordere dann was du willst und sei es ein Himmel voll Nymphen!
Aber Hephästos sah die unvermählte Cythere,
Sagte: O Zeus, gib mir die unvermählte Cythere,
Will sie doch kein andrer von den Himmlischen haben,
Nehm ich sie notgedrungen zum rechtlichen Ehevertrage.
Aber Hephästos erfüllte nicht die ehlichen Pflichten.
Nun war Hephästos tagsüber immer am Arbeitsplatz fleißig,
Aber Aphrodite langweilte sich in der Muße,
In dem ewigen Müßiggang kam sie auf den Gedanken,
Ares zu besuchen. Sie trat in des Göttlichen Kammer.
Ares sah, und siehe, Aphrodite begossen
Schien von göttlichem Glanz der überhimmlischen Schönheit!
Ares war entzückt von der göttlichen Schönheit der Venus,
Er erhob sich vom Bett und sagte: Kypris, ach Kypris!
Sie berührte mit der Rechten zärtlich des Gottes
Hüfte und sagte: Komm und folge mir, herrlicher Ares!
Drunten in Südgriechenland ist ein Pinienwäldchen,
Laß uns dort spazieren gehen, Freund und Geliebter!
Also gingen sie im südgriechischen Pinienwalde
Lachend spazieren. Eichhörnchen leckten Pinienzapfen.
In die grüne Wildnis fiel Feuer der südlichen Sonne.
Venus trug ein rosenrotes Kleidchen, ein kurzes,
Knapp die weißen straffen Oberschenkel bedeckend,
Unbedeckt die Arme, die muskulösen und schönen,
Auch die Brüste waren nur halbbedeckt von dem Kleidchen,
Milchweiß quollen die prallen Brüste der göttlichen Venus
Aus dem feurigen Kleidchen. Und Ares riss es herunter,
Zog der Venus das rosa Unterhöschen herunter!
Willig betete Venus sich im Waldboden, lockend
Zog sie Ares herunter und lustvoll machten sie Liebe!
Aphrodite war ja Erfinderin der Künste der Liebe,
Alle Stellungen kannte sie des lustvollen Spieles.
Und der verfeinerten Wollust Meisterin ließ ihre Zunge
Spielen mit der zuckenden Zunge des göttlichen Mannes.
Aber vom südgriechischen Himmel, der Sonne des Südens,
Schaute Helios, schaute voyeuristisch die Sonne,
Sah die ehebrecherischen Liebenden buhlen,
Wie sie es tagsüber trieben unter offenem Himmel.
Helios sagte es gleich Hephästos. Am Arbeitsplatz rauchte
Zornig Hephästos der Bastard und schmiedete Pläne der Rache.
Sahest du schon mein olympisches Schlafzimmer, göttlicher Ares?
Venus öffnete ihre Pforte zum Schlafzimmer. Siehe,
Mein Geliebter, die Weihegaben all meiner frommen
Anbeter, dort aus Kristall gebildet ein schwebendes Nymphchen,
In den Händen haltend ein Herz voll feuriger Flammen,
Dort von Apelles gemalt das Bild der Meerschaumgebornen,
Dort von Praxiteles schön geformt die knidische Venus,
Dort Idole, ein Chor von tanzenden Bacchus-Mänaden,
Dort ein Alabasterflakon voll kostbarer Narde,
Mehr als dreihundert Denare wert die kostbare Narde,
Eine Weihegabe vom fernen Tyrus und Sidon.
Ares sagte: Ach wie duftet dein Kissen, o Venus!
Dabei steckte Ares schnuppernd die Nase ins Kissen.
Schon lag Aphrodite unter der Bettdecke nackend,
Nur ihre langen schwarzen Haare flossen aufs Kissen.
Wieder brachen Ares und Aphrodite die Ehe!
Schweißtropfen perlten auf der Haut der nackenden Venus.
Aber wie ein Spinnennetz der grässlichen Spinne
(Venus hasste über alle Maßen die Spinnen),
Wie ein goldenes Spinnennetz überzog sie ein Kunstwerk
Von Hephästos Hand, unsichtbare Fäden versponnen,
Übersponnen klebrig die nackenden Körper von Venus
Und von Ares, der lag noch zwischen den Schenkeln der Venus,
Venus spreizte noch immer ihre göttlichen Schenkel,
Als Hephästos hereintrat und alle olympischen Götter,
Und die Götter lachten ihr olympisches Lachen!
Rachegesättigt löste Hephästos das Spinnennetz, goldne
Fäden entwirrte der Ehmann, die nackte Venus entschlüpfte.
Sie bestieg den Chariot-Wagen, gezogen von Tauben,
Fuhr nach Paphos, Altpaphos oder Neupaphos. Venus
Badete in der Fontana Amorosa, der Quelle,
Nackend stand sie im Bade. Von oben Wasserkaskaden
Überfluteten Aphrodites nackenden Körper.
