Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

MUTTER ASIA



Von Josef Maria Mayer


ERSTER TEIL
DIE NEUNZEHN EHRWÜRDIGEN GEDICHTE


1

Wandern, Wandern, weiter Wandern, Wandern,
Lebend noch – getrennt von meiner Freundin.

Ach, zehntausend Meilen trennen uns,
Du bist an dem andern Himmels-Ufer.

Lang der Weg und voll von Hindernissen.
Weiß ich denn, wann wir uns wiedersehen?

Hunnenpferd im Norden stürmt durch Nordwind,
Sommerschwalbe nistet in dem Südland.

Tag für Tag entferne ich mich weiter,
Täglich schnalle ich den Gürtel enger.

Wolken treiben vor der weißen Sonne,
Doch der Pilger wendet sich nicht um.

Sehnsucht nach der Freundin lässt mich altern.
Jahre, Monde, plötzlich ist es spät.

Schweige von der Angelegenheit.
Sprich dem roten Weine fleißig zu!


2

Grünes, grünes Gras an Flusses Ufer,
Wie verführerisch die Weide rauscht!

Prächtig, prächtig hoch im Haus die Dame,
Schimmernd, schimmernd lehnt sie an der Brüstung.

Lieblich, lieblich ist die rote Schminke,
Zärtlich, zärtlich reicht sie ihre Hand.

Früher war die Frau ein Freudenmädchen,
Jetzt ist sie die Braut des Vagabunden.

Doch der Vagabund kam nicht zurück.
Schwer, das leere Bett allein zu halten!


3

Grüne, grüne Zeder auf dem Hügel,
Im Gebirgsbach viele Kieselsteine.

Menschen zwischen Himmelreich und Erde
Leben unstet wie der Gast, der geht.

Wir vergnügen uns am Becher Wein,
Großmut herrsche unter uns, nicht Geiz!

Spannt die Pferde an, besteigt den Wagen,
Unternehmt die Lustfahrt in das Grüne!

O, die Hauptstadt Luo-yang, berauschend!
Hut und Schärpe gehen Hand in Hand.

Prächtige Alleen, enge Gassen,
Fürstenresidenzen, Königsschlösser!

Zwei Paläste schauen sich von ferne,
Zwei Portale: Hundert Fuß die Höhe.

Hochfest: Freude für Gemüt und Geist!
Trauer, Trauer! Was betrübt mein Herz?


4

Heute gab es hier ein schönes Festmahl,
Unaussprechlich diese süßen Wonnen!

Leierspiel, die Melodie betörend,
Töne drangen zaubrisch in den Geist.

Tugendlehrer sagten weise Worte,
Wissende vernahmen deren Wahrheit.

Seelenbrüder hegen gleiche Wünsche.
Das Geheimnis wird nicht offenbart.

Menschenleben eilen durch die Zeit,
Ungewiss wie Staub im Wirbelsturm.

Zäume auf das Ross mit langen Beinen
Und besetz den Pfosten an der Furt!

Nein, tu’s lieber nicht! Bewahre Demut!
Lang in Not liegt noch der Kummerkarren!


5

Im Nordwesten steht ein hohes Haus,
Zu den Wolken steigt des Daches Spitze.

Seidenmuster hängen vor dem Fenster.
Treppe und Balkon und Baldachin.

Oben Töne von Gesang zur Leier,
Doch das Lied mit einem Mal so traurig!

Wer kann solche Elegie vollbringen?
Sollte es die Frau Qi Liangs sein?

Saitenanschlag. Wieder wehe Seufzer.
Klage, übermäßiges Bedauern!

Ihre Elegie betrübt mich nicht,
Mich betrübt, dass keiner sie versteht!

Wären wir doch nur ein Kranich-Paar,
Flügel schlagend, steigend in den Himmel!


6

Ich überquer den Fluss und pflück die Seeros’,
Im Orchideenmoor das Duftgras rauscht.

Ich pflücke Blumen. Wem soll ich sie schenken?
Ach, die Geliebte ist in weiter Ferne!

Ich kehre um, schau in die alte Heimat,
Der lange Weg streckt weit sich vor mir aus.

Vereinten Herzens, ach, und doch getrennt –
Ach, tausend Schmerzen! Schließlich kommt das Alter.


7

Der helle Mond scheint schimmernd in der Nacht,
Die Grillen zirpen an des Ostens Mauer.

Des Wagens Deichsel zeigt gen Winteranfang,
Die Sternenscharen! O, die Sternenordnung!

Der weiße Tau auf vielen Gräsern liegt,
Die Jahreszeiten plötzlich sich verändern.

Die Herbstzikaden zirpen in den Bäumen.
Mysterienvogel fliegt – er fliegt wohin?

Mein Studienfreund aus guter alter Zeit
Ist aufgestiegen, machte seinen Doktor.

Er denkt nicht mehr an meine Freundeshand,
Ließ mich zurück wie eine Spur im Staub.

Im Süden Sichel und im Norden Kelle,
Der Büffel schreitet nicht mehr vor dem Pflug.

Der edle Mensch, er werde hart wie Stein!
Am meisten wert ist doch ein guter Name.


8

Wie schwach, wie schwach, verwaist der Bambus wächst,
Schlägt Wurzeln in dem Winkel des Gebirges.

Die Edlen haben sich erneut vermählt!
Das Hasenhaar umschlingt die Weiberwinde.

Vermählt, doch tausend Meilen fern einander!
Wie traurig doch: Getrennt durch einen Bergrutsch!

Die Sehnsucht nach der Freundin lässt mich altern.
Ach, wie verspätet kommt mein Wagen an?

Verletzt die Lotosblumen, Jadeblüten,
Die Knospe birgt sich, doch verströmt sie Glanz.