Junge reizende Grazien salbten mit Öl von dem Ölbaum
Aphrodites nackenden Körper und kleideten Venus
Kurz und knapp mit einem schneeweißen seidenen Hemdchen.
Jetzt war Aphrodite wieder Jungfrau geworden,
Mit intaktem Hymen wieder jungfräuliche Göttin!
Nun, Hephästos ließ sich scheiden. Zeus gab Hephästos
Eine andere Frau, die junge Charis Aglaja.
Ares und Aphrodite aber liebten sich weiter
Wie ein Freund die Freundin liebt in geistiger Freundschaft,
Wie ein Bruder die Schwester liebt in herzlicher Liebe.
Ares aber, von Aphrodite eingeweiht in der
Liebe Mysterien, in den verfeinerten Künsten der Wollust,
Konnte sich nicht lösen von der Begierde, suchte Vergnügen
Und die Genüsse der Lust und der sinnlichen Liebe.
Eines Tages der Ewigkeit schaute im Strahlen des Lichtes
Der begierige Gott das junge Mädchen Aurora.
O wie schien sie ihm schön, das reizende Mädchen Aurora!
Vierzehn Jahre jung war das Fräuleinwunder voll Liebreiz,
Rotblond ihre Locken, die fielen auf schneeweiße Schultern,
Weiß und rund wie ein Opferbrot war das Antlitz der Jungfrau,
Purpurrot geschminkt die lachenden kusslichen Lippen,
Stand sie vor ihm im Hemdchen, mit weißen nackenden Armen,
Stand sie vor ihm im Röckchen, die Oberschenkel noch nackend,
Lachte ihn an mit dunkelroten kusslichen Lippen:
Herr Gott Ares, mein Nachbar in der olympischen Wohnung,
Herr Gott Ares, mein Nachbar in der olympischen Wohnung,
Wie Sie mich anschaun mit Begierde in hungrigen Blicken!
Himmlisches Mädchen, stöhnte Ares, laß dich erkennen!
Eos, das Mädchen, führte ihn ins Schlafzimmer. Schwatzend
Spielten Nymphensittiche in dem Käfig und lärmten.
Eos lag in dem Bett, lag unter der Bettdecke nackend,
Eos streckte ihren nackten Rosenarm Ares entgegen,
Eos zog ihn und Ares sank in Auroras Umarmung.
Ja, der Gott beschlief das vierzehnjährige Mädchen,
Aber er beichtete dies in den nächsten Tagen der Venus.
Ah, wie rasend eifersüchtig war da die Göttin
Venus, wie ein Skorpion, wie eine Furie raste
Aphrodite und fluchte mit schwarzen magischen Sprüchen:
Vierzehnjähriges Flittchen! Ich hexe dir in den Körper
Vierzehnjähriges Flittchen! Ich hexe dir in den Körper
Unlöschbare sexuelle Begierde und Geilheit!
Vierzehnjähriges Luder! Nymphomanin des Himmels
Sollst du sein, kein Mann kann dich befriedigen jemals!
Aber als der Frühling wiederkehrte im Himmel,
Da versöhnten sich wieder Aphrodite und Ares.
DRITTER GESANG
Hermes, Philosophen nennen ihn Gott der Gelehrten,
Sterbende nennen ihn Psychopompus, Führer der Seelen,
Götter nennen ihn geflügelten Boten der Götter,
Aber die Jugendlichen in der Wollust der Jugend
Ehren Hermes im Stein, in seiner phallischen Herme,
Oben auf der Herme das Haupt eines bärtigen Mannes,
Aber der Leib des Hermes gleich dem stehenden Phallus.
Weiber lieben besonders die steinerne Gottheit des Phallus,
Kommen und bringen zum Abendmahl Weißbrot und Rotwein,
Bringen Ziegenkäse, Oliven und köstliche Eier,
Eier der Hühner und der Wachteln winzige Eier,
Bringen Quark und Honig und Brot mit den Körnern von Sesam,
Also laden sie ein zum Abendmahl Gott in der Säule.
Kypris auch, sie wollte genießen den phallischen Hermes,
Sagte zum göttlichen Jüngling: O du König der Diebe,
Ich bin die Göttin allen sexuellen Begehrens,
Du bist erhabener Gott des männlich-phallischen Sexus!
Weibliche Sexgöttin ich und du der männliche Sexgott,
Wir sind füreinander geschaffen vom ewigen Schicksal!
Einst im Goldenen Zeitalter waren wir eine Kugel,
Waren Ein Fleisch, vereint zu einem einzigen Wesen.
Aber Vater Zeus hat uns in zwei Hälften gespalten.
Ewig sucht nun das lüsterne Männchen das lüsterne Weibchen,
Ewig sucht nun die Zeugungspotenz die reine Empfängnis,
Ewig suchen sich, sich zu vereinen, Phallus und Vulva!
Hermes lächelte: Welche platonische Weisheit, o Göttin!
Aber bei allem gelehrten Platonismus, o Göttin,
Immer schwand mir die Weisheit angesichts weiblicher Reize!
Ja, mein Trieb will zeugen, zeugen im Schoße der Schönheit,
Zeugen will mein Trieb in dir die heiligsten Kinder,
Aber die Macht der Begierde sucht Genuss und Vergnügen,
Sucht Befriedigung. Aphrodite, mir juckts in den Gliedern!
Aphrodite schuf die schönste Befriedigung Hermes,
Siehe, da schwollen der Liebesgöttin die mächtigen Brüste,
Schwollen an, die Brüste glichen nun göttlichen Bergen!
Aphrodite gebar den Sprössling Hermaphroditus,
Dieser Hermaphroditus war ein feministischer Jüngling,
Zwitter war er wie der androgynische Urmensch.
O du Urmensch, geschaffen als Mann und Weib von der Gottheit!
Aber die Liebe liebt das Wandern von einem zum andern.
Aphrodite wandelte bei der großen Marmorsphinx träumend,
Auf der anderen Seite ging Dionysos träumend.
Wovon träumte Dionysos? Träumte von Indiens Mutter
Uma, als er drüben Aphrodite erblickte,
Weiß ihre nackenden Arme und weiß ihre nackenden Beine
Und nur die Scham und Brüste verhüllt von dem rötlichen Kleidchen.
Trunken vor Liebe pflückte Dionysos sich eine Rose,
Nahm in die Rechte den prallen angeschwollenen Weinschlauch,
Eilte Aphrodite nach und fand sie im Zimmer
Neben dem Bild des Praxiteles von der knidischen Venus.
Trinke mit mir, Geliebte, trinke vom purpurnen Weine,
Den ich geerntet, gekeltert hab im keltischen Gallien!
Ja, Dionysos, gerne trink ich vom gallischen Weine,
In den Becher lass strömen den schäumenden Wein aus dem Weinschlauch!
Und so tranken sie beide. Die Götter waren betrunken.
Aphrodite legte sich nackt auf das herrliche Lager,
Unter purpurner Samtdecke bei der Unzahl von Kissen
Liebten sich Aphrodite und Dionysos oftmals.
Ja, die Berauschte hat rauschend mit dem Berauschten geschlafen
Und sie schliefen den Liebeschlaf berauschender Wollust.
Niemals waren so lüstern die Mänaden im Tanze,
Ob sie auch schwenkten die Becken und rissen die Kleider vom Leibe,
Nie so berauschend waren die orgiastischen Weiber
Wie die göttliche Aphrodite beim Akt in dem Bette!
Damals wurde der Sohn der Semele Bacchus vergottet!
Aber die Frucht ihrer Liebe war der große Priapus.
Gott Priapus war zwar nicht der Schönste der Männer,
Aber sein Mannesglied war sicher das Größte der Glieder,
Nicht nur der längste Phallus, auch der breiteste Phallus,
Darum beten die schönen Weiber auch stets zu Priapus
Und errichten im Garten die Vogelscheuche Priapus.
Aber Aphrodite gebar einen göttlichen Sprössling,
Welchen die Philosophen nennen den Ersten der Götter,
Aber die lesbische Dichterin sagt, es sei Uranos Vater
Dieses göttlichgezeugten Eros, des göttlichen Sohnes
Allerschönster Mutter, der Urania Venus.
Eros aber ist ausgerüstet mit Pfeilen und Bogen,
Denn die Liebe ist verbunden mit schrecklichen Schmerzen!
Siehe, die Pfeile des Eros, das sind feurige Pfeile,
Die durchbohren das Herz und wirken verblutender Herzen
Liebesqualen und stiften des Herzens Martyrium Freiern,
Ob der Freier auch entflammt von der Fackel des Eros
Zur Geliebten stürmt, der Liebsten die Seele zu schenken,
Aber die Liebste gibt nur die Antwort feindlichen Hasses
Und verdammt den Verliebten zu wahrhaft höllischen Qualen!
Siehe, dann fleht der Freier weinend zur himmlischen Venus:
Venus Urania, hab Erbarmen, habe Erbarmen,
Nimm dem schrecklichen Eros doch die tödlichen Pfeile,
Schließe mit mütterlichen Küssen die Wunden des Herzens,
Mit der himmlischen Heilkunst heile die Krankheit der Seele,
Laß mich ruhen in deiner Umarmung, göttliche Mutter,
Ideal der Schönheit sei du allein mir, o Venus,
Dir gewidmet schenk ich mich dir, Urania Venus,
Der platonischen Weltseele und der Herrin des Kosmos,
Hängen doch alle Welten an deinem Lilienarme
Wie die rosigen Perlen an der Perlenschnur, Venus,
Die du die göttliche Liebe bist, die Schönheit der Liebe,
Die im Innern des Kosmos hält den Kosmos zusammen!