Die Zeit vergeht, die Blüte keiner pflückt,
Bald wird die Blume mit dem Herbstgras welken.

Des Edlen Tugend nimmt ein hohes Maß an,
Dann kann die Magd den Gipfel auch erreichen!


9

Im Hofe steht ein wundervoller Baum,
Aus grünen Blättern bricht die Blütenpracht.

Ergreif den Ast und bricht der Blüten Fülle,
Zukünftig der Geliebten sie zu senden!

Ein Zauberduft erfüllt das Busentuch.
Der Weg ist weit. Ach, wer gelangt zu ihr?

Dies Kleinod – welcher Fuß bringt den Tribut?
An Trennung denk ich, so verrinnt die Zeit.


10

Fern und hoch der Halfterbüffelstern.
Schimmernd, schimmernd, die Milchstraßenfrau!

Zärtlich, zärtlich streckt sie ihre Hand,
Surrend, surrend webt sie an dem Webstuhl.

Tagesende, aber nichts vollendet.
Tränentropfen stürzen wie der Regen.

Die Milchstraße klar und wohlgeordnet.
Ach, wie oft wir uns getrennt, Geliebte!

Prächtig, prächtig, Mondschein auf dem Wasser.
Blick in Blick, doch können wir nicht sprechen.


11

Ich kehr den Wagen um und fahre weiter,
In Fernen, Fernen folge ich dem Weg.

Vier Himmelrichtungen: Nur Trübsal, Trübsal!
Der Ostwind rüttelt an den hundert Gräsern.

Hat alles seine Zeit: der Lenz, der Herbst.
Ach, dass ich früher nicht ins Amt berufen!

Das Menschenleben ist nicht Stein, nicht Eisen.
Wie nur erreicht man ein gewisses Alter?

Ich folge ungewiss der Wesen Wandel.
Den lichten Namen wähl ich mir zum Schatz!


12

Im Osten ist die Mauer hoch und lang
Und setzt sich weithin fort in breiten Kurven.

Der Sturm erhebt sich und bewegt die Erde,
Das Herbstgras ist schon dunkelgrün und füllig.

Vier Jahreszeiten wechseln immer stärker.
Des Jahres Abend kommt so überraschend!

Der Morgenfalke macht mir Herzenskummer,
Die Grillen schaden mir durch ihren Kleinmut.

O, Läuterung von Willen und Empfindung!
Warum eilst du, dir Fesseln anzulegen?

In Yan und Lao sind viel schöne Mädchen,
Anmutige, Gesichter rein wie Jade!

Gewandet in ein feines Seidenkleid,
Sie komponiert die allerreinsten Stanzen.

Mit einem Mal der Leier Klang so traurig!
Die Saiten straff. Man kennt den Druck am Steg.

Gefühl sei frei! Den Zaubergürtel gürtet!
Seufzt tief und wandelt sinnend auf und ab.

Ach, wären wir ein Paar von Frühlingsschwalben,
Ein Nest uns bauend an des Weisen Haus!


13

Ich fahr den Wagen zu dem obern Osttor,
Im Norden überblicke ich die Gräber.

Die Zitterpappeln, ach, wie traurig rauschend,
Die Fichten und die Pinien an der Straße!

Dort unten ruhn dem Tod verfallne Menschen.
O Nacht, o Nacht in tiefer Dunkelheit!

Gesunken in den Schlaf, zur Gelben Quelle,
In tausend Jahren – werden sie erwachen?

Wie Yin und Yang in Reinheit sich vereinen!
Der Jahre Schicksal gleicht dem Morgentau.

Das Menschenleben unstet wie ein Pilger.
Auch hohes Alter ist nicht fest wie Felsen.

Zehntausende von Jahren ziehn vorüber,
Von Weisen keiner kann das je ermessen.

Nicht Drogen nimm, zu haschen nach der Fee!
Zu viele täuschen sich durch falsche Mittel!

Viel besser ist der Trunk von gutem Wein
Und die Bekleidung transparenter Seide!



14

Der Wanderer wird alle Tage fremder,
Heimkehrender wird lieber Tag für Tag.

Ich trete aus dem Tor der Stadt und schaue,
Erdhügel seh ich nur und frische Gräber.

Die alten Gräber sind schon umgepflügt,
Man fällt die Pinien, Fichten werden Brennholz.

Die Kummerlüfte in den Zitterpappeln!
Leid weht, Leid weht! Der Schmerz gedenkt der Toten.

Heimkehren möchte ich zum alten Tor,
Heimkehren! Keiner folgt mir auf dem Weg.


15

Des Lebens Jahre sind nicht hundert Jahre,
Beständig aber Tausend-Jahre-Kummer!

Das Licht nur kurz, die Nacht des Kummers lang.
So nimm die Fackel, fahre ins Vergnügen!

So freue dich und pflück den Augenblick!
Denk nicht, dass Glück von selber zu dir kommt.

Der Dummkopf will sein Geld nur immer sparen,
Der Nachwelt aber ist er nur ein Spott.

Zu leben wie der Königssohn und Gottmensch? –
Unsterblichkeit erlangen ist nicht leicht!


16

Frostig, frostig, da das Jahr sich neigt.
Maulwurfsgrillen zirpen abends traurig.

Eiskalte Winde blasen voller Kraft,
Der Pilger in der Kälte ohne Mantel.

Bestickte Decke schick ich in die Ferne,
Doch ach, von mir getrennt die Bettgenossin!

Allein im Zimmer, lange dunkle Nächte,
Im Traum seh ich das Leuchten ihrer Lippen.

Der gute Mensch gedenkt vergangner Wonnen.
Er lehnt sich an den Wagen, nimmt den Zügel.