Venus Urania wahrlich erhörte des Freiers Gebete
Und so sehn wir den grausam-schrecklichen Eros bekümmert
Ohne Pfeil und Bogen stehen am Throne der Mutter,
Denn die himmlische Mutter nahm dem göttlichen Knaben
Seine Marterwerkzeuge weg und erlöste den Freier,
Der sich dem Herzen der himmlischen Aphrodite vertraute!
Eros aber sprach: Ich war bei einer Feier der Hochzeit,
Psyche wählte ich mir zur Braut und Ehegenossin,
Psyche, die die Dichter auf Erden der Venus verglichen!
Psyche ward zur Hochzeit mit Eros geschmückt. Ach Geliebte,
Wie als ging es zum Tod, so gingst du zur Hochzeit mit Eros!
Eros war bei dir in deiner dunklen bräutlichen Kammer,
Da lagst du in Eros’ Armen und weintest Tränen der Freude,
Selige Tränen weintest du und wurdest getröstet!
Aber, ach, die Sünden schieden Psyche von Eros,
Eros konnte nicht bleiben in dem Brautgemach, Psyche.
Aber die himmlische Aphrodite nahm sich der Braut an,
Psyche wurde zur Magd der himmlischen Mutter der Liebe.
Viele Prüfungen musste Psyche bestehen und Schmerzen
Tragen und Opfer bringen und Tränen weinen der Reue,
Ja, sie musste hinab in das dämmernde Schattenreich, musste
Durch die dunklen Nächte zur Morgenröte, da Venus
Stand an der Himmelspforte. Psyche weihte sich Venus!
Stella Matutina! Im dritten Himmel die Fürstin
Venus herrscht, im dritten Himmel der liebenden Seelen!
Venus führte die purgierte Psyche dem Gott zu,
Ihrem Sohn, dem bräutlichgesinnten göttlichen Eros.
Schöne Horen, die Matutin und die Sext und die Vesper,
Immerbetende Horen führten die schönere Psyche
Zu dem Gott und Gemahl, und alle heiligen Musen
Strichen die Harfen, Urania ließ erschallen die Himmel,
Alle Götter und Göttinnen, alle himmlischen Throne,
Alle glückseligen Geister und Genien, auch die Sirenen
Und die reinen Dämonen der philosophischen Weisheit
Grüßten die purgierte Psyche im Arme des Eros!
Zeusvater segnete lächelnd die Hochzeit von Eros und Psyche!
ZWEITER ZEIL
ERSTER GESANG
Ich war auf der Helios-Insel
Rhodos, dorten lernt ich kennen
Charikles, Kallikratidas,
Luxuriöse junge Männer.
Da sie wollten nach Italien,
Wollten wir zuvor besuchen
Aphrodite, die berühmte
Göttin Knidia von Knidos.
Wir besichtigten das Umland,
Die Gemäldegallerieen,
Stiegen dann hinauf zum Tempel
Der berühmten Aphrodite.
O, wie dicht die Atmosphäre
Der Erotik um den Tempel,
Atmosphäre aphrodisisch
Süß durchschauerte die Pilger.
Früchtereiche Myrten duften,
Hoch auf streben die Zypressen,
Üppig ist der Rebstock, üppig
Schwere Last der Trauben tragend.
Daphnes Lorbeerbaum, ach Daphne
Wollt nichts wissen von der Göttin
Aphrodite, aber heute
Dient auch Daphne Aphrodite.
Bänke stehen dort im Schatten,
Laden ein zum Liebeständeln.
Genius loci ist hier spürbar
Aphrodisisch und erotisch.
So betraten wir den Tempel.
In dem Inneren des Tempels
In der Mitte steht das Bildnis
Überlebensgroßer Göttin.
Überragend ihre Hoheit,
Leicht geöffnet ihre Lippen,
Milde lächelnd, ohne Hülle
Ist die Göttin gänzlich nackend!
So Gewaltiges erschaffen
Hat der Genius des Künstlers,
Daß die spröde Marmorgöttin
Ist lebendig und elastisch.
Darum alle Tempelpilger
Sich benehmen auch im Tempel
Nicht so wie vor einem Steine,
Sondern wie vor einer Göttin,
Einer Göttin, die lebendig,
Willig, Pilger einzuladen,
Ist die feminine Göttin.
Ich verliere meine Fassung!
Der Korinther als Betörter
Preist den Kriegsgott Ares selig,
Der um dieser Schönheit willen
Ließ sich fangen in den Fesseln.
Er stand nicht als Distanzierter
Vor der großen Marmorgöttin,
Sondern küsste ihre Schenkel,
Die er grad erreichen konnte.
Der Athener stand noch schweigend,
War ein kühler Reservierter,
Doch der Schönheit Offenbarung
Auch ergriff noch den Athener,
Denn er schaute an die Göttin
Knidia von hinten, siehe,
Herrlich war der Rücksicht Schönheit,
Allgewaltig solche Schönheit!
Wie vom Blitz getroffen stand er
Vor der Göttin: Dieser Rücken
Ist ein wohlgeformter Rücken
Und die runden Hüften laden
Ein zur liebenden Umarmung,
O die Hüften zu umfassen!
Köstlich rund sind die Glutäen,
Nicht zu dick und nicht zu mager!
O wie süß die Grübchen lachen
Auf den wohlgeformten Hüften!
Unbeschreiblich, wie die Schenkel
Zu den nackten Füßen führen!
Währenddessen der Korinther
Stand vor Staunen als Erstarrter.
Der verlangende und feuchte
Blick in seinen Augen zeigte
Leidenschaft, die ihn beherrschte.
Aber an des Oberschenkels
Innenseite war ein Flecken.
Sprach die Wächterin des Tempels:
Einst ein junger Mann aus gutem
Einst ein junger Mann aus gutem
Elternhause oft besuchte
Knidia in ihrer Zelle,
War verliebt in Aphrodite!
Lange Tage saß er seufzend
Vor der Göttin, anzuschauen
Ihre nackte Wunderschönheit,
Liebesseufzer auszustoßen.
Aber er fand keine Ruhe,
Wenn er auch der Göttin alles
Legte opfernd vor die Füße,
Verse an die Wände malte.
So verlor er die Kontrolle
Über sich und so am Abend
Von den Wächtern eingeschlossen
Blieb er in der Göttin Zelle.
Als die Morgenröte tagte,
Sah man Spuren der Umarmung
Und die Göttin trug den Flecken,
Da er sich ergossen hatte.
ZWEITER GESANG
O Kallipigos, o Göttin
Venus mit dem schönen Hintern,
Deine Marmorstatue schau ich
Mit Bewundrung und Entzücken!
Bist du Tänzerin, o Göttin,
Die du schaust auf deinen Hintern,
Den entblößten, willst doch sicher,
Daß ich deinen Hintern preise!
Syrakus hat einst begründet
Aphrodisischen Gesäßkult.
Bei dem Philosophen-Gastmahl
Hören wir von seiner Stiftung.
Einst die Menschen waren voller
Leidenschaft der Lust ergeben
Und den sinnlichen Genüssen,
Daß sie einen Tempel bauten
Für Kallipigos, die Göttin
Venus mit dem schönen Hintern.
Denn es war dereinst ein Bauer,
Der zwei schöne Töchter hatte.
Diese stritten sich nun einmal:
Wer besitzt den schönsten Hintern?
Wer besitzt den schönsten Hintern?
Um die Frage zu entscheiden,
Stellten sie sich auf am Wege.
Da kam grad vorbei ein Jüngling,
Erbe eines reichen Vaters,
Dem sie beide präsentierten
Fragend ihre schönen Hintern.
Er betrachtete die Hintern,
Sagte: Ältere der Schwestern,
Straffer, praller ist dein Hintern,
Auch bewundernswert dein Becken!
Dieser Jüngling nun verliebte
In die Ältere der Schwestern
Sich, in jene mit dem prallen
Hintern und dem breiten Becken!
Als der Jüngling heimgekehrt war,
Ward er liebeskrank vor Sehnsucht.
Das gestand er seinem Bruder,
Der ging selber zu den Schwestern
Und verliebte sich ins andre
Mädchen. Eine Doppelhochzeit
Wurde auf dem Land gefeiert.
Nun die beiden Bauerntöchter
Waren Frauen reicher Männer,
Dafür dankten sie der Göttin
Venus mit dem schönen Hintern,
Göttin mit dem straffen Hintern!
Da berichtete der Jüngling,
Der den Fall entschieden hatte:
Zwischen Töchtern Thrygallis
Zwischen Töchtern Thrygallis
Und Myrrhine war ein Streitfall,
Welche hat den schönsten Hintern?
Welcher Hintern ist der schönste,
Graziös und ohne Makel?
Dieses sollte ich entscheiden.
Und Myrrhine als die Erste
Löste ihren Keuschheitsgürtel,
Stand vor mir im transparenten
Seidenfeinen Unterhöschen,
Präsentierte ihre Reize,
Schaute über ihre Schulter
Auf die runden Hinterbacken
Und bewegte ihre Backen.
Doch Thrygallis übertrumpfte
Ihre Schwester-Konkurrentin,
Da sie gänzlich sich entblößte
Und sich selbst pries mit den Worten:
Schaue diese Farbe, dieses
Schaue diese Farbe, dieses
Rosige der weißen Hüften
Und den Übergang betrachte
Zu den straffen festen Schenkeln,
Schaue auf die Hinterbacken,
Auf dem Hügel schön die Grübchen,
Meine Hinterbacken wackeln
Nicht so wie Myrrhines Backen.