Andauernd sei ein glückliches Gelächter!
Er nimmt den Zügel, fährt im Wagen heim.

Schließlich angekommen! Er verweilt nicht,
Bleibt nicht stehen an der Doppelpforte.

Morgenfalkenflügel hat der Edle
Und so kann er reiten auf dem Sturm!

Die Geliebte schaut umher, voll Ahnung.
Aus der Ferne schaut sie ihn voll Hoffnung.

Zage Schritte. Schmerzen in dem Busen.
Tränen tropfen auf der Pforte Flügel.


17

Winteranfang. Frostig kalt die Luft.
Weh, der Nordwind bläst gewaltig, grausam!

Viele Sorgen. Ach, die Not ist groß!
Heb den Blick und schaue zu den Sternen!

Vierzehn, und der lichte Mond ist voll.
Doch der Jaspishase sitzt im Zimtbaum.

Kam ein Gast von einem fernen Ort,
Der mir überbrachte einen Brief.

Erstens: Lange aneinander denken!
Zweitens: Ach, so lange währt die Trennung!

Steck den Brief in meine Manteltasche,
Dieses Schreiben nicht verdirbt die Zeit.

Ganzhingabe dies von Herz und Geist –
Wird die liebe Frau dies auch bemerken?


18

Kam ein Gast von einem fernen Ort,
Brachte einen Ballen reiner Seide.

Ach, wir sind getrennt! Zehntausend Meilen!
Doch des Freundes Herz bleibt dir verbunden!

Schaue hier der Treue Entenpaar,
Nimms als Decke doch für unser Bett!

Siehe, gegenseitiges Gedenken!
Schau, unlösbare Verknotungen!

Wasser nimm und gieß es in den Wein –
Keiner kann das jemals wieder scheiden!


19

Lichter Vollmond, o wie schimmernd, schimmernd,
Scheint auf unsres Bettes Seidendecke.

Voller Sorgen. Ach, ich kann nicht schlafen,
Stehe auf, geh zögernd auf und ab.

Eine Reise nennt man freudenvoll,
Aber schöner ist die frühe Heimkehr!

Tret ich aus der Tür, geh auf und ab,
Ach, wem soll ich sagen meine Nöte?

Traurig kehre ich ins Haus zurück.
Tränen feuchten mir den Unterrock.



ZWEITER TEIL

RAJALAS LIEBE



Nachdem du nun den anmutvollen, schönen
Gebieter voller Liebreiz angebetet,
Hör Rajala mit ihrer Freundin reden,
So wie der Dichter wiedergibt die Reden.

RAJALA
Im Herbstmond donnern Wolken mir ins Ohr,
Mein Körper ist ermattet durch die Trennung,
Die Blitze leuchten wie Dämonen blenden,
Wie kann ich ohne Nemi das ertragen?

FREUNDIN
O Herrin, sei doch nicht bekümmert, Herrin,
Die bösen Menschen wollen, dass du klagst.
Was hast du denn mit Nemi schon verloren?
Es gibt doch hundert andre schöne Männer.

RAJALA
Es gibt doch keinen Jaspis unter allen
Den Ehemännern wie den lieben Nemi,
Der Sternenhimmel leuchtet nur so lange,
Bis an dem Himmel aufersteht die Sonne.

Als sie im Herbstmond sah den vollen Teich,
Da weinte Rajala voll Selbstmitleid.
Du Ozean der Allbarmherzigkeit!
Ach, warum hast du mich allein gelassen?

FREUNDIN
Prinzessin Rajala, nur keine Tränen!
Der stolze Nemi ist doch nichts für dich.
Wenns regnet auf die Bäume, blühen sie,
Vom Regen wird der Fels jedoch nur härter.

RAJALA
Ja, Freundin, eher noch erweicht der Fels sich,
Als dass sich Nemi irgendwie erweichte.
Wenns heftig regnet, schwillen Teiche über,
Doch Meere schaukeln einfach hin und her.

Im Mond Dezember ohne den Geliebten
Prinzessin Rajala vergoss viel Tränen.
Mir brennt der Mond, doch ist er kalt wie Schnee,
Ach, ohne Ehemann ist alles nichts.

FREUNDIN
Du weinst in Wahrheit doch nicht wegen Nemi,
O Freundin, tu dir doch nicht selber weh.
Ob sieben Leben lang du ihn schon liebst,
Ist ihm egal, der dich zuerst verlassen.

RAJALA
Doch Nemi ist barmherzig, makellos,
Nein, gegen andre richtet sich mein Zorn,
Die Nemi schickten fort, das Vieh zu weiden,
So brach mit mir mein vielgeliebter Nemi.

Der große Wagen steht am Firmament,
Prinzessin Rajala ist matt und schwach,
Sie klagt am Tag und jammert in der Nacht:
Komm wieder! Habe Mitleid, mein Geliebter!

FREUNDIN
Setz keine Hoffnung mehr auf diesen Nemi,
Der Feigling ist geflohen vor der Ehe.
Wer solcher Art sein bestes Weib verlassen,
Geht der vielleicht zum Berg des Heiligtums?

RAJALA
Wie könnte Nemi denn ein Feigling sein,
Der tausend Feinde dieser Welt getötet?
Solange Atem ist in meiner Nase,
Geb ich die Hoffnung auf den Mann nicht auf.

Zu Jahresanfang schaut sie auf die Straße,
Sie, deren Augen groß sind, sie sagt dies:
Wer bringt den Prinzen Nemi heim zu mir,
Des Unglück trage ich mit meiner Seele?

FREUNDIN
Ach Freundin, gib doch diesen Starrsinn auf,
Was willst du denn mit diesem Nemi machen?
Wer ruft denn laut zur Zeit des Vogelscheuchens,
Wenn eben er den Aussichtsturm bestiegen?