Also sprach der Jüngling-Richter:
Hätte Paris einst am Ida
Hätte Paris einst am Ida
Der Thrygallis Hinterbacken
Nackend schauen dürfen, wahrlich,
Danach fragte er nicht weiter
Nach der Aphrodite Hintern
Und der Hera Hinterpacken
Und dem Hintern der Athene!
DRITTER GESANG
Als Alkestis, treue Gattin,
Von Admet genommen Abschied,
Für ihn in den Tod zu gehen
Als ein Stellvertreter-Opfer,
Schwor ihr der Zurückgebliebne
In Bewegung großer Liebe
Über seiner Gattin Opfer,
Stets zu trauern, treu zu bleiben.
Ja, er werde sich ein Abbild
Der geliebten Frau beschaffen
Und mit dieser Marmorgattin
Ehelich zusammenleben.
O geliebtes Weib, dein Abbild
Ist ein wunderschönes Kunstwerk,
Nackt soll diese Marmorgattin
Mit mir in dem Bette liegen,
Niedersinken will ich liebend
Zwischen ihren Marmorbrüsten
Und umschlingen mit den Armen
Ihre runden Marmorhüften
Und will deinen Namen rufen,
O geliebteste Alkestis,
Und will denken, dass ich liebte
Deinen Leib in meinen Armen.
Zwar der schönste Marmorkörper
Schenkt nur kaltes Lustgenießen,
Aber ich muß mich erleichtern
Von der Sehnsucht meiner Liebe.
Aber mit der Statuenliebe
Kamen auch die Therapeuten:
Abschied nehmen musst du, Witwer,
Abschied nehmen musst du, Witwer,
Und vergessen deine Tote.
Apollonius von Tyana
Hörte einst von einem Manne,
Der entbrannt in heißer Liebe
War zur Herrscherin von Knidos,
War verliebt in diese Göttin
Knidia, die nackte Göttin,
Wollte gar mit Aphrodite
Geistig leben in der Ehe.
In der Göttin Haus von Knidos
Selbst der Aphrodite Priester
Nicht vermochten, diesen Jüngling
Loszusprechen von dem Wahnsinn.
Apollonius von Tyana
Nun mit rationalen Gründen
Diesem Jüngling hat bewiesen,
Daß sich Gleich mit Gleichem gatte,
Sich die Göttin Göttern paare,
Weibchen sich mit Männchen paaren
Bei den Hunden und den Menschen,
Nicht die Göttin freit den Menschen.
Aber ob der Exorzismus
Diesem Jüngling hat geholfen?
Makareus wars von Perintheus,
Der die Aphrodite liebte,
Wollt sich Knidia vermählen.
Da erschien ihm Aphrodite,
Gab zum Weib ihm die Hetäre
Ischas, die aus Knidos stammte.
VIERTER GESANG
O die Schönste vom Olympos,
Der Olymperinnen Schönste,
Aphrodite, wie erschaffen
Kann ein Künstler je ihr Bildnis?
Kypris schaute einst die Kypris
Knidia und rief beim Anblick:
Wie und wo und wann erspähte
Wie und wo und wann erspähte
Mich Praxiteles denn nackend?
Manchem Sterblichen vergönnt war,
Aphrodite anzuschauen,
Mythologen überliefern
Uns der Hochbeglückten Namen.
Paris und Anchises schauten
Und Adonis nackt die Venus,
Aber wann hat nackt gesehen
Denn Praxiteles die Göttin?
Wie einst Paris auf dem Ida
Aphrodite nackt gesehen
Und ihr gab den Preis des Apfels
Als der allerschönsten Göttin,
So Praxiteles erblickte
Göttin Knidia, die Nackte,
Schuf die nackte Marmorgöttin,
Jeder kann sie nun erblicken,
Alle Knidier erblicken
Das verlockende Gebilde
Und im Vatikan die Römer
Überliefern sie dem Weltkreis.
Platon, Seher der Ideen,
Sah die ideale Göttin,
Schöne Nacktheit – nackte Schönheit –
Sah Urania im Bilde,
Sprach: Praxiteles erschuf nicht
Diese Göttin in dem Marmor,
Sondern nackt steht hier die Göttin
Wie dereinst vorm Richter Paris.
Übers Meer ging Aphrodite
Zu der schönen Insel Knidos,
Schaute in der Tempelzelle
Dort das nackte Marmorbildnis,
Das Praxiteles gebildet
Und geweiht der Aphrodite.
In der Zelle sprach die Göttin,
Schauend an das Marmorbildnis:
O Praxiteles, du Meister,
O Praxiteles, du Meister,
Wo hast du mich nackt gesehen?
Doch Praxiteles sah Kypris
Niemals gänzlich nackt in Wahrheit,
Sondern er erschuf die Göttin,
Wie sie Ares sich ersehnte,
Sich erträumte voll Begierde,
Als er sie beschlafen wollte.
FÜNFTER GESANG
O Praxiteles, gestehe,
Phryne hat Modell gestanden
Für die nackte Marmorgöttin
Knidia voll Liebesreizen.