RAJALA
Ich liebte Nemi sieben Leben lang,
Wie sollt ich seinetwegen jetzt nicht leiden?
Und wenn mich der Geliebte auch verschmähte,
So würd ich doch an seinem Namen hängen.

Geliebter, gib den Zorn im Frühling auf!
Errette mich, errette mich vom Tod!
Ach, dieser harte Frost! Die Nacht vergeht nicht!
Ah, Pfeil im Herz! Mein Leiden unaussprechlich!

FREUNDIN
Frau Torheit, merkst du nicht: Die Jugend schwindet,
Dieweil du immer Nemi, Nemi rufst!
Die Welt ist voll von männlichen Juwelen,
Nimm einen andern Freier dir zur Ehe.

RAJALA
Du bist naiv, ein echtes Bauernweib!
Prinz Nemi ist doch mein Gemahl allein,
Was kümmern mich da noch die andern Männer?
Der Elefant ist mein! Weg mit den Eseln!

Im Januar nimmt zu des Frostes Strenge.
Die Herrin klagt: Geliebter, komm zu mir!
Ach ohne dich, Geliebter, ist nur Frost!
Der Tod schlägt auf mich ein mit harten Schlägen!

FREUNDIN
O Freundin, immer weinst du laut im Wald.
Kannst du denn einen Elefanten zähmen,
Indem du ihn an seinen Ohren zupfst?
Ja, weißt du nicht, dass er ein andres Weib liebt?

RAJALA
Wie kann ich dem Geschwätz denn Glauben schenken,
Da der Geliebte wohnt in meinem Herzen?
Ging er zu einer Andern, was wär dann?
Dann würd ich ihn begleiten zu der Andern.

Der Sturm reißt alle Blätter von den Bäumen,
Die Bäume jammern laut mit der Prinzessin!
Was bin ich nicht im Mutterschoß gestorben,
Spricht Rajala im tiefen Seelenkummer.

FREUNDIN
Jetzt handle wie besprochen, überlege:
Da sind doch bessre Männer als dein Nemi.
Gibts keine süße Feige, wenn du hungerst,
O Freundin, iss dann eben süße Datteln.

RAJALA
Wär einer schneller auch als der Gedanke,
Wär keiner doch so gut wie mein Geliebter!
Geh ich zur Hochzeit, dann mit Nemi nur,
Die Nachtigall trinkt nur vom Kelch der Rose.

Im März bedecken Bäume sich mit Laub,
In allen Wäldern singen Nachtigallen.
Und Pfeil und Bogen in die Hand nahm Eros,
Durchbohrte Rajala das weiche Herz!

FREUNDIN
Schau, Freundin, wie der Frühling trunken ist!
Sind Freier da, kann man sich jetzt vergnügen!
Die Dirne trägt jetzt Reizgewand und Schmuck,
Die Lust der Jugend wird im Lenz erlangt.

RAJALA
Er hat die Heirat ja mit mir gebilligt,
Auch die Familie hat er nicht verachtet,
Wenn er die Ehe mir verspricht, doch fortgeht,
Verbrenn ich meine Jugendzeit im Feuer!

Im Mond April ist aufgeblüht der Garten,
Der Zephyr bläst, der Freund des Gottes Eros.
Brich, Herz! So jammert Rajala. Im Herzen
Sah sie die Wohnung ihres Vielgeliebten.

Dass Rajala den Liebesschmerz vergisst,
Die Freundin sprach: Die Honigbiene schau,
Fünf Tage lang währt ihres Lebens Jugend.
So iss und trink! Vergnüge dich an Lust!

Und Rajala preist jene andern Frauen,
Die einen Ehemann im Bette haben.
Nur ich bin die Verdammte, deren Buhle
Nicht einmal zeigt sein lichtes Angesicht!

Im Juni brennt die Trennung wie die Sonne,
Der Trennung Sonne ließ den Fluss vertrocknen.
Als Rajala die Rosenblüte sah,
Fiel Rajala vor Sehnsucht fast in Ohnmacht!

Sie fiel in Ohnmacht! Freundinnen, herbei!
Ein schwerer Schlag traf wie ein scharfes Schwert sie!
Man gab ihr Sandelholzpastetendüfte,
Die Freundinnen erlabten sie mit Worten.

Sie hat sich losgesagt von dieser Welt.
Spricht Rajala: O Bester du der Weisen,
Erwarte mich! Gedenke deiner Worte!
Nimm mit mich zu dem Berg der Heiligkeit!

Sie stärkte im September ihre Seele,
Ließ Blitz und Donner sorglos unbeachtet,
Da sprach die Tochter ihres Vaters dies:
Ja, glauben will ich, mit der Liebe gehen!

Die Freundinnen, versammelt, sprachen da:
Iss Pfefferkörner nicht als Kichererbsen!
Frau Torheit, schwätz nicht von der Liebe Quelle.
Schwer ist die Buße, aber du bist zart.

RAJALA
Seit sieben Leben ist mein Freund mir gnädig,
Nun freu ich mich an keinem Glücke mehr,
Jetzt gibt es nur noch Tod mit dem Geliebten!
In allen Leben liebt ich nur den Einen!

Der Mond durchwandert jeden Monat doch,
Die Sonne geht durch alle Jahreszeiten.
Nur den Geliebten will sie treffen, alles
Ließ Rajala zurück für den Geliebten.

Voll Sehnsucht nach dem einen Vielgeliebten,
Begab sie sich zum Berg des Heiligtums.
Die Freundinnen zusammen im Gefolge,
So kam sie zu dem Herrn der höchsten Weihe.

Prinzessin Rajala erlangte Einsicht
Und wurde zur erlösten Seele Gottes!
Ich Dichter habe Ehre ihr erwiesen,
Erzählte meinem Freund von ihrer Rettung.

Nachdem sie auf dem Berg des Heiligtums
Den Bräutigam der Seele angebetet,
Ward sie erlöst vom finstern Weltenrad
Und ging gereinigt in die Gottheit ein.



DRITTER TEIL
KARUNA, MEINE BENGALISCHE GELIEBTE


1

Der Körper ist ein Lebensbaum, fünf Zweige dran.
Die Dunkelheit beschleicht den Geist im Innern.

Die Kraft der Ewigen Glückseligkeit verstärke
Und lerne von den Unterweisungen des Meisters.

Warum und auch worüber meditiert ein Mensch?
Du stirbst an Unheil oder an Glückseligkeit!

Lass ab und binde dich an falsche Hoffnung nicht,
Leg Flügel an, indem du wirst zu reinem Nichts!

Der Dichter sagt: Ich sah dies in der Kontemplation,
Den Ausgang und den Eingang auf dem selben Thron.


2

Die Milch der Turteltaube melke in den Eimer,
Dieweil das Krokodil die eignen Tränen speist.

Lausch der Musik! Das Königreich ist in der Seele.
Um Mitternacht der Schatz gestohlen wird vom Dieb.

Mein Schwiegervater schläft, die Braut ist aber wach.
Wo finde ich den Schatz, den mir der Dieb geraubt?

Am Tage fürchtet sie sich vor der schwarzen Krähe,
Doch nachts kommt sie zu Liebesspielen in mein Bett.

Maria Josef Mayer sang dies Lied der Mystik.
Nur Einer von Millionen kann dies Lied verstehen.


3

Da ist die Frau, die mir den heiligen Wein bereitet,
Sie kommt herein, sie mischt den Wein mit Wasser.

Ganz still, Karuna! Misch Gewürze in den Wein
Und trink! Dein Körper wird einst frei vom Tode sein!

Ist nur des Weines Zeichen an der Tür zu sehn,
Wer dann hineingeht, der wird nicht hinausgeschickt.

Den breiten Becher reich dem Überfluss des Weines!
Halt still mit deiner Hand, verschütte keinen Tropfen!


4

Die Zone press, Karuna, zärtlich press die Lotos!
Karuna, mach du mir das Abendmahl zur Nacht!

Karuna, Liebe! Ohne dich kann ich nicht leben!
Die Lippen küss ich, trinke Nektar aus der Lotos.

Die Reibung kann dich nicht beflecken, o Karuna!
Sie kommt ins Morgenland, besteigt des Berges Gipfel.

Mit Schloss und Schlüssel schließ das Haus der Schwiegermutter,
Des Mondes Flügel nimm und nimm der Sonne Flügel.

Der Dichter nennt sich: Heros höchster Sinnlichkeit!
Denn zwischen Mann und Weib erhebt sich Gottes Säule!


5

Der Strom des Lebens, tief und dunkel, leise rauscht,
Die beiden Ufer schlammig und die Mitte flach.

Der Herr macht eine Brücke, aus Vertraun gebaut,
Hinüber geh in zärtlicher Vertraulichkeit!

Die Axt des Zimmermanns, geschärft von Ewigkeit,
Den Baum des Wissens spaltet und den Pfahl errichtet!

Betritt die Brücke Gottes, schau nicht rechts nicht links,
Dir nahe ist der Gottmensch, geh zu keinem andern!

Die Seele, die hinüber will, die Brücke sucht,
Die wende an den Weisen sich, den Eingeweihten.


6

Wen nahm ich an und wen hab ich zurückgewiesen?
Ich höre überall des Jägers Waldhorn blasen.

Der Jäger, täglich jagt er nach dem Fleisch des Hirsches,
Der Hirsch lechzt voller heißer Inbrunst nach der Quelle.

Der Hirsch weiß nicht, wo die geliebte Hirschkuh ist,
Die Hirschkuh sagt zum Hirsch: Du fliehe auf die Berge!

Da flieht der Hirsch. Sein Huf lässt keine Spur zurück.
Der Dichter sagt: Dies Lied verstehen nicht die Toren.


7

Frau Torheit und Frau Weisheit an dem Wege stehn,
Auf dem so voller Traurigkeit der Dichter wandelt.

Wohin wird mich die Vorsicht meines Lebens führen?
Man nennt mich Philosoph, doch bin ich Narr der Liebe!

Drei sind’s, drei sind’s, vereinigt und geschieden doch.
Der Dichter sagt: Geläutert ist die Welt des Menschen.

Die da gekommen sind, die gingen alle fort!
Das Kommen und das Gehen macht den Dichter traurig.

Die Stadt der Ewigen Glückseligkeit ist nah!
Warum kann ich nicht einkehrn in des Herzens Herz?


8

Wenn ich das Boot Karunas fülle an mit Gold,
So habe ich für Silbergaben keinen Raum.

Karuna, gleite, gleite in den dritten Himmel!
Du bist erlöst von der Geburt in Ewigkeit!

Den Anker ziehe hoch und löse los das Tau,
Den weisen Meister frag und segle fort: Ahoj!

Wenn du der Rettung Schiff besteigst, dann schau umher:
Kann keiner segeln ohne leiser Reue Seufzer.

Er presste rechts und links und fand den schmalen Weg,
Die Pforte zur Glückseligkeit in Ewigkeit!


9

Zerstöre du die feste Burg der Alten Eva,
Befreie dich von Fesseln und von Bindungen!

Der Dichter flutete im Schatten goldner Wolke,
Drang ruhig in die Lotos der Geliebten ein.

Der Elefant, erregt von seiner Elefantin,
Der Elefant wird von der Elefantin nass!