Irdisch zwar, doch eine Traumfrau,
Die berühmteste Hetäre
Griechenlands, die schöne Phryne
Stand Modell für Aphrodite.
Athenaios dies bezeugte
Und auch dass Apelles malte
Die dem Meeresschaum entstiegne
Venus Anadyomene
Nach dem Vorbild des Modelles
Phryne. Sokrates besuchte
Auch das Atelier, als Phryne
Stand Modell für eine Venus.
Ja, Praxiteles erschaffen
Hat zwei Aphroditenbilder
Nach dem Vorbild Phrynes, beide
Schön bekleidet und nicht nackend.
Phryne selber bat den Künstler,
Daß er sein Modell verkläre
Als verhüllte Aphrodite
In dem Goldglanz des Gewandes.
Ein verhülltes Standbild stellte
Phryne in den Eros-Tempel.
Dort stand schon das Eros-Standbild,
Das Praxiteles gemacht hat.
Und das andere verhüllte
Standbild Aphrodites stellte
Phryne in den Tempel Delphis,
Phryne, schön verklärt zur Venus.
Wie war Phyrnes Leib gebildet?
Wie gebaut war Phrynes Körper?
Ja, man nennt die nackte Göttin
Knidia voll Reiz und Schönheit
Eine Frau von vierzig Jahren,
Aber jung geblieben, reizend,
Aphrodisisch und erotisch,
Göttin Phryne, vierzigjährig,
Fünfzigjährig gar war Phryne,
Göttin Phryne Aphrodite,
Als Apelles malte Phryne
Als die Anadyomene.
Schon im Altertum verwechselt
Ward die Statue der Phyrne
Mit der Statue der Venus,
Venus Phryne – Phryne Venus.
Nun gebildet war aus Marmor
Das Idol der Göttin Phryne
Und die Marmorgöttin Phryne
Schrieb Praxiteles ein Briefchen:
Habe keine Angst, mein Künstler,
Habe keine Angst, mein Künstler,
Du vollendetest ein Bildnis,
Wie noch nie ein Mensch erschaffen,
Deine Freundin ward zur Göttin.
Phryne wird jetzt angebetet
Als die Göttin Aphrodite
In dem großen Eros-Tempel
Und dem Heiligtum von Delphi.
Ja, jetzt steht die Göttin Phryne
Zwischen Knidia und Eros.
Wer mich anschaut und die Götter,
Preist als Schöpfer dich, den Künstler.
Hoch verehren mich die Griechen
Und sie halten mich für würdig,
Unter Göttinnen zu stehen,
Göttin unter Liebesgöttern.
Eines fehlt nur, Freund: O komm jetzt
Zu mir in den Eros-Tempel,
Daß wir unter Götteraugen
Liebe machen auf dem Boden!
Aphrodite wird’s nicht stören
Und auch Eros wird’s nicht stören.
Du, der Schöpfer dieser Götter,
Darfst mit deiner Göttin schlafen!
SECHSTER GESANG
Lady Venus ward zur Dame
In der adligen Gesellschaft.
War ein Pilger einst, ein Minner,
Suchte die geheime Blume,
Suchte eine Blaue Blume,
Die Geheimnisvolle Rose,
Welche in der Burg der Liebe
Aufgespart und fest verschlossen!
Die Natur, die Große Mutter,
Hatte weise ausgerüstet
Diesen Pilger, diesen Minner:
Pilgerstab und Pilgerbeutel
Pilgerstab und Pilgerbeutel
Hielt er allzeit in der Rechten.
Also kam mit Lady Venus
Er zur runden Burg der Liebe,
Die er zu erobern suchte.
Lady Venus war bekleidet
Ganz gemäß der Zucht und Tugend.
Auf dem Haupte war ein Schleier,
Um die Brust der Keuschheitsgürtel,
Ihr Gewand von weißer Seide
Floß ihr bis auf ihre Füße,
War verschlossen bis zum Halse,
Ärmel fielen auf die Hände.
Aber auf der Burg der Liebe
Stand ein Marmorbild der Göttin,
Aphrodisisch und erotisch,
Nackend, griechisch und natürlich.
Auf zwei hohen Säulenbeinen
Stand die nackte Schönheitsgöttin,
Zwischen diesen Säulenbeinen
Die Schießscharte war zu sehen!
Selbst auch Lady Venus zielte
Mit dem Feuerpfeil des Eros
Auf die Scharte zwischen Säulen,
Jene Burg in Flammen setzend.
Und der Pilger oder Minner
Nahm den Stab mit seiner Rechten,
An dem Pilgerstab gebunden
War zu sehn der Pilgerbeutel.
Unter brünstigen Gebeten,
Stöhnend zu dem Gott der Liebe,
Mit dem Pilgerstab er bohrte
Durch die Scharte zwischen Säulen.
Pilgerstab und Pilgerbeutel
Drangen durch die enge Scharte
Und die Säulenbeine bebten,
Venus stürzte auf den Boden.
Aphrodites Trümmer rollten
Durch die Wiese auf dem Boden.
In die Burg der Liebe drang nun
Triumphierend ein der Pilger,
Pflückte dort die Blaue Blume,
Die Geheimnisvolle Rose,
Die dort aufgespart, verschlossen
Wartete, bis er sie pflückte!
Hätte aber Lady Venus
Ihrem Pilger nicht geholfen,
Hätte er die Blaue Blume
Nicht so eilig pflücken können!
SIEBENTER GESANG
Wann zog ein die Schönheitsgöttin
In das Herz der Welt der Christen?
Tausend und fünfhundert Jahre
Ward verdrängt die Liebesgöttin.
Fünfzehnhundertdrei erbaute
Man die Belvedere-Villa.
Papa Julius der Zweite
Und sein Architekt Bramante
Sammelten die schönsten Bilder,
Den Laokoon, Apollo,
Und die schöne Venus felix
Stand im Liebesgarten, in dem
Vividarium Veneris!
Diese schöne Venus felix
Folgte Knidia, ihr ähnlich.
Amor stand an ihrer Seite.
Diese schöne Venus felix
Keusch verhüllt den Unterkörper
Mit der feinsten Tuchdrapierung.
So gefiel sie dem Apostel!
Lilia! Du kennst doch Venus
Und Cupido, diese Götter
Der Antike? Unser Papa
Julius der Zweite holte
Sie aus römischen Ruinen,
Wo man kürzlich sie entdeckte,
Stellte sie in einem Hain auf:
Goldorangen und Limonen!
Goldorangen und Limonen!
Papa Julius der Zweite
Starb, da ward zum Papst erkoren
Ein Germane! Vater wurde
Damals Hadrian der Vierte!
Hadrian der Vierte sagte
Angesichts der Venus in dem
Vividarium Veneris:
Ein antikisches Idol halt!
In der Zeit des Zehnten Leo
Schrieb ein Römer diese Verse:
Mars war – jetzt ist die Minerva –
Mars war – jetzt ist die Minerva –
Immer aber sein wird Venus!
Fünfzehnhundertvierzig schufen
Eine Knidia zwei Künstler
Für den König der Franzosen.
Fontainebleau sah diese Venus!
Jene Künstler der Franzosen
Wählten nicht die Venus felix,
Sondern die von Belvedere,
Diese splitternackte Göttin!
Alle Dichter priesen hymnisch
Die französische Cythere,
Diese Belvedere-Venus
Unverhüllten Unterkörpers!
Botticelli hatte Venus
Splitternackt in Lebensgröße
Schön gemalt auf ihrer Muschel:
Mediceische Cythere!
Mediceische Cythere!
Die Geburt der Venus malte
Sandro Botticelli, aber
Nicht die Anadyomene,
Sondern Pudica, die Keusche!
Venus Pudica lobpreisen
Alle Dichter. Alighierei
Hat die Pudica gesehen
Herrlich in dem Fegefeuer!
Venus Medici, die keusche
Venus Pudica, man hielt sie
Für die Knidia, die wahre
Von Praxiteles geschaffne.
Auch der Fürst der Dichter Goethe
Sah die Botticelli-Venus
Als die wahre Aphrodite
Von Praxiteles und Knidos.
Siebzehnhundertachtundzwanzig
Hatten Sohn und Vater, Briten,
Die französische Cythere
Als die Knidia erachtet.
Diese Belvedere-Venus,
Nicht die Medici-Cythere
Und auch nicht die Venus felix,
Sei die Knidia, die wahre.
C’est la vraie fameuse Vénus,
Gnidienne de Praxitile!
Goethes Freund, der Goethe-Mayer,
Aber dachte sich die Venus
Als die Medici-Cythere,
Diese sei poetisch wahrer
Als die Belvedere-Venus
Und die Knidia der Münzen.
Siebzehnhunderteinundachtzig
Schenkte nun der Mann Colona
Papa Pius eine Venus.
Jenem Siebten Pius schenkte
Jener die Colonna-Venus,
War ursprünglich nackt! Der Papa
Pius gab ihr Tuchdrapierung
Bis zum Nabel ihres Bauches.
(Denn es wollte Papa Pius
Nicht, dass noch ein frommer Pilger
Vor des Vatikanes Venus
In Sankt Peter masturbiere!)
Oh, ihr Christus-Stellvertreter
In dem Vatikan von Roma!
Drei Cytheren-Bilder habt ihr,
Eine zeigt ihr nur dem Volke!
Christus, Petrus und Maria!
Hört mein Seufzen und mein Stöhnen!
Laßt mich die verbotnen Bilder
Schönster Aphroditen schauen!
Darf ich erst im Fegefeuer
Aphrodite nackend schauen?
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