Geschöpfe gibt es, die bei der Geburt schon rein sind,
Zwei sind’s, die rein sind bis in ihrer Haare Spitzen.

Nimm zehn Juwelen von zehn Himmelsqualitäten!
Beherrsch den Elefanten! Lerne Wissenschaften!


10

Am Rand der Stadt liegt unsre Wohnung, Freudenmädchen!
Der Mönch mit der Tonsur, er kommt und rührt dich an.

O Freudenmädchen, lass uns süße Liebe machen!
Karuna nackt! Der Dichter ist erlöst vom Zorn.

Da ist die Lotosblüte mit den fünfzig Blättern,
Auf dieser Lotosblüte tanzt das Freudenmädchen.

Gott grüße dich, geliebtes Freudenmädchen! Sag:
Auf wessen Boot schwimmst du im Meer der Seligkeit?

Die Arbeit deines Webstuhls gibst du andern hin,
Mir aber breitest du die Bambusmatte aus!

Für dich hab ich den Korb mit Schilfrohr fallen lassen,
Für dich trag ich den Rosenkranz aus Totenschädeln.

Karuna, die du von dem Lotos hast gegessen,
Soll ich dich töten jetzt und speisen deinen Leib?


11

Drei Flüchtlinge hab ich im Rettungsboot gerettet,
Acht Seelen kamen in dem Schiff durchs Meer der Sünde.

In meinem Fleische herrscht die Herrscherin Karuna,
Doch tags und nachts ist mein Gemach voll Einsamkeit.

Den Fluss des Daseins überquer ich wie ein Traum,
In Flusses Mitte ich erkenn der Wellen Spiel.

Karuna zieht dem Boot voran wie eine Traumfrau,
Sie riecht, sie schmeckt, sie fühlt sich wie ein Traum an, wachend.

Mein Geist ist Seemann auf der Fahrt ins große Nichts,
Karuna sich vereinigt der Glückseligkeit.


12

Das Boot, es gleitet über den geweihten Scheidefluss,
Karuna nimmt Ertrinkende an Bord des Schiffes.

So rudere, Karuna, rudere, Karuna,
So rudre heimwärts du. Es ist schon Nachmittag.

Mit meines Meisters Segen kehr ich heim nach Eden,
Ich knüpf die Schnur und bete meine fünf Gebete.

Das Wasser schütte aus den Himmelseimern aus
Und fülle mit dem Nass den Durst aus jedes Loches.

Die Sonne und der Mond sind wie zwei Schaufelräder,
Die Schöpfung und Vernichtung aber sind die Masten.

Doch rechts und links siehst du nicht Schöpfung und Vernichtung,
So lenke du dein Schiff nur weiter in den Hafen.

Karuna will nicht Opfergaben zur Bezahlung,
Aus freier Gnade nimmt sie alle Pilger mit.

Er aber, der der Reise Chariot bestiegen,
Er wandert nun von Strand zu Strand zur Bucht der Wonne.


13

Dein Ich allein, erleuchtet nur von Gottes Ich,
Erleuchtet wird von keiner andern Kreatur.

Wer immer geht den engen Weg ins Himmelreich,
Wird nie geboren werden noch mal auf der Erde.

Ihr Narren, geht doch nicht die Straße ohne Ziel,
Der Wahrheit Weg allein führt grade an das Ziel.

Nimm allezeit den Rosenkranz in deine Hand
Und denke an der Liebe Zelt auf schmalem Pfad.

Kennst du den Trug des Meeres voller Illusion?
Kein Floß, kein Boot durchdringt das Meer der Illusion.

Warum denn fragst du nicht den Weisen nach dem Weg?
Geh du den unsichtbaren Weg, zum Nichts zu werden.

Geh nicht verloren durch ein irrgeführtes Denken,
Der grade Weg führt dich zur siebten Königin.

Karuna spielt wie kleine Kinder in dem Garten,
Wo keiner aufpasst, wo kein Baum, kein Spielzeug ist.

Und hör gut zu, wenn dir der weise Lehrer rät,
Er reist in Paradiese mit geschlossnen Augen.


14

Musik des Himmels hörte ich, des Donners Trommeln,
Da floh der Geist des Todes vor dem Rosenkranz.

Mein Geist ist wie ein wilder Elefant gerannt
In fernen Universums Urwald. Ah, mich dürstet!

Was, Liebe, sind mir jetzt noch Tugenden und Laster,
Da ich errichtet hab für dich die Säule Gottes!

Ich höre die Musik des Himmels in den Lüften,
Mein Geist sucht liebend die jenseitigen Gefilde.

Vergiftet von dem Wein der Seligkeit der Seele
Hab ich im Rausch vergessen selbst den dritten Himmel.

Kein Feind und keine Feindin kann dich überwinden,
Wenn du dich überwinden ließest von dem Herrn.

Auf Erden unter der Gewalt der Sonnenhitze
Ich trinke Milch der Mutterbrust der Galaxie.


15

Die goldne Sonne ist wie eine goldne Leier,
Des Mondes Strahlen sind die silberlichten Saiten.

Unhörbare Musik schwang vom Gitarrenhals,
Karuna aber war der Körper der Gitarre.

O Mädchen, höre du den Schall von Gottes Harfe!
Wie Gottes Schall vibriert im Körper von Karuna!

Die Träume und die Wirklichkeiten sind mein Bogen,
Dieweil ich tröst mich mit dem Wein des Elefanten.

Wenn das Kamel gegangen ist durchs Nadelöhr,
Vibrieren im Moment zehn Harfensaiten Gottes.

So tanz, Karuna! Schwing das Becken! Sing, o Göttin!
Der wahre Glaube Gottes ist ganz unvergleichlich.


16

Mit Leichtigkeit durchquere ich drei Himmelreiche.
Ich schlief im Spaß der Ewigen Glückseligkeit.

Karuna, sage, wie ist dein geliebter Buhle,
Der draußen steht am Turm? Im Turm liegt die Geliebte.

Geliebte, unberührbar ist dein lichter Leib,
Ganz unvernünftig hast du diesen Mond verlassen.

Die Leute sagen, dass du seist ein schlechtes Weib,
Der Weise aber schlingt den Arm um deine Hüfte.

Der Dichter singt: Geliebte, Weib voll Leidenschaft,
Karuna, keine Frau war je wie du so unkeusch!


17

Welt sind und Himmel sind wie Tamburin und Trommel,
Der Geist, der Atem wie die Flöte und die Zimbel.

Viktoria, Viktoria! so jauchzen alle Himmel.
Maria Josef Mayer nimmt zur Frau Karuna.

Bei dieser Hochzeit schwand die eigene Geburt.
In Einem Augenblick empfing ich Religion.

Und Tag und Nacht vergehn, indem sie Liebe machen,
Die Nacht verstrickt sich in dem Netz der Vielgeliebten.

Der Weise intensiv empfindet die Geliebte,
Er lässt sie keinen Augenblick allein im Bett.

Der Dichter ist vergiftet und vernebelt von
Der Droge, die der Körper der Geliebten ist.


18

Karuna spricht: Mein Gatte lebt im Zölibat!
Mein sinnliches Verlangen ist so unaussprechlich!

Als ich auf der Station für die Entbindung war,
Ah wehe mir! hab ich das Baby abgetrieben!

Was ich begehrte, konnt ich damals nicht erlangen.
Mein erstgeborner Sohn war ein erwünschter Sohn!

Ich fühlte seinen Herzschlag unter meinem Herzen
Und wusste, welch ein wundervolles Kind er war!

Erblüht, in meiner Jugend wuchsen meine Brüste,
Da schied ich von der Mutter, tötete den Vater.

Der Weise sagt: Der Kosmos evolutioniert.
Der Wissende ist der Gewinner in dem Spiel.


19

Die Ratte knabbert in der dunklen Mitternacht.
Der Dichter wählt Ambrosia zu seiner Speise.

O weiser Mann, mit Vollmacht töte du die Ratte!
Befiehl dem Ratten-Dämon, in den Tod zu weichen!

Die Ratten wimmeln an dem Fluss der Unterwelt,
Mysterium Iniquitatis wirkt in Ratten.

Braun ist der Ratten Farbe, braun wie Kot der Erde.
Wer weiß, zu welcher Klasse sich die Ratten zählen?

Ich aber steig die Treppe in den dritten Himmel
Und trinke dort der Schönen Liebe Götterblut.

Solange noch die Ratte auf der Erde herrscht,
Verbanne sie nach deines Lehrers Unterweisung.

Wenn eines Tages alle Ratten sind vertilgt,
Der Dichter sagt: Dann lösen sich auch meine Fesseln!


20

Der Mensch macht selbst sich Hölle oder Himmel,
Der Weise macht sich selbst sein eignes Paradies.

Ich weiß es nicht, ich Unstudierter, Ungelehrter,
Wie Sterben ist und Leben in der Ewigkeit.

Der Tod ist eine Mutter, die ein Kind gebiert!
Das Leben aber scheint mir tausend Toden gleich!

Hat einer Angst vor der Geburt der Todesstunde,
Was hilft ihm die Chemie der Mediziner dann?

Wer Hölle, Fegefeuer, Paradies durchschritten,
Der lebt auf dieser Erde schon in Ewigkeit.


21

Willst du betreten schöner Liebe Lotosgarten,
So bleibe unvermählt, allein in dieser Welt.

Am Morgen blühte schön die weiße Lotosblüte,
Am Abend sank sie welk, ermattet in den Staub.

Bis nicht der Jäger zu mir kommt mit Brot und Wein,
Maria Josef Mayer nicht betritt die Hütte.

Der Jäger fing die Hirschkuh der geschaffnen Welt,
Er fing sie mit dem Netze der geschaffnen Welt.

Ich weiß vom Meister, wessen Liebeslied dies ist.
Des Körpers Tod ist nicht das Ende einer Seele.

Das Netz geschaffner Welt kann nicht die Seele fesseln,
Die Fesseln halten nicht der Seele wilde Hirschkuh.

Wie ruhelos und rastlos ist des Jägers Jagd!
Die Hirschkuh flüchtet in die absolute Freiheit!


22

Die Seele steigt wie Mond im Himmelsorient.
Die Illusion leg ab nach deines Lehrers Rat.

Auch deine Sinne auferstehen in den Himmeln!
Die Saat des Körpers ist gesät im Firmament!

Die Sonne aufersteht! Die dunkle Nacht entschwindet!
Die Illusionen dieser Welt sind aufgeklärt.

Schau an den Trauerschwan, der trinkt die weiße Milch,
Die Milch nur trinkt er aus der Milch-und-Wasser-Mischung.

So soll der Eingeweihte leben in der Welt,
Der Fromme trinke in der Welt nur Gottes Milch.


23

Was Religion ist, die Rückbindung an die Gottheit?
Zur Nabelschnur wähl du der Mutter Rosenkranz!

An deinem Webstuhl kannst du weben reines Linnen.
Ich webe, webe dir dein reines Leichentuch.

Errechnet habe ich, wie groß das Weltall ist,
Das Leichentuch ist groß genug fürs ganze Weltall.

Der Weisheit Webstuhl webt das reine weiße Linnen,
Zwei Fäden rissen, wurden aber neu verknüpft.

Ich lieg im Bett und lausche der Musik des Himmels.
Jetzt webe ich nicht selber mehr, jetzt webt die Gottheit!


24

Dein Linnen wasche, keine Faser bleibt mehr über,
Die Fasern wasche, bis ein reines Nichts zurückbleibt.

Karuna, einen andern Mann wirst du nicht finden!
Karuna sagt: Warum denkst du an andre Männer?

Ich wusch das Linnen rein, dann speiste ich den Gott.
Indem ich mich vernichtet, kehrte ich zu Gott.

Karuna sagt: Wenn einer auf der Reise ist,
Die Zweiheit ist zu sehn bis in der Haare Spitzen!

Karuna sagt: Ist keine Wirkung in der Welt,
Die nicht zurückgeht auf die ursachlose Ursach.


25

Die Lotosblume blühte in der Mitternacht.
Die Körper der Erwählten waren in Ekstase.

Der Mond kam seine Bahn herab von Orient,
Die Edelsteine schmücken schön die Stadt des Himmels.

Der Mond versinkt in Ewigkeit im Meer der Ruhe.
Die Lotosblüte schwimmt hinab die Bahn des Blutes.

Ein Mensch, erfahren in Glückseligkeit der Seele,
O Gottmensch, ist durch dich geworden Menschengott!

Der Dichter spricht: In Mystischer Union erlangte
Karunas Liebe ich, die Seligkeit der Seele.


26

O hohe Herzensberge, wo Karuna lebt!
Ein Pfauenpaar geht in des Südens Park spazieren.

Karuna sehe ich, ihr weißer Schwanenhals
Trägt eine Perlenschnur, die Perlen Vogelbeeren.

Karuna, Wilde! O Karuna, du Verrückte!
Nein, schrei nicht laut und lamentiere nicht voll Jammer!

Zur Ehefrau geworden ist Karuna mir.
Der Lebensbaum erblüht, die Krone küsst den Himmel.

Karuna trägt an ihren Ohren Ohrgeschmeide,
Sie geht allein spazieren in dem Wald und atmet.

Das Bett erbaut aus den Metallen der Planeten,
Karuna voller Liebeslust besteigt das Bett.

Maria Josef Mayer und Karuna liebend
Vereinen sich im Akte bis zur Morgenröte.

Des Dichters Zähne schwarz vom Betelnüsse-Kauen,
Des Dichters Genitalien wie die Kalmuspflanze.

In zärtlicher Liebkosung mit dem Nichts der Herrin
Verbringt er seine dunkle Nacht im Liebesglück.

Des Meisters Wort dein Bogen und dein Geist der Pfeil,
Durchdringe so das Herz der Ewigkeit der Liebe!


27

Ich bin vereinigt mit dem Leib der Vielgeliebten,
Der Donnerhammer Gottes mit der Lotosblüte.

In Flammen steht das Schlafgemach der Vielgeliebten,
Wir löschen mit dem weißen Tau der Galaxie.

Ein Strohhalm brennt, der Rauch steigt betend in den Himmel.
Vom Berg des Mittags steigt Karuna in den Himmel.

Wir haben Buddhas Bild und Kalis Bild zerstört!
Die sieben Tugenden verzehren uns wie Weißglut.

Der Dichter spricht: Die Quelle seh ich sich ergießen
Durch den Kanal, wie Gottes Atem durch die Flöte.


28

Maria Josef Mayer und Karuna eins!
Die Ritter sind in tiefen Liebesschlaf gesunken.

Die Sinnlichkeit besiegt, durch Über-Sinnlichkeit!
Das Glück in Ewigkeit ist König allen Nichts!

Ich blase auf dem Muschelhorn mein Hosianna!
Fern ist die Blume der Magie, die Kraft der Welt.

Der Dichter hebt den Finger in die Höhe, spricht:
Die Stadt des Glücks in Ewigkeit ist eingenommen!

Durch alle die drei Himmel strömt das Liebesglück,
So spricht der fromme Dichter in Zufriedenheit.


29

Ich kenn das Paddelboot im See der Seligkeit,
Ich kenn das Dorf der Zweiheit-in-Vereinigung.

Karuna, du bist die bengalische Geliebte!
Sein Eheweib hat sich der Dichter jetzt erobert.

Purgiert in Weißglut ist jetzt unsre Sinnlichkeit,
Wir wissen jetzt, wo unsre Seelen Ruhe finden.

Jetzt brauchen wir kein Gold und Silber mehr, Geliebte,
Im Garten Eden spielt die heilige Familie.

Mein Reichtum wird verschwendet von den acht Milliarden.
Im Tode ist es wie das allerschönste Leben!


30

Das dritte Gartenhaus ist in dem dritten Himmel.
Die Axt des Zimmermanns hat abgetrennt die Lüge.

Das junge Mädchen ist erwacht in ihrem Bett,
Gekleidet in ein Fischernetz ihr schöner Leib.

Entsage der Begierde nach der eitlen Welt!
Mein Geist im Glück im Arm hält dieses Weib aus Hauch!

Vor meinem dritten Freudenhaus im dritten Himmel
Mit einem Male platzt die pralle Samenschote.

Der Mond blüht überm dritten Gartenhaus in Eden,
Das Firmament ein Garten voll astraler Astern.

Die purpurnen Granaten hängen prall am Baum.
Karuna und ihr Buhle sind berauscht vom Most.

Und Ewigkeit um Ewigkeit vergeht in Stille
Und ich bin tief versunken in Glückseligkeit.

Und bei des Kosmos Achse ist das Bett aus Bambus,
Karuna brennt darauf wie Weihrauch am Altar.

Hier leben auch die Füchse und die Lämmergeier.
Das ist der Tod der Existenz, das wahre Leben.

Das Opfer wird in allen Himmel dargebracht –
Karuna starb – Karuna lebt in Ewigkeit!